Zitat von Halman
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Ich bin in diesem Forum neu, habe aber schon öfter in Religionsforen mitdiskutiert. Obiges Zitat habe ich herausgefiltert, obwohl ich den dort erwähnten Autor nicht kenne. Ich wollte nur an den Begriff "semantisch" anschließen, der mir im Zusammenhang mit Religionen, Gläubigkeit und Ähnlichem persönlich zentral ist.
Für mich ist in den hier angeschnittenen Fragen die Basis-Frage: Was drückt die Sprache aus, was soll sie ausdrücken, was kann sie nicht ausdrücken?
Meist läuft die Relgionsdiskussion über sprachliche Begriffe.
Nach meiner Erfahrung ist Sprache aber ein sekundäres System, das mit einer Art Kürzel arbeitet. "Baum" besteht im Deutschen aus vier Buchstaben, die nur ein sprachliches Kürzel für das sind, was jemand meint. Das Wort "Baum" ist also nicht identisch mit dem Wesen "Baum".
Das klingt selbstverständlich, hat aber weitgehende Folgen. "Gott" ist ebenfalls nur ein Kürzel, und was semantisch damit assoziiert werden soll, wäre spannend herauszufinden.
Es gibt - so gesehen - auch keinen "biblischen" Gott, weil die Bibel eine Zusammenstellung von Texten ist, die aus ganz unterschiedlichen Zeiten stammen. Was genau die Verfasser damit meinten, ist kaum rekonstruierbar.
Die Verfasser sind sogar nicht mal mehr erkennbar, weil lange mündliche Überlieferungen vorausgingen, die erst spät verschriftlicht - und auch gleich mit verändert - wurden.
Die Jesus-Geschichten sind, von moderner Theologie so auch beschrieben, Legenden. Eine Legende kann man nicht wörtlich nehmen, sie beschreibt mit Worten etwas, was sich nicht im naturwissenschaftlich beobachtbaren Bereich abgespielt hat.
Ich nehme mal als Beispiel Kafkas Kurzgeschichte "Die Verwandlung". Da wacht ein Mensch morgens auf und sieht sich in einen Riesenkäfer verwandelt.
Die Aussage versteht man nicht, wenn man diesen literarischen Text als realistisches Vorgehen nimmt und z.B. sagt: Der Kafka erzählt Blödsinn.
Ich bin ziemlich sicher, dass die Auferstehungslegenden ebenfalls poetische Texte sind, die auch bewusst so komponiert wurden. Vermutlich auch erst mündlich, um dann später - stark verändert - aufgeschrieben zu werden.
Wenn sie aufgeschrieben werden, dann nicht selten, um damit eine gewisse Überzeugung als nachgewiesen zu behaupten. Da fängt dann die Crux an. Dann will man sich dann von anderen "Überzeugungen" abgrenzen, und man behauptet Wahrheitscharakter. Da kommt das Bedürfnis nach Dominanz mit ins Spiel.
Mich persönlich interessiert dieses Hickhack nicht. Mich interessiert, was menschliche Individuuen der ganzen Erde in das sprachliche Sekundärsystem einspeisen, wenn sie den Begriff "Gott" oder "Transzendenz" benutzen.
Denn ich bin sicher: ein Begriff ist ein Abstraktum, das keine primäre Existenz hat - erst im künstlichen Sprachsystem existiert es als Wort, und es meint nicht die Buchstaben, sondern etwas, das sprachlich gar nicht formulierbar ist.
Es kann also sein, dass das, was dann in kulturell überlieferten Begrifflichkeiten ausgedrückt ist, von seiner - ich sage mal - psychischen Substanz her sehr unterschiedlich innerhalb einer Religionsgemeinschaft ist; und umgekehrt: was in verschiedenen Religionen mit sehr unterschiedlichen Begrifflichkeiten ausgedrückt ist, ganz ähnliche Grunderfahrungen mitzuteilen sucht.
Mit anderen Worten: mich interessiert das Anthropologische an diesem Phänomen. Ich möchte nicht die Begriffe untersuchen - denn Begriffe sind tote Sachen -, sondern das, was von den jeweiligen Individuen gemeint ist, wahrgenommen wird, empfunden wird, wenn sie diese Wörter benutzen.
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