@Karl Ranseier:
Ich verstehe und teile deine Kritik an zeitgenössischen SF-Produktionen, die die Tendenz haben, der SF ihre eigentliche Substanz zu reduzieren. Ob man solche Hohlphrasen-Science-Fiction tatsächlich noch zum Genre zählen sollte ist schon eine berechtigte Frage.
Im Fall "Avatar" sehe ich aber schon gravierende Unterschiede zur amerikanischen Geschichte. Die Menschen auf Pandora sind den Na'vi technisch weit mehr überlegen, als es die weißen Siedler den nordamerikanischen Ureinwohnern waren. Zudem ist Pandora eine vollkommen fremde Welt mit eigenen Gesetzmäßigkeiten.
Soweit könnte man natürlich einfach noch von starker Verfremdung oder eben von Fantasy sprechen. Das eigentliche, dominierende SF-Element ist allerdings der Avatar selbst. Durch modernste Technologie geradezu buchstäblich in den Körper eines anderen Wesens schlüpfen zu können, ist in meinen Augen wesentlich mehr, als wenn ein "Cowboy" eine Weile unter "Indianern" lebt.
Natürlich funktioniert diese Geschichte in ihrer Grundform durchaus auch als Western, aber das SF - Element fügt ihr neue Interpretationsebenen hinzu, die dem Western in der Regel nicht inhärent sind.
Übertragungen von Geschichten in andere Genre sind ja auch längst keine Erfindung unserer Zeit. Es zeigt sich aber, dass dabei immer eine Verschiebung in den Darstellungs-, Verfremdungs- und Interpretationsmöglichkeiten vorgeht. "Die glorreichen Sieben" gewinnt der grundlegenden Geschichte durch die Übertragung ins Westerngenre andere Facetten ab, als es beim Samuraifilm "Die sieben Samurai" der Fall war. Auch die Miniserie "Der Schatz im All" versteht es, aus R.L. Stevensons Abenteuergeschichte von der "Schatzinsel" eine handfeste Science-Fiction-Story zu machen, die den Focus auf ganz andere Punkte der Geschichte lenkt.
Um noch einmal zu Avatar zurück zu kommen. Gerade, weil die Geschichte in einer fiktiven Welt in der Zukunft spielt und nicht im Wilden Westen, wird sie wesentlich allgemeingültiger. Die Na'vi stehen nicht allein für die Indianer der Vergangenheit, sondern gerade auch für die Naturvölker des Regenwaldes, die gerade heute - in unserer Zeit - noch immer von westlichen Industrienationen vertrieben und um ihren Lebensraum geprellt werden. Die Verfremdung in Avatar verfolgt aber auch den Zweck, den Zuschauer für eine andere Weltanschauung zu sensibilisieren, Empathie zu erzeugen und das funktioniert durch die besondere Beschaffenheit Pandoras und die Avatar-Technologie besser und eindringlicher, als es in einem Westernfilm möglich wäre.
@Akhensefu:
Wenn du dir Harry Potter mal tatsächlich als SF-Geschichte ausmalst und dich damit beschäftigst, welche Änderungen notwendig wären, um sie für das andere Genre zu adaptieren, wirst du bestimmt feststellen, dass sich dabei Einiges dermaßen verschieben würde, dass letztendlich ganz andere Aussagen heraus kämen. So etwas ist nämlich nie 1:1 übertragbar. Genau da kann man dann erleben, warum SF ein eigenes Genre mit entsprechenden eigenen Genremerkmalen ist.
In der Regel interessiert sich die Fantasy weniger für politische, soziale, die allgemeine Fortentwicklung des Menschen betreffende Inhalte, sondern vielmehr um interpersonale Veränderungsprozesse, also die Weiterentwicklung des Einzelnen. Nicht selten geht es dabei um die verfremdete Darstellung der Adoleszenz oder die Entwicklung eines Außenseiters zu einer besonderen Person. Oftmals ist Fantasy auch reine Weltflucht und schwelgerisches Ausformulieren diverser Allmachtsphatasien. Auch dem Bedürfnis nach einfachen, märchenhaften Gut-und-Böse-Schemata kommt die Fantasy gerne entgegen.
Die Science-Fiction legt da ganz andere Schwerpunkte. Oft ist sie politisch, subversiv, philosophisch, setzt sich mit Fragen des Sozialen und der Ethik auseinander, prangert aktuelle Missstände an und thematisiert den technischen Fortschritt und die damit einhergehende Verantwortung. Nicht selten stellt sie die Verantwortungsfähigkeit des Menschen in Frage.
SF ist nur in seltenen Fällen reiner Selbstzweck und nur wo das der Fall ist, kann man in dem Sinn, wie Karl Ranseier es tut, von einem SF-Setting sprechen, das mit der ursprünglichen Substanz des Genres wenig gemein hat. Obwohl ich da dann eben einfach von besonders schlechter SF sprechen würde .
Ich muss allerdings auch sagen, dass ich es viel schwieriger finden würde, "Action" als Genre zu definieren. Die ist nämlich in meinen Augen nicht viel mehr als ein Stilmittel, auch wenn ich es in Ordnung finde, einen Film, der dieses Mittel vermehrt einsetzt, als "Actionfilm" zu betrachten.
Genau genommen ist "Stirb langsam" ein Thriller, "Leathal Weapon" ein Krimi, "Missing in Action" ein Kriegsfilm, "Full Metal Jacket" genau wie "Platoon" ein Anti-Kriegsfilm und "Die totale Erinnerung" eben ein Science-Fiction-Film. Natürlich kann man ähnliche Stoffe auch mit weniger Action inszenieren. Es gibt ja auch Thriller wie "Verhandlungssache" oder Krimis wie "Wallander" oder Anti-Kriegsfilme wie "Die Verdammten des Krieges" oder eben SF-Filme wie "Welt am Draht" oder "2001". Da jetzt alles, wo es kracht und scheppert in ein "Actiongenre" zu verfrachten hielte ich für ebenso verkürzt, wie für verwirrend.
Ich verstehe und teile deine Kritik an zeitgenössischen SF-Produktionen, die die Tendenz haben, der SF ihre eigentliche Substanz zu reduzieren. Ob man solche Hohlphrasen-Science-Fiction tatsächlich noch zum Genre zählen sollte ist schon eine berechtigte Frage.
Im Fall "Avatar" sehe ich aber schon gravierende Unterschiede zur amerikanischen Geschichte. Die Menschen auf Pandora sind den Na'vi technisch weit mehr überlegen, als es die weißen Siedler den nordamerikanischen Ureinwohnern waren. Zudem ist Pandora eine vollkommen fremde Welt mit eigenen Gesetzmäßigkeiten.
Soweit könnte man natürlich einfach noch von starker Verfremdung oder eben von Fantasy sprechen. Das eigentliche, dominierende SF-Element ist allerdings der Avatar selbst. Durch modernste Technologie geradezu buchstäblich in den Körper eines anderen Wesens schlüpfen zu können, ist in meinen Augen wesentlich mehr, als wenn ein "Cowboy" eine Weile unter "Indianern" lebt.
Natürlich funktioniert diese Geschichte in ihrer Grundform durchaus auch als Western, aber das SF - Element fügt ihr neue Interpretationsebenen hinzu, die dem Western in der Regel nicht inhärent sind.
Übertragungen von Geschichten in andere Genre sind ja auch längst keine Erfindung unserer Zeit. Es zeigt sich aber, dass dabei immer eine Verschiebung in den Darstellungs-, Verfremdungs- und Interpretationsmöglichkeiten vorgeht. "Die glorreichen Sieben" gewinnt der grundlegenden Geschichte durch die Übertragung ins Westerngenre andere Facetten ab, als es beim Samuraifilm "Die sieben Samurai" der Fall war. Auch die Miniserie "Der Schatz im All" versteht es, aus R.L. Stevensons Abenteuergeschichte von der "Schatzinsel" eine handfeste Science-Fiction-Story zu machen, die den Focus auf ganz andere Punkte der Geschichte lenkt.
Um noch einmal zu Avatar zurück zu kommen. Gerade, weil die Geschichte in einer fiktiven Welt in der Zukunft spielt und nicht im Wilden Westen, wird sie wesentlich allgemeingültiger. Die Na'vi stehen nicht allein für die Indianer der Vergangenheit, sondern gerade auch für die Naturvölker des Regenwaldes, die gerade heute - in unserer Zeit - noch immer von westlichen Industrienationen vertrieben und um ihren Lebensraum geprellt werden. Die Verfremdung in Avatar verfolgt aber auch den Zweck, den Zuschauer für eine andere Weltanschauung zu sensibilisieren, Empathie zu erzeugen und das funktioniert durch die besondere Beschaffenheit Pandoras und die Avatar-Technologie besser und eindringlicher, als es in einem Westernfilm möglich wäre.
@Akhensefu:
Wenn du dir Harry Potter mal tatsächlich als SF-Geschichte ausmalst und dich damit beschäftigst, welche Änderungen notwendig wären, um sie für das andere Genre zu adaptieren, wirst du bestimmt feststellen, dass sich dabei Einiges dermaßen verschieben würde, dass letztendlich ganz andere Aussagen heraus kämen. So etwas ist nämlich nie 1:1 übertragbar. Genau da kann man dann erleben, warum SF ein eigenes Genre mit entsprechenden eigenen Genremerkmalen ist.
In der Regel interessiert sich die Fantasy weniger für politische, soziale, die allgemeine Fortentwicklung des Menschen betreffende Inhalte, sondern vielmehr um interpersonale Veränderungsprozesse, also die Weiterentwicklung des Einzelnen. Nicht selten geht es dabei um die verfremdete Darstellung der Adoleszenz oder die Entwicklung eines Außenseiters zu einer besonderen Person. Oftmals ist Fantasy auch reine Weltflucht und schwelgerisches Ausformulieren diverser Allmachtsphatasien. Auch dem Bedürfnis nach einfachen, märchenhaften Gut-und-Böse-Schemata kommt die Fantasy gerne entgegen.
Die Science-Fiction legt da ganz andere Schwerpunkte. Oft ist sie politisch, subversiv, philosophisch, setzt sich mit Fragen des Sozialen und der Ethik auseinander, prangert aktuelle Missstände an und thematisiert den technischen Fortschritt und die damit einhergehende Verantwortung. Nicht selten stellt sie die Verantwortungsfähigkeit des Menschen in Frage.
SF ist nur in seltenen Fällen reiner Selbstzweck und nur wo das der Fall ist, kann man in dem Sinn, wie Karl Ranseier es tut, von einem SF-Setting sprechen, das mit der ursprünglichen Substanz des Genres wenig gemein hat. Obwohl ich da dann eben einfach von besonders schlechter SF sprechen würde .
Ich muss allerdings auch sagen, dass ich es viel schwieriger finden würde, "Action" als Genre zu definieren. Die ist nämlich in meinen Augen nicht viel mehr als ein Stilmittel, auch wenn ich es in Ordnung finde, einen Film, der dieses Mittel vermehrt einsetzt, als "Actionfilm" zu betrachten.
Genau genommen ist "Stirb langsam" ein Thriller, "Leathal Weapon" ein Krimi, "Missing in Action" ein Kriegsfilm, "Full Metal Jacket" genau wie "Platoon" ein Anti-Kriegsfilm und "Die totale Erinnerung" eben ein Science-Fiction-Film. Natürlich kann man ähnliche Stoffe auch mit weniger Action inszenieren. Es gibt ja auch Thriller wie "Verhandlungssache" oder Krimis wie "Wallander" oder Anti-Kriegsfilme wie "Die Verdammten des Krieges" oder eben SF-Filme wie "Welt am Draht" oder "2001". Da jetzt alles, wo es kracht und scheppert in ein "Actiongenre" zu verfrachten hielte ich für ebenso verkürzt, wie für verwirrend.
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