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Verlustzahlen in Schlachten

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    Verlustzahlen in Schlachten

    Nachdem ich mich letzhin in Details verschiedener Kriege und Feldzüge (italienische Unabhängigkeitskriege, Erster Weltkrieg usw.) eingelesen habe, bin ich auf einige Punkte gestoßen, die ich nicht so recht verstehen mag, nämlich die Verlustzahlen bei einigen Schlachten.

    Wenn wir mal die Schlacht bei Tannenberg 1914 hernehmen: insgesamt geschätzte 350.000 Soldaten beteiligt. Ca. 40.000 Tote kommen mir aber recht wenig vor, wenn sich ein paar hundertausend Mann die Schädel einschlagen?

    Idem z.B. die Schlacht von Calatafimi: Über 4000 Mann begegnen sich im erbitterten Nahkampf, und nur an die 100 sterben? Schlacht von Königsgrätz: Über 400.000 Mann, nicht mal 10.000?

    Nicht dass mir das zu wenig wäre; aber ich kann die Verlustzahlen im Verhältnis nicht verstehen.

    #2
    Nicht jeder Soldat ist eine Kampfmaschiene die bis zum bittern Tod kämpft .
    Meist ist es einfacher den gegner in die Flucht zu schlagen denke ich .
    Aber ich muss sagen das ich noch nie krieg miterlebt ( Spiele ,Bücher,Filme etc zählen nicht ) , was auch gut ist und hoffentlich auch so bleibt .

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      #3
      Zitat von Uriel Ventris Beitrag anzeigen
      Nicht dass mir das zu wenig wäre; aber ich kann die Verlustzahlen im Verhältnis nicht verstehen.
      Die meisten Menschen wollen niemanden töten, man sollte die Tötungshemmung beim Menschen nicht unterschätzen. Nur weil man jemanden in eine Uniform steckt, ist dieser noch lange nicht bereit jemanden zu töten den er ins Gesicht blickt.
      Nicht umsonst ist der Abbau der Tötungshemmung und die Entmenschlichung des Feindes, ein Teil der modernen Militärausbildung.
      Well, there's always the possibility that a trash can spontaneously formed around the letter, but Occam's Razor would suggest that someone threw it out.
      Dr. Sheldon Lee Cooper

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        #4
        Ich denke ein Problem sind die Filmschlachten. Wenn z.B. William Wallace gegen die Engländer kämpft, findet erstmal eine blutige Schlacht statt und anschließend ziehen die Gewinner noch stundenlang übers Schlachtfeld und ermorden was noch am Leben ist.Entkommen kann scheinbar niemand...

        In der Realität würde ich mal schätzen kämpfen zwar insgesamt vielleicht 100.000 Mann gegen 100.000 Mann, aber da der eigentlichen Schlacht nehmen nur wesentlich weniger Männer teil. In den Stellungsschlachten des 1. Weltkriegs reichte es wohl ein paar Schützengräben ein zu nehmen und die Oberhand zu gewinnen und der Feind zog sich sofort zurück oder kapitulierte. "Bis zur letzten Patrone" wird wohl nur in den seltensten Fällen gekämpft.

        Selbst in Stalingrad gingen ja ~100.000 deutsche Soldaten in Gefangenschaft. Wenn man keine Ahnung vom Krieg und dem Drumherum hat klingt es ja fast schon lächerlich, dass eine Seite aufgibt, obwohl man noch 100.000 Soldaten hat...

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          #5
          Ich vermute, dass bei Kämpfen früher die Menschen in erster Linie mal verletzt wurden. Bei Schwertern etc. fügte man sich (bei entsprechender?) Panzerung erst mal ordentliche Wunden zu oder man bekommt zB mit dem Schwert oder sonstwas ordentlich auf den Schädel und wird bewusstlos und geht klarerweise zu Boden ohne gleich tot zu sein. Und ich denke auch, dass der Gegner dann nicht nochmal zusticht um sicher zu gehen, dass der Feind auch wirklich tot ist. Bei der Masse an Gegnern muss(te) man sich vermutlich sofort dem nächsten zuwenden.

          Beim modernen Krieg mit Munition etc. ist das mit Verletzungen schon etwas anders. Um die Hemmung zu nehmen greift die Entwicklung ja immer mehr zu Distanzwaffen, um die "memmenhaften" Einstellung des Menschen zu umgehen... Klappt ja auch prima. Jetzt ist es ja sogar stylish beim Fernsehen die Raketeneinschläge per Videoclip in MTV Manier zum Abendessen serviert zu bekommen. Und wir finden es auch noch schick, dass das töten so steril und sauber ist.
          Die Grenzenlose Freiheit Einzelner Bedeutet Stets Die Begrenzung Der Freiheit Vieler!
          Willkommen in der DDR - Demokratischen Diktatur der Reichen

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            #6
            Mein Vater, der eine Offiziersausbildung gemacht hat, sagte mir einmal, eine Einheit gillt je nach Grösse ab 35% Ausfällen als taktisch Vernichtet.
            Eine Kompanie, die 35 von 100 Mann verloren hat, kann nicht mehr alle ihrer Stellungen in nötiger Stärke besetzen und gleichzeitig genug Reserven hinter der Kampflinie halten um Brennpunkte zu verstärken.
            Der Kommandant muss umdisponieren, sich eventuell zurückziehen, sonst riskiert er, dass seine Linie mangels Reserven, die er in den Kampf werfen kann, an einer Stelle durchbrochen wird. Sobald das passiert, ist seine Einheit erledigt. Der Feind kann den Rest der Verteidigungslinie von der Seite her aufrollen, oder sie einkesseln.

            Sobald eine Einheit keine Reseven mehr hat, mit der sie Lücken in der Verteidigung schnell schliessen kann, was eben bei etwa 35% Verlusten der Fall sein dürfte, muss sie das Feld räumen, oder sie riskiert die vollständige Vernichtung.


            Es gibt aber auch Schlachten, die wirklich Hollywood-style bis zum bitteren Ende geführt werden.
            z.B. die Schlacht um St. Jakob an der Birs.
            Understanding the scope of the problem is the first step on the path to true panic.

            - Florance Ambrose

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              #7
              Trotzdem verstehe ich nicht, wie bei so wichtigen Gefechten absolut lächerliche Verlustzahlen auftauchen.

              Besagtes Gefecht von Garibaldi gegen die sizilianische Armee: er hat gesagt, "hier machen wir Italien, oder wir sterben", was auf eine ernste Gefahr für seine Tausend hindeutet, die ja auch real war. Und trotzdem gehen im blutigen Nahkampf lediglich 40 Leute auf beiden Seiten verloren, mitsamt vielleicht 300 Verletzten? Was haben die anderen getan?

              Zitat von Enas Yorl Beitrag anzeigen
              Die meisten Menschen wollen niemanden töten, man sollte die Tötungshemmung beim Menschen nicht unterschätzen.
              Aber wenn einer auf mich zurennt und das Schwert schwingt, werd ich natürlich alle Mittel ergreifen, um mein Leben zu schützen.

              Trotzdem ist natürlich klar, dass die Hollywood-Schlachten total übertrieben sind. Auch werden, wenn 100.000 Mann kämpfen, sich nur 30.000 begegnen, während die restliche Nachschubwege und die Flanken sichern.

              Trotzdem steig ich da nocht nicht ganz dahinter.

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                #8
                Krieg folgt ganz bestimmten eigenen Regeln.
                Ein guter Offizier kann das Schlachtfeld lesen und den Verlauf der Schlacht zu einem Grad vorhersehen.
                Und wenn er sieht, dass er verlieren wird, wird ein vernünftiger Kommandant den Kampf zu vermeiden versuchen. Mit etwas Glück kann er sich in einem Rückzugsgefecht auf eine bessere Stellung zurückziehen. Verluste sind dann auf beiden Seiten relativ gering.

                Auch musst du bedenken, dass das Gelände häufig die Dimension der Schlacht begrenzt.
                Es kann durchaus sein, dass das Schlachdfeld auf beiden Seiten tausende von Soldaten erfordert, aber in dem stark gekammerten Gelände jeweils nur einzelne Kompanien oder Bataillone aufeinander treffen.
                In einer solchen Geländekammer kann sich eine Kompanie nach einem Verlust von vielleicht nur einem einzelnen Zug zurückzehen, wodurch eine Öffnung in der Vertieidgungslinie entsteht, welche die ganze Front unhaltbar macht.
                Der Vertieidger muss sich zurückziehen und der Angrieffer ist Sieger einer Schlacht, an der auf beiden Seiten mehrere Regimenter teilgenommen haben, die aber insgesammt weniger als 200 Tote forderte.
                Understanding the scope of the problem is the first step on the path to true panic.

                - Florance Ambrose

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                  #9
                  Zitat von Uriel Ventris Beitrag anzeigen
                  Aber wenn einer auf mich zurennt und das Schwert schwingt, werd ich natürlich alle Mittel ergreifen, um mein Leben zu schützen.
                  Die bei den von dir im Anfangspost genannten Schlachten waren Schusswaffen bereits dominant. Bei Distanzgefechten ist die Masse der feindlichen Bedrohung gesichtslos, während man den Menschen als Ziel der eigenen Waffe klar ausmachen kann, da schießen viele mit Absicht daneben. Beim Nahkampf, wo die Bedrohung durch den einzelnen Feind sehr unmittelbar ist, gibt es eine direkte Verbindung zwischen dem Selbstschutz und dem töten des Angreifers der einem selbst direkt bedroht.
                  Jemanden zu erschießen der 50 Meter entfernt seinen Kopf auf der Deckung streckt, ist etwas anderes, als jemanden zu töten, der mit dem Bajonett direkt vor einem steht.
                  Well, there's always the possibility that a trash can spontaneously formed around the letter, but Occam's Razor would suggest that someone threw it out.
                  Dr. Sheldon Lee Cooper

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                    #10
                    Das ist klar. Trotzdem werd ich im Nahkampf, um eine Stellung zu durchbrechen, den mit dem Bajonett doch eher töten, als mich töten lassen? Wie soll es denn sonst ausgehen, einer muss ja gewinnen. Oder sind die dann lieber gleich abgehauen?

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                      #11
                      Schon mal daran gedacht das die Soldaten dann lieber ihre Waffe wegwerfen und sich gefangen nehmen lassen? Ist zwar nicht besonders Heldenhaft aber wenigstens lebt der Soldat dann noch.
                      Ich kann mir jedenfalls gut vorstellen das die Verteidiger des Grabens sich lieber ergeben und sich gefangen nehmen lassen, als zu sterben.
                      Inmitten des ewigen Kreislaufs der Zeit, wird aus lauem Wind ein Sturm entstehen.
                      Vom Abgrund starren Dämonenaugen weit, die die Razgriz, die schwarzen Flügel sehen.

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                        #12
                        Gerade das englischsprachige Wikipedia liefert schon eine ganz gute Vorstellung davon, wies so in Schlachten über vergangene Zeitepochen hinweg zugegangen ist.
                        Sogenannte Vernichtungsschlachten waren die absolute Ausnahme, wie schon von HMS Fearless richtig angemerkt. Darauf hat ein Befehlshaber eher weniger spekuliert. Außerdem war selbst dann nicht das unmittelbare Ziel, alle Gegner zu vernichten, sondern eher eine strategische Entscheidung hinsichtlich des gesamten Feldszugs in einer einzigen Schlacht herbei zu führen.
                        Sowas wie Hannibals Sieg bei Cannae, wo er 50.000 Römer abmetzelt und fast niemand lebendig davon kommt, waren die absolute Ausnahme.

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                          #13
                          Mit vielen Schwerverletzten schädigt man den Gegner noch mehr, als mit Toten. Welche Armee könnte es sich - unter Berücksichtigung der Kampfmoral der eigenen Soldaten - leisten, Verletzte einfach auf dem Feld liegen und sterben zu lassen? 1 Verletzter bindet mehrere Kameraden, die ihn bergen, in Sicherheit bringen und medizinisch versorgen.
                          Slawa Ukrajini!

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                            #14
                            Das liegt vermutlich daran, dass man immer schneller weglaufen als vorrücken kann. Ein geplanter, koordinierter Angriff zu Fuss ist nicht schnell, eher geradezu lächerlich langsam (wer mal überschlagendes Vorgehen in Schützenreihe mitgemacht hat, weiss wovon ich spreche). Kopflos wegrennen kann man ziemlich schnell.
                            können wir nicht?

                            macht nix! wir tun einfach so als ob!

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                              #15
                              Zitat von Uriel Ventris Beitrag anzeigen
                              Das ist klar. Trotzdem werd ich im Nahkampf, um eine Stellung zu durchbrechen, den mit dem Bajonett doch eher töten, als mich töten lassen? Wie soll es denn sonst ausgehen, einer muss ja gewinnen. Oder sind die dann lieber gleich abgehauen?
                              Warum muss, damit einer gewinnt, immer einer sterben?

                              Die Möglichkeit der Flucht oder Aufgabe und Gefangenschaft gibt es immer und Soldaten sind normalerweise keine blutrünstigen Killer die jeden einfach so töten weil sie es können.
                              Define irony: a bunch of idiots dancing on a plane to a song made famous by a band that died in a plane crash.

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