Es ist die Hölle, schwul zu sein in Jamaika.
Jamaika
Jagd auf Schwule
Das hab ich nicht gewußt Jamika das land der liebe, der freiheit, des locker seins...
Es ist die Hölle,
schwul zu sein in Jamaika.
Robert M. frei nach "Jamaican gays flee to save their lives" von Tony Thompson, The Observer vom 20.10.2002
David ist 26. Jede seiner Narben erzählt eine andere grauenhafte Geschichte: eine Narbe am Hals von dem Versuch einer Gang, ihm die Kehle zu zerschneiden, Narben am Arm, der ihm mehrmals gebrochen wurde, Narben am Handgelenk von einem Versuch, ihm die rechte Hand mit einer Machete abzuhacken, Male an seinen Füssen, ein durchlöchertes Trommelfell und unendliche seelische Narben. Und alles, weil er schwul ist.
Für viele jamaikanische Männer ist die Anschuldigung, schwul zu sein, die grösstmögliche Beleidigung. Dementsprechend wurden bei der letzten Wahlkampagne gegen alle politischen Führer entsprechende Vorwürfe von der Gegenseite erhoben.
In Jamaika ist homosexueller Geschlechtsverkehr ein Verbrechen. Analverkehr wird mit bis zu 10 Jahren Gefangenschaft mit harter Arbeit bestraft. Treffen kann das jeden, denn definiert wird das von jedem Polizisten selbst. So mancher landete in der Vergangenheit schon im Gefängnis für Händchenhalten, beschuldigt wegen grob unsittlichen Verhaltens. Wer 'batty boy' oder 'chi chi man' genannt wird, muss mit dem Schlimmsten rechnen.
Nachdem David einmal in einer Cruisinggegend ein Messer in den Rücken gestochen worden war, weigerte sich die Taxifahrer, "the faggot" ins Krankenhaus zu transportieren.
Eine der einflussreichsten Radiotalkshows des Landes hetzte kürzlich: "Sie möchten unsere Kinder verderben und ihnen erklären, ist sei o.k., unmoralisch und eklig zu leben". Jamaikas Präsident P.J. Patterson setzte letztes Jahr den Ausschluss von Schwulen bei den Pfadfindern durch und erklärte weiterhin, mit seiner Regierung werde es die von "Amnesty International vorangetriebene Legalisierung von Homosexualität" jedenfalls nicht geben. 1997 versuchten Kingstoner Gefängnisbehörden, Kondome an die Insassen zu verteilen. Der Versuch endete in einer Gefängnisrevolte, bei der 16 angebliche Schwule ermordet und 40 weitere ebenfalls angebliche Schwule verletzt wurden.
David berichtete über jamaikanische Gefängnisse: Er wurde "des Analverkehrs verdächtigt". Der Polizist stiess ihn in eine Gemeinschaftszelle mit 15 anderen Gefangenen mit den Worten: "Geh rein ‚batty boy" Innerhalb von Sekunden wurde David bewusstlos geschlagen, verlor für immer sein Gehör auf einem Ohr.
Letzte Woche bekam David in Großbritannien Asyl aufgrund der britischen Einsicht, dass Homophobie in Jamaika eine "Bedrohung" für Leib und Leben darstelle.
Übrigens feiert jamaikanische Musik häufig das Schlagen und die Tötung von Schwulen. Anfang der 90er schaffte Buju Banton es mit 'Boom Bye Bye' ganz nach oben in die Verkaufscharts, unter anderem mit den Zeilen: 'Batty boy get up and run ah gunshot in ah head man'. Im März 2001 war T.O.K. acht Wochen lang die Nummer 1 der World Reggae Charts mit "Chi Chi Man". Die Jamaican Labour Party machte den Reggae-Song mit den brennenden Schwulen im Refrain zur Wahlhymne.
Am Rande: Die einschlägige Musikpresse beschwichtigt kritische Reggae-Hörerinnen gerne damit, die Homophobie in den Reggae-Texten sei doch nicht SO gemeint und im Grunde genommen eigentlich nicht ernster zu nehmen als die Gewalt in einem Bond- oder Van-Damme-Film.
Sascha B.: Die Homophobie in Jamaica ist leider nicht vom Rastafari-Movement zu trennen. Im Gegenteil sogar: Die wesentlichen Musiker der Insel, die uns so einflussreiche Stile beschert haben wie Ska, Reggae, Dub, Dancehall... hatten und haben als bekennendende Rastas einen wesentlchen Anteil am "queer bashing". Minderheiten, die es offenbar nötig haben, Minderheiten zu verfolgen, verhalten sich leider nicht rücksichtsvoller als Mehrheiten, die dies tun. Mutig und klasse ist aber das Engagement des Jamaica Gleaner
Falls doch mal einer dahin will: (sven)- Die Schweizer Menschenrechtsgruppe ADHOC Group for Human Rights widmet sich der Verbesserung der Menschenrechtslage auf Jamaika und hat auch einen Tourismusführer in Vorbereitung, der klassische Ferienziele nach Kriterien der Menschlichkeit und Toleranz beurteilen wird. ADHOC ist auch bereit, die wenigen Lokale und Hotels anzugeben, wo Schwule und Lesben auf Jamaika willkommen sind, falls verlässliche Angaben vorhanden sind. www.adhoc-group.org
onair: die rastafari-bewegung hat ihre ursprünge in alttestamentarischen befreiungsvisonen. der exodus der israeliten aus der knechtschaft ägyptens wird nicht nur mit dem auszug der schwarzen aus der knechtschaft der sklaverei verglichen, sondern beides steht für die rastas in einem unmittelbaren heilsgeschichtlichen zusammenhang. von daher ist es nicht verwunderlich, dass die homophophie wie sie gerade in alttestamentarischen gesetzes- und weisheitstexten vorkommt, ein grundsätzliches element ist. die homosexuelle lebensweise ist ein bestandteil der feindlichen kultur, die untergehen wird und die radikal abzulehnen ist. wer auf reggae abfährt, sollte das mal mitbedenken.
marcie: wer das mitbedenkt, der kriegt auch mit dem christlich erweckten bob dylan probleme, und mit U2 sowiso, und mit sinhead o'conner, die fußfällig beim papst vorsprach .... Also: BEDENKT DAS MIT!
Sascha B.: Etuxx - jetzt neu zum mitbedenken! Na klasse. Einst ging´s hier mal um Kritik. "Mitbedenken" kommt dagegen etwas pfaffenhaft daher. Nieder mit dem Kulturrelativismus! Amen.
onair: Denken, zumal Mitbedenken kommt wieder in Mode. Das habt ihr Schnarchnasen wohl verpennt... ;-) Mit Bob Dylan hatte ich allerdings schon Probleme, ohne an sich Naheliegendes zu bedenken. - Dass Kritik und Mitbedenken sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern im Gegenteil bedingen, muß ich wohl nicht sagen. Ich habs jetzt aber trotzdem getan. Und nun wieder zurück zum Thema...
Leo: Alles alttestamentarisch? Das ist etwas oberflächlich gedacht. Das erwähnte Gesetz ("Offences of the Person Act") ist von 1864 und wurde damals 1:1 von der damaligen Kolonialmacht England übernommen. Aber Jamaica hatte noch keinen Oscar Wilde. Ob das bei der Entscheidung über das Asylersuchen eine Rolle gespielt hat? - T.O.K. sind übrigens mal in der Motzstr. aufgetreten: siehe 2002-06-12
QUELLE : Es ist die Hölle, schwul zu sein in Jamaika.
schwul zu sein in Jamaika.
Robert M. frei nach "Jamaican gays flee to save their lives" von Tony Thompson, The Observer vom 20.10.2002
David ist 26. Jede seiner Narben erzählt eine andere grauenhafte Geschichte: eine Narbe am Hals von dem Versuch einer Gang, ihm die Kehle zu zerschneiden, Narben am Arm, der ihm mehrmals gebrochen wurde, Narben am Handgelenk von einem Versuch, ihm die rechte Hand mit einer Machete abzuhacken, Male an seinen Füssen, ein durchlöchertes Trommelfell und unendliche seelische Narben. Und alles, weil er schwul ist.
Für viele jamaikanische Männer ist die Anschuldigung, schwul zu sein, die grösstmögliche Beleidigung. Dementsprechend wurden bei der letzten Wahlkampagne gegen alle politischen Führer entsprechende Vorwürfe von der Gegenseite erhoben.
In Jamaika ist homosexueller Geschlechtsverkehr ein Verbrechen. Analverkehr wird mit bis zu 10 Jahren Gefangenschaft mit harter Arbeit bestraft. Treffen kann das jeden, denn definiert wird das von jedem Polizisten selbst. So mancher landete in der Vergangenheit schon im Gefängnis für Händchenhalten, beschuldigt wegen grob unsittlichen Verhaltens. Wer 'batty boy' oder 'chi chi man' genannt wird, muss mit dem Schlimmsten rechnen.
Nachdem David einmal in einer Cruisinggegend ein Messer in den Rücken gestochen worden war, weigerte sich die Taxifahrer, "the faggot" ins Krankenhaus zu transportieren.
Eine der einflussreichsten Radiotalkshows des Landes hetzte kürzlich: "Sie möchten unsere Kinder verderben und ihnen erklären, ist sei o.k., unmoralisch und eklig zu leben". Jamaikas Präsident P.J. Patterson setzte letztes Jahr den Ausschluss von Schwulen bei den Pfadfindern durch und erklärte weiterhin, mit seiner Regierung werde es die von "Amnesty International vorangetriebene Legalisierung von Homosexualität" jedenfalls nicht geben. 1997 versuchten Kingstoner Gefängnisbehörden, Kondome an die Insassen zu verteilen. Der Versuch endete in einer Gefängnisrevolte, bei der 16 angebliche Schwule ermordet und 40 weitere ebenfalls angebliche Schwule verletzt wurden.
David berichtete über jamaikanische Gefängnisse: Er wurde "des Analverkehrs verdächtigt". Der Polizist stiess ihn in eine Gemeinschaftszelle mit 15 anderen Gefangenen mit den Worten: "Geh rein ‚batty boy" Innerhalb von Sekunden wurde David bewusstlos geschlagen, verlor für immer sein Gehör auf einem Ohr.
Letzte Woche bekam David in Großbritannien Asyl aufgrund der britischen Einsicht, dass Homophobie in Jamaika eine "Bedrohung" für Leib und Leben darstelle.
Übrigens feiert jamaikanische Musik häufig das Schlagen und die Tötung von Schwulen. Anfang der 90er schaffte Buju Banton es mit 'Boom Bye Bye' ganz nach oben in die Verkaufscharts, unter anderem mit den Zeilen: 'Batty boy get up and run ah gunshot in ah head man'. Im März 2001 war T.O.K. acht Wochen lang die Nummer 1 der World Reggae Charts mit "Chi Chi Man". Die Jamaican Labour Party machte den Reggae-Song mit den brennenden Schwulen im Refrain zur Wahlhymne.
Am Rande: Die einschlägige Musikpresse beschwichtigt kritische Reggae-Hörerinnen gerne damit, die Homophobie in den Reggae-Texten sei doch nicht SO gemeint und im Grunde genommen eigentlich nicht ernster zu nehmen als die Gewalt in einem Bond- oder Van-Damme-Film.
Sascha B.: Die Homophobie in Jamaica ist leider nicht vom Rastafari-Movement zu trennen. Im Gegenteil sogar: Die wesentlichen Musiker der Insel, die uns so einflussreiche Stile beschert haben wie Ska, Reggae, Dub, Dancehall... hatten und haben als bekennendende Rastas einen wesentlchen Anteil am "queer bashing". Minderheiten, die es offenbar nötig haben, Minderheiten zu verfolgen, verhalten sich leider nicht rücksichtsvoller als Mehrheiten, die dies tun. Mutig und klasse ist aber das Engagement des Jamaica Gleaner
Falls doch mal einer dahin will: (sven)- Die Schweizer Menschenrechtsgruppe ADHOC Group for Human Rights widmet sich der Verbesserung der Menschenrechtslage auf Jamaika und hat auch einen Tourismusführer in Vorbereitung, der klassische Ferienziele nach Kriterien der Menschlichkeit und Toleranz beurteilen wird. ADHOC ist auch bereit, die wenigen Lokale und Hotels anzugeben, wo Schwule und Lesben auf Jamaika willkommen sind, falls verlässliche Angaben vorhanden sind. www.adhoc-group.org
onair: die rastafari-bewegung hat ihre ursprünge in alttestamentarischen befreiungsvisonen. der exodus der israeliten aus der knechtschaft ägyptens wird nicht nur mit dem auszug der schwarzen aus der knechtschaft der sklaverei verglichen, sondern beides steht für die rastas in einem unmittelbaren heilsgeschichtlichen zusammenhang. von daher ist es nicht verwunderlich, dass die homophophie wie sie gerade in alttestamentarischen gesetzes- und weisheitstexten vorkommt, ein grundsätzliches element ist. die homosexuelle lebensweise ist ein bestandteil der feindlichen kultur, die untergehen wird und die radikal abzulehnen ist. wer auf reggae abfährt, sollte das mal mitbedenken.
marcie: wer das mitbedenkt, der kriegt auch mit dem christlich erweckten bob dylan probleme, und mit U2 sowiso, und mit sinhead o'conner, die fußfällig beim papst vorsprach .... Also: BEDENKT DAS MIT!
Sascha B.: Etuxx - jetzt neu zum mitbedenken! Na klasse. Einst ging´s hier mal um Kritik. "Mitbedenken" kommt dagegen etwas pfaffenhaft daher. Nieder mit dem Kulturrelativismus! Amen.
onair: Denken, zumal Mitbedenken kommt wieder in Mode. Das habt ihr Schnarchnasen wohl verpennt... ;-) Mit Bob Dylan hatte ich allerdings schon Probleme, ohne an sich Naheliegendes zu bedenken. - Dass Kritik und Mitbedenken sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern im Gegenteil bedingen, muß ich wohl nicht sagen. Ich habs jetzt aber trotzdem getan. Und nun wieder zurück zum Thema...
Leo: Alles alttestamentarisch? Das ist etwas oberflächlich gedacht. Das erwähnte Gesetz ("Offences of the Person Act") ist von 1864 und wurde damals 1:1 von der damaligen Kolonialmacht England übernommen. Aber Jamaica hatte noch keinen Oscar Wilde. Ob das bei der Entscheidung über das Asylersuchen eine Rolle gespielt hat? - T.O.K. sind übrigens mal in der Motzstr. aufgetreten: siehe 2002-06-12
QUELLE : Es ist die Hölle, schwul zu sein in Jamaika.
Jamaika
Jagd auf Schwule
Sendung vom 06.05.2007 (SWR)
Jamaika
Jagd auf Schwule
Kirk Lester wurde Mitte April in seinem Haus erstochen. Noch am frischen Grab verspotten ihn die Totengräber: "Das war doch ein Schwuler, eine Schwuchtel." "Wir haben kein Problem damit, Mörder und Diebe zu beerdigen", sagt der Totengräber Dave Mc Pharlin. "Aber Homos haben in Jamaika kein Mitleid verdient. Für sie gibt es nur eins: Den Tod."
Amen Campell, Pastor einer protestantischen Gemeinde im Westen Jamaikas, betet für den Ermordeten. Auch wenn die Kirche Homosexualität als schwere Sünde geißelt, wollte er Kirk Lester die letzte Ehre nicht verweigern. Doch ein Mob stürmte das Gotteshaus. "Draußen peitschten Schüsse – überall. Sie warfen Steine durch die Fenster in die Kirche. Und schließlich wurde es die schnellste Fahrt mit einem Leichenwagen, die ein Toter jemals mitmachen mußte. Ich hatte Angst, rannte, um der Menge zu entkommen. Und die Männer vom Bestattungsdienst fuhren wie um ihr Leben."
Kingston – die Hauptstadt Jamaikas. Noch am frühen Morgen ist Party. Jeden Tag. Aber Alltag ist auch die Gewalt. Durchschnittlich vier Menschen werden täglich auf der Insel umgebracht. Das hat mit Armut und starker sozialer Ungleichheit zu tun. Die allseits spürbare Aggressivität sucht sich Opfer, richtet sich häufig gegen Homosexuelle. Der DJ schreit ins Publikum: "Wenn ihr jemand seht, der sich mit einer Schwuchtel einlässt, bringt beide um". Plötzlich wird nicht mehr nur getanzt – es wird demonstrativ öffentlich kopuliert. Der Macho zelebriert seine Potenz,. Die Frauen machen bereitwillig mit. Tanz als Gewaltersatz: Doch dabei bleibt es häufig nicht.
Tony will ihr Gesicht nicht zeigen. Sie ist Lesbe: ihre Stirn voller Narben. "Wenn jemand nur vermutet, dass du lesbisch bist, beschimpft er dich: 'Hey - Sodomist – du verdienst den Tod.' Einmal schlug mich jemand von hinten. Ich spürte, wie das Blut an mir herunter lief. Dann haute er mir mit einem Gegenstand ins Gesicht, mein Kiefer brach, an meiner Stirn blieben tiefe Wunden."
Garreth ist Leiter einer Schwulen- und Lesbenorganisation. Auch er will anonym bleiben. "Es gibt viele Gründe für die Homophobie: Jamaika ist ein religiöses Land. Die Menschen glauben, dass Homosexualität unchristlich sei. Viele Pastoren schüren den Haß gegen uns. Und die politischen Parteien verstärken noch die Vorurteile. Bisweilen spielen sie sogar offizielle Wahlkampflieder mit extrem schwulenfeindlichen Texten." Fast alle bekannten Musikstars Jamaikas haben Anti-Schwulenlieder in ihrem Repertoir: "Siehst Du Homos in einem Homo- Auto – brennt sie nieder!" singt die Gruppe T.O.K. "Siehst Du Homos in einer Homo-Bar – fackelt sie ab!" Und Zuhörer bilden in Gangster-Manier mir ihren Fingern eine Pistole nach, so als würden sie gleich schießen.
Seit einigen Jahren dürfen viele dieser sogenannten Haßsongs nicht mehr in Europa aufgeführt werden. Für den Musikpromoter Dennis Howard weniger ein moralisches, denn ein Marktproblem. "Wenn die Künstler am eigenen Geldbeutel spüren, dass diese Musik nicht erwünscht ist, lassen sie es. Das ist in Europa so – aber hier in Jamaika ist es anders. Hier verlangt das Publikum diese Lieder – und so werden sie gesungen. Wer auf einer Bühne kann denn schon 10 000 Menschen widerstehen, von denen du weißt, dass sie dir auf deine bösen Texte mit Brüllen und Zustimmung antworten werden. Also rufst du in die Menge: 'Killt diese schwulen Schweine’ - ‚Setzt sie in Brand'." Aber die Texte seien nicht wörtlich zu nehmen. Die Gründe, warum Homosexuelle umgebracht würden, lägen in Wahrheit ganz woanders: "Aus meiner Erfahrung weiß ich: Die meisten Homosexuellen in Jamaika werden brutal niedergemetzelt von - eben Homosexuellen."
Jamaika ist nicht das Land von Love and Peace. Für sexuelle Minderheiten ist die Insel die Hölle. Bis zu 15 Jahren Haft drohen für einfaches Händchenhalten. Homosexualität ist illegal. Politik und Kirchen behaupten, es gehe darum, urchristliche Werte zu verteidigen. Vor allem die Anhänger der Rastafari-Religion sehen Homosexualität als Hinterlassenschaft des weißen Mannes. Mit ihm sei das Böse auf die Insel gekommen und dies gelte es auszumerzen. Und doch bleibt es schwer fassbar, wie es immer wieder zu solchen Mobszenen kommt, wie Anfang April in Kingston. Eine Menge will in einem Supermarkt zwei Männer offensichtlich lynchen. Garreth war zufällig am Ort und mobilisierte zusammen mit Menschenrechtsgruppen die Polizei. Widerwillig führte diese Garreth, der sein Gesicht verdeckte und die beiden anderen, zum Fluchtauto. "Dieser Offiziere schlug mich dann im Revier zusammen", erzählt Garreth von der Menschenrechtsorganisation J-Flag. "Ich hatte Angst, mir könnte das gleiche passieren, wie Victor, vor 2 Jahren, in Montego Bay. Er wurde von der Polizei verhaftet, weil er schwul war. Ein Mob verlangte seine Herausgabe. Ich war nur 80 Meter entfernt, konnte aber nicht eingreifen. Schließlich händigte die Polizei Victor aus. Dieser wurde durch die Straßen gejagt, verprügelt und wenig später erstochen."
Mit einer Vertretrein von Amnesty International geht Garreth zur Polizei, um Anzeige zu erstatten. Hoffnung, dass etwas geschieht, hat er kaum. Auch wir hatten Interviews für die ARD beantragt – mit den Sicherheitsbehörden, mit Ministern und Parteiführern. Alle lehnten ab. "Eine so gewaltbereite Gesellschaft wie Jamaika braucht Opfer. Jemand an dem man gefahrlos die eigene Gewalt ausleben kann", erklärt Maria Carla Gullotta von Amnesty International. "Und Homosexuelle sind leichte Opfer. Sie werden in die Illegalität gezwungen, sind rechtlos und ihnen wird jede Würde abgesprochen." Und Garreth ergänzt: "Wir brauchen dringend einen Wechsel zur mehr Menschlichkeit. Doch das einzige, was helfen kann, ist massiver Druck von außen. Uns hören sie hier einfach nicht zu.In Jamaika leben wir wie hinter Gittern."
Autor: Stefan Rocker / ARD Mexiko City
Hier gibs ein Video darüber :
rtsp://real.swr.de/swr/das-erste/wel...507_jamaika.rm
QUELLE : ARD.de (Weltspiegel)
Jamaika
Jagd auf Schwule
Kirk Lester wurde Mitte April in seinem Haus erstochen. Noch am frischen Grab verspotten ihn die Totengräber: "Das war doch ein Schwuler, eine Schwuchtel." "Wir haben kein Problem damit, Mörder und Diebe zu beerdigen", sagt der Totengräber Dave Mc Pharlin. "Aber Homos haben in Jamaika kein Mitleid verdient. Für sie gibt es nur eins: Den Tod."
Amen Campell, Pastor einer protestantischen Gemeinde im Westen Jamaikas, betet für den Ermordeten. Auch wenn die Kirche Homosexualität als schwere Sünde geißelt, wollte er Kirk Lester die letzte Ehre nicht verweigern. Doch ein Mob stürmte das Gotteshaus. "Draußen peitschten Schüsse – überall. Sie warfen Steine durch die Fenster in die Kirche. Und schließlich wurde es die schnellste Fahrt mit einem Leichenwagen, die ein Toter jemals mitmachen mußte. Ich hatte Angst, rannte, um der Menge zu entkommen. Und die Männer vom Bestattungsdienst fuhren wie um ihr Leben."
Kingston – die Hauptstadt Jamaikas. Noch am frühen Morgen ist Party. Jeden Tag. Aber Alltag ist auch die Gewalt. Durchschnittlich vier Menschen werden täglich auf der Insel umgebracht. Das hat mit Armut und starker sozialer Ungleichheit zu tun. Die allseits spürbare Aggressivität sucht sich Opfer, richtet sich häufig gegen Homosexuelle. Der DJ schreit ins Publikum: "Wenn ihr jemand seht, der sich mit einer Schwuchtel einlässt, bringt beide um". Plötzlich wird nicht mehr nur getanzt – es wird demonstrativ öffentlich kopuliert. Der Macho zelebriert seine Potenz,. Die Frauen machen bereitwillig mit. Tanz als Gewaltersatz: Doch dabei bleibt es häufig nicht.
Tony will ihr Gesicht nicht zeigen. Sie ist Lesbe: ihre Stirn voller Narben. "Wenn jemand nur vermutet, dass du lesbisch bist, beschimpft er dich: 'Hey - Sodomist – du verdienst den Tod.' Einmal schlug mich jemand von hinten. Ich spürte, wie das Blut an mir herunter lief. Dann haute er mir mit einem Gegenstand ins Gesicht, mein Kiefer brach, an meiner Stirn blieben tiefe Wunden."
Garreth ist Leiter einer Schwulen- und Lesbenorganisation. Auch er will anonym bleiben. "Es gibt viele Gründe für die Homophobie: Jamaika ist ein religiöses Land. Die Menschen glauben, dass Homosexualität unchristlich sei. Viele Pastoren schüren den Haß gegen uns. Und die politischen Parteien verstärken noch die Vorurteile. Bisweilen spielen sie sogar offizielle Wahlkampflieder mit extrem schwulenfeindlichen Texten." Fast alle bekannten Musikstars Jamaikas haben Anti-Schwulenlieder in ihrem Repertoir: "Siehst Du Homos in einem Homo- Auto – brennt sie nieder!" singt die Gruppe T.O.K. "Siehst Du Homos in einer Homo-Bar – fackelt sie ab!" Und Zuhörer bilden in Gangster-Manier mir ihren Fingern eine Pistole nach, so als würden sie gleich schießen.
Seit einigen Jahren dürfen viele dieser sogenannten Haßsongs nicht mehr in Europa aufgeführt werden. Für den Musikpromoter Dennis Howard weniger ein moralisches, denn ein Marktproblem. "Wenn die Künstler am eigenen Geldbeutel spüren, dass diese Musik nicht erwünscht ist, lassen sie es. Das ist in Europa so – aber hier in Jamaika ist es anders. Hier verlangt das Publikum diese Lieder – und so werden sie gesungen. Wer auf einer Bühne kann denn schon 10 000 Menschen widerstehen, von denen du weißt, dass sie dir auf deine bösen Texte mit Brüllen und Zustimmung antworten werden. Also rufst du in die Menge: 'Killt diese schwulen Schweine’ - ‚Setzt sie in Brand'." Aber die Texte seien nicht wörtlich zu nehmen. Die Gründe, warum Homosexuelle umgebracht würden, lägen in Wahrheit ganz woanders: "Aus meiner Erfahrung weiß ich: Die meisten Homosexuellen in Jamaika werden brutal niedergemetzelt von - eben Homosexuellen."
Jamaika ist nicht das Land von Love and Peace. Für sexuelle Minderheiten ist die Insel die Hölle. Bis zu 15 Jahren Haft drohen für einfaches Händchenhalten. Homosexualität ist illegal. Politik und Kirchen behaupten, es gehe darum, urchristliche Werte zu verteidigen. Vor allem die Anhänger der Rastafari-Religion sehen Homosexualität als Hinterlassenschaft des weißen Mannes. Mit ihm sei das Böse auf die Insel gekommen und dies gelte es auszumerzen. Und doch bleibt es schwer fassbar, wie es immer wieder zu solchen Mobszenen kommt, wie Anfang April in Kingston. Eine Menge will in einem Supermarkt zwei Männer offensichtlich lynchen. Garreth war zufällig am Ort und mobilisierte zusammen mit Menschenrechtsgruppen die Polizei. Widerwillig führte diese Garreth, der sein Gesicht verdeckte und die beiden anderen, zum Fluchtauto. "Dieser Offiziere schlug mich dann im Revier zusammen", erzählt Garreth von der Menschenrechtsorganisation J-Flag. "Ich hatte Angst, mir könnte das gleiche passieren, wie Victor, vor 2 Jahren, in Montego Bay. Er wurde von der Polizei verhaftet, weil er schwul war. Ein Mob verlangte seine Herausgabe. Ich war nur 80 Meter entfernt, konnte aber nicht eingreifen. Schließlich händigte die Polizei Victor aus. Dieser wurde durch die Straßen gejagt, verprügelt und wenig später erstochen."
Mit einer Vertretrein von Amnesty International geht Garreth zur Polizei, um Anzeige zu erstatten. Hoffnung, dass etwas geschieht, hat er kaum. Auch wir hatten Interviews für die ARD beantragt – mit den Sicherheitsbehörden, mit Ministern und Parteiführern. Alle lehnten ab. "Eine so gewaltbereite Gesellschaft wie Jamaika braucht Opfer. Jemand an dem man gefahrlos die eigene Gewalt ausleben kann", erklärt Maria Carla Gullotta von Amnesty International. "Und Homosexuelle sind leichte Opfer. Sie werden in die Illegalität gezwungen, sind rechtlos und ihnen wird jede Würde abgesprochen." Und Garreth ergänzt: "Wir brauchen dringend einen Wechsel zur mehr Menschlichkeit. Doch das einzige, was helfen kann, ist massiver Druck von außen. Uns hören sie hier einfach nicht zu.In Jamaika leben wir wie hinter Gittern."
Autor: Stefan Rocker / ARD Mexiko City
Hier gibs ein Video darüber :
rtsp://real.swr.de/swr/das-erste/wel...507_jamaika.rm
QUELLE : ARD.de (Weltspiegel)
Das hab ich nicht gewußt Jamika das land der liebe, der freiheit, des locker seins...
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