Zitat von Karl Ranseier
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Sicher haben sich in Kirchen viele gerade in oberen Hierarchien mit den politischen Führern arrangiert. Es gab sogar Zeiten, in denen Päpste eigentlich ungläubig waren, und alleine aus politischem Kalkül in ihr Amt gepuscht wurden.
Es gab aber immer wieder auch explizit religiöse Menschen, die gegen den politischen Mainstream agiert haben. Weil ihr Glaube ihnen eine andere Ethik schenkte und den Mut diese trotz politischen Widerstand aktiv zu verfolgen.
Ich denke da nur an Leute wie William Wilberforce, Martin Luther King, Gandhi,...
Naja, durch die Reduzierung von Sucht/Droge auf den Substanz-Bereich klammerst du ja auch einige Wirkungen/Faktoren von Sucht und Wirkung auf den Menschen aus
Wir alle haben eine selektive Wahrnehmung von der Welt. Unsere Weltanschauung entspricht dem, das ich aus meinem Blickwinkel für die Wahrheit halte.
Marx dagegen war gar nicht an die Weltfremdheit gerichtet, sondern tatsächlich die betäubende Wirkung, denn gerade das Christentum war eine Stillhalte-Religion bezüglich jedweder Obrigkeit. "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist"
Die Obrigkeit hat halt einfach die gehängt, die sich nicht mit ihrer arrangiert hat.
Der gesamte Inhalt und aufbau dieser Religion war darauf ausgelegt, den Arbeiter passiv zu halten: wehr dich nicht, schlag nicht zurück, halt die andere Wange hin, arbeite und müh dich, bring dich nicht um (im Sinne von Selbstmord, "totarbeiten" dagegen wurde eher gefördert) und deine Belohnung gibt's nach dem Tod -> so kriegt man aus "freien" Arbeitern fast so viel Leistung raus wie aus Sklaven. Vor allem aber: denk nicht nach, du bist, wo du hingehörst und es gibt keine Alternative.
Jesus wäre nie gekreuzigt worden, wenn seine ganze Lehre darauf ausgerichtet worden wäre auf den Tod zu warten.
Das ist ein Gedanke, der aus dem Platonismus stammt, und erst durch die Faszination der späteren KK mit griechischer Philosophie ins Christentum einsickerte.
Jesus Botschaft war die vom kommenden und mit ihm bereits angebrochenen Reich Gottes auf Erden. Wie im Himmel so auf Erden. Leibliche Auferstehung statt der platonischen Idee unsterblicher Seelen. Und das war den Römern offensichtlich aufrührerisch genug ihn hinzurichten.
Auch "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist" und der Titel "Sohn Gottes" war eine politische Provokation.
Der Kaiser war schließlich kurz zuvor zum Gott ernannt worden. Und der neue römische Kaiser behauptete von sich der Sohn Gottes zu sein. Jesus stellt damit die Göttlichkeit des römischen Kaisers in Frage und hinterfragt die Autorität des gegenwärtigen Kaisers. Beantwortet die Fangfrage aber trotzdem so geschickt, dass erstmal kein direkter Hinrichtungsgrund existiert.
Die ersten Christen gingen nach Jesus Auferstehung davon aus, dass Jesus nun der neue König der Welt sei. Er löste den Kaiser ab.
Zwar wurde ein gewalttätiger Aufstand gegen die Obrigkeit strikt abgelehnt. Aber man betrachtete sich nun als Staatsbürger eines neues Reichs. Die wahre Obrigkeit eines Christen war keine menschliche. Was automatisch eine Kampfansage an jede autoritäre menschliche Obrigkeit ist, die ja selbst gottgleichen Status einfordert.
Es ist kein Zufall, dass Paulus und Petrus gefühlte tausend Mal in irgendeinem Gefängnis steckten.
Aber ja, die Kirche, die Marx vor sich sah, war im großen und Ganzen wie du sie beschrieben hast. Und seine Kritik war durchaus in Teilen berechtigt. Das haben dann ja Theologen wie Karl Barth nach dem 2. Weltkrieg in einer Erklärung verlauten lassen. Dass die Abgrenzung der Kirche gegenüber marxistischen Ideen zu starr war und man die Gemeinsamkeiten zu wenig berücksichtigte (dem Christentum ist einer Form des Kommunismus ja eigentlich näher als Neoliberalismus, in den urchristlichen Gemeinden gab es kein Privateigentum und eine radikal-pietistische Siedlung in den USA diente Engels als Beweis, dass Kommunismus durchaus funktionieren kann)
Gerade in der Zeit des Nationalismus bis zum zweiten Weltkrieg waren die Volkskirchen aber - wie die ganze bürgerliche Gesellschaft - sehr obrigkeitshörig, theologisch wurde kräftig der Vers zitiert, dass alle Obrigkeit von Gott eingesetzt ist. Ignorierend in welcher Situation Paulus diesen Vers schrieb. Paulus glaubte ja keineswegs das römische Reich sei auch nur ein Stückchen im Sinne Gottes. Das römische Reich wird an anderen Stellen ja öfters mit Babylon und mit dem Teufel in Verbindung gebracht. Und er war offensichtlich aufmüpfig genug ständig in römischen Gefängnissen zu landen. Er schrieb das in eine konkrete historische Situation hinein.
Und bis Bonhoeffer wurde der Vers man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen fleißig ignoriert.
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