Als es vor einiger Zeit günstig zu kaufen war, habe ich mir Beyond: Two Souls zugelegt und jetzt am Wochenende durchgespielt. Da mich das Spiel nicht kalt gelassen hat, habe ich mir vorgenommen, eine längere Besprechung dazu zu schreiben. Ich möchte aber alle vorwarnen, dass ich vor allem in den späteren Abschnitten massiv spoilern werde, um besser auf die Handlung eingehen zu können. Ich werde es dort nochmal kenntlich machen, aber keine spoilertags verwenden.
Hintergrund
Beyond: Two Souls stammt aus dem Hause Quantic Dream und ist vor allem die Schöpfung von Quantics Chef David Cage. Dieser zeichnet auch für die beiden "Vorgänger im Geiste" Fahrenheit und Heavy Rain verantwortlich. Das Mystery-Abenteuer Fahrenheit erschien 2005 noch Plattformübergreifend für den PC, die PS2 und die XBox - ich selber hatte es für den PC. Zwar wurde das Spiel weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit rausgebracht, entwickelte sich aber zu einem echten Geheimtipp. Der Film-Noir-Thriller Heavy Rain erschien dann 2010 exklusiv für die PS3 und erhielt von Seiten der Kritiker weltweit überdurchschnittlich gute Bewertungen und war auch noch unerwartet erfolgreich. Daher war es nur logisch, dass es einen weiteren Titel dieser Spielart geben würde. Die ist nun Beyond: Two Souls, dass wie der Vorgänger Ende 2013 exklusiv für die PS3 erschienen ist.
Die Handlung
Doch worum geht es in Beyond: Two Souls eigentlich? Jodie Holmes - überzeugend motion-gecaptured von der burschikosen kanadischen Jungschauspielerin Ellen Page - ist seit ihren frühsten Erinnerungen mit einem Geistwesen verbunden, dass sich selbst Aiden nennt. Aiden kann nur von Jodie wahrgenommen werden und ist in der Lage sowohl Gegenstände in der realen Welt zu manipulieren als auch andere Personen entweder zu übernehmen oder gar zu töten. Insgesamt gehorcht Aiden zwar zum Teil Jodies Befehlen, hat jedoch seinen eigenen Kopf, vor allem, wenn Jodie in Gefahr gerät. Seit Ihrer Geburt unter der Aufsicht einer fiktiven US-Behörde für Paranormale Phänomene und später von der CIA zwangsverpflichtet wird Jodie dazu gebracht, ihre Fähigkeiten gezielt weiterzuentwickeln und gegen unliebsame Gegner der USA einzusetzen. Der Anfang des Spiels zeigt Jodie allerdings bereits auf der Flucht vor den Häschern der CIA und entwickelt die Geschichte zunächst in Rückblicken mit mehreren Zeitsprüngen zwischen Jodies Kindheit, Teenager-Alter und als junge Erwachsene, bevor die Handlung schließlich zeitlich weiter voranschreitet.
Das Gameplay
Spielerisch lässt sich Beyond: Two Souls am ehesten noch als interaktiver Film bezeichnen. Wie auch in den quasi-Vorgängern kann man sich auf den Schauplätzen nur eingeschränkt bewegen und kommt erst weiter, wenn man mit den entscheidenden Objekten interagiert. Auch erlebt man sehr viele vorausberechnete Szenen und kann in diesen nur an bestimmten Stellen in der Form von Reaktionstest (aka Quick-Time-Events) eingreifen. Der Wechsel zischen Jodie und Aiden ist dabei an den meisten Stellen das wichtigste Spielelement, denn das Geistwesen kann sich in Rahmen von bestimmten Grenzen frei im Raum bewegen und beispielsweise durch Wände gehen um vor allem Türen von der anderen Seite zu öffnen. Hier stößt man auch schnell an die spielerischen Grenzen, denn Aidens Reichweite zu Jodie ist allzu häufig von der Spielsituation abhängig.- Sind es im freien Spiel meist nur wenige Meter so ist der Radius in den vorgegebenen Szenen weitaus größer. Auch kann man nur mit den relevanten Objekten interagieren und welche Personen man jetzt mit Aiden übernehmen oder gar töten kann ich auch spielerisch fest vorgegeben. Die erwähnten Reaktionstests beschränken sich dann auch auf der lenken des rechten Analogsticks in die richtige Richtung oder das Triggern der richtigen eingeblendeten Knöpfe. Im Vergleich zu Heavy Rain wurde außerdem die Komplexität der Manöver deutlich zurückgefahren, womit man die zwei zu Verfügung stehenden Schwierigkeitsgrade locker als "sehr leicht" und "leicht" bezeichnen kann, anstelle von "leicht" und "normal". Dazu verzeiht einem das Spiel schon sehr viele Fehler und im Gegensatz zu dem Vorgänger kann Jodie auch dann nicht sterben, wenn man sehr viele Sequenzen am Stück nicht schafft. Lustigerweise versagt dieses System aber genau in einer Schlüsselszene, die Jodies schwere Kopfverletzung vom Anfang des Spiels erklären soll und die man verpasst, wenn man in der vorangegangenen Sequenz beim Reaktionstest nur einmal versagt - was mir auch prompt passiert ist. Zum Glück gibt es ja youtube, denn Quicksaves werden nur angelegt, um beim Ausschalten des Spiels an diesen Stellen wieder zu starten, ein gewolltes Neulanden der Quicksaves ist nicht vorgesehen. Ein komplettes Neuspielen dieses Abschnitts (was jederzeit möglich ist) dauerte mir auch zu lange, da die Sequenz erst ganz am Ende kam.
Ein Grafikhighlight
Der spielerische Anspruch ist also bei Beyond: Two Souls nicht hoch, daher muss man die Qualitäten an anderer Stelle suchen. Herausstellen will ich hier auf jeden Fall die Grafik, die sicher alles aus der letzten Konsolengeneration herausholt. Sämtliche Hauptfiguren wurden aufwendig von Schauspielern per Motion-Capture-Verfahren digitalisiert, wodurch überzeugende Gesichtsmimiken und Bewegungen erzeugt wurden. Auch sind die Haut- und Kleidungstexturen jetzt so fotorealistisch, dass man beinahe soweit ist, dort echte Schauspieler zu vermuten und keine Polygonfiguren. Gleiches gilt für die Schauplätze, die sind ebenfalls sehr detailliert. Zwar erkennt man insgesamt immer noch, dass es sich um ein Spiel handelt, aber die Atmosphäre ist dennoch sehr dicht und die gespielten Emotionen unglaublich glaubwürdig. Das hier professionelle Schauspieler am Werk waren merkt man einfach und Beyond: Two Souls trägt damit sehr zur weiteren Verschmelzung von Filmen und Videospielen bei. So hat neben der bereits erwähnten Ellen Page auf Willem Dafoe eine tragende Rolle als Jodies Quasi-Ziehvater und Chefwissenschaftler der US-Parabehörde.
Erzählerischer Licht und Schatten
Die Art und Weise, wie das Spiel seine Handlung erzählt und inszeniert ist es, was für mich den Reiz von Beyond: Two Souls ausmacht. Durch die vielen Zeitsprünge wird man anfangs zwar irritiert, hat sich aber schnell eingefunden, zumal der Ladebildschirm immer die jeweilige Sequenz auf einem Zeitstrahl einordnet. Die Sequenzen sind dabei unterschiedlich lang und vor allem in Jodies Kindheit eher kurz, die späteren Abschnitte können aber auch mal beinahe zwei Stunden lang sein. Dort ist die Interaktion mit den anderen Charakteren häufig hervorragend und das Spiel hat für mich einige denkwürdige Szenen parat, auf die ich weiter unten in einem sehr spoilerlastigen Kapitel eingehen werde. Wie mehrfach erwähnt sieht man das Spiel am besten eher als interaktiven Film an, an dem man an mehreren Stellen Entscheidungen über das weitere Vorgehen treffen kann.
Beyond: Two Souls hat dabei leider ein großes Problem, und das ist Heavy Rain. Vergleicht man es mit dem Vorgänger ist dieses Spiel leider in Bezug auf die Inszenierung der Gesamthandlung ein deutlicher Rückschritt. So gab es in Heavy Rain viele Entscheidungen, die zu deutlich unterschiedlichen Ergebnissen und Endsequenzen führen. So konnte es beispielsweise sein, dass sich manche Charaktere gar nicht oder erst später treffen. Auch konnten dort einige oder gar alle Hauptcharaktere sterben und das Spiel lief trotzdem weiter und die meisten Entscheidungen hatten einen Einfluss auf den Ausgang der Geschichte. In Beyond: Two Souls ist die Handlung von Anfang an durchkomponiert und die Entscheidungen in den einzelnen Sequenzen haben bis auf den letzten Abschnitt keine Konsequenzen für den Ausgang der Geschichte. Als sicher extremstes Beispiel dieser Art ist einer der ersten Spielabschnitte zu erwähnen, in der die junge Jodie auf eine Geburtstagsparty eingeladen wird. Egal ob wir uns im ersten Teil der Feier als reserviertes Mauerblümchen geben, uns an die anderen Kinder anpassen oder mit Aiden vor den Anderen angeben ist eigentlich egal, denn am Ende wird Jodie auf jeden Fall von den Anwesenden gemobbt und in eine Besenkammer gesperrt. Und ob wir nach der Befreiung durch Aiden jetzt einfach weggehen oder brutale Rache nehmen und die Kinder potentiell schwer verletzten und das Haus niederbrennen hat am Ende keine Konsequenzen auf den weiteren Spielverlauf. Wie gesagt, das ist in der Beziehung sicher die auffälligste Szene und später gibt es das nicht so offensichtlich aber es bleibt im Hinterkopf der Beigeschmack, dass wir zwar den Weg leicht abändern können, am Ziel ändert das aber nichts. Erst im letzten Kapitel können wir denn Entscheidungen mit Tragweite treffen, dennoch stehen einem am Schluss eigentlich alle wichtigen Endsequenzen offen.
Heavy Rain war in der Beziehung viel weiter, musste dafür aber auch mit mehreren Logiklücken kämpfen, da man bei den Entwicklern anscheinend nicht jede Kombination stimmig abstimmen konnte und sich so teilweise unlogische Situationen ergeben, weil sonst die Handlung nicht vorankommen würde. Vergleiche ich aber die beiden Geschichten so hat meiner Meinung nach aber Beyond: Two Souls die klar bessere Story zu erzählen und während ich bei Heavy Rain eigentlich wenig Lust hatte, die Geschichte nochmal zu spielen, nachdem man die Identität des im Spiel zu jagenden Serienmörders enttarnt hatte und ich auch gleich das beste Ende gesehen hatte, werde ich Beyond: Two Souls sicher noch einmal durchspielen, einfach um die Handlung noch ein zweites mal zu erleben. Ziehe ich den Vergleich zu einem Film ist Heavy Rain für mich ein Thriller, den man eigentlich nur einmal zu sehen braucht, während Beyond: Two Souls ein Film ist, den man gerne nach einiger Zeit nochmal ansehen will.
Mein Fazit
In Bezug auf die Inszenierung der Handlung und des Storyverlaufs ist Beyond: Two Souls ein denkwürdiges und auch wichtiges Spiel. Auch die Grafik ist über jeden Zweifel erhaben und für die PS3 einer der optisch schönsten Titel. Gäbe es nicht den Vorgänger Heavy Rain als Vergleichsmöglichkeit, dann wären die allgemeinen Kritiken sicher nicht so negativ ausgefallen. So muss sich Beyond: Two Souls den Vorwurf gefallen lassen, spielerisch ein deutlicher Rückschritt zu seinem indirekten Vorgänger zu sein. Auf der Habenseite steht dafür wie erwähnt die packende Story. Mit Jodie (bzw. Ellen Page) hat man außerdem eine sehr glaubwürdige weibliche Hauptprotagonistin, mit dem man in vielen Szenen mitfühlen und mitfiebern kann. Eine abschließende Bewertung ist schwer, da das Spiel sicher nicht für jeden etwas ist. Ich würde persönlich jedoch 86% im Bewertungsmaßstab der meisten Spielemagazine vergeben, was hier im Forum 5/6 Sternen wären.
Meine denkwürdigsten Szenen
- Achtung hier massive Spoiler -
Heimatlos - Jodie verbringt während ihrer Flucht den Winter bei einer Gruppe Obdachloser. Die deprimierende Stimmung kommt hier verdammt gut rüber und es ist die realistischste Darstellung von Nicht-Sesshaften, die ich je in einem Spiel oder einem fiktionalen Film gesehen habe. Jodie ist hier an ihrem Tiefpunkt angekommen und denkt gar an Selbstmord. Am Ende richten sich beide Gruppen aneinander auf und es verbinden sich Hoffnung und Dramatik.
Der Auftrag - Jodies große CIA-Mission führt sie in eine an Mogadischu angelehnte Stadt, wo sie einen verletzten Kindersoldaten trifft, den sie mit Aiden Hilfe heilt und der sie dafür zu ihrem Ziel bringt. Denkt man schon, dass der Junge am Ende doch noch erschossen wird ist genau das nicht der Fall sondern das Ende ist im Gegenteil so bitter, das es einem an die Nieren geht. Gleichzeitig ist es auch in sich logisch und die Auflösung der ganzen Aktion mach einen nur wütend.
Allein wegen dieser zwei Abschnitte lohnt es sich meiner Meinung nach schon Beyond: Two Souls komplett zu spielen und sie gehören für mich zu den Highlights meiner bisherigen Spieler-Erfahrungen. Ich stelle sie für mich auf eine Stufe mit dem Finale von Bioshock - Infinite, dem Gesamterlebnis aus Dragon Age Origins, dem großen Plottwist von Knights of the Old Republic oder Aeris Tod aus Final Fantasy VII.
Hintergrund
Beyond: Two Souls stammt aus dem Hause Quantic Dream und ist vor allem die Schöpfung von Quantics Chef David Cage. Dieser zeichnet auch für die beiden "Vorgänger im Geiste" Fahrenheit und Heavy Rain verantwortlich. Das Mystery-Abenteuer Fahrenheit erschien 2005 noch Plattformübergreifend für den PC, die PS2 und die XBox - ich selber hatte es für den PC. Zwar wurde das Spiel weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit rausgebracht, entwickelte sich aber zu einem echten Geheimtipp. Der Film-Noir-Thriller Heavy Rain erschien dann 2010 exklusiv für die PS3 und erhielt von Seiten der Kritiker weltweit überdurchschnittlich gute Bewertungen und war auch noch unerwartet erfolgreich. Daher war es nur logisch, dass es einen weiteren Titel dieser Spielart geben würde. Die ist nun Beyond: Two Souls, dass wie der Vorgänger Ende 2013 exklusiv für die PS3 erschienen ist.
Die Handlung
Doch worum geht es in Beyond: Two Souls eigentlich? Jodie Holmes - überzeugend motion-gecaptured von der burschikosen kanadischen Jungschauspielerin Ellen Page - ist seit ihren frühsten Erinnerungen mit einem Geistwesen verbunden, dass sich selbst Aiden nennt. Aiden kann nur von Jodie wahrgenommen werden und ist in der Lage sowohl Gegenstände in der realen Welt zu manipulieren als auch andere Personen entweder zu übernehmen oder gar zu töten. Insgesamt gehorcht Aiden zwar zum Teil Jodies Befehlen, hat jedoch seinen eigenen Kopf, vor allem, wenn Jodie in Gefahr gerät. Seit Ihrer Geburt unter der Aufsicht einer fiktiven US-Behörde für Paranormale Phänomene und später von der CIA zwangsverpflichtet wird Jodie dazu gebracht, ihre Fähigkeiten gezielt weiterzuentwickeln und gegen unliebsame Gegner der USA einzusetzen. Der Anfang des Spiels zeigt Jodie allerdings bereits auf der Flucht vor den Häschern der CIA und entwickelt die Geschichte zunächst in Rückblicken mit mehreren Zeitsprüngen zwischen Jodies Kindheit, Teenager-Alter und als junge Erwachsene, bevor die Handlung schließlich zeitlich weiter voranschreitet.
Das Gameplay
Spielerisch lässt sich Beyond: Two Souls am ehesten noch als interaktiver Film bezeichnen. Wie auch in den quasi-Vorgängern kann man sich auf den Schauplätzen nur eingeschränkt bewegen und kommt erst weiter, wenn man mit den entscheidenden Objekten interagiert. Auch erlebt man sehr viele vorausberechnete Szenen und kann in diesen nur an bestimmten Stellen in der Form von Reaktionstest (aka Quick-Time-Events) eingreifen. Der Wechsel zischen Jodie und Aiden ist dabei an den meisten Stellen das wichtigste Spielelement, denn das Geistwesen kann sich in Rahmen von bestimmten Grenzen frei im Raum bewegen und beispielsweise durch Wände gehen um vor allem Türen von der anderen Seite zu öffnen. Hier stößt man auch schnell an die spielerischen Grenzen, denn Aidens Reichweite zu Jodie ist allzu häufig von der Spielsituation abhängig.- Sind es im freien Spiel meist nur wenige Meter so ist der Radius in den vorgegebenen Szenen weitaus größer. Auch kann man nur mit den relevanten Objekten interagieren und welche Personen man jetzt mit Aiden übernehmen oder gar töten kann ich auch spielerisch fest vorgegeben. Die erwähnten Reaktionstests beschränken sich dann auch auf der lenken des rechten Analogsticks in die richtige Richtung oder das Triggern der richtigen eingeblendeten Knöpfe. Im Vergleich zu Heavy Rain wurde außerdem die Komplexität der Manöver deutlich zurückgefahren, womit man die zwei zu Verfügung stehenden Schwierigkeitsgrade locker als "sehr leicht" und "leicht" bezeichnen kann, anstelle von "leicht" und "normal". Dazu verzeiht einem das Spiel schon sehr viele Fehler und im Gegensatz zu dem Vorgänger kann Jodie auch dann nicht sterben, wenn man sehr viele Sequenzen am Stück nicht schafft. Lustigerweise versagt dieses System aber genau in einer Schlüsselszene, die Jodies schwere Kopfverletzung vom Anfang des Spiels erklären soll und die man verpasst, wenn man in der vorangegangenen Sequenz beim Reaktionstest nur einmal versagt - was mir auch prompt passiert ist. Zum Glück gibt es ja youtube, denn Quicksaves werden nur angelegt, um beim Ausschalten des Spiels an diesen Stellen wieder zu starten, ein gewolltes Neulanden der Quicksaves ist nicht vorgesehen. Ein komplettes Neuspielen dieses Abschnitts (was jederzeit möglich ist) dauerte mir auch zu lange, da die Sequenz erst ganz am Ende kam.
Ein Grafikhighlight
Der spielerische Anspruch ist also bei Beyond: Two Souls nicht hoch, daher muss man die Qualitäten an anderer Stelle suchen. Herausstellen will ich hier auf jeden Fall die Grafik, die sicher alles aus der letzten Konsolengeneration herausholt. Sämtliche Hauptfiguren wurden aufwendig von Schauspielern per Motion-Capture-Verfahren digitalisiert, wodurch überzeugende Gesichtsmimiken und Bewegungen erzeugt wurden. Auch sind die Haut- und Kleidungstexturen jetzt so fotorealistisch, dass man beinahe soweit ist, dort echte Schauspieler zu vermuten und keine Polygonfiguren. Gleiches gilt für die Schauplätze, die sind ebenfalls sehr detailliert. Zwar erkennt man insgesamt immer noch, dass es sich um ein Spiel handelt, aber die Atmosphäre ist dennoch sehr dicht und die gespielten Emotionen unglaublich glaubwürdig. Das hier professionelle Schauspieler am Werk waren merkt man einfach und Beyond: Two Souls trägt damit sehr zur weiteren Verschmelzung von Filmen und Videospielen bei. So hat neben der bereits erwähnten Ellen Page auf Willem Dafoe eine tragende Rolle als Jodies Quasi-Ziehvater und Chefwissenschaftler der US-Parabehörde.
Erzählerischer Licht und Schatten
Die Art und Weise, wie das Spiel seine Handlung erzählt und inszeniert ist es, was für mich den Reiz von Beyond: Two Souls ausmacht. Durch die vielen Zeitsprünge wird man anfangs zwar irritiert, hat sich aber schnell eingefunden, zumal der Ladebildschirm immer die jeweilige Sequenz auf einem Zeitstrahl einordnet. Die Sequenzen sind dabei unterschiedlich lang und vor allem in Jodies Kindheit eher kurz, die späteren Abschnitte können aber auch mal beinahe zwei Stunden lang sein. Dort ist die Interaktion mit den anderen Charakteren häufig hervorragend und das Spiel hat für mich einige denkwürdige Szenen parat, auf die ich weiter unten in einem sehr spoilerlastigen Kapitel eingehen werde. Wie mehrfach erwähnt sieht man das Spiel am besten eher als interaktiven Film an, an dem man an mehreren Stellen Entscheidungen über das weitere Vorgehen treffen kann.
Beyond: Two Souls hat dabei leider ein großes Problem, und das ist Heavy Rain. Vergleicht man es mit dem Vorgänger ist dieses Spiel leider in Bezug auf die Inszenierung der Gesamthandlung ein deutlicher Rückschritt. So gab es in Heavy Rain viele Entscheidungen, die zu deutlich unterschiedlichen Ergebnissen und Endsequenzen führen. So konnte es beispielsweise sein, dass sich manche Charaktere gar nicht oder erst später treffen. Auch konnten dort einige oder gar alle Hauptcharaktere sterben und das Spiel lief trotzdem weiter und die meisten Entscheidungen hatten einen Einfluss auf den Ausgang der Geschichte. In Beyond: Two Souls ist die Handlung von Anfang an durchkomponiert und die Entscheidungen in den einzelnen Sequenzen haben bis auf den letzten Abschnitt keine Konsequenzen für den Ausgang der Geschichte. Als sicher extremstes Beispiel dieser Art ist einer der ersten Spielabschnitte zu erwähnen, in der die junge Jodie auf eine Geburtstagsparty eingeladen wird. Egal ob wir uns im ersten Teil der Feier als reserviertes Mauerblümchen geben, uns an die anderen Kinder anpassen oder mit Aiden vor den Anderen angeben ist eigentlich egal, denn am Ende wird Jodie auf jeden Fall von den Anwesenden gemobbt und in eine Besenkammer gesperrt. Und ob wir nach der Befreiung durch Aiden jetzt einfach weggehen oder brutale Rache nehmen und die Kinder potentiell schwer verletzten und das Haus niederbrennen hat am Ende keine Konsequenzen auf den weiteren Spielverlauf. Wie gesagt, das ist in der Beziehung sicher die auffälligste Szene und später gibt es das nicht so offensichtlich aber es bleibt im Hinterkopf der Beigeschmack, dass wir zwar den Weg leicht abändern können, am Ziel ändert das aber nichts. Erst im letzten Kapitel können wir denn Entscheidungen mit Tragweite treffen, dennoch stehen einem am Schluss eigentlich alle wichtigen Endsequenzen offen.
Heavy Rain war in der Beziehung viel weiter, musste dafür aber auch mit mehreren Logiklücken kämpfen, da man bei den Entwicklern anscheinend nicht jede Kombination stimmig abstimmen konnte und sich so teilweise unlogische Situationen ergeben, weil sonst die Handlung nicht vorankommen würde. Vergleiche ich aber die beiden Geschichten so hat meiner Meinung nach aber Beyond: Two Souls die klar bessere Story zu erzählen und während ich bei Heavy Rain eigentlich wenig Lust hatte, die Geschichte nochmal zu spielen, nachdem man die Identität des im Spiel zu jagenden Serienmörders enttarnt hatte und ich auch gleich das beste Ende gesehen hatte, werde ich Beyond: Two Souls sicher noch einmal durchspielen, einfach um die Handlung noch ein zweites mal zu erleben. Ziehe ich den Vergleich zu einem Film ist Heavy Rain für mich ein Thriller, den man eigentlich nur einmal zu sehen braucht, während Beyond: Two Souls ein Film ist, den man gerne nach einiger Zeit nochmal ansehen will.
Mein Fazit
In Bezug auf die Inszenierung der Handlung und des Storyverlaufs ist Beyond: Two Souls ein denkwürdiges und auch wichtiges Spiel. Auch die Grafik ist über jeden Zweifel erhaben und für die PS3 einer der optisch schönsten Titel. Gäbe es nicht den Vorgänger Heavy Rain als Vergleichsmöglichkeit, dann wären die allgemeinen Kritiken sicher nicht so negativ ausgefallen. So muss sich Beyond: Two Souls den Vorwurf gefallen lassen, spielerisch ein deutlicher Rückschritt zu seinem indirekten Vorgänger zu sein. Auf der Habenseite steht dafür wie erwähnt die packende Story. Mit Jodie (bzw. Ellen Page) hat man außerdem eine sehr glaubwürdige weibliche Hauptprotagonistin, mit dem man in vielen Szenen mitfühlen und mitfiebern kann. Eine abschließende Bewertung ist schwer, da das Spiel sicher nicht für jeden etwas ist. Ich würde persönlich jedoch 86% im Bewertungsmaßstab der meisten Spielemagazine vergeben, was hier im Forum 5/6 Sternen wären.
Meine denkwürdigsten Szenen
- Achtung hier massive Spoiler -
Heimatlos - Jodie verbringt während ihrer Flucht den Winter bei einer Gruppe Obdachloser. Die deprimierende Stimmung kommt hier verdammt gut rüber und es ist die realistischste Darstellung von Nicht-Sesshaften, die ich je in einem Spiel oder einem fiktionalen Film gesehen habe. Jodie ist hier an ihrem Tiefpunkt angekommen und denkt gar an Selbstmord. Am Ende richten sich beide Gruppen aneinander auf und es verbinden sich Hoffnung und Dramatik.
Der Auftrag - Jodies große CIA-Mission führt sie in eine an Mogadischu angelehnte Stadt, wo sie einen verletzten Kindersoldaten trifft, den sie mit Aiden Hilfe heilt und der sie dafür zu ihrem Ziel bringt. Denkt man schon, dass der Junge am Ende doch noch erschossen wird ist genau das nicht der Fall sondern das Ende ist im Gegenteil so bitter, das es einem an die Nieren geht. Gleichzeitig ist es auch in sich logisch und die Auflösung der ganzen Aktion mach einen nur wütend.
Allein wegen dieser zwei Abschnitte lohnt es sich meiner Meinung nach schon Beyond: Two Souls komplett zu spielen und sie gehören für mich zu den Highlights meiner bisherigen Spieler-Erfahrungen. Ich stelle sie für mich auf eine Stufe mit dem Finale von Bioshock - Infinite, dem Gesamterlebnis aus Dragon Age Origins, dem großen Plottwist von Knights of the Old Republic oder Aeris Tod aus Final Fantasy VII.