Die Legende von den Babyfressern
Seit Tagen geht erneut eine inzwischen sechs Jahre alte Web-Legende um: In China würden Säuglinge und Föten zu Mahlzeiten verarbeitet. Webseiten zeigen grausame Fotos, die per E-Mail von Büro zu Büro wandern. Wer steckt hinter der ekelhaften Fälschung?
Die Welle der E-Mails begann am letzten Wochenende. Offensichtlich tief verstörte Leser wiesen da auf eine Webseite hin oder leiteten Fotos weiter, die sie per E-Mail zugeschickt bekommen hatten. Darauf zu sehen: Ein asiatisch aussehender Mann, der allem Anschein nach ein gebratenes Baby verspeist.
Das meistverbreitete Bild der "Baby-Mahlzeit": Wir verzichten auf eine deutlich erkennbare Darstellung. Die aktuelle Quelle dieser Bilder ist ein Bericht, der am Freitag letzter Woche auf der China-kritischen Webseite China-Intern veröffentlicht wurde und dort bis heute zu sehen ist. Seine Behauptung unter der Schlagzeile "Kannibalismus in China": "Frisch abgetriebene Föten aber auch überzählige, also weibliche Babys werden hauptsächlich in Regierungskrankenhäusern in Thermosbehältern oder Gläsern tagsüber gesammelt und mit nach Hause zum verspeisen genommen. Ebenso nimmt man im 5. bis 8. Monat schwangeren Frauen unter Zwang die Babys heraus, um diese sofort in ein Restaurant zur 'Weiterverarbeitung' zu liefern."
Der Bericht zeigt im folgenden 13 extrem verstörende Bilder von Föten oder Säuglingen in verschiedenen Stadien der Zubereitung als Grillmahlzeit oder Suppe. Zwei der Bilder zeigen einen Mann bei einer solchen kannibalischen Mahlzeit. Darunter heißt es: "Diese Fotos eines weiblichen Babys sind mit versteckter Kamera vor etwa drei Jahren gemacht worden. Der Journalist hat die Fotos in einem öffentlichen Restaurant in der Stadt Foshan, in der Provinz Kanton gemacht, als er von einem 'Kundigen' dahin gebracht wurde. Es ist ein Spezialrestaurant, in welchem unter den Geheimnamen 'Kotelett', gebratenes Baby und als 'Kotelett H' Baby als Suppe bestellt werden kann."
Der Bericht stellt das in den Zusammenhang der chinesischen Ein-Kind-Politik und behauptet, dass es vor allem "reiche Kaufleute, Geschäftsleute, korrupte chinesische Politiker und Staatsbeamte" seien, die zum Kundenkreis der geheimen Restaurants gehörten, in denen kannibalische Mahlzeiten offeriert würden. Die Anschuldigungen werden sehr konkret: "In der heutigen Zeit wurde auch der ehemalige Staatschef Jiang Zemin beobachtet, als er die 'Babysuppe' aß, sie gehört sogar zu seiner Dauerleibspeise."
Wer der Autor ist, der sich im Text selbst als "der Reporter" vorstellt und vorgibt, Augenzeuge all dieser schrecklichen Szenen gewesen zu sein, geht aus dem Text nicht hervor. An seiner Geschichte jedenfalls stimmt nichts.
Denn die ekelerregenden Bilder kursierten bereits mehrere Male im Internet, ihr Ursprung ist bekannt.
Die erste Welle: "Taiwaner essen Kinder"
Im Frühjahr 2001 begannen einige der Bilder zum ersten Mal ihren Weg durch die Büroetagen rund um den Globus. Damals waren es angeblich Taiwaner, die sich Föten und Babys schmecken ließen. Schon damals war derselbe asiatisch aussehende Mann bei seiner Mahlzeit zu sehen. Im Juni 2001 identifizierte die bekannte Mythen-Buster-Seite Snopes.com ihn als Zhu Yu, einen bekannten Künstler aus Peking. Der hatte im Jahr zuvor im Rahmen des Shanghai Arts Festival eine weithin beachtete Video-Performance namens "Eating People" durchgeführt, die seitdem an verschiedenen Orten zu sehen war. Ihr Inhalt: Eben jene Bilder aus dem Bericht bei China-Intern.
Zhu Yu ist als Performance-Künstler auf die Verletzung moralischer Tabus spezialisiert - was ihm in diesem Fall gründlich gelungen sein dürfte. 2001 nahmen sich aufgrund ungezählter Anzeigen sowohl Scotland Yard und als auch das FBI der Sache an und untersuchten den Fall. Ihr Verdikt: Auf den Fotos ist kein echter kannibalistischer Akt zu sehen, sondern "nur" eine sehr geschickte Vortäuschung. Was Zhu Yu auf den Bildern verspeist, soll eine entsprechend hergerichtete gebratene Ente sein, der Zhu Yu einen Puppenkopf aufgesetzt hatte.
Die Debatte über die ekelerregende Aktion lebte trotzdem fort. Zhu Yu selbst behauptet bis heute, ein echter Fötus sei im Rahmen der Kunstaktion zubereitet worden. Experten verneinen das. Die "Süddeutsche Zeitung" erklärte ihren Lesern im letzten Jahr, was so etwas überhaupt soll: "Mit künstlerischen Arbeiten wie diesen, die den geringen Wert eines Menschenlebens im bevölkerungsreichsten Staat der Erde illustrieren sollen, versuchen die chinesischen Künstler Kritik zu üben."
So weit, so missverständlich und missbrauchbar
Zu klären bleibt die Frage, wie ein Bericht, der offensichtlich falsche Behauptungen enthält und die umstrittene Bilderserie nutzt, auf einer deutschen Webseite landet, die sich der Kritik am Pekinger Regime verschrieben hat. Aus Unwissenheit?
Wenn dem so wäre, hätte die leicht behoben werden können. Der SPIEGEL berichtete im Jahr 2003 darüber, der "Berliner Kurier" ("Ist das noch Kunst, wenn ein Mann eine Baby-Leiche isst?"), die "FAZ", "taz", der "Tagesspiegel", "Bild" und die "Welt"... - eine beliebig zu verlängernde Liste.
Der damals aktuelle Anlass: Der britische Sender Channel 4 schickte sich an, das Zhu-Yu-Video als Teil einer Dokumentation im Fernsehen zu zeigen. Fast eine Million Menschen sahen am Ende trotz ungünstiger Sendezeit und deutlicher Warnungen an Minderjährige und sensible Gemüter hin; das Thema wurde unter verschiedensten Blickwinkeln in den Medien diskutiert. Trotzdem verbreitet China-Intern die Fälschung als Tatsachenbericht. Sind der verantwortliche Redakteur und der Webseiten-Betreiber der Geschichte einfach aufgesessen?
Nein: Nach drei Tagen melden sich die Seitenbetreiber und beziehen Stellung zu ihrer Veröffentlichung.
Qualle
Im zweiten Teil: Die Seitenbetreiber geben indirekt die Falschdarstellung zu, beharren aber auf ihrem grundsätzlichen Wahrheitsgehalt. Prinzipiell, behaupten sie, werde Kannibalismus in China geduldet. Klar wird auch, woher ihre vehemente Anti-Peking-Haltung rührt: China-Intern entpuppt sich als Gründung von Falung-Gong-Aktivisten. Weiter...
isn da was wahres dran Kannibalismus-Vorwurf in China
Seit Tagen geht erneut eine inzwischen sechs Jahre alte Web-Legende um: In China würden Säuglinge und Föten zu Mahlzeiten verarbeitet. Webseiten zeigen grausame Fotos, die per E-Mail von Büro zu Büro wandern. Wer steckt hinter der ekelhaften Fälschung?
Die Welle der E-Mails begann am letzten Wochenende. Offensichtlich tief verstörte Leser wiesen da auf eine Webseite hin oder leiteten Fotos weiter, die sie per E-Mail zugeschickt bekommen hatten. Darauf zu sehen: Ein asiatisch aussehender Mann, der allem Anschein nach ein gebratenes Baby verspeist.
Das meistverbreitete Bild der "Baby-Mahlzeit": Wir verzichten auf eine deutlich erkennbare Darstellung. Die aktuelle Quelle dieser Bilder ist ein Bericht, der am Freitag letzter Woche auf der China-kritischen Webseite China-Intern veröffentlicht wurde und dort bis heute zu sehen ist. Seine Behauptung unter der Schlagzeile "Kannibalismus in China": "Frisch abgetriebene Föten aber auch überzählige, also weibliche Babys werden hauptsächlich in Regierungskrankenhäusern in Thermosbehältern oder Gläsern tagsüber gesammelt und mit nach Hause zum verspeisen genommen. Ebenso nimmt man im 5. bis 8. Monat schwangeren Frauen unter Zwang die Babys heraus, um diese sofort in ein Restaurant zur 'Weiterverarbeitung' zu liefern."
Der Bericht zeigt im folgenden 13 extrem verstörende Bilder von Föten oder Säuglingen in verschiedenen Stadien der Zubereitung als Grillmahlzeit oder Suppe. Zwei der Bilder zeigen einen Mann bei einer solchen kannibalischen Mahlzeit. Darunter heißt es: "Diese Fotos eines weiblichen Babys sind mit versteckter Kamera vor etwa drei Jahren gemacht worden. Der Journalist hat die Fotos in einem öffentlichen Restaurant in der Stadt Foshan, in der Provinz Kanton gemacht, als er von einem 'Kundigen' dahin gebracht wurde. Es ist ein Spezialrestaurant, in welchem unter den Geheimnamen 'Kotelett', gebratenes Baby und als 'Kotelett H' Baby als Suppe bestellt werden kann."
Der Bericht stellt das in den Zusammenhang der chinesischen Ein-Kind-Politik und behauptet, dass es vor allem "reiche Kaufleute, Geschäftsleute, korrupte chinesische Politiker und Staatsbeamte" seien, die zum Kundenkreis der geheimen Restaurants gehörten, in denen kannibalische Mahlzeiten offeriert würden. Die Anschuldigungen werden sehr konkret: "In der heutigen Zeit wurde auch der ehemalige Staatschef Jiang Zemin beobachtet, als er die 'Babysuppe' aß, sie gehört sogar zu seiner Dauerleibspeise."
Wer der Autor ist, der sich im Text selbst als "der Reporter" vorstellt und vorgibt, Augenzeuge all dieser schrecklichen Szenen gewesen zu sein, geht aus dem Text nicht hervor. An seiner Geschichte jedenfalls stimmt nichts.
Denn die ekelerregenden Bilder kursierten bereits mehrere Male im Internet, ihr Ursprung ist bekannt.
Die erste Welle: "Taiwaner essen Kinder"
Im Frühjahr 2001 begannen einige der Bilder zum ersten Mal ihren Weg durch die Büroetagen rund um den Globus. Damals waren es angeblich Taiwaner, die sich Föten und Babys schmecken ließen. Schon damals war derselbe asiatisch aussehende Mann bei seiner Mahlzeit zu sehen. Im Juni 2001 identifizierte die bekannte Mythen-Buster-Seite Snopes.com ihn als Zhu Yu, einen bekannten Künstler aus Peking. Der hatte im Jahr zuvor im Rahmen des Shanghai Arts Festival eine weithin beachtete Video-Performance namens "Eating People" durchgeführt, die seitdem an verschiedenen Orten zu sehen war. Ihr Inhalt: Eben jene Bilder aus dem Bericht bei China-Intern.
Zhu Yu ist als Performance-Künstler auf die Verletzung moralischer Tabus spezialisiert - was ihm in diesem Fall gründlich gelungen sein dürfte. 2001 nahmen sich aufgrund ungezählter Anzeigen sowohl Scotland Yard und als auch das FBI der Sache an und untersuchten den Fall. Ihr Verdikt: Auf den Fotos ist kein echter kannibalistischer Akt zu sehen, sondern "nur" eine sehr geschickte Vortäuschung. Was Zhu Yu auf den Bildern verspeist, soll eine entsprechend hergerichtete gebratene Ente sein, der Zhu Yu einen Puppenkopf aufgesetzt hatte.
Die Debatte über die ekelerregende Aktion lebte trotzdem fort. Zhu Yu selbst behauptet bis heute, ein echter Fötus sei im Rahmen der Kunstaktion zubereitet worden. Experten verneinen das. Die "Süddeutsche Zeitung" erklärte ihren Lesern im letzten Jahr, was so etwas überhaupt soll: "Mit künstlerischen Arbeiten wie diesen, die den geringen Wert eines Menschenlebens im bevölkerungsreichsten Staat der Erde illustrieren sollen, versuchen die chinesischen Künstler Kritik zu üben."
So weit, so missverständlich und missbrauchbar
Zu klären bleibt die Frage, wie ein Bericht, der offensichtlich falsche Behauptungen enthält und die umstrittene Bilderserie nutzt, auf einer deutschen Webseite landet, die sich der Kritik am Pekinger Regime verschrieben hat. Aus Unwissenheit?
Wenn dem so wäre, hätte die leicht behoben werden können. Der SPIEGEL berichtete im Jahr 2003 darüber, der "Berliner Kurier" ("Ist das noch Kunst, wenn ein Mann eine Baby-Leiche isst?"), die "FAZ", "taz", der "Tagesspiegel", "Bild" und die "Welt"... - eine beliebig zu verlängernde Liste.
Der damals aktuelle Anlass: Der britische Sender Channel 4 schickte sich an, das Zhu-Yu-Video als Teil einer Dokumentation im Fernsehen zu zeigen. Fast eine Million Menschen sahen am Ende trotz ungünstiger Sendezeit und deutlicher Warnungen an Minderjährige und sensible Gemüter hin; das Thema wurde unter verschiedensten Blickwinkeln in den Medien diskutiert. Trotzdem verbreitet China-Intern die Fälschung als Tatsachenbericht. Sind der verantwortliche Redakteur und der Webseiten-Betreiber der Geschichte einfach aufgesessen?
Nein: Nach drei Tagen melden sich die Seitenbetreiber und beziehen Stellung zu ihrer Veröffentlichung.
Qualle
Im zweiten Teil: Die Seitenbetreiber geben indirekt die Falschdarstellung zu, beharren aber auf ihrem grundsätzlichen Wahrheitsgehalt. Prinzipiell, behaupten sie, werde Kannibalismus in China geduldet. Klar wird auch, woher ihre vehemente Anti-Peking-Haltung rührt: China-Intern entpuppt sich als Gründung von Falung-Gong-Aktivisten. Weiter...
isn da was wahres dran Kannibalismus-Vorwurf in China
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