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    #16
    Zitat von xanrof Beitrag anzeigen
    Ich verstehe jetzt nicht, was du meinst.
    Ich meine, dass ich mir nur die Einwilligung zur Aufzeichnung und Bearbeitung geben lassen muss. Ich muss niemanden informieren, dass ich ein Experiment mache.
    Also ich will ein Experiment machen bei dem ich rauskriegen will ob die Schalen mit gemischtem Fruchtgummi schneller leer werden als die Schalen mit nur einer Sorte. Dazu miete ich einen Platz an und veranstalte ein Public Viewing. Beim Einlass lasse ich mir die erlauben, dass ich auf dem Gelände filme und die Aufzeichnungen auch weiterverwenden und veröffentlichen darf. Muss ich dann echt noch sagen, dass ich das Ganze mit nem Experiment verbinde?

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      #17
      Zitat von Tibo Beitrag anzeigen
      Ich meine, dass ich mir nur die Einwilligung zur Aufzeichnung und Bearbeitung geben lassen muss. Ich muss niemanden informieren, dass ich ein Experiment mache.
      Bei einem Experiment sehe ich das anders (basierend auf den oben zitierten ethischen Grundsätzen)

      Also ich will ein Experiment machen bei dem ich rauskriegen will ob die Schalen mit gemischtem Fruchtgummi schneller leer werden als die Schalen mit nur einer Sorte. Dazu miete ich einen Platz an und veranstalte ein Public Viewing. Beim Einlass lasse ich mir die erlauben, dass ich auf dem Gelände filme und die Aufzeichnungen auch weiterverwenden und veröffentlichen darf. Muss ich dann echt noch sagen, dass ich das Ganze mit nem Experiment verbinde?
      Das wäre imho noch kein Experiment mit Beeinflussung der Versuchspersonen.
      .

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        #18
        Ich finde (Meinung) hier sind Explorations- und Surveystudien ganz klar von Ursache-Wirkungs-Studien abzugrenzen, da gerade in dem ^-- angeführten Experiment nur beobachet wird und nicht in die natürliche Umgebung eingegriffen wird. Erst recht, wenn es eine öffentliche Versanstaltung ist... wenn jemand durch das Badefenster kuckt, um das Duschverhalten zu untersuchen (ich weiß, ein recht dämliches Beispiel), muss das anders aussehen.
        „ In einer weniger souveränen und freien Welt könnte dir diese Frage großen Ärger einbringen, hübsche Maus. “ Captain Gideon zu Marjatta in Sovereignty
        „ Wozu braucht Gott ein Raumschiff? “ Kirk, Star Trek 5

        Mein YouTube Kanal: youtube.com/soerenxena

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          #19
          Zitat von xanrof Beitrag anzeigen
          Es wäre zudem sogar extrem überraschend, wenn dieses Datenpotential nicht auch von der Wissenschaft verwendet würde.
          Offenbar scheinen die Leute von der Wissenschaft höhere moralische Maßstäbe zu erwarten.

          In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welcher Schaden durch dieses Experiment angerichtet wurde. Ganz unabhängig von der moralischen Fragwürdigkeit. Zerstört so ein Experiment nicht vielleicht auch das Vertrauen, weil man immer annehmen könnte, Teil eines Experimentes zu sein?
          "Unterdrücke nie mit Gewalt Überzeugungen, die du für verderblich hälst, sonst unterdrücken diese Überzeugungen dich. " - B. Russell, 10 Gebote eines Liberalen.

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            #20
            Zitat von xanrof Beitrag anzeigen
            ....Es geht hier aber nicht um Facebook.

            Es geht um ethische Verpflichtungen der Wissenschaft....
            Mit dem ersten Teil dieser Sichtweise liegst du falsch. Das ethische Verständnis einer Gesellschaft wandelt sich immer auch durch Einfluß der zur Verfügung stehenden Medien - das schließt auch den Umfang der Medien, die zur privaten Kommunikation mit ein. Wenn man um 1700-1800 in der Fremde war, hatte man vermutlich nach grob einem Monat ein "schlechtes Gewissen", sich nicht bei Eltern oder der Angebeteten gemeldet zu haben. Ab 1830 begannen dann die Erfindungen im Bereich Telegrafie und Telefon; später wurden die Grundlagen zur verbesserten Mobilität mit der Erfindung des Automobils gelegt. Die Summe dieser Entwicklungen gipfelten überimmer kürzer werdende Abstände bei "Neuerungen" und Preisverfall (Internet/email, mobiles, Web 2.0, Smartphones & die Explosion von Web 2.0 plus alles, was das Auto und Billigflüge angeht) in den letzten paar Dekaden in eine deutliche Verkürzung dieses Abstands - "Wo warst du denn gestern???" - der Versuch, dieses "schlechte Gewissen" als moralische Instanz zu instrumentalisieren. In der Gesellschaft von heute ist Unerreichbarkeit irgendwo zwischen unhöflich, unprofessionell und verdächtig. Facebook setzt genau da an und dem schon oft parodierten Verhalten vom mit dem Handy aufs Klo gehen noch eins obendrauf: Man kann der Welt jetzt vom Klo aus mitteilen, das man eben da ist; die grenzdebilen Fälle warten dann vielleicht noch auf den ersten "like", bis sie loslegen

            Es geht also sehr wohl auch um Facebook. Der Verfall eines ethischen Werts wie "Aufrichtigkeit" wird besonders durch soziale Netzwerke voran getrieben. Das passiert einmal auf der Seite der Benutzer untereinander: hier und da ein Höflichkeitslike - für Bullshit, den man eigentlich nicht mal wahrgenommen hätte, hätte der Poster nicht genau mit dem Post explizit darauf hingewiesen; hier und da eine akzeptierte Freundschaftsanfrage - vom Chef oder anderen Menschen, die man eigentlich lieber erschießen würde, aber der Karriere noch nützlich sein könnten usw.

            Andererseits ist der Betreiber zutiefst unaufrichtig gegenüber den Nutzern; den durchschnittlichen Facebook-User mal danach gefragt, was denn was bei Facebook ist, würde der wohl so antworten: Die User sind Kunden, die Website das Produkt und die Firma dahinter der Anbieter; in der Realität sind die User das Produkt, die Website das Mastfutter, die Firma dahinter Farmer wie Direktverkäufer und die Kunden andere Unternehmen. In das Bild passt die Aussage, daß Facebook die newsfeeds sowieso manipuliert, nur zu gut.

            Und da wir in einer Gesellschaft leben, in der das Virtuelle ein reales Handelsgut geworden ist, hat das Internet natürlich Auswirkungen auf unser reales Zusammenleben genommen, und so auch auf unsere realen ethischen Ansprüche. Der Wissenschaft einseitig einen Verfall der Arbeitsethik zu attestieren, ist mir da eine zu banale und oberflächliche Aussage. Wie oft werden bei Studien bewusst Grauzonen betreten, die sich wegen der behandelten Thematik eben ergeben - sei es in den Anfängend er Stammzellen- und Klonforschung, sei es bei Studien zu organisierter Kriminalität?

            Das Ausmaß der verdeckten Rechtsverletzungen, die Facebook seinen Usern zumutet, kann man durchaus schon mal im Bereich "Nepper, Schlepper, Bauernfänger" ansiedeln. Eine herabsinkende Hemmschwelle bei den Wissenschaftlern hinter der Studie ist für mich da durchaus nachvollziehbar; ein Anpassen an die eh vorhandenen Methoden kann man zynisch sogar als Versuch, eine Ergebnisverfälschung durch den Vorgang der Messung selbst zu minimieren, deklarieren.

            Ja, die Arbeitsethik dieser Wissenschaftler ist zweifelhaft; aber auch ja, die Arbeitsethik in der Wissenschaft insgesamt genügen oft nicht mehr höheren Standards, denn auch der Stellenwert vieler ethischer Grundwerte in unserer Gesellschaft ist rückläufig - und ja, soziale Netzwerke haben ihren Anteil daran. Auf dem Arbeitsmarkt bekommen in einigen Branchen Bewerber, zu denen Personalabteilung keine Einträge in sozialen Netzwerken findet, eine direkt Absage - obwohl die Suche danach von Firmenseite eigentlich reglementiert ist:

            Dürfen Personaler nach Bewerbern googlen? - Datenschutz - FOCUS Online - Nachrichten

            Im vorliegenden Fall hat Facebook nur ein weiteres Mal durchgezogen, was es Dank der Stupidität einer großen Masse seines Mastviehs kann: Datenhandel. Wer sich daran stört, sollte seinen Facebook-Account ganz löschen und nicht wegen seiner verdammten eigenen Bequemlichkeit halt doch "so einen kleinen" Account weiterführen. Kein Mastvieh -> Keine Farm -> Keine Studie, ob man glückliche Kühe unglücklich machen kann.
            Karl Ranseier ist tot. Der wohl erfolgloseste Foren-Autor aller Zeiten wurde heute von einem Bus auf der Datenautobahn überfahren.

            "Ich mag meine Familie kochen und meinen Hund" - Sei kein Psycho. Verwende Satzzeichen!

            Star Wars 7? 8? Spin-Offs? Leute, das Haftmittel für meine Dritten macht bessere Filme!

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              #21
              Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
              Mit dem ersten Teil dieser Sichtweise liegst du falsch.
              (...)
              Es geht also sehr wohl auch um Facebook.
              (...)
              Im vorliegenden Fall hat Facebook nur ein weiteres Mal durchgezogen, was es Dank der Stupidität einer großen Masse seines Mastviehs kann: Datenhandel.

              Bis auf den allerersten Satz kann ich im wesentlichen deinem ganzen Beitrag zustimmen. Die Entwicklung der Gesellschaft, die wachsende Bedeutung sozialer Medien (wobei FB da sicher "nur" der Platzhirsch ist), etc. , all das, d.h. das Phänomen soziale Medien für sich alleine betrachtet, sehe ich ähnlich oder genauso. Daher, d.h. vor dem Hintergrund dessen, was FB jeden Tag macht, ist diese Aktion sicher nichts besonderes.
              Das habe ich weiter oben auch schon geschrieben.

              Gleichzeitig denke ich, dass hier zwei Diskussionen miteinander vermischt werden:

              Da wäre einerseits das Agieren von FB und dessen unwidersprochener Einfluss auf die Gesellschaft.
              Da gibt es -neben der allgemeinen Entwicklung- keinen expliziten Eklat.
              Und ganz sicher ist es das Phänomen auch wert, von Sozialwissenschaftern und Psychologen untersucht zu werden.
              Der Punkt ist jedoch: es spielt keine Rolle, ob das nun bei FB, xing, ... oder google+ passiert.
              Deswegen schrieb und denke ich, dass es hier nicht um FB geht.

              Anderseits stehen hier die ethischen Grenzen der wissenschaftlichen Methodik zur Diskussion.
              (Gewiss: diese Aktion ist jetzt kein grenzenloser Skandal, da gäbe es weit schlimmeres, das im Namen der Wissenschaft passieren könnte. Dennoch ist es nach meiner Auffassung ein kleines Überschreiten der roten Linie, das diskutiert gehört, um die Akzeptanz dieser Grenzen zu stärken.)
              Also: Wissenschafter wollen zurecht die Entwicklung der Gesellschaft untersuchen. Dazu gehören sicherlich auch Beobachtungen und Experimente, um Thesen zu untermauern. Und bei einigen derartigen Versuche wäre es sicher wünschenswert, diese vollkommen heimlich durchzuführen.

              Allerdings gibt es eben auch die "Ethischen Richtlinien" wissenschaftlicher Arbeit, die von internationalen Berufsverbänden festgelegt wurden. Die oben (in #9) zitierten Sätze stammen aus der deutschen Übersetzung eines solchen Papiers. Ein solches Dokument ist keine Einzelmeinung eines weltfremden Bücherwurm-Philosophen, sondern reflektiert die moralischen Ansichten sehr vieler Wissenschafter auf der ganzen Welt.
              Diese Richtlinien definieren klare Grenzen für psychologische Experimente ohne Wissen der Beteiligten.
              Sollen nun ethische Grenzen überschritten werden, um eine einzelne Frage zu klären?
              Heiligt der Zweck die Mittel?
              Jedesmal?
              Selbst, wenn es auch anders gegangen wäre?

              Das Argument, eine Einweihung der Teilnehmer würde die Qualität der Daten beeinträchtigen, zieht hier nur halb: Denn ganz sicher wäre es auch mit Einwilligung gegangen.

              Man hätte zB (wie auch sonst üblich) eine öffentliche Ausschreibung machen können.
              Etwa so:

              Hey, wir suchen freiwillige Teilnehmer für ein Experiment auf Facebook.
              Das Experiment dauert 1 Woche und findet nächstes Jahr, also irgendwann im Jahre 2012, statt.
              Hierzu werden wir ohne Vorankündigung etwas auf eurer FB-Seite manipulieren und beobachten eure Reaktionen.
              Ihr werdet das sicher nicht mal merken.
              Nähere Info können wir noch nicht geben, um das Ergebnis nicht zu beinflussen.
              Unmittelbar nach dem Ende des Experimentes werden wir aber alle aufklären und alles erläutern.

              Wir bitten um Einschreibung und schriftliche Zustimmung.

              Damit wäre die Freiwilligkeit und die Information gegeben gewesen und die Richtlinien wären eingehalten worden.
              Durch einen längeren Zeitraum zwischen Ausschreibung/Information und dem Experiment, hätten die meisten wahrscheinlich nicht bemerkt, dass das eigentliche Experiment begonnen hatte.

              Natürlich ware das sehr viel mehr Arbeit gewesen, aber das gehört nunmal dazu.
              (Es ist übrigens eine methodische Schwäche diese Studie, dass die Teilnehmerdaten nicht vorliegen. )

              Nachtrag:
              Diese (meine) Ansicht mag sich etwas kleinlich, wie Prinzipienreiterei, anhören.
              Allerdings gibt es solche ethischen Grundsätze nicht ohne Grund: nämlich zum Schutz Einzelner.

              Würden einzelne Wissenschafter sagen: "Ooch, diese eine Grenze können wir mal etwas 'dehnen'. Ist ja nur ein bisschen.", was käme dann als nächstes?

              Natürlich sind solche Grundsätze nicht absolut und selbstverständlich können, ja sogar müssen, sie regelmäßig diskutiert werden.
              Allerdings kann man sicher sein, dass eventuelle Anpassungen dann auch eine breite Meinung aller Beteiligten, vielleicht sogar breite Veränderungen in der Gesellschaft spiegeln.

              Vielleicht ist es in 5 (?) Jahren "normal", solche manipulativen Tests ohne Wissen der Beteiligten durchzuführen.
              Aber bis dahin sollten sich "Grenzgänger" an die heutigen Markierungen halten.

              Und dieser Teil der Diskussion hat nichts mit FB zu tun.
              Zuletzt geändert von xanrof; 30.06.2014, 10:52.
              .

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                #22
                Zitat von xanrof Beitrag anzeigen
                Bis auf den allerersten Satz kann ich im wesentlichen deinem ganzen Beitrag zustimmen. Die Entwicklung der Gesellschaft, die wachsende Bedeutung sozialer Medien (wobei FB da sicher "nur" der Platzhirsch ist), etc. , all das, d.h. das Phänomen soziale Medien für sich alleine betrachtet, sehe ich ähnlich oder genauso. Daher, d.h. vor dem Hintergrund dessen, was FB jeden Tag macht, ist diese Aktion sicher nichts besonderes.
                Das habe ich weiter oben auch schon geschrieben.

                Gleichzeitig denke ich, dass hier zwei Diskussionen miteinander vermischt werden:

                Da wäre einerseits das Agieren von FB und dessen unwidersprochener Einfluss auf die Gesellschaft.
                Da gibt es -neben der allgemeinen Entwicklung- keinen expliziten Eklat.
                Und ganz sicher ist es das Phänomen auch wert, von Sozialwissenschaftern und Psychologen untersucht zu werden.
                Der Punkt ist jedoch: es spielt keine Rolle, ob das nun bei FB, xing, ... oder google+ passiert.
                Deswegen schrieb und denke ich, dass es hier nicht um FB geht.
                So weit gut und Zustimmung, bis auf den letzten Teil: es ist vom Ethik-Konflikt her relativ egal, welchen Anbieter im Bereich soziale Netze man wählt - ein Problem zwischen "alter" öffentlicher Meinung und deren Arbeitsethik besteht da prinzipiell immer. Die Unternehmen gehen da nur unterschiedlich mit um - google zahlt halt "gerne" mal einen kleinen Millionenbetrag, um die Wogen wieder zu glätten und ein möglichst positives Image zu erhalten oder beugt sich richterlichen Auflagen; facebook dagegen scheint das ziemlich am Allerwertesten vorbeizugehen und man scheint dort auf den "Suchtfaktor" zu setzen, der die Leute an Bord hält. Hier wäre eine genaue Analyse der Merktwerte des Datenbestandes interessant; ggf weiß man bei facebook schon jetzt, daß man google irgendwann den Rang ablaufen wird, was den Profilhandel angeht - beide tracken ja längst nicht mehr nur das Verhalten auf den eigenen Websiten, sondern sammeln komplexes Surf- und dabei halt Konsumverhalten. Hier geht's für die Zuknuft um die Frage: wer hat die Jüngsten?

                Daraus leitet sich bereits ab, daß der "Ort" der Studie sehr wohl einen Einfluß auf's Ergebnis haben kann: ein soziales Netz, daß zweckgebundener eingesetzt wird wie xing (oder ähnliche Karriere-orientierte Netzwerke) kann da durchaus einen deutlich geringeren Anteil an Beeinflußbarkeit als Ergebnis bringen. Und auch Xing war ja nicht unumstritten - zur Erinnerung:

                XING, Datenschutz, Social Media. Ein Widerspruch? | Systematisch KaffeetrinkenSystematisch Kaffeetrinken

                Auch hier hätte ggf. ohne Einverständnis der User manipuliert werden können. Die Wahl fiel aber gezielt auf facebook. Warum? Sicher auch, weil man dort für einen unbeeinflußten Test - also ohne den Hinterkopf informierter User - am wenigsten Widerstand erwartete. Die Linie, über die wir gleich weiterdiskutieren, wurde bereits in der Planungsphase überschritten. Und natürlich wirkt eine Studie "beim Platzhirsch" besser als bei einem kleineren, sprachlich oder lokal begrenzten sozialen Netz.


                Anderseits stehen hier die ethischen Grenzen der wissenschaftlichen Methodik zur Diskussion.
                (Gewiss: diese Aktion ist jetzt kein grenzenloser Skandal, da gäbe es weit schlimmeres, das im Namen der Wissenschaft passieren könnte. Dennoch ist es nach meiner Auffassung ein kleines Überschreiten der roten Linie, das diskutiert gehört, um die Akzeptanz dieser Grenzen zu stärken.)
                Also: Wissenschafter wollen zurecht die Entwicklung der Gesellschaft untersuchen. Dazu gehören sicherlich auch Beobachtungen und Experimente, um Thesen zu untermauern. Und bei einigen derartigen Versuche wäre es sicher wünschenswert, diese vollkommen heimlich durchzuführen.
                Hier beginnt halt mMn dein Denkfehler: Wenn du mir bei der Enticklung in der westlichen Gesellschaft und der veränderten Einstellung bezüglich ethischer Ansprüche zustimmst - woher der Wunsch, "die Akzeptanz dieser Grenzen zu stärken" ? Du wertest hier im Vorfeld, daß es nach deiner Ethik nicht ok war, und du machst klar, daß du höhere Ansprüche an die Ethikgrundsätze in Wissenschaft und Forschung hast. Und um das klarzustellen: persönlich bin ich da auch deiner Meinung. Nur: wenn die Mehrheit eine solche Überschreitung nicht als schlimm empfindet, wenn der Verfall dieser ethischen Grundsätze schon zu einem gewissen Grad akzeptiert - und in solchen Fällen ist Ignoranz leider auch ein (spezieller) Fall von Akzeptanz - wird, kommst du an den Punkt, an dem du in der Wissenschaft eine höhere ethische Grundhaltung erwartest als in der Bevölkerung oder in Regierungen und deren Organen. Historisch betrachtet gab's da Einzelfälle, aber nie diesen Ansatz als Hauptströmung, oder krasser ausgedrückt: Oppenheimer wußte, daß die Bombe eingesetzt würde, hat sie aber trotzdem gebaut. Überspitzt betrachtet hat die Studie also auch Einsicht über die Berufsethik in der Forschung geliefert

                Auch ohne eine generelle Neuorientierung der Gesamgesellschaft ist diese Entwicklung nachzuvollziehen. Immer mehr Forschung streitet sich um Fördergelder, die immer häufiger aus der Privatwirtschaft kommen. Der schlimmere Verfall der Arbeitsethik ist doch dort, wo man mit einer Studie gezielt den Standpunkt der Privatförderer stützt, als dort, wo man dem Trend der Allgemeinheit folgt. Und mit der Abhängigkeit von privaten Fördergeldern und der daraus resultierenden Selektion bei der Veröffentlichung ist doch schon ein viel schlimmerer Schritt gemacht - und die Weichen stellten sich bereits in den 90ern.

                Aus der Kapitalorientierung ergeben sich auch andere Anforderungen an das Ergebnis - Studien müssen mit Publicity-Gewinn präsentiert werden oder mit kleinen, unterhaltsamen Aktionen (wie dem synthetischen Hähnchenburger). Die Wahl facebook wurde im schlimmsten Fall schon mit Blick auf die Skandalwirksamkeit bei Veröffentlichung gewählt. Wo wäre deine rote Linie da jetzt schlimmer überschritten worden? Und denkst du, daß die Allgemeinheit dann ebenfalls an dieser Stelle das größte Problem sehen würde - oder überhaupt eins?

                Allerdings gibt es eben auch die "Ethischen Richtlinien" wissenschaftlicher Arbeit, die von internationalen Berufsverbänden festgelegt wurden. Die oben (in #9) zitierten Sätze stammen aus der deutschen Übersetzung eines solchen Papiers. Ein solches Dokument ist keine Einzelmeinung eines weltfremden Bücherwurm-Philosophen, sondern reflektiert die moralischen Ansichten sehr vieler Wissenschafter auf der ganzen Welt.
                Diese Richtlinien definieren klare Grenzen für psychologische Experimente ohne Wissen der Beteiligten.
                Sollen nun ethische Grenzen überschritten werden, um eine einzelne Frage zu klären?
                Heiligt der Zweck die Mittel?
                Jedesmal?
                Selbst, wenn es auch anders gegangen wäre?
                Natürlich sollte jemand mit "intakter" Ethik alle 4 Fragen mit "Nein" beantworten. Problem dabei ist aber, daß sich meine "intakte" Ethik aus hauptsächlich den 70ern und 80ern, und in Einzelfällen/Spezialgebieten aus den 90ern zusammenrekrutiert; die meisten ethischen Entwicklungen seit der Jahrtausendwende lehne ich ab. Die Entwicklung geht aber trotzdem weiter in diese Richtung, was mir meinen Statuts als Ethik-Dinosaurier immer wieder vor Augen führt. Also: Aus welchem Jahr ist das besagte Papier, wie alt waren die Wissenschaftler im Durchschnitt, die das ausgearbeitet haben? Sind sie noch aktuell im Sinne der heutigen Mediengesellschaft, also nicht älter als 5 Jahre?

                Durch Social Media werden Trends jetzt schon auf nur ein oder zwei Jahre betrachtet zu einer Momentaufnahme, statt wie früher erst durch den Blick auf eine Dekade zu einer solchen zu werden.

                Das Argument, eine Einweihung der Teilnehmer würde die Qualität der Daten beeinträchtigen, zieht hier nur halb: Denn ganz sicher wäre es auch mit Einwilligung gegangen.

                Man hätte zB (wie auch sonst üblich) eine öffentliche Ausschreibung machen können.
                Etwa so:

                Hey, wir suchen freiwillige Teilnehmer für ein Experiment auf Facebook.
                Das Experiment dauert 1 Woche und findet nächstes Jahr, also irgendwann im Jahre 2012, statt.
                Hierzu werden wir ohne Vorankündigung etwas auf eurer FB-Seite manipulieren und beobachten eure Reaktionen.
                Ihr werdet das sicher nicht mal merken.
                Nähere Info können wir noch nicht geben, um das Ergebnis nicht zu beinflussen.
                Unmittelbar nach dem Ende des Experimentes werden wir aber alle aufklären und alles erläutern.

                Wir bitten um Einschreibung und schriftliche Zustimmung.
                Sehe ich nicht so. Die Ankündigung/Erwartung einer Manipulation setzt im Normalfall Abwehrmechanismen in Kraft. Die Stichprobengruppe könnte so ausserdem weniger represäntativ ausfallen als bei freier Auswahl aus Millionen von gut dokumentierten Datensätzen. Wenn die in der Studie zB ca 10.000 Beamte aus verschiedenen Ländern haben wollten, dann hatten die die jetzt. Bei einer Ausschreibung besteht die Gefahr, auf einer Horde "ich bin jung und brauche das Geld und mir ist sonst alles egal"-Typen hängenzubleiben - zuzüglich zu besagten Abwehrmechanismen.

                Damit wäre die Freiwilligkeit und die Information gegeben gewesen und die Richtlinien wären eingehalten worden.
                Die Freiwilligkeit war überspitzt betrachtet durch das Einwilligen in facebooks Nutzungsbedingungen gegeben. Und das hat eine gewisse relevante Gruppe inzwischen Verstanden - als ich das letzte Mal (vor ner Stunde) nachgesehen hab, hatte facebook am Markt um 0.4% zugelegt - im Datenkritischen Europa, USA war noch auf dem Stand vom Freitag. Auch hier scheint man ethisch allein auf weiter Flur zu stehen. Die Aktie ist nur 3 Euro unter dem Jahreshoch, hätte nach unten viel Raum zum freien Fall.

                Durch einen längeren Zeitraum zwischen Ausschreibung/Information und dem Experiment, hätten die meisten wahrscheinlich nicht bemerkt, dass das eigentliche Experiment begonnen hatte.

                Natürlich ware das sehr viel mehr Arbeit gewesen, aber das gehört nunmal dazu.
                (Es ist übrigens eine methodische Schwäche diese Studie, dass die Teilnehmerdaten nicht vorliegen. )
                Volle Zustimmung zum letzten Satz. Ob der lange Zeitraum zum Erhalt unverfälschter Ergebnisse geführt hätte, kann man aber sicher nicht sagen. Und das Problem der Stichprobenzusammensetzung bleibt.

                Nachtrag:
                Diese (meine) Ansicht mag sich etwas kleinlich, wie Prinzipienreiterei, anhören.
                Allerdings gibt es solche ethischen Grundsätze nicht ohne Grund: nämlich zum Schutz Einzelner.

                Würden einzelne Wissenschafter sagen: "Ooch, diese eine Grenze können wir mal etwas 'dehnen'. Ist ja nur ein bisschen.", was käme dann als nächstes?
                Wie schon ausgeführt - du ignorierst dabei ein bisschen den Gesamtverfall in der Ethik und den schon eingesetzten Verfalll der Arbeitsethik im Forschungsbereich, den Betroffene natürlich leugnen werden. Es erinnert mich an die Gutenberg-Diskussion: da sind auch immer wieder User aufgetreten, die dieses Abschreiben bei Doktorarbeiten nicht als "üblich" und "verbreitet" akzeptieren wollten; einige bis zum bitteren Ende, unbeeindruckt von der Vielzahl sich mehrender Vorfälle bei Doktorarbeiten von Prominenz. Natürlich sollte unsauberes Arbeiten wie Verfall der Ethik nicht üblich sein und natürlich gibt es viele (aber leider hauptsächlich niedrig in der Hierarchie stehende) Menschen, die das ablehnen - die Orientierung der Forschung aber an wirtschaftlichen Interessen - übrigens seit Mitte der 90er immer mal wieder gerne in der deutschen Politik für die Ausrichtung der Universitäten und Hochschulen gefordert, Schlagwörter mehr Architektur-, weniger Afrikanistik-Studenten - bringt die reale Entwicklung aber an genau diesen Punkt: Wo Geld entscheidend wird, sind in der Vergangenheit und werden auch in naher bis mittlerer Zukunft immer ethische Grenzen fallen.

                Natürlich sind solche Grundsätze nicht absolut und selbstverständlich können, ja sogar müssen, sie regelmäßig diskutiert werden.
                Allerdings kann man sicher sein, dass eventuelle Anpassungen dann auch eine breite Meinung aller Beteiligten, vielleicht sogar breite Veränderungen in der Gesellschaft spiegeln.
                Und diese Veränderungen hast du vielleicht schon verpasst oder hoffst noch, sie aufhalten zu können. Mit den gesellschaftlichen Veränderungen komme ich jetzt zu der von dir selbst so genannten "Prinzipienreiterei" zurück: Hier fehlen mir die wirklich interessanten Facebook-Studien; hier fehlt mir in der vorliegenden Studie ein wichtiger Rücklauf, nämlich nach dem Test in Unwissenheit das psychologische Profil der getesteten.

                These: Social Media sind darum so wirkungsvoll, weil sie einer Generation ohne Bestätigung eben diese liefert; das würde analog zu einigen Forschungsergebnissen im Bereich Sucht bei Videospielen/Schwerpunkt MMO liegen. Es sind jetzt 2-3 Generaionen weitestgehend ohne oder mit einem in Frage gestellten Rollenbild herangewachsen, aufgezogen von Eltern, die eben noch genau diesem Rollenbild unterlagen oder mit dagegen rebelliert haben, in einer Zeit von abwechselnden wirtschaftlichen Krisen, die für viele eine Ablehnung am Arbeitsmarkt mit sich bringt - dem Markt, der einen hohen Einfluß auf den wirklichen sozialen Status dieser Generationen hat. Social Media bringt den virtuellen sozialen Status mit sich, "Likes" statt Ablehnung, Bestätigung aus möglicherweise Allerwelt - in einer Welt, in der Social Media eben inzwischen auch wieder eine Rückwirkung auf die reale Welt hat, Arbeitsplätze generiert und virtuelle Güter mit realem Geld gekauft werden; inzwischen sogar besteuert. Der Einfluß hat viele ältere Prinzipien aufgeweicht - selbst nur wenige Prinzipien zu haben ist heute oft nahe an "Unflexibel" oder "Prinzipienreiterei"

                Vielleicht ist es in 5 (?) Jahren "normal", solche manipulativen Tests ohne Wissen der Beteiligten durchzuführen.
                Aber bis dahin sollten sich "Grenzgänger" an die heutigen Markierungen halten.
                Nein; bleiben die Grenzgänger auf der "richtigen" Seite der Grenze, ändert sich am Verlauf nichts - und irgendwie bin ich mir sicher, daß weißt du auch. Du verteidigst die Linie, die du gewohnt bist und für richtig hälst. Daran ist nichts falsch; nur das Endresultat sind alle 300m ein einzelner Grenzer, der jeweils eine heranstürmende Elefantenherde aufhalten soll/will. Ist das Bewußtsein für solche Grenze nur noch bei den Interessierten, aber nicht mehr bei den Ausführenden vorhanden, fällt diese Grenze - bei insgesamt geringem öffentlichen Interesse um so leichter.

                Wir haben massenhafte Berichte in den Medien mit einhellig negativer Wertung des Vorfalls - Journalisten, die ethisch vermutlich auf der selben Position stehen wie du oder ich selbst. Wir haben aber keine Massenkündigungen/-löschanträge von facebook-Accounts, wir haben einen steigenden Aktienkurs, wir haben eine Protestwelle über Social Media - in den Social Media. Statt genau dem Kram, der diesen Vorfall erst möglich machte, endlich den Rücken zu kehren, macht der Mob weiter wie bisher. Selbst die Protestwelle wird von einigen Usern ignoriert.

                Es tobt ein Meinungskampf - selbst in den kostenlosen Fernsehprogrammheften von Lokalzeitungen wird im Vorwort inzwischen von - älteren - Journalisten vor dem Trend gewarnt, wird vor dem Punkt gewarnt, an dem die, die eben nicht mitmachen, genau dadurch verdähtig werden. Und facebook ist das Markenzeichen dieser Entwicklung, das Synonym - mehr als nur ein Platzhirsch.

                Und dieser Teil der Diskussion hat nichts mit FB zu tun.
                Wie ausgeführt, leider doch Die Wechselwirkungen sind da und werden stärker. Und wir sind nur bei der Spitze des Eisbergs - ggf. findet jemand mit derartigen Studien einen Weg, mit manipulierten Newsfeeds und dergleichen ein grobes, nicht immer zuverlässiges, aber mit gut-prozentiger Trefferquote versehenes Psychoprofil zu erstellen, ähnlich einem virtuellen Rorschach-Test. Der Weg für derartige Forschung ist jetzt offen - nicht, wegen dem Einschnitt in der Arbeitsethik der Forschung, sondern weil facebook bis jetzt keinen Wettbewerbsnachteil aus der Nummer hat.

                Ich finde es toll, daß du ethische Grundpfeiler verteidigen willst, aber: du kommst zu spät. Der Schritt hätte schon bei der Einflußnahme durch Kapitalförderer gemacht werden müssen. Und dieser Schritt wäre in den 90ern einer gewesen, der nichts mit facebook zu tun gehabt hätte.

                Die Masse der Allgemeinheit schimpft jetzt und belibt doch im facebook-Stall - die eigene Bequemlichkeit ist wichtiger als Prinzipien. Und wenn die Masse halt keinen Drall zu Prinzipien hat, kann der Standard auch in Wissenschaft und Forschung gesenkt werden - auch gegen vereinzelte, zahlenmäßig unterlegene Widerstände. Ganz überspitzt ausgedrückt: Ohne Massenaustritte bei facebook, juristische Ermittlungen gegen die Nutzungsbedingungen usw. ist das ganze gar kein Skandal. Der Skandal ist, daß es fast niemanden - weder bezüglich facebook noch bezüglich der Arbeitsethik hinter der Studie - wirklich kümmert.

                Nachtrag: In den USA hat inzwischen der Handel begonnen und facebook startet mit 14 cent plus. Auch in den USA ist die Aktie deutlich höher am Jahreshoch (67,74 Dollar jetzt von 72,58 Dollar Jahreshoch) als am Jahrestief ($24,15) und hätte ebenfalls genug Raum nach unten, um in ein "Skandaltief" zu fallen. Wenn ich das mit dem Einfluß des User-Aufstands bei ncSoft bezüglich der Schließung von City of Heroes vor 2 Jahren vergleiche (siehe im Thread zu Guild Wars 2, das kurz danach gestartet ist), ist das nichtmal ein Sturm im Wasserglas als Reaktion auf die "Manipulation". Das juckt keinen mehr.
                Zuletzt geändert von Karl Ranseier; 30.06.2014, 15:52.
                Karl Ranseier ist tot. Der wohl erfolgloseste Foren-Autor aller Zeiten wurde heute von einem Bus auf der Datenautobahn überfahren.

                "Ich mag meine Familie kochen und meinen Hund" - Sei kein Psycho. Verwende Satzzeichen!

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                  #23
                  Eine Bemerkung vorweg:
                  Auf zeit.de lese ich gerade, dass das Experiment doch von Facebook initiert und finanziert wurde.
                  Zuvor klang das anders. Die Auswertung der Daten wurde jedoch von einem Institut durchgefuhrt.
                  - - -

                  Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                  Hier beginnt halt mMn dein Denkfehler: Wenn du mir bei der Enticklung in der westlichen Gesellschaft und der veränderten Einstellung bezüglich ethischer Ansprüche zustimmst - woher der Wunsch, "die Akzeptanz dieser Grenzen zu stärken" ? (...)
                  Nur: wenn die Mehrheit eine solche Überschreitung nicht als schlimm empfindet, wenn der Verfall dieser ethischen Grundsätze schon zu einem gewissen Grad akzeptiert (...) wird, kommst du an den Punkt, an dem du in der Wissenschaft eine höhere ethische Grundhaltung erwartest als in der Bevölkerung oder in Regierungen und deren Organen.
                  Ich denke, diese Notwendigkeit für eine Stärkung, d.h. eine Erhöhung der Akzeptanz der Regeln, ergibt sich gerade wegen der stetig ablaufenden Veränderungen der Gesellschaft. Die Bedeutung dieser ethischen Richtlinien liegt in ihrer Funktion als Orientierungspunkte. Einzelne, die sich aus beruflichen oder privaten Gründen selbst in die Nähe dieser Grenzen begeben oder Mitglieder von Kommissionen, die ein solches Vorgehen kontrollieren, sollen eine Hilfestellung bekommen, anhand derer sie ihr eigenes Vorgehen aus ethischer Sicht besser einschätzen können.

                  Natürlich kann man nicht pauschal von einer Teilgruppe der Gesellschaft (Wissenschaft, Regierung) eine "höhere" ethische Einstellung als von einer anderen Teilgruppe erwarten. Aber wer die Möglichkeiten und Kapazitäten für eine derartige Forschung hat, steht auch in der Verantwortung, diese nicht unmoralisch einzusetzten.
                  Darauf leite ich die Notwendigkeit einer besonderen Sorgfalt im Umgang ab. Soll heißen, (zB) Wissenschafter sollte eher fünfmal über die Notwendigkeit nachdenken, bevor sie eine anerkannte ethische Grenze überschreiten.

                  Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                  die meisten ethischen Entwicklungen seit der Jahrtausendwende lehne ich ab. Die Entwicklung geht aber trotzdem weiter in diese Richtung, was mir meinen Statuts als Ethik-Dinosaurier immer wieder vor Augen führt. Also: Aus welchem Jahr ist das besagte Papier, wie alt waren die Wissenschaftler im Durchschnitt, die das ausgearbeitet haben? Sind sie noch aktuell im Sinne der heutigen Mediengesellschaft, also nicht älter als 5 Jahre?
                  Ich lehne die ethischen Sichtweisen der heutigen Zeit nicht ab. Ich nehme mit Genugtuung zur Kenntnis, dass laut der neuesten Version der ethischen Richtlinie von 2014 ein Vorgehen wie bei dem genannten FB-Experiment immer noch als Verstoss gewertet wird.

                  Nach den Informationen der Website der BDP ist das gegenwärtig gültige Dokument der "Richtlinien" von 1999.
                  Seit 2005 gibt es eine Neubewertung, die 2014 abgeschlossen werden soll.
                  Soweit ich sehen konnte, wurde der Text in der Neufassung von 2014 in den von mir zitierten Punken nicht geändert. Immer noch heißt es dort, dass die Aufklärung der Teilnehmer eine Voraussetzung für die Durchführung von Versuchsreihen ist (insbesondere Absatz 7.3. ff). Tatsächlich gibt es aber in der Neufassung von 2014 sogar einen zusätzlichen, neuen Punkt, der mir jetzt erst auffällt:
                  7.3.16 Online-Forschung - Psychologinnen und Psychologen beachten die Richtlinien 7.3.1 bis 7.3.15 auch bei Online-Forschung. Dies gilt insbesondere für die Regelungen (1) zum Ausschluss von Täuschung bzw. Vorkehrungen, die die Kontaktaufnahme und das nachträgliche Heilen einen Täuschung sicher ermöglichen, (2) zum Ausschluss von Personidentifikationen (auch bei Aufnahmen im öffentlichen Raum) ohne persönliche Zustimmung der Aufgenommenen sowie (3) zur Sicherheit von Datenerhebungen, -sammlungen und –übermittlungen (insbesondere über Server außerhalb der deutschen Gesetzesregelung).
                  Aber generell: Ungeachtet der gesellschaftlichen Entwicklung, auch der beschleunigten Veränderung insbesondere durch Social Media, denke ich nicht, dass sich die grundlegenden ethischen Sichtweisen signifikant geändert haben. Nach wie vor ist es zB verwerflich, andere Menschen zu schaden, sie in Gefahr zu bringen oder sie auch nur im Rahmen eines Versuches psychisch zu belasten, solange sie nichts davon wissen u/o nicht zugestimmt haben.

                  Kannst man wirklich ausschließen, dass unter den rund 155000 Menschen, die 1 Woche lang vorwiegend negative Meldungen erhielten, niemand dabei war, dessen Gemütszustand sich dadurch verschlechterte - weil Forscher ohne deren Wissen experimentieren? Falls das auch nur auf eine einzelne Person zuträfe, sollte man das Vorgehen der Forscher als unethisch betrachten. Leider läßt sich das im Nachhinein wohl nicht mehr feststellen - und dies wäre der zweite Grund, das Vorgehen als unethisch zu betrachten.


                  Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                  Die Ankündigung/Erwartung einer Manipulation setzt im Normalfall Abwehrmechanismen in Kraft.
                  Das muss man dann eben in die statistische Betrachtung mit einfliessen lassen. Ich bin sicher, dafür gibt es bereits Erfahrungswerte. Und falls nicht, dass müßte man zuerst diese Erfahrungswerte schaffen.


                  Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                  Die Stichprobengruppe könnte so ausserdem weniger represäntativ ausfallen als bei freier Auswahl aus Millionen von gut dokumentierten Datensätzen. Wenn die in der Studie zB ca 10.000 Beamte aus verschiedenen Ländern haben wollten, dann hatten die die jetzt. Bei einer Ausschreibung besteht die Gefahr, auf einer Horde "ich bin jung und brauche das Geld und mir ist sonst alles egal"-Typen hängenzubleiben - zuzüglich zu besagten Abwehrmechanismen.
                  Ne, diese Datensätze gibt es wohl nicht. Die Wissenschafter hatten keinen Zugriff auf persönliche Dateien, sondern haben nur die Resultate der Auswerte-Software erhalten. Wenigstens gibt es so kein zusätzliches Problem mit dem Datenschutz bei dieser Aktion (mal von generellen Datenschutz-Aspekten bei FB & Co abgesehen)

                  Dass sich zu einer solchen Ausschreibung kein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung meldet, ist klar. Aber auch dafür dürfte es bereits massiv Erfahrungswerte und somit Korrekturfaktoren geben. Ansonsten bliebe die Frage, ob nicht auch eine nicht-repräsentative Stichprobe ausreicht. Scheint ja in de Psychologie nicht so selten zu sein - und hängt i.w. von der Fragestellung ab.

                  Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                  Die Freiwilligkeit war überspitzt betrachtet durch das Einwilligen in facebooks Nutzungsbedingungen gegeben.
                  In den Nutzungsbedingungen steht nichts von Experimenten, bei denen selektiv die eigene Stimmung manipuliert werden soll.

                  Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                  Wie schon ausgeführt - du ignorierst dabei ein bisschen den Gesamtverfall in der Ethik und den schon eingesetzten Verfalll der Arbeitsethik im Forschungsbereich, den Betroffene natürlich leugnen werden.
                  Betroffen bin ich nicht. Trotzdem denke ich, dass es keinen signifikanten Werteverfall gibt.

                  Verstöße gegen die ethischen Grundprinzipien wissenschaftliche Arbeitens hat es schon immer gegeben. In den letzten Jahren beobachten wir eine Zunahme von Entdeckungen von Verstößen (zB Plagiate). Ob dies aber auch auf eine echte Zunahme der Fälle (durch eine veränderte Akzeptanz ethischer Prinzipien) nur in den letzten Jahren zurückzuführen ist, weiss ich nicht. Ich denke eher, das liegt v.a. an verbesserten Recherche- und Aufklärungsmöglichkeiten. Einige der als Plagiate eingestuften Arbeiten waren schließlich schon Jahrzehnte alt.
                  Und eine veränderte Einstellung zu grundlegenden Prinzipien der wissenschaftlichen Ethik kann ich nicht erkennen. Vielleicht liege ich da auch falsch. Aber nach wie vor werden heimliche Experimente, die Menschen als Versuchsobjekte ohne deren Wissen schaden könnten, als unethisch betrachtet.

                  Die Kommerzialisierung der Wissenschaft ist sicher ein aktuelles Problem. Aber auch -und gerade- deswegen meine ich, dass es wichtig sei, ein stabiles und weitgehend akzeptiertes Wertefundament zu errichten, an dem sich Wissenschafter (und andere) orientieren können.

                  Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                  Und diese Veränderungen hast du vielleicht schon verpasst oder hoffst noch, sie aufhalten zu können.
                  Ich hoffe nicht, sie aufhalten zu können, weil ich weiss, dass ich das nicht kann - und auch nicht will. Ich habe ja deutlich geschrieben, dass es wichtig sei, diese ethischen Richtlinien regelmäßig auf ihre Aktualität zu überprüfen. Offenbar geschieht das auch. Ich finde es wichtig, dass es diese Orientierung gibt und dass Verstöße in der Öffentlichkeit und Gesellschaft diskutiert werden.

                  Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                  ... bleiben die Grenzgänger auf der "richtigen" Seite der Grenze, ändert sich am Verlauf nichts - und irgendwie bin ich mir sicher, daß weißt du auch. Du verteidigst die Linie, die du gewohnt bist und für richtig hälst. Daran ist nichts falsch; nur das Endresultat sind alle 300m ein einzelner Grenzer, der jeweils eine heranstürmende Elefantenherde aufhalten soll/will. Ist das Bewußtsein für solche Grenze nur noch bei den Interessierten, aber nicht mehr bei den Ausführenden vorhanden, fällt diese Grenze - bei insgesamt geringem öffentlichen Interesse um so leichter.
                  Ja, Grenzen kann man sich sicher mal nähern, das ist wohl richtig. Ohne "Grenzverstösse" gebe es für die Richtlinien-Kommissionen auch nichts zu tun. Aber das sind keine "Elefanten-Herden". Ich denke, hier sollte es dringend in der Verantwortung der Wissenschafter liegen, dass nicht ständig und überall die Grenzen überschritten werden.

                  Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                  These: Social Media sind darum so wirkungsvoll, weil sie einer Generation ohne Bestätigung eben diese liefert; (...) Social Media bringt den virtuellen sozialen Status mit sich,
                  Ja, da stimme ich dir zu. Noch nie war es so einfach, irgendeine Form der Bestätigung zu erhalten. Und sei es von völlig Fremden.


                  Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                  Wir haben massenhafte Berichte in den Medien mit einhellig negativer Wertung des Vorfalls - Journalisten, die ethisch vermutlich auf der selben Position stehen wie du oder ich selbst. Wir haben aber keine Massenkündigungen/-löschanträge von facebook-Accounts, wir haben einen steigenden Aktienkurs, wir haben eine Protestwelle über Social Media - in den Social Media. Statt genau dem Kram, der diesen Vorfall erst möglich machte, endlich den Rücken zu kehren, macht der Mob weiter wie bisher. Selbst die Protestwelle wird von einigen Usern ignoriert.
                  Es tobt ein Meinungskampf - selbst in den kostenlosen Fernsehprogrammheften von Lokalzeitungen wird im Vorwort inzwischen von - älteren - Journalisten vor dem Trend gewarnt, wird vor dem Punkt gewarnt, an dem die, die eben nicht mitmachen, genau dadurch verdähtig werden. Und facebook ist das Markenzeichen dieser Entwicklung, das Synonym - mehr als nur ein Platzhirsch.
                  Das mag alles stimmen. Aber was hat das alles damit zu tun, dass Wissenschafter ethische Grenzen überschreiten? Willst du argumentieren, dass sich Wissenschafter nicht mehr an ethischen Richtlinien halten sollten, weil -symbolisch bei FB- eine Veränderung der Gesellschaft sichtbar wird?
                  Ich denke, dass das der Tenor deines langen Beitrages ist. Falls dem so ist: Wer soll dann entscheiden, wo die definitive rote Linie ist, die aufzeigt, was definitv nicht mehr geht. Der einzelne Forscher in seinem stillen Kammerlein? Selbst, wenn dieser den Rat von Kollegen suchte, wäre dies nur eine Verschiebung der Verantwortung - mit der Gefahr, dass der Forscher zB aus dem Puplikationszwang heraus die Grenzen doch massiv uberschreitet und Menschen schädigt - im Auftrage der Wissenschaft.
                  Ich fände das unerträglich.

                  Da ist es mir lieber, dass es eine grosse, internationale Gruppe von Menschen gibt, die allgemeine Regeln aufstellen. So kann man sich sicher sein, dass diese Regeln, die eine Grenze definieren, auch die dominierende Ansicht der Gesellschaft spiegeln.

                  Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                  Ich finde es toll, daß du ethische Grundpfeiler verteidigen willst, aber: du kommst zu spät. Der Schritt hätte schon bei der Einflußnahme durch Kapitalförderer gemacht werden müssen. Und dieser Schritt wäre in den 90ern einer gewesen, der nichts mit facebook zu tun gehabt hätte.
                  Solange es Diskussionen gibt, bin ich sicher nicht zu spät.
                  Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                  Die Masse der Allgemeinheit schimpft jetzt und belibt doch im facebook-Stall - die eigene Bequemlichkeit ist wichtiger als Prinzipien. Und wenn die Masse halt keinen Drall zu Prinzipien hat, kann der Standard auch in Wissenschaft und Forschung gesenkt werden - auch gegen vereinzelte, zahlenmäßig unterlegene Widerstände.
                  Nochmal: Willst du Unethisches rechtfertigen, gar als moralisch erklären, weil sich die Ansichten über Privatsphäre geändert haben? Würde das durchgehen, dann kann jetzt jeder mit dem Gemütszustand anderer Leute spielen. Was kommt dann als nächstes? Eine Firma, die heimlich psychodelische Substanzen in Getränke mixt - mit Erlaubnis, weil es ja der Forschung dient, und weil sich in sozialen Netzwerken gesellschaftliche Veränderungen abzeichnen?

                  Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                  Der Skandal ist, daß es fast niemanden - weder bezüglich facebook noch bezüglich der Arbeitsethik hinter der Studie - wirklich kümmert.
                  Das ist allerdings bemerkenswert.
                  Zuletzt geändert von xanrof; 30.06.2014, 21:16.
                  .

                  Kommentar


                    #24
                    Zitat von xanrof Beitrag anzeigen
                    Eine Bemerkung vorweg:
                    Auf zeit.de lese ich gerade, dass das Experiment doch von Facebook initiert und finanziert wurde. Zuvor klang das anders. Die Auswertung der Daten wurde jedoch von einem Institut durchgefuhrt.
                    Ja, hab ich inzwischen auch so mitbekommen, klang tatsächlich erst anders. Das macht das "Nachkaufen" hinfällig - und erlaubt je nach Datenstruktur der outgesourceten Daten, facebook ggf. nachträglich wieder die persönliche Verbindung.

                    Ich kürz mal auf die wesentlichen Stellen:

                    ....Das mag alles stimmen. Aber was hat das alles damit zu tun, dass Wissenschafter ethische Grenzen überschreiten? Willst du argumentieren, dass sich Wissenschafter nicht mehr an ethischen Richtlinien halten sollten, weil -symbolisch bei FB- eine Veränderung der Gesellschaft sichtbar wird?
                    Ich denke, dass das der Tenor deines langen Beitrages ist. Falls dem so ist: Wer soll dann entscheiden, wo die definitive rote Linie ist, die aufzeigt, was definitv nicht mehr geht. Der einzelne Forscher in seinem stillen Kammerlein? Selbst, wenn dieser den Rat von Kollegen suchte, wäre dies nur eine Verschiebung der Verantwortung - mit der Gefahr, dass der Forscher zB aus dem Puplikationszwang heraus die Grenzen doch massiv uberschreitet und Menschen schädigt - im Auftrage der Wissenschaft.
                    Ich fände das unerträglich....

                    Solange es Diskussionen gibt, bin ich sicher nicht zu spät.
                    Nochmal: Willst du Unethisches rechtfertigen, gar als moralisch erklären, weil sich die Ansichten über Privatsphäre geändert haben? Würde das durchgehen, dann kann jetzt jeder mit dem Gemütszustand anderer Leute spielen. Was kommt dann als nächstes? Eine Firma, die heimlich psychodelische Substanzen in Getränke mixt - mit Erlaubnis, weil es ja der Forschung dient, und weil sich in sozialen Netzwerken gesellschaftliche Veränderungen abzeichnen?
                    Das ist die Grundrichtung, muß aber etwas spezifizierter gesehen werden. Wenn die Grundhaltung einer Gesellschaft sich bereits verändert hat, ist ein ethischer Verstoß, der vor - sagen wir mal 10 Jahren - noch eine wirklich gravierende Entrüstung hervorgerufen hat und "schrecklich" war, in der aktuellen Zeit eben nicht mehr so gravierend. Ich sage nicht, der Verstoß ist damit zu rechtfertigen, sondern in der Bewertung der Allgemeinheit relativiert er sich. Es ist vielen Menschen anscheinend egal, Menschen, die eben durch die Veränderung unserer Gesellschaft - eben symbolisiert durch Facebook - auf bestimmte Rechte wie Datenschutz und Privatsphäre deutlich weniger Wert legen.

                    Unter der von dir beschriebenen Annahme müßte eigentlich schon gegen facebook ermittelt werden - in den USA gilt das gesetzliche Recht vom "Pursuit of happiness" und genau da setzt eine gezielte Stimmungsverschlechterung doch wohl auch entgegen - in denkbaren Fällen, in denen die Opfer - und das sind sie von einer "älteren" Ethik aus betrachtet - in Depression verfallen sind, könnten ggf. sogar Schadensersatzklagen formuliert werden. Aber es tut sich - bisher - nichts, eben auch, weil die Opfer sich nicht rühren und sich ggf. nach ihrer "neueren" Ethik gar nicht geschädigt oder nicht "relevant" geschädigt fühlen. Während die 60er/70er/80er-Menschen, die jetzt mitten im Berufsleben als Journalist, Wissenschaftler usw. jetzt in den Medien den großen Aufschrei praktizieren, nehmen die Jüngeren es hin, teilweise billigend. Ethisch gerät man dadurch in ein ähnliches Dilemma, wie es der Islam uns auf politischer Ebene jederzeit bringen kann: Wenn 90% eine Bevölkerung einen religiösen Kalifat-Staat wollen, dürfen wir diese Menschen dann zur Demokratie zwingen? Wenn die virtuelle Bevölkerung bei facebook nach einem virtuellen Aufschrei einfach in ihrem Staat facebook bleibt - und nicht flüchtet, und das tun sie nunmal nicht - dürfen wir ihnen dann klar machen, daß sie nach unserer Auffassung Laborratten sind? Misbraucht? Opfer? Können wir das ausserdem, wenn doch die Mehrheit der Gesellschaft uns gar nicht mehr in dieser Argumentation folgt?

                    Eindringen in die Privatsphäre wird doch schon seit über 10 Jahren mit einem "stell dich nicht so an" von der Mehrheit quittiert - oder mit einem "was hast du denn zu verbergen?" - und auch in anderen Bereichen werden bestimmte Rechte und Freiheiten aus Bequemlichkeit nach und nach wieder aufgegeben. Das die Profiteure dieser Entwicklung hinter den Kulissen weiter in diese Richtung stochern, macht das Ganze noch unethischer - aus der Sicht derer, die ihre Prinzipien eben nicht bequemerweise aushöhlen. Aber das Problem an einer Demokratie, die dann auch zur Diktatur der Mehrheit werden kann, ist leider: die ungeschriebenen Gesetze einer Gesellschaft ändern sich schneller als die geschriebenen, wenn es die Situation "erlaubt".

                    Ich bin mir sicher, facebook wird in den Nutzungsbedingungen irgendeinen Gummiparagraphen haben, der das Experiment abdeckt, inklusive Haftungssausschluß. Übers Geld ist facebok nunmal zu einem einflußreichen Giganten geworden, der wie viele andere Unternehmen Sonderrechte "aushandeln" kann. Diesen Giganten haben die jetzigen Opfer miterschaffen, und seinen Handlungsspielraum über nicht-Wertschätzung ihrer Rechte erhöht.

                    Durch die Entwicklung mit facebook als Initiator der Studie selbst hat sich jetzt natürlich was beim Versuch, Arbeitsethik der Forschung von facebook zu trennen, verschoben. Das von mir vorher schon angeführte Faktum vom finanziellen Einfluß der Förderer auf Studien hat jetzt leider volles Gewicht, denn facebook hat natürlich nur minimales wissenschaftliches Interesse. Der nächste Schritt wird logischerweise sein - oder war schon, denn diese Studie ist ja von 2012 - ob man die User durch Manipulation auch konsumfreudiger machen kann, und wenn ja, ob das auch gesteuert geht (Richtung bestimmter Marken). Das ist dann ungefähr so unethisch wie subliminale Werbung - aber die Frage ist, ob auch die heutige Gesellschaft sich rechtzeitig zu einem Gesetz dagegen durchringt. Und meine Einstufung als "unethisch" spiegelt natürlich auch meine "altertümliche" Ethik wieder.
                    Karl Ranseier ist tot. Der wohl erfolgloseste Foren-Autor aller Zeiten wurde heute von einem Bus auf der Datenautobahn überfahren.

                    "Ich mag meine Familie kochen und meinen Hund" - Sei kein Psycho. Verwende Satzzeichen!

                    Star Wars 7? 8? Spin-Offs? Leute, das Haftmittel für meine Dritten macht bessere Filme!

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                      #25
                      Facebook manipuliert den Newsfeed ständig. Ich sehe nicht, wo jetzt das Problem ist, wenn sie es einmal zum Wohle der Wissenschaft machen und die Ergebnisse veröffentlichen. Normalerweise machen sie es zur Gewinnmaximierung, und die Ergebnisse werden nur intern benutzt.

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                        #26
                        Zitat von Redphone Beitrag anzeigen
                        Facebook manipuliert den Newsfeed ständig. Ich sehe nicht, wo jetzt das Problem ist, wenn sie es einmal zum Wohle der Wissenschaft machen und die Ergebnisse veröffentlichen. Normalerweise machen sie es zur Gewinnmaximierung, und die Ergebnisse werden nur intern benutzt.
                        War's ja gar nicht, wie sich jetzt nach und nach herauskristalisiert. Die Studie hat facebook selbst aus Eigeninteresse gestartet, es ging dabei angeblich um den Ansatz, daß die meisten User sich schlecht fühlen, wenn sie sehen, daß es bei anderen "so gut" läuft. Die "Studie" hat also obendrein noch das Ergebnis geliefert, daß facebook eh sehen wollte

                        @xanrof: Der Post von Redphone hier ist schon praktisch ein QED
                        Karl Ranseier ist tot. Der wohl erfolgloseste Foren-Autor aller Zeiten wurde heute von einem Bus auf der Datenautobahn überfahren.

                        "Ich mag meine Familie kochen und meinen Hund" - Sei kein Psycho. Verwende Satzzeichen!

                        Star Wars 7? 8? Spin-Offs? Leute, das Haftmittel für meine Dritten macht bessere Filme!

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                          #27
                          Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                          Das ist die Grundrichtung, muß aber etwas spezifizierter gesehen werden. Wenn die Grundhaltung einer Gesellschaft sich bereits verändert hat, ist ein ethischer Verstoß, der vor - sagen wir mal 10 Jahren - noch eine wirklich gravierende Entrüstung hervorgerufen hat und "schrecklich" war, in der aktuellen Zeit eben nicht mehr so gravierend. Ich sage nicht, der Verstoß ist damit zu rechtfertigen, sondern in der Bewertung der Allgemeinheit relativiert er sich. Es ist vielen Menschen anscheinend egal, Menschen, die eben durch die Veränderung unserer Gesellschaft - eben symbolisiert durch Facebook - auf bestimmte Rechte wie Datenschutz und Privatsphäre deutlich weniger Wert legen.
                          Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                          ... dürfen wir ihnen dann klar machen, daß sie nach unserer Auffassung Laborratten sind?
                          (...)
                          Eindringen in die Privatsphäre wird doch schon seit über 10 Jahren mit einem "stell dich nicht so an" von der Mehrheit quittiert - oder mit einem "was hast du denn zu verbergen?"...
                          Also, "klar machen", d.h. informieren und eine öffentliche Diskussion anstossen, dürfen wir natürlich schon.

                          In meinem Familien-, Bekannten- und Kollegenkreis beobachte ich seit einiger Zeit, dass die Leute -soweit sie bei FB sind- mehr und mehr davon genervt sind. Das liegt in erster Linie daran, dass sie sich unter Zwang fühlen, ständig die Statusmeldungen ihrer "Freunde" (inklusive Familie und Kollegen) zu prüfen und immer brav zu "liken". Das koste viel Zeit. Gleichzeitig höre ich auch, dass manche ihren FB-Account nur noch aus beruflichen Gründen pflegen, um im Fall einer Bewerbung eine History vorweisen zu können.

                          Ich behaupte jetzt nicht, dass das repräsentativ sei. Aber wenn der Einfluss von FB auf das tägliche Leben weiter zunimmt, dann könnte ich mir schon vorstellen, dass mehr und mehr Leute davon abrücken. Ganz besonders, wenn der Blick in den Account auch bei Bewerbungen für einfachere Jobs für Personalchefs normal (oder automatisiert) wird. Das könnte zB so aussehen, dass (wie bei diesem Experiment) ein Algorithmus die relative Häufigkeit von positiven und negativen Ausdrücken bei den Statusmeldungen zählt, um so einen Einblick in die seelische Verfassung des Bewerbers zu erhalten.

                          Nun zu dem allgemeinen "Werteverfall, den du beklagst:
                          Ich denke eher nicht, dass es so etwas gibt. Ich schreibe "eher" deswegen, weil ich kein Soziologe bin und dementsprechend nicht über die neuesten Daten verfüge. Es ist ein Gefühl - und meine Interpretation dessen, was ich täglich in den Medien konsumiere.

                          Ich beobachte und interpretiere daraus durchaus eine Veränderung (aber keinen "Verfall") in vielen Sichtweisen, die Stellung der Privatsphäre sei da als Beispiel genannt. Da stimme ich dir absolut zu. Nur ist so etwas nichts Spezifisches im frühen 21. Jahrhundert. Solche gesellschaftlichen Veränderungen gab es schon immer, in jedem Jahrzehnt.
                          Ich persönlich begrüße diesen Prozess sehr; und bin eigentlich eher positiv gespannt, was die Zukunft bringt.

                          Ungeachtet dessen bringen solche Veränderungen aber auch Gefahren für Einzelne und für Gruppen mit sich, denen man begegnen muss. Da ist es nach meiner Auffassung gut und hat sich bewährt, wenn es Regeln als Orientierungspunkte gibt.
                          Solche Regeln repräsentieren im allgemeinen eine gemittelte Ansicht der Gesellschaft und sie sind sehr gut als Maßstab geeignet, um Verletzungen von Richtlinien (allgemein) oder von Grundrechten von Menschen (spezieller) überhaupt festzustellen und zu quantifizieren.
                          FB und diese Forscher haben (mit Hinweis auf diverse Interviews in den Medien, zB bei SPON, SZ) offenbar sehr klar gegen mehrere dieser Regeln verstossen. Es ist daher gut, dass das jetzt -wenn auch verspätet- verstärkt im Bewustsein der Allgemeinheit auftaucht.

                          Eigentlich unnötig, das erneut zu erwähnen: selbstverständlich müssen diese Regeln stetig und kritisch auf ihre Aktualität überprüft werden. Sie sind nicht Statisches.

                          Wenn ein Wissenschafter nun ein Experiment machen möchte, das sich sehr nahe oder schon jenseits einer ethischen Grenze abspielen soll, dann ist es imho der falsche Weg, es einfach zu machen und bestehende und bestätigte ethische Regeln schlicht zu ignorieren. Genau das haben aber FB und die deren Wissenschafter gemacht.
                          (Zusatz: Eine Mitarbeiterin der Fachzeitschrift hatte ja durchaus Bedenken, die sie in einer Email an die Forscher geäußert hatte. Als Antwort kam jedoch nur der laxe Hinweis, dass FB so etwas seit Jahren mache. Damit gab sich die Mitarbeiterin zufrieden. => Eine effektive Kontrolle ethischer Normen geht anders)

                          Der moralischere Weg wäre es, Kontakt zu einer entsprechenden Fachkommission aufzunehmen, die das Vorhaben dann prüft. Diese kann den vorgeschlagenen Weg dann absegnen oder ablehnen.
                          Sie könnte aber zB auch erklären, dass das Vorgehen zwar eine ethische Linie überschreite, es aber durch eine sehr hohe Notwendigkeit der Forschung dem Allgemeinwohl diene, wenn dieser Weg dennoch gegangen würde. Das wäre eine Ausnahme, die man machen könnte - und die auch vertretbar wäre.

                          Ob eine solche Kommission im konkreten Fall das Experiment bzw. dessen Resultate als notwendig für das Allgemeinwohl angesehen hätte, sei mal dahingestellt.

                          Der Punkt ist jedoch, dass die Forscher diese Überprüfung ausgelassen haben (warum wohl?) und eigenständig ihr Vorgehen als gerechtfertigt angesehen haben.
                          Dafür ernten sie jetzt massivste Kritik aus Kollegenkreisen, das sie dem öffentlichen Ansehen dieser Fachrichtung geschadet haben.

                          Also zusammengefasst meine Meinung:
                          Iich bestreite nicht die ablaufenden Veränderungen, und ich finde es gut, dass sich etwas ändert (auch, wenn ich mit dem Ergebnis nicht immer einverstanden bin). Solche Veränderungen sind ein Grund, bislang bestehende ethische Grenzen kritisch zu überprüfen. Ich streite aber ab, dass das, was wir in Sozialen Medien bisher beobachten, für eine Anpassung oder Neubewertung ausreicht.
                          Ethische Grenzen dienen dem Schutz einzelner Menschen und der Gewährleistung grundlegender Menschenrechte. Ich finde es falsch, wenn sich einzelne Menschen oder kleine Gruppen herausnehmen (gar anmaßen), aktuelle Veränderungen als Anlass zu nehmen, bestehende und wiederholt bestätigte ethische Grenzen zu ignorieren. Unabhängig davon müssen ethische Grenzen regelmäßig und kritisch auf Aktualität geprüft werden.




                          Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                          Unter der von dir beschriebenen Annahme müßte eigentlich schon gegen facebook ermittelt werden (...) Aber es tut sich - bisher - nichts, eben auch, weil die Opfer sich nicht rühren und sich ggf. nach ihrer "neueren" Ethik gar nicht geschädigt oder nicht "relevant" geschädigt fühlen.
                          Daran hab ich auch schon gedacht.
                          Allerdings ist es wohl so, dass die Forscher keine Namen kennen, und FB wird sich hüten, diese herauszugeben bzw die Beteiligten zu informieren, um keine Klage zu provozieren.

                          Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                          Ich bin mir sicher, facebook wird in den Nutzungsbedingungen irgendeinen Gummiparagraphen haben, der das Experiment abdeckt,
                          Naja, jetzt schon. Tatsächlich scheint es, dass die Erwähnung von Forschung erst 4 Monate nach dem Experiment in den Nutzerregeln auftaucht.

                          Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                          Durch die Entwicklung mit facebook als Initiator der Studie selbst hat sich jetzt natürlich was beim Versuch, Arbeitsethik der Forschung von facebook zu trennen, verschoben. Das von mir vorher schon angeführte Faktum vom finanziellen Einfluß der Förderer auf Studien hat jetzt leider volles Gewicht, denn facebook hat natürlich nur minimales wissenschaftliches Interesse.
                          Nö, ich denke FB hat schon ein sehr grosses Interesse an solider wissenschaftlicher Arbeit, um verlässliche Aussagen darüber zu erhalten, wie ihr Vorgehen in der Gesellschaft ankommt. Das kann ja zukünftige Richtungsentscheidungen des Konzerns beeinflussen.

                          Das schreibst du ja auch:
                          Der nächste Schritt wird logischerweise sein - oder war schon, denn diese Studie ist ja von 2012 - ob man die User durch Manipulation auch konsumfreudiger machen kann,
                          Ob es zudem im konkreten Fall eine Einflussnahme seitens FB auf das Ergebnis der Studie gab, weiss ich nicht. Da spekuliere ich noch nicht einmal, weil mir schlichtweg keine Interna bekannt sind. Ich bin sicher nicht so naiv, das zu leugnen, aber nur, weil so etwas vorkommt, heisst das nicht, dass es immer auftritt.

                          - - - Aktualisiert - - -

                          Zitat von Karl Ranseier Beitrag anzeigen
                          Zitat von Redphone
                          Facebook manipuliert den Newsfeed ständig. Ich sehe nicht, wo jetzt das Problem ist, wenn sie es einmal zum Wohle der Wissenschaft machen und die Ergebnisse veröffentlichen. Normalerweise machen sie es zur Gewinnmaximierung, und die Ergebnisse werden nur intern benutzt.
                          @xanrof: Der Post von Redphone hier ist schon praktisch ein QED
                          Naja. Auch hier wieder (wie oben): Wenn ein überragendes Interesse gäbe, dass die Forschungsergebnisse wahrscheinlich in hohem Maße dem Allgemeinwohl dienen, dann könnte ein solches Experiment gerechtfertigt sein.

                          Aber auch hier wieder: das sollte nicht ein Konzern, hinter dem die Aktionäre auf ihre Dividende warten, alleine entscheiden.
                          Zuletzt geändert von xanrof; 01.07.2014, 18:41.
                          .

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                            #28
                            Zitat von xanrof Beitrag anzeigen
                            Naja. Auch hier wieder (wie oben): Wenn ein überragendes Interesse gäbe, dass die Forschungsergebnisse wahrscheinlich in hohem Maße dem Allgemeinwohl dienen, dann könnte ein solches Experiment gerechtfertigt sein.

                            Aber auch hier wieder: das sollte nicht ein Konzern, hinter dem die Aktionäre auf ihre Dividende warten, alleine entscheiden.
                            Nochmal: Seit es den Facebook-Newsfeed gibt, manipuliert Facebook, was dort angezeigt wird und was nicht, auch jetzt, in diesem Moment, völlig ohne "wissenschaftliche Studien", und das bei jedem einzelnen Nutzer. So funktioniert der Newsfeed. DAS ist das "Problem" (wenn man da ein Problem sehen will). Nicht, dass da mal ein paar Wissenschaftler AUCH am Algorithmus rumspielen durften.

                            Jeder Konzern forscht daran, wie er sein Produkt verbessern kann. Und was ist das Produkt, das Facebook verkauft?

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                              #29
                              Zitat von xanrof Beitrag anzeigen
                              ....Also zusammengefasst meine Meinung:
                              Iich bestreite nicht die ablaufenden Veränderungen, und ich finde es gut, dass sich etwas ändert (auch, wenn ich mit dem Ergebnis nicht immer einverstanden bin). Solche Veränderungen sind ein Grund, bislang bestehende ethische Grenzen kritisch zu überprüfen. Ich streite aber ab, dass das, was wir in Sozialen Medien bisher beobachten, für eine Anpassung oder Neubewertung ausreicht.
                              Gut. Aber ist es möglich, daß du in diesem Fall eben besonders für den Erhalt dieser alten Regelungen eintrittst, weil die bei der eingeschlagenen Richtung eben das Ergebnis besonders nicht passt? Und wo findet für dich eine Neubewertung ethischer Normen statt? Muß die erst im Kreis der Akademiker, die ihre Richtlinien überarbeiten ankommen? Reicht eine Wandlung in den Köpfen der Mehrheit nicht? Der letzte Satz ist eine recht starke Aussage - eine generelle Ablehnung. Im Klartext ist es damit egal, ob 4 Millionen oder 40 Millionen Nutzer neuer Medien mit einem "is halt so" reagieren, du lehnst grundsätzlich ab, daß sich daraus eine neue gesellschaftliche Situation entwickelt. Ich dreh den Spieß mal um: was müßte passieren, daß du für diesen Teilbereich akzeptierst, daß eine gesellschaftliche Neuausrichtung der Normen schon stattgefunden hat?

                              Ethische Grenzen dienen dem Schutz einzelner Menschen und der Gewährleistung grundlegender Menschenrechte. Ich finde es falsch, wenn sich einzelne Menschen oder kleine Gruppen herausnehmen (gar anmaßen), aktuelle Veränderungen als Anlass zu nehmen, bestehende und wiederholt bestätigte ethische Grenzen zu ignorieren. Unabhängig davon müssen ethische Grenzen regelmäßig und kritisch auf Aktualität geprüft werden.
                              So völlig richtig. Die kritische Prüfung auf Aktualität erfolgt aber immer nur aus Anlaß. In den 60ern/70ern war es völlig "normal" und weitesgehend mit den allgemeinen ethischen Normen vertretbar, gegenüber Homosexuellen intolerant zu sein. Die jetzt geltende Ethik wurde damals in den Punkten Gleichberechtigung/Diskriminierung immer wieder überschritten; heute regt sich nur noch vereinzelter Widerstand - der jetzt von der Mehrheit hinter die rote Linie zurückgedrängt wird, wenn diese überschritten wird. Eine allgemeine Gleichberechtigung fand und findet nicht statt; Ethik ist mehrheitsabhängig. Homosexualität wurde unter anderem wegen dem Status als "Krankheit" in der Vergangenheit nach Empfinden der Täter "zu Recht" diskriminiert. Wehrt sich eine Minderheit erfolgreich, kann sie sich aus der Schußlinie bewegen - es rücken aber neue Minderheiten nach. Beispiel aus dem "Dick sein"-Thread - dort herrscht(e) ein hohes Maß an Intoleranz gegenüber Dicken, und es wurde sich natürlich wieder sehr bemüht, die Einstufung "krank" zu platzieren, um als Täter "beruhigt" diskriminieren zu können: die sollen sich gefälligst ändern, ist ja auch gut für die. "Zu dünn" erfährt auch immer mehr dieselbe Art von Intoleranz und Einstufung als "krank" - in beiden Gruppen gibt es dennoch Menschen, die sich selbst wenn sie wollten und übermäßig viel Aufwand betrieben nicht voll in den "Normal"-Bereich bringen könnten, sondern nur auf ein gewisses Maß nähern. Die würden beim aktuellen Trend also trotz größter Anstrengung weiter diskriminiert; es ist gut nachzuvollziehen, daß man diese Anstrengung dann gleich bleiben läßt und eben nicht zwanghaft Gewicht aufbaut/reduziert.

                              Du hast das Beispiel selbst angeführt: Leute haben inzwischen Profile in Bereich Social Media, um im Bereich Karriere nicht ins Hintertreffen zu kommen, nicht "diskriminiert" zu werden. Und das, wo die Recherche zu (zukünftigen) Arbeitnehmern doch gesetzlich auf die Notwendigkeit reduziert ist - diese Leute ermöglichen aus Gruppenzwang bewußt illegalen Zugriff auf ihre Daten. Die Billigung ist da; Menschen haben zwar noch nicht verstanden, daß ihre Privatsphäre zum Handelsgut geworden ist, aber sie handeln schon damit.

                              Das macht die Gruppe der Kritiker zur neuen Minderheit. Zu denen, die bei der Jobsuche diskriminiert werden. Zu denen, die "stell dich nicht so an" vorgesetzt bekommen und gefälligst mitmachen sollen. Die Ethik der Mehrheit erwartet das. Und an dem Punkt wird diese dauernde Neubewertung gesellschaftlicher Richtlinien, die sonst zum Vorteil der eigenen Situation gearbeitet hat - bei der anhaltenden Ächtung von Korruption, die natürlich nur schleppend vorankommt oder bei Verbesserung der Gleichberechtigung, wenn man auch Teil einer anderen Minderheit ist - plötzlich zur Last. Und dann beginnt man, wie vorher andere Minderheiten, darauf aufmerksam zu machen, daß etwa so nicht sein sollte, daß Grundrechte (die einem selbst anscheinend wichtiger sind als der Mehrheit) verletzt werden, usw.

                              An der Stelle kämpft man schon zurück und die Neubewertung hat in den Köpfen schon stattgefunden - sie ist halt nur noch nicht von "Autoritätenseite" abgesegnet worden.



                              Daran hab ich auch schon gedacht.
                              Allerdings ist es wohl so, dass die Forscher keine Namen kennen, und FB wird sich hüten, diese herauszugeben bzw die Beteiligten zu informieren, um keine Klage zu provozieren.
                              Das würde erklären, warum das auswertende Wissenschaftsteam eben keine Probandeliste hat - Schutz vor der Klage. Bin mir sicher, facebook kann die zurückgelieferten Daten wieder personalisieren.

                              Naja, jetzt schon. Tatsächlich scheint es, dass die Erwähnung von Forschung erst 4 Monate nach dem Experiment in den Nutzerregeln auftaucht.
                              Und selbst da würden die sich juristisch noch rausmanövrieren - müssen sie aber nicht, es wird ja nicht ermittelt.

                              Nö, ich denke FB hat schon ein sehr grosses Interesse an solider wissenschaftlicher Arbeit, um verlässliche Aussagen darüber zu erhalten, wie ihr Vorgehen in der Gesellschaft ankommt. Das kann ja zukünftige Richtungsentscheidungen des Konzerns beeinflussen.
                              Konzerninteressen bei hauseigener Forschung stehen immer im Vordergrund, Methodik usw. müssen dahinter zurückstehen. Du hast selbst in Posts hier schon auf eine Schwäche der Methodik hingewiesen und findest eben auch den Umgang mit den ethischen Bedenken falsch - solide wissenschaftliche Arbeit war das damit doch in der Summe dann wohl eher nicht

                              Das schreibst du ja auch:

                              Ob es zudem im konkreten Fall eine Einflussnahme seitens FB auf das Ergebnis der Studie gab, weiss ich nicht. Da spekuliere ich noch nicht einmal, weil mir schlichtweg keine Interna bekannt sind. Ich bin sicher nicht so naiv, das zu leugnen, aber nur, weil so etwas vorkommt, heisst das nicht, dass es immer auftritt.
                              Auch in dem von mir genannten Beispiel würde es facebook reichen, plausibel darzustellen, daß es funktioniert - selbst wenn es das nicht wirklich täte oder nur mit großer Streuung. Die plausible Darstellung würde aber schon reichen, Werbepartner zu höheren Investments zu bewegen.

                              Naja. Auch hier wieder (wie oben): Wenn ein überragendes Interesse gäbe, dass die Forschungsergebnisse wahrscheinlich in hohem Maße dem Allgemeinwohl dienen, dann könnte ein solches Experiment gerechtfertigt sein.
                              Da fehlt entweder ein "nicht" oder du ruderst zurück. Denn eine Ethik, die das Allgemeinwohl doch über das Leid Einzelner stellt, ist nicht fleckenfrei. Da gab's hier ja schon Diskussionen im Thread zum Abschußbefehl gegen entführte Passagierflugzeuge. In einer Ethik gleichberechtigter Grundrechte gibt es keine Mathematik

                              Aber auch hier wieder: das sollte nicht ein Konzern, hinter dem die Aktionäre auf ihre Dividende warten, alleine entscheiden.
                              Genau. Genausowenig wie Konzerne oder Banken an Staatspleiten verdienen sollten. oder auf Gesetzesentwürfe zu Ungunsten der Allgemeinheit einwirken können sollten Egal, wie gut die Idee hinter unserer Ethik ist - am Ende trudelt man immer wieder auf eine Form des "Recht des Stärkeren" zurück - das Recht des vom Geburtsrecht Stärkeren (Adelsherrschaft), das Recht des militärisch Stärkeren (Juntas, Putsche, Annektierungen), das Recht des sozial Stärkeren (die Manipulation von Mehrheiten), das Recht des finanziell Stärkeren (Lobbyismus). Inzwischen steht facebook an zwei dieser Skalen weit oben. Und die Leute, die das ändern wollen, haben keinen Zugriff drauf. Und die Leute, die das ändern könnten, haben kein Interesse/kein Verständnis, sind zu bequem oder unter Gruppenzwang. Darum diskutieren hier ein paar Leute, die keinen Zugiff haben, in der Hoffnung, ein paar von denen, die was ändern könnten, zu überzeugen
                              Karl Ranseier ist tot. Der wohl erfolgloseste Foren-Autor aller Zeiten wurde heute von einem Bus auf der Datenautobahn überfahren.

                              "Ich mag meine Familie kochen und meinen Hund" - Sei kein Psycho. Verwende Satzzeichen!

                              Star Wars 7? 8? Spin-Offs? Leute, das Haftmittel für meine Dritten macht bessere Filme!

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                                #30
                                Zitat von xanrof Beitrag anzeigen
                                Nachtrag:
                                Diese (meine) Ansicht mag sich etwas kleinlich, wie Prinzipienreiterei, anhören.
                                Allerdings gibt es solche ethischen Grundsätze nicht ohne Grund: nämlich zum Schutz Einzelner.
                                [...]
                                Natürlich sind solche Grundsätze nicht absolut und selbstverständlich können, ja sogar müssen, sie regelmäßig diskutiert werden.
                                Allerdings kann man sicher sein, dass eventuelle Anpassungen dann auch eine breite Meinung aller Beteiligten, vielleicht sogar breite Veränderungen in der Gesellschaft spiegeln.

                                Vielleicht ist es in 5 (?) Jahren "normal", solche manipulativen Tests ohne Wissen der Beteiligten durchzuführen.
                                Aber bis dahin sollten sich "Grenzgänger" an die heutigen Markierungen halten.
                                Natürlich hat es für einen Wissenschaftler, der sich mit dem Verhalten von Menschen beschäftigt, gewisse Nachteile, wenn diese bei der Beobachtung wissen, dass sie an einem Experiment teilnehmen. Es besteht nämlich die Möglichkeit, dass sie ihr Verhalten aufgrund dieser Tatsache anpassen. Übrigens ist dieser Effekt von der Psychologie selbst schon untersucht worden.
                                Das ist übrigens neben dem verwandten Problem, dass nur bestimmte Leute sich als Freiwillige für eine Studie melden und so die Auswahl der Freiwilligen nicht statistisch zufällig oder repräsentativ ist, eines der methodischen Probleme der Psychologie.

                                Aber rechtfertigt das bereits, Menschen ohne ihr Wissen (und damit auch ohne ihre Einwilligung) zum Teil eines Experimentes zu machen?
                                Sollten bei der Beantwortung dieser Frage die Betroffenen oder potentiell Betroffenen nicht auch ein Mitspracherecht haben?
                                "Unterdrücke nie mit Gewalt Überzeugungen, die du für verderblich hälst, sonst unterdrücken diese Überzeugungen dich. " - B. Russell, 10 Gebote eines Liberalen.

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