Pop-Musik anhand ihres Erscheinungsdatums nach Jahrzehnten zu gruppieren und von DEN 60er, 70er und 80ern zu sprechen, hat eine gewisse Tradition. In wenigen Wochen enden die 2010er Jahre. Zeit für ein vorläufiges Fazit von mir:
Richtig viel besonderes fällt mir zur Musik der 2010er nicht ein. Es wurden viele Entwicklungen fortgesetzt, die bereits Ende der 90er oder den 2000ern begonnen hatten. Dazu zählt beispielsweise, dass es eine sehr starke Vereinheitlichung von Mainstream-Musik gibt. Vereinfacht gesprochen: Die Musik, die heute im Radio gespielt wird, klingt irgendwie gleich.
Hier ein interessanter Beitrag zu diesem Thema:
Sehr verblüffend.
Das, was in den 90er Jahren noch als reguläre Musik durchgegangen ist (z.B. R.E.M., Jamiroquai, Neneh Cherry, Björk, Massive Attack), rutscht jetzt in gesellschaftliche Nischen hinein. Diese Nischen werden durchaus mit interessanten Releases bedient, aber die Hörerfahrungen der Menschen entfremden sich dadurch immer weiter voneinander. Bzgl. der wichtigen/besten Songs der 80er Jahre würden wir hier vermutlich auf eine große gemeinsame Schnittmenge kommen. Bei den 2010ern sehe ich das nicht.
Gleichzeitig habe ich aber den Eindruck, dass Musikgeschmack kaum noch Anlass für Polarisierung bietet. In den 90er Jahren gab es beispielsweise harte Diskurse rund um Kommerzialisierung von Musik (vor allem im Bereich elektronischer Musik). „Kommerz“ war ein Schimpfwort und als Hörer solcher Musik hatte man sich in bestimmten Kreisen für lange Zeit disqualifiziert. Die Rocker hatten wiederum für die Elektroniker weniger übrig, da künstliche Musik für sie ein rotes Tuch war. Solche Animositäten nehme ich heute kaum noch wahr. Man kann heute gleichzeitig Helene Fischer oder AC/DC hören, ohne dafür belächelt zu werden. Ob das jetzt positiv zu bewerten ist, kann ich nicht beurteilen.
Weiterhin sehe ich, dass sich die Entwicklung von Musik in den 2010ern weiter entschleunigt hat. Wenn man beispielsweise 1980 mit 1989 vergleicht, dann liegen Welten dazwischen – nicht unbedingt im Sinne eines Fortschritts, sondern eher in Bezug auf Soundästhetik oder vorherrschende Genres. Dagegen sehe ich zwischen Releases aus 2010 und 2019 de facto keine Unterschiede. Ein Song aus 2019 hätte genauso gut 2010 herausgekommen sein können. Wirklich ein sehr interessanter Befund, weil man ja häufig hört, dass es heute immer weniger Beständigkeit gibt.
Ein kleiner Trend, der mir auffällt, ist vielleicht, dass die Pop-Songs heute tendenziell kürzer ausfallen. Nicht selten sind Songs heute unter 3:00 Minuten lang. Längere Intros oder Gitarren-/Saxophon-Solos findet man da nicht mehr. Hat ökonomische Gründe.
Hier ein interessanter Beitrag dazu:
Bzgl. des Loudness Wars hat es in den 2010ern keine weitere Zuspitzung gegeben. Die Möglichkeiten, um die Lautheit weiter zu erhöhen, sind allerdings bereits vor 2010 ausgeschöpft gewesen. Es wird weiterhin viel klanglicher Schrott veröffentlicht. Ein Mensch, der in den 80er Jahren in eine Zeitmaschine gestiegen wäre und nach 2019 gereist wäre, würde sich definitiv wundern, wie schlecht vieles klingt. Allerdings gibt es auch weiterhin klanglich gute Aufnahmen zu kaufen.
Eine kleine ad-hoc-Zusammenstellung der aus meiner Sicht besten Sachen aus 2010-2019:
Top 10 – Pop:
Asa - Preacher Man (2010)
Boy - Little Numbers (2011)
Balthazar - Do Not Claim Them Anymore (2012)
Sarah Jarosz - Over the Edge (2013)
Pharrell Williams – Happy (2014)
Jewel - Love Used To Be (2015)
Michael Kiwanuka - Love & Hate (2016)
Karen Elson – Wonderblind (2017)
Sophie Hunger - There Is Still Pain Left (2018)
Emeli Sandé – Survivor (2019)
Top 10 – Un-Pop:
Michel Benita - Oran Nan Raiders (2010)
Stefano Battaglia Trio - Ararat Dance (2011)
John Surman - On Staddon Heights (2012)
Laura Mvula - Sing To The Moon (2013)
Boozoo Bajou - Jan Mayen (2014)
Scott DuBois - First Light Tundra (2015)
Black String - Flowing, Floating (2016)
Chris Thile & Brad Mehldau - Scarlet Town (2017)
Nils Frahm - All Melody (2018)
Paolo Fresu, Daniele Di Bonaventura - Laude Novella Sia Cantata (2019)
Die für mich interessantesten Künster/Bands, die von 2010 bis 2019 erstmals in Erscheinung getreten sind oder da ihren Durchbruch hatten, sind aus meiner Sicht: Snarky Puppy, Agnes Obel, Rhiannon Giddens, Julia Holter, London Grammar, Black String, Villagers, Alice Phoebe Lou, Michael Kiwanuka, Kamasi Washington, Lake Street Dive, Dillon.
Gefreut, dass sie in den 10'ern immer noch oder wieder mit guten Releases dabei gewesen sind, habe ich mich über: Suzanne Vega, Neneh Cherry, The Orb. Beth Orton, Keb' Mo', Lisa Stansfield, John Scofield.
Richtig viel besonderes fällt mir zur Musik der 2010er nicht ein. Es wurden viele Entwicklungen fortgesetzt, die bereits Ende der 90er oder den 2000ern begonnen hatten. Dazu zählt beispielsweise, dass es eine sehr starke Vereinheitlichung von Mainstream-Musik gibt. Vereinfacht gesprochen: Die Musik, die heute im Radio gespielt wird, klingt irgendwie gleich.
Hier ein interessanter Beitrag zu diesem Thema:
Sehr verblüffend.
Das, was in den 90er Jahren noch als reguläre Musik durchgegangen ist (z.B. R.E.M., Jamiroquai, Neneh Cherry, Björk, Massive Attack), rutscht jetzt in gesellschaftliche Nischen hinein. Diese Nischen werden durchaus mit interessanten Releases bedient, aber die Hörerfahrungen der Menschen entfremden sich dadurch immer weiter voneinander. Bzgl. der wichtigen/besten Songs der 80er Jahre würden wir hier vermutlich auf eine große gemeinsame Schnittmenge kommen. Bei den 2010ern sehe ich das nicht.
Gleichzeitig habe ich aber den Eindruck, dass Musikgeschmack kaum noch Anlass für Polarisierung bietet. In den 90er Jahren gab es beispielsweise harte Diskurse rund um Kommerzialisierung von Musik (vor allem im Bereich elektronischer Musik). „Kommerz“ war ein Schimpfwort und als Hörer solcher Musik hatte man sich in bestimmten Kreisen für lange Zeit disqualifiziert. Die Rocker hatten wiederum für die Elektroniker weniger übrig, da künstliche Musik für sie ein rotes Tuch war. Solche Animositäten nehme ich heute kaum noch wahr. Man kann heute gleichzeitig Helene Fischer oder AC/DC hören, ohne dafür belächelt zu werden. Ob das jetzt positiv zu bewerten ist, kann ich nicht beurteilen.
Weiterhin sehe ich, dass sich die Entwicklung von Musik in den 2010ern weiter entschleunigt hat. Wenn man beispielsweise 1980 mit 1989 vergleicht, dann liegen Welten dazwischen – nicht unbedingt im Sinne eines Fortschritts, sondern eher in Bezug auf Soundästhetik oder vorherrschende Genres. Dagegen sehe ich zwischen Releases aus 2010 und 2019 de facto keine Unterschiede. Ein Song aus 2019 hätte genauso gut 2010 herausgekommen sein können. Wirklich ein sehr interessanter Befund, weil man ja häufig hört, dass es heute immer weniger Beständigkeit gibt.
Ein kleiner Trend, der mir auffällt, ist vielleicht, dass die Pop-Songs heute tendenziell kürzer ausfallen. Nicht selten sind Songs heute unter 3:00 Minuten lang. Längere Intros oder Gitarren-/Saxophon-Solos findet man da nicht mehr. Hat ökonomische Gründe.
Hier ein interessanter Beitrag dazu:
Bzgl. des Loudness Wars hat es in den 2010ern keine weitere Zuspitzung gegeben. Die Möglichkeiten, um die Lautheit weiter zu erhöhen, sind allerdings bereits vor 2010 ausgeschöpft gewesen. Es wird weiterhin viel klanglicher Schrott veröffentlicht. Ein Mensch, der in den 80er Jahren in eine Zeitmaschine gestiegen wäre und nach 2019 gereist wäre, würde sich definitiv wundern, wie schlecht vieles klingt. Allerdings gibt es auch weiterhin klanglich gute Aufnahmen zu kaufen.
Eine kleine ad-hoc-Zusammenstellung der aus meiner Sicht besten Sachen aus 2010-2019:
Top 10 – Pop:
Asa - Preacher Man (2010)
Boy - Little Numbers (2011)
Balthazar - Do Not Claim Them Anymore (2012)
Sarah Jarosz - Over the Edge (2013)
Pharrell Williams – Happy (2014)
Jewel - Love Used To Be (2015)
Michael Kiwanuka - Love & Hate (2016)
Karen Elson – Wonderblind (2017)
Sophie Hunger - There Is Still Pain Left (2018)
Emeli Sandé – Survivor (2019)
Top 10 – Un-Pop:
Michel Benita - Oran Nan Raiders (2010)
Stefano Battaglia Trio - Ararat Dance (2011)
John Surman - On Staddon Heights (2012)
Laura Mvula - Sing To The Moon (2013)
Boozoo Bajou - Jan Mayen (2014)
Scott DuBois - First Light Tundra (2015)
Black String - Flowing, Floating (2016)
Chris Thile & Brad Mehldau - Scarlet Town (2017)
Nils Frahm - All Melody (2018)
Paolo Fresu, Daniele Di Bonaventura - Laude Novella Sia Cantata (2019)
Die für mich interessantesten Künster/Bands, die von 2010 bis 2019 erstmals in Erscheinung getreten sind oder da ihren Durchbruch hatten, sind aus meiner Sicht: Snarky Puppy, Agnes Obel, Rhiannon Giddens, Julia Holter, London Grammar, Black String, Villagers, Alice Phoebe Lou, Michael Kiwanuka, Kamasi Washington, Lake Street Dive, Dillon.
Gefreut, dass sie in den 10'ern immer noch oder wieder mit guten Releases dabei gewesen sind, habe ich mich über: Suzanne Vega, Neneh Cherry, The Orb. Beth Orton, Keb' Mo', Lisa Stansfield, John Scofield.
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