Ich persönlich sehe die Sache mit der gender-sensiblen Schreibweise eher kritisch. Ich unterstütze alle Bemühungen, systematische Benachteiligungen von Menschen zu verhindern, sehe aber in der Veränderung der Sprache das falsche Mittel.
Aus meiner Sicht gehen Wortungetüme wie Bürger/innen-meister/in zu Lasten der Prägnanz und Ästhetik der Sprache. Die Sprache gewinnt an vielen Stellen einen eher technischen Charakter. Wenn jetzt zum Beispiel anstelle von Schauspielern von „Schauspielenden“ die Rede ist, klingt das nicht mehr nach handelnden Subjekten, sondern nach ferngesteuerten Marionetten. Ich bin mir nicht sicher, ob man unter diesen Prämissen noch mit dem Literatur-Nobelpreis rechnen kann. Ok, das war jetzt vielleicht etwas polemisch.
Ich sehe auch so etwas wie einen Überbietungswettbewerb. Um sich gesellschaftlich nicht zu diskreditieren, wird man im Zweifel über das Ziel hinausschießen und z.B. unnötigerweise von "Mitgliedern/Mitgliederinnen" oder "Katern und Katzen" sprechen. Mit der Anerkennung eines dritten Geschlechts wird sicher nochmal eine Schippe draufgelegt werden. Vielleicht ist das so eine deutsche Besonderheit, alles immer besonders gründlich und vorbildlich zu machen. Oder es ist einfach nur Gewöhnungssache.
Mir geht es jedenfalls nicht einfach nur um persönliche Befindlichkeiten, sondern ich möchte auch einige etwas handfestere Argumente zur Diskussion stellen.
Mit der sprachlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ist beabsichtigt, ein Bewusstsein für Teilhabe von Frauen zu schaffen und so die gesellschaftliche Benachteiligung von Frauen zu beseitigen. Sprache beeinflusst immerhin das Denken. Demzufolge müsste es dann aber in Gesellschaften mit Sprachen, in denen es kein grammatikalisches Geschlecht gibt (z.B. Türkei, Iran, China, Korea), hinsichtlich der Inklusion der Frauen deutlich besser laufen. Tut es aber nicht. Vielleicht liegen die Ursachen für Diskriminierung von Frau woanders.
Weiterhin stelle ich infrage, dass zentrale gesellschaftliche Konflikt wirklich zwischen und Frauen und Männern verläuft. Wenn wir Determinanten ökonomischer Ungleichheit untersuchen, stellen wir zwar fest, dass das Geschlecht einen signifikanten Einfluss hat, aber tatsächlich steckt da eher so etwas wie der Beruf dahinter. D.h. unter Berücksichtigung des Berufs verringert sich der Effekt des Geschlechts deutlich. Frauen arbeiten z.B. überproportional häufig in Pflegeberufen. Wie wäre es, wenn man diese Berufe besser entlohnen würde? Die treibende Kraft hinter vielen Problemen in unserer Gesellschaft ist eher der Markt, der aufgrund von bestimmten Angebot/Nachfrage-Relationen zu einem Ergebnis führt, das für einige Personen halt unvorteilhaft ist. Und das geschieht, obwohl Krankenschwestern, Kindergärtnerinnen und Altenpflegerinnen schon immer sprachlich inkludiert gewesen sind.
Es macht ein bisschen den Anschein für mich, als ob man sich primär um Frauen kümmert, die auch ohne fremde Hilfe auf der Überholspur sind, z.B. Professorinnen, Politikerinnen, Studentinnen. Frauen, denen es wirklich schlecht geht, sehe ich dadurch nicht geholfen. Das Gender-Mainstreaming ist für mich eher so eine Sache, wo sich Menschen aus der oberen Mittelschicht zufrieden auf die Schulter klopfen.
Ich empfinde die sprachliche Gleichstellung von Männern und Frauen eher als eine Art Nebenkriegsschauplatz. Damit wird ein bisschen davon abgelenkt, dass es weitere relevante Merkmale gibt, die den Zugang bestimmten gesellschaftlichen Positionen erschweren, beispielsweise die soziokulturelle Herkunft. Mein Plädoyer wäre daher, die Probleme von Frauen mit handfesten Maßnahmen zu verringern (z.B. berufliche Teilhabe von Müttern verbessern durch ausreichende Bereitstellung von Kindergartenplätzen, Erhöhung der Kapazitäten in Frauenhäusern usw.) und dabei nicht vergessen, dass es auch noch andere Menschen mit Problemen gibt.
Edit:
Zwei kleinere Ergänzungen noch:
Seit 2015 hat sich einiges getan. Einige Besonderheiten der geschlechter-neutralen Sprache wurden inzwischen auch in die mündliche Sprache übernommen. Man hört jetzt tatsächlich, dass bei vielen Sprechakten z.B. beim Wort Student*innen wirklich eine Lücke zwischen "Student" und "innen" gelassen wird. Vielleicht ist das ganze doch nicht nur eine Modeerscheinungen, wie es einige Seiten zuvor diskutiert wurde.
Es wird ja immer wieder diskutiert, dass mit Hilfe der Sprache unzulässige Assoziationen erzeugt werden. Beispielsweise denkt man beim Begriff "Professoren" an ältere, graue Herren mit Bart. Die Frage ist aber, ob alle unzulässigen Assoziationen beseitigt werden, indem man auch "Professorinnen" sprachlich inkludiert. Wenn jemand z.B. das Wort "Professorin" hört, denkt man dann an eine Frau mit Kopftuch oder an eine Frau mit sächsischem Dialekt? Anscheinend gibt es so etwas wie Rollenerwartungen, die unabhängig von der Sprache funktionieren. Wir haben z.B. eine sehr konkrete Vorstellung davon, wie ein Arzt aussieht und redet … und die Ärzte erfüllen diese Erwartung tatsächlich sehr gut. Ist fast so wie bei McDonalds, wo der Big Mac in jeder Filiale weltweit gleich schmeckt.
Aus meiner Sicht gehen Wortungetüme wie Bürger/innen-meister/in zu Lasten der Prägnanz und Ästhetik der Sprache. Die Sprache gewinnt an vielen Stellen einen eher technischen Charakter. Wenn jetzt zum Beispiel anstelle von Schauspielern von „Schauspielenden“ die Rede ist, klingt das nicht mehr nach handelnden Subjekten, sondern nach ferngesteuerten Marionetten. Ich bin mir nicht sicher, ob man unter diesen Prämissen noch mit dem Literatur-Nobelpreis rechnen kann. Ok, das war jetzt vielleicht etwas polemisch.
Ich sehe auch so etwas wie einen Überbietungswettbewerb. Um sich gesellschaftlich nicht zu diskreditieren, wird man im Zweifel über das Ziel hinausschießen und z.B. unnötigerweise von "Mitgliedern/Mitgliederinnen" oder "Katern und Katzen" sprechen. Mit der Anerkennung eines dritten Geschlechts wird sicher nochmal eine Schippe draufgelegt werden. Vielleicht ist das so eine deutsche Besonderheit, alles immer besonders gründlich und vorbildlich zu machen. Oder es ist einfach nur Gewöhnungssache.
Mir geht es jedenfalls nicht einfach nur um persönliche Befindlichkeiten, sondern ich möchte auch einige etwas handfestere Argumente zur Diskussion stellen.
Mit der sprachlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ist beabsichtigt, ein Bewusstsein für Teilhabe von Frauen zu schaffen und so die gesellschaftliche Benachteiligung von Frauen zu beseitigen. Sprache beeinflusst immerhin das Denken. Demzufolge müsste es dann aber in Gesellschaften mit Sprachen, in denen es kein grammatikalisches Geschlecht gibt (z.B. Türkei, Iran, China, Korea), hinsichtlich der Inklusion der Frauen deutlich besser laufen. Tut es aber nicht. Vielleicht liegen die Ursachen für Diskriminierung von Frau woanders.
Weiterhin stelle ich infrage, dass zentrale gesellschaftliche Konflikt wirklich zwischen und Frauen und Männern verläuft. Wenn wir Determinanten ökonomischer Ungleichheit untersuchen, stellen wir zwar fest, dass das Geschlecht einen signifikanten Einfluss hat, aber tatsächlich steckt da eher so etwas wie der Beruf dahinter. D.h. unter Berücksichtigung des Berufs verringert sich der Effekt des Geschlechts deutlich. Frauen arbeiten z.B. überproportional häufig in Pflegeberufen. Wie wäre es, wenn man diese Berufe besser entlohnen würde? Die treibende Kraft hinter vielen Problemen in unserer Gesellschaft ist eher der Markt, der aufgrund von bestimmten Angebot/Nachfrage-Relationen zu einem Ergebnis führt, das für einige Personen halt unvorteilhaft ist. Und das geschieht, obwohl Krankenschwestern, Kindergärtnerinnen und Altenpflegerinnen schon immer sprachlich inkludiert gewesen sind.
Es macht ein bisschen den Anschein für mich, als ob man sich primär um Frauen kümmert, die auch ohne fremde Hilfe auf der Überholspur sind, z.B. Professorinnen, Politikerinnen, Studentinnen. Frauen, denen es wirklich schlecht geht, sehe ich dadurch nicht geholfen. Das Gender-Mainstreaming ist für mich eher so eine Sache, wo sich Menschen aus der oberen Mittelschicht zufrieden auf die Schulter klopfen.
Ich empfinde die sprachliche Gleichstellung von Männern und Frauen eher als eine Art Nebenkriegsschauplatz. Damit wird ein bisschen davon abgelenkt, dass es weitere relevante Merkmale gibt, die den Zugang bestimmten gesellschaftlichen Positionen erschweren, beispielsweise die soziokulturelle Herkunft. Mein Plädoyer wäre daher, die Probleme von Frauen mit handfesten Maßnahmen zu verringern (z.B. berufliche Teilhabe von Müttern verbessern durch ausreichende Bereitstellung von Kindergartenplätzen, Erhöhung der Kapazitäten in Frauenhäusern usw.) und dabei nicht vergessen, dass es auch noch andere Menschen mit Problemen gibt.
Edit:
Zwei kleinere Ergänzungen noch:
Seit 2015 hat sich einiges getan. Einige Besonderheiten der geschlechter-neutralen Sprache wurden inzwischen auch in die mündliche Sprache übernommen. Man hört jetzt tatsächlich, dass bei vielen Sprechakten z.B. beim Wort Student*innen wirklich eine Lücke zwischen "Student" und "innen" gelassen wird. Vielleicht ist das ganze doch nicht nur eine Modeerscheinungen, wie es einige Seiten zuvor diskutiert wurde.
Es wird ja immer wieder diskutiert, dass mit Hilfe der Sprache unzulässige Assoziationen erzeugt werden. Beispielsweise denkt man beim Begriff "Professoren" an ältere, graue Herren mit Bart. Die Frage ist aber, ob alle unzulässigen Assoziationen beseitigt werden, indem man auch "Professorinnen" sprachlich inkludiert. Wenn jemand z.B. das Wort "Professorin" hört, denkt man dann an eine Frau mit Kopftuch oder an eine Frau mit sächsischem Dialekt? Anscheinend gibt es so etwas wie Rollenerwartungen, die unabhängig von der Sprache funktionieren. Wir haben z.B. eine sehr konkrete Vorstellung davon, wie ein Arzt aussieht und redet … und die Ärzte erfüllen diese Erwartung tatsächlich sehr gut. Ist fast so wie bei McDonalds, wo der Big Mac in jeder Filiale weltweit gleich schmeckt.
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