liebes Forum-Team, liebe User-Gemeinde,
ich hoffe, dass dieses Thema hier richtig plaziert ist. Da es sich um ein philosphisches Thema handelt (Wissenschaftstheorie), scheint es mir im Unterforum für "Technik und Wissenschaft" deplaziert zu sein.
Die Frage lautet: Was ist Wissenschaft?
Dieser Frage möchte ich auf Basis der Universitätsvorlesungen von Prof. Dr. Paul Hoyningen-Huene nachgehen und beginne mit dem ersten Teil.
Ab 12:20 Min ewähnt er, dass in manchen wissenschaftlichen Disziplinen Vorhesagen getätigt werden, aber nicht in allen. Wobei hier noch nicht explizit von Naturwissenschaften die Rede ist, sondern von Wissenschaft im allgemeineren Sinne (s. auch Zeitindex 13:27 - 13:33).
Den letzten hier zitierten Satz kritisiere ich, denn gem. dem Scienceblogs-Artikel von Martin Bäker werden auch in der Paläontologie falsifizierbare Beobachtungsvorhersage getätigt. Möglicherweise spielte Hoyningen-Huene darauf an, dass es auch wissenschaftliche Veröffentlichungen in der Paläontologie gibt, die auch unbestritten als Wissenschaft anerannt sind, in denen nichts vorhergesagt wird, sondern schlicht die biologische Geschichte anhand von Fossilien rekonstruiert wird. Könnte man sagen, Paläontologen verhalten sich zu Biologen so, wie Archäologen zu Historikern?
Prof. Hoyningen-Huene führt insgesamt neun "Dimensionen", auf, die Wissenschaft kennzeichnen. Die Vorhersagen sind hier die "3, Dimension". Besonders hebt der Professor die Verteidigung von Wissensansprichen hervor ("4. Dimension", s. Folie Zeitindex 16:00 min). Diese kann auf verschiedene Weise erfolgen.
In der nächsten Folie Zeintindex 17:33 führt er acht Positionen auf, die sich bereits mit der Antwort auf die Frage, "was ist Wissenschaft", beschäftigt haben [Aristoteles, Descartes, Kant, logscher Empirismus (Wiener Kreis), Popper, Kuhn, Feyerabend, Rescher].
Im Laufe der Geschichte veränderte sich das Verständis dessen, was wir heute Wissenschaft nennen. Grob präsentiert Prof. Hoyningen-Huene die historische Entwicklung in vier Phasen, siehe bitte ab Zeitindex 31 min.
1. Phase: Antike bis 17. Jh. - "Etablierung der Sicherheit des Wissens durch einen Beweis" in Philosphie/Wissenschaft (Aristoteles)
2. Phase: 17. Jh. bis Mitte 19. Jh - Wissenschaft vermittelt sicheres Wissen. Die Verteidigung dieses Anspruch erfolgt über den wissenschaftlichen Beweis und nun insbesondere über die wissenschaftliche(n) Methode(n) (Descartes).
3. Phase: Mitte des 19. Jh. bis zum letzten letzten Drittel des 20. Jh. - "Wissenschaftliches Wissen ist fehlbares Wissen", bleibt aber methodisch (die Mathematik verlor um 1900 den Gegenstandsbezug und wurde zur Formalwissenschaft)
4. Phase: Ab letzten Drittel des 20. Jh. bis heute: Nun bröckelt auch die Methodik als Kriterium für Wissenschaft (Wissenschaftshistorie, Kuhn, Feyerabend).
Ab Zeitindex 39:33 (ich empfehle, die Vorlesung ab hier bis 45:20 min. zu hören und zu sehen) nimmt er Bezug auf Thomas Kuhn und Paul Feyerabend und führt an, dass sie wissenschaftshistorisch ermittelt haben, das die Orientierung an Methodik keineswegs immer ein Kritierium für Wissenschaft ist.
Soviel im ersten Teil zur Wissenschaftsphilosophie.
Nachtrag:
Als Stützen für seine Argumentation verweist Prof. Hoyningen-Huene auf Thomas Kuhn und sein Buch Die strukturwissenschaftliche Revolution (1962) und Paul Feyerabend.
Prof. Dr. Paul Hoyningen-Huene bezieht sich mit seiner Fragestellung (Was ist Wissenschaft?) allerdings nicht nur auf Naturwissenschaften, sondern er meint alles, was im deutschen Sprachgebrauch mit dem Begriff Wissenschaft gemeint ist.
Zitatquelle: Zeitindex 03:05 min
Ihm geht es um die Abgrenzung zum Alltagswissen, er deutet allerings schon an, dass Pseudowissenschaft und Metaphysik keine Wissenschaften sind.
Besonders ernst ist die Diskussion über Abgrenzung von Wissenschaft zur Pseudowissenschaft in den USA, was mit dem Anspruch des Kreationismus zusammenhängt, wissenschaftlich sein zu wollen.
Allerdings weiß der Professor auch darauf hin, dass Wissenschaft nicht immer scharf abgrenzbar ist. Als Analogie nennt er die Farbe Rot. Wie wissen natürlich was rot ist, doch wir können sie nicht vollkommen scharf von gelb abgrenzen.
Zitatquelle: Zeitindex 21:02 min
Die Abgrenzung von Forschung und Entwicklung in Unternehmen ist nicht immer scharf bestimmbar, z.B. bei der Fusionsforschung. So führt er die Plasmaforschung an, die aus dem Entwicklungsprozess heraus entstanden ist. - Also, Entwicklungsschritte sind nicht immer scharf von Grundlagenforschung abgrenzbar.
Wenn also die Methodik nicht immer kennzeichnend für das ist, was wir als Wissenschaft bezeichnen und nur die Fallibilität beibt, was macht sie denn so besonders? In der Vorlesung wird eine These (Zeitindex 36:00 min.) aufgestellt, die im weiteren untersucht wird.
ich hoffe, dass dieses Thema hier richtig plaziert ist. Da es sich um ein philosphisches Thema handelt (Wissenschaftstheorie), scheint es mir im Unterforum für "Technik und Wissenschaft" deplaziert zu sein.
Die Frage lautet: Was ist Wissenschaft?
Dieser Frage möchte ich auf Basis der Universitätsvorlesungen von Prof. Dr. Paul Hoyningen-Huene nachgehen und beginne mit dem ersten Teil.
Ab 12:20 Min ewähnt er, dass in manchen wissenschaftlichen Disziplinen Vorhesagen getätigt werden, aber nicht in allen. Wobei hier noch nicht explizit von Naturwissenschaften die Rede ist, sondern von Wissenschaft im allgemeineren Sinne (s. auch Zeitindex 13:27 - 13:33).
Zitat von Prof. Dr. Paul Hoyningen-Huene (Zeitindex 12:20 - 13:00):
Dann gibt es in manchen Disziplinen Vorhesagen, durchaus nicht in allen, aber in manchen Gebieten gibt es Vorhhersagen. Manche Wissenschafter. Naturwissenschaftler, experimentierende Naturwissenschaftler meinen, dass etwas nur dann eine anständige Wissenschaft ist, wenn es auch zu Vorhersagen fähig ist. Dass ist eine sehr engstirnige und falsche Meinung, weil es viele Disziplinen gibt, die nicht vorhersagen und deren Wissenschaftsstatus aber unbestritten ist. Selbst wenn man mit Naturwissenschaftlern redet, wird man natürlich sagen: Schau Dir doch mal die Paläontolöogie an. Und als Paläontologe kann man nichts vorhesagen.
Dann gibt es in manchen Disziplinen Vorhesagen, durchaus nicht in allen, aber in manchen Gebieten gibt es Vorhhersagen. Manche Wissenschafter. Naturwissenschaftler, experimentierende Naturwissenschaftler meinen, dass etwas nur dann eine anständige Wissenschaft ist, wenn es auch zu Vorhersagen fähig ist. Dass ist eine sehr engstirnige und falsche Meinung, weil es viele Disziplinen gibt, die nicht vorhersagen und deren Wissenschaftsstatus aber unbestritten ist. Selbst wenn man mit Naturwissenschaftlern redet, wird man natürlich sagen: Schau Dir doch mal die Paläontolöogie an. Und als Paläontologe kann man nichts vorhesagen.
Prof. Hoyningen-Huene führt insgesamt neun "Dimensionen", auf, die Wissenschaft kennzeichnen. Die Vorhersagen sind hier die "3, Dimension". Besonders hebt der Professor die Verteidigung von Wissensansprichen hervor ("4. Dimension", s. Folie Zeitindex 16:00 min). Diese kann auf verschiedene Weise erfolgen.
In der nächsten Folie Zeintindex 17:33 führt er acht Positionen auf, die sich bereits mit der Antwort auf die Frage, "was ist Wissenschaft", beschäftigt haben [Aristoteles, Descartes, Kant, logscher Empirismus (Wiener Kreis), Popper, Kuhn, Feyerabend, Rescher].
Im Laufe der Geschichte veränderte sich das Verständis dessen, was wir heute Wissenschaft nennen. Grob präsentiert Prof. Hoyningen-Huene die historische Entwicklung in vier Phasen, siehe bitte ab Zeitindex 31 min.
1. Phase: Antike bis 17. Jh. - "Etablierung der Sicherheit des Wissens durch einen Beweis" in Philosphie/Wissenschaft (Aristoteles)
2. Phase: 17. Jh. bis Mitte 19. Jh - Wissenschaft vermittelt sicheres Wissen. Die Verteidigung dieses Anspruch erfolgt über den wissenschaftlichen Beweis und nun insbesondere über die wissenschaftliche(n) Methode(n) (Descartes).
3. Phase: Mitte des 19. Jh. bis zum letzten letzten Drittel des 20. Jh. - "Wissenschaftliches Wissen ist fehlbares Wissen", bleibt aber methodisch (die Mathematik verlor um 1900 den Gegenstandsbezug und wurde zur Formalwissenschaft)
4. Phase: Ab letzten Drittel des 20. Jh. bis heute: Nun bröckelt auch die Methodik als Kriterium für Wissenschaft (Wissenschaftshistorie, Kuhn, Feyerabend).
Ab Zeitindex 39:33 (ich empfehle, die Vorlesung ab hier bis 45:20 min. zu hören und zu sehen) nimmt er Bezug auf Thomas Kuhn und Paul Feyerabend und führt an, dass sie wissenschaftshistorisch ermittelt haben, das die Orientierung an Methodik keineswegs immer ein Kritierium für Wissenschaft ist.
Soviel im ersten Teil zur Wissenschaftsphilosophie.
Nachtrag:
Als Stützen für seine Argumentation verweist Prof. Hoyningen-Huene auf Thomas Kuhn und sein Buch Die strukturwissenschaftliche Revolution (1962) und Paul Feyerabend.
Zitat aus Zeitindex 41:50 min:
Schlage mir eine wissenschaftliche Methode vor. Also sagt mal irgendwas, zum Beispiel: Irgendwelche Ansprüche müssen immer experimentell überprüft werden, oder soweit du ein Gegenbeispiel hast, muss du aufgeben schlag mir irgendwas vor, was du meinst, es sei die wissenschaftliche Methode, und ich bringe dir Beispiele von anerkannten wissenschaftlichen Fortschritt, der nur durch Verletzung dieser Methode möglich war. Es gibt einfach keine substantiellen Regeln für die Wissenschaftsausübung, die nicht aus guten Gründen und mit gutem Erfolg in den Wissenschaften nicht schon verletzt worden wären.
Schlage mir eine wissenschaftliche Methode vor. Also sagt mal irgendwas, zum Beispiel: Irgendwelche Ansprüche müssen immer experimentell überprüft werden, oder soweit du ein Gegenbeispiel hast, muss du aufgeben schlag mir irgendwas vor, was du meinst, es sei die wissenschaftliche Methode, und ich bringe dir Beispiele von anerkannten wissenschaftlichen Fortschritt, der nur durch Verletzung dieser Methode möglich war. Es gibt einfach keine substantiellen Regeln für die Wissenschaftsausübung, die nicht aus guten Gründen und mit gutem Erfolg in den Wissenschaften nicht schon verletzt worden wären.
Zitat von Prof. Dr. Paul Hoyningen-Huene:
Also, von der Theologie bis zur Mathematik und Elementarteilchenphysik und Germanistik und Ethnologie, Informatik alles. Also alles, was Sie an so einer Volluniversität finden an dem, was da irgendwie daherkommt als Wissenschaften soll hier subsumiert sein, also in der größtmöglichen disziplinären Breite. ... Selbst die Theologie wird an Hochschulen gelehrt und sollte irgendwie Wissenschaft sein, mal sehen, ob sie das ist.
Also, von der Theologie bis zur Mathematik und Elementarteilchenphysik und Germanistik und Ethnologie, Informatik alles. Also alles, was Sie an so einer Volluniversität finden an dem, was da irgendwie daherkommt als Wissenschaften soll hier subsumiert sein, also in der größtmöglichen disziplinären Breite. ... Selbst die Theologie wird an Hochschulen gelehrt und sollte irgendwie Wissenschaft sein, mal sehen, ob sie das ist.
Ihm geht es um die Abgrenzung zum Alltagswissen, er deutet allerings schon an, dass Pseudowissenschaft und Metaphysik keine Wissenschaften sind.
Besonders ernst ist die Diskussion über Abgrenzung von Wissenschaft zur Pseudowissenschaft in den USA, was mit dem Anspruch des Kreationismus zusammenhängt, wissenschaftlich sein zu wollen.
Allerdings weiß der Professor auch darauf hin, dass Wissenschaft nicht immer scharf abgrenzbar ist. Als Analogie nennt er die Farbe Rot. Wie wissen natürlich was rot ist, doch wir können sie nicht vollkommen scharf von gelb abgrenzen.
Zitat von Prof. Dr. Paul Hoyningen-Huene:
Es gibt zum Beispiel Tätigkeiten, wissenschaftliche Tätigkeiten der Forschung, die können sie, wenn sie nur die Tätigkeit anschauen, nicht von der Anwendung von Wissenschaft zu praktischen Zwecken unterscheiden.
Es gibt zum Beispiel Tätigkeiten, wissenschaftliche Tätigkeiten der Forschung, die können sie, wenn sie nur die Tätigkeit anschauen, nicht von der Anwendung von Wissenschaft zu praktischen Zwecken unterscheiden.
Die Abgrenzung von Forschung und Entwicklung in Unternehmen ist nicht immer scharf bestimmbar, z.B. bei der Fusionsforschung. So führt er die Plasmaforschung an, die aus dem Entwicklungsprozess heraus entstanden ist. - Also, Entwicklungsschritte sind nicht immer scharf von Grundlagenforschung abgrenzbar.
Wenn also die Methodik nicht immer kennzeichnend für das ist, was wir als Wissenschaft bezeichnen und nur die Fallibilität beibt, was macht sie denn so besonders? In der Vorlesung wird eine These (Zeitindex 36:00 min.) aufgestellt, die im weiteren untersucht wird.
Wissenschaftliches Wissen unterscheidet sich vom Alltagswissen von anderen Wissensarten, besonders dem Alltagswissen, primär durch seinen höheren Grad an Systematizität.
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