Gesundheitsreform
CSU nickt Kompromiss ab
Rund 17 Stunden nach dem Ende des Koalitionstreffens zur Gesundheitsreform hat auch die CSU der Einigung zugestimmt. Ein Parteisprecher teilte in München mit, das CSU-Präsidium habe sich einhellig hinter den Kompromiss gestellt. CSU-Chef Edmund Stoiber hatte in der Nacht zum Donnerstag nur unter Vorbehalt zugestimmt.
Bei einem siebenstündigen Treffen im Kanzleramt hatten sich die Spitzen der Koalition auf die geplante Gesundheitsreform geeinigt. Vereinbart wurde, das Kernstück der Reform, den Gesundheitsfonds, um ein halbes Jahr zu verschieben. Bei den Zusatzbeiträgen setzte sich die SPD mit ihrem Beharren auf die Begrenzung auf ein Prozent des Haushaltseinkommens durch. Krankenkassen, Opposition und SPD-Linke reagierten mit teils scharfer Kritik.
Vor einer endgültigen Zustimmung wollte die CSU den Kompromiss zunächst prüfen. CSU-Generalsekretär Markus Söder kombinierte die Begründung für die Verzögerung mit einer Attacke gegen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). "Vertrauen ist zwar gut, aber Kontrolle ist in jedem Fall besser", sagte Söder. Das gelte besonders für Texte der Gesundheitsministerin.
Bereits in der Nacht hatte Stoiber den Kompromiss untergeachtet seiner Vorbehalte als "guten Durchbruch" bezeichnet. Die CSU könne nun auch zustimmen, weil es keine massiven Ausfälle für die Kassen in den Ländern gebe. Bayern habe sich dabei auch als Anwalt der finanzstarken Bundesländer verstanden. Zudem bleibe die private Krankenversicherung als System erhalten.
Zufrieden äußerte sich Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU). Der Kompromiss sei sozial gerecht und tragfähig, sagte der frühere Gesundheitsminister. "Diese Reform ist für zehn Jahre." Zugleich werde der Anspruch erfüllt, "auch künftig eine hochwertige Versorgung der Menschen ohne Rücksicht auf das Alter und auf den Geldbeutel" zu sichern.
Krankenkassen kritisieren "satte Beitragssatzerhöhung"
Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen kritisierten die Einigung als "politischen Kompromiss zu Lasten der Versicherten und der Beitragszahler". Der Kompromiss werde zu einer radikalen Umgestaltung der gesetzlichen Krankenversicherung mit fatalen Wirkungen führen, betonten die Verbände in einer gemeinsamen Presseerklärung.
Der Gesundheitsfonds werde nicht dadurch besser, dass man ihn auf das Jahr 2009 verschiebe, heißt es. Diese Gesundheitsreform sei die erste Reform überhaupt, die mit einer "satten Beitragssatzerhöhung" an den Start gehe. Die Zusatzprämie belaste nicht nur die Versicherten, sondern habe auch fatale Auswirkungen im Wettbewerb der Kassen. Durch die Acht-Euro-Grenze werde die Überforderungsklausel ad absurdum geführt. Versicherte mit besonders geringen Einkommen (unter 800 Euro) müssten höhere Belastungen tragen.
"Auf Zusatzbeiträge verzichten"
Gesundheitsministerin Schmidt forderte die Kassen auf, keine Zusatzprämien zu erheben. "Es gibt keinen Zwang, Zusatzbeiträge zu machen", sagte Schmidt. Schon um eine Abwanderung der Patienten zu günstigeren Kassen zu vermeiden, seien die Kassen aus eigenem Interesse zu sparsamem Wirtschaften und einer Vermeidung der Prämie angehalten. Ähnlich hatte sich zuvor bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel geäußert.
Kritik der Opposition
Aus einer anderen Perspektive griff FDP-Partei- und Fraktionschef Guido Westerwelle die Einigung an: "Nicht die Verschiebung, sondern die Beerdigung dieses planwirtschaftlichen Gesundheitsfonds ist notwendig". Der FDP-Gesundheitspolitiker Daniel Bahr sprach von einer "sozialistischen Umverteilungsmaschinerie".
Grünen-Chef Reinhard Bütikofer nannte die Einigung eine "Verhohnepiepelung" der Wähler. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hält die Reform für gescheitert. Der Fonds sei tot, "zum geplanten Einführungszeitpunkt 2009 darf man davon ausgehen, dass es die große Koalition sehr wahrscheinlich nicht mehr geben wird".
Die Linkspartei/PDS warf den Sozialdemokraten vor, die paritätische Finanzierung des Gesundheitswesens aufzugeben. Die SPD habe ihr Wahlversprechen einer Bürgerversicherung zu Grabe getragen und den Einstieg in die Kopfpauschale zugelassen, sagte Linksfraktionschef Gregor Gysi.
Kritik von SPD-Linken
Nach Ansicht von Juso-Chef Björn Böhning hat sich die SPD-Spitze bei der Gesundheitsreform von der Union über den Tisch ziehen lassen. Das ausgehandelte Ergebnis sei ein "fauler Kompromiss", kritisierte der Bundestagsabgeordnete. Die Einbeziehung der privaten Krankenkassen in den Wettbewerb sei gescheitert. Statt mehr Bürgerversicherung gebe es immer mehr Kopfpauschale. "Das sind herbe Verluste für die SPD", sagte Böhning.
Merkel sieht Weichenstellung
Die Kanzlerin dagegen lobte den Kompromiss als "Weichenstellung hin zu einer neuen Gesundheitsversicherung". Bei n-tv sagte Merkel: "Der Bürger wird sicher sein können, dass er in Zukunft auch die medizinischen Leistungen bekommt - egal, wo er in Deutschland wohnt, egal, wie viel er verdient - und am medizinischen Fortschritt auch teilhaben kann." Ab 2009 könne der Bürger über seine Kasse erfahren, "ob er von der Kasse etwas wiederbekommt, ob er etwas dazuzahlen muss. Damit kann er besser wählen, welche Kasse er sich aussucht, von welcher Kasse er überzeugt ist."
Beck "unter dem Strich zufrieden"
SPD-Chef Kurt Beck sagte, aus seiner Sicht sei das "ein guter Kompromiss". Das Solidarsystem werde erhalten, "das ist nicht aufgeweicht worden". Er stehe "voll und ganz" hinter der Einigung. "Wir haben die kleinen Leuten vor Überlastung geschützt. Unter dem Strich bin ich zufrieden."
CSU nickt Kompromiss ab
Rund 17 Stunden nach dem Ende des Koalitionstreffens zur Gesundheitsreform hat auch die CSU der Einigung zugestimmt. Ein Parteisprecher teilte in München mit, das CSU-Präsidium habe sich einhellig hinter den Kompromiss gestellt. CSU-Chef Edmund Stoiber hatte in der Nacht zum Donnerstag nur unter Vorbehalt zugestimmt.
Bei einem siebenstündigen Treffen im Kanzleramt hatten sich die Spitzen der Koalition auf die geplante Gesundheitsreform geeinigt. Vereinbart wurde, das Kernstück der Reform, den Gesundheitsfonds, um ein halbes Jahr zu verschieben. Bei den Zusatzbeiträgen setzte sich die SPD mit ihrem Beharren auf die Begrenzung auf ein Prozent des Haushaltseinkommens durch. Krankenkassen, Opposition und SPD-Linke reagierten mit teils scharfer Kritik.
Vor einer endgültigen Zustimmung wollte die CSU den Kompromiss zunächst prüfen. CSU-Generalsekretär Markus Söder kombinierte die Begründung für die Verzögerung mit einer Attacke gegen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). "Vertrauen ist zwar gut, aber Kontrolle ist in jedem Fall besser", sagte Söder. Das gelte besonders für Texte der Gesundheitsministerin.
Bereits in der Nacht hatte Stoiber den Kompromiss untergeachtet seiner Vorbehalte als "guten Durchbruch" bezeichnet. Die CSU könne nun auch zustimmen, weil es keine massiven Ausfälle für die Kassen in den Ländern gebe. Bayern habe sich dabei auch als Anwalt der finanzstarken Bundesländer verstanden. Zudem bleibe die private Krankenversicherung als System erhalten.
Zufrieden äußerte sich Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU). Der Kompromiss sei sozial gerecht und tragfähig, sagte der frühere Gesundheitsminister. "Diese Reform ist für zehn Jahre." Zugleich werde der Anspruch erfüllt, "auch künftig eine hochwertige Versorgung der Menschen ohne Rücksicht auf das Alter und auf den Geldbeutel" zu sichern.
Krankenkassen kritisieren "satte Beitragssatzerhöhung"
Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen kritisierten die Einigung als "politischen Kompromiss zu Lasten der Versicherten und der Beitragszahler". Der Kompromiss werde zu einer radikalen Umgestaltung der gesetzlichen Krankenversicherung mit fatalen Wirkungen führen, betonten die Verbände in einer gemeinsamen Presseerklärung.
Der Gesundheitsfonds werde nicht dadurch besser, dass man ihn auf das Jahr 2009 verschiebe, heißt es. Diese Gesundheitsreform sei die erste Reform überhaupt, die mit einer "satten Beitragssatzerhöhung" an den Start gehe. Die Zusatzprämie belaste nicht nur die Versicherten, sondern habe auch fatale Auswirkungen im Wettbewerb der Kassen. Durch die Acht-Euro-Grenze werde die Überforderungsklausel ad absurdum geführt. Versicherte mit besonders geringen Einkommen (unter 800 Euro) müssten höhere Belastungen tragen.
"Auf Zusatzbeiträge verzichten"
Gesundheitsministerin Schmidt forderte die Kassen auf, keine Zusatzprämien zu erheben. "Es gibt keinen Zwang, Zusatzbeiträge zu machen", sagte Schmidt. Schon um eine Abwanderung der Patienten zu günstigeren Kassen zu vermeiden, seien die Kassen aus eigenem Interesse zu sparsamem Wirtschaften und einer Vermeidung der Prämie angehalten. Ähnlich hatte sich zuvor bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel geäußert.
Kritik der Opposition
Aus einer anderen Perspektive griff FDP-Partei- und Fraktionschef Guido Westerwelle die Einigung an: "Nicht die Verschiebung, sondern die Beerdigung dieses planwirtschaftlichen Gesundheitsfonds ist notwendig". Der FDP-Gesundheitspolitiker Daniel Bahr sprach von einer "sozialistischen Umverteilungsmaschinerie".
Grünen-Chef Reinhard Bütikofer nannte die Einigung eine "Verhohnepiepelung" der Wähler. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hält die Reform für gescheitert. Der Fonds sei tot, "zum geplanten Einführungszeitpunkt 2009 darf man davon ausgehen, dass es die große Koalition sehr wahrscheinlich nicht mehr geben wird".
Die Linkspartei/PDS warf den Sozialdemokraten vor, die paritätische Finanzierung des Gesundheitswesens aufzugeben. Die SPD habe ihr Wahlversprechen einer Bürgerversicherung zu Grabe getragen und den Einstieg in die Kopfpauschale zugelassen, sagte Linksfraktionschef Gregor Gysi.
Kritik von SPD-Linken
Nach Ansicht von Juso-Chef Björn Böhning hat sich die SPD-Spitze bei der Gesundheitsreform von der Union über den Tisch ziehen lassen. Das ausgehandelte Ergebnis sei ein "fauler Kompromiss", kritisierte der Bundestagsabgeordnete. Die Einbeziehung der privaten Krankenkassen in den Wettbewerb sei gescheitert. Statt mehr Bürgerversicherung gebe es immer mehr Kopfpauschale. "Das sind herbe Verluste für die SPD", sagte Böhning.
Merkel sieht Weichenstellung
Die Kanzlerin dagegen lobte den Kompromiss als "Weichenstellung hin zu einer neuen Gesundheitsversicherung". Bei n-tv sagte Merkel: "Der Bürger wird sicher sein können, dass er in Zukunft auch die medizinischen Leistungen bekommt - egal, wo er in Deutschland wohnt, egal, wie viel er verdient - und am medizinischen Fortschritt auch teilhaben kann." Ab 2009 könne der Bürger über seine Kasse erfahren, "ob er von der Kasse etwas wiederbekommt, ob er etwas dazuzahlen muss. Damit kann er besser wählen, welche Kasse er sich aussucht, von welcher Kasse er überzeugt ist."
Beck "unter dem Strich zufrieden"
SPD-Chef Kurt Beck sagte, aus seiner Sicht sei das "ein guter Kompromiss". Das Solidarsystem werde erhalten, "das ist nicht aufgeweicht worden". Er stehe "voll und ganz" hinter der Einigung. "Wir haben die kleinen Leuten vor Überlastung geschützt. Unter dem Strich bin ich zufrieden."
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