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Faschismusbegriff

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    #16
    Das Argument in Bezug auf die Gefestigkeit des Staatsapperats werde ich mir selbst noch einmal genauer überlegen. Ich halte die Unterschiede hier zwischen Italien und Deutschland für ein Produkt der historischen Gegebenheiten und nicht für einen signifikanten Unterschied, der erfordern würde, dass der Nationalsozialismus etwas einmaliges ist. (Er war natürlich einmalig barbarisch).

    Der Nationalsozialismus ist ein Produkt des reifen Kapitalismus vollkommen unabhängig davon, ob die herrschende Klasse ihn unterstützt hat. Dein Gegenargument ist hier deshalb nicht zutreffend. Die Frage ist natürlich trotzdem, ob die Kapitalisten Hitlers Machtübernahme unterstützt haben. Und ich dachte, es wäre u.a. durch die Zwangsarbeiterdebatte ich klar geworden, dass Teile des herrschende Klasse für die Faschisten waren, insbesondere die Schwerindustriellen.

    Ein Bayern gab es übrigens ein paar der bekannteren Widerstandsaktionen. U.a. die Geschwister Scholl und das Attentat von im Hofbräukeller(?).

    @mods: Sollte dieser Thread nicht geteilt werden. Einmal in eine Diskussion über den Faschismus/Nationalsozialismus für die Historiker unter uns und einmal in eine Diskussion über die Wahl in Österreich, die ja immer noch mehr als aktuell ist ?
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      #17
      Original geschrieben von max
      Das Argument in Bezug auf die Gefestigkeit des Staatsapperats werde ich mir selbst noch einmal genauer überlegen. Ich halte die Unterschiede hier zwischen Italien und Deutschland für ein Produkt der historischen Gegebenheiten und nicht für einen signifikanten Unterschied, der erfordern würde, dass der Nationalsozialismus etwas einmaliges ist. (Er war natürlich einmalig barbarisch).
      Was - wenn nicht "unterschiedliche historische Begebenheiten" - erzeugt denn deiner Meinung nach bitte "signifikante Unterschiede"?

      Der Nationalsozialismus ist ein Produkt des reifen Kapitalismus vollkommen unabhängig davon, ob die herrschende Klasse ihn unterstützt hat. Dein Gegenargument ist hier deshalb nicht zutreffend. Die Frage ist natürlich trotzdem, ob die Kapitalisten Hitlers Machtübernahme unterstützt haben. Und ich dachte, es wäre u.a. durch die Zwangsarbeiterdebatte ich klar geworden, dass Teile des herrschende Klasse für die Faschisten waren, insbesondere die Schwerindustriellen.
      Ich will das Nutznießertum von Großindustriellen gar nicht in Abrede stellen und ganz ohne Zweifel haben industrielle Kreise Hitler finanziert und unterstützt (wie ich auch schon geschrieben habe), aber darum geht es auch überhaupt nicht, sondern es geht um Relationen.

      Du begehst den Fehler, einen ideologischen Primat durch den anderen zu ersetzen. Die Aufgabe eines Historikers ist es, die Vergangenheit gerecht aus ihren Bedingungen heraus zu beurteilen - so lautet der Anspruch.
      Während Großindustrielle nach dem Krieg den Primat der Politik unterstrichen - man habe gar nicht anders gekonnt und sei gezwungen worden etc. pp. stellst du die Dinge dar, als sei Hitler nur ausführender Befehlsempfänger des "kapitalistischen Großkapitals" gewesen und das - pardon - hält einfach nicht stand.

      Ich habe bereits mehrere Gegenargumente gegen eine solche Vermutung oder die Unterstellung des Primats der Großwirtschaft gebracht, aber ich will sie gerne nocheinmal in Kurzform darbringen. Du hast übrigens immer noch nicht erklärt, warum GENAU "Nationalsozialismus [...] ein Produkt des reifen Kapitalismus" sei. Darum darf ich doch bitten.

      Aber nun mal einige Punkte:
      - die Politik des "Dritten Reichs" folgte von Anfang einer deutlichen ideologischen Linie, die durch
      a) Anpassungen an außerstaatliche Rücksichtnahmen [hier bis 1941],
      b) Beeinflussung durch strukturelle Triebkräfte innerhalb der Bewegung auf Reaktion auf sich ändernde Umstände
      geformt und auch von Zeit zu Zeit geändert wurde. Die Politik hatte Hitler im Wesentlichen bereits 1923 und stärker 1928 ausformuliert und festgelegt. Er hielt sich auch an diese. Eine Veränderung auf Druck von Wirtschaftsverbänden ist nicht erkennbar. Ganz im Gegenteil - die Politikelite und die Wirtschaftselite befanden sich in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis zueinander, bei leichtem Übergewicht zur politischen Seite - 1936: "Neuer Plan" und "Vierjahresplan". Dass die Wirtschaft mitgemacht hat, belohnt wurde und Freiräume genoss, macht Hitler nicht zur "Marionette", um einmal dieses Schlagwort aufzugreifen.

      - weite Teile der deutsche Wirtschaft waren keineswegs begeistert, auf Autarkie und Kriegsrüstung umstellen zu müssen, besonders die, die sich in der Weimarer Zeit auf Außenhandel spezialisiert hatten. Dass sich Wirtschafszweige wie I.G.-Farben, Krupp etc. auf das System einstellten und kräftig mitmachten, ist kein Beleg dafür, dass sie aktiv eine solche Entwicklung 1923, 1928, 1930 oder 1933 gefordert oder inhaltich geprägt hätten. Was du machst, nennt man einen Anachronismus - du ziehst das Pferd von hinten auf.

      - die Formung des "Nazi-Staates" basierte auf einem Herrschaftskompromiß mit der Reichswehr, welche ab 1922 eine von der Gesellschaft weitestgehend losgelöste Berufsarmee bildete. Die Ausschaltung und Verfolgung der "Linken" und ihrer Organisationen gehörte auch zum Programm der Reichswehr. Eine simple Betonung des Primats der Wirtschaftsmächte in D lässt diesen zentralen Aspekt völlig außer Acht.

      - Neben der Rolle der Reichswehr igoniert die "Marionetten"-Theorie insgesamt zudem die zahlreichen, nicht-ökonomischen Einflüsse, die zum Nationalsozialismus geführt haben, wie die Tradition des Obrigkeitsstaates, die allgemeine Ablehnung von "Politik" als westlich-dekadenten ("jüdischen") Gedankenguts sowie die Verherrlichung des "Deutschtums" auf der anderen Seite. Diese ideologiegeschichtlichen, mentalitätsgeschichtlichen Grundlagen waren Grundpfeiler des Aufstieg der Nationalsozialisten. Monokausale, auf dem Monopolkapital basierende Erklärungsmuster vergessen auch diese Aspekte.

      Fazit: Die Rolle der Wirtschaft, einzelner Großindustrieller, ihrer Verbände und ihre finanzielle Unterstützung für Hitler sind ein beachtenswertes Kapitel in der Vorgeschichte von 1933, aber sicherlich nicht die einzige, geschweige denn die wirkungsmächtigste Entwicklungslinie zum NS-Staat.

      Ein Bayern gab es übrigens ein paar der bekannteren Widerstandsaktionen. U.a. die Geschwister Scholl und das Attentat von im Hofbräukeller(?).
      Das ist mir nicht unbekannt. Die Geschwister Scholl - wie auch der studentische Widerstand in überwiegenden Teilen - war bürgerlich geprägt. Es ist für die Gesellschaft der Bundesrepublik bezeichnend, dass man diesen Widerstand mit Freuden tradiert, während z.B. Widerstand um A. Harnack und die "Rote Kapelle" vergessen wird.
      Aber auch zur "Weißen Rose" ist bislang wenig geforscht worden und nur ungenügendes bekannt.

      endar
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        #18
        Anmerkung: Zum Hofbräuattentat gibt es einen kleinen aber feinen Artikel im "Remember"!

        Daß man mit dem guten Ernst ein wenig vorsichtig sein muss ist mir natürlich klar, aber ich denke doch, daß der NS durchaus als faschistisches System bezeichnet werden kann. Wie beschrieben sind die genannten Punkte natürlich Idealtypen - die Hierarchie des NS-Staates war ja tatsächlich gerade vom Kompetenzgerangel gekennzeichnet, um Hitlers Macht zu erhalten und Durchzusetzen. Ideologisch ist jedoch das Führerprinzip (insbesondere halt zum Führer ) Bestandteil der Nazi-Ideologie. Und das die NSDAP eine Massenpartei war ist doch wohl unstrittig. Wie in jeder Massenpartei gab es da natürlich interne Machtkämpfe, die letztlich mit in der Herrschaftsfülle Hitlers entschieden wurden - aber der völkische Anspruch der Partei als Vertreterin des Volkes ist IMO schon kennzeichnent. Daß Ideologie und Realität nicht immer übereinstimmen gilt für jede schubladisierte Bewegung.
        Zum zitieren: Jaja, ich weiß Herr Dozent . Und Erscheinungsort und -jahr hab ich aucgh vergessen, ebenso wie den Untertitel !

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          #19
          "die Hierarchie des NS-Staates war ja tatsächlich gerade vom Kompetenzgerangel gekennzeichnet, um Hitlers Macht zu erhalten und Durchzusetzen."
          = diese "impera et divide" Einschätzung des Hitlerschen Herrschaftsystems wird mittlerweile doch in Zweifel gezogen. Es ging dabei keineswegs immer um den Machterhalt. Auseinanderstrebende und sich aufblähende Strukturen entstanden in sehr vielen Fällen - entgegen der "Teile und herrsche"-These - als spontane Reaktion auf tagespolitische Entwicklungen, denn auf der anderen Seite hat Hitler ja auch massive Machtansammlungen wie im Bereich der SS geduldet.

          Interessanterweise wird - ich habe das mal nachgeschlagen - in einem weiteren Werk des von dir gern genommen Nohlen die Faschismustheorie als Globaltheorie gar nicht anerkannt, die Versuche, einen "Idealtypus" des F. zu schaffen, seien fehlgeschlagen, der F. habe nur in der vergleichenden Systemforschung einen Platz. So schreibt zumindest der Faschismusforscher Wippermann (= Nohlen, Wörterbuch, S. 155).

          Zudem - wenn man sich mal die Judenpolitik in D. und I. anschaut, der Punkt: "Idealisierung der eigenen Volksgemeinschaft, aggressive Ablehnung alles Fremden (Nationalismus/ Rassismus)", so zeigen sich zw. I und D derat große Unterschiede [Einzelheiten in dem Thread: Ist die FPÖ "faschistisch"], dass ich mich schon verbiegen muss, das unter einen Hut zu packen, es sei denn, ich greife gleich zur Totaltarismustheorie und nehme den Stalinismus gleich mit hinzu, denn ein hierarchisch strukturiertes Führerprinzip,
          eine massenparteiliche Organisation, eine Befürwortung von Gewalt als Mittel der Politik hat es auch dort gegeben.

          Der Faschismusbegriff mag seine Berechtigung in der vergleichenden Forschung haben, aber zu der weiteren inflationären Verwendung des Faschismusbegriffs und damit einhergehenden Verharmlosung des N.S. habe ich ja gestern schon geschrieben.

          Zum zitieren: Jaja, ich weiß Herr Dozent . Und Erscheinungsort und -jahr hab ich aucgh vergessen, ebenso wie den Untertitel !
          Es ist mir halt nur aufgefallen, dass du das gern machst, obwohl man das nicht nicht macht. Ich werde dir natürlich nie wieder einen Tipp geben das hast du nun davon

          endar
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            #20
            Ja, ok, beim Nationalsozialismus kann ich dir nicht das Wasser reichen ...
            Zum Winkelmann: Wie meine Dozentin bezüglich ein paar Aussagen meiner letzten Seminararbeit sagte: "Das ist EIN möglicher Standpunkt!" Im Ernst, zugegebenermaßen habe ich bisher nur die kurzen Artikel von Rieger gelesen (der gleiche ist im aktuelleren Nohlen "Kleines Lexikon der Politik"). Den Wippermann (in Band 1 des Lexikons der Politik "Politische Theorien") habe ich allerdings auch. Der gute Mann meint aber auch (jedenfalls habe ich das so verstanden), daß die bisherigen Versuche gescheitert sind, und es weiterer Forschung bedürfe, zu entscheiden, ob es denn einen "allgemeinen Faschismusbegriff" gibt, und ob man "eine allgemeine Faschismustheorie formulieren soll oder nicht".
            Um eine solche Forschung aber durchführen zu können muss man schon Kriterien festlegen, nach denen man totalitäre Systeme untersuchen kann. Selbstverständlioch kann dies nicht gewissermaßen nach einer "Abhackliste" geschehen, aber auf irgendwas muss man die Systeme ja untersuchen. Zudem ist die artikulierte doppelte Gegnerschaft zu Liberalismus und Sozialismus eines der beschriebenen Kriterien, die wohl kaum auf den Stalinismus passt.
            Es ist allerdings einleuchtend, daß ein Idealtypus des Faschismus eine Konstruktion ist, die Unterschiede zugunsten von Vergleichbarkeit und Einordnung vernachlässigt (sonst wäre es ja auch kein Idealtypus mehr ).
            Was die Verwendung des Begriffs angeht stimme ich allerdings völlig mit dir überein - als inflationär gebrauchter Kampfbegriff ist er äußerst kritisch zu sehen. Die simple These aus den 60ern "Kapitalismus, führt zu Faschismus - Kapitalismus, muss weg" war schon widerlegt befor dieser Spruch überhaupt erfunden wurde - faschistisch wurden nur die Staaten, in denen sich keine parlamentarische Demokratie etablieren konnte, nicht die klassisch kapitalistischen Staaten USA und Großbritannien.

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              #21
              Original geschrieben von 5 of 12
              Dieses Forum scheint ein Mekka für Linksradikale zu sein ... Wird wohl nicht mehr lange dauern dann bist du Mod hier so wie schon einige andere
              Es tut mir leid das zugeben zu müssen, aber ich muss dir da leider zustimmen.
              Ziemlich viele Linke im Forum, aber wehe dem der mal im rechten Lager ist.
              Sofort ist man ein Fascho.
              Und ein Nazi!
              Aber ich will niemanden beleidigen, das werden genug jetzt gleich gegen mich tun.

              Ich persönlich hab nix gegen Ausländer(Und das ist jetzt sicher ne Fascho Meinung solange sie arbeiten wollen.

              Desweiteren bin ich gegen dieses "Oh im zweiten Weltkireg waren wir ja soooo böse!!" und "Wir dürfen keine Kritik an Israel üben, wir müssen ihnen sogar Waffen liefern! Denn wir haben eine historische verpflichtung!!"-Gehabe.

              Aber ich halt mich da raus, ich verstehe nichts davon
              Erfahrung ist ein guter Lehrmeister - meist jedoch kein angenehmer.

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                #22
                Original geschrieben von Jack Crow
                Der gute Mann meint aber auch (jedenfalls habe ich das so verstanden), daß die bisherigen Versuche gescheitert sind, und es weiterer Forschung bedürfe, zu entscheiden, ob es denn einen "allgemeinen Faschismusbegriff" gibt, und ob man "eine allgemeine Faschismustheorie formulieren soll oder nicht".
                Ja, ich habe doch gar nichts von "für alle Zeiten" geschrieben, bin aber der Meinung, dass weitere Detailstudien zur Geschichte des "Dritten Reichs" (und wohl auch zu und in Italien) die Systeme weiter voneinander entfernen, so dass der Begriff auf Dauer nur noch fragwürdiger, nicht plausibler werden kann.

                Um eine solche Forschung aber durchführen zu können muss man schon Kriterien festlegen, nach denen man totalitäre Systeme untersuchen kann. Selbstverständlioch kann dies nicht gewissermaßen nach einer "Abhackliste" geschehen, aber auf irgendwas muss man die Systeme ja untersuchen. Zudem ist die artikulierte doppelte Gegnerschaft zu Liberalismus und Sozialismus eines der beschriebenen Kriterien, die wohl kaum auf den Stalinismus passt.
                Naja, innersozialistisch gab es schon Verfolgungsaktionen in der UdSSR.

                endar
                Republicans hate ducklings!

                Kommentar


                  #23
                  Original geschrieben von Endar
                  ... stellst du die Dinge dar, als sei Hitler nur ausführender Befehlsempfänger des "kapitalistischen Großkapitals" gewesen und das - pardon - hält einfach nicht stand.
                  Stimmt, dies ist wirklich eine unzulässige Vereinfachung.
                  Dies hatte ich dazu geschrieben:
                  Die Rolle der Faschisten ist für die Kapitalisten sicher nicht die Ideallösung gewesen, aber sie sahen sie als die letzte mögliche an. Die Faschisten spielten die Rolle von Gangstern, die zur Bewachung der Fabrik engagiert wurden, aber dann selbst immer mehr Kontrolle haben wollten.
                  Die Kapitalisten waren nicht einfach das Opfer einer ideologischen Politik, sie unterstützten in ihrer Mehrheit diese Politik wegen den damaligen Umständen (Weltwirtschaftskrise, Versailler Vertrag, Stärke der Arbeiterorganisationen trotzt Passivität, Angst vor der Wiederholung der Ereignisse 1918/19, 1923). Natürlich gibt es einzelne Industriezweige, die die Autarkiepolitik schädlich fanden, z.B. die Chemie- und Elektroindustrie, die weltweit führen war und auf den Export angewiesen war. Aber die Kapitalisten überliessen Hitler im Endeffekt die Macht um ihren Besitz zu retten.

                  Es ist ein genauso schwerer Fehler Hitler zu einer Marionette des Kapitals zu machen, wie die wirtschaftlichen Ursachen und die Motive und den Einfluss der Kapitalisten zu ignorieren.

                  Ich werde später noch einmal auf die Rolle des Kapitals und warum der Nationalsozialismus eine Erscheinung der Moderne ist, eingehen.

                  Im übrigen halte ich es falsch von Idealtypen von einem System zu reden. Es gibt auch keinen Idealtyp der bürgerlichen Demokratie, hier gibt es auch zahlreiche, teilweise entscheidende Unterschiede. Manchmal ist aber die Betonung von Unterschieden ein Irrweg, da die Gemeinsamkeiten übersehen werden.
                  [quote]
                  Original geschrieben von Jack Crow
                  Was die Verwendung des Begriffs angeht stimme ich allerdings völlig mit dir überein - als inflationär gebrauchter Kampfbegriff ist er äußerst kritisch zu sehen.


                  Ich bin auch gegen die inflationäre Verwendung des Begriff Faschismus, siehe die Sozialfaschismus Theorie der KPD oder dem Gerede von der Faschisierung eines Staates bei Autonomen (langsamer Übergang zum Faschismus durch polizeistaatliche Massnahmen). Ich werde trotzdem weiterhin den Begriff Faschismus als Überbegriff für die Systeme Hitlers, Mussolinis und Francos (und vielleicht noch zusätzliche Staaten) nutzen. Ich halte die politische Gemeinsamkeiten politisch für wichtiger als die Unterschiede.
                  Die simple These aus den 60ern "Kapitalismus, führt zu Faschismus - Kapitalismus, muss weg" war schon widerlegt bevor dieser Spruch überhaupt erfunden wurde - faschistisch wurden nur die Staaten, in denen sich keine parlamentarische Demokratie etablieren konnte, nicht die klassisch kapitalistischen Staaten USA und Großbritannien
                  Der Spruch war Ende der 40er viel verbreiteter als in den 60ern. Sogar die CDU veröffentlichte damals Flugblätter, in der sie für sozialistische (natürlich massvolle) Massnahmen warb. Auch der Linksschwenk von Labour im Krieg hat ähnliche Ursachen. Die Gemeinsamkeit der faschistischen Staaten ist weniger die fehlende bürgerliche Demokratie, sondern dass sie zu den Verlierern der ökonomischen Entwicklung (insbesondere bei dem Zugang zu Rohstoffen) gehören.

                  Original von Endar

                  Naja, innersozialistisch gab es schon Verfolgungsaktionen in der UdSSR
                  Nicht nur innerhalb der UdSSR verfolgte Stalin Kommunisten. Er führte auch Aktionen in Spanien durch, die der spanischen Revolution das Rückgrat brachen und so den Sieg Francos ermöglichten. Den Prozessen in den 30er vielen sehr viele Kommunisten zum Opfern. Stalin ist im übrigen der einzige Überlebende des Politbüros von 1917 nach der Ermordung Trotzkis, Die nicht natürlich gestorben sind lies er ermorden. Stalin führte die Konterrevolution gegen die Oktoberrevolution durch. Aber dies ist ein anderers Thema.
                  Zuletzt geändert von Jack Crow; 29.11.2002, 00:37.
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                    #24
                    Original geschrieben von max
                    Im übrigen halte ich es falsch von Idealtypen von einem System zu reden. Es gibt auch keinen Idealtyp der bürgerlichen Demokratie, hier gibt es auch zahlreiche, teilweise entscheidende Unterschiede. Manchmal ist aber die Betonung von Unterschieden ein Irrweg, da die Gemeinsamkeiten übersehen werden.
                    Es ja gerade das Kennzeichen des Begriffs Idealtypus (nach Max Weber), daß dieser so nicht in der Realität existiert. Idealtypen sind immer ein Konstrukt, die der theoretischen Erkenntnisgewinnung dienen. Wenn ich mal Zeit habe (also wohl nie ) suche ich mal die Unterlagen aus dem Weber-Seminar wieder raus.

                    Der Spruch war Ende der 40er viel verbreiteter als in den 60ern. Sogar die CDU veröffentlichte damals Flugblätter, in der sie für sozialistische (natürlich massvolle) Massnahmen warb.
                    Ob der Spruch so schon vorher verwendet wurde weiß ich nicht, als skandierte Parole ist er aber IMO schon den 68ern zuzuschreiben. Daß in der Nachkriegszeit die allgemeine Ansicht herrschte, der Kapitalismus habe versagt und sei mitverantwortlich für Hitler ist mir durchaus klar. Die CDU hatte das sogar mal in einem Parteiprogramm stehen: "der kapitalistische Wirtschaftssystem [ist] den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden" (Ahlener Programm vom 3.2.1947). Diese Tendenz hin zum Sozialismus, der durchaus allgemein verbreitet war und sich auch in diversen Gesetzestexten niederschlug (u.a. Hessische Landesverfassung Art.41, "Sozialisierungsartikel"), war aber v.a. auf die Situation bezogen und verflüchtigte sich recht schnell. Durch den wirtschaftlichen Aufschwung verloren die unpolitisch werdenden Menschen das Interesse daran, unter Adenauer wurde der sozialchristliche Flügel der Union marginalisiert, und die SPD war in einer Daueroppositionsrolle gefangen, die letztlich ins Godesberger Programm von 1959 führte.

                    Die Gemeinsamkeit der faschistischen Staaten ist weniger die fehlende bürgerliche Demokratie, sondern dass sie zu den Verlierern der ökonomischen Entwicklung (insbesondere bei dem Zugang zu Rohstoffen) gehören.
                    Nunja, daß ist eine, nämlich eine marxistische, Interpretation (Basis-Überbau etc.). Deutschland gehörte ja nun lange Zeit nicht gerade zu den wirtschaftlichen Verlierern, und von der Weltwirtschaftskrise wurden alle Staaten getroffen. Faschistische Bewegungen gab es auch in Großbritannien, aber dort hatten sie trotz ähnlicher sozioökonomischer Strukturen keine Chance. Zudem traf der Faschismus sowohl industrielle, als auch argrarische Staaten.
                    Natürlich sind sicherlich auch ökonomische Faktoren wichtig, aber ohne die entsprechenden sozialpsychologischen Voraussetzungen wäre der Faschismus nie mächtig geworden. Die nationalsozialistische Idee von der Einheit des "Volkskörpers" steht dem grundsätzlichen Prinzip des kapitalistischen Wirtschaftsliberalismus entgegen, der Pluralismus und staatsfreien Wettbewerb fordert.

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                      #25
                      War der Faschismus ein Produkt des reifen Kapitalismus ?
                      Es ist eine häufig Annahme, dass der Faschismus ein Überbleibsel des Feudalismus und/oder dadurch verursacht wurde, dass die bürgerliche Demokratie in Deutschland so spät entwickelt, mangelnde Unterstützung in der Bevölkerung hatte oder dass einfach autoritäre Denkweisen in Deutschland noch vorherrschten. Hierfür wird oft der Vergleich mit den USA und Grossbritannien herangezogen. Dabei wird aber gerne vergessen, dass in diesen Staaten 1918 die > ½ (USA) bzw. 4/6 (UK) nicht wahlberechtigt waren und dass so das allgemeine Wahlrecht in Deutschland schon früher erkämpft wurde.

                      Auch die wirtschaftliche Entwicklung wird oft nicht berücksichtigt. Der Kapitalismus entwickelte sich in Deutschland zwar relativ spät, dafür aber um so schneller. Dabei wurden die konkurrierenden Mächte bald hinter sich gelassen. So war 1910 die Stahlproduktion viermal höher als die des nächsten Konkurrenten. Im Gegensatz zu Grossbritannien, wo kleinere Unternehmen dominierten, die eine Freihandelspolitik und wenig staatliche Einmischung in die Wirtschaft forderten, wurde Deutschland von Grosskonzernen dominiert. So gab es vor dem 1. Weltkrieg nur noch neun Grossbanken, die stark mit der Industrie verwoben waren und die Elektroindustrie wurde von nur zwei Unternehemen - AEG und Siemens-Halske – dominiert, obwohl sie 30 Jahre zuvor kaum existierte. Der Staat und die Unternehmen waren in Deutschland auch viel stärker verbunden, ein gutes Beispiel sind die Sozialistengesetze und die aus gleichen Zeit stammenden protektionistischen Massnahmen. Der Staat spielte eine wesentlich stärkere Rolle bei der Industrialisierung, als in den Staaten, die früher industrialisiert wurden. In vieler Hinsicht war Deutschland 1914 das am weitest entwickelte kapitalistische Land.

                      Im Gegensatz Frankreich, Grossbritannien und USA, in denen es erfolgreiche bürgerliche Revolutionen gab, war diese in Deutschland 1848 gescheitert. Die Einigung Deutschland erfolgte somit auch durch mehrere Kriege und wirtschaftlichen Druck von Preussen aus. Das Bürgertum war nicht in der Lage politisch eine Rolle zu erlangen. Die Kapitalisten akzeptierten die politische Unterordnung unter die adeligen Grossgrundbesitzer (Junker), während sie die Wirtschaft kontrollierten. Der Industrielle Fritz Thysen drückte dies so aus:
                      In einem gut geordneten Land, in dem die Verwaltung vernünftig, die Steuer zumutbar und die Polizei gut organisiert ist, kann er [Industrielle] sich leisten, von der Politik fern zu bleiben und sich ganz dem Geschäft zu widmen.
                      Thyssen, F. I paid Hitler, London, 1941
                      .
                      Ein sehr ähnliche Aussage hat vor kurzem auch ein chinesischer „dynamischer Jungunternehmer“ in einem Interview mit Euronews gebracht. Er verzichtete auf Demokratie, so lange ihm wirtschaftliche Freiheiten erlaubt sind. Die Politik der chinesischen KP kommentierte die Washington Post am 8.11.:
                      Mit ihrer Wachstumsförderungspolitik, dem Verbot unabhängiger Gewerkschaften und niedrigen Umweltstandards hat die KP-Regierung eine vorteilhafte Atmosphäre für eine Bereicherung der Wirtschaftselite geschaffen. Die Politik begünstigt die Reichen und die Wirtschaft derart, dass das Wirtschaftsprogramm Chinas in den Worten eines westlichen Botschafters dem ‚Traum der republikanischen Partei Amerikas’ ähnelt.
                      und Joseph Kahn in der New York Times am 10.11:
                      Im Laufe einer zwanzig-jährigen Übergangsphase hat sich die letzte große linke Diktatur der Welt, die Kommunistische Partei Chinas, verwandelt. Sie dürfte heute die letzte große rechte Diktatur der Welt sein.
                      Dies zeigt, neben den zahlreichen Beispielen von Militärdiktaturen in kapitalistischen Ländern, dass Kapitalismus und Demokratie nicht zusammenhängen oder sich gar gegenseitig bedingen.

                      Innerhalb des Staatsapparats des Kaiserreichs dominierten anti-demokratische Einstellungen, so auch im Militär. Diese Einstellungen dominierte auch den Staatsapparat der Weimarer Republik. Ein bekanntes Beispiel ist dafür ist die Blindheit der Justiz auf dem ‚rechten‘ Auge, siehe z.B. die Reaktion der Staatsorgane auf die Münchner Räterrepublik bzw. den Kapp-Putsch. Im ersten Fall wurden 2209 Menschen auf der Stelle hingerichtet, die Überlebenden wurden zu zusammen 4092 Jahre verurteilt. Bei dem Kapp-Putsch wurden zwar 705 wegen Hochverrat verurteilt, aber keiner musste seine Strafe absitzen. Die Einstellungen in den anderen westlichen Staaten unterscheidet sich dieser Hinsicht wenig. In allen diesen Ländern wurden die Arbeiterbewegung verfolgt. Nicht vergessen werden sollte auch, dass ein Grossteil des Apparates der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus unverändert in die BRD übernommen wurde. Z.B wurde der deutsche Inlandsgeheimdienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, anfangs von Nazis kontrolliert. Mehrere SS-Führer waren in leitenden Positionen beschäftigt. Noch 1963 konnten 16 von 46 höheren Beamten der Kölner Zentrale auf eine Nazi-Karriere der SS oder des faschistischen Sicherheitsdienstes SD zurückblicken.

                      Ein Teil der antidemokratischen Einstellungen und Ideologien entwickelte sich erst als Reaktion der Mittelschichten auf die kapitalistische Entwicklung. So entstand der Antisemitismus in organisierter Form erst in den frühen Jahren der Sozialistengesetze.

                      Diese Ideologien dominierten war den Staatsapparat und weite Teile des Klein- und Grossbürgertums, aber die grösste Partei des Kaiserreichs war die SPD. Diese war gegen Nationalismus, Antisemitismus, Militarismus und Autoritätsdenken. In Deutschland existierte damals die grösste und bestorganiserteste Arbeiterbewegung der Welt. Ein Grossteil der SPD-Anhänger war auch bereit für die Demokratie zu kämpfen, so eilten 1932 beim Papen-Putsch die Mitglieder des Reichsbanners, der paramilitärischen Organisation der SPD, an die Waffen um diesen abzuwehren. Aber die SPD-Führung hielt sich an die parlamentarischen Spielregeln, während die Gegner der Demokratie diese schon seit 1930 nicht mehr berücksichtigten.

                      Es ist also falsch den Faschismus einfach in Kontinuität einer anti-demokratischen Einstellung der Deutschen zu sehen.

                      Die Situation 1933
                      Durch die Revolution von 1918/19 konnte die Arbeiterklasse nicht nur das allgemeine Wahlrecht, sondern auch zahlreiche ökonomische Zugeständnisse erkämpfen. Neben besserer Vertretung der Arbeiter und Verbesserungen im Arbeitsrecht, wurde auch ein Sozialstaat aufgebaut. Die Linke war vor Beginn der Weltwirtschaftskrise im Aufwind. So gewann die KPD 1928 17%, die SPD 14% mehr Stimmen. Die Streiktage stiegen von 1926 bis 1928 von 1,3 Millionen auf 20,3 Millionen, wobei nennenswerte Lohnerhöhungen erkämpft wurden.

                      Die Weltwirtschaftskrise von 1929 verstärkte die sozialen Spannungen. Sie bewirkte auch einen Meinungsumschwung auf Seiten der Kapitalisten. Des Gejammere darüber, dass die Politiker nicht in der Lage wären, der Bevölkerung harte Massnahmen aufzuzwingen, setzte ein.
                      Z.B. der Siemens-Manager C. Röttgen:
                      Ich denke nicht, dass die harten Zeiten, in denen wir uns befinden, nur oder grösstenteils durch die Weltwirtschaftskrise erklärt werden können. [...] Wir haben nicht nur einen Krieg verloren, sondern wir haben auch eine grundlegend neue Regierung, die die letzten zehn oder zwölf Jahre nur alle Seiten Almosen verteilt hat
                      Der RDI (Vorgänger des BDI) im Dezember 1929:
                      Ausgaben für den Sozialstaat müssen gekürzt werden, die Bürokratie muss eingeschränkt werden, staatliche Einmischung in Tarifkonflikte muss begrenzt werden, direkte Steuern müssen reduziert werden, indirekte Steuern auf die Güter des Massenverbrauchs erhöht werden. Die Zeit ist gekommen, den Kompromiss mit dem Sozialismus zu beenden.
                      Auf einer Sitzung des RDI am 12.12.29:
                      [Politische Parteien] streben unvermeidlich nach Kompromissen, die im besten Fall halbe Sachen produzieren. Für uns reichen halbe Sachen nicht mehr. In Deutschland wird es nur ökonomischen Frieden geben, wenn die 100 000 Funktionäre aus dem Land sind. („Bravo“- und „Mussolini“-Rufe)
                      Die Unternehmer wollten also eine Änderung der Verhältnisse. Es gab innerhalb der Kapitalisten verschiedene Fraktionen, z.B. wurden die Grossgrundbesitzer und Schwerindustrielle mehr von der DNVP, während der Rest mehr von der DVP vertreten wurden. Es herrschte keine Einigkeit darüber, wie die Krise zu lösen sei. Die Konsumgüterindustrie wahr z.B. eher gegen Aufrüstung und aggressive Aussenpolitk, während die Schwerindustrie dafür war. Einig war man sich aber darin, dass die Macht der Arbeiterorganisationen gebrochen werden müsste. Dabei spielte auch eine Angst vor der Wiederholung der revolutionären Jahre von 1918/19 und des Deutschen Oktobers (1923) eine Rolle.

                      Wie kam Hitler an die Macht ?
                      Hitler lernte aus dem gescheiterten Putsch von 1923, dass es nicht reichte einen Haufen Kleinbürger zu sammeln und von bekannten Militärs, wie dem ehemaligen Oberbefehlshaber der Marine Scheer und dem ehemaligen Militärdiktator Ludendorff unterstützt zu werden. Seitdem versuchte er über parlamentarische Politik eine Massenbasis zu erhalten, sowie die Unterstützung der Elite im Militär und Wirtschaft, sprich der kapitalistischen Klasse, zu erhalten.

                      Im Gegensatz zu einer oft wiederholten Legende wurde Hitler nicht gewählt, sondern von Hindenburg zum Kanzler als Chef eines Präsidialkabinetts ernannt. Dies folgte auf eine relative Wahlniederlage der NDSAP im November 1932. Die NSDAP schrumpfte von 37,4% auf 33,1% der Stimmen, während die KPD und SPD kombiniert von 36,1% auf 37,3% zunahm (mit einer Verschiebung zur KPD hin).

                      Warum wurde Hitler zum Kanzler ernannt ? Hindenburg verachtete Hitler, nicht wegen seiner Einstellung, sondern weil er lieber einen Vertreter seiner Klasse, wie von Papen oder Schleicher, an der Macht sah. Diese versuchten ein Koalitionsregierung mit der NSDAP zu bilden. Hitler lehnte jeden Versuch ab, ihn in die Regierung einzubinden, wenn er nicht Kanzler würde. Das bewirkte, dass die Regierung von Papen und Schleicher ohne soziale Basis waren. Bei fehlende Unterstützung des Parlaments konnte sie sich alleine auf die Reichswehr stützen. Hitler versuchte in dessen die Kapitalisten von seiner Politik zu überzeugen. Er bot dem Düsseldorfer Industriellen Club am 27.1.1932 die Dienste der SA an:
                      Wo ist die Organisation, die sich wie unsere rühmen kann, dass sie 400 000 Mann auf die Strasse rufen kann, Männer, die im blinden Gehorsam geschult sind und bereit sind jeden Befehl auszuführen, vorausgesetzt, dass er nicht gegen das Gesetzt verstösst ?[...]
                      Am Abend entwickelt sich ein Tumult und Aufruhr, dann zieht der Bourgeois seinen Vorhang zurück, schaut aus dem Fenster und sagt: „Einmal mehr ist meine Nachtruhe gestört, es gibt keinen Schlaf mehr für mich.“ Meine Herren, wenn jeder so denkt [...], dann kann sich der heutige Bourgeois nicht mehr auf die Strasse wagen.
                      Es gelang ihm so, einen Teil der Kapitalisten von einen aktiven Unterstützung zu überzeugen. Führende Bänker, wie Schröder oder Industrielle, wie Thyssen versuchten Hindenburg davon zu überzeugen, Hitler zum Kanzler zu ernennen. Z.B.
                      Fast die ganze Industrie will, unter welchen Umständen auch immer, die Ernennung Hitlers.
                      Kühnl R. Der Deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten, Köln, 1975. S. 160, weitere Bespiele auf folgenden Seiten
                      Schliesslich überzeugten die Militärs Hindenburg Hitler zum Kanzler zu ernennen. Die Militärs waren eng besonders mit Schwerindustrie verbunden, es gab häufigen Austausch und Wechsel zwischen Militär und Industrie. Die führenden Militärs waren/sind ein Teil der herrschenden Klasse. Nach drei Jahren erfolglosen Versuchen eine stabile bürgerliche Regierung zu bilden, setzte die Mehrheit der herrschenden Klasse auf die von Hitler angebotene Lösung: die gewaltsame Zerschlagung der Arbeiterbewegung und eine Eroberungspolitik. Um Hitler unter Kontrolle zu halten, bildeten NSDAP-Mitglieder nur eine Minderheit im Kabinett. Aber einmal an der Macht, gelang es Hitler mit seinen Schlägertruppen unterstützt vom kompletten Gewaltapparat des Staates seine Macht auszubauen und alle unabhängigen Organisationen, auch die bürgerlichen Parteien, gleichzuschalten.

                      Antisemitismus
                      Noch ein kurzer Exkurs zu der Propaganda und Antisemitismus der Nazis vor der Machtergreifung. Die Plakate der NSDAP zwischen 1928 und 1932 waren zu 31,5% gegen die SPD und Marxismus gerichtet, zu 20,1% gegen die „November-Parteien“ und nur zu 4,8% gegen Juden gerichtet. Die Hauptschlagzeile des Völkischen Beobachers hatten zwischen dem 1.8.32 und dem 30.1.33 folgende Themen: 51,7% warum die Regierung versagt und/oder warum die NSDAP regieren soll, 24,1% die Bedrohung durch den Marxismus, 13,8% Armut und Arbeitslosigkeit und nur 3,4% Antisemitismus. Dies bedeutet nicht, dass die NSDAP nicht antisemitisch war, sondern dass Antisemitismus nicht den Hauptteil der Propaganda vor der Machtergreifung ausmachte (Quelle Paul G, Aufstand der Bilder, Bonn, 1990). Auch Ian Kershaw ist der Meinung, dass der Antisemitismus sekundär zu dem Wahlerfolg der Nazis war. Der Hauptgrund war die Behauptung, der stärkste Gegner des Marxismus und der radikalste und ehrlichste Verfechter eine nationale und sozialen Erneuerung zu sein (Kershaw I in Stachura PD, (ed) Unemployment and Great Depression in Weimar Germany, London, 1986).

                      Ideologische oder ökonomisch bestimmte Politik ?
                      Es gab Elemente in der Politik der Nazis die ideologisch bestimmt waren. So ist der industrielle Massenmord der Juden nur in dieser Weise zu erklären. Aber die Vernichtung der Arbeiterorganisationen und die aggressive Aussenpolitik entsprach den Zielen des grössten Teils der Elite.
                      Auch das KZ-System wurden von den Unternehmen massiv genutzt und nach ihren Interessen geformt. So schrieb Prof. Walter Bartel in einem Gutachten über das KZ Dora-Mittelbau und die Funktion des SS bei der A4(V2)-Produktion:
                      Diese durch Dokumente bewiesenen geschichtlichen Tatsachen ergeben, daß
                      1. die SS von der Industrie benutzt wurde, die eingeleiteten Baummaßnahmen zu organisieren, die SS aber keine Entscheidungsgewalt erhielt
                      2. die SS keinerlei Verfügung über die Finanzmittel für den Bau hatte
                      3. die Industrie der SS alle Aufwendungen bezahlte und
                      4. die Planung des Baus voll bei der Industrie lag.
                      [Bartel kommt zur Schlussfolgerung:]
                      Aus diesem Schema geht hervor, dass die führenden Konzerne der deutschen Rüstungsindustrie es verstanden haben, den administrativen Apparat des Staates vollständig für ihre Zwecke einzusetzen. Es entsteht ein einheitliches System der Kriegswirtschaft, in dem die Terrororganisation der SS organisch in die wirtschaftliche Lenkungsstruktur einbezogen wurde. Der Terror diente der völkerrechtswidrigen Ausbeutung von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen. Die Einschaltung der SS in den Wirtschaftsorganismus beschleunigte auch die bedingungslose Unterwerfung kleinerer, nicht monopolisierter Zuliefer- und Baubetriebe, die im Auftrage der Großindustrie von dem umfangreichen Vollmachten ausgestatteten ‚Sonderstab Kammler‘ unter Druck gesetzt wurden. [...]
                      Die Vertreter der Konzerne tragen die Hauptverantwortung für die Organisierung dieses Systems, dessen Mechanismus ungezählte Massen- und Einzelverbrechen innerhalb und außerhalb der Konzentrationslager hervorbrachte.
                      aus Bartel W, Gutachten über die Rolle und Bedeutung des KZ Dora-Mittelbau und die Funktion der SS bei der A-4 Produktion. Frankfurt/Main, 1970. S. 60/61
                      Zusammenfassend waren die Nazis weder einfach von den Kapitalisten programmierte Roboter, noch konnten sie von den Kapitalisten unabhängig handeln wie sie wollten. Die Politik folgte weder ausschliesslich der Naziideologie, noch den wirtschaftlichen Interessen der Kapitalisten. Wobei die Kapitalisten trotzdem die Hauptprofiteure der Politik der Nazis waren.

                      Quellen, wenn nicht anders angegeben: Gluckstein D. The Nazis, Capitalism and the Working Class. London, 1999. Zitate sind Rückübersetzungen aus dem Englischen.

                      Sorry, ist ein halber Artikel geworden und ich bin immer noch nicht auf alles eingegangen, auf was ich antwortet wollte.
                      Zuletzt geändert von max; 29.11.2002, 18:53.
                      Resistance is fertile
                      Für die AGENDA 3010! 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich und 10 Euro gesetzlichem Mindestlohn!
                      The only general I like is called strike

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                        #26
                        @max:
                        Das ist ja alles sehr schön, aber wo ist in deinem Fazit der Unterschied zu dem, was ich vorher postete, nämlich dass "die Politikelite und die Wirtschaftselite [...] sich in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis zueinander, bei leichtem Übergewicht zur politischen Seite" befanden?

                        endar
                        Republicans hate ducklings!

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                          #27
                          Original geschrieben von max
                          [B]War der Faschismus ein Produkt des reifen Kapitalismus ?
                          Es ist eine häufig Annahme, dass der Faschismus ein Überbleibsel des Feudalismus und/oder dadurch verursacht wurde, dass die bürgerliche Demokratie in Deutschland so spät entwickelt, mangelnde Unterstützung in der Bevölkerung hatte oder dass einfach autoritäre Denkweisen in Deutschland noch vorherrschten. Hierfür wird oft der Vergleich mit den USA und Grossbritannien herangezogen. Dabei wird aber gerne vergessen, dass in diesen Staaten 1918 die > ½ (USA) bzw. 4/6 (UK) nicht wahlberechtigt waren und dass so das allgemeine Wahlrecht in Deutschland schon früher erkämpft wurde.
                          Na und? Du willst doch das allgemeine Wahlrecht (das besondere war wohl das Frauenwahlrecht) von 1918 nicht als Beweis für die überlegene Demokratie der Weimarer Republik anführen. Es geht hier doch nicht um formale Gesetze, sondern um die "Verwurzelung" der parlamentarischen Demokratie im Volk, und die war einfach nicht gegeben. Die vielzitierte "Demokratie ohne Demokraten" halt. Die klassischen westlichen Demokratien dagegen hatten eben eine demokratische Tradition ("Glorious Revolution", Franz. Revolution, Unabhängigkeitserklärung der USA etc.). Daß das alles keine perfekten Demokratien im heutigen Sinne waren ist klar, aber der Zusammenhang scheint doch ziemlich auffällig.

                          Auch die wirtschaftliche Entwicklung wird oft nicht berücksichtigt. Der Kapitalismus entwickelte sich in Deutschland zwar relativ spät, dafür aber um so schneller. Dabei wurden die konkurrierenden Mächte bald hinter sich gelassen. So war 1910 die Stahlproduktion viermal höher als die des nächsten Konkurrenten. Im Gegensatz zu Grossbritannien, wo kleinere Unternehmen dominierten, die eine Freihandelspolitik und wenig staatliche Einmischung in die Wirtschaft forderten, wurde Deutschland von Grosskonzernen dominiert. So gab es vor dem 1. Weltkrieg nur noch neun Grossbanken, die stark mit der Industrie verwoben waren und die Elektroindustrie wurde von nur zwei Unternehemen - AEG und Siemens-Halske – dominiert, obwohl sie 30 Jahre zuvor kaum existierte. Der Staat und die Unternehmen waren in Deutschland auch viel stärker verbunden, ein gutes Beispiel sind die Sozialistengesetze und die aus gleichen Zeit stammenden protektionistischen Massnahmen. Der Staat spielte eine wesentlich stärkere Rolle bei der Industrialisierung, als in den Staaten, die früher industrialisiert wurden. In vieler Hinsicht war Deutschland 1914 das am weitest entwickelte kapitalistische Land.
                          Hattest du nicht gerade geschrieben, kennzeichnent für die späteren faschistischen Länder sei die ökonomische Verliererrolle?

                          Im Gegensatz Frankreich, Grossbritannien und USA, in denen es erfolgreiche bürgerliche Revolutionen gab, war diese in Deutschland 1848 gescheitert. Die Einigung Deutschland erfolgte somit auch durch mehrere Kriege und wirtschaftlichen Druck von Preussen aus. Das Bürgertum war nicht in der Lage politisch eine Rolle zu erlangen. Die Kapitalisten akzeptierten die politische Unterordnung unter die adeligen Grossgrundbesitzer (Junker), während sie die Wirtschaft kontrollierten.
                          Eben, die bürgerliche Revolution scheiterte (aus vielen Gründen). Natürlich ordneten sich die Kapitalisten dem unter, was sollten sie auch sonst machen? Der Punkt ist doch (und genau das hatte ich doch geschrieben), daß sich in D eben keine parlamentarische Demokratie wie in England, den USA oder Frankreich entwickelte, sondern die "Geburtswehen der Moderne" durch einen autoritären Obrigkeitsstaat kompensiert wurden.

                          Dies zeigt, neben den zahlreichen Beispielen von Militärdiktaturen in kapitalistischen Ländern, dass Kapitalismus und Demokratie nicht zusammenhängen oder sich gar gegenseitig bedingen.
                          Das hat auch niemand behauptet. Andersrum habe ich hier aber keinen Beleg dafür gesehen, daß sie sich ausschließen würden (und das impliziert die Kapitalismus -> Faschismus - These).
                          Wie du oben mit den Kartellen auch geschrieben hast, war der deutsche Kapitalismus auch in gewisser Weise eine Besonderheit, die zwar zugegebenermaßen auch in der Logik des Systens liegt (eben die Zusammenballung von Konzernen), die aber theoretisch nicht intendiert ist. Der (Wirtschafts-)Liberalismus geht ja im Gegenteil davon aus, daß das Positive am Kapitalismus eben der Wettbewerb ist (spätere Liberalismustheorien wie der Ordoliberalismus der Freiburger Schule berücksichtigten dann durchaus, daß es so einfach dann eben doch nicht ist). Andersrum würde ich die deutschen Kartelle also eher in den Kontext der antipluralistiischen Obrigkeitsmentalität stellen, und nicht umgekehrt.

                          Innerhalb des Staatsapparats des Kaiserreichs dominierten anti-demokratische Einstellungen, so auch im Militär. Diese Einstellungen dominierte auch den Staatsapparat der Weimarer Republik. Ein bekanntes Beispiel ist dafür ist die Blindheit der Justiz auf dem ‚rechten‘ Auge, siehe z.B. die Reaktion der Staatsorgane auf die Münchner Räterrepublik bzw. den Kapp-Putsch. Im ersten Fall wurden 2209 Menschen auf der Stelle hingerichtet, die Überlebenden wurden zu zusammen 4092 Jahre verurteilt. Bei dem Kapp-Putsch wurden zwar 705 wegen Hochverrat verurteilt, aber keiner musste seine Strafe absitzen. Die Einstellungen in den anderen westlichen Staaten unterscheidet sich dieser Hinsicht wenig. In allen diesen Ländern wurden die Arbeiterbewegung verfolgt. Nicht vergessen werden sollte auch, dass ein Grossteil des Apparates der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus unverändert in die BRD übernommen wurde. Z.B wurde der deutsche Inlandsgeheimdienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, anfangs von Nazis kontrolliert. Mehrere SS-Führer waren in leitenden Positionen beschäftigt. Noch 1963 konnten 16 von 46 höheren Beamten der Kölner Zentrale auf eine Nazi-Karriere der SS oder des faschistischen Sicherheitsdienstes SD zurückblicken.
                          Ja, aber was hat das jetzt konkret damit zu tun?

                          Ein Teil der antidemokratischen Einstellungen und Ideologien entwickelte sich erst als Reaktion der Mittelschichten auf die kapitalistische Entwicklung. So entstand der Antisemitismus in organisierter Form erst in den frühen Jahren der Sozialistengesetze.
                          Und was soll das heissen? Traditionellerweise waren doch gerade Juden Kapitalisten, der Antisemitismus war aber eine Erscheinung des nationalistischen Buergertums (etwa der "Alldeutsche Verband"). Wie stellst du da eine Verbindung her?

                          Hm, aus irgendeinem Grund aht er mir grade alles auf US/Tastaturlazout gestellt ( ), das erschwert das schreiben enorm, daher lasse ich es jetyt erstmal.
                          Nur noch kurz: Bei vilem frage ich mich einfach: was soll uns das sagen, bzw. wo ist die Relevanz? Und ich muss endar yustimmen: Wo ist der Unterschied zu dem was wir geschrieben hatten? Dass Kapitalisten, insb. Grosskonyerne, von Hitler profitierten hat niemand bestritten, aber das heisst doch nicht dass sie der entscheidende (und ywangslauufige) Grund fuer den Faschismus waren.

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                            #28
                            Ein Teil der antidemokratischen Einstellungen und Ideologien entwickelte sich erst als Reaktion der Mittelschichten auf die kapitalistische Entwicklung. So entstand der Antisemitismus in organisierter Form erst in den frühen Jahren der Sozialistengesetze.
                            Und was soll das heissen? Traditionellerweise waren doch gerade Juden Kapitalisten, der Antisemitismus war aber eine Erscheinung des nationalistischen Buergertums (etwa der "Alldeutsche Verband"). Wie stellst du da eine Verbindung her?
                            Daß Juden traditionell Kapitalisten seien ist auch so eine Verallgemeinerung.

                            Es gab schlicht und ergreifend im Mittelalter Gesetze, die einem Juden das Ausüben anderer Berufe als Geldverleiher verboten, kein Wunder, daß die aus der Not eine Tugend gemacht haben und ihr Geschäft zur Perfektion brachten... Wenn man nur über Zinsen Geld verdienen kann und noch dazu das Risiko hoch ist, daß die gierigsten Kreditnehmer sich zu entschulden versuchen indem einfach mal ein Pogrom angeordnet wird, wird doch verständlich warum sie hohe Zinsen nehmen MUSSTEN.

                            Daraus eine verderbte Geisteshaltung abzuleiten ist kindisch und kurzsichtig.
                            Dass die Familien auch nach der Lockerung der Berufsbestimmungen aus dem erworbenen Reichtum Nutzen zogen ist doch auch verständlich, wozu soll man Bauer werden wenn Geld für ein Jura oder Medizinstudium da ist und man als Arzt oder Anwalt besser leben kann denn als Landwirt.

                            Alles in allem eine sowohl gesellschaftlich als auch ökonomisch logische Entwicklung.

                            Aber kein Problem das die Juden selbst verschuldet hätten. Sowas ist Legende
                            »We do sincerely hope you'll all enjoy the show, and please remember people, that no matter who you are, and what you do to live, thrive and survive, there are still some things that make us all the same. You, me, them, everybody!«

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                              #29
                              Original geschrieben von Jack Crow

                              Ein Teil der antidemokratischen Einstellungen und Ideologien entwickelte sich erst als Reaktion der Mittelschichten auf die kapitalistische Entwicklung. So entstand der Antisemitismus in organisierter Form erst in den frühen Jahren der Sozialistengesetze.
                              Und was soll das heissen? Traditionellerweise waren doch gerade Juden Kapitalisten, der Antisemitismus war aber eine Erscheinung des nationalistischen Buergertums (etwa der "Alldeutsche Verband"). Wie stellst du da eine Verbindung her?
                              Die deutschen Juden waren demographisch besonders modern. Die beruflich-soziale Gliederung der jüdischen Bevölkerung folgte zunächst (nach 1871) einer Sonderstellung, passte sich dann aber zunehmend der Gesamtgesellschaft an, wobei eine Angleichung nicht eintrat, da ein solcher Prozeß mehrere Generationen in Anspruch genommen hätte.
                              Es sah ungefähr so aus: Jüdische Erwerbstätige waren zu ca. 13% Handwerk, 49% Bankgewerbe, Industrie- und Gewerbetätige 19%, Selbständige 19% = 1907.

                              Dass gerade Juden Kapitalisten gewesen seien, ist - da hat Sternengucker recht - ein Mythos. Das ergibt sich ja schon aus dem Bevölkerungsanteil von ca 1%.
                              Man muss unterscheiden zwischen 2 Interpretationen des Satzes: "Traditionellerweise waren doch gerade Juden Kapitalisten"... der Satz darf nicht im Umkehrschluss interpretiert werden (was man leicht macht), dass die meisten Kapitalisten Juden waren, sondern eben, dass berufstätige Juden zu 49% (ca. 300 000) im Bankgewerbe tätig waren.
                              Ich denke, Jack meinte es in diesem Zusammenhang [Hast du dir eigentlich den Kaiser-Wilhelm-Schnäuzer jetzt wachsen lassen oder nicht? ]

                              Der moderne, rassistische Antisemitismus entwickelte sich nach der Reichsgründung - hier sind Wilhelm Marr und auch Stöcker zu nennen. Stöckers AS hatte eine antiliberale Stoßrichtung, ebenso wie der AS von Treitschke, der sich gegen den "Wunschzettel der 60er" (Demokratisierung, Liberalisierung) aussprach und "die" Juden mit westlichen Ideen identifizierte. Treitschke ("Die Juden sind unser Unglück") selbst war kein rassistischer Antisemit (sie konnten in seinen Augen noch Deutsche werden), er stand an der Schwelle zu der Entwicklung des modernen rassistischen Antisemitismus. Diese Entwicklung ging zeitlich - und da hat Max ganz recht - mit der innenpolitischen Wende und dem Sozialistengesetz einher.
                              Ebenso wirksam in diesem Zusammenhang waren aber auch die "antimontanen" Gesetze gegen den Katholizismus.

                              Für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ist die Tendenz, das "Judentum" mit "westlichen" Ideen wie Demokratie, Wirtschaftsliberalismus, als auch mit "östlichen" wie Marxismus zu verbinden, noch stärker zu beobachten als vor dem WW1.

                              Die "antijüdische" Propaganda richtete sich also nicht nur gegen den Marxismus, sondern auch das Börsentum und hatte somit einen starken antikapatilistischen Bestandteil.

                              endar

                              P.S.: Schon Treitschke schrieb 1879, man dürfe Juden nicht "krisitieren", die Verbindung zu der Mär von "man darf Israel nicht kritisieren" ist dabei recht deutlich.
                              Republicans hate ducklings!

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                                #30
                                Ich wollte sagen:
                                a) die Weimarer Republik scheiterte nicht an dem Mangel an Demokraten, deshalb auch mein Beispiel mit dem Reichsbanner. Es gab in der SPD genügend, die auch die bürgerliche Demokratie verteidigt hätten. Das Scheitern für die Weimarer Republik hat ihre Ursache
                                1. in den sozialen Gegensätzen,
                                2. die Unfähigkeit der bürgerlichen Parteien einen Ausweg aus der wirtschaftlichen Krise zu finden,
                                3. die Unfähigkeit der SPD parlamentarisch den Kapitalismus zu zähmen
                                4. der Staatsapparat nicht neutral ist, sondern im Interesse der herrschenden Klasse arbeitet und deshalb von sich aus nicht die Demokratie verteidigte.
                                5. der Erinnerung an die Revolution von 1918/19 und die Stärke der Arbeiterbewegung, die nicht durch einfache Gesetze oder ökonomische Massnahemen (Arbeitslosigkeit) gebrochen werden konnte. Deshalb waren die Kapitalisten bereit, die Faschisten zu dulden.

                                b) die Entstehung des Faschismus ist das Produkt des Kapitalimus deshalb, weil er krisenhaft ist und deshalb periodisch auch Krisen im politischen System auslöst. Dies ist besonders der Fall, wenn kein Kompromiss zwischen den Klassen möglich ist und keine Seite in der Lage ist, der anderen ihre Politik mit "normalen" parlamentarischen Mitteln aufzuzwingen. Die Krisenhaftigkeit ist der Grund für die Entfremdung der Arbeiterklasse (siehe Anwachsen der KPD) und der Mittelklassen (Anwachsen der NSDAP) mit dem parlamentarischen System.
                                Dazu kommt, dass die herrschende Klasse so nicht mehr weiter konnte und deshalb nach anderen Lösungen suchte.
                                Original geschrieben von Jack Crow
                                Der (Wirtschafts-)Liberalismus geht ja im Gegenteil davon aus, daß das Positive am Kapitalismus eben der Wettbewerb ist (spätere Liberalismustheorien wie der Ordoliberalismus der Freiburger Schule berücksichtigten dann durchaus, daß es so einfach dann eben doch nicht ist). Andersrum würde ich die deutschen Kartelle also eher in den Kontext der antipluralistiischen Obrigkeitsmentalität stellen, und nicht umgekehrt.
                                Mir ist klar, dass grosse Teile der bürgerlichen Wirtschaftsforscher von freier Konkurrenz reden. Damit realisieren sie aber eine entscheidende Tendenz des Kapitalismus nicht. Und zwar die zunehmende Konzentration der Konzerne. Diese ist heute deutlich sichtbar an der Zahl der Grossfusionen und auch an der Zahl der existierenden Unternehmen in einer Branche. Wie viele Autounternehmen gibt es heute noch weltweit ? 2 US-amerikanische, 3 deutsche, 2 französiche, 1 schwedisches?, 1 italienisches (bald nicht mehr), ? japanische und ? koreanische. Bei den letzten bei ich in Bezug auf die Pleiten und Fusionen bzw. Übernahmen nicht auf dem laufenden. Die Kartellbildung ist ein unvermeidlicher Teil der Entwicklung des Kapitalismus.
                                Und was soll das heissen? Traditionellerweise waren doch gerade Juden Kapitalisten, der Antisemitismus war aber eine Erscheinung des nationalistischen Buergertums (etwa der "Alldeutsche Verband"). Wie stellst du da eine Verbindung her?
                                Dies stimmt so doch überhaupt nicht, ein bedeutender Teil der Kapitalisten war nicht jüdisch ! Aber als typisch rechte Theorie werden als Sündenböcke für alles vom Kapital bis zum Marxismus "aussenstehende, fremde" Menschen verantwortlich gemacht, da ja die eigene Nation diese Fehler ja nicht aufweisen darf. Der Antisemitismus ist damit ein Antikapitalismus für Rechte, die sich dann immer noch ihren eigenen Kapitalisten unterordnen können.

                                Original geschrieben von Jack Crow
                                Hattest du nicht gerade geschrieben, kennzeichnent für die späteren faschistischen Länder sei die ökonomische Verliererrolle?
                                Das Problem von Deutschland aus kapitalistische Sicht war sowohl vor dem ersten, als auch dem zweiten Weltkrieg, dass sie zwar die stärkste Wirtschaft kontrollierten, aber keine Möglichkeit mit friedlichen Mitteln hatten, zusätzliche Märkte und Zugang zu eigegen Rohstoffquellen zu erlangen. Diese waren unter Kontrolle der konkurrierenden Staaten. Letzteres Problem hatte auch Italien (und Japan).

                                Original geschrieben von Endar
                                die Politikelite und die Wirtschaftselite [...] sich in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis zueinander, bei leichtem Übergewicht zur politischen Seite" befanden?
                                Diese Theorie unterstütze ich auch. Du scheinst nur zu glauben, dass alle Marxisten meinen, dass die Faschisten von den Kapitalisten gesteuert werden (lernt man/frau dies in der Uni ? ). Ich sage nur, dass die Kapitalisten die Nazis an die Macht gelassen haben, dafür aber auch ein Teil der eigenen Kontrolle aufgaben.
                                Resistance is fertile
                                Für die AGENDA 3010! 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich und 10 Euro gesetzlichem Mindestlohn!
                                The only general I like is called strike

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