Kann man uns für Verbrechen, die wir nicht begangen haben, verantwortlich machen? - SciFi-Forum

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Kann man uns für Verbrechen, die wir nicht begangen haben, verantwortlich machen?

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    #31
    Originalbeitrag von Captain Proton
    Anderes Beispiel: Bis 1987 war in Berlin-Spandau, dem Nazigefängniss schlecht hin der letzte von Nürnberg verurteilte Nazi in haft: Rudolf Heß.
    Er war der einzige Häftling in einem Gefängnis für Tausende - er war sterbeskrank, aber trotzdem haben die Sowjets ihn nicht gehen lassen. War das etwa richtig? Ich finde nicht!
    Ich denke hier ist es eine Frage der Relationen. Bedenken wir über wen wir hier reden. Wir reden nicht über einen "Mitläufer" wie etwa Albert Speer, oder einen begrenzt handelnden Mann wie etwa Erwin Rommel oder General Paulus.
    Wir reden hier immerhin über den Stellvertreter Adolf Hitlers. Einen Mann der für Tod von Millionen Menschen direkt verantwrtlich war. Und die Frage ist, ob welche Sinn Strafe hier haben soll. Rache oder Umerziehung. Kann man einen Mann wie Heß umerziehen kann. Fakt ist, dass wenn man die Protokolle liest, er wenig Einsicht in seine Taten zeigte. Fakt ist auch, dass wir hier nicht von einem kleinen Verbrechen reden. Nicht von normalem Mord... wir reden von einem Genozid. Das Nebenbei noch ein paar Länder in Ost und West invadiert wurden, scheint da schon nebensächlich. In diesem Sinne kann man seine Strafe (wobei ich die Haftbedingungen hier mal bewußt aussen vor lasse) wohl kaum mit der eines normalen Verbrechers vergleichen.

    Es ist alles eine Frage des Maßes - ob es richtig war eine 80 Jährigen zu verurteilen für etwas das er als 30 Jähriger getan hat? - Ich denke nein!
    Wenn der Mossad damals Mengele erwischt hätte, zu einer Zeit als der Krieg schon lange vorbei war. Hätte man ihn verurteilen sollen? Meiner Meinung nach schon. Aus einem einfachen Grund. Es geht hier nicht um Gerechtigkeit, die kann man in diesen Fällen nicht schaffen (wäre Hitler zum Tode verurteilt worden... wäre das ultimative Gerechtigkeit gewesen?) - ich denke hier geht es um zwei Dinge. Rache (denn das ist es einfach... die Rache der Überlebenden, die nuneinmal auch gestillt werden muss) und um ein Exempel. Egal wie sehr das Strafmaß unwichtig erscheint im Vergleich zur Tat. Hier geht es darum zu zeigen, dass man mit "soetwas" nicht davon kommen kann. Das soll den Tätern, aber noch mehr den Opfern gezeigt werden. Nehmen wir die Nürnberger Prozesse, die sicherlich auch "Opium fürs Volk" waren.

    Dieser Menschheit fehlt die Gabe der Vergebung - und wenn wir einem 80 Jährigen Greis nicht vergeben können
    Es sollte nicht auf das Alter ankommen, sondern auf das Verständnis des "Schuldigen" und auf das Ausmass seiner Taten. Einen 80jährigen wegen eines geklauten Brots vor Gericht zu stellen ist übertrieben. Aber wegen Mord sollte man ih vor Gericht stellen dürfen.
    Honecker war alt, Pinochet war alt, Stalin war nicht der jüngste. Macht sie das Alter zu besseren Menschen? Glaube ich nicht. Wenn Hitler heute gefunden würde und 80 wäre (ja, er wäre über 100 aber rein hypothetisch)... könnte man ihm vergeben? Müsste man ihm aufgrund des Alters vergeben? Kann man in dieser Größenordnung vergeben? Das glaube ich nicht...

    Lasst dem 80 Jährigen doch sein Zimmer im Altenheim, ich wette ihn plagen oft genug Albträume wegen dessen was er verbrochen hat.

    Das mag zynisch klingen, aber was macht dich da so sicher? Würde ein ideologisch Verirrter sich wirlich Gedanken machen, über das was damals geschah?
    Rein hypothetisch. Es gibt nur Super8 Aufnahmen, die nicht die Gedanken dieses Mannes wiedergeben, aber was meinst du: hatte Mengele einen Schuldkomplex?

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      #32
      Originalbeitrag von Ben Maxwell
      Hi Leutz!

      B
      Ich will da weiß-Gott-nicht die Medien für verantwortlich machen, aber: dieses Denken ist falsch! Wie lange sollen wir denn noch für etwas büssen, was wir nicht mal miterlebt haben?
      Hi Ben.

      Ich persönlich empfinde es nicht als "büßen", fühle mich auch nicht als stigmatisiert und werde meist auch ganz normal behandelt.
      Wer mich persönlich dafür verantwortlich machen will, wäre meiner Meinung ziemlich dumm.
      Wer mich auf die deutsche Geschichte anspricht, kann auch eine Antwort erhalten.
      Du hattest die Rede von Weizäcker zitiert? Ich hab der nix hinzuzufügen.
      Aber ich hab das oben ja schonmal gesagt.

      cheers, Endar
      Republicans hate ducklings!

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        #33
        @AsH
        @Cpt.Proton

        Jetzt mal schön der Reihe nach.
        Eigentlich wollte ich Buffy und Angel gucken und nicht übers Dritte Reich diskutieren, aber ich kann auch nicht aus meiner Haut. Naja.

        zu Heß:
        Was Heß anbetrifft, der übrigens 1941 nach England geflogen ist, um den Krieg zu beenden, also um einen westlichen Separatfrieden zu schliessen und nur deshalb der Todesstrafe entgangen ist und daher an den Programmen des Holocaust keine Anteil gehabt hat: Ich denke schon, dass er allein aus politischen Gründen so lange inhaftiert war.
        Andererseits war Heß am 30.6. 1934 massgeblich an einer reichsweiten Massenmordaktion, der rund 100 - 200 Personen zum Opfer gefallen sind, beteiligt.
        Gnade? Hhhm. Einzelhaft ist Folter, zumindest sehe ich das so. Glücklicherweise bin ich kein Richter und muss mir darüber nicht den Kopf zerbrechen.
        Ich denke, Heß hat nur im begrenztem Maße Millionen auf dem Gewissen, da er für die Kriegsplanungen irrelevant war.
        Speer war weitaus stärker in Kriegsverbrechen verwickelt - immerhin war er als Rüstungsminister ab 42 für die Zwangsarbeit verantwortlich. Des weiteren war er für die Räumung jüdischer Wohnungen in Berlin verantwortlich und, wie man anhand einer Himmlerrede nachvollziehen kann, über Art und Ausmaß des Holocaust informiert. Speer hat sich nach dem Krieg halt nur gut verkauft und einem "sauberen" Nationalsozialismus das Wort geredet "ja, wenn es Himmler nicht gegeben hätt"...,
        locker mal eben leugnend, dass Anitsemitismus und Weltkrieg die zentralen Fundamente des NS-Staates waren.

        Zwangsarbeit:
        Um das andere nochmal zu sagen: mir fiel gerade noch was ein (denk,denk,denk)...
        In einigen Interviews, die ich von ehemaligen Zwangsarbeitern gesehen habe, tauchte häufig das Wort "Würde" im Zusammenhang mit der Entschädigung auf.
        Das menschliche an den Zahlungen sehe ich nicht der Quantität, sondern in der Würde, die Zwangsarbeitern wiedergegeben werden kann. Ein kleiner Teil zumindest. Es geht mir nicht darum, das deutsche Volk "bluten" zu sehen, sondern für mich darum, Menschen, denen ihrer Würde aufs Extremste genommen war, ein Stück Würde zurückzugeben. Auch wenn es 60 Jahre gedauert hat.
        Wenn uns die Würde des Menschen nicht nur leere Phrase ist, so müssen wir uns auch an Taten messen lassen.
        Uns, wir, das ist das deutsche Volk als Ganzes. Der Einzelne, nach 45 geboren, ist natürlich nicht selbst verantwortlich, die Masse trägt meiner Meinung nach schon Verantwortung.
        Nebenbei: wir brechen uns doch keinen Zacken aus der Krone...

        An Proton:
        Du sagst, Zahlen zählen nicht?
        Natürlich zählen Zahlen!
        "Es ist alles eine Frage des Maßes - ob es richtig war einen 80 Jährigen zu verurteilen für etwas das er als 30 Jähriger getan hat? - Ich denke nein!"
        Hier verwendest du auch ein Zahlensystem. Deine Meinung sei dir unbenommen und die noble Absicht sehe auch.
        Ich schliesse mich jedoch AsH an. In unserer Rechtsordnung ist Mord eine Tat, die nicht "vergeht", also wird anders als Unterschlagung etc. gehandhabt.
        Das finde ich in der Tat in Ordnung, selbst wenn's Willy Brandt oder Mutter Theresa getroffen hätte.
        Selbstverständlich sind derartige Verurteilungen auch politisch motiviert. Die Morde waren es ebenfalls.
        Ein mildes Urteil, bzw. die Berücksichtigung von Erziehung etc. ist in diesem Fall eher unwahrscheinlich, da hast du schon recht.
        Aber stell dir mal vor, der wird jetzt freigesprochen und fährt dann zu SS-Veteranen-Treffen und prahlt mit seinen Morden. Das kann auch sein! Sowas gibt es oft genug. Hat er doch nur "anständig" seine Pflicht erfüllt...
        Ich habe aber starke Zweifel, dass er unter Schuldgefühlen litt. Sonst hätte er sich vielleicht gestellt? Auch das hat es gegeben. Sich in Argentinien zu verstecken ist eher ein Zeichen der Angst vor Entdeckung.
        Ich empfehle dir das Buch "Von den Banalität des Bösen" von Hannah Arendt über den Eichmann-Prozess von 1961. Das ist sehr interessant und wirft einen entlarvenden Blick auf die Geisteshaltung der Täter.

        Und ansonsten: ja, wir haben aneinander vobeigepostet. Nun gut, das kann vorkommen. Schwamm drüber?

        Endar
        Republicans hate ducklings!

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          #34
          Originalbeitrag von Captain Proton

          Du überschätzt die Wirkung von Geld in IMHO gewaltig. Es sind nur Zahlen, und Zahlen sind wahnsinnig unmenschlich......
          erst mal vorne Weg, ich habs jetzt erst bis hierher mit lesen geschaft (ist schon spät)

          @ Proton
          Geld kann für die betroffenen Menschen dennoch auch wichtig sein, nicht nur als Rache. Natürlich macht es das vergangene niicht ungeschehen.
          Die meisten von ihnen sind physisch oder psychisch "verkrüppelt" und hätten das Geld sehr viel früher gebrauchen können, da sie teilweise gar nicht mehr arbeitsfähig waren. Zu den Beispiel mit den unranverseuchten Menschen aus den Kosovo, auch die könnten Geld gut gebrauchen, da eine Krebstherapie, wenn man nicht versichert ist (bei den Krigswirren da ist es wohl keiner) extrem teuer ist.


          Vielleicht gehe ich später noch genauer auf das ganze thema ein., jetzt bin ich aber zu Müde. Ich musste dies halt noch loswerden.
          Er lächelte ein verklemmtes kleines Lächeln, in das Zaphod am liebsten mit einem Backstein reingehauen hätte. [...] "Im realen Universum", sagte er mit einem Lächeln, das noch sehr viel mehr nach einem Backstein schrie, "hätten Sie den Totalen Durchblicksstrudel niemals überlebt." [...] Er lächelte wieder das Lächeln, in das Zaphod am liebsten mit einen Backstein reingehauen hätte, und diesmal tat er's. - tu es!

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            #35
            Ich werde jetzt wegen der Menge der letzten Posts nicht auf alle einzeln eingehen, dass ist mir zu mühsam.......

            Ich verstehe einen Teil eurer Argumente, einen anderen Teil kann ich nur akzeptieren.
            1. Zu den Entschädigungszahlungen: ich bin dafür, dass sie durchgeführt werden. Sie sind schon wichtig. Aber nur als Symbol.....und vielleicht ist dieses Symbol viel wichtiger für uns Deutsche als für die Zwangsarbeiter?! Die Summe ist nicht so wichtig, ob 4 oder 5 Milliarden......es kommt darauf an dass sie gezahlt werden. Aber ob sie den ehemaligen Zwangsarbeitern wirklich helfen bezweifle ich!

            2. Zu den Bestrafungen: es ist eine individuelle Geschichte - Heß zB war am Ende nur noch ein bettlägriger Krüppel und da ist es einfach übertrieben.
            Ich bin natürlich auch der Meinung, dass Verbrechen - besonders Morde - geahndet werden müssen - aber nicht um jeden Preis.
            Was ich am meisten ablehne und immer ablehnen werde ist die Todesstrafe - ich bin der Meinung, dass man ein Verbrechen nicht durch ein anderes Verbrechen sühnen kann.

            IMHO war es ein Fehler manche der Nazis hinzurichten(zB Eichmann, Höß). Es ist keine Lösung und eigentlich auch keine Strafe. Es ist nur ein weiteres Verbrechen das heuchlerisch unter dem Schirm des Rechts(Recht und Gerechtigkeit sind selten das Selbe!) legalisiert wird.

            Ihr könnt mir erzählen was ihr wollt, aber in meinen Augen ist jedes Verbrechen irgendwann verjährt - manche nach 5 Jahren, manche nach 500 jahren(was dann aber unerheblich ist).
            Ich bin jemand der nichts von ewiger Rache hält. Von Rache überhaupt.
            Ich bin selber oft nachtragend(was eigentlcih ja eine milde Form des Rachegelüsts ist), ich möchte im Affekt auch so machen mal den Hals umdrehen - diese Gedanken hat wohl jeder. Aber im Nachhinein merkt man oft, wie dumm diese Gedanken und Wünsche waren, dass sie falsch sind.
            Und gerade deshlab sollte die Gesetzgebung und die Gerechtigkeit einer Justiz nicht auf Elemente wie dumpfer Rache aufbauen.

            Ich finde man muss über den Taten der Verbrecher stehen, und nicht wie ein Tier wütend werden.......
            Christianity: The belief that some cosmic Jewish zombie can make you live forever if you symbolically eat his flesh and telepathically tell him that you accept him as your master, so he can remove an evil force from your soul that is present in humanity because a rib-woman was convinced by a talking snake to eat from a magical tree.
            Makes perfect sense.

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              #36
              Da hat sich ja eine Menge getan....

              Es sind neue Aspekte aufgetaucht und interessante Ansichtsweisen...

              Ich gebe Proton recht wenn er meint daß kein Verbrechen ewig gesühnt weden sollte, ob es nun 5 oder 5 Mio. Jahre dauert.
              Gnade ist genauso wichtig wie Gerechtigkeit.....

              Ob es noch viel mit Gerechtigkeit zu tun hat einen kranken Krüppel in Einzelhaft zu sperren sei dahingestellt - das Alter soll zwar nicht von der Schuld befreien, sollte aber auch einkalkuliert werden.
              Bei einen 20- oder 30jährigen macht es vielleicht Sinn ihn seiner "besten Jahre" zu berauben, aber einen alten Menschen der meistens sowieso nur noch auf den Tod wartet ist es vielleicht überdenkenswert.

              Das liebe Geld....
              Ich will nicht bezweifeln daß das Geld - sollte es wirklich an die richtigen Leute weitergegeben werden - durchaus seinen Nutzen bringen kann.
              Es macht zwar nichts ungeschehen, erleichtert aber Schicksale oft maßgeblich.
              Es steht wohl auch außer Frage daß die Opfer es mehr als verdient haben.

              Es sind jedoch 2 Dinge die mich nach wie vor stören an der ganzen Sache...

              1. Ausnahme?

              Warum die Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge?
              Was unterscheidet eine Mutter die ihren Sohn im Arbeitslager verloren hat von einer Mutter die ihren Sohn an der Front verloren hat?
              Was unterscheidet einen verkrüppelten Zwangsarbeiter von einen Großvater der seine Beine im Krieg verloren hat?
              Was unterscheidet einen enteigneten Juden von einen Geschäftsmann dessen Lebenswerk von einer alleierten Fliegerbombe zerstört wurde?

              Es gab verdammt viele Opfer in diesen grauenhaften Krieg. Es starben unzählige Menschen nicht nur in den Arbeitslagern sondern auch an der Front und im Hinterland durch Bombenteppiche. Vielen Kindern wurde durch die NS-Propaganda ihre Kindheit genommen und sogar an die Front geschickt um ihren Vätern ins Grab zu folgen.
              Ist vielleicht ein gefallener Familienvater weniger wert als ein KZ-Häftling?

              Und hier liegt im Prinzip meine Unverständnis. Es ist nicht so daß ich den Opfern das Geld nicht gönne oder es als unnütz empfinde - nein.
              Es ist dieser Ausnahmefall der hier insziniert wird.

              2. Generationsschulden

              Es ist immer in Ordnung wenn Opfer entschädigt werden - solange es nicht den eigenen Geldbeutel betrifft.
              Ich müßte lügen wenn ich nicht auch so denken würde. Zumindest in diesem Falle. Es betrifft mich zwar nicht direkt, jedoch indirekt.
              Ich hatte bereits weiter oben erwähnt daß auch der österr. Staat mitzahlen muß - und somit die Steuerzahler.
              Es gab einigen Rummel um das Budget, es bangten und bangen viele Österreicher um die Sicherheit des Pensionssystemes, Länder und Bund bekommen sich wegen fehlender Zahlungen in die Haare.
              Die österreichsiche Forstverwaltung mußte relativ viele Waldgebiete und Seen (!!!) verkaufen um die Anforderungen zu erfüllen.
              Die Österreicher werden seit diesem Jahr stärker zur Kasse gebeten, ob es nun die doppelt so teure Mautvignette oder die höhere Besteuerung ist.

              Bei solchen Engpässen soll mir mal jemand sinnvoll erklären daß die Entschädigungszahlungen trotz Punkt 1 wichtiger sind als Pensionssystem, Nulldefizit, gesunde Wälder und heimische Seen......
              Ich sehe leider keine Relation darin.


              Für mich bleiben die Entschädigungen nichts weiter als die Bereicherung Weniger (Anwälte, Organisationien) und eine politische "Reinwaschung" bzw. Imageaufbesserung, also eine schlichte Werbeaktion

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                #37
                hallo.

                Ich respektiere deine Überlegungen im großen und ganzen. In Bezug auf die Todesstrafe teile ich deine Meinung.

                Trotzdem möchte ich dich fragen, wieviele Menschen man umbringen muss, um die im Gesetz für diese Tat vorgesehene Höchststrafe zu verdienen?

                Du sprachst von Recht, also dem gesetzlich festgeschriebenen Normen. In Bezug auf die von Höß, mehr noch in Bezug auf Eichmann gab es übrigens keine Strafverordnungen. Es gab keine gesetzliche Strafe für Völkermord, weil man sich die von 'den' Nazis begangenen Verbrechen zuvor gar nicht vorstellen konnte.
                Der Strafgerichtsprozess von Nürnberg (ich weiss, weder Höß, noch Eichmann waren dort) war in jedem Fall ein Novum. Die Phase der Entnazifizierung in Deutschland (die Entfernung von Nationalsozialisten aus öffentlichen Ämtern etc.) ist übrigens als gescheitert zu betrachten.
                Es war allerdings nicht Gnade, sondern auch hier die tagespolitische 'Vernunft', die die Abrechnung mit dem Nationalsozialismus unmöglich gemacht hat (Kalter Krieg).

                Höß war wesentlich an der Entwicklung der Gaskammern und dem Einsatz von Zyklon B beteiligt. Eichmann hat den Holocaust als rechte Hand Himmlers bürokratisch möglich gemacht. Dass die Polen hier nach dem biblischen Wort "Aug und Aug, Zahn um Zahn" gehandelt haben, kann ich nachvollziehen (wie sie übrigens auch bei weiteren Mitgliedern der Funktionseliten getan haben, wie z.B. den Reichsstatthaltern etc.).

                Nachvollziehen heisst nicht, dass ich es bis zum letzten verteidigen würde. Ich weine allerdings keinem der beiden eine Träne nach.
                Du musst bedenken, dass Europa in Schutt und Asche und die Polen entsetzlichst unter den Nazis zu leiden gehabt hatten. Wenn du Rache verurteilst, dann bedenke, dass du in einem Wohlstandsstaat und im Frieden aufgewachsen bist.
                Übrigens hat niemand Höß gezwungen, Kommandant von Auschwitz zu werden. Was waren das für Menschen, die tagsüber Kinder ins Gas schickten und Abend mit den eigenen Kindern spielten?
                Überlege du einmal, rein hypothetisch, deine Eltern würden in einem Konzentrationslager ermordet. Wären deine hohen Ansprüche noch da? Mit vollem Bauch lässt sich leicht reden. Du brauchst nicht zu antworten. Ich wüßte es von mir auch nicht.

                Aber - um den Begriff der kalten polischen Vernunft wieder aufzugreifen (die ich auch nicht zwingend verteidigen will), kann ich begreifen, dass man sich nicht mit politischer Altlast belasten wollte, keine Märtyrer schaffen wollte (wie übrigens Heß einer der rechten Szene war).
                "Die Geister, die ich rief, werd ich nun nicht mehr los."
                Deutschland hat Europa mit unsäglichem Leid übersät. Dass es letztendlich auf Deutschland zurückfiel, ist historische Realität. In weiten Teilen waren die Gedankenmuster und Kategorien nationalsozialistischer Brutalität, unter denen am Ende Deutschland selbst zu leiden hatte.

                Noch ein Wort zu meinem persönlichen Standpunkt. Ich denke nicht, dass Rache mich motiviert. Mir ist kein Unrecht wiederfahren, auch ich habe enen vollen Bauch. Ich kann auch sehr wohl zwischen dem Indivduum und der Masse unterscheiden. Die Spirale der Vernichtung und Gewalt, die Deutschland traf, traf auch Sozialdemokraten, Gegner und Unschuldige. Auch Unschuldige in Schlesien, Pommern etc., die übers Haff fliehen mussten etc.
                Wusstest du, dass im letzten 3/4 Jahr ab Juli 1944 nochmal soviele Menschen starben wie in den Jahren zuvor. Vergleiche doch mal die Frontenstellungen des ersten und zweiten Weltkrieges. Ludendorff und Hindenburg, bei allen Fehlern, die sie begingen wussten zumindest, wann das Spiel zuende war. Die Fronstellung am Ende des WW1 entspricht der vom Ende Juli 1944.
                Der Krieg ging weiter, getragen von Funktionseliten wie Höß oder Eichmann. Und in diesem Dreivierteljahr starben noch einmal 20 Millionen Menschen. Thomas Mann hat in einer Rundfunkansprache für die BBC sehr treffend bemerkt, dass die Deutschen diesen Krieg zuende führen mussten, um den Galgen von Hitler "und seinen Schergen" noch einen, oder zwei Tage fernzuhalten.
                Ich kann verstehen, wenn die Philosophie der Gnade hier ihr Ende findet. Die Funktionseliten wussten übrigens sehr genau, dass nichts als der Galgen auf sie wartete.

                Mit gruß, endar

                Republicans hate ducklings!

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                  #38
                  Originalbeitrag von Khan
                  Da hat sich ja eine Menge getan....
                  Ich gebe Proton recht wenn er meint daß kein Verbrechen ewig gesühnt weden sollte, ob es nun 5 oder 5 Mio. Jahre dauert.
                  Gnade ist genauso wichtig wie Gerechtigkeit.....
                  Hallo Khan.

                  Ich begreife es nicht als "Sühne", jedenfalls nicht im Sinne von "in Sack und Asche laufen", sondern ich würde es eher als moralischen Impetus begreifen.
                  Ich bin kein Experte der österreichischen Innenpolitik, aber mehr als 750 000 Mark kann ich mir nicht vorstellen (AU ist schließlich ein kleines Land).
                  Und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Rettung der Seen oder der Rente an 750 000 Mark scheitern würde.

                  Gruß, Endar
                  Republicans hate ducklings!

                  Kommentar


                    #39
                    Ich finde die Enkel und Urenkel sollten keinen Anspruch auf entschädigungen haben. Man kann nicht für etwas entschädigt werden was man nicht kennt. ( die meisten leute die die entschädigungen erhalten kannten die gefolterten verwandten überhaupt nicht ) .

                    Ich will jetzt nichts beschönigen aber die Konzentrationslager waren keine Deutsche erfindung. Es gab schon lange vorher KZs in Russland und in China . Und man darf nicht vergessen das mit deutschen gefangennen auch nicht gerade zimperlich umgegenagen wurde . Ich kenne da eininge erzählungen von bekannten und verwandten die das eindeutig bestätigen . Es waren nicht nur die deutschen die hilflose Frauen vergewaltigt haben .
                    Deshalb meine klare Meinung: 50 Jahre nach dem Krieg kann mann uns nicht verantwortlich machen und die deutsche wirtschaft nicht bestrafen für etwas woran die meisten keine Schuld tragen. Es ist immer sehr leicht das böse "Nazi Deutschland" zum sündenbock abzustempeln.

                    Wotan
                    die Geschichte wird immer von den Siegern geschrieben

                    Kommentar


                      #40
                      Originalbeitrag von Wotan
                      Ich finde die Enkel und Urenkel sollten keinen Anspruch auf entschädigungen haben. Man kann nicht für etwas entschädigt werden was man nicht kennt. ( die meisten leute die die entschädigungen erhalten kannten die gefolterten verwandten überhaupt nicht ) .
                      Wotan
                      Hallo Wotan.
                      Leg doch mal eine nachvollziehbare Quelle auf den Tisch.
                      Woher stammen deine Informationen? Wie kann ich deine Angaben nachprüfen?

                      Gruß,
                      Endar
                      Republicans hate ducklings!

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                        #41

                        Originalbeitrag von Wotan

                        Deshalb meine klare Meinung: 50 Jahre nach dem Krieg kann mann uns nicht verantwortlich machen und die deutsche wirtschaft nicht bestrafen für etwas woran die meisten keine Schuld tragen
                        @ Wotan
                        Du vergisst, dass die deutsche Wirtschaft (und auch die Nachfolgefirmen, die aus den alten entstanden ist) massiv an der Sklavenarbeit der Zwangsarbeiter verdient hatte, und das sie zum Teil auch ihre heutige Position dieser Zeit zu verdanken hat.

                        Ich bin allerdings auch der Meinung, dass nur die direkt betroffenen Zwangsarbeiter einen Anspruch auf die Entschädigungszahlen haben, deren Nachkommen nicht mehr. Man sollte desweiteren auch darauf achten, dass auch die Zwangsarbeiter aus dem Osten (die sich nicht solche geldgierigen, halsabschneidenden Anwälte leisten können) entschädigt werden.
                        Er lächelte ein verklemmtes kleines Lächeln, in das Zaphod am liebsten mit einem Backstein reingehauen hätte. [...] "Im realen Universum", sagte er mit einem Lächeln, das noch sehr viel mehr nach einem Backstein schrie, "hätten Sie den Totalen Durchblicksstrudel niemals überlebt." [...] Er lächelte wieder das Lächeln, in das Zaphod am liebsten mit einen Backstein reingehauen hätte, und diesmal tat er's. - tu es!

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                          #42

                          Ausserdem tauchte hier schon wieder das Wort von der "Strafe" auf.
                          die Wirtschaft "bestrafen"...

                          Es geht nicht darum, die heutige Wirtschaft zu "bestrafen", sondern darum, sich zu der jeweiligen Firmengeschichte zu bekennen und eigenständig demokratische Verantwortung zu übernehmen. Aus eben jenem Grund wird ja niemand gezwungen, sich zu beteiligen und aus eben jenem Grund kommt das Geld ja wohl auch nicht zusammen. Die Summe, wie ja schonmal gesagt, ist ja auch anhand des Wirtschafsvolumens so, als würde man dich bei 1000 Mark fragen, ob du zehn oder zwanzig Pfennig erübrigen könntest.
                          Eine Strafe sollte meistens spürbar sein und deshalb kann man hier nicht von Strafe sprechen.
                          Durch das ganze Geseier um "soviel haben wir nicht" etc., das straft die Wirtschaft, denn damit hält sie sich in einer öffentlichen Diskussion.
                          Aber sie straft sich selbst.

                          Firmen wie VW z.B. haben selbsttätig Stiftungen eröffnet, finanzieren historische Forschung etc, sehr wohl wissend, dass sie selbst an Sklavenarbeit verdient haben. Da gibt es, man höre und staune, durchaus firmeninterne Strömungen, die eine solche Arbeit für notwendig und gut halten.
                          Auch die Dresdener Bank unterhält Stiftungen (allerdings auch erst seit kurzem, nachdem in der ARD eine Dokumenation über die Geschäfte der Bank zwischen 33 und 45 lief).

                          Nicht jede Firma kehrt unter den Teppich und nicht jeder empfindet die Beteiligung als "Strafe" oder "Sühne". Und es geht nicht um "Pranger" etc.
                          Die Ergebnisse von zwangsarbeit sind nach wie vor sehr lebendig.

                          Weite Teile der alten Autobahnen wurden von Zwangsarbeitern gebaut. Darüber macht sich auch niemand 'nen Kopf, wenn er drüberfährt.

                          Endar

                          Republicans hate ducklings!

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                            #43
                            Ich muss Khan zustimmen, wenn es einfach "unfair" ist, dass nur ein Teil der Gesamtanzahl der Opfer des 2. Weötkrieges entschädigt werden. Die Englisch, Französischen, aber auch die deutschen Opfer haben ein Anrecht darauf.
                            Mein Großvater wurde zB als Stabsgefreiter an der Ostfront gefangen genommen und von den Sowjets in die Nähe derMongolei(Stalinsk, 200 km nördlich der mongolischen Grenze) verschleppt. Bis Mitte 1946 wurde er und viele andere deutsche Gefangene dort interniert. Kümmern tut diese unmenschlichen Behandlung von Gefangenen heute niemand mehr - sie wurde wie Tiere bei -40° C in Holzbarracken zusammengepfercht und zu Sklavenarbeit gezwungen, viele Insassen sterbenskrank mit Lungenenzündungen oder Dramkrankheiten. Es sind vielleicht noch 1/3 der ursprünglichen Gefangenen im September '46 nach Deutschland zurück gekehrt - und jetzt erzähle mir einmal es wäre gerecht, wenn deren Familien und sie selber(die überlebt haben) nicht auch entschädigt werden. (Mein Großvater wäre fast an einer Kungenentzündung gestorben, die Russen wollte ihn nicht behandeln, da er ein "minderwertiger" Deutscher war - wäre der Krieg nicht zu Ende gewesen, wäre er jetzt ebstimmt tot, da sie ihn nicht zurückgeschickt hätten...)

                            Man kann Gerechtigkeit nicht nur auf den Personenkreis ausdehnen der das größte politische Gewicht hat. Entweder alle oder keiner! Die Franzosen, die Engländer, die Polen und auch die deutschen Familien haben bestimmt genau so schlimm gelitten wie die jüdischen Zwangsarbeiter!
                            Christianity: The belief that some cosmic Jewish zombie can make you live forever if you symbolically eat his flesh and telepathically tell him that you accept him as your master, so he can remove an evil force from your soul that is present in humanity because a rib-woman was convinced by a talking snake to eat from a magical tree.
                            Makes perfect sense.

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                              #44
                              Wenn für die Zahlungen prozessiert wird dann empfinde ich das doch etwas als Strafe.

                              Daß die großen Konzerne Stiftungen einrichten kann durchaus an deren edlen Gesinnungen liegen - hat aber auch sicher etwas mit Imageaufwertung zu tun. Also eine bessere Art von Werbung....


                              Auch ich habe davon gehört daß nicht nur Opfer, sondern auch Angehörige entschädigt werden. Ich werde versuchen mehr Informationen darüber zusammenzutragen.

                              Rache.....
                              Rache ist etwas was auch schon von wohlhabenden, reichen Menschen gepflegt wurde und wird. Es ist teilweise nachvollziehbar und auch vielleicht gerecht wenn Nazi und Nazi-Symphatisanten tw. ohne Rüchksicht auf Menschlichkeit zu Höchststrafen vertdonnert werden. Einen Milderungsgrund wegen Einfluß des Systemes ist da nicht mehr relevant.

                              Es ist immer schwer Verbrechen zu beurteilen und zu richten. Ein Mann der einen anderen tötet ist ein Mörder. Wenn ein vom Sysem "abgerichteter" Mann einen anderenn ermordet ist es er dann der selbe Mörder?
                              Übt ein Russe der einen deutschen Soldaten mißhandelt und foltert Gerechtigkeit?
                              Eine wahrhaft schwierige Sache....

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                                #45
                                Originalbeitrag von Khan
                                Es ist immer schwer Verbrechen zu beurteilen und zu richten. Ein Mann der einen anderen tötet ist ein Mörder. Wenn ein vom Sysem "abgerichteter" Mann einen anderenn ermordet ist es er dann der selbe Mörder?
                                Übt ein Russe der einen deutschen Soldaten mißhandelt und foltert Gerechtigkeit?
                                Eine wahrhaft schwierige Sache....
                                Ja, eine schwierige Sache!
                                Ich denke jedoch, wir können ganz zufrieden sein, dass wir in einem Staat leben, in dem es möglich ist, gegen den Staat zu klagen! Das ist doch ein Zeichen für eine funktionierende, freiheitliche Demokratie (im Rahmen der Möglichkeiten..., wie Proton schon woanders Woodrow Wilson zitierte)!
                                Schau dir doch Russland oder die Tschechei an! Da müssen Redakteure das Fernsehen besetzen, um für die Meinungsfreiheit einzutreten.
                                In der Ukraine wird der Präsident verdächtigt, mehrere Journalisten und Gegner umgebracht zu haben. Die Deutschen im Westen, bzw. die Österreicher hätte es doch nach diesem Krieg gar nicht besser treffen können. Die Menschen in der siegreichen UdSSR hatten jedenfalls nicht viel zu lachen.

                                Gruß, Endar
                                Republicans hate ducklings!

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