Da nicht jedes Buch seinen eigenen Rezensions-Thread braucht, eröffne ich diesen Sammelthread zu allen TNG-Romanen. (Ich dachte, es gäbe bereits einen Sammelthread zum Relaunch/zur "Second Decade", habe den Thread aber nicht gefunden).
Rezension: TNG – “Pliable Truths“
Der neue „The Next Generation“-Roman von Dayton Ward ist kurz nach den Ereignissen des Zweiteilers „Geheime Mission auf Celtris III“ angesiedelt und erzählt die Vorgeschichte zu den Ereignissen in der „Deep Space Nine“-Auftaktfolge „Der Abgesandte“.
Über die Köpfe des Militärs hinweg hat die zivile cardassianische Führung nach dem Desaster bei Minos Korva beschlossen, die Besatzungstruppen von Bajor zurück in cardassianischen Raum zu beordern. Nach Jahrzehnten der Unterdrückung und der Rebellion sind die Bajoraner endlich frei und der interimistische Premierminister ersucht die Föderation darum, bei dieser Übergangsphase zu helfen und um zwischen Bajor und Cardassia zu vermitteln. Es fällt der Enterprise und damit Captain Jean-Luc Picard zu, diese Vermittlerrolle zu übernehmen. Eine Aufgabe, die er sehr willkommen heißt, denn er setzt sich schon seit längerem für die Bajoraner ein. Doch während Chefingenieur LaForge, Commander Data und Chief O’Brien Reparaturen an der Raumstation durchführen und dabei u.a. Bekanntschaft mit einem formwandelnden Sicherheitschef, einem Ferengi-Barbesitzer und einem cardassianischen Schneider machen und Beverly Crusher zusammen mit der Crew des Raumschiffs Oceanside auf Bajor medizinische Hilfe leistet, ändert sich die Zusammenstellung der cardassianischen Delegation und Picard sitzt plötzlich Gul Madred – nun zum Legat befördert – am Verhandlungstisch gegenüber. Jener Mann, der Picard erst vor wenigen Wochen körperlich und mental bis an den Rand der Selbstaufgabe gefoltert hat.
Zur gleichen Zeit schuften bajoranische Gefangene auf einem namenlosen Planetoiden im cardassianischen Raum in einem Uridium-Bergwerk. Aber wie auf Bajor regt sich auch hier der Wiederstand, führt erfolgreiche Sabotageakte durch und fängt für den leitenden Gul bestimmte Nachrichten ab. So erfahren die Gefangenen vom Truppenabzug und dem Befehl, dass alle Bajoraner auf cardassianischem Gebiet nach Bajor zurückgebracht werden sollen. Doch es sieht verdächtig danach aus, als habe dieser Befehl für diese besondere Bergwerkskolonie keine Gültigkeit, denn während sehr wohl eine geheime unterirdische Einrichtung evakuiert wird, in der die Cardassianer illegale Waffen testen – auch biologische Waffen an bajoranischen Versuchspersonen – geht der Betrieb im Bergwerk unverändert weiter. Die Gefangenen begreifen rasch, dass sie sich an einem Ort befinden, den es offiziell gar nicht gibt und dessen Existenz die Cardassianer keinesfalls zugeben werden. Dass dieser Ort evakuiert wird, kann nur bedeuten, dass sich die Cardassianer schon bald der Gefangenen entledigen werden – und zwar endgültig. Die Bajoraner beschließen, dem zuvorzukommen, bereiten sich auf einen Aufstand vor und senden ein verstecktes Notsignal, das nur eine einzige Person entschlüsseln kann: Ro Laren, Sternenflottenoffizierin an Bord der USS Enterprise.
Fazit: Dayton Ward hat sich eine interessante Zeit ausgesucht, die er in „Pliable Truths“ behandelt und tatsächlich verwundert es mich, dass es so lange gedauert hat, ehe ein Roman die Vorgeschichte von „Deep Space Nine“ behandelt. Bevor ein Commander Sisko, eine Lieutenant Dax oder ein Doktor Bashir auf der Station eintreffen, sind es die Offiziere der Enterprise, die in diesem Roman mit Kira, Odo, Garak, Quark, Gul Dukat und Kai Opaka interagieren. Das hat natürlich seinen Reiz und ist ein Balanceakt, denn am Beginn der TV-Serie sind die meisten dieser Charaktere noch nicht so gut entwickelt. Aber Dayton Ward gelang es wirklich hervorragend, später etablierte Charaktereigenschaften einfließen zu lassen, die „ruppigen“ Verhaltensweisen der „frühen Versionen“ dieser Figuren aber beizubehalten. Das funktioniert einerseits dadurch, dass Kira und Odo die meiste Zeit örtlich voneinander getrennt sind. (Tatsächlich wirft dann erst der Epilog, wenn sich beide auf der Raumstation aufhalten, dann doch die Frage auf, wie die freundschaftliche Beziehung entstand, die plötzlich vorhanden scheint.) Besonders gut gefiel mir auch das Streitgespräch zwischen Gul Dukat und Garak. Beide Charaktere sind hervorragend getroffen. Allerdings gibt es auch hier ein kleines Manko, da man das Gespräch aus der Perspektive eines Enterprise-Reparaturteams verfolgt. Es scheint, Geordi, Data und O’Brien erfahren hier als Ohrenzeugen zufällig mehr über Garak als Odo in den ersten zweieinhalb Staffeln der Serie über den Schneider/Spion herausfindet.
Kontinuität ist in diesem Roman doch ein gewisses Problem. Kenner der Serie haben gewiss vor Augen, in welch desolatem Zustand die Raumstation am Beginn des Pilotfilms ist. Aber in diesem Roman ist die Station eigentlich in viel zu gutem Zustand. Ja, die Cardassianer haben viel ausgebaut, einige Systeme sind nicht funktionsfähig, aber sie ist kein Trümmerhaufen wie am Beginn der Serie und im Verlauf des Romans bessert sich die Lage auch dank der Reparaturteams der Enterprise und der Oceanside (übrigens wie die USS Cerritos aus „Lower Decks“ ein Schiff der California-Klasse), die eine vorbereitete Sabotage aufdecken und verhindern können. Erst im Epilog – nach dem geordneten Abzug der Cardassianer – kommt es dann zu einer Situation, die die Raumstation quasi auf dem letzten Drücker vor Beginn der Ereignisse der Serie in diesen desolaten Zustand versetzt. Was passiert möchte ich nicht spoilern, aber zumindest mich haben diese späten Geschehnisse zu diesem Zeitpunkt nicht überzeugt. Die Cardassianer hätten das gleiche mit viel weniger Aufwand viel früher erreichen können. So wirkt es auf mich irgendwie, als habe Dayton Ward sich einfach etwas aus den Fingern gesogen, um die Kontinuität wiederherzustellen.
Tatsächlich wären die Ereignisse im Epilog ein perfekter Startpunkt für den Roman gewesen. Wenn erst danach die Enterprise eingetroffen wäre, hätte es nämlich auch am Verhandlungstisch etwas Substanzielles zu besprechen gegeben. Das erneute Aufeinandertreffen von Picard und Madred ist gut geschrieben und man ist als Leser schon sehr zufrieden damit, wie Picard damit umgeht und Madred auf dem vom ihm bevorzugten „Schlachtfeld“ auch zusetzen kann. Aber zwischen Bajor und Cardassia ändert sich durch die Verhandlungen nichts, aber das ist auch wiederum der Kontinuität geschuldet: Wer die Serie kennt weiß, dass es bis Staffel 3 dauern wird, ehe es erfolgreiche Friedensverhandlungen zwischen den beiden Welten gibt. Die Verhandlungen sind daher vorrangig als Bühne für Picards und Madreds Konflikt zu sehen. Aber ich denke, wenn Dayton Ward die Reihenfolge der Ereignisse geändert hätte, wäre hier noch sehr viel mehr drinnen gewesen.
Das gilt auch für den Handlungsstrang rund um die bajoranischen Gefangenen auf dem namenlosen Planetoiden. Er war interessant zu lesen, man fiebert durchaus mit. Aber erstaunlich ist, welch untergeordnete Rolle Ro Laren in der Geschichte spielt. Sie darf am Beginn der Geschichte bei der Lagebesprechung einige Informationen geben und dann entschlüsselt sie die Nachricht ihres Freundes. Aber viel mehr bekommt sie nicht zu tun.
Bewertung: Die größte Schwäche des Romans ist, dass verpasste Gelegenheiten so deutlich hervorstechen und man sich fragt, warum Dayton Ward die Geschichte auf diese Art und nicht anders erzählt. Aber das kann natürlich nur mein persönlicher Eindruck sein und die meisten anderen finden seine Entscheidungen vielleicht ideal. In seiner tatsächlichen Form ist „Pliable Truths“ aber auch ein guter Roman. Die Geschichte wird zügig erzählt, es gibt interessante Begegnungen und die Figuren sind sehr gut getroffen – allen voran Odo und Garak. Daher gebe ich 4 von 6 Sternen.
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Rezension: TNG – “Pliable Truths“
Der neue „The Next Generation“-Roman von Dayton Ward ist kurz nach den Ereignissen des Zweiteilers „Geheime Mission auf Celtris III“ angesiedelt und erzählt die Vorgeschichte zu den Ereignissen in der „Deep Space Nine“-Auftaktfolge „Der Abgesandte“.
Über die Köpfe des Militärs hinweg hat die zivile cardassianische Führung nach dem Desaster bei Minos Korva beschlossen, die Besatzungstruppen von Bajor zurück in cardassianischen Raum zu beordern. Nach Jahrzehnten der Unterdrückung und der Rebellion sind die Bajoraner endlich frei und der interimistische Premierminister ersucht die Föderation darum, bei dieser Übergangsphase zu helfen und um zwischen Bajor und Cardassia zu vermitteln. Es fällt der Enterprise und damit Captain Jean-Luc Picard zu, diese Vermittlerrolle zu übernehmen. Eine Aufgabe, die er sehr willkommen heißt, denn er setzt sich schon seit längerem für die Bajoraner ein. Doch während Chefingenieur LaForge, Commander Data und Chief O’Brien Reparaturen an der Raumstation durchführen und dabei u.a. Bekanntschaft mit einem formwandelnden Sicherheitschef, einem Ferengi-Barbesitzer und einem cardassianischen Schneider machen und Beverly Crusher zusammen mit der Crew des Raumschiffs Oceanside auf Bajor medizinische Hilfe leistet, ändert sich die Zusammenstellung der cardassianischen Delegation und Picard sitzt plötzlich Gul Madred – nun zum Legat befördert – am Verhandlungstisch gegenüber. Jener Mann, der Picard erst vor wenigen Wochen körperlich und mental bis an den Rand der Selbstaufgabe gefoltert hat.
Zur gleichen Zeit schuften bajoranische Gefangene auf einem namenlosen Planetoiden im cardassianischen Raum in einem Uridium-Bergwerk. Aber wie auf Bajor regt sich auch hier der Wiederstand, führt erfolgreiche Sabotageakte durch und fängt für den leitenden Gul bestimmte Nachrichten ab. So erfahren die Gefangenen vom Truppenabzug und dem Befehl, dass alle Bajoraner auf cardassianischem Gebiet nach Bajor zurückgebracht werden sollen. Doch es sieht verdächtig danach aus, als habe dieser Befehl für diese besondere Bergwerkskolonie keine Gültigkeit, denn während sehr wohl eine geheime unterirdische Einrichtung evakuiert wird, in der die Cardassianer illegale Waffen testen – auch biologische Waffen an bajoranischen Versuchspersonen – geht der Betrieb im Bergwerk unverändert weiter. Die Gefangenen begreifen rasch, dass sie sich an einem Ort befinden, den es offiziell gar nicht gibt und dessen Existenz die Cardassianer keinesfalls zugeben werden. Dass dieser Ort evakuiert wird, kann nur bedeuten, dass sich die Cardassianer schon bald der Gefangenen entledigen werden – und zwar endgültig. Die Bajoraner beschließen, dem zuvorzukommen, bereiten sich auf einen Aufstand vor und senden ein verstecktes Notsignal, das nur eine einzige Person entschlüsseln kann: Ro Laren, Sternenflottenoffizierin an Bord der USS Enterprise.
Der Roman erzählt, wie aus der cardassianischen Erzverarbeitungsstation Terok Nor
die Raumstation Deep Space 9 wurde. (HD-Bildmaterial stammt aus der Dokumentation „What we left behind“.)
die Raumstation Deep Space 9 wurde. (HD-Bildmaterial stammt aus der Dokumentation „What we left behind“.)
Fazit: Dayton Ward hat sich eine interessante Zeit ausgesucht, die er in „Pliable Truths“ behandelt und tatsächlich verwundert es mich, dass es so lange gedauert hat, ehe ein Roman die Vorgeschichte von „Deep Space Nine“ behandelt. Bevor ein Commander Sisko, eine Lieutenant Dax oder ein Doktor Bashir auf der Station eintreffen, sind es die Offiziere der Enterprise, die in diesem Roman mit Kira, Odo, Garak, Quark, Gul Dukat und Kai Opaka interagieren. Das hat natürlich seinen Reiz und ist ein Balanceakt, denn am Beginn der TV-Serie sind die meisten dieser Charaktere noch nicht so gut entwickelt. Aber Dayton Ward gelang es wirklich hervorragend, später etablierte Charaktereigenschaften einfließen zu lassen, die „ruppigen“ Verhaltensweisen der „frühen Versionen“ dieser Figuren aber beizubehalten. Das funktioniert einerseits dadurch, dass Kira und Odo die meiste Zeit örtlich voneinander getrennt sind. (Tatsächlich wirft dann erst der Epilog, wenn sich beide auf der Raumstation aufhalten, dann doch die Frage auf, wie die freundschaftliche Beziehung entstand, die plötzlich vorhanden scheint.) Besonders gut gefiel mir auch das Streitgespräch zwischen Gul Dukat und Garak. Beide Charaktere sind hervorragend getroffen. Allerdings gibt es auch hier ein kleines Manko, da man das Gespräch aus der Perspektive eines Enterprise-Reparaturteams verfolgt. Es scheint, Geordi, Data und O’Brien erfahren hier als Ohrenzeugen zufällig mehr über Garak als Odo in den ersten zweieinhalb Staffeln der Serie über den Schneider/Spion herausfindet.
Kontinuität ist in diesem Roman doch ein gewisses Problem. Kenner der Serie haben gewiss vor Augen, in welch desolatem Zustand die Raumstation am Beginn des Pilotfilms ist. Aber in diesem Roman ist die Station eigentlich in viel zu gutem Zustand. Ja, die Cardassianer haben viel ausgebaut, einige Systeme sind nicht funktionsfähig, aber sie ist kein Trümmerhaufen wie am Beginn der Serie und im Verlauf des Romans bessert sich die Lage auch dank der Reparaturteams der Enterprise und der Oceanside (übrigens wie die USS Cerritos aus „Lower Decks“ ein Schiff der California-Klasse), die eine vorbereitete Sabotage aufdecken und verhindern können. Erst im Epilog – nach dem geordneten Abzug der Cardassianer – kommt es dann zu einer Situation, die die Raumstation quasi auf dem letzten Drücker vor Beginn der Ereignisse der Serie in diesen desolaten Zustand versetzt. Was passiert möchte ich nicht spoilern, aber zumindest mich haben diese späten Geschehnisse zu diesem Zeitpunkt nicht überzeugt. Die Cardassianer hätten das gleiche mit viel weniger Aufwand viel früher erreichen können. So wirkt es auf mich irgendwie, als habe Dayton Ward sich einfach etwas aus den Fingern gesogen, um die Kontinuität wiederherzustellen.
Wie es zum desolaten Zustand des Promenadendecks kommt, erfahren die Leser des Romans
erst im Epilog. (HD-Bildmaterial aus der Dokumentation „What we left behind“.)
erst im Epilog. (HD-Bildmaterial aus der Dokumentation „What we left behind“.)
Tatsächlich wären die Ereignisse im Epilog ein perfekter Startpunkt für den Roman gewesen. Wenn erst danach die Enterprise eingetroffen wäre, hätte es nämlich auch am Verhandlungstisch etwas Substanzielles zu besprechen gegeben. Das erneute Aufeinandertreffen von Picard und Madred ist gut geschrieben und man ist als Leser schon sehr zufrieden damit, wie Picard damit umgeht und Madred auf dem vom ihm bevorzugten „Schlachtfeld“ auch zusetzen kann. Aber zwischen Bajor und Cardassia ändert sich durch die Verhandlungen nichts, aber das ist auch wiederum der Kontinuität geschuldet: Wer die Serie kennt weiß, dass es bis Staffel 3 dauern wird, ehe es erfolgreiche Friedensverhandlungen zwischen den beiden Welten gibt. Die Verhandlungen sind daher vorrangig als Bühne für Picards und Madreds Konflikt zu sehen. Aber ich denke, wenn Dayton Ward die Reihenfolge der Ereignisse geändert hätte, wäre hier noch sehr viel mehr drinnen gewesen.
Das gilt auch für den Handlungsstrang rund um die bajoranischen Gefangenen auf dem namenlosen Planetoiden. Er war interessant zu lesen, man fiebert durchaus mit. Aber erstaunlich ist, welch untergeordnete Rolle Ro Laren in der Geschichte spielt. Sie darf am Beginn der Geschichte bei der Lagebesprechung einige Informationen geben und dann entschlüsselt sie die Nachricht ihres Freundes. Aber viel mehr bekommt sie nicht zu tun.
Bewertung: Die größte Schwäche des Romans ist, dass verpasste Gelegenheiten so deutlich hervorstechen und man sich fragt, warum Dayton Ward die Geschichte auf diese Art und nicht anders erzählt. Aber das kann natürlich nur mein persönlicher Eindruck sein und die meisten anderen finden seine Entscheidungen vielleicht ideal. In seiner tatsächlichen Form ist „Pliable Truths“ aber auch ein guter Roman. Die Geschichte wird zügig erzählt, es gibt interessante Begegnungen und die Figuren sind sehr gut getroffen – allen voran Odo und Garak. Daher gebe ich 4 von 6 Sternen.
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