Volkskammer Bundestag?

[Seether]

Der Fraktionszwang bzw das Bestehen von Fraktionen überhaupt ist ja einer der Gründe, weshalb ich in diesem Forum immer wieder von der Parteiendiktatur rede. Man mag es belächelt haben, aber dran ist daran schon etwas. Die Abstraktion zwischen Einzug ins Parlament über Parteien und Arbeit im Parlament in parteiabhängigen formalisierten Organisationen mit Sonderrechten in der GOBT ("Fraktion") ist wirklich lange überfällig.

Davon ab ist das fehlende Fingerspitzengefühl der Verantwortlichen im GO-Ausschuss erschreckend; sitzen da nur Pfeifen? Wie hier bereits angedeutet, kommt so ein Vorschlag zur absoluten Unzeit. Es stehen Landtagswahlen in zwei Bundesländern an, in denen die Protestpartei der Piraten für ALLE an diesem ungeheurlichen Vorgang beteiligten Parteien eine Gefahr darstellt - für die FDP, weil sie sie aus den Landtagen schießen könnte, für SPD und Union, weil sie deren stabile Mehrheiten in Frage stellt.

Und dann sowas. Na herzlichen dank, wird sich manch einer in den Volksparteien wohl denken. Und das nicht zu Unrecht.

[Mondkalb]

Man hört ja auch gerne immer mal wieder, dass ohne den Fraktionszwang das Land angeblich unregierbar wäre und man keine Mehrheiten bekäme usw.
Da fragt man sich doch, warum das in anderen Ländern funktioniert?
Das würde das politische Leben deutlich lebendiger gestalten, wenn die Regierung auch mal bei nicht an der Regierung beteiligten Parteien um Stimmen werben müsste.

Naja, wie auch immer, ich hoffe, die Blockparteibonzen bekommen für diese Ungeheuerlichkeit bei den nächsten Wahlen mindestens blaue Augen.

[Chloe]

Das Beste war noch Steinbrück gestern in den Nachrichten. So, die SPD hat erstmal "ja" gesagt und jetzt, nachdem sie von allen Seiten angebrüllt werden, denken sie nochmal drüber nach.

Das ist doch genau, was man von einer Opposition erwartet, dass sie ohne Nachzudenken, erstmal "ja" sagen, und erst anfangen zu denken, nachdem sie von der Presse mit dem Jauchekübel übergossen werden.

Von Strobl war nichts anderes zu erwarten. So funktioniert das in der baden-württembergischen CDU.

Angesichts der Reaktionen darf bezweifelt werden, dass das in dieser Form kommen wird:

Pläne der Fraktionen: Abgeordnete stemmen sich gegen "Kastration" des Rederechts - Deutschland - Politik - Handelsblatt

Streit über geplante Beschneidung des Rederechts im Bundestag | tagesschau.de

[Pyromancer]

Hach, es wäre so einfach gewesen, liebe Väter der Verfassung: Einfach den Einzug ins Parlament über Parteien von der Organisation in Parteien (lies: Fraktionen) im Bundestag abstrahieren. Ein kleiner Satz im Grundgesetz hätte ausgereicht.

Den Schuh müssen sich die Väter des Grundgesetzes nicht anziehen, unser GG gesteht Parteien nämlich gar keine Rechte zu, außer "an der politischen Willensbildung des Volkes" mitzuwirken:

Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

Mehr nicht!

Unser Grundgesetz gibt ohne Probleme auch andere Herrschaftsformen als die aktuelle Parteienoligarchie her.

[Seether]

Nett, dass du mich über den Wert von Parteien informieren möchtest, wo ich selber seit Jahren predige, dass sie sich den Staat in unkonstitutioneller -unbeabsichtigter - Weise Untertan gemacht haben. Aber danke, das kann man immer gut gebrauchen.

Dass die SPD umkippen würde, war anhand des MEdienechos eigentlich nicht anders zu erwarten (schauen wir mal, wie weit ihr "Nachdenken" reichen wird in letzter Konsequenz...). Mich erstaunt nur das abermalige völlige Fehleinschätzen der gesellschaftlichen Reaktion auf so eine Änderung. Da muss man wahrlich an dem Begrif "Politprofi" zweifeln.

[Chloe]

Nach Gauweiler droht auch Willsch mit dem Verfassungsgericht.

Der Grund, dass dieser Vorschlag jetzt kommt vor den Landtagswahlen ist natürlich, dass in ein paar Wochen der ESM durchs Parlament muss. Davor will man natürlich den Maulkorb installiert haben, damit nicht wieder Abweichler das Wort erteilt bekommen. Das Rederecht für die EFSF-Abweichler Willsch und Schäffler ist der Grund für die ganze Aktion, und deshalb drohen jetzt auch die Abweichler mit dem Verfassungsgericht.

[lordhasen]

können wir uns solche Abweichler überhaupt leisten ?
Versthe mich nicht Falsch ich habe auch bedenken vor diesem Maulkorp . Aber trotzdem die Märkte sind so schnell . Die politik muss schlicht schneller werden .
Ausserdem man wählt Partein und Kanditaten von den Partein .
Also ist es doch okay wenn Partein (die den willen des Volkes entsprechen )
Abweichlern ( die eben nicht den Willen des Volkes entsprechen ) das reden verbieten .

[Chloe]

Da wird sich Mutti freuen, ein Anhänger ihrer "marktkonformen Demokratie"

Ich habe den Eindruck, dass eher die Abweichler dem Willen des Volkes entsprechen als die Linientreuen.

Nicht die Politik muss schneller werden, sondern sie muss dafür sorgen, dass die Märkte langsamer werden und sie nicht ständig von ihnen getrieben wird. Abgesehen davon, die 10 Minuten Rederecht für Abweichler machen den Riesenunterschied nun auch nicht aus.

[lordhasen]

Da wird sich Mutti freuen, ein Anhänger ihrer "marktkonformen Demokratie"

Ich habe den Eindruck, dass eher die Abweichler dem Willen des Volkes entsprechen als die Linientreuen.

Nicht die Politik muss schneller werden, sondern sie muss dafür sorgen, dass die Märkte langsamer werden und sie nicht ständig von ihnen getrieben wird. Abgesehen davon, die 10 Minuten Rederecht für Abweichler machen den Riesenunterschied nun auch nicht aus.

Da hast du recht die Märkte müssen langsamer werden . Aber wenn die Abweichler dem Willen des Volkes entsprechen warum wählen die Leute trotzdem diese Partein ?

[Valdorian]

Da hast du recht die Märkte müssen langsamer werden . Aber wenn die Abweichler dem Willen des Volkes entsprechen warum wählen die Leute trotzdem diese Partein ?

Allein das Wort "Abweichler" ist doch schon krankhaft... Ein Abgeordneter ist seinem Gewissen und dem deutschen Volk verpflichtet, aber nicht irgendeiner Parteilinie. Von daher kann er auch gar kein "Abweichler" sein.

[Chloe]

Aber wenn die Abweichler dem Willen des Volkes entsprechen warum wählen die Leute trotzdem diese Partein ?

Das hat ein Sammelsurium von Gründen. Die wichtigsten sind: Erstens konnte keiner bei den letzten Wahlen 2009 die Euro-Rettungsorgie kommen sehen. Zweitens wählen Leute Parteien wegen der Summe ihrer Positionen, mit denen sie einverstanden sind - was nicht heißt, dass sie nicht einzelne Positionen ablehnen. Das war mit der Laufzeitverlängerung der AKW ebenso; allen Umfragen zufolge hat die Mehrheit die Laufzeitverlängerung abgelehnt, schwarz-gelb wurde aber trotzdem gewählt, aus anderen Überlegungen. Drittens gibt es die 5-Prozent-Hürde; Parteien, die man vielleicht vorziehen würde, werden nicht gewählt, aus Angst, dass die Partei nicht ins Parlament kommt und man die Stimme verschenkt.

Aber je nachdem, wie das weitergeht, kann ich mir schon vorstellen, dass beim nächsten Mal zwei neue Parteien in den Bundestag einziehen.

[Chloe]

Nach noch mehr Drohungen mit Verfassungsbeschwerden (Ströbele, Schäffler) ist der Maulkorb-Erlass wohl erstmal ad acta gelegt.

Parteien wollen neu beraten: Rederecht-Änderung vom Tisch - n-tv.de

Zumindest wird nächste Woche nicht darüber abgestimmt. Besonders der Süddeutschen ist zu danken, dass das in den Medien ordentlich hochgekocht wurde.

[Thomas W. Riker]

Nach noch mehr Drohungen mit Verfassungsbeschwerden (Ströbele, Schäffler) ist der Maulkorb-Erlass wohl erstmal ad acta gelegt.

Parteien wollen neu beraten: Rederecht-Änderung vom Tisch - n-tv.de

Zumindest wird nächste Woche nicht darüber abgestimmt. Besonders der Süddeutschen ist zu danken, dass das in den Medien ordentlich hochgekocht wurde.

Nach diesem grandiosen Fehlschlag sollten sich die drei Parteien, die diese undemokratische Idee hatten, vllt darüber einigen, dass Vertreter der Printmedien ein Rederecht im Bundestag erhalten. Das könnte die Meinungsfindung im BT evtl sehr beschleunigen.