13. März 1920:
Lüttwitz-Kapp-Putsch in Berlin
Um 4 Uhr morgens marschiert die Marinebrigade Erhardt (benannt nach ihrem Gründer Hermann Erhart) unter dem Kommando von Reichswehrgeneral von Lüttwitz mit Hakenkreuzen auf den Stahlhelmen in Berlin ein, besetzen alle Ministerien und setzen den konservativen ostspreußischen Generallandschaftsdirektor Kapp als Regierungschef ein. Das Kampflied der Aufständischen lautet:
Die Putschisten schlugen früher als geplant los, da die Siegermächte des 1. Weltkriegs die Auflösung der 6000 Mann starken Brigade Erhardt, die ein Teil der auf dem Baltikum aktiven Freikorps war, gefordert hatten.
Dieser Putsch hatte sich aber schon die Monate zuvor angekündigt. General von Lüttwitz hatte dem SPD-Kriegsminister Gustav Noske selbst im Juni 1919 eine Diktatur vorgeschlagen. Noske ging noch Stunden vor dem Putsch von der Loyalität der Generäle aus. Aber sowohl die Reichswehr, als auch die Polizei weigerte sich die Regierung zu verteidigen, die daraufhin über Dresden nach Stuttgart floh. Der Chef des Allgemeinen Truppenamts und spätere Oberkommandierende der Reichswehr General Hans von Seeckt sagte: „Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr.“
Die Truppen, die Noske zuvor aufgebaut und eingesetzt hatte, um die revolutionäre Arbeiterbewegung blutig zu unterdrücken, und die in den Monaten zuvor über 20 000 Menschen umgebracht hatten, fielen jetzt über den „Bluthund“ (Noske über sich selbst) her. Die maßgeblich beteiligten Offizieren hatten sich bereits im Kampf gegen die Revolutionäre hervorgetan: Marineoffizier Erhardt hatte auf dem Baltikum gegen die russische Revolution gekämpft, von Lüttwitz die Aktionen gegen die ArbeiterInnen in Berlin im Januar und März 1919 geleitet, Pabst war in die Morde an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verwickelt und Oven leitete die Niederschlagung der Bayerischen Räterepublik, an der auch die Brigade Erhart teilnahm. Die Putschisten glaubten deshalb, dass Ebert und Noske die neue konterrevolutionäre Regierung unterstützen würden.
Reichspräsident Ebert und Noske hatten in den Monaten zuvor alles dafür getan, den kaiserlichen Staats- und Verwaltungsapparat zu retten und dafür gesorgt, dass er der direkten Kontrolle der Bevölkerung entzogen war. Sie hatten geholfen, dass fast das gesamte Offizierskorps an monarchistischen und konservativen Prinzipien festhalten konnte. Ebert und Noske gingen nicht so weit den Putsch zu unterstützen, aber sie hatten auch nicht die Macht ihn zu stoppen. Die Mehrheit der Militärs, der Kapitalisten und der bürgerlichen Parteien sympathisierten mit den Putschisten, wartenden aber passiv ab, ob der Putsch erfolgreich sein würde.
Die Gewerkschaftsfunktionäre waren aber in einer anderen Lage. Sie hatten nicht nur ihre Glaubwürdigkeit, sondern auch die Möglichkeit gewerkschaftlich und politisch aktiv zu sein, zu verlieren. Ausgehend von dem Chef des Gewerkschaftsbundes ADGB Legien wurde ein Generalstreik organisiert. Auf dem Aufruf waren auch die Unterschriften der SPD-Regierungsmitglieder und des SPD-Vorsitzenden Otto Wels, wobei Noske und Reichskanzler Gustav Bauer sich bezeichnenderweise davon distanzierten. Der Aufruf wurde am 13.März um 11 Uhr herausgegeben. Mittags begann der Streik und breitete sich auf das ganze Land aus: auf das Ruhrgebiet, Sachsen, Thüringen, Hamburg, Bremen, Bayern und sogar auf die ostpreußischen Landgüter. An dem Generalstreik beteiligten sich nicht nur IndustriearbeiterInnen, sondern auch zum ersten Mal auf der Seite der Linken auch viele der traditionell konservativen Angestellten und Beamten.
Angesichts der Erfahrungen mit den Militärs während der Streiks in den Monaten zuvor, bewaffneten sich die Arbeiter. Sie sahen, dass es der Revolution von 1918/19 nicht gelungen war den alten reaktionären Apparat zu entfernen. Im Ruhrgebiet entstand eine „Rote Ruhrarmee“ mit 50.000 Mann unter Waffen, die das Militär aus dem Ruhrgebiet vertrieben, wobei es besonders schwere Kämpfe um Dortmund und Essen gab.
Auch Mitteldeutschland bewaffneten sich die Arbeiter. Arbeiter übernahmen die Kontrolle über alle größeren Städte in Thüringen bis auf Erfurt. Auch in Sachsen wurden mehrere kleine Städte kontrolliert. In Chemnitz wurde ein Arbeiterrat gewählt, der die Kontrolle übernahm. Im sächsischen Plauen rief der als „Roter Robin Hood“ verehrte Max Hoelz die Räterepublik aus und kontrollierte bis Mitte April das Vogtland. Trotz einer relativ starken Arbeiterbewegung gelang es aber nicht, Leipzig zu kontrollieren. Auch Dresden blieb unter Kontrolle der Reichswehr.
In Norddeutschland wurde in Wismar eine Räterepublik ausgerufen. Rostock wurde von einer bewaffneten Arbeiterwehr kontrolliert. In Kiel meuterten die Matrosen gegen ihre Offiziere und unterstützten die Arbeiter in den Kämpfen. In den beiden Zentren der Revolution von 1918/19 - Hamburg und Bremen - blieb es dagegen relativ ruhig.
Auch in Berlin blieb trotz einzelner Aufstände in den Arbeitervierteln relativ ruhig. In den landwirtschaftlich geprägten Gegenden östlich der Elbe, wo die Putschisten die größte Unterstützung erwartet hatten, beteiligten sich die LandarbeiterInnen an dem Streik und entwaffneten Militärs und Polizei. Auch die Eisenbahner streikten deutschlandweit, womit die Verlagerung von Truppen für die Reichswehr massiv behindert wurde.
Kapp konnte gegen den bewaffneten Generalstreik nichts ausrichten, obwohl er über die Reichswehr und die Freikorps verfügen konnte. Er drohte mit der Erschießung aller Streikenden, zog aber den Befehl zurück, als er sah, dass er ihn nicht durchsetzen konnte. Zusätzlich zum Streik weigerten sich große Teile der Ministerialbürokratie, den Anweisungen Kapps Folge zu leisten. Der „starke Staat“, auf den sich Kapps „Regierung der Tat“ stützen sollte, konnte nichts durchsetzen. Als ein Teil der Truppen in Berlin gegen die Offiziere meuterte und die Polizei die Seite zu wechseln begann, brach der Putsch am 17. März zusammen.
Damit war aber noch nicht der Streik beendet. Die reaktionären Generäle hatten mit ihren Anstrengungen, die Reste der alten Revolution von 1918/19 zu beerdigen, die Anfänge einer neuen Revolution losgetreten. Forderungen nach einer Entwaffnung des Bürgertums, der Entfernung der Putschisten und ihrer Sympathisanten aus dem Staatsapparat und die Bildung einer Arbeiterregierung wurden von der Seite der streikenden ArbeiterInnen gestellt. Legien formulierte vage Forderungen („9 Punkte-Programm“) an die Regierung und rief auf deren Grundlage am 20.3. zur Beendigung des Streiks auf. Gleichzeitig führte er Gespräche über die Bildung einer Arbeiterregierung. Aber die umgebildete Regierung aus SPD, DDP und Zentrum ging auf keine diese Forderungen ein. Der Staatsapparat blieb von Reaktionären durchsetzt, was sich 1933 bitter rächen sollte. Zwar wurde gegen ein Teil der Offiziere, die den Putsch aktiv unterstützt hatten, Anklage erhoben, aber nur einer wurde verurteilt. Hermann Erhart konnte nach Bayern fliehen, wo er nicht weiter verfolgt wurde, und Teile seiner aufgelösten Brigade in die Organisation Consul, den späteren Wiking-Bund, umwandelt. Die Mitglieder des "Wiking-Bunds" waren für die Ermordung von Finanzminister Matthias Erzberger, Außenminister Walther Rathenau und für zahlreiche andere politische Morde verantwortlich.
Der Streik brach zusammen, obwohl keine der Forderungen erreicht waren und ein erneuter Versuch der Rechten das Rad der Geschichte zurückzudrehen nicht auszuschließen war. Jetzt rächte es sich, dass es die Linke versäumt hatte eine zentrale Struktur aufzubauen, die die Aktivitäten koordinieren und ein Gegengewicht zu der Regierung hätte darstellen können. Einzelne Regionen beendeten den Streik, die anderen wurden isoliert und brutal mit Massenerschießungen von der Reichswehr niedergeschlagen. Die Initiative ging verloren, und damit auch das Selbstbewußtsein der Streikenden. Die linken Parteien waren nicht in der Lage, auf den Ausverkauf des Streiks durch Legien zu reagieren, noch konnten sie eine Antwort auf seine Versuche, eine Arbeiterregierung zu bilden geben. Deshalb konnte die SPD die Initiative wieder übernehmen und bildete die Regierung nicht nach links, sondern nach rechts um. Die Ereignisse lösten eine massive Desillusionierung mit der SPD aus, aber auch sich ausbreitende Frustration. Die Rechte konnte deshalb bei der Reichstagswahl am 6. Juni 1920 hinzugewinnen, während die Regierungsparteien massiv Stimmen verloren. Am härtesten wurde die SPD getroffen: ihr Anteil sank von 37,1% auf 21,7%, während der Anteil der USPD von 7,6% auf 17,9% stieg. Eine Mehrheit der USPD schloß bald darauf der KPD an.
Die Ereignisse des März 1920 in Deutschland bei der Abwehr des Kapp-Putsches ähnelten in bemerkenswerter Weise denen in Rußland im August 1917 bei Abwehr des Kornilow-Putsches. In Rußland führte dies zu einer massiven Stärkung der Bolschewiki, die die Mehrheit gewinnen und damit die Macht übernehmen konnten. Warum konnte die Linke in Deutschland nicht von den Erfolgen bei der Abwehr des Putsches profitieren, obwohl für sie die Rahmenbedingungen eher besser waren? Die revolutionäre Linke in Deutschland war damals gespalten. Ein Teil war in der USPD, die zwar eine Massenpartei darstellte, sich aber aufgrund der Gegensätze zwischen dem rechten und dem linken Flügel vor allem durch Schwankungen auszeichnete, und deshalb kaum in der Lage war, eine vorantreibende Rolle zu spielen. Die KPD war damals eben erst gegründet worden und zeichnete sich durch Unorganisiertheit und Unerfahrenheit aus, was noch durch die Ermordung erfahrener KommunistInnen wie Luxemburg und Liebknecht verschlimmert wurde. Die KPD hinkte, insbesondere in Berlin, meist den Ereignisse hinterher und es gelang ihr deshalb nicht eine Mehrheit für ihre Politik zu gewinnen (eine nennenswerte Ausnahme war die KPD in Chemnitz, die eine Mehrheit für ihre Politik gewinnen konnte und zu stärksten Arbeiterpartei wurde). Zudem war sie durch ihre starke Bindung an die russischen Bolschewiki diskreditiert, von denen sich große Teile der Linken auch außerhalb der SPD distanzierten.
Die brutale Unterdrückung der Versuche der ArbeiterInnen, soziale und demokratische Emanzipation zu erkämpfen, und die gleichzeitige Ablehnung der Demokratie durch die Mehrheit der Bürgerlichen und der Generäle, führte dazu, dass die Weimarer Republik auf tönernen Füßen stand, was sich 1933 zeigen sollte.
(von max, assistiert von Jack)
Stern-Artikel zu dem Thema.
Lüttwitz-Kapp-Putsch in Berlin
Um 4 Uhr morgens marschiert die Marinebrigade Erhardt (benannt nach ihrem Gründer Hermann Erhart) unter dem Kommando von Reichswehrgeneral von Lüttwitz mit Hakenkreuzen auf den Stahlhelmen in Berlin ein, besetzen alle Ministerien und setzen den konservativen ostspreußischen Generallandschaftsdirektor Kapp als Regierungschef ein. Das Kampflied der Aufständischen lautet:
"Hakenkreuz am Stahlhelm,
schwarz-weiß-rotes Band,
die Brigade Ehrhardt
werden wir genannt.
Die Brigade Ehrhardt
schlägt alles kurz und klein,
wehe Dir, wehe Dir,
du Arbeiterschwein.“
schwarz-weiß-rotes Band,
die Brigade Ehrhardt
werden wir genannt.
Die Brigade Ehrhardt
schlägt alles kurz und klein,
wehe Dir, wehe Dir,
du Arbeiterschwein.“
Dieser Putsch hatte sich aber schon die Monate zuvor angekündigt. General von Lüttwitz hatte dem SPD-Kriegsminister Gustav Noske selbst im Juni 1919 eine Diktatur vorgeschlagen. Noske ging noch Stunden vor dem Putsch von der Loyalität der Generäle aus. Aber sowohl die Reichswehr, als auch die Polizei weigerte sich die Regierung zu verteidigen, die daraufhin über Dresden nach Stuttgart floh. Der Chef des Allgemeinen Truppenamts und spätere Oberkommandierende der Reichswehr General Hans von Seeckt sagte: „Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr.“
Die Truppen, die Noske zuvor aufgebaut und eingesetzt hatte, um die revolutionäre Arbeiterbewegung blutig zu unterdrücken, und die in den Monaten zuvor über 20 000 Menschen umgebracht hatten, fielen jetzt über den „Bluthund“ (Noske über sich selbst) her. Die maßgeblich beteiligten Offizieren hatten sich bereits im Kampf gegen die Revolutionäre hervorgetan: Marineoffizier Erhardt hatte auf dem Baltikum gegen die russische Revolution gekämpft, von Lüttwitz die Aktionen gegen die ArbeiterInnen in Berlin im Januar und März 1919 geleitet, Pabst war in die Morde an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verwickelt und Oven leitete die Niederschlagung der Bayerischen Räterepublik, an der auch die Brigade Erhart teilnahm. Die Putschisten glaubten deshalb, dass Ebert und Noske die neue konterrevolutionäre Regierung unterstützen würden.
Reichspräsident Ebert und Noske hatten in den Monaten zuvor alles dafür getan, den kaiserlichen Staats- und Verwaltungsapparat zu retten und dafür gesorgt, dass er der direkten Kontrolle der Bevölkerung entzogen war. Sie hatten geholfen, dass fast das gesamte Offizierskorps an monarchistischen und konservativen Prinzipien festhalten konnte. Ebert und Noske gingen nicht so weit den Putsch zu unterstützen, aber sie hatten auch nicht die Macht ihn zu stoppen. Die Mehrheit der Militärs, der Kapitalisten und der bürgerlichen Parteien sympathisierten mit den Putschisten, wartenden aber passiv ab, ob der Putsch erfolgreich sein würde.
Die Gewerkschaftsfunktionäre waren aber in einer anderen Lage. Sie hatten nicht nur ihre Glaubwürdigkeit, sondern auch die Möglichkeit gewerkschaftlich und politisch aktiv zu sein, zu verlieren. Ausgehend von dem Chef des Gewerkschaftsbundes ADGB Legien wurde ein Generalstreik organisiert. Auf dem Aufruf waren auch die Unterschriften der SPD-Regierungsmitglieder und des SPD-Vorsitzenden Otto Wels, wobei Noske und Reichskanzler Gustav Bauer sich bezeichnenderweise davon distanzierten. Der Aufruf wurde am 13.März um 11 Uhr herausgegeben. Mittags begann der Streik und breitete sich auf das ganze Land aus: auf das Ruhrgebiet, Sachsen, Thüringen, Hamburg, Bremen, Bayern und sogar auf die ostpreußischen Landgüter. An dem Generalstreik beteiligten sich nicht nur IndustriearbeiterInnen, sondern auch zum ersten Mal auf der Seite der Linken auch viele der traditionell konservativen Angestellten und Beamten.
Angesichts der Erfahrungen mit den Militärs während der Streiks in den Monaten zuvor, bewaffneten sich die Arbeiter. Sie sahen, dass es der Revolution von 1918/19 nicht gelungen war den alten reaktionären Apparat zu entfernen. Im Ruhrgebiet entstand eine „Rote Ruhrarmee“ mit 50.000 Mann unter Waffen, die das Militär aus dem Ruhrgebiet vertrieben, wobei es besonders schwere Kämpfe um Dortmund und Essen gab.
Auch Mitteldeutschland bewaffneten sich die Arbeiter. Arbeiter übernahmen die Kontrolle über alle größeren Städte in Thüringen bis auf Erfurt. Auch in Sachsen wurden mehrere kleine Städte kontrolliert. In Chemnitz wurde ein Arbeiterrat gewählt, der die Kontrolle übernahm. Im sächsischen Plauen rief der als „Roter Robin Hood“ verehrte Max Hoelz die Räterepublik aus und kontrollierte bis Mitte April das Vogtland. Trotz einer relativ starken Arbeiterbewegung gelang es aber nicht, Leipzig zu kontrollieren. Auch Dresden blieb unter Kontrolle der Reichswehr.
In Norddeutschland wurde in Wismar eine Räterepublik ausgerufen. Rostock wurde von einer bewaffneten Arbeiterwehr kontrolliert. In Kiel meuterten die Matrosen gegen ihre Offiziere und unterstützten die Arbeiter in den Kämpfen. In den beiden Zentren der Revolution von 1918/19 - Hamburg und Bremen - blieb es dagegen relativ ruhig.
Auch in Berlin blieb trotz einzelner Aufstände in den Arbeitervierteln relativ ruhig. In den landwirtschaftlich geprägten Gegenden östlich der Elbe, wo die Putschisten die größte Unterstützung erwartet hatten, beteiligten sich die LandarbeiterInnen an dem Streik und entwaffneten Militärs und Polizei. Auch die Eisenbahner streikten deutschlandweit, womit die Verlagerung von Truppen für die Reichswehr massiv behindert wurde.
Kapp konnte gegen den bewaffneten Generalstreik nichts ausrichten, obwohl er über die Reichswehr und die Freikorps verfügen konnte. Er drohte mit der Erschießung aller Streikenden, zog aber den Befehl zurück, als er sah, dass er ihn nicht durchsetzen konnte. Zusätzlich zum Streik weigerten sich große Teile der Ministerialbürokratie, den Anweisungen Kapps Folge zu leisten. Der „starke Staat“, auf den sich Kapps „Regierung der Tat“ stützen sollte, konnte nichts durchsetzen. Als ein Teil der Truppen in Berlin gegen die Offiziere meuterte und die Polizei die Seite zu wechseln begann, brach der Putsch am 17. März zusammen.
Damit war aber noch nicht der Streik beendet. Die reaktionären Generäle hatten mit ihren Anstrengungen, die Reste der alten Revolution von 1918/19 zu beerdigen, die Anfänge einer neuen Revolution losgetreten. Forderungen nach einer Entwaffnung des Bürgertums, der Entfernung der Putschisten und ihrer Sympathisanten aus dem Staatsapparat und die Bildung einer Arbeiterregierung wurden von der Seite der streikenden ArbeiterInnen gestellt. Legien formulierte vage Forderungen („9 Punkte-Programm“) an die Regierung und rief auf deren Grundlage am 20.3. zur Beendigung des Streiks auf. Gleichzeitig führte er Gespräche über die Bildung einer Arbeiterregierung. Aber die umgebildete Regierung aus SPD, DDP und Zentrum ging auf keine diese Forderungen ein. Der Staatsapparat blieb von Reaktionären durchsetzt, was sich 1933 bitter rächen sollte. Zwar wurde gegen ein Teil der Offiziere, die den Putsch aktiv unterstützt hatten, Anklage erhoben, aber nur einer wurde verurteilt. Hermann Erhart konnte nach Bayern fliehen, wo er nicht weiter verfolgt wurde, und Teile seiner aufgelösten Brigade in die Organisation Consul, den späteren Wiking-Bund, umwandelt. Die Mitglieder des "Wiking-Bunds" waren für die Ermordung von Finanzminister Matthias Erzberger, Außenminister Walther Rathenau und für zahlreiche andere politische Morde verantwortlich.
Der Streik brach zusammen, obwohl keine der Forderungen erreicht waren und ein erneuter Versuch der Rechten das Rad der Geschichte zurückzudrehen nicht auszuschließen war. Jetzt rächte es sich, dass es die Linke versäumt hatte eine zentrale Struktur aufzubauen, die die Aktivitäten koordinieren und ein Gegengewicht zu der Regierung hätte darstellen können. Einzelne Regionen beendeten den Streik, die anderen wurden isoliert und brutal mit Massenerschießungen von der Reichswehr niedergeschlagen. Die Initiative ging verloren, und damit auch das Selbstbewußtsein der Streikenden. Die linken Parteien waren nicht in der Lage, auf den Ausverkauf des Streiks durch Legien zu reagieren, noch konnten sie eine Antwort auf seine Versuche, eine Arbeiterregierung zu bilden geben. Deshalb konnte die SPD die Initiative wieder übernehmen und bildete die Regierung nicht nach links, sondern nach rechts um. Die Ereignisse lösten eine massive Desillusionierung mit der SPD aus, aber auch sich ausbreitende Frustration. Die Rechte konnte deshalb bei der Reichstagswahl am 6. Juni 1920 hinzugewinnen, während die Regierungsparteien massiv Stimmen verloren. Am härtesten wurde die SPD getroffen: ihr Anteil sank von 37,1% auf 21,7%, während der Anteil der USPD von 7,6% auf 17,9% stieg. Eine Mehrheit der USPD schloß bald darauf der KPD an.
Die Ereignisse des März 1920 in Deutschland bei der Abwehr des Kapp-Putsches ähnelten in bemerkenswerter Weise denen in Rußland im August 1917 bei Abwehr des Kornilow-Putsches. In Rußland führte dies zu einer massiven Stärkung der Bolschewiki, die die Mehrheit gewinnen und damit die Macht übernehmen konnten. Warum konnte die Linke in Deutschland nicht von den Erfolgen bei der Abwehr des Putsches profitieren, obwohl für sie die Rahmenbedingungen eher besser waren? Die revolutionäre Linke in Deutschland war damals gespalten. Ein Teil war in der USPD, die zwar eine Massenpartei darstellte, sich aber aufgrund der Gegensätze zwischen dem rechten und dem linken Flügel vor allem durch Schwankungen auszeichnete, und deshalb kaum in der Lage war, eine vorantreibende Rolle zu spielen. Die KPD war damals eben erst gegründet worden und zeichnete sich durch Unorganisiertheit und Unerfahrenheit aus, was noch durch die Ermordung erfahrener KommunistInnen wie Luxemburg und Liebknecht verschlimmert wurde. Die KPD hinkte, insbesondere in Berlin, meist den Ereignisse hinterher und es gelang ihr deshalb nicht eine Mehrheit für ihre Politik zu gewinnen (eine nennenswerte Ausnahme war die KPD in Chemnitz, die eine Mehrheit für ihre Politik gewinnen konnte und zu stärksten Arbeiterpartei wurde). Zudem war sie durch ihre starke Bindung an die russischen Bolschewiki diskreditiert, von denen sich große Teile der Linken auch außerhalb der SPD distanzierten.
Die brutale Unterdrückung der Versuche der ArbeiterInnen, soziale und demokratische Emanzipation zu erkämpfen, und die gleichzeitige Ablehnung der Demokratie durch die Mehrheit der Bürgerlichen und der Generäle, führte dazu, dass die Weimarer Republik auf tönernen Füßen stand, was sich 1933 zeigen sollte.
(von max, assistiert von Jack)
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