Zitat von SF-Junky
Beitrag anzeigen
Das ist alles recht kompliziert, und das Lissabonurteil ist viel Blabla und heftigst umstritten (Europaweit, das vielleicht am meisten kritisirte Urteil in der GEschichte des BVerfG).
Also nochmal zur Klärung, ganz simpel:
1. Der ESM (und ähnlich schwerwiegende zukünftige Eingriffe, auf die du abzielst mit deiner Frage, zurecht) ist nach Lissabonurteil UND herrschender Meinung der Wissenschaft höchst wahrscheinlich auf Basis des Ist-Zustands unserer Verfassung verfassungswidrig (weitere Kompetenzübertragungen nicht automatisch nach der Rechtswissenschaft), ich möchte sagen, er ist es auf jeden Fall, da er das Budgetrecht des Parlaments in unzulässiger Weise beschneidet. Es darf aber erwartet werden, dass das BVerfG wegen der Buhmann-Angst bellen, aber nicht beißen wird.
2. Jede weitere europäische Integration (Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU) ist auf Basis der derzeitigen Verfassungslage nach dem Tenor des Lissabonurteils ausgeschlossen (strg).
Erklären kann man das mit dem Staatsvorbehalt der eher konservativen Staatsrechtler am BVerfG. Sie sehen den Staat als Basis der menschlichen Gesellschaft und keine un-staatliche EU.
Beim ESM kommt zudem noch der Verstoß gegen eine Kernentscheidung der Verfassung - das Budgetrecht - hinzu.
3. Folge daraus:
Man weiß es nicht.
Die Einstufung des Budgetrechts als Kernentscheidung usnerer Verfassung im Lissabonurteil legt nahe, dass es einer komplett neuen Verfassung bedarf für jede weitere Integration; dann wäre allerdings auch das Erfordernis eines Europäischen Bundesstaates dahin (den das BVerfG ja gleichermaßen konstaniert), denn eine neue Verfassung könnte ja andere Kernentscheidungen treffen.
Ob gleichzeitig "nur" eine demokratischere EU ausreicht, um alle Sorgen des BVerfG hinwegzufegen, ist schwer vorstellbar. Es käme wohl auch auf die konkrete Verfassung eines etwaigen europ. Bundesstaates an, inwieweit eine neue Verfassung in Deutschland dann nötig ist. Man darf aber davon ausgehen, dass auch Deutschland dann ein neues Grundgesetz benötigt.
Hier ist das BVerfG jedenfalls nicht ganz stringend.
Als sicher ansehen muss man aber, ums es nochmal klar zu sagen, dass eine simple Verfassungsänderung durch Bundestag und Bundesrat in Form eines einfachen Gesetzes nicht mehr ausreicht ( weil es, s.o., eine Kernentscheidung des Grundgesetzes nicht auszuhebeln vermag).
Nachtrag: Aber dieser Gedankengang ist irrelevant, denn des BVerfG wird den ESM ja schon mit der derzeitigen Verfassungslage als vereinbar anerkennen ("Buhmann-Argument") und damit wiedermal nur Bellen, aber nicht beißen. Schlimmstenfalls wird es fordern, dass jede WEITERE Kompetenzübertragung einer komplett neuen Verfassung bedarf (durchaus möglich), wenn es sich nicht schon damit zufrieden gibt, simple Verfassungsänderungen für die Zukunft ausreichen zu lassen (Könnte auch sein).
Kommentar