Ich will hier jetzt gar nicht die "Antisemitismus? Latenter Antisemitismus? Nichts als die Wahrheit?"-Debatte über die Rede von Martin Hohmann beginnen, weil man sich da ähnlich im Kreis dreht wie bei Frau Däubler-Gremlins Bush-Hitler-Vergleich-der-keiner-war.
Auf telepolis kann man sich mal die ganze Rede von Herrn MdB durchlesen, also mehr als die paar Auszüge, die in den Nachrichten zitiert werden und da muss man sich doch ganz gehörig am Kopf kratzen über das Weltbild des guten Mannes. Nachdem er klar gestellt hat, dass die Sozialschmarotzer wie Florida-Rolf (von denen es knapp 1.000 gab zu dem Zeitpunkt, wobei über die Hälfte weniger Sozialhilfe bekam, als sie jetzt in Deutschland bekommen) und der Viagra-Sozialhilfeempfänger aus Hessen schuld sind, an den Staatsschulden kommt er zum eigentlichen Thema.
Jetzt wo die Bundesregierung ihr ganzes Geld in Viagra-Form nach Florida schicken muss, muss in Deutschland umgedacht werden. Und da beginnt ein ähnliches Spiel wie mit dem "potentiellen Tätervolk".
So, halten wir das Bild hier mal an und schauen auf die Details. Was will uns der Autor damit sagen? Böse Zungen würden hier behaupten, dass Herr Hohl... öh... Hohmann das Naziregime mit den Jakobinern vergleicht, was er aber natürlich nicht vor hatte. Herr Hohmann vergleicht hier Äpfel mit Birnen. Wir wollen "la grandè terreur" gar nicht als etwas positives darstellen, Robespierres Schreckensherrschaft, die Massenexekutionen unter der Guillotine... aber was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Es gibt keine historische Parallele zu sehen. Die Revolution beendete zeitweise eine absolutistische Herrschaft in Frankreich, während die Machtergreifung eine demokratische Regierung beendete.
Aber abgesehen davon, worauf will der Mann hinaus? Die französische Revolution wird also als emanzipatorischer Akt gesehen (wobei er die Aufklärung verschweigt, auf die dies wohl eher zutrifft) was so nicht stimme. Was soll man daraus lernen? Das man vielleicht die NS-Zeit in anderem Licht betrachten solle? Wegbereiter des demokratischen Europas? Hitler als milder, aufgeklärter Vater? Nein. Das wollte er natürlich nicht. Aber wenn der Satz fällt: "Solche gnädige Neubetrachtung oder Umdeutung wird den Deutschen nicht gestattet." dann klingt das nicht nach "Die Franzosen sollen ihre Geschichte richtig aufarbeiten", sondern eher nach "Die deutsche Geschichte sollte anders gesehen werden."
Ich weiss nicht wie er sie sehen will, aber diese Aussage ist schlichtweg dumm und dreist. Es gibt nur subjektive Geschichte, sicher... aber was soll man denn am dritten Reich umdeuten oder gar "gnädig neubetrachten"? Naja, man kann ja über Hitler sagen was er will, aber er hat immerhin die Autobahnen gebaut. Und wer jetzt kommt mit: es geht hier darum, dass auch deutsche Opfer waren... nein, darum geht es nicht. Zumindest nicht, wenn er die Terreur und Napoleon zum Vergleich heranzieht. Wenn man schon so grob fahrlässig vergleicht, dann kann man nicht Täter mit Opfern vergleichen. Wenn man Napoleon und die Jakobiner als Vergleich nimmt, dann muss man damit auch Hitler und die NSDAP vergleichen... nicht die Deutschen in Dresden oder die Ostvertriebenen.
Das zeigt das ganze dann noch deutlicher. Nicht die Verschwiegene Opferrolle stört ihn, sondern die Forschung im Bereich des 3. Reiches. Muss man denn immer noch so in der Wunde rumpulen? Nun, es mag Herrn Hohmann irritieren, aber es gibt heute noch Menschen die Karl den Großen und winzige Verästelungen im Poleis-Wesen des alten Griechenlands erforschen. So geht Geschichte nunmal, und (zumindest unterschwellig) einen Forschungsstopp zu fordern, weil ja alles schon aufgeklärt ist und man nur noch an Details herumspielt ist dreist, dumm und offenbart ein Unverständnis für diesen Zweig der Forschung.
Wirklich erkennen, wessen Geistes Kind Herr Hohmann ist kann man aber am folgenden Satz:
Im besten Falle ist das ein Nullargument, im schlimmsten Falle ist es noch dümmer als das vorherige Zitat. Was genau will uns der Dichter damit sagen? Dass wir zu weit forschen und verdammen? Dieses Messer-und-Gabel-Argument ist keines, es ist plumper Stammtischpopulismus, der auf eine -nichtmal sonderlich lustige Form- die Forschung über das dritte Reich ins Lächerliche zieht.
Weiter:
Ein Übermaß an Wahrheiten? Kann es also zuviel Wahrheit geben? Ist zuviel Wahrheit gefährlich? Würde, um seinen ersten Gedanken weiter zu denken, die Wahrheit über die französische Revolution das moderne Europa gefährden? Wissen wir doch aus der Resozialisierungspyschologie, die zwar nicht für ein ganzes Volk gilt, aber hey... an dieser Stelle könnte man auch fragen: "Wenn es keine Kollektivschuld gibt (glaube ich übrigens auch nicht dran), wieso ist dann zuviel Wahrheit gefährlich? Wir sind doch nicht schuld und müssen auch nicht resozialisiert werden. Wir betrachten hier die Fallstudie einer anderen Generation... also dürften uns die Wahrheiten wohl nicht gefährlich werden.".
Mich würde die Meinung zur Resozialisierung außerhalb des historischen Kontextes interessieren... irgendwie glaube ich nicht, dass Herr Hohmann ein Freund von Vergeben, Vergessen und "kein Übermass an Wahrheiten" ist, wenn es um echte Verbrechen geht. Aber das ist eine Vermutung von mir, okay.
Um den "Antisemitismus oder nicht?" zumindest noch zu streifen:
An dieser Stelle hätte Herr Hohmann bitte noch mit den "Protokollen der Weisen von Zion" herumwedeln sollen, aber leider konnte er die gerade nicht finden. Es wird Sie überraschen, aber auf eben diesen Protokollen, die Historiker inzwischen ziemlich sicher als Fälschungen abtun, hat eben jener Henry Ford sein Buch nämlich aufgebaut. Abgesehen davon hat Mr. Ford dem Führer auch nach Kriegsausbruch weiterhin jedes Jahr zum Geburtstag ein nagelneues Auto geschenkt. Schon bezeichnend, dass ausgerechnet Henry Ford nun als Instanz für "jüdischen Bolschewismus" herhalten muss. Aber das Eine hat mit dem Anderen natürlich überhaupt nichts zu tun...
Mit diesen Teilen der Rede wirkt die Debatte über die Antisemitismusvorwürfe gleich ganz anders. Der Mann ist offenbar kein Antisemit, sondern einfach nur ein Revisionist und Teilzeitdepp. Und eigentlich sollte man ihn mit konsequenter Missachtung strafen. Aber es ist schon bezeichnend, wenn Politiker von Parteien der Mitte inzwischen solche Mittel nutzen um auf Stimmenfang am Rand zu gehen. Aus einem Einzelfall sollte man nicht generalisieren, aber das sollte trotzdem die Augen öffnen und klar machen, dass man auch weiterhin Augen und Ohren offenhalten muss, gerade in Zeiten wenn es nicht so gut geht scheinen solche Spinner besonders gut zu gedeihen...
Und man möge mir die Polemik verzeihen, aber diese Rede hat mich wirklich geärgert...
Auf telepolis kann man sich mal die ganze Rede von Herrn MdB durchlesen, also mehr als die paar Auszüge, die in den Nachrichten zitiert werden und da muss man sich doch ganz gehörig am Kopf kratzen über das Weltbild des guten Mannes. Nachdem er klar gestellt hat, dass die Sozialschmarotzer wie Florida-Rolf (von denen es knapp 1.000 gab zu dem Zeitpunkt, wobei über die Hälfte weniger Sozialhilfe bekam, als sie jetzt in Deutschland bekommen) und der Viagra-Sozialhilfeempfänger aus Hessen schuld sind, an den Staatsschulden kommt er zum eigentlichen Thema.
Jetzt wo die Bundesregierung ihr ganzes Geld in Viagra-Form nach Florida schicken muss, muss in Deutschland umgedacht werden. Und da beginnt ein ähnliches Spiel wie mit dem "potentiellen Tätervolk".
Jede andere Nation neigt eher dazu, die dunklen Seiten ihrer Geschichte in ein günstigeres Licht zu rücken. Vor beschämenden Ereignissen werden Sichtschutzblenden aufgestellt. Bei den anderen wird umgedeutet. Paradebeispiel für Umdeutung ist die Darstellung der französischen Revolution. Da ist das große Massaker in Paris und den Provinzen, besonders in der Vendee. Da ist die anschließende Machtübernahme durch einen Alleinherrscher, dessen Eroberungskriegszüge millionenfachen Tod über Europa brachten. Die Mehrheit französischer und außerfranzösischer Stimmen beschreiben dennoch die Revolution mit ihrem Terror als emanzipatorischen Akt und Napoleon als milden, aufgeklärten Vater des modernen Europa.
Solche gnädige Neubetrachtung oder Umdeutung wird den Deutschen nicht gestattet. Das verhindert die zur Zeit in Deutschland dominierende politische Klasse und Wissenschaft mit allen Kräften. Sie tun "fast neurotisch auf der deutschen Schuld beharren", wie Joachim Gauck es am 1.10. 2003 ausgedrückt hat.
Solche gnädige Neubetrachtung oder Umdeutung wird den Deutschen nicht gestattet. Das verhindert die zur Zeit in Deutschland dominierende politische Klasse und Wissenschaft mit allen Kräften. Sie tun "fast neurotisch auf der deutschen Schuld beharren", wie Joachim Gauck es am 1.10. 2003 ausgedrückt hat.
Es gibt keine historische Parallele zu sehen. Die Revolution beendete zeitweise eine absolutistische Herrschaft in Frankreich, während die Machtergreifung eine demokratische Regierung beendete.
Aber abgesehen davon, worauf will der Mann hinaus? Die französische Revolution wird also als emanzipatorischer Akt gesehen (wobei er die Aufklärung verschweigt, auf die dies wohl eher zutrifft) was so nicht stimme. Was soll man daraus lernen? Das man vielleicht die NS-Zeit in anderem Licht betrachten solle? Wegbereiter des demokratischen Europas? Hitler als milder, aufgeklärter Vater? Nein. Das wollte er natürlich nicht. Aber wenn der Satz fällt: "Solche gnädige Neubetrachtung oder Umdeutung wird den Deutschen nicht gestattet." dann klingt das nicht nach "Die Franzosen sollen ihre Geschichte richtig aufarbeiten", sondern eher nach "Die deutsche Geschichte sollte anders gesehen werden."
Ich weiss nicht wie er sie sehen will, aber diese Aussage ist schlichtweg dumm und dreist. Es gibt nur subjektive Geschichte, sicher... aber was soll man denn am dritten Reich umdeuten oder gar "gnädig neubetrachten"? Naja, man kann ja über Hitler sagen was er will, aber er hat immerhin die Autobahnen gebaut. Und wer jetzt kommt mit: es geht hier darum, dass auch deutsche Opfer waren... nein, darum geht es nicht. Zumindest nicht, wenn er die Terreur und Napoleon zum Vergleich heranzieht. Wenn man schon so grob fahrlässig vergleicht, dann kann man nicht Täter mit Opfern vergleichen. Wenn man Napoleon und die Jakobiner als Vergleich nimmt, dann muss man damit auch Hitler und die NSDAP vergleichen... nicht die Deutschen in Dresden oder die Ostvertriebenen.
Mit geradezu neurotischem Eifer durchforschen immer neue Generationen deutscher Wissenschaftler auch noch die winzigsten Verästelungen der NS-Zeit.
Wirklich erkennen, wessen Geistes Kind Herr Hohmann ist kann man aber am folgenden Satz:
Es verwundert, daß noch keiner den Verzicht auf Messer und Gabel vorgeschlagen hat, wo doch bekanntermaßen diese Instrumente der leiblichen Kräftigung der damaligen Täter dienten.
Weiter:
Aber bei vielen kommt die Frage auf, ob das Übermaß der Wahrheiten über die verbrecherischen und verhängnisvollen 12 Jahre der NS-Diktatur nicht
a) instrumentalisiert wird und
b) entgegen der volkspädagogischen Erwartung in eine innere Abwehrhaltung umschlagen könnte.
Immer und immer wieder die gleiche schlimme Wahrheit: Das kann, das muß geradezu psychische Schäden bewirken, wie wir aus der Resozialisierungspsychologie wissen.
a) instrumentalisiert wird und
b) entgegen der volkspädagogischen Erwartung in eine innere Abwehrhaltung umschlagen könnte.
Immer und immer wieder die gleiche schlimme Wahrheit: Das kann, das muß geradezu psychische Schäden bewirken, wie wir aus der Resozialisierungspsychologie wissen.
Mich würde die Meinung zur Resozialisierung außerhalb des historischen Kontextes interessieren... irgendwie glaube ich nicht, dass Herr Hohmann ein Freund von Vergeben, Vergessen und "kein Übermass an Wahrheiten" ist, wenn es um echte Verbrechen geht. Aber das ist eine Vermutung von mir, okay.
Um den "Antisemitismus oder nicht?" zumindest noch zu streifen:
es wird Sie überraschen, daß der amerikanische Autokönig Henry Ford 1920 ein Buch mit dem Titel "The International Jew" herausgegeben hat. Dieses Buch hat in den USA eine Auflage von 500.000 Exemplaren erlebt. Es wurde ein Weltbestseller und in 16 Sprachen übersetzt. Darin prangert Ford die Juden generalisierend als "Weltbolschewisten" an
Mit diesen Teilen der Rede wirkt die Debatte über die Antisemitismusvorwürfe gleich ganz anders. Der Mann ist offenbar kein Antisemit, sondern einfach nur ein Revisionist und Teilzeitdepp. Und eigentlich sollte man ihn mit konsequenter Missachtung strafen. Aber es ist schon bezeichnend, wenn Politiker von Parteien der Mitte inzwischen solche Mittel nutzen um auf Stimmenfang am Rand zu gehen. Aus einem Einzelfall sollte man nicht generalisieren, aber das sollte trotzdem die Augen öffnen und klar machen, dass man auch weiterhin Augen und Ohren offenhalten muss, gerade in Zeiten wenn es nicht so gut geht scheinen solche Spinner besonders gut zu gedeihen...
Und man möge mir die Polemik verzeihen, aber diese Rede hat mich wirklich geärgert...
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