Die Schleyer-Entführung und der "Deutsche Herbst" 1977 - SciFi-Forum

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Die Schleyer-Entführung und der "Deutsche Herbst" 1977

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    Die Schleyer-Entführung und der "Deutsche Herbst" 1977

    Diskussion zum historischen Thema des 19.10. :
    An eben jenem Datum wurde der von RAF-Terroristen entführte Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer ermordet aufgefunden. Was haltet ihr von der damaligen Situation? Hätte Schleyer womöglich gerettet werden können - verhielt sich die Bundesregierung falsch? Wie seht ihr die RAF, und das Ende ihrer Gründer Baader, Ensslin und Raspe? Verübten sie wirklich Selbstmord oder wurden sie "beseitigt"?

    #2
    Die Schleyer Entführung gehört wohl zu den ersten Nachrichten, die ich seinerzeit als Kind halbwegs bewusst mitgekriegt habe. Auf jeden Fall fehlt mir das politische Hintergrundwissen, um die Situation von damals beurteilen zu können. Was ich aber noch viel weniger verstehe, ist das Wesen dieser Art von Terrorismus damals. Die Täter waren in der Regel gebildet und stammten aus gut bürgerlichen Verhältnissen. Dazu sind sie in einem freien, demokratischen Land aufgewachsen. Wenn sie also was verändern wollten, warum dann nicht mit den Mitteln der Demokratie? Zum Beispiel hätten sie ja eine neue linke Partei gründen können. Und wenn sie schon eine andere Lebensweise bevorzugten, warum sind sie nicht einfach in die DDR ausgewandert? (Einige von ihnen sind ja später tatsächlich da untergetaucht.) Was war an der damaligen BRD eigentlich so schlimm, um dieses brutale Vorgehen und die vielen Morde zu rechtfertigen?
    Sie alle als wahnsinnig zu bezeichnen ist wohl zu einfach und naiv, doch wie gesagt, ich kann die Handlungen dieser Leute nicht mal ansatzweise nachvollziehen.

    Gruß, succo
    Ich blogge über Blogger, die über Blogger bloggen.

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      #3
      Zur RAF allgemein:
      Die Methoden der RAF lehne ich totz meiner ebenfalls deutlich linkspolitischen Gesinnung klar ab.
      Zumal derartiger Terror den linkspolitischen Zielen in keiner Weise zuträglich war.
      Die Studentenbewegung um Dutschke ist mir da was Art und Weise ihres Vorgehens angeht wesentlich lieber.
      “Are these things really better than the things I already have? Or am I just trained to be dissatisfied with what I have now?”― Chuck Palahniuk, Lullaby
      They have nothing in their whole imperial arsenal that can break the spirit of one Irishman who doesn't want to be broken - Bobby Sands
      Christianity makes everyone have this mentality that escapism is a bad thing. You know "Don't run away from the real world - deal with it." Why ? Why should you have to suffer? - Marilyn Manson

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        #4
        Nun, die terroristischen Handlungen kann ich auch nicht gutheißen. Wahrscheinlich haben sich übersteigertes Elite-Bewußtsein mit sich hochschaukelnder Gruppendynamik in der RAF verbunden und dann zu diesen Resultaten geführt.

        Auf der anderen Seite hätte es aber auch nicht soweit kommen müssen. Die Bundesrepublik der Fünfziger und Sechziger war weit weniger demokratisch, als es uns Angela Merkel und Co. glauben machen wollen. In zahlreichen Bereichen blieb die frühe Bundesrepublik von undemokratischen Tendenzen des Dritten Reiches geprägt, was sich sehr stark in der BIldungspolitik zeigte. Die fehlende Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich wurde erst in den Sechziger Jahren mit den ersten Nachkriegsprozessen gegen die "Handwerker" der Konzentrationslager zögernd in Angriff genommen und die Generation der Täter saß in den meisten Bereichen noch am Ruder. So hielt Adenauer gegen großen Widerstand an seinem Personalchef im Kanzleramt Hans Globke (1898-1973), der für die amtliche Kommentierung der "Nürnberger Gesetze" von 1935 verantwortlich zeichnete, fest. Diese national-spezifische Besonderheit wurde 1968 zu einem Hauptkritikpunkt der rebellierenden Jugend. Fehlender parlamentarischer Wechsel (die CDU regierte von 1949 bis 1969) verbunden mit dem Verlust einer parlamentarischen Opposition (große Koalition) taten ihr übriges, um der aus Protesten gegen den Krieg in Vietnam entstandenen Jugendbewegung auch in Deutschland ein in Teilen explosives Gemisch zu erzeugen.
        Die Gesellschaft der BRD hat sich dabei nicht mit Ruhm beklekkert. Von offizieller Seite begegnete man den Studentenprotesten in erster Linie mit Selbstgefällig- und Selbstgerechtigkeit, wie sie als Überbleibsel des konservativ-unpolitischen Milieu der "deep dullness" der Fünfziger kultiviert wurden.
        Besonders die Springer-Presse (Bild) verschärfte den Generationskonflikt bis hin zur unsäglichen "Sympatisanten-Diskussion" der Siebziger Jahre. Exerzierte "Säuberungen" der Beamtenschaft und sog. "Kommunistenerlasse" erinnerten stark an Beispiele des undemokratischen Obrigkeitsstaates der Geschichte. Das ist der Beitrag der keinesfalls grundsätzlich freien und demokratischen Bundesrepublik der Frühzeit zur Entwicklung des Terrorismus. Terroristen wachsen ja nicht auf den Bäumen, sie sind Produkte der Gesellschaft.

        endar
        Republicans hate ducklings!

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          #5
          Ich hab über diese ganze RAF-Kiste in der Schule nie was gehört, find das Thema aber wahnsinnig spannend und hab da im letzten halben Jahr auch son paar Dokus zu gesehen.

          Was die Bundesregierung angeht: Also sowas is sicher leicht zu sagen, aber ich denke die Argumentationskette, das man mit solchen Terroristen nicht verhandelt um Nachahmer erst garnichtzu motivieren finde ich schon richtig und seitdem hat es ja auch soweit ich weiß in Deutschland niemand mehr versucht mittels Entführung große politische Entsche3idungen rückgängig zu machen (gut, es gab noch diese eine große entfühung in den 80ern, die ja zu eienm Fest der Reporter wurde...Stichwort: Remscheid???).
          Also ich denke nüchtern betrachtet hat die Politik das richtige gemacht, zumal es doch vor Schleyer noch einen ähnlichen Fall gab (da war doch noch son Brand in der schwedischen Botschaft und dazu noch ne Entführung wenn ich mich nich irre) und man damals noch verhandelt hatte...

          Das Baader, Enslin und Raspel ermordet wurde, daran glaub ich nicht und is ja IMO soweit ich weiß auch nur noch Legende...aber mein Gott, vielleicht wurden die Beweise, dass die Waffe eingeschmuggelt wurde auch nur gefälscht, aber an so große Verschwörungstheorien glaub ich ja nicht.

          Was ich ja viel krasser finde ist, das die extra für den Prozess nen neues Gericht neben Stamheim gebaut haben und sogar noch nen neues Gesetz im bundestag durchgepaukt wurde, nur extra für diesen Fall!
          Vielleicht könntet ihr darauf nochmal speziell eingehen, das mit dem Gesetz war doch wohl ziemlicher Streitpunkt in der Gesellschaft damals oder? So Stichwort Polizeistaat.

          Und woher kommt eigentlich die Bezeichnung "Deutschland im Herbst"...nur von den Geschehnissen 1977 (wie es derThreadtitel vermuten lässt) oder hat das einen anderen Ursprung??

          Mich würd ja auch mal interessieren, wie damals die Stimmung in der Bevölkerung war, bevorzugt in linken Unikreisen, die mit der RAF sympatisierten...herrschte da Aufbruchsstimmung oder oder war das er Apathie und pure Auflehnung gegen das System??

          und zu guter letzt: Was hat Stefan Aust mit den Kindern von Ulrike Meinhof zutun??
          "Also wahrscheinlich werde ich heute abend defnitiv nicht zurückschreiben können..."
          "Da werd' ich vielleicht wahrscheinlich ganz sicher möglicherweise definitiv mit klarkommen."

          Member der NO-Connection!!

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            #6
            Hi,

            also ich ahbe heute Fliege-Die Talkshow angeschaut, und dort war ein RAF Terrorist. Und die Tochter des ermordeten Chauffeurs von Schleyer.
            Sie haben ein wenig gerdet... Ein sehr trauriges Thema, hat juemand von euch noch "Fliege" angeschaut?


            Im vorzeitigen Ruhestand.

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              #7
              notsch, ich glaube es heisst "Deutscher Herbst" und lag daran, daß die Schleyerentführung/ermordung nicht der einzige Vorfall in diesem Jahr war, das war die Zeit wo die Polizisten Strrassenkontrollen nur noch mit Kugelsicherer Weste und vorgehaltener Uzi gemacht haben usw.

              Ich finde es schlimm, wie weit einige Menschen bereit sind zu gehen. Sowohl die Terroristen, als auch die Machtpolitiker, denen nichts besseres einfiel, als den Terroristen das zu geben was sie wollten: Eine Reaktion, die alle Bürger unfrei(er) machte.

              Und eigentlich seit letztem September wieder erschreckend aktuell: Was darf man tun, um Terrorakte zu verhindern? Ist mir aber zu heavy für ne Diskussion dieser Stoff.
              »We do sincerely hope you'll all enjoy the show, and please remember people, that no matter who you are, and what you do to live, thrive and survive, there are still some things that make us all the same. You, me, them, everybody!«

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                #8
                Original geschrieben von Sternengucker

                Ich finde es schlimm, wie weit einige Menschen bereit sind zu gehen. Sowohl die Terroristen, als auch die Machtpolitiker, denen nichts besseres einfiel, als den Terroristen das zu geben was sie wollten: Eine Reaktion, die alle Bürger unfrei(er) machte.
                Hm wo wurden die Bürger unfreier. Ok es gab den Radikalenerlass, aber der war IMHO wirklich gerechtfertigt. Ok der Prozeß in Stammheim war eine ungerechtfertigte Extrawurst für diese einfachen Räuber und Mörder. Man hätte sie genauso behandeln sollen, wie die anderen Insassen und nicht besser.

                Ich will hier mal eine Lanze für meinen Lieblingskanzler Helmut Schmidt brechen. Er hat das getan, was sich das "Weichei" Brandt nicht traute, nämlich diesen Irren entgegen zu treten, sie zu jagen und zur Strecke zu bringen. Das erfordert politischen Mut wie es ihn heute IMHO nicht mehr gibt. Aber ich schweife ab.

                Das es kein Mord war wird ja zB von Boog inzwischen bestätigt und die einzige Überlebende dieser Nacht in Stammheim (Möller) schweigt ja noch immer.

                Und was man gegen Terror tun kann? Imho gar nichts. Ein entschlossener Terrorist ist nicht zu stoppen, schon gar nicht, wenn er seinen Tot in Kauf nimmt. Nicht mal die Israelis schaffen das und dort herrscht ja wirklich Big Brother.
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                  #9
                  Orginal geschrieben von Sternengucker
                  [... die Machtpolitiker, denen nichts besseres einfiel, als den Terroristen das zu geben was sie wollten: Eine Reaktion, die alle Bürger unfrei(er) machte.
                  Na ja, die RAF wollte sicher niemanden unfreier machen, im Gegenteil. Das Problem der RAF war, dass sie den ArbeiterInnen und Angestellten nicht zutrauten etwas an den Verhältnissen in der BRD zu ändern. Sie wurden alle als vom Imperialismus gekauft angesehen. Deshalb setzten sie sich nicht dafür ein, die Arbeiterklasse politisch (NICHT militärisch) zu mobilisieren, z.B. Streiks gegen die Ende der 70er beginnenden Sozialabbau zu organisieren.

                  Die RAF hielt sich für eine Avangarde, ihre Aktionen sollte dem Rest ein Vorbild sein. Ihre frühen Aktion sollte symbolisch zeigen, dass die BRD nicht frei und demokratisch IST. Durch ihre elitäre Taktik (als erleuchtete Stellvertreter für die Interessen der Unterdrückten) isolierten sie sich aber immer mehr und sahen schliesslich nur noch den militärischen Kampf. Der grösste Teil der Attentate und Entführungen der späten Jahre hatte das Ziel Gefangene zu befreien, nicht mehr etwas politisch zu erreichen.

                  Das Problem der Linken war, dass sie sich entweder nicht auf die Arbeiterklasse als reale - aber zu der Zeit passive - Kraft stützte, sondern auf symbolische Aktion einer kleinen Minderheit setzte. Andererseits wurden übertriebene Erwartung die ArbeiterInnen gepflegt. Als dann Ende der 70er die Arbeitslosigkeit stieg, die SPD den Lebensstandard der Menschen begann anzugreifen, löste dies eine Desorientierung innerhalb der Gewerkschaften aus, die Streikzahlen gingen drastisch zurück, worin sich die Linken, die den elitären Strategien anhingen, bestärkt fühlten.

                  Die SPD nutzte damals die RAF als Vorwand um gegen die Linke (studentische Gruppen, wie die K-Gruppen) vorzugehen, massig Berufsverbote durchzusetzen und Gesetze zu erlassen, die polizeistaatliche Massnahmen erlaubten. Diese Gesetze wurden nach der Auflösung der RAF nie aufgehoben, im Gegenteil sie werden heute noch verschärft. Diese Massnahmen dienen auch heute nicht gegen Terroristen, sondern vorsorglich als Massnahmen gegen soziale Proteste erlassen. Keine der Gesetze hätte irgendwas gegen Leute, wie am 11.9 bewirkt.

                  Mal kurz noch zu der Gedenkfeier für Schleyer (hatte der nicht auch 'ne Nazi-Vergangenheit ?):
                  Bundespräsident Rau hat sich gegen politisch motivierte Gewalt ausgesprochen. Soweit so gut. ABER: er ist für den verstärkten Anti-Terror-Kampf. Und das soll keine politische Gewalt sein ?!? (s. Afghanistan !!). Und dies sagt jemand, in dessen Zeit zwei Angriffskriege (eigentlich ja verfassungswiedrig mit lebenslanger Strafe!) geführt wurden: die Angriffe auf Jugoslavien und Afghanistan !! Ich sage: typisch bürgerlicher Pazifist !! Dies sind die Typen, die jede Gewalt gegen ihren Staat ablehnen und jede Gewalt ihres Staates rechtfertigen !!
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                    #10
                    Orginal geschrieben von Direwolf
                    Ok es gab den Radikalenerlass, aber der war IMHO wirklich gerechtfertigt.
                    Durch was bitte ? Diesen Erlass hat die gesamte sozialistische Linke betroffen, die meisten waren davon gegen terroristische Strategien !!

                    Und was man gegen Terror tun kann? Imho gar nichts. Ein entschlossener Terrorist ist nicht zu stoppen, schon gar nicht, wenn er seinen Tot in Kauf nimmt. Nicht mal die Israelis schaffen das und dort herrscht ja wirklich Big Brother.
                    Das stimmt !! Israel ist echt ein gutes Beispiel, dass der krasseste Polizeistaat ohne jede Rücksicht auf Menschenrechte und rechtsstaatliche Grundsätze nichts gegen Terroristen ausrichten kann.
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                      #11
                      Original geschrieben von max

                      Durch was bitte ? Diesen Erlass hat die gesamte sozialistische Linke betroffen, die meisten waren davon gegen terroristische Strategien !!
                      Gegenfrage, warum sollte man jemanden in den Staatsdienst aufnehmen, der die freiheitlich demokratische Grundordnung ablehnt ? Daher ist ein DKPL'er nun einmal vollkommen ungeeignet eine hoheitliche Aufgabe wahrzunehmen. Das hat was mit antidemokratischer Gesinnung zu tun, nicht mit Strategie. Ob die Anwendung auf Briefträger sinnvoll war ist jedoch diskutabel.

                      Nächster Punkt. Die Diktion "militärisch" auf die RAF anzuwenden halte ich für groben semantischen Mißbrauch. Diese Leute waren keine Soldaten, sondern feige Mörder. Ich zumindest ziehe hier einen klaren Trennstrich und denke das Tucholsky ziemlich daneben lag.

                      Oh man jetzt muß ich schon die SPD verteidigen
                      Also der Lebensstandart wurde Ende der 70ér nicht angegriffen, sondern stieg immer schön weiter, nur halt langsamer als vor den Ölkrisen. Zweitens gehen Streikzahlen im Abschwung immer zurück, weil die Arbeiter wissen, das sie sich damit selber schaden würden. Das hat doch nichts mit "desorientierten Gewerkschaften" zu tun.

                      Vorsorgliche Erlasse gegen soziale Proteste ?? Also bitte, das mußt mal erläutern. Unser Recht ist bei demonstrationen etc. so liberal, das man nicht mal die 1. Mai Auftritte in Berlin oder NS Aufmärsche verbieten kann. Die Gesetze richten sich gegen diese Sektierer (wie zB die K Gruppen oder PKK es waren), die sich in der Tat in eine neue Terrororganisation wandeln könnten.
                      Zuletzt geändert von Direwolf; 22.10.2002, 12:54.
                      LANG LEBE DER ARCHON

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                        #12
                        Original geschrieben von Direwolf
                        PS: Wollte eigentlich noch was zu dem Geschwätz über Angriffskriege schreiben, aber da fehlt mir heute die Zeit zu.
                        Ich möchte doch eben einmal darauf hinweisen, dass hier bitte die Beiträge von anderen nicht als "Geschwätz" bezeichnet werden sollen.

                        Zu dem Radikalenerlass:
                        Ganz sicher stellten die Ereignisse der frühen Siebziger eine Einschränkung bürgerlicher Freiheiten dar. Dazu zählt auch der Radikalenerlass. Personen aufgrund einer politischen Einstellung aus der Beamtenschaft auszuschließen war ja nur wieder einmal ein Versuch, Beamte politisch gefügig zu halten.
                        Man darf auch nicht vergessen, dass die Gründung der DKP erst "gerade" von der großen Koalition gebilligt worden war, auch wenn die KPD als verfassungsfeindlich weiterhin verboten blieb. Die DKP jedenfalls sah man nicht als Bedrohung an, da sich die Anziehungskraft des Kommunismus in der Bundesrepublik durch die Existenz der DDR auf Null reduziert hatte. Die Anfänge dieser "Abgrenzungspolitik", sowie der Radikalenerlass selbst fallen in die Regierungszeit von Brandt, nicht in die von Schmidt. Der Radikalenerlass vom Januar 1972 beinhaltete, dass jeder Beamte jederzeit für die freiheitliche Grundordnung eintreten müsse. Er barg die Gefahr von "Gesinnungsschnüffelei" (Wehner) dabei jederzeit in sich und setzte zahlreiche Beamte unter realen persönlichen Druck. Eine Mitgliedschaft in verfassungsfeindlichen Organisationen (zu denen auch die gerade erst wieder zugelassene DKP zählte) reicht aus, um ein Berufsverbot auszusprechen. Die mit dem Erlass verbundenen "Regelanfragen" beim Verfassungsschutz schadteten eher als sie nützen. Zum einen verschafften sie der DKP eine Märtyrerrolle, zum anderen setzten sie die Koalition aus SPD und FDP unter eine stetige Auseinandersetzung um die innere Liberalität des Staates.
                        Warum also der Radikalenerlass? Seine Ursachen sind andere - er sollte die Ratifizierung der Ostverträge innenpolitisch absichern (vgl. Tränhardt, Geschichte Bundesrepublik Deutschland, S. 205f. )
                        Der Radikalenerlass trat zu einer individuell empfunden Terrorismusbedrohung und dem Rufen nach einem starken Staat. In diesem Klima reichten schon Mahnungen und Aufforderungen zum Nachdenken aus, um jemanden wie Heinrich Böll zum Sympatisanten der RAF zu machen. Insgesamt blieb die Reaktion von Staat, Parteien und Gesellschaft auf den Terrorismus unglücklich.
                        Republicans hate ducklings!

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                          #13
                          Original geschrieben von endar


                          Ich möchte doch eben einmal darauf hinweisen, dass hier bitte die Beiträge von anderen nicht als "Geschwätz" bezeichnet werden sollen.

                          Zu dem Radikalenerlass:
                          Ganz sicher stellten die Ereignisse der frühen Siebziger eine Einschränkung bürgerlicher Freiheiten dar. Dazu zählt auch der Radikalenerlass. Personen aufgrund einer politischen Einstellung aus der Beamtenschaft auszuschließen war ja nur wieder einmal ein Versuch, Beamte politisch gefügig zu halten.
                          Man darf auch nicht vergessen, dass die Gründung der DKP erst "gerade" von der großen Koalition gebilligt worden war, auch wenn die KPD als verfassungsfeindlich weiterhin verboten blieb. Die DKP jedenfalls sah man nicht als Bedrohung an, da sich die Anziehungskraft des Kommunismus in der Bundesrepublik durch die Existenz der DDR auf Null reduziert hatte. Die Anfänge dieser "Abgrenzungspolitik", sowie der Radikalenerlass selbst fallen in die Regierungszeit von Brandt, nicht in die von Schmidt. Der Radikalenerlass vom Januar 1972 beinhaltete, dass jeder Beamte jederzeit für die freiheitliche Grundordnung eintreten müsse. Er barg die Gefahr von "Gesinnungsschnüffelei" (Wehner) dabei jederzeit in sich und setzte zahlreiche Beamte unter realen persönlichen Druck. Eine Mitgliedschaft in verfassungsfeindlichen Organisationen (zu denen auch die gerade erst wieder zugelassene DKP zählte) reicht aus, um ein Berufsverbot auszusprechen. Die mit dem Erlass verbundenen "Regelanfragen" beim Verfassungsschutz schadteten eher als sie nützen. Zum einen verschafften sie der DKP eine Märtyrerrolle, zum anderen setzten sie die Koalition aus SPD und FDP unter eine stetige Auseinandersetzung um die innere Liberalität des Staates.
                          Warum also der Radikalenerlass? Seine Ursachen sind andere - er sollte die Ratifizierung der Ostverträge innenpolitisch absichern (vgl. Tränhardt, Geschichte Bundesrepublik Deutschland, S. 205f. )
                          Der Radikalenerlass trat zu einer individuell empfunden Terrorismusbedrohung und dem Rufen nach einem starken Staat. In diesem Klima reichten schon Mahnungen und Aufforderungen zum Nachdenken aus, um jemanden wie Heinrich Böll zum Sympatisanten der RAF zu machen. Insgesamt blieb die Reaktion von Staat, Parteien und Gesellschaft auf den Terrorismus unglücklich.
                          kk habs wegeditiert auch wenn mir zu diesem Teil des Beitrags einfach keine bessere Beschreibung einfällt.
                          Aber deine Ansicht zum Radikalenerlass kann ich nicht teilen. Das mal ganz davon losgelöst, mit welcher Intention er eingeführt wurde. Weshalb sollte jemand, der eine offen antidemokratische Gesinnung an den Tag legt (zB durch DKP Mitgliedschaft), denn bitte in den Staatsdienst dürfen. Ich kann nicht ganz einsehen, das zB ein Lehrer, der ja auch immer einen gewissen Einfluß auf die Schüler hat, als Funktionär in der NPD oder DKP arbeiten darf.

                          Wie ich schon sagt bei den Briefträger finde ich es auch etwas übertrieben.

                          Und sicherlich war die Antwort auf den Terror nicht so perfekt, aber gibt es denn darauf eine perfekte Antwort ? Ich für meinen Teil hab kA was ich an der Stelle der damals Verantwortlichen hätte tun sollen und bin ganz froh das ich nicht in ihrer Haut steckte.
                          LANG LEBE DER ARCHON

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                            #14
                            Ein Problem, welches den Terrorismus überhaupt erst möglich machte, war die Reaktion des Staates und der bestimmenden Kräfte auf die Studentenproteste in den 60ern.
                            D.h. die weitreichensten Fehler wurden bereits vor Gründung der RAF begangen. Wenn z.B. Schmidt sich während der Großen Koalition vor den Bundestag stellte und verlangte, dass die Studenten erstmal "was leisten" sollten, bevor sie anfingen, Kritik zu üben - und Schmidt stand hier stellvertretend für die allgemeine Meinung zu dem Thema - so hat er (und viele andere) durch seine Haltung von vornherein eine Deskalation, bzw. einen Ausgleich verhindert.
                            Mangelnde innere Demokratie, die hier (und durch andere Ereignisse) zum Vorschein kam, die fehlende Auseinandersetzung mit der Vergangenheit trugen ihren Teil zum Nährboden bei, der dann zum Terrorismus führte. Dazu schrieb ich ja schon was in diesem Thread.

                            Die RAF wuchs ja nicht auf den Bäumen und sie gründete sich auch nicht erst 1968. Nicht jedes Land, welches eine 68er Bewegung hatte, hatte auch eine terroristische Bewegung.

                            endar
                            Republicans hate ducklings!

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                              #15
                              Original geschrieben von Direwolf
                              Hm wo wurden die Bürger unfreier.
                              Rasterfahndung und MP-bewaffnete Polizeikontrollen hat es vorher eindeutig nicht gegeben. Das ist schon ein Umbruch gewesen, auch wenn es von den Verhältnissen in Israel in der Tat noch zig Meilen weit weg ist.

                              Aber wenn man es mit Adm. Satie hält (, danke endar, hab die beiden echt verwechselt. aber das ist keine ST Erfindung sondern ein Zitat und ich kenne leider den Ursprung dieses Zitates aus TNG (den Ursprung in der Realität) nicht) Mit dem ersten Glied ist die Kette geschmiedet, also mit dem ersten Schritt bereitet man den Boden für das weitere vor (Anti-Terror/SIcherheitspaket 1 und 2 nach dem 11.9. - relativ harmlose Maßnahmen, aber ohne WTC undenkbar) und wenn man schon mal angefangen hat wird das "aber um wirklich sicher zu sein müssen wir auch noch das und das einschränken" viel einfacher als wenn der erste Schritt ausgeblieben wäre.

                              Vielleicht war es in der damaligen Situation wirklich das Beste, was man machen konnte, aber es hinterläßt teilweise auch einen schalen Beigeschmack, daß man sich den Zielen der Attentäter soweit gebeugt hat. Denn es ist ja wohl unumstritten, daß Terror haupsächlich das Ziel hat, den Gegner zu Repressalien gegen die gesamte Bevölkerung zu zwingen, damit die "Bewegung" weiteren Zulauf erhält, bzw irgendwann eine Volksbewegung entstehen kann/wird.
                              Ob das jetzt illusorisch ist oder nicht, ein Motiv ist es auf jeden Fall und mit den Maßnahmen die man trifft fällt man voll in diese Falle rein. Und das noch in dem Gefühl der Stärkere zu sein, weil man handelt....
                              Zuletzt geändert von Sternengucker; 22.10.2002, 23:18.
                              »We do sincerely hope you'll all enjoy the show, and please remember people, that no matter who you are, and what you do to live, thrive and survive, there are still some things that make us all the same. You, me, them, everybody!«

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