ICh würde alle diejenigen, die an einer ernsthaften Diskussion interessiert sind, sich folgenden Teil eines Buches von Herrn Prof. Dr. Gessenharter einmal durchzulesen. Mich interessiert dazu nichts spezielles und ich möchte mal sehen wie sich diese Diskussion entwickelt. Ich möchte geschlossene Meinungen und kein Zerpflücken anderer MEinungen, keine persönliche sondern eine sachliche Diskussion. Es hat viel mit den in den letzten Monaten diskutierten Themen zu tun, aber dennoch hat dies eine interessante Facette für mich.
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Die Neue Rechte - Scharnier zwischen Neo-Konservatismus und Rechtsextremismus?
Nachfolgender Text zitiert aus: Gessenharter, Wolfgang, Kippt die Republik- Die Neue Rechte und ihre Unterstützung durch Politik und Medien, S. 57-62
(...) "Eine erste Annäherung Den Namen hatten sie sich gut gewählt, jene zumeist jungen und auch größtenteils in akademischer Ausbildung befindlichen Männer: Neue Rechte. Sie wollten im politischen Spektrum dezidiert rechts, also auch konservativ sein, sich aber gegen jene alten Männer durchsetzen beziehungsweise sich von ihnen abheben, die immer noch glaubten, durch Anknüpfung an ihre Biographie, die in der Zeit des Nationalsozialismus ihren Anfang und oft auch ihren Höhepunkt gehabt hatte, nun auch in der Bundesrepublik noch einmal an die politische Macht gelangen zu können. Die jungen Männer der Neuen Rechten dagegen wußten, daß sich die Bundesrepublik, gerade auch in ihrem Selbstverständnis als streitbare Demokratie, gegen ein allzu direktes Anknüpfen an die Ideologien des Nationalsozialismus gewappnet hatte. Bereits durch das Verbotsurteil des Bundesverfassungsgerichtes gegen die Sozialistische Reichs-Partei (SRP) von 1953 waren die verfassungsrechtlichen Weichen dahingehend gestellt, extremen Parteien den politischen Garaus zu machen.
Die Neue Rechte dagegen knüpfte an eine ganz andere Tradition an: Sie wollte zuerst das politische Wirklichkeitsbild in den Köpfen der Menschen verändern, bevor sie sich dann in den direkten Kampf um die politische Macht einlassen würde. Es ging ihr also in erster Linie darum, den Deutschen zu zeigen, daß das, was diese als ihre politische Wirklichkeit ansahen, zum großen Teil auf Illusionen, Tabus und Irrealitäten beruhte, die ihnen im Wege der Umerziehung durch die alliierten Kriegsgegner und Sieger im Zweiten Weltkrieg, allen voran die Sowjetunion und die USA, oktroyiert worden waren und in denen sie sich aufgrund des flotten Lebens im Wirtschaftswunderland eingerichtet hatten: der Tanz auf der sinkenden Titanic, wobei man den Tanz genießt, ohne wahrnehmen zu wollen, daß sich die Tanzfläche bereits in gefährlicher Schräglage befindet. Die Neue Rechte wollte nun den Deutschen über diese »Realität« schonungslos die Augen öffnen, ein Akt, den sie als größte Herausforderung ihres Patriotismus, ihrer Liebe zu Deutschland empfanden.
Der zentrale Ausgangspunkt der Neuen Rechten - so kann man zunächst einmal zusammenfassen - ist die vorrangige Stellung des Kollektivs, der »Gemeinschaft«, des »Staates« gegenüber dem Individuum. Hierin knüpft sie an ein grundsätzlich gegen Liberalismus, Pluralismus und soziale Demokratie gerichtetes Politik- und Verfassungsverständnis an. Da man sich damit im ausdrücklichen Gegensatz zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland befindet, muß diese Botschaft so vermittelt werden, daß sie nicht unmittelbar als verfassungswidrig sanktioniert werden kann. So versucht man also aufzuzeigen, daß die politische Kultur Deutschlands, also das tatsächliche politische Leben in der Bundesrepublik, einem grenzenlosen Liberalismus huldigt, in dem die Selbstverwirklichung des einzelnen rücksichtslos gegen jeden anderen und gegen die Gemeinschaft als solche durchgesetzt wird. Die Institutionen, insonderheit der Staat, sind nur noch die Steigbügelhalter für das grenzenlose Glücksstreben des vereinzelten Menschen. Ein Staat, eine Nation, die nur noch aus egoistischen Individuen bestehen, sind aber auf längere oder vielmehr kürzere Sicht dem Untergang geweiht.
Politik in diesem neurechten Verständnis hat dagegen die Wahrung der Lebensfähigkeit des zur politischen Gemeinschaft zusammengeschlossenen Kollektivs, zum Beispiel der Nation, zur vordringlichen, ja einzigen Aufgabe. Diese Aufgabe kann aber nur gelingen, wenn als notwendige Vorbedingung die Interessenkämpfe der in der Gemeinschaft vereinigten Individuen und Menschengruppen (Vereine, Verbände, Gewerkschaften, Parteien) so weit reduziert würden, daß eine einheitliche Willensbildung möglich wird. Politische Willensbildung mit dem Ziel einer effizienten Entscheidungsfindung und Entscheidungsdurchsetzung in einem Land kann also nur erfolgen, wenn die Gesellschaft in ihrer Substanz möglichst homogen und damit - angeblich - zwangsläufig ohne innere Konflikt ist. Da gerade die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Völkern, Volksgruppen oder auch Rassen zu allergrößten und zusätzlich praktisch unveränderbaren Gegensätzen der Interessen, Weltanschauungen und politischen Zielen führt, wird also gerade der ethnischen Überfremdung der härteste Kampf angesagt. Die Forderung nach Homogenität wird aber auch gegenüber anderen innergesellschaftlichen Minderheiten aufgestellt, die sich, aus welchen Gründen auch immer, dem Majoritätsdruck entziehen oder entziehen wollen.
Wer diese »Wirklichkeiten«, die quasi als Naturgesetzlichkeiten des sozialen Lebens dargestellt werden, nicht zur Kenntnis nehmen will, verweigert entweder, um andere manipulieren zu können, die öffentliche Anerkennung dieser »Realitäten« oder weiß es tatsächlich nicht besser, weil er sich gleichsam in ideologischer Unschuld befindet. Die ideologische Verblendung bei vielen Deutschen wird von der Neuen Rechten als eine direkte Folge von Umerziehungsbemühungen nach dem Zweiten Weltkrieg angesehen. Entscheidender Inhalt dieser Umerziehungsbemühungen soll eben gewesen sein, den Deutschen ihre realistische Sicht auf das Konkrete, Wirkliche, nämlich ihre deutsche Nation und deren Interessen zu nehmen und sie statt dessen mit dem Geist beziehungsweise Ungeist des Universalismus zu ködern. Dieser Ungeist drückt sich danach am deutlichsten in den illusionären Forderungen der Französischen Revolution nach gleichen Menschenrechten für alle Menschen auf der ganzen Erde, das heißt nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit für alle Menschen, aus. In diesen Forderungen steht der einzelne Mensch als gleiches Geschöpf Gottes im Vordergrund, nach Ansicht der Neuen Rechten eine Illusion, wenn man an die großen Unterschiede zwischen den verschiedenen Ethnien, also Völkern oder sogar Rassen, denkt. Diese Kollektive prägen nach Meinung der Neuen Rechten nun einmal die politische Landkarte der Welt und nicht das Abstraktum »Menschheit«. Solche universellen, allgemeinen Kategorien sind nur Ausdruck einer menschenrechtsorientierten und daher völlig illusionären Weltsicht und Politik, und als Zielvorstellung einer konkreten, auf das Wohl des jeweiligen Volkes abgestellten Politik nur als »All-Gemeinheiten« zu entlarven.
Wie man aus dieser kurzen Darstellung ihrer Ideologie erkennen kann, bezieht die Neue Rechte durchwegs Gedankengänge ein, die auch in der Alten Rechten gang und gäbe waren und sind: Hauptpunkt der Gemeinsamkeiten ist die Vorrangstellung des Kollektivs vor dem Individuum. Aus dieser Priorität folgen konsequenterweise Gemeinsamkeiten in der Ablehnung des Pluralismus, des Liberalismus und des Parlamentarismus mit ihren auf Kompromisse zwischen den unterschiedlichen Interessen abzielenden Entscheidungsfindungen: Der starke Staat ist gefragt. Andererseits aber hebt man sich doch deutlich vom Rechtsextremismus und Neonazismus, wie er seit Jahren in den Verfassungsschutzberichten dargestellt wird, ab. Hinweise auf Rassismus und auf übersteigerten Nationalismus, der wieder von einem Deutschland schwärmt, das die ganze Welt beherrschen soll, findet man in dieser Direktheit nicht; vielmehr gilt ein Ethno-Pluralismus, also ein Pluralismus zwischen den einzelnen Kollektiven - Völkern und Staaten -, der aber mit einem klaren Patriotismus verbunden ist, gemäß dem Motto Schönhubers: »Andere Völker achten wir, Deutschland aber lieben wir.« Expansionistische Ziele und das Streben nach einer deutschen Vormachtstellung - klassische Positionen des Rechtsextremismus - werden dabei nicht propagiert. Gleichwohl erweckt die Verwendungsweise des Begriffes »nationales Interesse« durch neurechte Denker nicht selten Assoziationen in diese Richtung.
Andererseits versucht aber die Neue Rechte seit ihren ersten Tagen, sich mit den konservativen Strömungen in Deutschland zu arrangieren. Man nennt sich deshalb seit Ende der siebziger Jahre auch immer weniger »Neue Rechte«, sondern lieber »Junge Konservative« oder manchmal auch »Neue Konservative«. Und in der Tat gibt es Anknüpfungspunkte beim Konservatismus, jedoch nur bei jener Ausprägung des Konservatismus, die man gemeinhin Neokonservatismus nennt. Sie läßt sich dadurch charakterisieren, daß sie im Bereich des kulturellen Lebens, also der Sinn- und Orientierungsstiftung für das politische und gesellschaftliche Leben, von einem vom starken Staat zu führenden Individuum ausgeht, im Bereich des wirtschaftlichen Handelns jedoch gerne das autonome unternehmerische Individuum gegenüber einem sich auf dem Markt zurückhaltenden und eher schwachen Staat herausstellt.
Dort aber, wo der Konservatismus gerade die Freiheit des einzelnen gegenüber einem übermächtigen, bürokratischen Staat behaupten und bewahren will, also in dem Bereich, der als liberaler Konservatismus bezeichnet werden kann, sieht die Neue Rechte ihren schärfsten Gegner, ja erbittert zu bekämpfenden Feind. Von daher verwundert es nicht, daß bei der Neuen Rechten gerade Personen wie Rita Süssmuth, Richard von Weizsäcker oder Heiner Geißler zu den bevorzugten Objekten oft geradezu haßerfüllter Polemik gehören.
Will man die zentralen Anliegen und ideologischen Positionen der Neuen Rechten so, wie sie sich historisch entwickelt haben, fürs erste einmal im politischen Spektrum einordnen, dann kann man das wohl am besten mit dem Bild eines Scharniers tun, das diese Neue Rechte einerseits zwischen Konservativen, vor allem Neokonservativen, und andererseits eindeutig rechtsextremen Positionen bildet.
Im übrigen gilt diese Scharnierstellung, die im ideologischen Bereich in Kapitel 3 näher skizziert werden wird, auch für den organisatorischen Bereich. So scheuen sich die Neuen Rechten nicht, sich bei Gelegenheit auch in die Organisationsgeflechte der Rechtsextremen zu begeben, um andererseits aber auch jederzeit dort tätig zu werden, wo Konservative aktiv sind - dazu dann mehr in Kapitel 4." (...)
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Die Neue Rechte - Scharnier zwischen Neo-Konservatismus und Rechtsextremismus?
Nachfolgender Text zitiert aus: Gessenharter, Wolfgang, Kippt die Republik- Die Neue Rechte und ihre Unterstützung durch Politik und Medien, S. 57-62
(...) "Eine erste Annäherung Den Namen hatten sie sich gut gewählt, jene zumeist jungen und auch größtenteils in akademischer Ausbildung befindlichen Männer: Neue Rechte. Sie wollten im politischen Spektrum dezidiert rechts, also auch konservativ sein, sich aber gegen jene alten Männer durchsetzen beziehungsweise sich von ihnen abheben, die immer noch glaubten, durch Anknüpfung an ihre Biographie, die in der Zeit des Nationalsozialismus ihren Anfang und oft auch ihren Höhepunkt gehabt hatte, nun auch in der Bundesrepublik noch einmal an die politische Macht gelangen zu können. Die jungen Männer der Neuen Rechten dagegen wußten, daß sich die Bundesrepublik, gerade auch in ihrem Selbstverständnis als streitbare Demokratie, gegen ein allzu direktes Anknüpfen an die Ideologien des Nationalsozialismus gewappnet hatte. Bereits durch das Verbotsurteil des Bundesverfassungsgerichtes gegen die Sozialistische Reichs-Partei (SRP) von 1953 waren die verfassungsrechtlichen Weichen dahingehend gestellt, extremen Parteien den politischen Garaus zu machen.
Die Neue Rechte dagegen knüpfte an eine ganz andere Tradition an: Sie wollte zuerst das politische Wirklichkeitsbild in den Köpfen der Menschen verändern, bevor sie sich dann in den direkten Kampf um die politische Macht einlassen würde. Es ging ihr also in erster Linie darum, den Deutschen zu zeigen, daß das, was diese als ihre politische Wirklichkeit ansahen, zum großen Teil auf Illusionen, Tabus und Irrealitäten beruhte, die ihnen im Wege der Umerziehung durch die alliierten Kriegsgegner und Sieger im Zweiten Weltkrieg, allen voran die Sowjetunion und die USA, oktroyiert worden waren und in denen sie sich aufgrund des flotten Lebens im Wirtschaftswunderland eingerichtet hatten: der Tanz auf der sinkenden Titanic, wobei man den Tanz genießt, ohne wahrnehmen zu wollen, daß sich die Tanzfläche bereits in gefährlicher Schräglage befindet. Die Neue Rechte wollte nun den Deutschen über diese »Realität« schonungslos die Augen öffnen, ein Akt, den sie als größte Herausforderung ihres Patriotismus, ihrer Liebe zu Deutschland empfanden.
Der zentrale Ausgangspunkt der Neuen Rechten - so kann man zunächst einmal zusammenfassen - ist die vorrangige Stellung des Kollektivs, der »Gemeinschaft«, des »Staates« gegenüber dem Individuum. Hierin knüpft sie an ein grundsätzlich gegen Liberalismus, Pluralismus und soziale Demokratie gerichtetes Politik- und Verfassungsverständnis an. Da man sich damit im ausdrücklichen Gegensatz zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland befindet, muß diese Botschaft so vermittelt werden, daß sie nicht unmittelbar als verfassungswidrig sanktioniert werden kann. So versucht man also aufzuzeigen, daß die politische Kultur Deutschlands, also das tatsächliche politische Leben in der Bundesrepublik, einem grenzenlosen Liberalismus huldigt, in dem die Selbstverwirklichung des einzelnen rücksichtslos gegen jeden anderen und gegen die Gemeinschaft als solche durchgesetzt wird. Die Institutionen, insonderheit der Staat, sind nur noch die Steigbügelhalter für das grenzenlose Glücksstreben des vereinzelten Menschen. Ein Staat, eine Nation, die nur noch aus egoistischen Individuen bestehen, sind aber auf längere oder vielmehr kürzere Sicht dem Untergang geweiht.
Politik in diesem neurechten Verständnis hat dagegen die Wahrung der Lebensfähigkeit des zur politischen Gemeinschaft zusammengeschlossenen Kollektivs, zum Beispiel der Nation, zur vordringlichen, ja einzigen Aufgabe. Diese Aufgabe kann aber nur gelingen, wenn als notwendige Vorbedingung die Interessenkämpfe der in der Gemeinschaft vereinigten Individuen und Menschengruppen (Vereine, Verbände, Gewerkschaften, Parteien) so weit reduziert würden, daß eine einheitliche Willensbildung möglich wird. Politische Willensbildung mit dem Ziel einer effizienten Entscheidungsfindung und Entscheidungsdurchsetzung in einem Land kann also nur erfolgen, wenn die Gesellschaft in ihrer Substanz möglichst homogen und damit - angeblich - zwangsläufig ohne innere Konflikt ist. Da gerade die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Völkern, Volksgruppen oder auch Rassen zu allergrößten und zusätzlich praktisch unveränderbaren Gegensätzen der Interessen, Weltanschauungen und politischen Zielen führt, wird also gerade der ethnischen Überfremdung der härteste Kampf angesagt. Die Forderung nach Homogenität wird aber auch gegenüber anderen innergesellschaftlichen Minderheiten aufgestellt, die sich, aus welchen Gründen auch immer, dem Majoritätsdruck entziehen oder entziehen wollen.
Wer diese »Wirklichkeiten«, die quasi als Naturgesetzlichkeiten des sozialen Lebens dargestellt werden, nicht zur Kenntnis nehmen will, verweigert entweder, um andere manipulieren zu können, die öffentliche Anerkennung dieser »Realitäten« oder weiß es tatsächlich nicht besser, weil er sich gleichsam in ideologischer Unschuld befindet. Die ideologische Verblendung bei vielen Deutschen wird von der Neuen Rechten als eine direkte Folge von Umerziehungsbemühungen nach dem Zweiten Weltkrieg angesehen. Entscheidender Inhalt dieser Umerziehungsbemühungen soll eben gewesen sein, den Deutschen ihre realistische Sicht auf das Konkrete, Wirkliche, nämlich ihre deutsche Nation und deren Interessen zu nehmen und sie statt dessen mit dem Geist beziehungsweise Ungeist des Universalismus zu ködern. Dieser Ungeist drückt sich danach am deutlichsten in den illusionären Forderungen der Französischen Revolution nach gleichen Menschenrechten für alle Menschen auf der ganzen Erde, das heißt nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit für alle Menschen, aus. In diesen Forderungen steht der einzelne Mensch als gleiches Geschöpf Gottes im Vordergrund, nach Ansicht der Neuen Rechten eine Illusion, wenn man an die großen Unterschiede zwischen den verschiedenen Ethnien, also Völkern oder sogar Rassen, denkt. Diese Kollektive prägen nach Meinung der Neuen Rechten nun einmal die politische Landkarte der Welt und nicht das Abstraktum »Menschheit«. Solche universellen, allgemeinen Kategorien sind nur Ausdruck einer menschenrechtsorientierten und daher völlig illusionären Weltsicht und Politik, und als Zielvorstellung einer konkreten, auf das Wohl des jeweiligen Volkes abgestellten Politik nur als »All-Gemeinheiten« zu entlarven.
Wie man aus dieser kurzen Darstellung ihrer Ideologie erkennen kann, bezieht die Neue Rechte durchwegs Gedankengänge ein, die auch in der Alten Rechten gang und gäbe waren und sind: Hauptpunkt der Gemeinsamkeiten ist die Vorrangstellung des Kollektivs vor dem Individuum. Aus dieser Priorität folgen konsequenterweise Gemeinsamkeiten in der Ablehnung des Pluralismus, des Liberalismus und des Parlamentarismus mit ihren auf Kompromisse zwischen den unterschiedlichen Interessen abzielenden Entscheidungsfindungen: Der starke Staat ist gefragt. Andererseits aber hebt man sich doch deutlich vom Rechtsextremismus und Neonazismus, wie er seit Jahren in den Verfassungsschutzberichten dargestellt wird, ab. Hinweise auf Rassismus und auf übersteigerten Nationalismus, der wieder von einem Deutschland schwärmt, das die ganze Welt beherrschen soll, findet man in dieser Direktheit nicht; vielmehr gilt ein Ethno-Pluralismus, also ein Pluralismus zwischen den einzelnen Kollektiven - Völkern und Staaten -, der aber mit einem klaren Patriotismus verbunden ist, gemäß dem Motto Schönhubers: »Andere Völker achten wir, Deutschland aber lieben wir.« Expansionistische Ziele und das Streben nach einer deutschen Vormachtstellung - klassische Positionen des Rechtsextremismus - werden dabei nicht propagiert. Gleichwohl erweckt die Verwendungsweise des Begriffes »nationales Interesse« durch neurechte Denker nicht selten Assoziationen in diese Richtung.
Andererseits versucht aber die Neue Rechte seit ihren ersten Tagen, sich mit den konservativen Strömungen in Deutschland zu arrangieren. Man nennt sich deshalb seit Ende der siebziger Jahre auch immer weniger »Neue Rechte«, sondern lieber »Junge Konservative« oder manchmal auch »Neue Konservative«. Und in der Tat gibt es Anknüpfungspunkte beim Konservatismus, jedoch nur bei jener Ausprägung des Konservatismus, die man gemeinhin Neokonservatismus nennt. Sie läßt sich dadurch charakterisieren, daß sie im Bereich des kulturellen Lebens, also der Sinn- und Orientierungsstiftung für das politische und gesellschaftliche Leben, von einem vom starken Staat zu führenden Individuum ausgeht, im Bereich des wirtschaftlichen Handelns jedoch gerne das autonome unternehmerische Individuum gegenüber einem sich auf dem Markt zurückhaltenden und eher schwachen Staat herausstellt.
Dort aber, wo der Konservatismus gerade die Freiheit des einzelnen gegenüber einem übermächtigen, bürokratischen Staat behaupten und bewahren will, also in dem Bereich, der als liberaler Konservatismus bezeichnet werden kann, sieht die Neue Rechte ihren schärfsten Gegner, ja erbittert zu bekämpfenden Feind. Von daher verwundert es nicht, daß bei der Neuen Rechten gerade Personen wie Rita Süssmuth, Richard von Weizsäcker oder Heiner Geißler zu den bevorzugten Objekten oft geradezu haßerfüllter Polemik gehören.
Will man die zentralen Anliegen und ideologischen Positionen der Neuen Rechten so, wie sie sich historisch entwickelt haben, fürs erste einmal im politischen Spektrum einordnen, dann kann man das wohl am besten mit dem Bild eines Scharniers tun, das diese Neue Rechte einerseits zwischen Konservativen, vor allem Neokonservativen, und andererseits eindeutig rechtsextremen Positionen bildet.
Im übrigen gilt diese Scharnierstellung, die im ideologischen Bereich in Kapitel 3 näher skizziert werden wird, auch für den organisatorischen Bereich. So scheuen sich die Neuen Rechten nicht, sich bei Gelegenheit auch in die Organisationsgeflechte der Rechtsextremen zu begeben, um andererseits aber auch jederzeit dort tätig zu werden, wo Konservative aktiv sind - dazu dann mehr in Kapitel 4." (...)
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