Hi, nachdem ich die ersten drei Teile meiner "Outland" FF-Story schon auf meiner Seite präsentiert habe, stelle ich sie auch einmal hier online. Outland ist ein Science Ficton Actionthriller von 1981 mit Sean Connery, in dem es, kurz gesagt, um eine Bergbau-Raumstation auf dem Jupitermond IO, auf dem es zu seltsamen wiederholten Todesfällen kommt, die der Designerdroge PDE geschuldet sind. Eine kurze Übersicht der Ereignisse finden sich aber auch in der Story, so dass ich hoffe, dass die auch ohne die Kenntnis des Films lesbar ist.
Mir hat vor allem der Gedanke der Bergbaustation gefallen, der m.E. eine gute Grundlage für eine relativ einfach gestrickte, aber actionreiche Story bieten könnte. Das Drogenthema des Films greift hier gut hinein und wurde entsprechend zum Aufhänger. Und genau das soll es auch werden, wenn es einmal fertig ist: eine gute alte Actionstory mit einem unfreiwilligen Helden in der Hauptrolle. Als Erstlingstäter wollte ich dann doch noch nicht gar so komplex an die Sache rangehen. Die Story setzt übrigens etwa 2o Jahre nach den Ereignissen aus "Outland" an und ist noch nicht abgeschlossen. Es sollen noch ein bis zwei weitere Teile folgen, so dass die fertige Geschichte zwischen 10 und 15 Din A 4 Seiten lang werden soll. Einige Ideen zum Showdown habe ich bereits, doch lasse ich mich auch einfach ein wenig treiben. Das Ganze soll mir ja Spaß bringen und nicht in Arbeit ausarten. Im übrigen erscheint der Ton manchem Leser vielleicht stellenweise etwas rauh. Dies ist beabsichtigt, denn letztlich ist Con-Am 31 die Welt von hartgesottenen Bergleuten, die dort oben 18 Monate oder mehr ohne ihre Frauen verbringen.
Es handelt sich hier, wie oben erwähnt, um meinen ersten Versuch dieser Art, also zerpflückt mich bitte liebevoll, ich bin doch so zart besaitet
. Spaß beiseite: über Kommentare und Tipps, Lob und gut gemeinte Kritik freue ich mich natürlich.
Dann also hoffentlich viel Spaß
LG
Reinhard
P.S.: bevor ich es vergesse: ich nehme auf meiner Seite immernoch Fanfiction auf, inzwischen auch solche, die keinem bekannten Franchise zuzuordnen sind, oder komplett aus eigener Feder stammen
DER KALLISTO-ZWISCHENFALL, TEIL I-III
Ray Fowley lehnte gelassen am Tresen und trank sein Lager. Nach seiner 12 Stunden-Schicht 20 Level unterhalb 0 hatte er sich den Drink auch redlich verdient. Der adlergesichtige Mitt-Vierziger war einer der rund 1250 Bergleute, die auf dem Jupitermond Kallisto Palladium und vor allem das erst vor 16 Jahren entdeckte und extrem seltene Magnoridium abbauten. Magnoridium war ein metallener natürlicher Supraleiter, der Supraleitung bei Raumtemperatur überhaupt erst möglich gemacht hatte. Warum das silbrig-blaue Metall nicht auf der Erde vorkam, war bisher unbekannt, doch auf einigen Monden Jupiters, Saturns, sowie wenigen Asteroiden konnten bisher wirtschaftlich interessante Mengen nachgewiesen werden. Entsprechend teuer war das Zeug und so arbeiteten nur die besten auf Kallisto. Und Fowley war einer der Besten, der seit 25 Jahren als Bergmann überall im Sonnensystem tätig gewesen war. Das spiegelte sich natürlich auch in der Bezahlung wieder, vor allem in den großzügigen Prämien. Der graumelierte, drahtige Ray konnte sich alles leisten, was das Leben auf der über Kallisto schwebenden Raumstation Mine Operation – Con Am 31 etwas erträglicher gestaltete: Prostituierte, Bier und natürlich Whiskey in rauen Mengen. Nur von PDE, einer amphetamin-ähnlichen gefährlichen Droge, die die Arbeitsleistung um fast 100% erhöhte, aber leider auch wahnsinnig machte, ließ er die Finger. Doch gottseidank gab es die rot-flüssige Designerdroge hier auch nicht.
Vor rund 20 Jahren als junger Mann hatte er auf Con-Am 27 im Orbit von IO erlebt, was das Zeug aus einem machen konnte. Ein sturer Marshal namens William T. O'Niel hatte damals dem mächtigen Corporation Manager Mark B. Sheppard die Stirn geboten, der kiloweise PDE auf die über dem Jupitermond liegende Raumstation eingeschleust und verdealt hatte. In zwei Jahren waren so über 50 Kumpel gestorben. Sie hatten sich zu viel von dem Dreckszeug mit der Injektionspistole in den Oberschenkel gespritzt und waren einfach ausgeflippt. Sie rissen sich in den Minen ihre Schutzanzüge vom Leib oder waren in Unterhosen in die Luftschleuse gegangen, um dann mit dem Aufzug runter zufahren. Ab Level 8 herrschten dort unten 1/7 Schwerkraft und keine Atmosphäre, nur die Kälte des Vakuums. Der Anblick, als sich der Aufzug öffnete, war ekelerregend gewesen. Bei dem Gedanken an den blutüberströmten, regelrecht implodierten Leichnam eines dieser armen Teufel wurde ihm noch heute übel. Die Gedärme waren herausgequollen, der Schädel geplatzt. O'Niel hatte damals, ganz auf sich gestellt, aufgeräumt. Ray erinnerte sich noch gut an den Abend, als die beiden von Sheppard bezahlten Profi-Killer mit dem Shuttle eintrafen, um den Federal Marshal zu erledigen. Der war eine Stunde zuvor noch in die Bar gekommen und sein „Ich könnte ein wenig Hilfe gebrauchen“ und das darauf folgende: „Das habe ich mir gedacht“, als niemand bereit war, zu ihm zu stehen, hallte Fowley noch heute in den Ohren. Der Sheriff hatte ihm mit seinen harten, müden Augen direkt ins Gesicht gesehen, doch er war zu feige gewesen. Beschämt hatte er sich abgewandt. Dieser Abend haftete ihm bis heute nach. Niemand gestand sich gerne ein, ein mieser Feigling zu sein.
O'Niel's Überleben und die anschließende Bekanntmachung der Ereignisse auf IO hatten weite Kreise gezogen. Die Corporation musste eine Milliarde Dollar Strafe zahlen und verlor vorübergehend die Konzession für den Bergbau im Sonnensystem. Strenge Auflagen folgten, die Sicherheitskräfte wurden erhöht und die Kontrollen verschärft. Waffen durften nur noch mit speziellen Regierungs-Shuttles eingeführt werden, die eineinhalb Jahre unterwegs waren, bis sie die fünf jupiternahen Stationen erreichten. Doch dann wurde auf Europa Magnoridium entdeckt und die Mining Corp. erhielt ihre Lizenzen zurück. Im Laufe der letzten 15 Jahre wurden viele der eingeführten Kontroll-Maßnahmen wieder rückgängig gemacht, so dass die Firmenbosse auf den Stationen und in den Bergwerken schalten und walten konnten, wie es ihnen beliebte. Der neue Supraleiter war zu wertvoll, zu bestimmend für die Wirtschaft der Erde geworden, als dass man einen Rückgang der Lieferungen riskieren wollte und die fetten Kerle in der Chefetage wussten dies nur zu gut.
* * *
„Zur Hölle“, murmelte Ray und wandte sich an den Barkeeper: „Gib mir noch eins, Joseph, und 'nen Doppelten, ohne Eis, aber von dem guten“. „Harter Tag, was?“ Doch dem alten Haudegen war heute nicht nach Konversation zumute. Er wollte seine Ruhe. Zu sehr frustierten ihn diese Gedankengänge. Er hatte damals Freunde verloren und er verlor weitere auf Titan. Nur Kallisto schien bisher sauber zu sein. Vielleicht gab es wenigstens hier Cops, die sich nicht einfach schmieren ließen, keinen korrupten Manager, wie dieser Sheppard damals. Um die bösen Geister der Vergangenheit zu vertreiben, kippte der alternde Bergmann den scharfen Drink hinunter und schaute sich um. "Dreckiges Loch", dachte er bei sich und tatsächlich war "J' s Club" eine Bar, wie es sie auf jeder Raumstation über welchen Steinhaufen auch immer, in diesem Sonnensystem gab. Das Licht war schummerig. Ein ovaler Tresen zierte den fast saalgroßen Raum und alte, abgewetzte Barhocker waren mehr oder weniger gleichmäßig drapiert. In der Bar unregelmäßig verteilt standen runde Zweier- und Vierer-Tische, die meisten davon in der Nähe der Pornodarstellerinnen, die mit ihren männlichen oder weiblichen Partnern vor den meist Besoffenen Sex praktizierten. Das sollte die Jungs antörnen und sie zu den Nutten treiben, an denen die Mining Corporation kräftig mitverdiente. Der Barmann war schmierig und das Bier zu warm. Doch der Schnaps war zumindest nicht gepanscht und die Frauen sahen sogar nach etwas aus. Was konnte er schon mehr erwarten?
„Hey, träumst Du?“, riss ihn Joseph mit seinem russischen Akzent aus seinen Gedanken. „5 Dollar!“ Fowley kramte lange in seiner Tasche und zog ein großes Bündel Geld heraus, um zu bezahlen, der Alkohol hatte seine Wirkung offenbar nicht verfehlt.„Ich kenne Dich jetzt seit so vielen Jahren, Ray. Jeden Abend sitzt Du hier auf demselben Hocker und lässt Dich volllaufen. Nicht dass es mir nicht recht sein könnte, doch hast Du nicht bald einmal genug von diesem Leben?“ Der müde Kumpel schaute den Barkeeper mit glasigen Augen an: „Glaubst Du wirklich, ich will den Rest meines Lebens in Deiner überfüllten scheiß-abgewrackten Spelunke verbringen? Mir Deine Livepornos anschauen, wo sie auf den Drehbühnen unter blauen Licht so tun, als würden sie vögeln? Nein, mein Lieber. Ich werde nicht an einem Deiner elenden runden Tische verrecken.“ Die verrauchte, stickige Luft brachte ihn zum husten.„Ein paar Jahre noch, dann habe ich genug für eine Farm zusammen gespart und dann könnt ihr mich alle.“ Sie hatten derlei Gespräche schon oft geführt, daher antwortete sein Gegenüber mit einem nachgiebigen Grinsen: „Ja, sicher, Ray, natürlich wirst Du das.“ „Mach Dich ja nicht über mich lustig, Du mieser, dreckiger Wichser!“ „Du hast genug für heute“, fuhr der dickliche Joseph dazwischen, „geh nach Hause, Ray.“ Ray schaute den Barmann wütend an, aber dessen Blick ließ keinerlei Widerspruch mehr zu. Außerdem hatte der unrasierte Kerl recht: er hatte wirklich genug für heute. „Ihr werdet es schon sehen“, murmelte er auf den Weg in seine kleine Kaue.
Zehn Minuten später lag Ray in seinem kleinen Reich. Das schmale Bett war auf drei Seiten von einem Gitter umgeben, und in mehreren Stockwerken reihte sich Kaue an Kaue in den großen neonhellen Räumen. Um sich vor dem Licht wenigstens etwas schützen zu können, konnte man braune, leinenartige, schäbige Vorhänge vor die Gitter und vor dem Betteingang zuziehen. Doch richtig dunkel war es nie. Bis zu 120 Bergleute schliefen hier, wobei sich planmäßig die Hälfte jeweils im Einsatz befinden sollte. Trotz seines recht ausgeprägten Alkohlspiegels schlief er nicht sofort ein. Hinter seinem Kopfkissen am Gitter war eine kleine Pinnwand befestigt. Dort hing das Foto einer idyllischen Farm in Iowa, Ray' s Traum. Er müsste nur noch eine Weile durchhalten, dann, ja dann. Doch dass sollte sich als gar nicht so leicht herausstellen...
Die Alarmsirene der Luftschleuse surrte laut und das rote Warnlicht blinkte. Fowley stand an der Tür und las: „Warnung! Keine Atmosphäre! Luftschleuse nur mit Schutzanzug und ausreichend Sauerstoff betreten!“ Doch es war, als wären diese Worte in einer Fremdsprache geschrieben, als seien sie völlig bedeutungslos. Er hatte nur seine lange weiße Unterhose und das grau- verwaschene T-Shirt an. Doch auch das spielte keine Rolle. Irgendetwas zog ihn dort hinein und nach unten, wo die Erfüllung seiner Träume wartete! Frank, Ray's bester Freund konnte es nicht fassen: „Was tust Du da, verdammt? Willst Du Dich umbringen?“ Doch er drehte sich nur um und lachte. Wie in Trance nahm er sein Eintippen des Schleusen-Codes wahr. Ein kräftiges Zischen durchschnitt das schrille Sirenengeräusch und die tresorartige Tür öffnete sich. „Du blöder Idiot, bleib stehen! Du kannst doch nicht ohne Schutzanzug dar...“ Doch er hatte die Tür schon geschlossen und hörte den Rest der Warnung nicht mehr.
Niemand konnte ihn aufhalten, niemand sollte es. Rays Blick traf den Stockwerkschalter. Er musste runter auf Level 20, es gab keinen Weg daran vorbei, kein zurück. Der Wunsch war einfach übermächtig! Frank hämmerte wie wild gegen das Panzerglasfenster der Schleusentür, sein Gesicht vor Sorge und Angst um den Freund verzerrt. Doch Ray Fowley lächelte nur selig und winkte,während sein Finger die Taste mit der Nummer 20 berührte. Der Aufzug setzte sich stockend in Bewegung.
Inmitten des größten Glücksgefühls spürte der Bergmann urplötzlich Kälte in sich aufsteigen. Die Luft wurde knapp, seine Brust quetschte sich zusammen. Der Schmerz war unerträglich! In diesem Moment kehrten die klaren Gedanken zurück. Was hatte er getan? Wie war er hierher gekommen? Mit einem mal begangen seine Glieder zu zucken, ein verzweifelter Blick verriet ihm, dass der Lift nun Level 8 erreichte. Er rang nach Atem, doch hier gab es keinen Sauerstoff mehr. Panik stieg in ihm hoch und der Lift ließ´sich nicht stoppen, bis er sein einprogrammiertes Ziel erreicht hatte. Sein Schicksal war besiegelt! Dann spürte er, wie eine furchterregende Kraft ihn von innen heraus zu zerreißen drohte, spürte die Augäpfel seiner braunen Augen hervorquellen. Blut lief in Rinnsälen wie Tränen an ihnen herab. Voller Panik schlug er um sich, wehrte sich verzweifelt, doch chancenlos. Ein Ruck ging durch seinen Körper und Ray spürte nur noch, wie etwas weiches, warmes unangenehm aus seinem Bauch floss. Ein gellender Schmerzensschrei wollte seinen Mund verlassen,doch das Vakuum verschlang ihn...
„Hey alter Junge, was ist mit Dir?“ Ray spürte ein schütteln an seinem Arm, hörte wie aus großer Ferne eine immer näher kommende Stimme nach ihm rief. Schweißgebadet wachte er auf. „Verfluchte Scheiße“, stöhnte er. Dann fiel sein Blick auf seinen besten und einzigen wirklichen Freund in dieser Hölle, den 36jährigen Frank Müller, der die Schlafzelle über ihm bewohnte: „Wieder der alte Traum?“ „Ach verdammt, lass mich doch in Ruhe“. „Würde ich ja gern“, antwortete Frank grinsend, „doch Dein stöhnen lässt mich ja nicht. Du klingst, als würdest Du Dich unter der Bettdecke abreagieren. Warst wohl gestern zu besoffen für einen Besuch bei Betty.“ Sie sahen sich an und lachten. „Sowieso gleich Zeit, aufzustehen“, erwiderte Ray. Es war 4:30h morgens Erdstandardzeit und um „6.00h“ begann die Frühschicht. Er streckte sich und setzte sich auf. Die große Kaue stank nach Männerschweiß und verbrauchter Luft. Das Licht war viel zu hell und die Schlafkammern wirkten eher wie Todeszellen, als wie die einzige kleine Privatsphäre, die sie hier auf Con-Am 31 hatten. Doch so war es nun einmal und letztlich war der Schlafplatz das einzige, dass hier so etwas wie ein zu Hause“ darstellte, ein Rückzugsort, das hieß, wenn er sich nicht gerade bei Betty aufhielt, die einzige Frau, für die er je so etwas wie Liebe empfunden hatte.
Frank und Betty waren die einzigen Menschen auf der Raumstation, zu der er eine echte Beziehung aufgebaut hatte. Es war schwer, hier so etwas wie Freundschaften zu entwickeln. Die Leute kamen und gingen. In der Regel erhielten sie zu Beginn ihrer Karriere in den Bergwerken der Monde Jupiters und Saturns nur Verträge für 12 Monate und trotz der hohen Bezahlung verließen die meisten die Station nach der ersten Tour. Zu entbehrungsreich war das Leben hier. Urgesteine wie Frank und Ray waren in diesem Beruf schon fast eine Ausnahme. Der Job war eben hart und das Leben alles andere, als ein Zuckerschlecken:10 bis 12 Stunden am Stück in den knapp 60 kg schweren Arbeitsanzügen mit Magnetstiefeln ohne Atmosphäre und mit nur wenig Schwerkraft, das zehrte. Abends blieb nur der Gang in die Bar, anschließend schlafen und wieder arbeiten. Hin und wieder konnte man eines der Mädchen aufsuchen oder im Casino eine runde Black Jack und Poker spielen. Auch die Fütterung der Spielautomaten mit Münzen war eine beliebte Freizeitbeschäftigung, mit der die Corporation ihren Leuten das Geld aus der Tasche zog. Natürlich gab es Duty Free Shops, in denen man von Zigaretten bis Süßigkeiten und manchmal, wenn gerade ein Shuttle eingetroffen war, was zu lesen kaufen kaufen konnte. Diejenigen, die Familie hatten, verbrachten ihre Freizeit oft an den teuren Communication-Terminals, um Neuigkeiten von daheim zu erfahren und kleine Filmchen anzuschauen, die die Familie auf der Erde aufgenommen hatte. Viel Raum für privates oder gar intimes blieb nicht, zumal die Entfernung zwischen Kallisto und der Erde schlicht keine Livegespräche ermöglichte.
Abgesehen von den Kumpeln arbeiteten auf der Station noch 450 Menschen in der Technik und im Support. Weitere 134 waren als Angestellte in der Administration beschäftigt, von denen die Höherrangigen das Privileg von Einzelquartieren genossen, wie Rays blondgelockte Betty. Hinzu gesellte sich eine 80 Mann starke Polizeitruppe, die in ihren marineblauen Uniformen, den dazugehörigen Caps und den goldfarbenen Abzeichen auf der Brust auf allen Decks präsent waren und sich Zweierkabinen teilten. Zwei je sechsköpfige Spezialteams, natürlich in Einzenquartieren untergebracht, standen darüber hinaus für Sondereinstätze zur Verfügung. Der Chef der Polizeitruppe, Marshal Ho, und sein Stellverteter, Sergant Steve Conway, verfügten wie einige andere leitende Angestellte mit 5 Jahresverträgen sogar über kleine Wohnungen mit eigener Wasserdusche, die sie zweimal wöchentlich für je 10 Minuten benutzen durften.
Trotz oder vielleicht gerade wegen dieses Lebens, dass Ray schon so lange führte, konnte er sich mit Betty ein Leben nach seiner Zeit als Magno-Brecher vorstellen. Sie war witzig, intelligent und mit ihren 1,70 nicht zu schlank und in seinen Augen absolut sexy. Während er über sie sinnierte, zog er sich an und ging in den Speisesaal, wo es Bacon und Eggs gab. "Der Kaffee ist so scheiße wie immer, das Zeug bringt mich noch um", witztelte er und reichte Frank eine seiner Zigaretten der Marke Schwarze Hand. "Wenn nicht der Kaffee, dann diese Sargnägel. Die ziehen einem ja die Schuhe aus", antwortete Müller mit dem ihm eigenen spitzbübischen Grinsen, das Ray von Anfang an an ihm gemocht hatte. Nach dem Frühstück gingen die Freunde für kurze Zeit getrennte Wege, um sich anschließend an der Tür zum Zeugraum wiederzutreffen, in dem die silberfarbenen , raumanzug-artigen Arbeitsanzüge an halbrunden Haken hingen. Frank strahlte einen geradezu unglaublich ansteckenden Elan aus: „Heute hole ich mir eine doppelte Prämie“. " Ich fass es nicht", antwortete Ray halb scherzhaft, halb ernst, "ich kann vor Müdigkeit den Bohrer kaum noch halten und der quatscht hier was von Prozenten" „Wirst halt alt! Ich muss noch mal pissen, leg ja nicht ohne mich los“, lachte Frank und verschwand durch eine der schäbigen, braunen Türen, um sich des übel riechenden Pissoirs zu bedienen. Nach seiner Wiederkehr zogen die beiden Freunde die Anzüge an und setzten ihre Helme auf. Anschließend schalteten sie das Außenlicht ein. Die 30, um das ovale Visier angebrachten, Lampen glühten auf, sie schalteten den internen Funk ein und schlugen sich auf die Schultern. Dann begaben sie sich zur Airlock 2, wo ihre Schichtkollegen bereits darauf warteten, auf Level 20 hinunterzufahren.
Die rote Lampe leuchtete rhythmisch auf, das Warnsignal ertönte und 12 müde Bergmänner verließen den Schacht. „Macht es gut, Jungs." "Gut? Wir holen uns eine so dicke Prämie, dass für Euch nur Luft in den Gläsern übrig bleibt. Aber wenn ihr schön artig seit, bekommt ihr vielleicht einen Kaffee", witzelte der dunkelhäutige Michael, seines Zeichens der Neuling aus Team 3. Ein erschöpftes "Arschloch! Verpiss Dich!" war die Antwort. Dann drängten sich Ray und die anderen in den Fahrstuhl und es ging hinunter in die Tiefe zu den Laserbohrern. Mit den sperrigen Schneidewerkzeugen konnte man relativ leicht das Silikatgestein des Mondinneren herausbrechen, um so an Palladium und, wenn man bereit für den härtesten Job der Welt war, auch an das so wertvolle Magnoridium herankommen. Ein Bergarbeiter im All verdiente sehr gut, doch das war kein Vergleich zu den Möglichkeiten eines Magno-Brechers. Das jahrhundertelang verwendete geflügelte Wort, „mit Gold aufwiegen“, war nicht umsonst innerhalb kürzester Zeit dem Terminus „mit Magnorid aufwiegen“ gewichen und hatte auf der guten alten Erde nicht nur einen Run ausgelöst, sondern auch mächtige Schwerverbrecher auf den Plan gerufen. Das Zeug war eben extrem selten und schwer zu fördern. Viele stunden-, manchmal tagelang musste ein hochspezialisierter Magno in die härtesten Gesteinsschichten vordringen, um dort mit Glück einige Dutzend Gramm des Supraleiters zu fördern. Man brauchte ein sehr gutes Auge und musste genau wissen, wo und wie man den Laserbohrer anzusetzen hatte. Magnobrecher waren hart im Nehmen und zäh. An einem guten Tag förderte ein erfahrenes Zweierteam wie Frank und Ray zwischen 300 und 500 Gramm, die einen Wert zwischen 1,08 und 1,8 Millionen Dollar hatten. Ab einer Fördermenge von 300 Gramm gab es zusätzlich zum ohnehin guten Lohn eine Prämie in Höhe von 0,5%, also mindestens 9000 Dollar extra Cash pro Team und Schicht, in der dies gelang. Das lohnte sich! Es war selbstverständlich, dass man verdammt gut und ausdauernd sein musste, um diese spezielle Arbeit wirklich erfolgreich verrichten zu können. Ray und sein Freund waren erfolgreich. Vor allem in den letzten paar Wochen war die Ausbeute der beiden enorm. Ray war gut, doch Franks Kraft schien unerschöpflich. Wenn Fowley ihn darauf ansprach, antwortete dieser stets mit Sätzen wie: "Tja, gute Gene eben". Misstrauisch machte dies Ray nicht, eine Tatsache, die er noch bitter bereuen sollte...
Für den ordnungsgemäßen Ablauf sorgte der Schichtleiter Tom Hiller, schlicht "Boss“ genannt, der gleichzeitig auch ein eigenes Zweimann-Team leitete, Team 1.
Unten angekommen, gab der Vorabeiter die Anweisungen, die Ray schon so oft in seinem Leben gehört hatte: „Michael, geh die Checkliste durch und bestätige. Jungs, überprüft Euer Werkzeug. Nach dem Go legen wir los.“ Michael war Anfang 20 und hatte viel Hirn, aber wenig Erfahrung. „Oh Mann, warum wieder ich“? „Weil Du nun einmal der Noob und somit der Arsch der Schicht bist“. „Sehr witzig, Frank“. Michael drängte sich in seinem unförmigen Anzug an den Stützen vorbei zu den Rohren und Ventilen, die den Stollen und seine Seitenwege mit Energie für die Bohrer versorgten. Er überprüfte die Sicherheitseinrichtungen, die externen Sauerstoffleitungen für den Notfall und die Lichtanlage. Dann kam die Notfallversorgung für den Lift. Zum Schluss wurde der externe Funk getestet. Der musste für Notfälle immer angeschaltet bleiben.Außerdem konnte die Zentrale im Notfall den internen Funk anzapfen .Anschließend warf jeder Kollege kurz den Bohrer probeweise an. „Legen wir los, Leute. Tom und Richard, Little John und Lung, Stollen eins, Michael, Jean, Frank und Ray, in die zwei, wenn ich bitten darf. Siegfried, Chris, Matumba und ich nehmen die drei.“
Langsam stießen Ray' s und Michael's Team zu Stollen 2 vor. Daran, dass man hier unten außer dem internen Funk nichts hörte, die Magnetstiefeln schwer wie Blei waren und es in den Anzügen darüberhinaus viel zu warm, hatte er sich schon lange gewöhnt. Endlich erreichten die vier Kumpel ihren Arbeitsplatz und teilten sich auf. Bisher war es ein ganz normaler Arbeitstag gewesen doch gerade als Fowley ein letztes mal seinen Bohrer überprüfte, nahm er am Rande seines Sichtfeldes etwas seltsames wahr: Frank stand dort wie erstarrt und rührte sich nicht. „Hey Alter, alles in Ordnung?“ Doch der 36jährige schien ihn nicht zu hören. „Mach keine blöden Witze und antworte.“ Frank reagierte wiederum nicht. "So ein Mist", sagte Fowley mehr zu sich selbst und klopfte auf die Seiten seinen Helmes, um dem anderen Team in Stollen zwei zu signalisieren, dass Müllers Funk möglicherweise defekt war. Er war nun doch beunruhigt und Müllers Teilnahmslosigkeit war tatsächlich geradezu erschreckend. Auch Jean und Michael ließen von der Arbeit ab drehten sich verwundert um. Ray hatte die Nase voll und näherte sich seinem Partner soweit, dass er in seine Augen blicken konnte. Doch was er sah, jagte ihm einen eiskalten Schauer über den Rücken!
Es war, als hätte er in die Augen eines Toten gesehen, doch genau als Ray' s Gesicht Franks Blickwinkel streifte, schien dieser urplötzlich wie aus einer Hypnose zu erwachen. Panisch und mit zitternder Stimme rief er: "Kommt mir nicht zu nahe!“ „Was ist denn los mit Dir?" Fowley war nun wirklich besorgt, er rechnete mit einem Untertage-Koller, der bisweilen vorkam. „Da!“ Müllers rechte Hand deutete zur Wand. Es war gut zu erkennen, wie sich sein Gesicht zu einer Grimasse verzerrt hatte. Angsterfüllt schrie er nun: „Seht ihr es denn nicht? Es kommt aus der Wand, da!“ Die skurille Szene rief nun endlich längst verdrängte Erinnerungen in Ray wach und Angst kroch seinen Nacken empor. „Was ist denn, alter Junge? Ganz ruhig. Da ist nichts“. Doch sein Freund ließ sich nicht beruhigen. „Nein“, sein durch den Funk verzerrtes Kreischen dröhnte im Helm nach: "Weg von mir! NEIN! Sie sind überall! Wie wild schlug Frank um sich und Ray musste sich ducken, um nicht einen Schlag mit dem eingeschalteten Bohrer zu kassieren. Dies hätte schlimme Folgen für ihn gehabt! Die anderen Kollegen waren nun ebenfalls aufmerksam geworden, ließen alles stehen und liegen und eilten zu Stollen 2, um zu sehen, was dort los war. Michael und Jean, die anderen beiden Kumpel, die in dem schmalen Seitenschacht eingeteilt gewesen waren, schauten sich verwundert an und waren wie erstarrt. Doch niemand von ihnen kam auf die Idee, zu helfen.
„Der Boss“ hatte das Spektakel mitbekommen und traf nun aus Stollen 3 ein. Wütend baute er sich in seiner burschikosen Art vor Frank auf. Er hatte so seine ganz persönlichen Erfahrungen mit Brechern, die zu viel gefeiert und zu wenig geschlafen hatten : „was ist mit Dir? Hast Du noch von gestern einen sitzen, oder was? Pass mal auf Du Scheißkerl, wenn Du Deine Sauferei nicht im Griff hast, ist das Deine Sache, aber versau' uns anderen nicht die Prämie und nun verzieh Dich nach oben Du Penner, bevor ich mich vergesse!" Voller Wut Frank den Rücken zukehrend ordnete er an: "Jean, sag über den externen Funk bescheid, dass wir einen Ersatz brauchen.“ Doch Fowley wusste längst, dass Franks Zustand nicht von zu viel Whiskey herrührte. Er hatte so etwas bereits vor über 20 Jahren erlebt, auf IO! Frank war mit PDE zugedröhnt, er konnte es nicht fassen und es sich auch nicht erklären. Doch es war offenbar eine Tatsache. Fowley wollte seinen Vorgesetzten gerade noch warnen und ihm seine schreckliche Vermutung mitteilen, als Frank in ein irres lachen verfiel: „ich lass nicht zu, dass Ihr mich aussaugt, Ihr Bastarde.“ Unheilvoll hob der offenbar wahnsinnig gewordene Mann seinen Laserbohrer und hieb zu.
Alles ging ganz schnell, viel zu schnell! Ray hatte nicht einmal mehr Zeit, seinen Vorgesetzten zu warnen, als sich plötzlich sein Sichtfeld auf seltsame Art zu verdunkeln schien. Gleichzeitig gab der Funk einen gellenden Schrei preis. Ray wischte sich mit der rechten Hand über das Panzerglas seines Visiers. Überall war Blut! Vor ihm auf dem Boden lag der ca. vom Bauchnabel bis zur Brust aufgeschlitzte Leichnam seines Vorarbeiters. Fleischfetzen, Teile des Darms und seines Inneren verteilten sich im Stollen. Große Mengen Blut schwebten durch das Vakuum und blieb an den Wänden, den Stützen, den Raumanzügen der Kumpel haften. Die konnten nicht fassen, was da soeben geschehen war und waren wie erstarrt. Frank hatte ihren Vorgesetzten mit dem Laserbohrer wie ein Schwein aufgeschlitzt, schrie dabei irr und hielt das Werkzeug in beiden Händen. Wie hilfesuchend blickte der mit Drogen vollgepumpte zu Ray. Was sollte er tun? Er musste seinen Freund stoppen, um seinet- und der anderen willen. Es blieb keine andere Wahl, als sich schnell etwas einfallen zu lassen. Später war genug Zeit, sich über Konsequenzen Gedanken zu machen. Für ihn ging es in diesem Moment nur noch darum, seinem einzigen und besten Freund, der ihm verdammt viel bedeutete, das Leben zu retten, egal wie! Also startete er einen letzten, verzweifelten Versuch. Er drehte sich möglichst unauffällig zu Jean und gab ihm das Handzeichen für „Energie aus“. Alle Kumpel mussten die 30 im ganzen Sonnensystem gültigen Handzeichen für den Fall lernen, dass der Funk im Stollen ausfiel oder ein anderer Notfall eintrat. Jean stand unter Schock und war bemüht, einen starken Brechreiz zu unterdrücken. Doch als er zu Ray blickte, begriff er sofort. Er überwand seinen Ekel und nickte fast unmerklich. Dann bewegte er sich langsam und, wie er hoffte, von Frank unbemerkt, auf den Energieverteiler zu. In der Zwischenzeit wollte Fowley versuchen, beruhigend auf den 36jährigen einzureden und ihn so abzulenken: „Hey, alter Junge. Ganz ruhig. Alles o.K.. . Vertrau mir mein Alter und schalte den Bohrer ab." Doch die einzige Reaktion auf diesen Versuch war ein wirres: „Ray, ich...". Dann schrie er plötzlich auf: "Geht weg, geht weg von mir! Ich will nicht! Ich mach Euch fertig, Ihr verdammten Biester!" Dann richtete Frank den Bohrer gegen sich...
* * *
Ray' s Muskeln waren zum zerbersten angespannt, seine Sinne funkten Alarmstufe Rot! Wie sollte er in einem 60 kg schweren Anzug einem mit Drogen Vollgepumpten einen eingeschalteten Laserbohrer abjagen, der innerhalb von Sekunden durch ihn hindurch gleiten konnte, wie durch warme Butter? Er zermarterte sich in Sekundenbruchteilen das Hirn, sein Verstand versuchte, jede Kleinigkeit in dieser tödlichen Umgebung aufzusaugen. Dann fiel sein Blick wie zufällig auf die Sauerstoffleitung an Franks Anzug. Ein fingierter Angriff von hinten der den ausgerasteten Kumpel ablenkte, so dass er den Schlauch kappen könnte. Vielleicht würde sein Freund schnell genug ohnmächtig, oder zumindest nahe dran sein und Jean könnte in der Zwischenzeit die Energiezufuhr kappen. Ja, das könnte funktionieren! Zweifellos war dies eine äußerst gefährliche Idee, doch wenn er schnell genug reagierte, könnte er seinen Kumpel mithilfe der Notvorrichtung seines eigenen Anzuges vorübergehend versorgen, bis dieser mit dem Lift nach oben geschafft worden war. Sicher, es war riskant, doch es gab bereits einen Toten, schlimmer konnte es also kaum werden.
Ein Wechselbad der Gefühle durchzuckte Fowley. Angst, Wut, Verwirrung, Anspannung und Sorge um seinen einzigen Freund, all das wühlte ihn gleichzeitig auf, als er Michael zunickte. Sein Blick wanderte zwischen dem Luftschlauch, Jean, Michael und dem Energieverteilerhin und her. Gottseidank hatte der Newbie die richtige Intuition. Dies war hier unten eine wichtige Eigenschaft und der Schwarze besaß genug davon. Er hatte verstanden und begann ein gefährliches, aber erfolgreiches Ablenkungsmanöver: „Du durchgeknalltes Arschloch!" Dann bewegte sich so behände wie möglich auf Frank zu, so dass dessen Aufmerksamkeitauf sich für einen kurzen Moment auf den neuen Kollegen konzentrierte. Nun hatte Ray freie Fahrt und riss hart an Franks Sauerstoffkabel. Doch dieses wollte nicht reißen. Eine irre Wut spiegelte sich in dessen Augen wieder: „Du Schwein, Du bist einer von denen! Ich kill Dich, Du....“
„Neeeeeein!!!“ Ein gellender Schrei war plötzlich über den Funk zu hören. Ray hatte ihn ausgestoßen, denn plötzlich schaute er in die verwirrten, blutunterlaufenen und starren Augen eines Sterbenden. Im selben Augenblick erlosch der gleißende Lichtstreifen, mit dem der Boss auf so grausame Weise ermordet worden war, der Strom war endlich unterbrochen. Doch es war zu spät! Aufgewühlt blickte er zu Michael, der seinen, nunmehr ebenfalls ungefährlich gewordenen Bohrer noch immer so fest hielt, dass seine Hände in den Handschuhen hart schmerzten: „ich musste es tun, ich hatte keine andere Wahl“. Er hätte uns alle umgebracht. Tränen rannen über Fowley' s Wangen, er war fassungslos. Er wollte etwas sagen, doch seine Stimmbänder versagten. Es war, als hätte man ihm die Kehle durchgeschnitten. Er rang nach Atem, doch es fühlte sich an, als wäre das nichts, nichts als eine unbändige Trauer.
Tina Kolowski saß an ihrem Arbeitsplatz in der Zentrale und überwachte den Funk. Wie immer schien es für die kaffebraune, schlanke, junge Frau ein langweiliger Tag zu werden. Die Bergleute um Tom Hiller, von seinen Teams kurz „Boss“ genannt, witzelten beim Betreten des Aufzuges mit der Feierabendschicht und fuhren nach unten. Ein kurzes Knacken und ein freches: „Na Baby, schon heiß auf den Chocolate Man?“ war zu hören. „Werd erst mal ein Mann, dann können wir weiter reden“, lachte sie ins Mikrofon ihres Headsets. Michael war ein wenig irre, aber doch ein liebenswerter Kerl. „Haben Sie Dir schon wieder den Check auf' s Auge gedrückt?“ „Was heißt hier auf das Auge gedrückt, ich reiße mich um diesen Job, Du weißt Doch, wie scharf ich auf Deine zuckenden....Stimmbänder bin“. Sie konnte sich ein lächeln nicht verkneifen. „Nun hör schon auf, Du Spinner“, Wie sehen uns heute abend.“
Dann wurde es still. Der interne Funk der Crew konnte zwar jederzeit mitgehört werden, dies geschah aber nur, wenn ein Problem gemeldet wurde oder wenn die zeitlich vorgegebenen Meldungen alle 60 Minuten ausblieben. Vor ihr hingen in Augenhöhe acht Monitore, mit denen sie Kaueneingänge, Luftschleusen, Fahrstühle und andere wichtige Plätze und Orte im Blick behielt. Dies war eine der wenigen Auflagen, die nach dem berühmten IO Zwischenfall noch immer in Kraft waren. Lena wusste kaum mehr über die damaligen Geschehnisse,als dass sie eben passiert eben. Die Tochter eines russischstämmigen Polizisten und einer Jamaicanerin war gerade einmal 24 Jahre alt und damit zu jung, um sich damals für die Schlagzeilen interessiert haben zu können. Sie war auf Kallisto, weil sie einen gut bezahlten Job gesucht hatte. Und das hatte funktioniert. Sie öffnete ihre Handtasche und holte ihr kleines Tablet hervor, auf dem die neuesten Modezeitschriften ihrer Heimat geladen waren. Auch wenn sie hier fast nur weite Hosen und Blusen, oder eben ihre Uniform trug, so gab es doch ein Leben nach Con Am-31 und das wollte die hübsche junge Frau auf keinen Fall versäumen. Also blieb sie informiert, was in der Welt vor sich ging.
Sie war so sehr in einen interessanten Artikel vertieft, dass sie erschrocken zusammen zuckte, als sie plötzlich Jeans Stimme vor Ablauf der 60 Minutenfrist hörte. „Jean Champollion, Team 3. Ich melde einen alkoholisierten Brecher der....“. Als nächstes nahm Tina ein seltsames Geräusch, fast wie ein Ersticken wahr. Es folgte eine bedrückende Stille. „Team 3, Team 3, Jean, melde Dich!“ Als Antwort hörte sie die stöhnend ausgesprochenen Worte: Oh mein Gott! Er hat ihn umgebracht!“ Dann verstummte der Funk. Lena war sofort wie elektrisiert. Das Tablet glitt ihr aus der Hand und fiel zu Boden. Das Glas des Displays zersplitterte. Ihre Hand glitt wie automatisch zum Hebel für den internen Funk, doch im nächsten Augenblick wünschte sie sich, sie hätte ihn nie betätigt, denn was sie hörte, war einfach nur grauenhaft. Und dann schrillte auch schon die Alarmsirene.
Die sonst so hartgesottenen Kumpels waren geschockt. Niemand war fähig zu sprechen. Und während sie noch immer wie gebannt um die beiden Leichen herumstanden, mit dem erstarrten Ray in der Mitte, öffnete sich am Zugang zu den Stollen der Aufzug und eine der beiden gut ausgebildeten Eingreiftruppen der Station betrat schwer bewaffnet den Korridor. „Was zum Henker...“ entfuhr es Sergant Steve Conway. Der 30jährige hatte früher als Polizist in New York gedient und war einiges gewohnt, doch das Ausmaß dieses Zwischenfalls nahm eine neue völlig Dimension der Gewalt an. Überall schwebten dicke, sich ausdehnenden scheinende Bluttropfen und blieben an den Balken, Wänden, Anzügen und Leitungen hängen. Es verteilte sich feinperlig oder fadig und schien überall zu sein, ein furchterregender Anblick, der grotesk an einen Kriegsschauplatz erinnerte. Dazu kamen die beiden grässlich zugerichteten Leichen, einer vom Bauchnabel bis fast zum Hals aufgeschlitzt, der andere mit einem riesigen Loch im Oberleib, dessen Ränder verbrannt waren. Unwillkürlich durchfuhr es Steve: „Gottseidank riecht man hier unten nichts, der Gestank wäre wohl auch kaum zu ertragen“. Fast hätte er es ausgesprochen, so intensiv waren die Eindrücke. Das Eingreifteam funktionierte wie ein Uhrwerk. Schnell wurden die Arbeiter sicherheitshalber umstellt und ihrer Werkzeuge entledigt. Vier Mann der sechsköpfigen Spezialeinheit begleiteten sie nach oben. Sergeant Conway, von seinem Stellvertreter, Reiner Schiller flankiert, erteilte derweil weitere Anweisungen: „Einsatzteam an Zentrale. Zwei Tote. Bergleute wurden entwaffnet und werden nach oben geleitet. Wir benötigen zwei Bodybags und ein Aufräumteam. Benachrichtigen Sie bitte die medizinische Abteilung, dass zwei Leichen eingeliefert werden und psychologische Betreuung benötigt wird.“ Hier gab es nichts mehr zu tun.Nun galt es, die Aussagen aller Beteiligten zu dokumentieren und festzustellen, was sich genau in jenen Minuten zugetragen hatte. Doch das war nicht sein Job, darum hatte sich der Marshal zu kümmern...
* * *
Mir hat vor allem der Gedanke der Bergbaustation gefallen, der m.E. eine gute Grundlage für eine relativ einfach gestrickte, aber actionreiche Story bieten könnte. Das Drogenthema des Films greift hier gut hinein und wurde entsprechend zum Aufhänger. Und genau das soll es auch werden, wenn es einmal fertig ist: eine gute alte Actionstory mit einem unfreiwilligen Helden in der Hauptrolle. Als Erstlingstäter wollte ich dann doch noch nicht gar so komplex an die Sache rangehen. Die Story setzt übrigens etwa 2o Jahre nach den Ereignissen aus "Outland" an und ist noch nicht abgeschlossen. Es sollen noch ein bis zwei weitere Teile folgen, so dass die fertige Geschichte zwischen 10 und 15 Din A 4 Seiten lang werden soll. Einige Ideen zum Showdown habe ich bereits, doch lasse ich mich auch einfach ein wenig treiben. Das Ganze soll mir ja Spaß bringen und nicht in Arbeit ausarten. Im übrigen erscheint der Ton manchem Leser vielleicht stellenweise etwas rauh. Dies ist beabsichtigt, denn letztlich ist Con-Am 31 die Welt von hartgesottenen Bergleuten, die dort oben 18 Monate oder mehr ohne ihre Frauen verbringen.
Es handelt sich hier, wie oben erwähnt, um meinen ersten Versuch dieser Art, also zerpflückt mich bitte liebevoll, ich bin doch so zart besaitet
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Dann also hoffentlich viel Spaß
LG
Reinhard
P.S.: bevor ich es vergesse: ich nehme auf meiner Seite immernoch Fanfiction auf, inzwischen auch solche, die keinem bekannten Franchise zuzuordnen sind, oder komplett aus eigener Feder stammen
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DER KALLISTO-ZWISCHENFALL, TEIL I-III
Ray Fowley lehnte gelassen am Tresen und trank sein Lager. Nach seiner 12 Stunden-Schicht 20 Level unterhalb 0 hatte er sich den Drink auch redlich verdient. Der adlergesichtige Mitt-Vierziger war einer der rund 1250 Bergleute, die auf dem Jupitermond Kallisto Palladium und vor allem das erst vor 16 Jahren entdeckte und extrem seltene Magnoridium abbauten. Magnoridium war ein metallener natürlicher Supraleiter, der Supraleitung bei Raumtemperatur überhaupt erst möglich gemacht hatte. Warum das silbrig-blaue Metall nicht auf der Erde vorkam, war bisher unbekannt, doch auf einigen Monden Jupiters, Saturns, sowie wenigen Asteroiden konnten bisher wirtschaftlich interessante Mengen nachgewiesen werden. Entsprechend teuer war das Zeug und so arbeiteten nur die besten auf Kallisto. Und Fowley war einer der Besten, der seit 25 Jahren als Bergmann überall im Sonnensystem tätig gewesen war. Das spiegelte sich natürlich auch in der Bezahlung wieder, vor allem in den großzügigen Prämien. Der graumelierte, drahtige Ray konnte sich alles leisten, was das Leben auf der über Kallisto schwebenden Raumstation Mine Operation – Con Am 31 etwas erträglicher gestaltete: Prostituierte, Bier und natürlich Whiskey in rauen Mengen. Nur von PDE, einer amphetamin-ähnlichen gefährlichen Droge, die die Arbeitsleistung um fast 100% erhöhte, aber leider auch wahnsinnig machte, ließ er die Finger. Doch gottseidank gab es die rot-flüssige Designerdroge hier auch nicht.
Vor rund 20 Jahren als junger Mann hatte er auf Con-Am 27 im Orbit von IO erlebt, was das Zeug aus einem machen konnte. Ein sturer Marshal namens William T. O'Niel hatte damals dem mächtigen Corporation Manager Mark B. Sheppard die Stirn geboten, der kiloweise PDE auf die über dem Jupitermond liegende Raumstation eingeschleust und verdealt hatte. In zwei Jahren waren so über 50 Kumpel gestorben. Sie hatten sich zu viel von dem Dreckszeug mit der Injektionspistole in den Oberschenkel gespritzt und waren einfach ausgeflippt. Sie rissen sich in den Minen ihre Schutzanzüge vom Leib oder waren in Unterhosen in die Luftschleuse gegangen, um dann mit dem Aufzug runter zufahren. Ab Level 8 herrschten dort unten 1/7 Schwerkraft und keine Atmosphäre, nur die Kälte des Vakuums. Der Anblick, als sich der Aufzug öffnete, war ekelerregend gewesen. Bei dem Gedanken an den blutüberströmten, regelrecht implodierten Leichnam eines dieser armen Teufel wurde ihm noch heute übel. Die Gedärme waren herausgequollen, der Schädel geplatzt. O'Niel hatte damals, ganz auf sich gestellt, aufgeräumt. Ray erinnerte sich noch gut an den Abend, als die beiden von Sheppard bezahlten Profi-Killer mit dem Shuttle eintrafen, um den Federal Marshal zu erledigen. Der war eine Stunde zuvor noch in die Bar gekommen und sein „Ich könnte ein wenig Hilfe gebrauchen“ und das darauf folgende: „Das habe ich mir gedacht“, als niemand bereit war, zu ihm zu stehen, hallte Fowley noch heute in den Ohren. Der Sheriff hatte ihm mit seinen harten, müden Augen direkt ins Gesicht gesehen, doch er war zu feige gewesen. Beschämt hatte er sich abgewandt. Dieser Abend haftete ihm bis heute nach. Niemand gestand sich gerne ein, ein mieser Feigling zu sein.
O'Niel's Überleben und die anschließende Bekanntmachung der Ereignisse auf IO hatten weite Kreise gezogen. Die Corporation musste eine Milliarde Dollar Strafe zahlen und verlor vorübergehend die Konzession für den Bergbau im Sonnensystem. Strenge Auflagen folgten, die Sicherheitskräfte wurden erhöht und die Kontrollen verschärft. Waffen durften nur noch mit speziellen Regierungs-Shuttles eingeführt werden, die eineinhalb Jahre unterwegs waren, bis sie die fünf jupiternahen Stationen erreichten. Doch dann wurde auf Europa Magnoridium entdeckt und die Mining Corp. erhielt ihre Lizenzen zurück. Im Laufe der letzten 15 Jahre wurden viele der eingeführten Kontroll-Maßnahmen wieder rückgängig gemacht, so dass die Firmenbosse auf den Stationen und in den Bergwerken schalten und walten konnten, wie es ihnen beliebte. Der neue Supraleiter war zu wertvoll, zu bestimmend für die Wirtschaft der Erde geworden, als dass man einen Rückgang der Lieferungen riskieren wollte und die fetten Kerle in der Chefetage wussten dies nur zu gut.
* * *
„Zur Hölle“, murmelte Ray und wandte sich an den Barkeeper: „Gib mir noch eins, Joseph, und 'nen Doppelten, ohne Eis, aber von dem guten“. „Harter Tag, was?“ Doch dem alten Haudegen war heute nicht nach Konversation zumute. Er wollte seine Ruhe. Zu sehr frustierten ihn diese Gedankengänge. Er hatte damals Freunde verloren und er verlor weitere auf Titan. Nur Kallisto schien bisher sauber zu sein. Vielleicht gab es wenigstens hier Cops, die sich nicht einfach schmieren ließen, keinen korrupten Manager, wie dieser Sheppard damals. Um die bösen Geister der Vergangenheit zu vertreiben, kippte der alternde Bergmann den scharfen Drink hinunter und schaute sich um. "Dreckiges Loch", dachte er bei sich und tatsächlich war "J' s Club" eine Bar, wie es sie auf jeder Raumstation über welchen Steinhaufen auch immer, in diesem Sonnensystem gab. Das Licht war schummerig. Ein ovaler Tresen zierte den fast saalgroßen Raum und alte, abgewetzte Barhocker waren mehr oder weniger gleichmäßig drapiert. In der Bar unregelmäßig verteilt standen runde Zweier- und Vierer-Tische, die meisten davon in der Nähe der Pornodarstellerinnen, die mit ihren männlichen oder weiblichen Partnern vor den meist Besoffenen Sex praktizierten. Das sollte die Jungs antörnen und sie zu den Nutten treiben, an denen die Mining Corporation kräftig mitverdiente. Der Barmann war schmierig und das Bier zu warm. Doch der Schnaps war zumindest nicht gepanscht und die Frauen sahen sogar nach etwas aus. Was konnte er schon mehr erwarten?
„Hey, träumst Du?“, riss ihn Joseph mit seinem russischen Akzent aus seinen Gedanken. „5 Dollar!“ Fowley kramte lange in seiner Tasche und zog ein großes Bündel Geld heraus, um zu bezahlen, der Alkohol hatte seine Wirkung offenbar nicht verfehlt.„Ich kenne Dich jetzt seit so vielen Jahren, Ray. Jeden Abend sitzt Du hier auf demselben Hocker und lässt Dich volllaufen. Nicht dass es mir nicht recht sein könnte, doch hast Du nicht bald einmal genug von diesem Leben?“ Der müde Kumpel schaute den Barkeeper mit glasigen Augen an: „Glaubst Du wirklich, ich will den Rest meines Lebens in Deiner überfüllten scheiß-abgewrackten Spelunke verbringen? Mir Deine Livepornos anschauen, wo sie auf den Drehbühnen unter blauen Licht so tun, als würden sie vögeln? Nein, mein Lieber. Ich werde nicht an einem Deiner elenden runden Tische verrecken.“ Die verrauchte, stickige Luft brachte ihn zum husten.„Ein paar Jahre noch, dann habe ich genug für eine Farm zusammen gespart und dann könnt ihr mich alle.“ Sie hatten derlei Gespräche schon oft geführt, daher antwortete sein Gegenüber mit einem nachgiebigen Grinsen: „Ja, sicher, Ray, natürlich wirst Du das.“ „Mach Dich ja nicht über mich lustig, Du mieser, dreckiger Wichser!“ „Du hast genug für heute“, fuhr der dickliche Joseph dazwischen, „geh nach Hause, Ray.“ Ray schaute den Barmann wütend an, aber dessen Blick ließ keinerlei Widerspruch mehr zu. Außerdem hatte der unrasierte Kerl recht: er hatte wirklich genug für heute. „Ihr werdet es schon sehen“, murmelte er auf den Weg in seine kleine Kaue.
Zehn Minuten später lag Ray in seinem kleinen Reich. Das schmale Bett war auf drei Seiten von einem Gitter umgeben, und in mehreren Stockwerken reihte sich Kaue an Kaue in den großen neonhellen Räumen. Um sich vor dem Licht wenigstens etwas schützen zu können, konnte man braune, leinenartige, schäbige Vorhänge vor die Gitter und vor dem Betteingang zuziehen. Doch richtig dunkel war es nie. Bis zu 120 Bergleute schliefen hier, wobei sich planmäßig die Hälfte jeweils im Einsatz befinden sollte. Trotz seines recht ausgeprägten Alkohlspiegels schlief er nicht sofort ein. Hinter seinem Kopfkissen am Gitter war eine kleine Pinnwand befestigt. Dort hing das Foto einer idyllischen Farm in Iowa, Ray' s Traum. Er müsste nur noch eine Weile durchhalten, dann, ja dann. Doch dass sollte sich als gar nicht so leicht herausstellen...
* * *
Die Alarmsirene der Luftschleuse surrte laut und das rote Warnlicht blinkte. Fowley stand an der Tür und las: „Warnung! Keine Atmosphäre! Luftschleuse nur mit Schutzanzug und ausreichend Sauerstoff betreten!“ Doch es war, als wären diese Worte in einer Fremdsprache geschrieben, als seien sie völlig bedeutungslos. Er hatte nur seine lange weiße Unterhose und das grau- verwaschene T-Shirt an. Doch auch das spielte keine Rolle. Irgendetwas zog ihn dort hinein und nach unten, wo die Erfüllung seiner Träume wartete! Frank, Ray's bester Freund konnte es nicht fassen: „Was tust Du da, verdammt? Willst Du Dich umbringen?“ Doch er drehte sich nur um und lachte. Wie in Trance nahm er sein Eintippen des Schleusen-Codes wahr. Ein kräftiges Zischen durchschnitt das schrille Sirenengeräusch und die tresorartige Tür öffnete sich. „Du blöder Idiot, bleib stehen! Du kannst doch nicht ohne Schutzanzug dar...“ Doch er hatte die Tür schon geschlossen und hörte den Rest der Warnung nicht mehr.
Niemand konnte ihn aufhalten, niemand sollte es. Rays Blick traf den Stockwerkschalter. Er musste runter auf Level 20, es gab keinen Weg daran vorbei, kein zurück. Der Wunsch war einfach übermächtig! Frank hämmerte wie wild gegen das Panzerglasfenster der Schleusentür, sein Gesicht vor Sorge und Angst um den Freund verzerrt. Doch Ray Fowley lächelte nur selig und winkte,während sein Finger die Taste mit der Nummer 20 berührte. Der Aufzug setzte sich stockend in Bewegung.
Inmitten des größten Glücksgefühls spürte der Bergmann urplötzlich Kälte in sich aufsteigen. Die Luft wurde knapp, seine Brust quetschte sich zusammen. Der Schmerz war unerträglich! In diesem Moment kehrten die klaren Gedanken zurück. Was hatte er getan? Wie war er hierher gekommen? Mit einem mal begangen seine Glieder zu zucken, ein verzweifelter Blick verriet ihm, dass der Lift nun Level 8 erreichte. Er rang nach Atem, doch hier gab es keinen Sauerstoff mehr. Panik stieg in ihm hoch und der Lift ließ´sich nicht stoppen, bis er sein einprogrammiertes Ziel erreicht hatte. Sein Schicksal war besiegelt! Dann spürte er, wie eine furchterregende Kraft ihn von innen heraus zu zerreißen drohte, spürte die Augäpfel seiner braunen Augen hervorquellen. Blut lief in Rinnsälen wie Tränen an ihnen herab. Voller Panik schlug er um sich, wehrte sich verzweifelt, doch chancenlos. Ein Ruck ging durch seinen Körper und Ray spürte nur noch, wie etwas weiches, warmes unangenehm aus seinem Bauch floss. Ein gellender Schmerzensschrei wollte seinen Mund verlassen,doch das Vakuum verschlang ihn...
***
„Hey alter Junge, was ist mit Dir?“ Ray spürte ein schütteln an seinem Arm, hörte wie aus großer Ferne eine immer näher kommende Stimme nach ihm rief. Schweißgebadet wachte er auf. „Verfluchte Scheiße“, stöhnte er. Dann fiel sein Blick auf seinen besten und einzigen wirklichen Freund in dieser Hölle, den 36jährigen Frank Müller, der die Schlafzelle über ihm bewohnte: „Wieder der alte Traum?“ „Ach verdammt, lass mich doch in Ruhe“. „Würde ich ja gern“, antwortete Frank grinsend, „doch Dein stöhnen lässt mich ja nicht. Du klingst, als würdest Du Dich unter der Bettdecke abreagieren. Warst wohl gestern zu besoffen für einen Besuch bei Betty.“ Sie sahen sich an und lachten. „Sowieso gleich Zeit, aufzustehen“, erwiderte Ray. Es war 4:30h morgens Erdstandardzeit und um „6.00h“ begann die Frühschicht. Er streckte sich und setzte sich auf. Die große Kaue stank nach Männerschweiß und verbrauchter Luft. Das Licht war viel zu hell und die Schlafkammern wirkten eher wie Todeszellen, als wie die einzige kleine Privatsphäre, die sie hier auf Con-Am 31 hatten. Doch so war es nun einmal und letztlich war der Schlafplatz das einzige, dass hier so etwas wie ein zu Hause“ darstellte, ein Rückzugsort, das hieß, wenn er sich nicht gerade bei Betty aufhielt, die einzige Frau, für die er je so etwas wie Liebe empfunden hatte.
Frank und Betty waren die einzigen Menschen auf der Raumstation, zu der er eine echte Beziehung aufgebaut hatte. Es war schwer, hier so etwas wie Freundschaften zu entwickeln. Die Leute kamen und gingen. In der Regel erhielten sie zu Beginn ihrer Karriere in den Bergwerken der Monde Jupiters und Saturns nur Verträge für 12 Monate und trotz der hohen Bezahlung verließen die meisten die Station nach der ersten Tour. Zu entbehrungsreich war das Leben hier. Urgesteine wie Frank und Ray waren in diesem Beruf schon fast eine Ausnahme. Der Job war eben hart und das Leben alles andere, als ein Zuckerschlecken:10 bis 12 Stunden am Stück in den knapp 60 kg schweren Arbeitsanzügen mit Magnetstiefeln ohne Atmosphäre und mit nur wenig Schwerkraft, das zehrte. Abends blieb nur der Gang in die Bar, anschließend schlafen und wieder arbeiten. Hin und wieder konnte man eines der Mädchen aufsuchen oder im Casino eine runde Black Jack und Poker spielen. Auch die Fütterung der Spielautomaten mit Münzen war eine beliebte Freizeitbeschäftigung, mit der die Corporation ihren Leuten das Geld aus der Tasche zog. Natürlich gab es Duty Free Shops, in denen man von Zigaretten bis Süßigkeiten und manchmal, wenn gerade ein Shuttle eingetroffen war, was zu lesen kaufen kaufen konnte. Diejenigen, die Familie hatten, verbrachten ihre Freizeit oft an den teuren Communication-Terminals, um Neuigkeiten von daheim zu erfahren und kleine Filmchen anzuschauen, die die Familie auf der Erde aufgenommen hatte. Viel Raum für privates oder gar intimes blieb nicht, zumal die Entfernung zwischen Kallisto und der Erde schlicht keine Livegespräche ermöglichte.
Abgesehen von den Kumpeln arbeiteten auf der Station noch 450 Menschen in der Technik und im Support. Weitere 134 waren als Angestellte in der Administration beschäftigt, von denen die Höherrangigen das Privileg von Einzelquartieren genossen, wie Rays blondgelockte Betty. Hinzu gesellte sich eine 80 Mann starke Polizeitruppe, die in ihren marineblauen Uniformen, den dazugehörigen Caps und den goldfarbenen Abzeichen auf der Brust auf allen Decks präsent waren und sich Zweierkabinen teilten. Zwei je sechsköpfige Spezialteams, natürlich in Einzenquartieren untergebracht, standen darüber hinaus für Sondereinstätze zur Verfügung. Der Chef der Polizeitruppe, Marshal Ho, und sein Stellverteter, Sergant Steve Conway, verfügten wie einige andere leitende Angestellte mit 5 Jahresverträgen sogar über kleine Wohnungen mit eigener Wasserdusche, die sie zweimal wöchentlich für je 10 Minuten benutzen durften.
Trotz oder vielleicht gerade wegen dieses Lebens, dass Ray schon so lange führte, konnte er sich mit Betty ein Leben nach seiner Zeit als Magno-Brecher vorstellen. Sie war witzig, intelligent und mit ihren 1,70 nicht zu schlank und in seinen Augen absolut sexy. Während er über sie sinnierte, zog er sich an und ging in den Speisesaal, wo es Bacon und Eggs gab. "Der Kaffee ist so scheiße wie immer, das Zeug bringt mich noch um", witztelte er und reichte Frank eine seiner Zigaretten der Marke Schwarze Hand. "Wenn nicht der Kaffee, dann diese Sargnägel. Die ziehen einem ja die Schuhe aus", antwortete Müller mit dem ihm eigenen spitzbübischen Grinsen, das Ray von Anfang an an ihm gemocht hatte. Nach dem Frühstück gingen die Freunde für kurze Zeit getrennte Wege, um sich anschließend an der Tür zum Zeugraum wiederzutreffen, in dem die silberfarbenen , raumanzug-artigen Arbeitsanzüge an halbrunden Haken hingen. Frank strahlte einen geradezu unglaublich ansteckenden Elan aus: „Heute hole ich mir eine doppelte Prämie“. " Ich fass es nicht", antwortete Ray halb scherzhaft, halb ernst, "ich kann vor Müdigkeit den Bohrer kaum noch halten und der quatscht hier was von Prozenten" „Wirst halt alt! Ich muss noch mal pissen, leg ja nicht ohne mich los“, lachte Frank und verschwand durch eine der schäbigen, braunen Türen, um sich des übel riechenden Pissoirs zu bedienen. Nach seiner Wiederkehr zogen die beiden Freunde die Anzüge an und setzten ihre Helme auf. Anschließend schalteten sie das Außenlicht ein. Die 30, um das ovale Visier angebrachten, Lampen glühten auf, sie schalteten den internen Funk ein und schlugen sich auf die Schultern. Dann begaben sie sich zur Airlock 2, wo ihre Schichtkollegen bereits darauf warteten, auf Level 20 hinunterzufahren.
Die rote Lampe leuchtete rhythmisch auf, das Warnsignal ertönte und 12 müde Bergmänner verließen den Schacht. „Macht es gut, Jungs." "Gut? Wir holen uns eine so dicke Prämie, dass für Euch nur Luft in den Gläsern übrig bleibt. Aber wenn ihr schön artig seit, bekommt ihr vielleicht einen Kaffee", witzelte der dunkelhäutige Michael, seines Zeichens der Neuling aus Team 3. Ein erschöpftes "Arschloch! Verpiss Dich!" war die Antwort. Dann drängten sich Ray und die anderen in den Fahrstuhl und es ging hinunter in die Tiefe zu den Laserbohrern. Mit den sperrigen Schneidewerkzeugen konnte man relativ leicht das Silikatgestein des Mondinneren herausbrechen, um so an Palladium und, wenn man bereit für den härtesten Job der Welt war, auch an das so wertvolle Magnoridium herankommen. Ein Bergarbeiter im All verdiente sehr gut, doch das war kein Vergleich zu den Möglichkeiten eines Magno-Brechers. Das jahrhundertelang verwendete geflügelte Wort, „mit Gold aufwiegen“, war nicht umsonst innerhalb kürzester Zeit dem Terminus „mit Magnorid aufwiegen“ gewichen und hatte auf der guten alten Erde nicht nur einen Run ausgelöst, sondern auch mächtige Schwerverbrecher auf den Plan gerufen. Das Zeug war eben extrem selten und schwer zu fördern. Viele stunden-, manchmal tagelang musste ein hochspezialisierter Magno in die härtesten Gesteinsschichten vordringen, um dort mit Glück einige Dutzend Gramm des Supraleiters zu fördern. Man brauchte ein sehr gutes Auge und musste genau wissen, wo und wie man den Laserbohrer anzusetzen hatte. Magnobrecher waren hart im Nehmen und zäh. An einem guten Tag förderte ein erfahrenes Zweierteam wie Frank und Ray zwischen 300 und 500 Gramm, die einen Wert zwischen 1,08 und 1,8 Millionen Dollar hatten. Ab einer Fördermenge von 300 Gramm gab es zusätzlich zum ohnehin guten Lohn eine Prämie in Höhe von 0,5%, also mindestens 9000 Dollar extra Cash pro Team und Schicht, in der dies gelang. Das lohnte sich! Es war selbstverständlich, dass man verdammt gut und ausdauernd sein musste, um diese spezielle Arbeit wirklich erfolgreich verrichten zu können. Ray und sein Freund waren erfolgreich. Vor allem in den letzten paar Wochen war die Ausbeute der beiden enorm. Ray war gut, doch Franks Kraft schien unerschöpflich. Wenn Fowley ihn darauf ansprach, antwortete dieser stets mit Sätzen wie: "Tja, gute Gene eben". Misstrauisch machte dies Ray nicht, eine Tatsache, die er noch bitter bereuen sollte...
***
Unter den insgesamt sechs Teams ihrer Schicht bestand ein gesundes Konkurrenzverhalten, dennoch arbeitete man, vor allem im Bereich Vorbereitungen und Sicherheit, eng zusammen.Für den ordnungsgemäßen Ablauf sorgte der Schichtleiter Tom Hiller, schlicht "Boss“ genannt, der gleichzeitig auch ein eigenes Zweimann-Team leitete, Team 1.
Unten angekommen, gab der Vorabeiter die Anweisungen, die Ray schon so oft in seinem Leben gehört hatte: „Michael, geh die Checkliste durch und bestätige. Jungs, überprüft Euer Werkzeug. Nach dem Go legen wir los.“ Michael war Anfang 20 und hatte viel Hirn, aber wenig Erfahrung. „Oh Mann, warum wieder ich“? „Weil Du nun einmal der Noob und somit der Arsch der Schicht bist“. „Sehr witzig, Frank“. Michael drängte sich in seinem unförmigen Anzug an den Stützen vorbei zu den Rohren und Ventilen, die den Stollen und seine Seitenwege mit Energie für die Bohrer versorgten. Er überprüfte die Sicherheitseinrichtungen, die externen Sauerstoffleitungen für den Notfall und die Lichtanlage. Dann kam die Notfallversorgung für den Lift. Zum Schluss wurde der externe Funk getestet. Der musste für Notfälle immer angeschaltet bleiben.Außerdem konnte die Zentrale im Notfall den internen Funk anzapfen .Anschließend warf jeder Kollege kurz den Bohrer probeweise an. „Legen wir los, Leute. Tom und Richard, Little John und Lung, Stollen eins, Michael, Jean, Frank und Ray, in die zwei, wenn ich bitten darf. Siegfried, Chris, Matumba und ich nehmen die drei.“
Langsam stießen Ray' s und Michael's Team zu Stollen 2 vor. Daran, dass man hier unten außer dem internen Funk nichts hörte, die Magnetstiefeln schwer wie Blei waren und es in den Anzügen darüberhinaus viel zu warm, hatte er sich schon lange gewöhnt. Endlich erreichten die vier Kumpel ihren Arbeitsplatz und teilten sich auf. Bisher war es ein ganz normaler Arbeitstag gewesen doch gerade als Fowley ein letztes mal seinen Bohrer überprüfte, nahm er am Rande seines Sichtfeldes etwas seltsames wahr: Frank stand dort wie erstarrt und rührte sich nicht. „Hey Alter, alles in Ordnung?“ Doch der 36jährige schien ihn nicht zu hören. „Mach keine blöden Witze und antworte.“ Frank reagierte wiederum nicht. "So ein Mist", sagte Fowley mehr zu sich selbst und klopfte auf die Seiten seinen Helmes, um dem anderen Team in Stollen zwei zu signalisieren, dass Müllers Funk möglicherweise defekt war. Er war nun doch beunruhigt und Müllers Teilnahmslosigkeit war tatsächlich geradezu erschreckend. Auch Jean und Michael ließen von der Arbeit ab drehten sich verwundert um. Ray hatte die Nase voll und näherte sich seinem Partner soweit, dass er in seine Augen blicken konnte. Doch was er sah, jagte ihm einen eiskalten Schauer über den Rücken!
***
Es war, als hätte er in die Augen eines Toten gesehen, doch genau als Ray' s Gesicht Franks Blickwinkel streifte, schien dieser urplötzlich wie aus einer Hypnose zu erwachen. Panisch und mit zitternder Stimme rief er: "Kommt mir nicht zu nahe!“ „Was ist denn los mit Dir?" Fowley war nun wirklich besorgt, er rechnete mit einem Untertage-Koller, der bisweilen vorkam. „Da!“ Müllers rechte Hand deutete zur Wand. Es war gut zu erkennen, wie sich sein Gesicht zu einer Grimasse verzerrt hatte. Angsterfüllt schrie er nun: „Seht ihr es denn nicht? Es kommt aus der Wand, da!“ Die skurille Szene rief nun endlich längst verdrängte Erinnerungen in Ray wach und Angst kroch seinen Nacken empor. „Was ist denn, alter Junge? Ganz ruhig. Da ist nichts“. Doch sein Freund ließ sich nicht beruhigen. „Nein“, sein durch den Funk verzerrtes Kreischen dröhnte im Helm nach: "Weg von mir! NEIN! Sie sind überall! Wie wild schlug Frank um sich und Ray musste sich ducken, um nicht einen Schlag mit dem eingeschalteten Bohrer zu kassieren. Dies hätte schlimme Folgen für ihn gehabt! Die anderen Kollegen waren nun ebenfalls aufmerksam geworden, ließen alles stehen und liegen und eilten zu Stollen 2, um zu sehen, was dort los war. Michael und Jean, die anderen beiden Kumpel, die in dem schmalen Seitenschacht eingeteilt gewesen waren, schauten sich verwundert an und waren wie erstarrt. Doch niemand von ihnen kam auf die Idee, zu helfen.
„Der Boss“ hatte das Spektakel mitbekommen und traf nun aus Stollen 3 ein. Wütend baute er sich in seiner burschikosen Art vor Frank auf. Er hatte so seine ganz persönlichen Erfahrungen mit Brechern, die zu viel gefeiert und zu wenig geschlafen hatten : „was ist mit Dir? Hast Du noch von gestern einen sitzen, oder was? Pass mal auf Du Scheißkerl, wenn Du Deine Sauferei nicht im Griff hast, ist das Deine Sache, aber versau' uns anderen nicht die Prämie und nun verzieh Dich nach oben Du Penner, bevor ich mich vergesse!" Voller Wut Frank den Rücken zukehrend ordnete er an: "Jean, sag über den externen Funk bescheid, dass wir einen Ersatz brauchen.“ Doch Fowley wusste längst, dass Franks Zustand nicht von zu viel Whiskey herrührte. Er hatte so etwas bereits vor über 20 Jahren erlebt, auf IO! Frank war mit PDE zugedröhnt, er konnte es nicht fassen und es sich auch nicht erklären. Doch es war offenbar eine Tatsache. Fowley wollte seinen Vorgesetzten gerade noch warnen und ihm seine schreckliche Vermutung mitteilen, als Frank in ein irres lachen verfiel: „ich lass nicht zu, dass Ihr mich aussaugt, Ihr Bastarde.“ Unheilvoll hob der offenbar wahnsinnig gewordene Mann seinen Laserbohrer und hieb zu.
Alles ging ganz schnell, viel zu schnell! Ray hatte nicht einmal mehr Zeit, seinen Vorgesetzten zu warnen, als sich plötzlich sein Sichtfeld auf seltsame Art zu verdunkeln schien. Gleichzeitig gab der Funk einen gellenden Schrei preis. Ray wischte sich mit der rechten Hand über das Panzerglas seines Visiers. Überall war Blut! Vor ihm auf dem Boden lag der ca. vom Bauchnabel bis zur Brust aufgeschlitzte Leichnam seines Vorarbeiters. Fleischfetzen, Teile des Darms und seines Inneren verteilten sich im Stollen. Große Mengen Blut schwebten durch das Vakuum und blieb an den Wänden, den Stützen, den Raumanzügen der Kumpel haften. Die konnten nicht fassen, was da soeben geschehen war und waren wie erstarrt. Frank hatte ihren Vorgesetzten mit dem Laserbohrer wie ein Schwein aufgeschlitzt, schrie dabei irr und hielt das Werkzeug in beiden Händen. Wie hilfesuchend blickte der mit Drogen vollgepumpte zu Ray. Was sollte er tun? Er musste seinen Freund stoppen, um seinet- und der anderen willen. Es blieb keine andere Wahl, als sich schnell etwas einfallen zu lassen. Später war genug Zeit, sich über Konsequenzen Gedanken zu machen. Für ihn ging es in diesem Moment nur noch darum, seinem einzigen und besten Freund, der ihm verdammt viel bedeutete, das Leben zu retten, egal wie! Also startete er einen letzten, verzweifelten Versuch. Er drehte sich möglichst unauffällig zu Jean und gab ihm das Handzeichen für „Energie aus“. Alle Kumpel mussten die 30 im ganzen Sonnensystem gültigen Handzeichen für den Fall lernen, dass der Funk im Stollen ausfiel oder ein anderer Notfall eintrat. Jean stand unter Schock und war bemüht, einen starken Brechreiz zu unterdrücken. Doch als er zu Ray blickte, begriff er sofort. Er überwand seinen Ekel und nickte fast unmerklich. Dann bewegte er sich langsam und, wie er hoffte, von Frank unbemerkt, auf den Energieverteiler zu. In der Zwischenzeit wollte Fowley versuchen, beruhigend auf den 36jährigen einzureden und ihn so abzulenken: „Hey, alter Junge. Ganz ruhig. Alles o.K.. . Vertrau mir mein Alter und schalte den Bohrer ab." Doch die einzige Reaktion auf diesen Versuch war ein wirres: „Ray, ich...". Dann schrie er plötzlich auf: "Geht weg, geht weg von mir! Ich will nicht! Ich mach Euch fertig, Ihr verdammten Biester!" Dann richtete Frank den Bohrer gegen sich...
* * *
Ray' s Muskeln waren zum zerbersten angespannt, seine Sinne funkten Alarmstufe Rot! Wie sollte er in einem 60 kg schweren Anzug einem mit Drogen Vollgepumpten einen eingeschalteten Laserbohrer abjagen, der innerhalb von Sekunden durch ihn hindurch gleiten konnte, wie durch warme Butter? Er zermarterte sich in Sekundenbruchteilen das Hirn, sein Verstand versuchte, jede Kleinigkeit in dieser tödlichen Umgebung aufzusaugen. Dann fiel sein Blick wie zufällig auf die Sauerstoffleitung an Franks Anzug. Ein fingierter Angriff von hinten der den ausgerasteten Kumpel ablenkte, so dass er den Schlauch kappen könnte. Vielleicht würde sein Freund schnell genug ohnmächtig, oder zumindest nahe dran sein und Jean könnte in der Zwischenzeit die Energiezufuhr kappen. Ja, das könnte funktionieren! Zweifellos war dies eine äußerst gefährliche Idee, doch wenn er schnell genug reagierte, könnte er seinen Kumpel mithilfe der Notvorrichtung seines eigenen Anzuges vorübergehend versorgen, bis dieser mit dem Lift nach oben geschafft worden war. Sicher, es war riskant, doch es gab bereits einen Toten, schlimmer konnte es also kaum werden.
Ein Wechselbad der Gefühle durchzuckte Fowley. Angst, Wut, Verwirrung, Anspannung und Sorge um seinen einzigen Freund, all das wühlte ihn gleichzeitig auf, als er Michael zunickte. Sein Blick wanderte zwischen dem Luftschlauch, Jean, Michael und dem Energieverteilerhin und her. Gottseidank hatte der Newbie die richtige Intuition. Dies war hier unten eine wichtige Eigenschaft und der Schwarze besaß genug davon. Er hatte verstanden und begann ein gefährliches, aber erfolgreiches Ablenkungsmanöver: „Du durchgeknalltes Arschloch!" Dann bewegte sich so behände wie möglich auf Frank zu, so dass dessen Aufmerksamkeitauf sich für einen kurzen Moment auf den neuen Kollegen konzentrierte. Nun hatte Ray freie Fahrt und riss hart an Franks Sauerstoffkabel. Doch dieses wollte nicht reißen. Eine irre Wut spiegelte sich in dessen Augen wieder: „Du Schwein, Du bist einer von denen! Ich kill Dich, Du....“
„Neeeeeein!!!“ Ein gellender Schrei war plötzlich über den Funk zu hören. Ray hatte ihn ausgestoßen, denn plötzlich schaute er in die verwirrten, blutunterlaufenen und starren Augen eines Sterbenden. Im selben Augenblick erlosch der gleißende Lichtstreifen, mit dem der Boss auf so grausame Weise ermordet worden war, der Strom war endlich unterbrochen. Doch es war zu spät! Aufgewühlt blickte er zu Michael, der seinen, nunmehr ebenfalls ungefährlich gewordenen Bohrer noch immer so fest hielt, dass seine Hände in den Handschuhen hart schmerzten: „ich musste es tun, ich hatte keine andere Wahl“. Er hätte uns alle umgebracht. Tränen rannen über Fowley' s Wangen, er war fassungslos. Er wollte etwas sagen, doch seine Stimmbänder versagten. Es war, als hätte man ihm die Kehle durchgeschnitten. Er rang nach Atem, doch es fühlte sich an, als wäre das nichts, nichts als eine unbändige Trauer.
* * *
Tina Kolowski saß an ihrem Arbeitsplatz in der Zentrale und überwachte den Funk. Wie immer schien es für die kaffebraune, schlanke, junge Frau ein langweiliger Tag zu werden. Die Bergleute um Tom Hiller, von seinen Teams kurz „Boss“ genannt, witzelten beim Betreten des Aufzuges mit der Feierabendschicht und fuhren nach unten. Ein kurzes Knacken und ein freches: „Na Baby, schon heiß auf den Chocolate Man?“ war zu hören. „Werd erst mal ein Mann, dann können wir weiter reden“, lachte sie ins Mikrofon ihres Headsets. Michael war ein wenig irre, aber doch ein liebenswerter Kerl. „Haben Sie Dir schon wieder den Check auf' s Auge gedrückt?“ „Was heißt hier auf das Auge gedrückt, ich reiße mich um diesen Job, Du weißt Doch, wie scharf ich auf Deine zuckenden....Stimmbänder bin“. Sie konnte sich ein lächeln nicht verkneifen. „Nun hör schon auf, Du Spinner“, Wie sehen uns heute abend.“
Dann wurde es still. Der interne Funk der Crew konnte zwar jederzeit mitgehört werden, dies geschah aber nur, wenn ein Problem gemeldet wurde oder wenn die zeitlich vorgegebenen Meldungen alle 60 Minuten ausblieben. Vor ihr hingen in Augenhöhe acht Monitore, mit denen sie Kaueneingänge, Luftschleusen, Fahrstühle und andere wichtige Plätze und Orte im Blick behielt. Dies war eine der wenigen Auflagen, die nach dem berühmten IO Zwischenfall noch immer in Kraft waren. Lena wusste kaum mehr über die damaligen Geschehnisse,als dass sie eben passiert eben. Die Tochter eines russischstämmigen Polizisten und einer Jamaicanerin war gerade einmal 24 Jahre alt und damit zu jung, um sich damals für die Schlagzeilen interessiert haben zu können. Sie war auf Kallisto, weil sie einen gut bezahlten Job gesucht hatte. Und das hatte funktioniert. Sie öffnete ihre Handtasche und holte ihr kleines Tablet hervor, auf dem die neuesten Modezeitschriften ihrer Heimat geladen waren. Auch wenn sie hier fast nur weite Hosen und Blusen, oder eben ihre Uniform trug, so gab es doch ein Leben nach Con Am-31 und das wollte die hübsche junge Frau auf keinen Fall versäumen. Also blieb sie informiert, was in der Welt vor sich ging.
Sie war so sehr in einen interessanten Artikel vertieft, dass sie erschrocken zusammen zuckte, als sie plötzlich Jeans Stimme vor Ablauf der 60 Minutenfrist hörte. „Jean Champollion, Team 3. Ich melde einen alkoholisierten Brecher der....“. Als nächstes nahm Tina ein seltsames Geräusch, fast wie ein Ersticken wahr. Es folgte eine bedrückende Stille. „Team 3, Team 3, Jean, melde Dich!“ Als Antwort hörte sie die stöhnend ausgesprochenen Worte: Oh mein Gott! Er hat ihn umgebracht!“ Dann verstummte der Funk. Lena war sofort wie elektrisiert. Das Tablet glitt ihr aus der Hand und fiel zu Boden. Das Glas des Displays zersplitterte. Ihre Hand glitt wie automatisch zum Hebel für den internen Funk, doch im nächsten Augenblick wünschte sie sich, sie hätte ihn nie betätigt, denn was sie hörte, war einfach nur grauenhaft. Und dann schrillte auch schon die Alarmsirene.
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Die sonst so hartgesottenen Kumpels waren geschockt. Niemand war fähig zu sprechen. Und während sie noch immer wie gebannt um die beiden Leichen herumstanden, mit dem erstarrten Ray in der Mitte, öffnete sich am Zugang zu den Stollen der Aufzug und eine der beiden gut ausgebildeten Eingreiftruppen der Station betrat schwer bewaffnet den Korridor. „Was zum Henker...“ entfuhr es Sergant Steve Conway. Der 30jährige hatte früher als Polizist in New York gedient und war einiges gewohnt, doch das Ausmaß dieses Zwischenfalls nahm eine neue völlig Dimension der Gewalt an. Überall schwebten dicke, sich ausdehnenden scheinende Bluttropfen und blieben an den Balken, Wänden, Anzügen und Leitungen hängen. Es verteilte sich feinperlig oder fadig und schien überall zu sein, ein furchterregender Anblick, der grotesk an einen Kriegsschauplatz erinnerte. Dazu kamen die beiden grässlich zugerichteten Leichen, einer vom Bauchnabel bis fast zum Hals aufgeschlitzt, der andere mit einem riesigen Loch im Oberleib, dessen Ränder verbrannt waren. Unwillkürlich durchfuhr es Steve: „Gottseidank riecht man hier unten nichts, der Gestank wäre wohl auch kaum zu ertragen“. Fast hätte er es ausgesprochen, so intensiv waren die Eindrücke. Das Eingreifteam funktionierte wie ein Uhrwerk. Schnell wurden die Arbeiter sicherheitshalber umstellt und ihrer Werkzeuge entledigt. Vier Mann der sechsköpfigen Spezialeinheit begleiteten sie nach oben. Sergeant Conway, von seinem Stellvertreter, Reiner Schiller flankiert, erteilte derweil weitere Anweisungen: „Einsatzteam an Zentrale. Zwei Tote. Bergleute wurden entwaffnet und werden nach oben geleitet. Wir benötigen zwei Bodybags und ein Aufräumteam. Benachrichtigen Sie bitte die medizinische Abteilung, dass zwei Leichen eingeliefert werden und psychologische Betreuung benötigt wird.“ Hier gab es nichts mehr zu tun.Nun galt es, die Aussagen aller Beteiligten zu dokumentieren und festzustellen, was sich genau in jenen Minuten zugetragen hatte. Doch das war nicht sein Job, darum hatte sich der Marshal zu kümmern...
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