Karl Ranseier: Die Sith empfinden sich nicht als böse, sind also weder fanatisch böse noch sonst irgendwas.
Bei der Bedeutung von „fanatisch böse“ haben wir uns wohl missverstanden. Sich selbst empfinden Fanatiker in der Tat selten als böse. Da aber Fanatiker von einer Idee besessen sind, tendieren sie zu Maßlosigkeit und Rücksichtslosigkeit, was von vielen Außenstehenden als böse eingeordnet wird.
Karl Ranseier: Da das Ziel des Kultes immer die Herrschaft über die Galaxies ist, sollte man sie vielleicht in dem gleichen Mit-Psychopatischen Ansatz stecken wie den Übermensch nach Nietzsche, vielleicht sogar als institutionlisierte Psychopathie. Die Sith streben nach Perfektion - auch ihrer selbst oder ihres eigenen Kultes - und bedienen sich dabei gnadenlos ihrer Stärke genauso wie sie dabei bestehende Regeln - auch die ihrer eigenen Gesellschaft - brechen und ändern.
„Imperien sind mehr als große Staaten; sie bewegen sich in einer ihnen eigenen Welt. Staaten sind in eine Ordnung eingebunden, die sie gemeinsam mit anderen Staaten geschaffen haben und über die sie daher nicht allein verfügen. Imperien dagegen verstehen sich als Schöpfer und Garanten einer Ordnung, die letztlich von ihnen abhängt und die sie gegen den Einbruch des Chaos verteidigen müssen.“ (Herfried Münkler, Politikwissenschaftler)
Die Sith sind zudem von ihrem Streben nach Überlegenheit und Kontrolle geradezu besessen. Insofern sind sie fanatisch und böse.
Karl Ranseier: zu Nietzsche: Der Übermensch in seinem Modell ist ein einzelner Mensch, der aus sich heraus frei von Schuldgefühlen in der Lage ist, sich über moralische, existente Regeln hinwegzusetzen, die der Menschheit in der Entwicklung im Weg stehen und so der Menschheit zum Guten die Entwicklung vorantreibt. Ausser der positiven Folge für die Umwelt entspricht dieser Grundansatz psychopatischen Zügen.
Marinettis Futurismus beruht u.a. auf Nietzsches Philosophie.
Interessant ist, dass beide einen exklusiven Männlichkeitskult betreiben. Beide bewundern kriegerische Männer, offene Gewalt und (ganz besonders Marinetti) Technik; Marinetti gilt sogar als Mitbegründer der synthetischen Musik. Dagegen haben sie ein Problem mit Frauen; alle beiden verachten sogar Frauen.
Weiterhin interessant ist, dass anscheinend auch religiöse, männliche Fanatiker häufig Probleme mit Frauen haben.
Zu Nietzsches Glaubenssätzen gehören die folgenden:
Mittelmäßigkeit ist eines der schlimmsten Übel. Mitleid begünstigt Mittelmäßigkeit und verhindert Großartigkeit. Folglich ist der Wille zur Großartigkeit wünschenswert und erlaubt kein Mitleid.
Der Lebenssinn liegt im Monumentalen, nicht im Glück. Die Masse hat keinen Anspruch auf Wohlergehen; ihr Leiden ist notwendig.
„Fast alles, was wir 'höhere Kultur' nennen, beruht auf Vergeistigung und Vertiefung der Grausamkeit.“
Babylon 5-Spoiler:
SPOILER
Es geht also um folgende Frage:
Soll man schnell Großes schaffen mit dem Preis, dass viele „unbedeutende“ Menschen sterben?
Oder entscheidet man sich für eine langsamere, weniger aufregende und unspektakuläre Entwicklung, damit möglichst wenige Menschen leiden?
Nietzsche würde wohl sinngemäß die folgenden Aussagen tätigen:
- Es war richtig, dass wahrscheinlich mehrere Arbeiter für den Bau der großartigen Pyramiden ihr Leben gelassen haben.
- Der Eifer von Wernher von Braun war vorbildlich. Bei dem Bau seiner V-2 sind 12 000 Menschen gestorben, bei ihrem Einsatz 8 000. Seine Raketenforschung hat immerhin zum großartigen ersten Schritt ins Weltall geführt.
- König Leopold II. hat seinem Land (und sich) zu mehr Glanz und Macht verholfen, indem er den Kongo plündern ließ. Den Tod der ca. 10 Millionen Menschen durch Zwangsarbeit muss man in Kauf nehmen.
Das mitleidlose Streben nach Großartigkeit ist mindestens etwas fanatisch. Ein ausreichend besessener Eiferer wird außerdem seinen inszenierten Tod als Teil von etwas Großartigem auffassen; Futuristen wie Marinetti oder extremistische Gläubige gehen so weit.
Dazu schreibt der britische Psychiater Ronald Britton: „Die Selbstaufopferung scheint die vollkommene Vereinigung mit dem Objekt des Begehrens zu ermöglichen. Sie löscht den Wahrnehmungsapparat aus, unsere Verbindung mit einer unvollkommenen Welt, die zwischen uns und dem Ideal zu stehen scheint. Geist und Körper werden durch die Läuterung von allem Unheiligen gereinigt. Sie befreit uns von den Konflikten des Lebens und von der Komplexität der Welt, in der wir leben. Wo wir die Welt zu kontrollieren glauben, wie es bei den Machthabern in tyrannischen Regimes der Fall ist, können wir Säuberungen durchführen; wo wir, die Erwählten oder Erleuchteten, in der Position der Schwächeren sind, können wir uns selbst und den Feind gleichzeitig zerstören.
Eine aktuelle Untersuchung über Selbstmordkommandos kam zu dem Ergebnis, dass sie durch unterschiedliche Glaubenssysteme, religiöse wie auch säkulare, motiviert sein können und immer von der schwächeren Seite unternommen werden. Organisiert werden sie von Gruppen, und die Tatsache, dass sie sich ausschließlich gegen Demokratien richten, lässt vermuten, dass Glaubensreinheit mit der Komplexität pluralistischer Gesellschaften unvereinbar ist.“
Scholl-Latour sagte einmal ganz treffend: „Die Menschen sind eher bereit, für Träume zu sterben als für Realitäten.“
Hornblower: Auch er gehört zweifellos „der dunklen Seite“ an, aber trotz sehr schlimmer Verbrechen haben wir es nicht mit jener Art des Bösen zu tun, die uns vor Entsetzen sprachlos macht - wie es bei dem fanatisch Bösen und dem Bösen aus Vergnügen der Fall ist.
Ich bin mir also nicht mehr sicher, was verstörender ist; vielleicht ist es die Gleichgültigkeit.
Zu den Ursachen des Bösen ist ferner der Mangel an Mut, Selbstdisziplin und der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, zu zählen. Beim Stanford Prison-Experiment waren die meisten Wärter nur Mitläufer; beim Milgram-Experiment wurden trotz heftiger Bedenken die meisten Personen virtuell zu Mördern; auch Unrechtsregime funktionieren dank vieler Mitläufer.
Hier also die aktualisierte Liste der Kategorien des Bösen: Das fanatisch Böse, Gewalt aus Unbeherrschtheit, Böses aus Vergnügen, Böses aus Gleichgültigkeit, Böses aus Verantwortungslosigkeit.
Die gewöhnliche Kriminalität fällt wohl meist in die Kategorien der Gleichgültigkeit oder der Verantwortungslosigkeit.
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