Hallo zusammen,
nachdem ich gestern DX:HR zum zweiten Mal erfolgreich durchgespielt habe, hier mein persönliches Fazit.
*Warnung: Ich werde keinerlei größere Handlungsevents spoilern und mich im Wesentlochen auf generelle Gameplay-Aspekte beziehen, wie sie vor allem für diejenigen unter euch von Interesse sein werden, die mit dem Gedanken spielen, sich den Titel zuzulegen. Dennoch kann ich nicht ausschließlich, dass es hier und dort zum "Verrat" von kleinen inhaltlichen Details kommt, Lesen daher auf eigene Gefahr!*
Ich gehe davon aus, dass Deus Ex generell wie auch dieser Titel im Speziellen zumindest grob dank Internet und Co bekannt ist und spare mir deshalb langwierige "So siehts im Deus Ex-Universum aus"-Einführungen. Stattdessen stürze ich mich direkt auf die Gameplayaspekte, und werde dabei versuchen, vor allem die durchaus vorhandenen Schattenseiten des Spiels zu beleuchten, denn sie sind - und das muss ich leider klar sagen - zum Teil gravierend.
Die Atmosphäre des cyberpunkigen Deus-Ex-Universums mit seinen Anleihen bei Bladerunner und Shadowrun gelingt zu jeder Zeit des Spiels vortrefflich. Die Sogwirkung und Identifikation des Spiels, vor allem beim erstmaligen Erforschen des Neo-Shanghai, ist immens. Die Schauplätze wirken (mit Abstrichten bei Detroit) überzeugend. Erfreulich ist beispielsweise, dass in Shanghai mehrheitlich auch tatsächlich Mandarin gesprochen wird und man stattdessen beim Belauschen von Passanten-Gesprächen "nur" englische/deutsche (what ever) Untertitel angezeigt bekommt. A propos Interaktion mit den NPCs, die ja so wichtig für die Glaubwürdigkeit eines Rollenspieles ist: Hier gibts Licht und Schatten. Die Dialoge sind alles in allem erstklassig geschrieben und zumindest im englischen Orignal hervorragend vertont. Schade ist dabei nur, dass die optische Darstellung der NPCs in Sachen Gestik, Mimik und genereller Körperhaltung nicht mal mehr einem Vampire:Bloodlines von Anno Pief gerecht wird - die NPCs (auch der Hauptcharakter) wirken überaus steif und bewegen sich teilweise wie Marionetten in den Händen eines schlechten Puppenspielers; Mimik ist tragischer Weise gerade beim Hauptcharakter fast gar nicht mehr vorhanden (ein Fehler, ihm immer die coolen Hud-Sonnengläser tragen zu lassen, Eidos) und auch andere wichtige Personen haben ein bestenfalls rudimentäres Reportoire an Gesichtsausdrücken. Man muss nicht immer den leidigen Vergleich zu Mass Effect 2 ziehen, aber dass selbst das oben erwähnte Vampire Bloodlines zumindest nicht schlechter abschneidet, sollte Eidos für Teil 4 der Serie zu denken geben. Tatsächlich ist die Darstellung der meisten Gespräche außerhalb wichtiger Schlüsselstellen in ingame-Graphik so schlecht, dass man versucht ist, die Augen zuzumachen und den guten Sprechern zu lauschen.
Da die optische Präsentation der Lokalitäten im Großen und Ganzen aber genauso stimmig ist wie der weitestgehend Schwächenlose, dafür aber vorhersehbare Hauptplot, kann man von einer gelungenen Immersion ins Universum von DX:HR sprechen.
Aber "Rollenspiel" bzw. "Adventure" heißt nicht nur, dass man sich in einer attraktiven Spielwelt wiederfindet, sondern auch, dass der Spieler auf rollenspiel-typische Elemente zurückgreifen kann, die ihm helfen, seinen Charakter und dessen Platz in dieser Welt zu verorten, sprich: "Skills" und "Inventar" i. w. S.. Dabei muss nun unterschieden werden, mit welcher Erwartungshaltung man an den dritten Teil der Serie heran geht: Wer sich stupide mit der dicken Wumme durch die Gegnerhorden metzeln will, wird enttäuscht sein. Die KI der Gegner ist so blöd wie mans heutzutage (leider) immernoch von irgendwie vergleichbaren Spielen (z.b. ME 2) kennt, gleicht das aber durch lächerlich hohen Schaden im höchsten Schwierigkeitsgrad aus - keine Überraschung hier. Das wäre ja alles nicht so schlimm, wenn das Skillsystem einen Rambo-Pfad auch unterstützen würde. Mich stört dabei nicht, dass der Rambo-mäßig-durch-die-Vordertüre-Style vom Spiel mit viel, viel weniger XP belohnt wird, als sich Splinter Cell-mäßig ungesehen und lautlos voran zu schleichen. Das eigentliche Problem ist die mangelhafte Auswahl an Skillmöglichkeiten, denn für den direkten Kampf taugen vielleicht nur 20% aller zur Verfügung stehenden Fähigkeiten - vor allem, wenn man wirklich die pure gradlinige Baller-Orgie durchziehen will. Auch nehmen die "fetten Wummen" samt Munition im (begrenzten) Inventar dann schnell so viel Platz ein, dass man die ohnehin schon sehr spärlichen Skillpunkte beim Rambo-Durchlauf auch noch in eine Inventarerweiterung zu stecken hat.
Das ist nun der passende Zeitpunkt, um zum größten und übelsten Designeschnitzer von Deus Ex: HR zu kommen - dem Energiesystem (und seiner krassen Spaßbeschneidung beim Rambo - und vor allem Tödlicher-Schleicher-Modus):
Deus Ex:HR benutzt für im Grunde alle *spaßigen* Aktionen, die nicht mit dem Entleeren von Magazinen in dumme Feinde oder dem Hacken von Konsolen zu tun haben, ein Energiesystem. Ich erkläre:
Der Charakter verfügt zu Anfang des Spiels über zwei horizontal nebeneinander angeordnete Batterien, die sein Energiereservoire darstellen. Ein sog. Take-Down (also das automatische, aber cool anzusehende und wahlweise tödliche/nicht tödliche Ausschalten eines humanoiden Gegners im Nahkampf) benötigt pro Ausfürung die Energiemenge, die einer vollen Batterie entspricht. Den Tarnmodus einzuschalten braucht ebenfalls eine stattliche Menge Saft - zu Anfang hält eine Batterie 3 Sekunden, mit Upgrades dann bis zu 7 Sekunden, ehe die nächste Batterie angezapft wird.
Wer mitgedacht hat, kann sich jetzt schon eine coole Kombination vorstellen, um einen Raum mit drei Gegnern zu säubern (gesetzt dem Fall, man will kämpfen und sie nicht Ghost-mäßig komplett umgehen, was natürlich auch ohne Probleme geht und in seiner Wahlfreiheit einen der dicken Pluspunkte des Spiels darstellt): Man schleicht sich unter Ausnutzung des sehr großzügig für den Spieler gestalteten Deckungssystems an Feind 1 heran und jagt ihm aus kurzer Distanz eine Kugel in den Kopf. Das alarmiert seine Freunde Feind 1 und Feind 2. Man schaltetet Feind 2 durch einen Take-Down aus. Eine Batterie verbraucht. Man aktiviert seine Tarnung und sprintet zu Feind 3, seines Zeichens ein Scharfschütze, um ihm im Nahkampf...genau. Takedown steht nicht mehr zur Verfügung, nicht mehr genug Energie da. Also falle ich hinter ihm aus der Unsichtbarkeit und jage ihm eine Ladung Blei aus meiner Flinte in den Rücken. Soweit, so gut (und dass man Feinde auf so vielfältig-dynamische Weise unter Verwendung von Energie ausschalten kann, ist ebenfalsl ein mega-Pluspunkt des Spieles!). Ich freue mich über meinen Sieg und gehe in den nächsten Raum weiter. Hier stehen die Feinde 4, 5 und 6. Gut. Meine beiden Batterien sind ja wieder voll, also mache ich das ganze direkt nochmal, oder werde sie einfach mit meiner Energie-Schockwelle.... nein. Falsch gedacht. Denn die Entwickler haben dem ungehemmten Einsatz von Energieabhängigen Angriffen einen Riegel vorgeschoben: Es wird stets nur die Batterie wieder aufgeladen, die als letzte nicht vollständig aufgebraucht worden ist. Das bedeutet für meine beiden horizontal nebeneinander angeordneteten Batterien aus obigem Beispiel also: Batterie Links steht mir nach kurzer Wartezeit wieder zur Verfügung, Batterie Rechts ist leer. Und bleibtes auch. Es gibt KEINE Möglichkeit, sie aufzuladen, außer ich werfe einen der sehr Inventar-sperrigen und sehr, sehr begrenzt vorhandenen Energie-Pusher rein, die in unterschiedlicher Ausführung bis zu drei Batterie wiederaufladen.
Also: Kein cooler, spaßiger Einsatz von Fähigkeiten am Fließband, denn man überlegt sich wirklich ständig: "Mhmh, habe ich dann noch genug Energie-Pusher, wenn ich sie wirklich mal brauche, oder stehe ich dann mit herunter gelassenen Hosen da?" Und eigentlich bunkert man zumindest im ersten Durchlauf auch alle Energie-Pusher für gerade den einen schwierigen Kampf, der dann doch nicht kommt, und limitiert in den restlichen 90% des Spiels den angestrebten Spielspaß beträchtlich.
Eidos hat diesen Weg (also die Regneration nur letzten nicht komplett verbrauchten Energiezelle) gewählt, um das Spiel nicht zu einfachen, nicht zu kurz zu machen und den Spielern zum Finden alternativen Strategien anzuregen. Sagen sie. Ist aber nur eine ziemlich dumme Entschuldigung für mangelnde KReativität, denn man hätte leicht Skills einführen können, die auch eine Regeneration *aller* Batterien ermöglichen, aber dabei gerade ineffektiv genug sind, um nicht drei Lagerhallen mit jeweils 20 Feinden drin ohne Pause in Rekordzeit säubern zu können. Warum Eidos hier derart restriktiv und Spielspaß-killend vorgegangen ist, kann nicht einleuchten.
Diese ganzen Probleme mit dem Energiesystem sind aber witziger Weise für den reinen nicht-tödlichen Schleicher ohne Belang, denn seine Konfrontationen mit Feinden halten sich derart in Grenzen, dass er mit einer einzigen Batterie quasi immer auskommt. Wer hingegen als Rambo oder ganz besonders "tödlicher Schleicher" spielen möchte, muss entweder die spärlich-sperrigen Energie-Pusher in Hülle und Fülle fressen (und wird TROTZDEM nicht genug von ihnen im ganzen Spiel auftreiben können - damit de facto auch keine Option) oder auf die wirklich witzigen Kombinationen seiner Fähigkeiten in 8,5 von 10 Kämpfen verzichten.
Hier zeigt sich also, dass Deus Ex den pazifistischen Schleicher nicht nur massiv in Sachen XP bevorzugt (was kein Problem ist, meiner Meinung nach, und es sowieso nicht so viele Kampf-nützliche Skills gibt, in die man seine XP investieren könnte...) sondern den beiden anderen wesentlich anderen Spielmodi viel zu große Steine in Form von Energie-Management (aka Energie-Hungersnot) und Inventar-Bedarf in den Weg legt.
Allerdings hat der Weg des tödlichen Schleichers bzw des Rambos auch einen großen Vorteil: Man kriegt relativ so viel weniger an Skillpunkten, dass man eben nicht nach 2/3 der Spielzeit alles an Skills hat, was man brauchen könnte oder vielleicht doch noch haben möchte, und noch einige mehr (ein Problem, das man aus ME2 kennt): Man muss wirklich wesentlich länger als nur das erste Viertel des Spiels überlegen, worein man seine Punkte steckt, und hat auch am Ende nicht das Gefühl, einen profillosen "Ich kann ja doch alles-"Charakter zu spielen, wie es zwangsläufig der pazifistische Schleicher sein wird. Ein seltsam gelungener Pluspunkt für die beiden Modi also in Sachen RPG-Erfahrung...
Der Entscheidungsfreiheit von Deus Ex tut es leider auch Abbruch, dass man mit vier Bosskämpfen angehauen wird, die sich allesamt nicht vermeiden lassen. Sie sind für Freunde des reinen Schleichers tendenziell überraschend schwer (vor allem der Dritte) und lassen sich ohne eine gewisse, spoilermäßige Vorbereitung auf dem höchsten Schwierigkeitsgerad nicht wirklich meistern (Ausnahme: Kampf 2 und bedingt Kampf 1). Es empfiehlt sich immer, (EMP-)Granaten mitzuführen oder einfach das Typhoon-Kampfsystem voll auszubauen, auch als Schleicher (was alle Bosskämpfe bis auf den letzten dann aber regelrecht trivialisiert). Schade, dass man in Deus Ex dann doch zum Kämpfen gezwungen wird, wo man außerhalb der Bosskämpfe ohnen einen Kill, ja sogar ohne jede Konfrontation mit einem Feind auskommen und sich daher "wahrlich entscheiden" kann.
So weit, so gut.
Das waren die für mich wesentlichsten Dinge, die ich bei einer "Kaufberatung" für DX:HR auf jeden Fall kommuniziert sehen wollte.
Daher Fazit:
Wer auf eine solide Story mit coolen Charakteren in einer gelungenen Spielwelt-Immersion steht, und ein Freund von "niemand wird wissen, dass ich da war!"-Schleicheinlagen ist, kann bei Deus Ex beherzt zugreifen.
Wer hingegen auf dynamischere Kämpfe mit großen Abwechlungs - und Kombinationsmöglichkeiten steht, sollte eher Vorsicht walten lassen, denn dazu sind die Einschränkungen des Batterie-Systems dann doch viel zu gravierend und zu unverständlich.
6,5 von 10 Punkten.
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Welche Erfahrungen mit dem Spiel habt ihr gemacht? Oder wollt ihr Tips, Ratschläge, Entscheidungshilfen?
nachdem ich gestern DX:HR zum zweiten Mal erfolgreich durchgespielt habe, hier mein persönliches Fazit.
*Warnung: Ich werde keinerlei größere Handlungsevents spoilern und mich im Wesentlochen auf generelle Gameplay-Aspekte beziehen, wie sie vor allem für diejenigen unter euch von Interesse sein werden, die mit dem Gedanken spielen, sich den Titel zuzulegen. Dennoch kann ich nicht ausschließlich, dass es hier und dort zum "Verrat" von kleinen inhaltlichen Details kommt, Lesen daher auf eigene Gefahr!*
Ich gehe davon aus, dass Deus Ex generell wie auch dieser Titel im Speziellen zumindest grob dank Internet und Co bekannt ist und spare mir deshalb langwierige "So siehts im Deus Ex-Universum aus"-Einführungen. Stattdessen stürze ich mich direkt auf die Gameplayaspekte, und werde dabei versuchen, vor allem die durchaus vorhandenen Schattenseiten des Spiels zu beleuchten, denn sie sind - und das muss ich leider klar sagen - zum Teil gravierend.
Die Atmosphäre des cyberpunkigen Deus-Ex-Universums mit seinen Anleihen bei Bladerunner und Shadowrun gelingt zu jeder Zeit des Spiels vortrefflich. Die Sogwirkung und Identifikation des Spiels, vor allem beim erstmaligen Erforschen des Neo-Shanghai, ist immens. Die Schauplätze wirken (mit Abstrichten bei Detroit) überzeugend. Erfreulich ist beispielsweise, dass in Shanghai mehrheitlich auch tatsächlich Mandarin gesprochen wird und man stattdessen beim Belauschen von Passanten-Gesprächen "nur" englische/deutsche (what ever) Untertitel angezeigt bekommt. A propos Interaktion mit den NPCs, die ja so wichtig für die Glaubwürdigkeit eines Rollenspieles ist: Hier gibts Licht und Schatten. Die Dialoge sind alles in allem erstklassig geschrieben und zumindest im englischen Orignal hervorragend vertont. Schade ist dabei nur, dass die optische Darstellung der NPCs in Sachen Gestik, Mimik und genereller Körperhaltung nicht mal mehr einem Vampire:Bloodlines von Anno Pief gerecht wird - die NPCs (auch der Hauptcharakter) wirken überaus steif und bewegen sich teilweise wie Marionetten in den Händen eines schlechten Puppenspielers; Mimik ist tragischer Weise gerade beim Hauptcharakter fast gar nicht mehr vorhanden (ein Fehler, ihm immer die coolen Hud-Sonnengläser tragen zu lassen, Eidos) und auch andere wichtige Personen haben ein bestenfalls rudimentäres Reportoire an Gesichtsausdrücken. Man muss nicht immer den leidigen Vergleich zu Mass Effect 2 ziehen, aber dass selbst das oben erwähnte Vampire Bloodlines zumindest nicht schlechter abschneidet, sollte Eidos für Teil 4 der Serie zu denken geben. Tatsächlich ist die Darstellung der meisten Gespräche außerhalb wichtiger Schlüsselstellen in ingame-Graphik so schlecht, dass man versucht ist, die Augen zuzumachen und den guten Sprechern zu lauschen.
Da die optische Präsentation der Lokalitäten im Großen und Ganzen aber genauso stimmig ist wie der weitestgehend Schwächenlose, dafür aber vorhersehbare Hauptplot, kann man von einer gelungenen Immersion ins Universum von DX:HR sprechen.
Aber "Rollenspiel" bzw. "Adventure" heißt nicht nur, dass man sich in einer attraktiven Spielwelt wiederfindet, sondern auch, dass der Spieler auf rollenspiel-typische Elemente zurückgreifen kann, die ihm helfen, seinen Charakter und dessen Platz in dieser Welt zu verorten, sprich: "Skills" und "Inventar" i. w. S.. Dabei muss nun unterschieden werden, mit welcher Erwartungshaltung man an den dritten Teil der Serie heran geht: Wer sich stupide mit der dicken Wumme durch die Gegnerhorden metzeln will, wird enttäuscht sein. Die KI der Gegner ist so blöd wie mans heutzutage (leider) immernoch von irgendwie vergleichbaren Spielen (z.b. ME 2) kennt, gleicht das aber durch lächerlich hohen Schaden im höchsten Schwierigkeitsgrad aus - keine Überraschung hier. Das wäre ja alles nicht so schlimm, wenn das Skillsystem einen Rambo-Pfad auch unterstützen würde. Mich stört dabei nicht, dass der Rambo-mäßig-durch-die-Vordertüre-Style vom Spiel mit viel, viel weniger XP belohnt wird, als sich Splinter Cell-mäßig ungesehen und lautlos voran zu schleichen. Das eigentliche Problem ist die mangelhafte Auswahl an Skillmöglichkeiten, denn für den direkten Kampf taugen vielleicht nur 20% aller zur Verfügung stehenden Fähigkeiten - vor allem, wenn man wirklich die pure gradlinige Baller-Orgie durchziehen will. Auch nehmen die "fetten Wummen" samt Munition im (begrenzten) Inventar dann schnell so viel Platz ein, dass man die ohnehin schon sehr spärlichen Skillpunkte beim Rambo-Durchlauf auch noch in eine Inventarerweiterung zu stecken hat.
Das ist nun der passende Zeitpunkt, um zum größten und übelsten Designeschnitzer von Deus Ex: HR zu kommen - dem Energiesystem (und seiner krassen Spaßbeschneidung beim Rambo - und vor allem Tödlicher-Schleicher-Modus):
Deus Ex:HR benutzt für im Grunde alle *spaßigen* Aktionen, die nicht mit dem Entleeren von Magazinen in dumme Feinde oder dem Hacken von Konsolen zu tun haben, ein Energiesystem. Ich erkläre:
Der Charakter verfügt zu Anfang des Spiels über zwei horizontal nebeneinander angeordnete Batterien, die sein Energiereservoire darstellen. Ein sog. Take-Down (also das automatische, aber cool anzusehende und wahlweise tödliche/nicht tödliche Ausschalten eines humanoiden Gegners im Nahkampf) benötigt pro Ausfürung die Energiemenge, die einer vollen Batterie entspricht. Den Tarnmodus einzuschalten braucht ebenfalls eine stattliche Menge Saft - zu Anfang hält eine Batterie 3 Sekunden, mit Upgrades dann bis zu 7 Sekunden, ehe die nächste Batterie angezapft wird.
Wer mitgedacht hat, kann sich jetzt schon eine coole Kombination vorstellen, um einen Raum mit drei Gegnern zu säubern (gesetzt dem Fall, man will kämpfen und sie nicht Ghost-mäßig komplett umgehen, was natürlich auch ohne Probleme geht und in seiner Wahlfreiheit einen der dicken Pluspunkte des Spiels darstellt): Man schleicht sich unter Ausnutzung des sehr großzügig für den Spieler gestalteten Deckungssystems an Feind 1 heran und jagt ihm aus kurzer Distanz eine Kugel in den Kopf. Das alarmiert seine Freunde Feind 1 und Feind 2. Man schaltetet Feind 2 durch einen Take-Down aus. Eine Batterie verbraucht. Man aktiviert seine Tarnung und sprintet zu Feind 3, seines Zeichens ein Scharfschütze, um ihm im Nahkampf...genau. Takedown steht nicht mehr zur Verfügung, nicht mehr genug Energie da. Also falle ich hinter ihm aus der Unsichtbarkeit und jage ihm eine Ladung Blei aus meiner Flinte in den Rücken. Soweit, so gut (und dass man Feinde auf so vielfältig-dynamische Weise unter Verwendung von Energie ausschalten kann, ist ebenfalsl ein mega-Pluspunkt des Spieles!). Ich freue mich über meinen Sieg und gehe in den nächsten Raum weiter. Hier stehen die Feinde 4, 5 und 6. Gut. Meine beiden Batterien sind ja wieder voll, also mache ich das ganze direkt nochmal, oder werde sie einfach mit meiner Energie-Schockwelle.... nein. Falsch gedacht. Denn die Entwickler haben dem ungehemmten Einsatz von Energieabhängigen Angriffen einen Riegel vorgeschoben: Es wird stets nur die Batterie wieder aufgeladen, die als letzte nicht vollständig aufgebraucht worden ist. Das bedeutet für meine beiden horizontal nebeneinander angeordneteten Batterien aus obigem Beispiel also: Batterie Links steht mir nach kurzer Wartezeit wieder zur Verfügung, Batterie Rechts ist leer. Und bleibtes auch. Es gibt KEINE Möglichkeit, sie aufzuladen, außer ich werfe einen der sehr Inventar-sperrigen und sehr, sehr begrenzt vorhandenen Energie-Pusher rein, die in unterschiedlicher Ausführung bis zu drei Batterie wiederaufladen.
Also: Kein cooler, spaßiger Einsatz von Fähigkeiten am Fließband, denn man überlegt sich wirklich ständig: "Mhmh, habe ich dann noch genug Energie-Pusher, wenn ich sie wirklich mal brauche, oder stehe ich dann mit herunter gelassenen Hosen da?" Und eigentlich bunkert man zumindest im ersten Durchlauf auch alle Energie-Pusher für gerade den einen schwierigen Kampf, der dann doch nicht kommt, und limitiert in den restlichen 90% des Spiels den angestrebten Spielspaß beträchtlich.
Eidos hat diesen Weg (also die Regneration nur letzten nicht komplett verbrauchten Energiezelle) gewählt, um das Spiel nicht zu einfachen, nicht zu kurz zu machen und den Spielern zum Finden alternativen Strategien anzuregen. Sagen sie. Ist aber nur eine ziemlich dumme Entschuldigung für mangelnde KReativität, denn man hätte leicht Skills einführen können, die auch eine Regeneration *aller* Batterien ermöglichen, aber dabei gerade ineffektiv genug sind, um nicht drei Lagerhallen mit jeweils 20 Feinden drin ohne Pause in Rekordzeit säubern zu können. Warum Eidos hier derart restriktiv und Spielspaß-killend vorgegangen ist, kann nicht einleuchten.
Diese ganzen Probleme mit dem Energiesystem sind aber witziger Weise für den reinen nicht-tödlichen Schleicher ohne Belang, denn seine Konfrontationen mit Feinden halten sich derart in Grenzen, dass er mit einer einzigen Batterie quasi immer auskommt. Wer hingegen als Rambo oder ganz besonders "tödlicher Schleicher" spielen möchte, muss entweder die spärlich-sperrigen Energie-Pusher in Hülle und Fülle fressen (und wird TROTZDEM nicht genug von ihnen im ganzen Spiel auftreiben können - damit de facto auch keine Option) oder auf die wirklich witzigen Kombinationen seiner Fähigkeiten in 8,5 von 10 Kämpfen verzichten.
Hier zeigt sich also, dass Deus Ex den pazifistischen Schleicher nicht nur massiv in Sachen XP bevorzugt (was kein Problem ist, meiner Meinung nach, und es sowieso nicht so viele Kampf-nützliche Skills gibt, in die man seine XP investieren könnte...) sondern den beiden anderen wesentlich anderen Spielmodi viel zu große Steine in Form von Energie-Management (aka Energie-Hungersnot) und Inventar-Bedarf in den Weg legt.
Allerdings hat der Weg des tödlichen Schleichers bzw des Rambos auch einen großen Vorteil: Man kriegt relativ so viel weniger an Skillpunkten, dass man eben nicht nach 2/3 der Spielzeit alles an Skills hat, was man brauchen könnte oder vielleicht doch noch haben möchte, und noch einige mehr (ein Problem, das man aus ME2 kennt): Man muss wirklich wesentlich länger als nur das erste Viertel des Spiels überlegen, worein man seine Punkte steckt, und hat auch am Ende nicht das Gefühl, einen profillosen "Ich kann ja doch alles-"Charakter zu spielen, wie es zwangsläufig der pazifistische Schleicher sein wird. Ein seltsam gelungener Pluspunkt für die beiden Modi also in Sachen RPG-Erfahrung...
Der Entscheidungsfreiheit von Deus Ex tut es leider auch Abbruch, dass man mit vier Bosskämpfen angehauen wird, die sich allesamt nicht vermeiden lassen. Sie sind für Freunde des reinen Schleichers tendenziell überraschend schwer (vor allem der Dritte) und lassen sich ohne eine gewisse, spoilermäßige Vorbereitung auf dem höchsten Schwierigkeitsgerad nicht wirklich meistern (Ausnahme: Kampf 2 und bedingt Kampf 1). Es empfiehlt sich immer, (EMP-)Granaten mitzuführen oder einfach das Typhoon-Kampfsystem voll auszubauen, auch als Schleicher (was alle Bosskämpfe bis auf den letzten dann aber regelrecht trivialisiert). Schade, dass man in Deus Ex dann doch zum Kämpfen gezwungen wird, wo man außerhalb der Bosskämpfe ohnen einen Kill, ja sogar ohne jede Konfrontation mit einem Feind auskommen und sich daher "wahrlich entscheiden" kann.
So weit, so gut.
Das waren die für mich wesentlichsten Dinge, die ich bei einer "Kaufberatung" für DX:HR auf jeden Fall kommuniziert sehen wollte.
Daher Fazit:
Wer auf eine solide Story mit coolen Charakteren in einer gelungenen Spielwelt-Immersion steht, und ein Freund von "niemand wird wissen, dass ich da war!"-Schleicheinlagen ist, kann bei Deus Ex beherzt zugreifen.
Wer hingegen auf dynamischere Kämpfe mit großen Abwechlungs - und Kombinationsmöglichkeiten steht, sollte eher Vorsicht walten lassen, denn dazu sind die Einschränkungen des Batterie-Systems dann doch viel zu gravierend und zu unverständlich.
6,5 von 10 Punkten.
.......................................
Welche Erfahrungen mit dem Spiel habt ihr gemacht? Oder wollt ihr Tips, Ratschläge, Entscheidungshilfen?
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