Der EURO in der Krise

[Gast]

Vielleicht bin ich da ja auf dem definitorischem Holzweg, aber ein Verlust ist für mich nur, wenn sich mein Vermögen vermindert aka ich netto was zahlen muss, aber noch nicht wenn ich nichts kriege, was ich unter günstigeren Umständen evtl. bekommen hätte.

[Chloe]

Verlust läuft auf dasselbe hinaus wie entgangener Gewinn, das kennt man doch als Opportunitätskosten. Wenn die Telekom dir eine Gutschrift schreibt, ist es doch auch egal, ob sie den Betrag gleich überweist oder mit den künftigen Rechnungen verrechnet. Sowohl für die Telekom als auch für dich.

[Chloe]

20 Mrd fehlen im griechischen Haushalt, so offenbar das vorläufige Ergebnis des Troika-Berichts. Fast doppelt soviel wie zunächst behauptet.

In Griechenlands Staatshaushalt fehlen 20 Milliarden Euro - SPIEGEL ONLINE

Es ist beinahe schon zum Lachen. Seit dem ersten Hilfsantrag und bei jedem Bericht wurde auf's Neue von unabhängigen Leuten vorgerechnet, dass die Hokuspokus-Finanzierung der Troika nicht aufgehen wird.

Pokerspiel um die Griechen-Rettung - Süddeutsche.de

Da jedoch weder die Bundesregierung noch der IWF dazu bereit ist, den Griechen über die bisher gemachten Zusagen hinaus Geld zu leihen, wird nun händeringend nach weiteren Finanzierungsquellen gesucht. Es gebe allerdings kaum noch große Sparposten, hieß es in Troika-Kreisen. Deshalb prüfe man, ob das Loch im Sanierungsprogramm "mit Hilfe vieler kleiner Maßnahmen geschlossen werden kann".

Diskussionen über einen zweiten Schuldenschnitt seien aber "schädlich", laut Schäuble, offenbar alles unnötig, auch das schon x-mal gehört.

"Mit Hilfe vieler kleiner Maßnahmen", in einem Land mit einem Haushaltsvolumen von weniger als 110 Mrd wollen sie mit "vielen kleinen Maßnahmen" 20 Milliarden, fast ein Fünftel, einsparen. Ende Oktober soll der Bericht jetzt kommen, das wird noch viel kreative Rechenarbeit bis dahin.


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EDIT (autom. Beitragszusammenführung) :
Chloe schrieb nach 5 Stunden, 12 Minuten und 5 Sekunden:

Nachdem das BVerfG der Banklizenz den Garaus gemacht hat, sind wir jetzt, oh Wunder, prompt wieder bei der Hebelungs-Diskussion angelangt:

Hebel für den ESM: Euro-Länder wollen Rettungsschirm vergrößern - Handelsblatt.de

Soviel dazu, dass nie eine Banklizenz vorgesehen war.

[prince]

Hebel für den ESM: Euro-Länder wollen Rettungsschirm vergrößern - Handelsblatt.de

Soviel dazu, dass nie eine Banklizenz vorgesehen war.

Das kann ja kaum sein, hat doch Herr Schäuble vor grade mal einem Jahr vehement bestritten das da irgendwas gehebelt werden sollte oder würde.

[Chloe]

Schäuble bezeichnet auch jetzt wieder die Idee als "völlig illusorisch". Er mag damit recht haben; mich würde auch sehr interessieren, warum das jetzt beim ESM funktionieren sollte, wenn der Versuch bei der EFSF glorios gescheitert ist - weil die gehebelten Bonds kein Investor haben wollte.

[Uriel Ventris]

Wie funktioniert das Hebeln eigentlich?

[Chloe]

Das sind ein paar Artikel zum EFSF-Hebel:

Euro-Krise: Schäuble will Rettungsschirm auf 1000 Mrd. Euro hebeln | FTD.de

Euro-Rettungsschirm: Vier Möglichkeiten im Detail - International - Politik - Handelsblatt

So funktioniert der Kredithebel: Eine Teilkasko für frisches Geld - International - Politik - Handelsblatt

Euro-Rettungsschirm: Die wundersame Geldvermehrung - International - Politik - Handelsblatt

Es sieht so aus, als wäre wieder die Versicherungsvariante im Gespräch.

[Chloe]

Hilfspaket für Griechenland steht auf der Kippe - Süddeutsche.de

Athen benötige "mindestens zwei Jahre" zusätzlich Zeit, um wieder auf die Beine zu kommen, hieß es übereinstimmend in Brüssel und in europäischen Notenbanken. Beide Seiten bezifferten die neue Finanzierungslücke auf "rund 30 Milliarden Euro".

Ich glaube mich zu erinnern, dass es vor zwei Tagen noch 20 Milliarden waren. Vor zwei Wochen noch 11,5 Milliarden, und vor ein, zwei Monaten brauchte Griechenland laut Schäuble keine zusätzlichen Hilfen.

Griechenland-Rettung "Wir haben jetzt ein grundsätzliches Problem" - Zeit.de

Aha.

[Chloe]

Griechenland wird also auf jeden Fall die nächste Tranche erhalten:

Auszahlung der Hilfen für Griechenland beschlossene Sache - SPIEGEL ONLINE

Der Bericht der Prüfertroika aus Europäischer Union, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank werde "so ausfallen, dass die Politik das Geld freigeben kann", zitierte das Magazin [Focus] in einer Mitteilung vom Samstag Quellen aus dem Europäischen Parlament.

Also wollen sie wohl den Bericht frisieren, der Spiegel hatte recht. Mein Gott, ist das alles eine Farce.

Das können sie vielleicht mit Griechenland so machen bis zum Sankt Nimmerleinstag, aber mit Spanien nicht.

[Gast]

Das können sie vielleicht mit Griechenland so machen bis zum Sankt Nimmerleinstag, aber mit Spanien nicht.

Doch, das geht. Die Überschussländer müssen nur saftige Exportsteuern erheben und in den "Rettungs"-Schirm einzahlen.

Und jetzt bitte keine Vorträge über EU-Recht und die Wahrscheinlichkeit, dass sich sowas politisch durchsetzen ließe.

[Thomas W. Riker]

Ich glaube mich zu erinnern, dass es vor zwei Tagen noch 20 Milliarden waren. Vor zwei Wochen noch 11,5 Milliarden, und vor ein, zwei Monaten brauchte Griechenland laut Schäuble keine zusätzlichen Hilfen.

Griechenland-Rettung "Wir haben jetzt ein grundsätzliches Problem" - Zeit.de

Aha.

Das liest sich für mich wie eine Exponential-Funktion, die sich bis zum Jahreswechsel auf einen Wert von (deutschsprachigen) Billionen € erhöht.

[Chloe]

Für diejenigen, die sich dafür interessieren: Paul Krugman hat eine kurze Pause vom US-Wahlkampf eingelegt:

Euro Update: The Perils of Pointless Pain - NYTimes.com

Auszüge:

The basic story of the euro crisis remains the same: it’s essentially a balance of payments crisis, misinterpreted as a fiscal crisis, and the key question is whether internal devaluation is really workable ... Where does austerity fit in to this story? Mostly it doesn’t. Shaving an extra couple of points off the structural deficit will make very little difference to long-run solvency, nor will it do much to accelerate the pace of internal devaluation. It will, however, depress employment even further and inflict a lot of direct suffering too through cuts in social programs. Why do it, then? Partly it’s because Europe is still operating on the false theory that this is essentially a fiscal issue; partly it’s to assuage the Germans, who remain convinced that those lazy Southern Europeans are getting away with something. In effect, the policy is to inflict pain for the sake of inflicting pain.

Und über Draghi und die EZB:

This is the context in which you have to see Mario Draghi’s actions. Twice now — first with the LTRO last fall, then with the plan to buy sovereign debt, he has stepped in to limit runaway bond yields, short-circuiting a possible financial “death spiral” of falling bond prices, collapsing banks, and high-speed capital flight. ... I really do think Draghi has done very well. But he can’t make internal devaluation work on his own, and he can’t save Europe if its leaders continue to think that gratuitous infliction of pain is sound policy.

Ich hatte selber die größten Vorbehalte, als Axel Weber das Handtuch warf und es hieß, dass Draghi EZB-Chef werden sollte. Inzwischen finde ich auch, im Rahmen der Grenzen, die ihm gesetzt sind und angesichts des mE völligen Versagens der Politik, hat er bisher einen sehr guten Job gemacht. Trotz aller Risiken und Nebenwirkungen. Wer weiß, wo wir heute wären mit einem Axel Weber an der EZB-Spitze. Wer weiß, ob es überhaupt noch eine EZB gäbe.

Auch noch kürzlich erschienen:

Fiddling at the Fire by Nouriel Roubini - Project Syndicate

oder auf Deutsch:

Herumgewurstel am Brandherd by Nouriel Roubini - Project Syndicate

[Mondkalb]

Für diejenigen, die sich dafür interessieren: Paul Krugman hat eine kurze Pause vom US-Wahlkampf eingelegt:

Euro Update: The Perils of Pointless Pain - NYTimes.com

Auszüge:

The basic story of the euro crisis remains the same: it’s essentially a balance of payments crisis, misinterpreted as a fiscal crisis, and the key question is whether internal devaluation is really workable ... Where does austerity fit in to this story? Mostly it doesn’t. Shaving an extra couple of points off the structural deficit will make very little difference to long-run solvency, nor will it do much to accelerate the pace of internal devaluation. It will, however, depress employment even further and inflict a lot of direct suffering too through cuts in social programs. Why do it, then? Partly it’s because Europe is still operating on the false theory that this is essentially a fiscal issue; partly it’s to assuage the Germans, who remain convinced that those lazy Southern Europeans are getting away with something. In effect, the policy is to inflict pain for the sake of inflicting pain.

Das ist ziemlich auf den Punkt. Mir geht schon länger die absolute Ahnungslosigkeit unserer Regierenden auf den Nerv, was volkswirtschaftliche Zusammenhänge betrifft.

Im Falle Griechenland versucht man hier in typisch deutscher Besserwisserei und Rechthaberei eine eindeutig falsche Politik durchzusetzen, die fortlaufend scheitert und statt zu helfen nur noch weitere Kosten erzeugt, die wir letztendlich auch tragen müssen.

Mit anderen Worten: Um die Griechen zu bestrafen nimmt der Merkel-Clan fortalaufend steigende Kosten für Deutschland in Kauf.
Wenn von Amfang an entschlossen geholfen worden wäre, hätten die Kosten nur einen Bruchteil betragen
Stattdessen wurden diese falschen Rezepte auch noch den Portugiesen und Spaniern aufgebrummt.
Da ist der Erfolg ja genauso atemberaubend ...
Was muss eigentlich passieren, damit diese Idioten sehen, was sie anrichten?

[Leandertaler]

Wobei diese Politik zumindest in Griechenland IMHO nicht wirklich verwunderlich war, auch wenn man sich das Scheitern tatsächlich mal eingestehen müsste, um in anderen Ländern anders zu handeln.
Es war doch klar, dass Merkel erst mal nichts zahlen wollte, schließlich gibt es die Nichtbeistandsklausel, irgendwann wurd ihr dann klar, dass die diese Position aus rein praktischen Gründen nicht länger haltbar ist und dann hat man den Griechen eben Kredite gewährt, um die Pleite zu vermeiden, somit die Banken zu retten und Kollateralschäden in Nordeuropa zu verhindern.
Um den Griechen die Sparprogramme zu ersparen, hätte man aber eben von Anfang an sehr viel mehr deutsches Steuergeld ausgeben müssen und dass das nicht erwünscht war, kann ich in Jahren mit einer Rekordneuverschuldung durchaus verstehen.

Denn hätte man den Griechen die selbe Menge an Geld über den selben Zeitraum ohne irgendwelche Auflagen einfach gegeben, hätte man sich zwar diese elendigen EU-Diktatur-Geschichten erspart, allerdings hätten die Griechen, um eine Staatspleite zu verhindern, ja nicht weniger hart sparen müssen, denn ihre Schulden hätten sie auch weiterhin bedienen müssen.
Hätten sie das nicht getan und ihre Schulden gestrichen, hätten wir erst unsere Banken retten müssen und den Griechen dann Kredite geben, denn nach dem Schuldenschnitt wären sie genauso von den Kapitalmärkten abgeschnitten gewesen, wie sie es jetzt sind.
Und die Schuld für den griechischen Absturz liegt eben nicht nur bei der Troika, die ständig die falschen Sparmaßnahmen vorschreibt, da sitzen die Griechen schon auch mit am Tisch und die sind es beispielsweise auch selbst, die sich ständig gegen eine Kürzung der Militärausgaben wehren, Begründung: Die angebliche Bedrohung durch die Türkei.

Ob Griechenland zu retten gewesen wäre, wenn man von Anfang an massiv Geld reingesteckt hätte, weiß ich nicht. Sicherlich wäre die Rezession schwächer ausgefallen, aber solche Hilfen sieht/sah das Euro-System aus gutem Grund eben nicht vor und dann gab es die natürlich auch nicht.

[Dannyboy]

Und die Schuld für den griechischen Absturz liegt eben nicht nur bei der Troika, die ständig die falschen Sparmaßnahmen vorschreibt, da sitzen die Griechen schon auch mit am Tisch und die sind es beispielsweise auch selbst, die sich ständig gegen eine Kürzung der Militärausgaben wehren, Begründung: Die angebliche Bedrohung durch die Türkei.

Nicht zu vergessen, die peinliche Unfähigkeit der Griechen, auch mal nur halbwegs solide Zahlen zu liefern.
Und damit meine ich nicht die stets unterbotenen Prognosen aufgrund der sich verschlechternden Wirtschaft.