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Schuldfrage im 1. Weltkrieg

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  • endar
    antwortet
    "Frankreich war nicht wirklich an diesem Krieg interessiert, da sogar den Franzosen klar war, dass sie militärisch unterlegen waren. Sicher wollte man Elsass-Lothringen zurück, aber ein Krieg wie er in diesem Falle zustandekam war nicht im Sinne der Franzosen. Immerhin trug man ihn in Frankreich aus, nicht in Deutschland. Die Russen waren auch nicht so sehr an einem Krieg mit Deutschland interessiert, die innenpolitischen Spannungen wurden durch den Weltkrieg ja noch verschärft, hat er die Bevölkerung doch noch mehr leiden lassen und somit den Revolutionären (die das DR unterstützte) geholfen."

    Hier zäumst die aber das Pferd von hinten auf. Man wusste doch im August 14 gar nicht, WO der Krieg ausgetragen werden würde, bzw. welche innenpolitischen Folgen er haben würde.

    "So war dem aber nicht. Einmal hat man ab 1920 regelmässig Konferenzen geführt in denen die Reparationsleistungen heruntergesetzt worden waren (Young-Plan, Dawes-Plan) und das man, hätte man Deutschland auslöschen wollen, das auch hätte tun können."

    Die Konferenzen resultierten natürlich aus der Einsicht heraus, dass der Vertrag in dieser Form nicht praktikabel ist. Und Frankreich konnte natürlich AUCH NICHT alles tun, was es wollte. Da gab es auch noch die Innenpolitik und Großbritannien, die irgendwelche Annektionen sicher gaar nicht lustig gefunden hätte.

    Endar

    NACHTRAG: 2 Gross geschriebene wichtige Wörtchen nachgetragen!
    Dafür ist die Farbe ja mal was gut!

    Zuletzt geändert von endar; 19.04.2001, 23:25.

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  • AsH
    antwortet
    Auch 1988 wären noch immer 4 Generationen, so einen Wahnsinn hatte es zuvor nie gegeben.

    Hier habe ich den Smiley vergessen, das war als Ironie gemeint, aber mangels Smiley nicht als solche erkennbar. Okay, mein Fehler.

    Frankreich wollte den Krieg, um die Niederlage von 70/71 zu rächen. England wollte den Krieg, um seine Stellung als Oberste Seemacht zu zementieren. Russland wollte den Krieg, um ihn als Ventil für die inneren Spannungen zu benutzen,

    Frankreich war nicht wirklich an diesem Krieg interessiert, da sogar den Franzosen klar war, dass sie militärisch unterlegen waren. Sicher wollte man Elsass-Lothringen zurück, aber ein Krieg wie er in diesem Falle zustandekam war nicht im Sinne der Franzosen. Immerhin trug man ihn in Frankreich aus, nicht in Deutschland. Die Russen waren auch nicht so sehr an einem Krieg mit Deutschland interessiert, die innenpolitischen Spannungen wurden durch den Weltkrieg ja noch verschärft, hat er die Bevölkerung doch noch mehr leiden lassen und somit den Revolutionären (die das DR unterstützte) geholfen. Und England hatte durchaus Angst um seine Vormachtstellung, hatte aber nicht vor diese durch einen Seekrieg zu sichern, immerhin hatte man sich zwar auf das Wettrüsten eingelassen, aber trotz mehrfacher Provokationen in Afrika, darunter der Krügerdepesche oder der Aufrüstung und der Daily Telegrapg Affäre nie einen offenen Schlagabtausch durchführte. Die Vorsicht allerdings war durch das plumpe Auftreten und die Äusserungen Wilhelms II. wohl verständlich.

    Den Krieg 70/71 haben die Franzosen angefangen, nicht die Preussen. Die haben höchstens die Franzosen verbal provoziert aber mehr auch NICHT.

    Ja, faktisch gesehen hat Bismarck nie einen Krieg angefangen, er war immer derjenige der in den Krieg gezwungen wurde. Sicher ist Frankreich auch nicht schuldlos an diesem Krieg, da man nach der Thronfolgergeschichte in Spanien einfach zu weit ging (Entschuldigung, dauerhafter Verzicht). Aber die "Emser Depesche" ist wohl mehr als verbal attackiert, da wurde ein Dokument sinnverfälschend verfremdet und zum Ultimatum umgebaut. Die Franzosen standen als Kriegstreiber da und reagierten, zugegebenermassen, so wie Bismarck das erwartet hatte. Dennoch, die Intention, dass Frankreich diesen Krieg beginnen sollte hatte Preußen...

    a) Ich vernichte den besiegten mit aller Konsequenz und zwar so, daß er sich nie wieder erholt.
    b) Ich versuche die allgemeine Kriegsmüdigkeit zu nutzen und biete dem Feind die Hand.


    So war dem aber nicht. Einmal hat man ab 1920 regelmässig Konferenzen geführt in denen die Reparationsleistungen heruntergesetzt worden waren (Young-Plan, Dawes-Plan) und das man, hätte man Deutschland auslöschen wollen, das auch hätte tun können. Die Franzosen haben oft genug ihr Interesse am Ruhrgebiet gezeigt. Das Ruhrgebiet aus dem Reichskörper herauszureissen hätte Deutschland ein für alle mal vernichtet. Und das man den VV als Teilfehler ansah, kann man an der Passivität gegenüber Hitlers Vertragsbrüchen ab '33 erkennen.

    es war auch kei Zufall das z.B. USA und Südafrika den Vertrag nicht ratifiziert

    Die ja auch beide nicht direkte Nachbarn des deutschen Reiches waren. Während England und Frankreich angeschlagen waren hatte der Krieg den USA einen wirtschaftlichen Aufschwung gebracht. England und Frankreich mussten dann auch noch besagte Schulden an die USA zurück zahlen und Südafrika war in dem Sinne wohl ganz unbeeindruckt von der Situation des deutschen Reiches.

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  • endar
    antwortet

    @direwolf: Bitte antworte nicht im "Quoten", da du dann selbst nicht mehr "gequotest" werden kannst. Streich doch dann das "Quote-Zeichen" ganz und setz es in Anführungsstriche oder so.

    In zwei Punkten gebe dir recht, einmal was die Kriegsgründe anbetrifft. Der Erste Weltkrieg war gewollt. Auf allen Seiten. Deswegen scheiterten auch die hektischen Diplomaten.

    Der VV war insofern mißlungen, da er tatsächlich das erreicht hat, was du beschreiben hast (über die Widersprüchlichkeiten in der Siegerkoalition habe ich mich ja schon ausgelassen).
    Dass Amerika nicht mehr mitgemacht hat, lag aber wohl eher an der aufziehenden "splendid isolation", also dem Unwillen, sich mit Aussenpolitik zu befassen, weniger am Inhalt. Ganz im Gegenteil, eine Zersplitterung Deutschlands in Partikularstaaten hätte den 14. Punkten Wilsons klar widersprochen und ob die Demütigung Deutschlands der Auslöser für den Rückzug war, bezweifle ich.

    "Den Krieg 70/71 haben die Franzosen angefangen, nicht die Preussen. Die haben höchstens die Franzosen verbal provoziert aber mehr auch NICHT."

    1870: Der Krieg war von Preussen gewollt und somit ist Preussen auch verantworlich. Dass Bismarck durch die Veröffentlichung der Emser Depesche Napoleon III. gereizt hat, und DER dann den Krieg begann, ist doch keine Entschuldigung.
    Das war doch schon bei den Römers so, wenn die mal erobern wollten, haben die das auch so gemacht...

    Ob nun "Vollidioten" in Versailles saßen, naja, das sehe jeder, wie er mag.
    Es waren halt völlig unterschiedliche Interessen, die sich durchzusetzen versuchten und die teilweise ihre Ziele erreichten, aber eben nur teilweise. Frankreichs Rachegelüste kann ich auf jeden Fall gut nachvollziehen (rein intellektuell).

    "Im WKI haben die Deutschen Truppen erst die Westgrenzen überschritten, als bereits die ersten Russen in Ostpreussen eingefallen waren"

    Die deutschen Truppen überschritten am 3./4. August, drei Tage nach der Mobilmachung die Grenze zu Belgien, das war doch auch überhaupt erst der Grund für die britische Kriegserklärung. Die Briten waren sich nämlich nicht sicher, ob sie mitmachen wollten.
    Ob die ersten Russen bereits am 2.8. in Ostpreussen einfielen, weiss ich gar nicht, glaube ich aber nicht.
    Wie sagt man auf star trekkisch so schön: "Ich checke das!"

    Mit Gruß
    Endar

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  • Direwolf
    antwortet
    Originalbeitrag von AsH
    Naja, wenn ich nicht irre hätten wir schon 1988 aufgehört Reparationen zu zahlen. Aber ich denke der Versailler Vertrag ist nicht als Dokument des Hasses gegen Deutschland zu verstehen.

    Auch 1988 wären noch immer 4 Generationen, so einen Wahnsinn hatte es zuvor nie gegeben.

    Die Kriegschuld ist sicher strittig, da eben die Donaumonarchie noch mit beteiligt war, beziehungsweise sehr interessiert daran war, ihre Stellung auf den Balkan auszubauen, dass dabei Reibereien mit Russland unumgänglich waren (wie sie schon 1875 auf der Berliner Konferenz offengelegt wurden) ist klar. Allerdings hat sich das deutsche Reich ganz klar hinter Österreich-Ungarn gestellt als die Situation eskalierte.

    Da läßt du aber ein paar Interessenten aus. Frankreich wollte den Krieg, um die Niederlage von 70/71 zu rächen. England wollte den Krieg, um seine Stellung als Oberste Seemacht zu zementieren. Russland wollte den Krieg, um ihn als Ventil für die inneren Spannungen zu benutzen, das gleiche gilt für die Türkei. Serbien wollte den Krieg, um sich Kroatien und Slowenien zu greifen. Japan wollte den Krieg, um sein Kolonialreich ausbauen zu können.

    Und seit 1905 lag der Schlieffenplan vor, der einen Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Russland vorsah.

    Der Schlieffenplan war eine Reaktion auf die russisch französische Entente, die im Falle eines Krieges mit Deutschland, den Bündnisfall erklärte und zwar unabhängig von der Verschuldensfrage. Somit war ein Zweifrontenkrieg sicher und alles andere als ein solcher Plan wäre Fahrlässigkeit des Generalstabes gewesen.

    Es ist also nicht so, dass Deutschland unschuldig in den Weltkrieg gerissen wurde, sondern man hatte Alternativen.

    Sicher war Deutschland nicht unschuldig, aber es war so das ALLE den Krieg wollten und gefördert haben, man versprach sich davon so eine Art reinigendes Gewitter

    Dann bleibt zu sehen, dass die Franzosen einfach Angst hatten, immerhin hatten sie binnen 50 Jahren zweimal mit deutschen Attacken zu kämpfen gehabt und die Elsass-Lothringen Geschichte war auch weiterhin ein Konfliktfall.

    Den Krieg 70/71 haben die Franzosen angefangen, nicht die Preussen. Die haben höchstens die Franzosen verbal provoziert aber mehr auch NICHT. Im WKI haben die Deutschen Truppen erst die Westgrenzen überschritten, als bereits die ersten Russen in Ostpreussen eingefallen waren

    Man wollte sich also gegen Deutschland absichern (wie es auch nach dem 2. WK war)... und dann muss man sehen, dass die USA zwar gut gegen den VV argumentieren konnten, aber weiterhin ihre Schulden bei den Briten und Franzosen einforderten. Und grade Frankreich war angeschlagen, man denke an die Kosten die der Stellungskrieg mit sich brachte. Und dieses Geld musste man sich woanders holen, eben beim deutschen Reich, das den Krieg verloren hatte.
    Das die Summen utopisch waren und die Forderungen zu radikal bleibt bestehen, man muss aber auch bedenken, dass der Versailler Vertrag nicht von absolut blinden Vollidioten gemacht wurde, sondern schon ein Sinn dahinter steckte.
    Der VV wurde sehr wohl von Vollidioten gemacht, die nicht erkannten, das es in so einer Situation nur 2 Optionen gibt.
    a) Ich vernichte den besiegten mit aller Konsequenz und zwar so, daß er sich nie wieder erholt.
    b) Ich versuche die allgemeine Kriegsmüdigkeit zu nutzen und biete dem Feind die Hand.
    Törricht ist es hingegen den viel stärkeren Nachbarn zu demütigen und waidwund liegen zu lassen, wie es der VV tat. Diese schwäche war vielen Teilnehmern an der Konferenz klar. Es gibt bezeichnende Aussagen hierzu z.B.von Loyd George und es war auch kei Zufall das z.B. USA und Südafrika den Vertrag nicht ratifiziert haben.

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  • AsH
    antwortet
    Gar nicht nötig... im Off-Topic gibt es einen wunderschönen "Nationalsozialismus damals und heute" Thread wo man über alles rund um Hitler und die neuen Nazis diskutieren kann. Dem würde ein biss'l frischer Wind nicht schaden, der ist nämlich so scheintot wie Adolf Hitler in Person.

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  • endar
    antwortet
    Originalbeitrag von Direwolf
    Oh man also eine so lange Antwort schreib ich nicht, obwohl da IMHO viel zu diskutieren wäre.

    Ich find du vergißt die Hauptwirkung des VV, nämlich die Erzeugung von Hass und zwar in einer Intensität wie er zuvor unbekannt war. Selbst die Soldaten im WKI sahen in ihrem Gegenüber oftmals nur Leute, die genauso tief inder ******* steckten wie sie selber, nach dem VV entstand blanker Hass. Dies ist durchaus verständlich wenn man mal bedenkt, das die Feststellung der Kriegsschuld eine Farce war und das wir alle hier nach dem VV noch Reparationen hätten zahlen sollen.
    Im Prinzip lief damals das gleiche ab wie heute in Israel und das dort immer verrücktere Führer hochkommen ist wohl nicht zu leugnen.
    Das ist schon richtig. In meinen Kriegsbriefen wird sogar Zigarettentausch und gemeinsames Weihnachten beschrieben. Sonderbar, sonderbar. Das liegt vielleicht daran, dass diejenigen, die den Vertrag aufsetzten, eben nicht diejenigen waren, die in den Schützengräben lagen.
    Endar

    P.S.: Viel zu diskutieren? Super, wir machen einen neuen Off-topic thread auf!!!

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  • AsH
    antwortet
    Naja, wenn ich nicht irre hätten wir schon 1988 aufgehört Reparationen zu zahlen. Aber ich denke der Versailler Vertrag ist nicht als Dokument des Hasses gegen Deutschland zu verstehen.
    Die Kriegschuld ist sicher strittig, da eben die Donaumonarchie noch mit beteiligt war, beziehungsweise sehr interessiert daran war, ihre Stellung auf den Balkan auszubauen, dass dabei Reibereien mit Russland unumgänglich waren (wie sie schon 1875 auf der Berliner Konferenz offengelegt wurden) ist klar. Allerdings hat sich das deutsche Reich ganz klar hinter Österreich-Ungarn gestellt als die Situation eskalierte. Und seit 1905 lag der Schlieffenplan vor, der einen Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Russland vorsah. Es ist also nicht so, dass Deutschland unschuldig in den Weltkrieg gerissen wurde, sondern man hatte Alternativen.

    Dann bleibt zu sehen, dass die Franzosen einfach Angst hatten, immerhin hatten sie binnen 50 Jahren zweimal mit deutschen Attacken zu kämpfen gehabt und die Elsass-Lothringen Geschichte war auch weiterhin ein Konfliktfall. Man wollte sich also gegen Deutschland absichern (wie es auch nach dem 2. WK war)... und dann muss man sehen, dass die USA zwar gut gegen den VV argumentieren konnten, aber weiterhin ihre Schulden bei den Briten und Franzosen einforderten. Und grade Frankreich war angeschlagen, man denke an die Kosten die der Stellungskrieg mit sich brachte. Und dieses Geld musste man sich woanders holen, eben beim deutschen Reich, das den Krieg verloren hatte.

    Das die Summen utopisch waren und die Forderungen zu radikal bleibt bestehen, man muss aber auch bedenken, dass der Versailler Vertrag nicht von absolut blinden Vollidioten gemacht wurde, sondern schon ein Sinn dahinter steckte.

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  • Direwolf
    antwortet
    Oh man also eine so lange Antwort schreib ich nicht, obwohl da IMHO viel zu diskutieren wäre.

    Ich find du vergißt die Hauptwirkung des VV, nämlich die Erzeugung von Hass und zwar in einer Intensität wie er zuvor unbekannt war. Selbst die Soldaten im WKI sahen in ihrem Gegenüber oftmals nur Leute, die genauso tief inder ******* steckten wie sie selber, nach dem VV entstand blanker Hass. Dies ist durchaus verständlich wenn man mal bedenkt, das die Feststellung der Kriegsschuld eine Farce war und das wir alle hier nach dem VV noch Reparationen hätten zahlen sollen.
    Im Prinzip lief damals das gleiche ab wie heute in Israel und das dort immer verrücktere Führer hochkommen ist wohl nicht zu leugnen.

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  • endar
    antwortet
    Originalbeitrag von Captain Proton

    Achja, vorneweg wegen dem 2.Wk noch was:
    1. der Versailler Vertrag hat die sozialen Umstände in Deutschland miserabel gemacht und dadurch die Demokratie(weil die Weimarer Republik das Vertrauen der Bevölkerung verlor) geschwächt.
    2. Erst dadurch hatte Hitler eine wirkliche Chance 1933 an die Macht zu kommen.
    3. Ab 1933 (Machtergreifung Hitler's) trifft nur Deutschland die alleinige Schuld am 2.WK, aber man darf nicht vergessen wie es dazu kam!
    Ich schreibe jetzt doch mal "etwas" mehr zum VV und den Ursachen für Hitlers Aufstieg:

    Der Versailler Vertrag stellte ein missglücktes Konglomerat aus Amerikas Bestrebung nach der Umsetzung der 14. Punkte Wilsons (Völkerrecht) und den Sicherheitsinteressen Frankreichs dar. Amerika zog sich bereits während der Verhandlungen unter den Siegermächten weitgehend zurück, so dass das in erster Linie noch der "balance of power" verhaftete Großbritannien und Frankreich die Federführung übernahmen. Frankreich wurde von dem Bestreben geleitet, die deutschen Bedrohung weitestgehend auszuschalten. Der Vertrag von Versailles stellte somit eine Mischung aus beiden Tendenzen dar. So wurde die Reichseinheit beibehalten, dennoch die Armee auf "Polizeiaufgaben" gestutzt, so dass sie gegen Polen oder die Tschechoslowakei keine Chance gehabt hätte.

    In der Zwischenkriegszeit wurde F aber mehr und mehr von Großbritannien an harten Maßnahmen gehindert, da in GB ab 1925 die "appeasement"-Politik an Boden gewann und die britische Politik die zahlreichen Mängel am Vertragswerk bemerkte, besonders nachdem die Rheinlandsbesetzung kläglich gescheitert war.
    Ironischerweise kam die Appeasement-Politik erst Hitler wirklich zugute. Sie war es auch, die ein Stoppen Hitlers nach dem offenen Bruch des Vertrages 1935 verhinderte (die sog. "Samstagsübrraschungen" Rheinlandsbesetzung und Wiedereinführung der Wehrpflicht).
    Eine konsequente Anwendung der Vertragsbedinungen, wie von der franzosischen Regierung gewollt, scheiterte am Einspruch GBs. Frankreich hätte jedes Recht gehabt, nach Berlin zu maschieren und Hitler in seine Schranken zu verweisen. Es scheute allerdings einen Alleingang, da es selbst in einer innenpolitischen Krise steckte.
    Der europäische "Krieg" hätte hier kaum zwei Wochen dauern können, da selbst das faschistische Italien Deutschland nicht zu Hilfe gekommen wäre. Die Achse Berlin-Rom entstand erst nach dem "Abessinien-Zwischenfall" 1936.

    Die direkte politische Krise Deutschlands nach 1919 hatte verschiedene Gründe. Nach dem Untergang des Kaiserreichs brachen soziale Konflikte auf, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg bestanden hatten, aber bislang unterdrückt wurden.
    Die Oberste Heeresleitung unter Hindenburg und Ludendorff schoben die Verantwortung für die militärische Niederlage einer Zivilregierung unter Max von Baden zu - Oktober 1918. Sie erhielt den Auftrag, Friedensverhandlungen zu führen. Die OHL und mit ihr die führenden Militärs entzogen sich ihrer Verantwortung, um dann später, so besonders Ludendorff, die "Dolchstosslegende" in die Welt zu setzen, nach der ein im Feld ungeschlagenes Heer durch "Vaterlandsverräter" und "Novemberverbrecher" von der Heimat her in die Niederlage getrieben worden sei.
    Die Revolution vom Nov. 1918, die später durch den SPD-Innenminister Noske "niedergeschossen" wurde, war der Anfangspunkt für zahlreiche deutsche Putsche und Räterepubliken. Die Not des Volkes nach dem Krieg war hausgemacht und kein Resultat des VV, den es zu diesem Zeitpunkt übrigens noch gar nicht gegeben hat.
    Die Rechte sprach ja auch von "Novemberverbrechern" und nicht von "Januarverbrechern", obwohl der VV im Januar 1919 unterzeichnet wurde, zwei Monate, nachdem die Monarchie gestürzt worden war.
    Ein anders gearteter Friedensvertrag hätte an dieser innerdeutschen Situation nichts geändert.
    Die rechten Legenden, die Hitler und andere immer wieder von sich gaben, fußten auf sachlichen Unrichtigkeiten, groben Verallgemeinerungen und Übertreibungen, die von der Niederlage und dem Versagen der Generäle ablenken sollten. Der politisch unsinnige Vertrag bot dafür zwar mehr als genügend Boden, aber die Propaganda scheint noch bis heute zu wirken (damit meine ich nicht dich, Captain Proton, das sage ich ganz allgemein).

    Die Inflation von 1923 wurde von Reichskanzler Wirth (wenn ich mich täusche, vielleicht war es auch Cuno) bewußt als politsches Mittel gegen die Reparationszahlungen eingesetzt, war also auch hausgemacht. Sie war politisch gewollt. Der Präsidialkanzler Brüning versuchte um 1931/32 übrigens ein ähnliches Programm.
    Die Instabilität der Weimarer Republik ist in Rückschau keine Reaktion auf den VV, sondern gründete auf dem Unwillen der Deutschen, die politische Realität zu fassen. Damit sind sowohl politische Führungsschichten, die Bürokratie und "Volksmeinung" gemeint. Da waren sich übrigens alle einig, auch die Kommunisten.
    Gehungert haben die Deutschen übrigens schon während des Krieges, nicht erst nach Januar 1919.

    Mein älterer Bekannter hat das sehr nett ausgedrückt. In Bezug auf den zweiten Weltkrieg im Vergleich auf das Ende des Ersten sagte er: "Wenn vorm Haus ein sowjetischer Panzer stand, blieb auch kein Platz für Legenden." DIES und nicht das Vertragswerk wurde von den rechtsnationalen Kräften ausgenutzt, wenn man vom "Schanddiktat" sprach.
    Die Selbst-Versenkung der deutschen Flotte von Scarpa Flow 1918 ist ein deutliches Zeichen für die Realitätsferne der Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg. Diese selbstzerstörische Politik des (beleidigten) Verlierers, der lieber heldenhaft in den Untergang marschiert, als positiv die Zukunft zu gestalten, zeigte sich zuerst bei Scarpa Flow, zog sich dann munter durch zahlreiche politische Entscheidungen, bis sich die Lage 1925 durch die Wahl Hindenburgs stabilisierte, da man nun eeendlich wieder einen Ersatzkaiser hatte.

    Die Weltwirtschaftskrise hingegen resultierte zu weiten Teilen aus dem System der kreislaufenden Reparationen. USA pumpte Geld nach D, D nach F und GB und GB und F zahlten ihre Schulden an die USA zurück.
    Das macht Hitler aber nicht zu einem "Produkt" vom VV: eingesetzt wurde er von Papen und von der Reichswehr gestützt bis er am 30.8.1934 durch das "Staatsoberhauptsgesetz" faktisch zum Dikator wurde.
    Er hätte auch hier noch gestoppt werden. Da jedoch die Reichswehr (wie ich schon laaangatmig ausgeführt habe) gemeinsame Ziele mit den Nationalsozialisten verfolgte kam es nicht dazu.
    Papens Beweggrund, Hitler einzusetzen, war übrigens nicht der Ausgang des Ersten Weltkrieges, sondern der Versuch, eine ständisch-faschistische Ordnung in Deutschland durchzusetzen, nachdem die politischen Möglichkeiten für die Installation einer Monarchie erschöpft hatten.
    Ab 1930 waren nämlich Wahlentscheidungen in Deutschland nicht mehr entscheidend für die Regierungsbildung, sondern allein der greise Feldmarschalls Hindenburgs als Reichspräsident, bzw. die Fehlkonstruktion in der Verfassung nach (mißverstandenem) amerikanischen Vorbild.
    Ab 1932 sank der Anteil der Stimmen für die Nazis kontinuierlich.

    Hitlers Aufstieg wurde möglich durch eine spezifische deutsche "unpolitische" Mentalität, die für die deutsche Politik bereits vor dem Krieg bestimmend war (vgl. Thomas Mann, Betrachtungen eines Unpolitischen, der auf rund 700 Seiten nocheinmal das Weltbild des kaisertreuen Deutschen zusammenfasste, um sich dann auf die Seite der Demokratie zu stellen und sie zu verteidigen, da er wohl irgendwann einen Blick für die Realität bekam).
    Die Ablehnung der Weimarer Republik hat ihre Ursache in der Kriegsniederlage und nicht in der Annahme des Versailler Vertrages. Die Weimarer Republik entstand aus der deutschen Niederlage, wurde sie doch ebenfalls am 9. November ausgerufen.
    Der Vertrag von Versailles, so wie er unterzeichnet wurde, spielt dabei in den Einzelheiten keine grosse Rolle. Die Tatsache, dass überhaupt einen Friedensvertrag gab, reichte aus, um die "Erfüllungspolitiker" abzulehnen. Ein intelligenter Frieden hätte wohl kaum die verbreitete deutsche Mentalität verändert.

    So, genug geklugscheissert...
    Das Thema ist mir nur sehr wichtig, deswegen nehme ich mir auch die Zeit und schreibe soviel.
    Endar

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  • endar
    antwortet
    Originalbeitrag von Direwolf
    Hitler hätte ohne Clemenceau und Poincare niemals die Macht erhalten können.
    Woher willst du das denn wissen? Damit negierst du doch schon wieder die Beweglichkeit von Geschichte.
    In einem Deutschland mit geringerer Gebietsabtretung und ohne den Zwang, die "Kriegsschuld" anzuerkennen, wäre Hitler unmöglich?? Oder in einem Deutschland mit intakter Armee?
    Das begünde mir mal.

    Gruß, Endar

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  • Direwolf
    antwortet
    Originalbeitrag von endar

    Man kann Hitler partiell sicher als Produkt des Weltkrieges betrachten (sowohl als Mensch, wie auch als Politiker), er ist aber deswegen nicht deren logische Konsequenz.
    Die Geschichte hätte auch ganz andere Wege gehen können. Ansätze hat es auch da genug gegeben.

    Gruß, Endar
    Ich stimme dir da voll zu, soziale Systeme sind immer chaotische Systeme, ich kann lediglich versuchen sie spieltheoretisch zu erfassen. Daher kann die Geschichte nicht über solche Zeiträume determiniert werden. Aber eins halte ich für sicher. Hitler hätte ohne Clemenceau und Poincare niemals die Macht erhalten können. Die Herren haben also eine große mitschuld am WK II, denn sie haben das soziale System Europas massiv in diese Richtung bewegt. Ein Adenauer oder ein Schuman hätten es wohl anders gemacht.

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  • endar
    antwortet
    Hallo.

    Ich habe ja oben schon einen längeren Absatz über die ideele Übereinstimmung zwischen Hitler und konservativer Elite in Deutschland geschrieben. Da gebe ich dir recht, alles auf Hitlers Wahn zurückzuführen führt nicht sehr weit, bzw. kratzt nur an der Oberfläche und ist recht bequem, weil man ja nix dazu konnte, war alles der Irre. Das hat aber hier glaub ich auch niemand behauptet.

    Ich habe ungefähr 200 Briefe von Studenten aus dem Ersten Weltkrieg gelesen, herausgegeben in einer national-konservativen Ausgabe von 1928.

    Was du sonst schreibst, ist auch ganz richtig.
    Deswegen ist aber der Weltkrieg ja aus wissenschaftlich-historischer Sicht nicht unklar. Das würde nämlich heissen, dass noch immer grosse Sachfragen ungeklärt seien. Teilbereiche, wie z.B. "Heimatfront" sind Bereiche, die erst neuerdings erforscht werden.

    Das Zitat, das du gibst, drückt ziemlich die Stimmung aus, die zahlreiche Allierte, besonders aus dem britischen Lager, angesichts des Vertrages fühlten.
    Ich habe allerdings eine instinktive Abneigung dagegen, die Geschichte von 1919 bis 1939 als vorprogrammiert zu sehen, d.h. schicksalshaft vorgeprägt nur durch die Niederlage von 1918.
    Man kann Hitler partiell sicher als Produkt des Weltkrieges betrachten (sowohl als Mensch, wie auch als Politiker), er ist aber deswegen nicht dessen logische Konsequenz.
    Die Geschichte hätte auch ganz andere Wege gehen können. Ansätze hat es auch da genug gegeben.

    Gruß, Endar
    Zuletzt geändert von endar; 17.04.2001, 15:55.

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  • Direwolf
    antwortet
    Also ich möchte hier ja keine historische Diskussion führen, daher nur zwei Punkte:
    a) Die verheizten Generationen. Die Männer, die aus dem WKI zurückkamen, waren psychische Krüppel. Nach unseren Maßstäben hätten die alle in Therapie gehört. Versuch dir mal vorzustellen wie der sog. Frieden von Versailles, auf Leute gewirkt haben muß, die 4 Jahre in der Hölle gewesen waren, deren Familien in der Heimat gehungert haben, die zum Großteil ihre Menschlichkeit verloren hatten. Lies mal in Stahlgewittern von ernst Jünger, da kriegt man echt mal einen Einblick in Gefühlswelt dieser Menschen, etwas was wir Heute gar nicht mehr verstehen können.
    b) Versailles. Es gibt da ein paar sehr schöne Zitate von David Loyd George, was er von diesem Vertrag hielt, die sind aber nicht Jugendfrei, daher spare ich es mir sie rauszusuchen. Ein anderes schönes Zitat stammt von Gen. Smuts (Stabschef der Südafrikanischen Truppen in Europa), der an seine Regierung schrieb: "Wenn wir diesen Vertrag unterzeichnen, müssen wir in 20 Jahren wieder in Europa kämpfen" (frei zitiert).
    Nur um eines klarzustellen, ich bestreite keineswegs das Deutschland den WKII begonnen hat, aber die auch an den Schulen oft gelehrte Darstellung, der Krieg sei nur auf Hitlers Wahn zurückzuführen halte ich für echten Schmonz, man muß sich vielmehr die Zeitnehmen den gesamten Zeitrahmen von 1900-1940 zu analysieren, aber das tue ich mir hier nicht an.

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  • endar
    antwortet
    Originalbeitrag von Direwolf
    Zur Historie des zweiten Weltkrieges. Das geht IMHO weit über die Kapazitäten dieses Forums, da sich über die Bedeutung von WKI und Versailles ja nicht mal die Historiker klar sind.
    ???
    Sicher gibt es verschiedene in Detailfragen verschiedene Forschungsmeinungen, wie es in jeder Geisteswissenschaft der Fall ist, aber ich würde doch gerne wissen, was denn "unklar" am Ersten Weltkrieg, bzw. dem Friedensschluss von Versailles sein soll?
    Ich denke, dass dieses Thema ausreichend erforscht wurde und es in den grundlegenden Fragen keinen Dissens unter Historikern gibt.
    Ich lasse meinen Horizont aber immer gern erweitern.

    Gruß, Endar
    Zuletzt geändert von endar; 17.04.2001, 15:26.

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  • Microborg
    antwortet
    Originalbeitrag von endar



    P.S. Der Kriegsbeginn war am 1.9.1939. Deutschland war aber nach dem "Anschluss" Österreichs im Mai 1938 und dem Münchener Abkommen im Sept. 1938 bereits grösser als 1914. Du bringst da was durcheinander oder hast dich vertippt.
    So spät am Abend darf man doch mal was vergessen
    Und bei der U-Boot Geschichte dachte ich mich tritt ein Pferd!
    Ebendfals gruß MB

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