Start zur Venus in einer Woche
2. November 2005
In einer Woche soll es nun endlich soweit sein: Vom Weltraumbahnhof Baikonur aus wird die ESA-Sonde Venus Express ihre Mission zu unserem Nachbarplaneten beginnen. Nach einer fünfmonatigen Reise soll Venus Express die Venus mit insgesamt sieben Instrumenten gründlich erforschen. Die Wissenschaftler hoffen auf ganz neue Erkenntnisse über die Venus.
Hi-Res
Die Mission Venus Express soll am 9. November starten.
Bild: ESA
Oft ist die Venus, der uns nächste Planet, hell leuchtend als Morgen- oder Abendstern von der Erde aus deutlich zu sehen. Doch ihre Oberfläche verhüllt sie unter einer dichten, undurchsichtigen Atmosphäre. In und unter ihr verbirgt der innere Nachbarplanet der Erde noch zahlreiche wissenschaftliche Geheimnisse. Diese zu lüften ist das Ziel der Raumsonde Venus Express der Europäische Weltraumorganisation ESA, die nun mit zwei Wochen Verspätung am nächsten Mittwoch vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan an Bord einer Sojus-Trägerrakete starten soll. An Bord befinden sich sieben wissenschaftliche Experimente, mit denen die planetare Umgebung der Venus, ihre dichte und komplex aufgebaute Atmosphäre und die heiße Oberfläche aus einer Umlaufbahn beobachtet und erforscht werden sollen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) trug maßgeblich zum Bau von Kamera und Spektrometer an Bord von Venus Express bei. Es ist zudem an der wissenschaftlichen Auswertung der Daten beteiligt.
"Obwohl die Venus unser Nachbarplanet ist und uns mit einem Abstand von rund 40 Millionen Kilometern für kosmische Verhältnisse relativ nahe ist, wissen wir nur wenig über sie, da sie ihre Oberfläche unter einer undurchsichtigen Atmosphäre verbirgt. Mit der Mission Venus Express wollen wir Forscher ihre Geheimnisse ein wenig lüften", erklärt Dr. Ralf Jaumann vom DLR-Institut für Planetenforschung und Projektleiter für Venus Express im DLR: "Nach dem großen Erfolg mit Mars Express freuen wir uns natürlich darauf, auch mit Venus Express ähnlich spektakuläre Ergebnisse in der Erforschung unseres anderen Nachbarplaneten zu erzielen, denn einige fundamentale Fragen der Venusforschung sind bis heute ungeklärt: Insbesondere über die vulkanische Aktivität des Planeten wüssten wir gerne mehr."
Die Europäische Weltraumorganisation ESA gab nach der erfolgreichen Mission Mars Express, deren Orbiter sich seit Dezember 2003 in einer Umlaufbahn um den Roten Planeten befindet, ihrer jüngsten Mission nicht zufällig den ähnlich lautenden Namen Venus Express. Schließlich sind beide Raumschiffe fast baugleich und wie auch bei der Mission Mars Express wurde das Projekt extrem schnell realisiert. Seit der Entscheidung der ESA, Venus Express im Rahmen ihres Programms der "kosmischen Visionen für das neue Jahrtausend" zu entwickeln, vergingen gerade mal vier Jahre bis zum Einbau aller Komponenten in die Raumsonde.
Dabei wollte die ESA bei ihrer zweiten Planetenmission gleich drei große Herausforderungen meistern: Unter extremen Weltraumbedingungen sollen äußerst anspruchsvolle wissenschaftliche Ziele verfolgt werden, die Mission jedoch sehr kostengünstig gestaltet und dabei das Raumschiff mit seinen Experimenten so rasch wie möglich fertig gestellt werden. Deutschland ist über seine Mitgliedschaft in der ESA zu 24 Prozent an den Raumfahrzeug-, Start- und Missionskosten beteiligt. Die Kosten für das "Dreigespann" Rosetta, Mars Express und Venus Express beziffert die ESA zusammen auf 1,64 Milliarden Euro. Die Gesamtkosten für Venus Express liegen bei 220 Millionen Euro, da das Projekt auf den vorausgegangenen Missionen Rosetta und Mars Express aufbaut. Der deutsche Anteil an der Mission beträgt rund 50 Millionen Euro.
Nach dem Start vom Kosmodrom in Baikonur wird das Raumschiff zunächst für wenige Stunden in einer 200 Kilometer hohen Erdumlaufbahn auf seine Funktionsfähigkeit geprüft, ehe die Sonde durch Zündung einer Fregatt-Oberstufe auf eine Transferbahn ins Innere des Sonnensystems gebracht wird. Am Ende der fünfmonatigen Reise wird die 1.270 Kilogramm schwere Raumsonde in einen elliptischen Orbit um die Venus einschwenken. Sie soll im Frühjahr 2006 mit der Aufzeichnung wissenschaftlicher Daten beginnen. Der künstliche Venus-Satellit wird den zweitgrößten der vier "erdähnlichen" Planeten für zunächst 500 Tage aus dem Orbit erkunden.
Seit mehr als einem Jahrzehnt bekam der häufig hell am frühen Abendhimmel oder kurz vor der Morgendämmerung sichtbare und wahlweise als "Abendstern" oder "Morgenstern" bezeichnete Planet keinen Besuch mehr von der Erde. Zuletzt umrundete die amerikanische NASA-Mission Magellan zwischen 1990 und 1994 die Venus und führte eine globale, sehr genaue Kartierung der Oberfläche mit Hilfe von Radarmessungen durch: Die Wolkenhülle der Venus, die der Erde bis auf 40 Millionen Kilometer nahe kommen kann, ist so dicht, dass es mit herkömmlichen Teleskopen oder Weltraumkameras unmöglich ist, auf die Oberfläche zu blicken.
Sieben Instrumente sollen die Venus erkunden
Trotz fast identischer Größe beider Planeten ist der Atmosphärendruck (auf der Erde normalerweise als Luftdruck bezeichnet) auf der Venus hundertmal so hoch wie auf der Erde - und auch die Zusammensetzung und Dynamik der Atmosphäre sind ganz unterschiedlich und auf der Venus alles andere als lebensfreundlich: Zwar herrscht am Boden fast Windstille, doch in großer Höhe jagen Wolken aus Schwefelsäure in nur vier Tagen um den Planeten - übrigens in viel größerer Geschwindigkeit, als die Venus sich um ihre eigene Achse dreht: Ein im Sonnensystem einmaliges Phänomen.
Eine Mischung aus gasförmigen Schwefelmolekülen mit winzigen Spuren von Wasserdampf liefert den Wolken ihren Nachschub. Wichtigster Bestandteil der Venusatmosphäre ist jedoch das Treibhausgas Kohlendioxid. In Kombination mit der intensiven Sonnenenergie entwickelte sich die Venus zu dem heißen, lebensfeindlichen "Backofen", der sie heute ist: Bei einer Oberflächentemperatur von 480 Grad Celsius würde sogar das Metall Blei schmelzen. Wasser würde auf der Stelle verdampfen, die Stein- und Sandwüste auf der Venus ist knochentrocken.
Neben Untersuchungen zu der stark von der nahen Sonne beeinflussten kosmischen Umgebung der Venus und deren Wechselwirkung beispielsweise mit dem hier so intensiven Sonnenwind sind die wissenschaftlichen Ziele, die mit Venus Express verfolgt werden, vor allem an der Erforschung der Atmosphäre ausgerichtet. Daher soll Venus Express in globalem Maßstab die Atmosphäre unseres Nachbarplaneten hinsichtlich ihrer Struktur, ihrer Zusammensetzung und ihrer Dynamik untersuchen.
Die sich stellenden Fragen sind vielfältig: Welche chemische Zusammensetzung haben die einzelnen Schichten der Atmosphäre im Detail? Welche physikalischen Eigenschaften haben die Schichten, wie zirkulieren sie? Wie spielt sich der Treibhauseffekt der Venus genau ab, und wie entwickelte er sich im Laufe der Jahrmilliarden? War es im "Treibhaus" auf der Venus immer schon so heiß, zwischenzeitlich gar noch heißer? Oder bewirkten helle Wolken zeitweilig einen gegenteiligen Effekt, indem Sonnenstrahlung ins Weltall stärker reflektiert wurde und es auf der Venus auch kühlere Phasen gab - nicht zuletzt, weil das nukleare Feuer der Sonne anfänglich noch nicht so heiß war wie heute? Welche Wechselwirkung geht diese einzigartig dichte Atmosphäre mit den Gesteinen auf der Venus ein?
Von den sieben Experimenten der Mission werden zwei von deutschen Forschern hauptverantwortlich geleitet, bei sechs sind Wissenschaftler aus Deutschland beteiligt. Drei Experimente werden mit Instrumenten durchgeführt, die für die ESA-Raumsonden Mars Express bzw. Rosetta (der europäischen Mission zum Kometen Churyumov-Gerasimenko) entwickelt wurden. Mit diesen und einer Neuentwicklung sollen offene Fragen der Venusforschung beantwortet werden.
Freilich mussten zunächst der Orbiter selbst, aber vor allem die hochempfindlichen Geräte für die Venus Express-Mission an die hohen Temperaturen angepasst werden bzw. durch besondere Bauelemente im Raumschiff besser vor Hitze geschützt werden. Auch wird eine zu intensive Bestrahlung der Instrumente durch eine geschickte Wahl des Orbits verhindert und damit die Durchführbarkeit der Experimente auch über den langen Missionszeitraum in der harschen Venus-Umgebung gewährleistet.
Die Venus Monitoring Camera (VMC) vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau - deren Sensor für das sichtbare Licht und das nahe Infrarot vom DLR-Institut für Planetenforschung stammt - soll die Dynamik der Venusatmosphäre in Bildern festhalten. Dabei verwendet das Kamerasystem mehrere Farbfilter in genau definierten Wellenlängen, um so das Wettergeschehen in globalem Maßstab räumlich und zeitlich darzustellen. Das DLR ist an der wissenschaftlichen Auswertung der Bilddaten beteiligt. Möglicherweise werden der VMC in den Wellenlängen des Infrarots auch Aufnahmen der Venusoberfläche gelingen. Die wissenschaftliche Leitung liegt beim so genannten Principal Investigator Dr. Wojciech Markiewicz vom MPS.
Für Untersuchungen von chemischer Zusammensetzung, Temperaturen, physikalischen Eigenschaften und der Dynamik der Atmosphäre kommen gleich drei Spektrometer zum Einsatz. Zunächst das italienische Fourier-Infrarotspektrometer PFS, das dreidimensionale Temperaturprofile erstellen und die Variationen der Kohlendioxid- und Wassergehalte ermitteln soll. Des Weiteren das schwedische Ultraviolett- und Infrarot-Spektrometer SPICAV, das unter anderem vertikale Profile der CO2- und Ozonkonzentrationen erstellen soll.
Schließlich ist mit VIRTIS (Visible and Infrared Thermal Imaging Spectrometer) ein weiteres Spektrometer an Bord von Venus Express, das ebenfalls zu atmosphärischen Untersuchungen eingesetzt werden soll. Es ist aber auch in der Lage, durch so genannte "atmosphärische Fenster" in bestimmten Wellenlängen auf die Oberfläche des Planeten zu blicken. Bestehend aus zwei Komponenten (VIRTIS-H, einem Infrarot-Punktspektrometer mit hoher spektraler Auflösung, und VIRTIS M, einem flächenhaft abbildenden Spektrometer für Wellenlängen im UV und sichtbaren Licht) soll die chemisch-mineralogische Zusammensetzung der Venusoberfläche global und in regionaler Auflösung kartiert werden.
"Noch spannender dürfte es sein", so der am Experiment beteiligte DLR-Wissenschaftler Dr. Jörn Helbert, "ob es mit VIRTIS gelingt, aktive Vulkane auf der Venus zu entdecken, die sich durch ihr thermisches Signal oder die bei Vulkanausbrüchen in die Atmosphäre geblasenen Gase verraten könnten." Dies wären die ersten Fernerkundungs-Messdaten aus dem Orbit, mit denen global die Wechselwirkung zwischen Venusoberfläche und -atmosphäre dokumentiert würde. Das DLR in Berlin-Adlershof ist zuständig für die Gewinnung und Auswertung der Daten von der Oberfläche. Es entwickelte auch wesentliche Komponenten der Instrument-Elektronik.
Drei weitere Instrumente sollen Daten zu Aspekten der Venusumgebung liefern. Das schwedische Experiment ASPERA zeichnet die Konzentrationen von elektrisch neutralen Atomen auf und ist in der Lage, die Ionosphäre und die Wechselwirkung des Plasmas, der vom Sonnenwind unmittelbar beeinflussten Umgebung der Venus, zu charakterisieren. Mit dem Magnetometer MAG wird das Magnetfeld in der Umgebung des Orbiters analysiert, und schließlich wird mit dem Venus Radio Science Instrument (VeRa), für das die Bundeswehruniversität München die wissenschaftliche Leitung hat, der Funkverkehr zwischen Venus Express und den Bodenstationen auf der Erde ausgewertet. Über den Grad der Ionisation der Venusatmosphäre will man Rückschlüsse auf dielektrische Eigenschaften der Venusoberfläche und Anomalien des Schwerefeldes ziehen.
Quelle: astronews.com
Weitere Daten sind in der Wikipedia zu finden.
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ESA's Venus Express, being packed ready
to leave INTESPACE, Toulouse, for its
launch site in Baikonur, Kazakhstan. It
is shown with high-gain antenna wrapped
and solar arrays folded. (Photo: ESA)
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Venus Express is nearing completion now as both gallium arsenide
solar array 'wings' are attached to spacecraft and tested. The solar
arrays will provide the required 1100 Watts of power to the
spacecraft systems. This picture shows both array wings in their
final stowed positions in September 2005. (Photo: ESA)
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The russian Soyuz rocket prepares for launch in November.
(Photos: ESA)
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