Captain Future - Meuterei - SciFi-Forum

Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.

Captain Future - Meuterei

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

    #46
    Zitat von Twister-Sister Beitrag anzeigen
    Hm... Hot Rod ist schon übel drauf. Zeit, dass der mal so eine richtige Abreibung erhält *Händereib*.
    Sicher, sicher...

    Jetzt kommt ein langer Abschnitt, den ich leider nicht trennen kann. Joan geht zu ihrem Daten mit dem Piloten. Oo

    Nach einer ausgiebigen Dusche stand Joan etwas ratlos vor dem kleinen Spiegel, der in der Innentür des Spindes angebracht war. Das blaue Cocktailkleid, das sie für solche Zwecke wie den morgigen Offiziersball eingepackt hatte, erschien ihr ein wenig zu dick aufgetragen für ein Date mit einem Piloten in dessen Messe. Sie wusste, dass es in der fliegenden Zunft etwas rustikaler zuging und so entschied Joan sich für eine figurbetonte Blue-Jeans, kniehohe schwarze Stiefel, ein neutrales weißes T-Shirt und eine leichte schwarze Lederjacke. In diesem Aufzug wirkte sie immer noch sexy ohne zu übertreiben. Das edle Cocktailkleid musste noch bis morgen warten.
    Joan ließ sich viel Zeit, sich die Haare zu machen und sich zu schminken. Als sie ihre Utensilien wegräumte, sah sie auf die Uhr. Kurz vor halb acht. Es war Zeit, sich auf den Weg zu machen. Joan hatte sich dafür entschieden, zu Fuß zur Pilot’s Lounge zu gehen und nicht die Transportbänder zu benutzen, die die Abteilungen des anderthalb Kilometer langen Schlachtkreuzers verbanden. Die Pilot’s Lounge lag im Achterschiff der Tennessee, tief unten im Schiffsbauch, zwischen den Pilotenunterkünften, dem Hangar und dem riesigen Maschinenraum. Hier unten war es noch um einiges lauter, als hoch oben in den Unterkünften der Flottenoffiziere oder dem Polizeitrakt. Je näher Joan der Offiziersmesse kam, desto mehr gutgelaunte Piloten kamen ihr entgegen und sie vernahm den Klang von altmodischer, mit verzerrten E-Gitarren gespielter Rockmusik. Als sie um die Ecke des Korridors bog, stand Joan bereits vor dem Eingang der Pilot’s Lounge, über deren doppelflügeliger Tür ein blau-gelber Leuchtstoffschriftzug von ihrem Namen kündete. Vor dem Eingang stand eine Gruppe junger, allesamt gut aussehender Männer und Frauen in olivgrünen Cargohosen und braunen Lederjacken, aus der sich ein Mann herauslöste, als er Joan bemerkte. Mit strahlendem Lächeln und offenen Armen ging er auf Joan zu. Sie spürte ein leichtes Herzklopfen, als sie ihn sah.
    „Hi Joan“, sagte Peter, „schön, dass Sie gekommen sind. Ich hatte den ganzen Tag die Befürchtung, dass Sie mich doch versetzen. Ich freue mich, Sie zu sehen.“

    Joan trat nah an Peter heran, mit den Absätzen ihrer Stiefel war sie fast so groß wie er. Er duftete nach einem edlen Rasierwasser, am liebsten hätte Joan ihm einen Kuss auf die Wange gegeben aber sie sagte nur: „Ich freue mich dich zu sehen, Peter.“

    Die Pilot’s Lounge war wie ein Westernsaloon eingerichtet, mit gemütlichen Sitzecken, Billardtischen, Darts und einem langen Tresen. Dieser Ort war einer der wenigen auf dem Schlachtkreuzer, an dem offiziell geraucht werden durfte, die Flotte gestand den Jägerpiloten aufgrund ihrer gefährlichen und aufreibenden Arbeit mehr Privilegien zu als dem Rest der Besatzung, denn Raumjäger zu fliegen war in der Tat noch gefährlicher und gesundheitsschädlicher als Rauchen und Alkohol. Als Joan und Peter die Lounge betraten, wurden sie von dichten Rauchschwaden und lauter Musik empfangen. Er führte sie zu einer kleinen Sitzecke mit Blick auf Bar und Eingang, welche dennoch relativ geschützt vor neugierigen Blicken war. Diese aber – und neidisch-respektvolle Blicke – erhielt Peter, als er mit Joan den Raum durchschritt. Ein neues Gesicht, das hier noch keiner gesehen hatte und dann auch noch so hübsch, das war ein gefundenes Fressen für Peters Kameraden, die ihm neckisch zuzwinkerten und zustimmend den Daumen hoben. „Joan, ich muss mich als erstes bei dir entschuldigen“, sagte er, als sie sich gesetzt hatten.

    Joan sah Peter fragend an. „Warum denn?“

    Peter sah sich um und machte eine ausladende Handbewegung. „Für eine erste Verabredung halte ich eigentlich die Pilot’s Lounge und die ganzen durchgeknallten Flieger hier nicht unbedingt für die beste Adresse. Ich hätte dich gerne auf die Cherish eingeladen, aber da vor ein paar Wochen ein paar Jungs der 3. dort randaliert haben, gilt für uns Piloten noch ein paar Tage Zutrittsverbot“, antwortete er mit einem entschuldigenden Lächeln. „Ansonsten sind die Freizeitmöglichkeiten in diesem Verband eher beschränkt.“

    Joan nahm Peters Hand in ihre eigenen. Sie war groß und kräftig und seine Haut fühlte sich dennoch weich und zart an. „So ein Quatsch, ich finde es hier sehr gemütlich und ich danke dir für die Einladung. Die Leute hier sehen alle so gut gelaunt und entspannt aus. Nein, ich glaube, ich fühle mich sehr wohl, es tut gut hier zu sein, gerade nachdem, was heute passiert ist. Es war ein furchtbarer Tag.“

    In diesem Moment kam eine entzückende, zierliche Kellnerin – eine Zivilistin – um die Bestellung aufzunehmen. „Hey, ihr Schnuckis“, sagte sie grinsend, „was kann ich euch zwei Süßen zu trinken bringen?“

    „Was trinkst du?“, fragte Peter Joan.

    „Das, was du nimmst“, antwortete Joan lächelnd und lehnte sich behaglich in die Lederpolster zurück.

    „Zwei große Bier, Rachel!“, sagte Peter lächelnd und erhielt von der süßen Kellnerin ein Zwinkern.

    „Kommt sofort!“, rief Rachel gut gelaunt und entschwand in Richtung Bar.

    Peter beugte sich vor und fragte vorsichtig: „Was war denn an diesem Tag so furchtbar, Joan?“

    Erstaunlich schnell brachte Rachel die bestellten Getränke. Die beiden jungen Leute stießen an und Peter nahm einen großen Schluck, während Joan den Halbliterkrug in einem Zug bis zur Hälfte leer trank. Dann begann sie, den ganzen Tag zu rekapitulieren. Dabei war sie natürlich darauf bedacht, keine ermittlungsrelevanten Details zu verraten. Sie schloss mit dem Bericht über das abgeschossene Shuttle vor ein paar Stunden. Peter blickte etwas betrübt drein und nickte wissentlich. „Ja, das Shuttle. Wir hätten es schützen können, wenn Rodriguez uns nicht befohlen hätte, umzukehren. Ich habe es explodieren sehen.“

    Joan sah Peter entgeistert an und trank die zweite Hälfte ihres Bierkrugs aus. „Was? Du hast es gesehen? Wieso … ich verstehe das jetzt nicht …“

    Peter gab Rachel mit zwei Fingern ein Zeichen, Nachschub zu bringen, dann antwortete er: „Mein Wingcommander und ich waren draußen und haben Zielübungen auf große Distanz gemacht. Plötzlich bekamen wir den Befehl, zwei anfliegende Draltekh-Jäger zu verscheuchen, die ein Shuttle verfolgten und abschießen wollten. Danny und ich sind gleich auf Kurs gegangen und kamen ziemlich schnell nah. Als wir in Feuerreichweite unserer Geschütze waren, rief Rodriguez uns lautstark zurück. Danny hat noch versucht, etwas Zeit raus zu schinden, denn die Situation sah wirklich ernst aus. Aber wir mussten wirklich abdrehen, sonst hätten wir massiv Ärger wegen Insubordination bekommen. Rodriguez und Dad verstehen da keinen Spaß. In dem Moment, wo wir abdrehten, gingen die Draltekhs auch auf Gegenkurs. Ich hatte mich schon gefreut, dass das noch mal gut ausgegangen war, dann flogen zwei Raketen aus kurzer Distanz auf das Shuttle zu. Sie waren zu schnell, um sie noch abzuschießen. Ich hatte einen der beiden Jäger schon im Visier und hätte nur abdrücken brauchen. Es tut mir so leid.“

    Joan sah verärgert drein. „Rodriguez also. Wieso hat er euch zurückgerufen?“

    Peter zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Er hat meinen Wingcommander nach der Landung sofort zu sich zitiert. Danny war ziemlich wütend. Du hättest sehen sollen, in welch hohem Bogen sie ihren Pilotenhelm durch den Hangar gekickt hat.“

    „Sie? Dein Wingcommander ist …“ Joan blies vor Erstaunen die Backen auf.

    „… eine Frau, ja! Und was für eine“, beendete Peter grinsend den Satz. Wie auf Kommando ging die Tür auf und eine hochgewachsene, gertenschlanke Frau betrat die Pilot’s Lounge. Sie trug eine extrem figurbetonte schwarze Lederhose und nur ein weißes Trägershirt. Sie hatte langes, feuerrotes Haar, das sie zu einem dicken Zopf gebunden hatte, der vor ihrer Brust herab hing. Die Frau hatte ein schmales, ausgesprochen schönes Gesicht mit einer geraden, markanten Nase und saphirgrünen Katzenaugen, die durch ihre hohen Wangenknochen besonders zur Geltung kamen. Am auffälligsten jedoch war ihr rechter Arm, der vom Handgelenk bis zur Schulter mit bunten Tätowierungen übersäht war. Sie war jung, ebenfalls noch keine dreißig, aber in ihrem Gesicht war bereits eine große Lebenserfahrung zu lesen. Ihre schmalen Lippen umspielte ein belustigtes Lächeln, als sie Peter und Joan entdeckte. Sie ging zur Bar, wo sie zwei weitaus kräftigere Lieutenants achtlos beiseiteschob und eine Bestellung aufgab. Die beiden Männer blieben ohne Protest respektvoll auf Distanz. Peter war nicht entgangen, wie Joan Danny Vukovic ansah. „Die hat Ausstrahlung, was?“, fragte er nicht ohne Stolz in der Stimme.

    „Allerdings, Peter. Alle Achtung. Ich hätte nicht gedacht, dass man beim Raumjägergeschwader eine solche Femme fatale findet.“

    „Fatal wird es bei Danny nur für den, der sich selbstverschuldet vor ihren Geschützen befindet. Sie ist die beste Broadswordpilotin, die ich kenne. Im Simulator kann ich sie nicht schlagen. Und sie ist ein herzensguter Mensch. Seit Jahren spendet sie ihre Weihnachtsgratifikation dem Kinderheim in Serbien, in dem sie aufgewachsen ist, und bei uns sammelt sie noch dazu.“

    „Ernsthaft?“ Joan war in diesem Moment echt verblüfft. „Sie strahlt so eine kühle Arroganz aus.“

    „Tu ich das?“, fragte eine amüsierte, rauchige Frauenstimme. Danny Vukovic war mit einem Tablett mit drei vollen Bierkrügen und drei schlanken Schnapsgläsern an ihren Tisch getreten und stellte es ab. Noch immer war da dieses leicht spöttische Lächeln um ihren Mund als sie Joan die Hand hinstreckte. „Danica Vukovic. Nenn mich Danny. Ich bin der Boss von diesem Prachtstück von Mann hier.“

    „Joan Landor“, antwortete Joan lächelnd und gab Danica die Hand. „Peter hat mir gerade von Ihnen erzählt.“

    Ungefragt setzte sich Danica neben Peter und begann den Inhalt des Tabletts zu verteilen. „Doch nur Gutes, oder Pete?“

    Scherzhaft drohte Danica ihrem Wingman mit der Faust. „Ich will nicht lange stören, sondern nur schnell meine Spielschulden bei Pete bezahlen. Freut mich, dich kennenzulernen, Joan! Živeli!“ Sie nahm eines der Schnapsgläser und kippte es in einem Zug hinunter.

    Joan und Peter taten es ihr nach. Der Schnaps brannte Joan in der Kehle, sodass sie mit Bier nachspülen musste. „Was ist das für ein Höllenzeugs?“, presste sie hervor.

    Danica lachte, es war ein fröhliches und ansteckendes Lachen. „Slibowitz, Joan. Da wo ich herkomme, trinkt man sowas zum Frühstück!“ Sie nahm selbst einen großen Schluck Bier und sammelte die Schnapsgläser wieder ein. Dann erhob sie sich wieder und machte Anstalten zu gehen. „Ich wünsche euch zwei noch einen wunderschönen Abend!“, raunte sie augenzwinkernd und schwebte davon.

    Joan sah der attraktiven Frau noch einen Moment hinterher. „Tolle Frau, Peter. Muss ich neidlos zugeben. Warum bist du nicht mit ihr …“

    Peter hob negierend den Zeigefinger. „Wir hatten mal kurz was miteinander, haben aber festgestellt, dass es nicht so rund läuft. Aber wir kommen so prima miteinander aus und vertrauen uns grenzenlos. Und gerade das ist da draußen immens wichtig, überlebenswichtig.“
    Peter sah Joan einen Moment tief in die Augen. Es war ein Blick, der Joan eine Gänsehaut verpasste. Peter wirkte in diesem Augenblick nicht mehr wie der jungenhafte, draufgängerische Flieger. Vor ihr saß ein erwachsener, ernsthafter Mann, dessen Blick sie auf eine magische Art anzog, ja fast erotisierte. So sehr Joan auch wollte, sie konnte sich nicht von Peter abwenden, von seinen tiefgrünen Augen und den Grübchen um die Mundwinkel, seinem schelmischen Grinsen und der winzig kleinen Narbe an seinem Kinn. Es war wieder da, das Herzklopfen. Es war dasselbe Herzklopfen, das Joan schon am Vormittag im Hangar gehabt hatte und vorhin, als sie sich begrüßten. Peter hatte Joan in seinen Bann gezogen, soviel stand fest und Joan hatte nicht die geringste Lust, dem zu widerstehen. „Wir wollen uns doch nicht über meinen Wingcommander unterhalten, oder?“, fragte Peter leise. „Wer ist die schöne Frau, die mir gegenübersitzt?“

    „Joan Landor, achtundzwanzig Jahre alt, seit neun Jahren bei der Weltraumpolizei, einen Meter siebzig groß, Gewicht unbekannt, blond, blaue Augen, ich liebe Kochen, kitschige Filme, Sport, Musik und shoppen. Nicht verheiratet, keine Kinder.“ Joan sah nachdenklich an die Decke. „Hab ich was vergessen?“

    „Das heißt, es gibt keinen Mister Landor oder jemanden, der es gerne werden möchte?“, fragte Peter zaghaft.

    Joan druckste einen Moment herum. „Hm, na ja, es ist nicht so, dass ich ganz allein durchs Leben gehe.“

    Peter ließ Joans Hand, die er die ganze Zeit gehalten hatte, vor Schreck los. „Oh“, machte er nur.

    „Es ist nur so, dass …“ Joan fand in dieser Situation nicht die richtigen Worte. Sie wollte einerseits Peter nicht nach diesen ersten zehn Minuten vor den Kopf stoßen, andererseits wollte sie Curtis nicht diskreditieren. „Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, Peter. Ja, es gibt jemanden, aber ich …“ Joan rang um Worte. „Ich bin etwas unzufrieden, verstehst du?“

    „Nein?!“, gab Peter lächelnd zurück. „Erklär‘s mir.“

    „Manchmal habe ich einfach das Gefühl, ich werde als Frau nicht wahrgenommen. Ich bekomme einfach zu wenig Feedback. Er arbeitet viel, ist oft unterwegs. Wenn ich mal mit möchte, heißt es, es wäre zu gefährlich für mich. Ich fühle mich einfach zurückgesetzt“, antwortete Joan betrübt.

    „Was ist er denn von Beruf?“, wollte Peter wissen.

    „Wissenschaftler … und er arbeitet von Zeit zu Zeit für meinen Chef.“

    „Mh mh“, machte Peter. „Wissenschaftler neigen wirklich dazu, manche Dinge einfach zu pragmatisch zu sehen. Nüchtern, sachlich, ja geradezu unromantisch.“

    Joan senkte den Kopf und sah Peter von unten an. „Ich habe mal gehört, dass Raumjägerpiloten ganz große Romantiker sein sollen. Ist da was dran?“, fragte sie mit einem schüchternen Lächeln.

    Peter lehnte sich zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und sah mit einem schwärmerischen Lächeln nach oben. „Oh ja, Joan, das ist wirklich was dran. Jägerpiloten sind unter den Raumfahrern die schlimmsten Romantiker. Das ist dem Umstand geschuldet, dass jeder Einsatz ihr letzter sein könnte. Daher wollen sie alles mitnehmen, was geht.“ Peter beugte sich nach vorne und sah Joan warnend an. „Joan, hüte dich vor Jägerpiloten. Ihnen geht es nur um Abschusszahlen. Es gibt keinen Jägerpiloten, der nicht versucht, ein hübsches Mädchen gleich am ersten Abend abzuschleppen und ins Verderben zu schicken. Sieh dich vor und mach einen großen Bogen um die Jungs mit den bunten Abzeichen auf ihren Lederjacken!“

    Eine Sekunde lang herrschte betretenes Schweigen, denn Peter hatte seine Rolle perfekt gespielt. Joan entsann sich an Katherines Worte zu diesem Thema. Dann begann sie laut und herzhaft zu lachen, worauf Peter sofort einfiel. Peter hatte Joan zum Lachen gebracht, eine Eigenschaft, die ihr an Männern überaus wichtig war und die sie in der Vergangenheit etwas vermisst hatte.
    Beim Essen, für das sich Peter ebenfalls entschuldigte, weil die Menükarte in der Pilot’s Lounge außer großen Burgern in diversen Variationen und Fingerfood nicht viel hergab – für Joan unverständlich, denn ihr schmeckte der riesige Burger ausgezeichnet – versuchte Joan sanft, das Thema auf andere Bahnen zu lenken. Trotz aller Sympathie und beginnender Zuneigung für Peter, dem süffigen Bier und der gemütlichen Atmosphäre hatte Joan nicht vergessen, was ihr Auftrag war. Sie versuchte es vorsichtig über Peters Familie, respektive über das Verhältnis zu seinem Vater.
    „Sag mal Peter, wie ist das denn so, wenn man der Sohn des Commodore ist und im gleichen Verband dient? Gibt’s da nicht manchmal Schwierigkeiten?“

    „Nein, wieso?“, gab Peter unverblümt zur Antwort. „Zwischen meinem Vater und mir stehen ja noch eine ganze Reihe weiterer Vorgesetzter, wie Danny, dann mein Staffelkommandant, der Geschwaderkommandeur, Commander Rodriguez. Dienstlich habe ich mit meinem alten Herrn nicht viel zu tun. Und Privilegien habe ich dadurch auch nicht.“

    „Und wie stehst du selbst zu deinem Vater?“, fragte Joan mit echtem Interesse.

    Peter lachte verhalten, als er antwortete. „Wir waren und sind nicht immer einer Meinung, aber das ist eben normal zwischen Vater und Sohn. Er wollte nie, dass ich einen Jäger fliege, er meint immer, ich würde mein Talent vergeuden. Lieber hätte er mich auch auf der Brücke eines solchen Dickschiffes gesehen. Ist mir aber zu langweilig. Mittlerweile hat er eingesehen, dass ich einen guten Job hier mache und das gern. Wir kommen gut miteinander klar. Warum fragst du?“

    Joan machte ein ernstes Gesicht, jetzt musste sie so langsam zum Angriff übergehen. „Du weißt schon, dass dein Vater mental angeschlagen ist und in diesem Verband so ziemlich auf verlorenem Posten steht?“

    Peter nickte ernst. „Ja, Dad hat schon mehrmals mit mir übers Aufhören gesprochen. Seit Rodriguez an Bord gekommen ist, hat sich Dad mehr und mehr die Zügel aus der Hand nehmen lassen. Ich kann Rodriguez nicht leiden. Er ist ein intrigantes, machtgieriges und gewissenloses Arschloch.“

    „Ist das nur deine Meinung über ihn oder denkt ihr Flieger alle so?“, fragte Joan und biss genüsslich in ihren Burger.

    „Beide Geschwader hier an Bord hassen ihn, inklusive unserer Kommandanten. Das ist kein großes Geheimnis. Wir sind immer froh, wenn Captain van den Bosch auf der Brücke ist, dann fliegen wir draußen erheblich entspannter. Wie es drüben auf der Courageous aussieht, weiß ich nicht.“ Peter trank sein Bier aus und winkte Rachel zu.

    Joan schob gesättigt den Teller mit dem Burger und den Beilagen beiseite. „Peter, mal rein hypothetisch, Rodriguez würde versuchen, die Kontrolle über die Tennessee an sich zu reißen, was würdet ihr tun? Stell dir vor, er würde eine Meuterei anzetteln und das Schiff in seine Gewalt bringen. Auf welcher Seite stündet ihr Jagdflieger?“

    Peter sah Joan mit großen Augen an. „W-was? I-ich verstehe deine Frage nicht?! Was soll das heißen? Meuterei?“

    Joan hielt Peter einen Zeigefinger an die Lippen. „Pssst! Nicht so laut!“ Sie stand auf und ging um den Tisch herum, um sich neben Peter zu setzen. Sie legte einen Arm um ihn und kam mit ihrem Gesicht seinem so nahe wie möglich. Dann flüsterte sie ihm ins Ohr: „Es geht hier etwas vor auf dem Schiff, etwas, das mit dem Aufstand unten auf Sameda II zusammenhängt. Ich erzähle dir das, weil ich dir vertraue und weil ich … weil wir deine Hilfe brauchen. Deine und die deiner Kameraden.“ Wie zufällig berührten ihre Lippen dabei sein Ohrläppchen.

    Peter sah Joan in ihre tiefblauen Augen, er beugte seinen Kopf nach vorne, sodass sie sich mit Stirn und Nasenspitze berührten. „Wir stehen garantiert nicht auf der Seite dieser miesen Kröte, darauf kannst du dich verlassen“, sagte er leise, dann küsste er Joan zaghaft auf die Nasenspitze. „Ich bin sicher, dass unsere Kommandanten mehr wissen, als sie uns wissen lassen.“ Wieder trafen sich ihre Blicke und Joan durchfuhr ein elektrisierender Schauer. Sie legte den Kopf leicht auf die Seite und schloss halb die Augen. Es dauerte nur einen Sekundenbruchteil bis sie seine vollen Lippen auf ihren spürte. Hinter ihrem Brustbein spürte sie ein heißkaltes Prickeln, ein Gefühl, dass sich schon lange nicht mehr bei ihr eingestellt hatte, es war das Gefühl des frisch Verliebtseins, des Neuen und Aufregenden. In diesem Moment war Joan nicht mehr bei sich, nicht mehr auf dem Schiff und nicht mehr in diesem Sonnensystem. Sie bekam nicht einmal mit, wie Rachel diskret die neuen Getränke auf den Tisch stellte.

    Als Peter sanft seine Hand unter Joans Jacke schob, trat sie jedoch auf die Bremse. „Nicht so eilig, der Herr. Der Abend ist noch jung!“, flüsterte sie mit einem Augenzwinkern und schob seine Hand von ihrer Hüfte herab auf ihr Knie. Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, wie Danica Vukovic ein paar Tische weiter sich grinsend erhob und in Richtung der Toiletten ging. Joan musste hinterher, sie wollte unbedingt mit der gutaussehenden Serbin reden. „Entschuldigst du mich einen Moment, Peter? Ich möchte mich kurz frisch machen!“ Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und schwebte davon. Ihre Knie fühlten sich weich wie Pudding an. Dieser junge deutsche Offizier hatte auf ganzer Länge über sie gesiegt ohne von ihr auch nur die geringste Gegenwehr zu bekommen. Joan wollte sich eigentlich auch überhaupt nicht wehren. Plötzlich meldete sich die Stimme der Vernunft in ihr:

    „Joan, was passiert da gerade mit dir? Bist du noch ganz bei Trost? Du rennst seit über drei Jahren Curtis hinterher, du hast ihn erobert und jetzt lässt du dich von so einem Jagdflieger einfach überrumpeln? Denk nach Joan, denk nach! Was tust du da?“

    Die Stimme ihrer Vernunft klang nach Katherine. Katherine, die wilde, ungestüme Göre aus den Südstaaten, die noch nie etwas hat anbrennen lassen, die noch jede Party, jeden Whiskey und jeden Typen mitgenommen hat, der ihren Weg kreuzte. Ausgerechnet Katherine sprach Joan ins Gewissen? Das konnte nicht sein. Gut, seit Katherine mit John zusammen war, war sie auch ruhiger geworden, aber sie hatte sich ihr ganzes Leben bis dahin ausgetobt. Joan hingegen hatte Schule, Polizeischule und Studium hinter sich gebracht, war all die Jahre bestenfalls mit weiblichen Kommilitonen und Kollegen ausgegangen und hatte sich vorrangig auf ihre Ausbildung und ihre Arbeit konzentriert. Als Joan Katherine an der Polizeischule als ihre Ausbilderin kennenlernte, war sie von dieser toughen Frau mehr als fasziniert. Katherine genoss das Leben in vollen Zügen, traf sich mit den interessantesten Männern, feierte bis in die frühen Morgenstunden und blieb dabei stets auf dem Teppich und sich ihrer Verantwortung bewusst. Das imponierte Joan, die sich trotz ihres guten Aussehens und ihres Intellekts trotzdem immer ein kleines bisschen wie ein Mauerblümchen fühlte. Sie hatte sich nie ausgetobt. Als sie Curtis kennenlernte, dachte sie, es würde etwas anders werden. Schon beim ersten Sehen war sie vernarrt in den großen Mann mit den sanften Augen. Hinter seiner spröden und etwas naiven Schale verbarg sich ein hochintelligenter Feingeist, der auch eine ungeheure körperliche Attraktivität besaß. Joan streckte ihre Fühler nach ihm aus. Zwar wurde sie von Curtis am Anfang nicht zurückgewiesen, aber er tat sich schwer, weibliche Signale, wie sie Joan oder jede andere interessierte Frau aussendete, zu entschlüsseln. Es hatte eine Weile gedauert, bis Joan verstand, woran es lag, nämlich daran, dass Curtis – nachdem er als kleines Kind seine Eltern verloren hatte – nur von künstlichen Lebensformen aufgezogen wurde und er praktisch überhaupt keine Erfahrung mit dem anderen Geschlecht besaß. Er wusste einfach nicht, wie eine Frau tickt. Das hatte Joan Curtis erst mühsam beibringen müssen. Und auch jetzt, wo Curtis definitiv wusste, welche Bedürfnisse eine Frau hatte, tat er sich immer noch reichlich schwer, darauf einzugehen. Er liebte Joan, das beteuerte er immer wieder, aber er war nicht immer in der Lage, es so zu zeigen, wie es sich für einen Mann gehörte. Und das schmerzte Joan bis ins Mark. Sie hatte schon einige Male darüber nachgedacht, sich von Curtis zu trennen, aber sie brachte es nicht übers Herz, ihn mit dieser Entscheidung zu konfrontieren, liebte sie ihn doch noch immer. Und heute tauchte dieser junge deutsche Major auf, gutaussehend, locker, offenherzig, charmant und genauso unbeschwert wie Joans beste Freundin Katherine. Es schien ihr, als säße ihr mit Peter Katherines männliches Pendant gegenüber.
    Für mich ist Gleichberechtigung dann erreicht, wenn es genauso viele weibliche wie männliche Idioten gibt.

    Mission accomplished.

    Kommentar


      #47
      Tja... da ist guter Rat aber teuer. Da möchte man nicht in ihrer Haut stecken.
      Unendliche Mannigfaltigkeit in unendlicher Kombination
      Ein Holodeck ist klasse! Man kann überall hin, obwohl man gar nicht weg muss :)
      Außerirdische Technologie + menschliche Dummheit = unschlagbare Ergebnisse :)

      Kommentar


        #48
        Na ja, auch Romanhelden dürfen ab und zu hormongesteuert sein. Joan soll es einfach für den Moment genießen...

        So, hier kommt endlich das Ende des langen 6. Kapitels.

        Danica Vukovic verschwand vor ihr im Waschraum. Als die schwere Tür hinter Joan zufiel, war es um einige Dezibel leiser als draußen in der Lounge, die Luft war bedeutend besser und die Leuchtstoffröhren an der Decke gaben ein klinisch grelles Licht ab. Danica stand vor einem Waschbecken und wischte sich den linken Arm und das linke Hosenbein mit einem nassen Handtuch ab. Als sie Joan sah, grinste sie und sagte: „Hab mir grad beim Armdrücken ´ne Ladung Bier über die Hose gekippt, scheiß Sauerei …“

        Joan betrachtete Danica einen Moment von oben bis unten. Sie war nicht nur mit einer Traumfigur gesegnet, sie hatte in der Tat einen sehr trainierten Körper und für eine Frau sehr kräftige Oberarme. Sie machte auf Joan den Eindruck, dass sie viel Zeit im Fitnessraum verbrachte, um ihren Körper so in Form zu bringen und dennoch extrem weiblich zu bleiben.
        „Danny, kann ich dich was fragen?“, begann Joan.

        Danica nahm ein neues Handtuch und begann, sich abzutrocknen. „Klar, um was geht’s?“

        „Peter sagte mir eben, dass Rodriguez dich nach eurem Einsatz heute zu sich zitiert hat. Was hat er dir gesagt?“

        Danica betrachtete Joan einen kleinen Moment argwöhnisch, dann warf sie das Papierhandtuch in den Abfalleimer und lehnte sich kokett mit verschränkten Armen gegen das Waschbecken. „Warum willst du das wissen? Du bist neugierig, Kleine. Was machst du überhaupt hier?“

        Seufzend griff Joan in die Innentasche ihrer Lederjacke und zog ihre Marke heraus. „Weltraumpolizei, Lieutenant Landor. Erwähnte ich das vorhin nicht?“

        Danica grinste. „Du hast mir deinen Namen genannt. Ich dachte immer, dass bei der Weltraumpolizei nur alte, knorrige Knacker rumrennen und uns Piloten gerne Geschwindigkeitstickets verpassen, mit so ´ner Braut wie dir hätt ich am allerwenigsten gerechnet. Sag das doch gleich, Süße! Ihr ermittelt gegen Rodriguez, diese Ratte? Weswegen?“

        „Kann ich dir im Moment nicht sagen, aber wir ermitteln nicht nur gegen Rodriguez, sondern gegen eine ganze Reihe Offiziere dieses Verbandes.“

        Danica stützte sich mit einer Hand auf das Waschbecken und überprüfte ihr Makeup im Spiegel. „Lass mich raten, das hat mit dieser Tovin-Geschichte zu tun, richtig?“, fragte sie, ohne den Blick von ihrem Spiegelbild abzuwenden.

        Joan wurde hellhörig. „Was weißt du darüber?“, fragte Joan die schöne Serbin.

        „Ich war mit Pete und zwei anderen Wingmen draußen, als sie Tovins Maschine abgefangen haben. Wir konnten den ganzen Funkverkehr mithören. Irgendjemand hatte gepennt und sämtliche Gespräche über eine offene Frequenz laufen lassen. Ich war ganz schön von den Socken, was ich da hören musste und habe meine Jungs angewiesen, darüber vorläufig Stillschweigen zu bewahren.“ Danica war mit einem Mal todernst geworden, das spöttische Grinsen war aus ihrem Gesicht verschwunden und sie wirkte sehr beunruhigt. „Ich habe den Funkverkehr aufgezeichnet.“

        Joans Herz schlug ihr bis zum Hals. „Wo? Im Flugschreiber deiner Maschine? Weiß jemand davon?“

        Danica schüttelte den Kopf. „Nein, nicht im Flugschreiber. Der wird nach jedem Einsatz gewechselt und ausgewertet. Ich habe ein privates Gerät, das ich mit dem Simulator verbinde und Flugsituationen nachstelle. Ich hab’s bisher noch niemandem gezeigt.“

        Ein Strahlen wanderte über Joans Gesicht. Wenn die Aufzeichnung brauchbar war, hatten sie endlich etwas in der Hand. „Danny, kann ich eine Kopie dieser Aufzeichnung bekommen? Bitte, es ist wichtig!“

        „‘türlich! Muss ich holen, kann aber ein paar Minuten dauern.“ Danica stieß sich vom Waschbecken ab und wollte gehen. „Ich will damit nichts zu tun haben, Joan! Halt mich und meine Jungs bitte da raus“, raunte sie mit einem auf Joan gerichteten Zeigefinger.

        „Tut mir leid, Danny, das wird nicht möglich sein. Es stecken schon viel zu viele zu tief mit drin. Ich werde euch eventuell noch offiziell als Zeugen befragen müssen“, antwortete Joan tonlos.

        „Ach Scheiße“, fluchte Danica vor sich hin. „Du wolltest wissen, was Rodriguez zu mir gesagt hat?“

        „Ja, unbedingt!“

        „Er hat gedroht, mich umzubringen, wenn ich ihm nicht ab sofort aufs Wort gehorche.“

        „Mehr nicht?“, fragte Joan leicht geschockt.

        Danica kniff die Lippen zusammen und schüttelte wortlos den Kopf. Dann ging sie hinaus.

        Joan blieb noch einen Moment vor den Waschbecken stehen und sah in den Spiegel. Sie bemerkte erstmalig in dem grellen Licht, wie angespannt und übermüdet sie wirkte. „Rodriguez“, flüsterte sie, „was bist du nur für ein Monster? Was führst du Teufel wirklich im Schilde?“
        Als Joan zu Peter zurückkam, griff sie als erstes nach ihrem Bierkrug und trank. Sie trank das Glas in einem Zug leer, wischte sich mit den Handrücken den Schaum vom Mund und grinste Peter frech an. „Wo waren wir gerade stehengeblieben?“



        Katherine und Takashi hatten es indes ungleich schwerer. Chief Johansson hatte bis auf einige rassistische Beleidigungen gegen Takashi und sexuelle Bosheiten gegen Katherine im Laufe des Verhörs nichts gesagt. Auch der Vorwurf des Polizistenmordes schien an ihm abzuprallen. Katherine hatte langsam aber sicher genug. Mit beiden Händen auf die Tischplatte gestützt beugte sie sich zu Johansson herunter. Dieser hatte wiederum nichts Besseres zu tun, als ihr unverhohlen in den Ausschnitt zu starren. Katherine zog den Reißverschluss ihrer Lederjacke zu und zischte ihn unheilvoll an: „Sehen Sie mir in die Augen, wenn ich mit Ihnen rede, Chief. Es ist mir gelinde gesagt scheißegal, wie tief Sie in dieser Verschwörung mit drin hängen. Vielleicht sind Sie auch nur ein kleines, unwichtiges Rädchen in dieser Maschine. Rodriguez wird Sie nicht rausboxen. Er kann wunderbar auf Sie verzichten. Sie sind eine Null, ein armes Würstchen! Sie wandern so oder so ins Gefängnis, allein für den Mord an Sergeant Oobe fahren Sie lebenslänglich ein. Sie können aussagen oder es lassen! Es wird sich für Sie nichts ändern, Chief! Und wenn wir noch ein wenig Ihr Büro auf den Kopf stellen, was meinen Sie, was wir da noch alles finden?“

        Johansson lehnte sich lässig zurück und grinste schamlos. „Einen Dreck werdet Ihr finden. Die ganze Sache ist eine Nummer zu groß für euch Clowns! Sie haben übrigens Recht, Ballard. Ich bin wirklich nur ein kleines Licht, Sie können sich die wahren Ausmaße überhaupt nicht vorstellen! Ich bin unwichtig und meine Arbeit ist getan“, antwortete er mit einem hämischen Lachen. „Von mir werden Sie nichts erfahren. Meinetwegen können Sie mich auch sofort aus der Druckschleuse werfen.“

        Katherine seufzte resigniert. „Das werde ich nicht tun, im Gegensatz zu Ihnen bin ich keine Mörderin.“

        Johansson lacht laut auf. „Sind Sie nicht? Sie haben doch vor zwei Jahren eiskalt einen Kollegen erschossen, oder? Ballard, ich weiß eine ganze Menge über Sie, seitdem Sie hier an Bord sind.“

        Katherine spürte eine ungezähmte Wut in sich aufsteigen. Sie ballte die Faust und holte aus. In dem Moment, wo sie zuschlagen wollte, packte Takashi sie rüde am Handgelenk. „Lass es bleiben, Kat. Er ist es nicht wert, du handelst dir nur Ärger ein!“, versuchte er seine schwarzhaarige Kollegin zu besänftigen.

        „Los, Ballard, schlagen Sie zu!“, rief Johansson lachend und versuchte Katherine zu provozieren. „Lassen Sie Ihren Aggressionen freien Lauf, Sie sind nicht besser als ich, hähähä!“

        Unwirsch schüttelte Katherine Takashis Hand ab. „Ich habe genug von diesem Arschloch, Takashi. Wir verschwenden nur unsere Zeit. Sperren wir ihn in eine Zelle und werfen den Schlüssel über Bord. Los, Johansson, stehen Sie auf!“, herrschte Katherine den Chief an.

        „Leck mich, Schlampe!“, gab Johansson bösartig zurück und bedachte Katherine mit einer vulgären Handbewegung.



        Nachdem Johansson in eine Zelle gesperrt worden war und Takashi bei Colonel Tovin nach dem Rechten gesehen hatte, gingen die beiden Polizisten in den Aufenthaltsraum, sie waren allein, der Rest der Truppe hatte den Polizeitrakt verlassen. Takashi ging an einen Schrank und holte eine Flasche mit einem goldbraunen Inhalt sowie zwei Gläser heraus. „Ich denke mal, das war’s für heute“, sagte er lächelnd und goss ein. „Burmester‘s Kentucky Straight Bourbon, sechzehn Jahre alt.“ Er reichte Katherine ein Glas und stieß mit ihr an. In diesem Moment ging im Aufenthaltsraum der Türsummer für das Hauptschott. Katherine und Takashi sahen sich fragend an.

        „Wer kann denn das sein?“, brummte Katherine, stellte ihr Glas auf den niedrigen Tisch und ging hinaus zum Schott, wo sie die Gegensprechanlage mit einem kleinen Bildschirm einschaltete. Auf dem Monitor war das sommersprossige Gesicht eines jungen Mannes zu sehen. „Ja? Bitte?“, fragte Katherine.

        Der junge Mann räusperte sich und antwortete: „Hallo, ich bin Ensign Fletcher von der Courageous. Ich gehöre zu einem Bergungsteam, das Wrackteile von dem Angriff auf das Shuttle heute Nachmittag eingesammelt hat. Ich habe etwas gefunden, dass einem Lieutenant Landor gehört. Ist das jemand von Ihnen?“

        Katherine war mit einem Schlag von ihrer Müdigkeit befreit. „Kommen Sie rein, Ensign“, antwortete sie und öffnete die Personentür im Schott einen Spalt. Sie ließ Fletcher hinein und warf noch einen Blick nach draußen, außer ihm schien niemand in dem halbrunden Vorraum zu sein. „Ich bin Major Ballard, Lieutenant Landor gehört zu meinen Leuten. Was haben Sie, Ensign?“, fragte Katherine mit freundlichem Lächeln. Der junge Fähnrich war bestenfalls achtzehn oder neunzehn Jahre alt.

        Er öffnete eine Jackentasche und holte ein kleines metallic-blaues Gerät heraus. Es war Joans Kommunikator. Sein Gehäuse war bis auf ein paar Rußflecken äußerlich unversehrt und sogar noch in Betrieb. „Ich habe es im Trümmerfeld gefunden, Ma’am“, sagte Fletcher und legte es vorsichtig in Katherines Hand.

        „Müssten Sie so etwas nicht Ihrem Vorgesetzten melden, Ensign? Und woher wissen Sie, dass es Lieutenant Landor gehört?“

        „Ich habe mir den Inhalt und die Benutzerdaten angesehen, Ma’am.“ Fletcher errötete leicht, als Katherine ihn scharf ansah. Ihm war die Situation unangenehm. „Ma‘am, was ich gesehen habe, hat mich erschreckt, vor allem, weil mein Kommandant auch mit drinhängt. Ich wollte nicht, dass er es zu Gesicht bekommt. Daher habe ich das Gerät für mich behalten und den Fund nicht gemeldet.“

        Katherine entspannte sich etwas. Tabra hatte also die Wahrheit gesagt und belastendes Material auf Joans Gerät kopiert. „Danke, Ensign. Das haben Sie sehr gut gemacht. Reden Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit mit niemandem darüber! Hören Sie? Mit absolut niemandem!“ Sie legte Fletcher fast mütterlich eine Hand auf die Schulter. Der Junge war ein großes Risiko eingegangen, diesen Fund zu unterschlagen, aber er hatte genau das Richtige getan.

        Fletcher nickte. „Sicher Ma’am. Aber wir müssen sie doch irgendwie aufhalten. Rodriguez kann doch nicht einfach den ganzen Flottenverband den Rebellen übergeben!“, rief er mit zitternder Stimme.

        Katherine wusste zwar in diesem Moment noch nicht, welche Dokumente sich auf dem Kommunikator befanden, aber mit dem, was Ensign Fletcher gerade gesagt hatte, bestätigten sich ihre schlimmsten Befürchtungen. „Lassen Sie das mal unsere Sorge sein, Ensign. Machen Sie Ihren Dienst wie gewohnt, reden Sie mit niemandem über das, was Sie wissen. Und wenn Sie etwas erfahren, was noch von Interesse sein könnte, dürfen Sie jederzeit zu mir kommen. Noch einmal vielen Dank. Sie sind sehr mutig gewesen. Aber Sie sollten jetzt zusehen, dass Sie wieder auf Ihr Schiff kommen.“

        Fletcher salutierte. „Jawohl, Ma’am!“ Katherine öffnete das schwere Schott und ließ den jungen Mann hinaus. Nachdem sie es gewissenhaft wieder verschlossen hatte, stürmte sie mit Joans Komm in den Aufenthaltsraum, griff nach ihrem Glas und schüttete es in einem Zug hinunter.

        Takashi sah sie leicht verwirrt an. „Kat? Was ist los?“

        Katherine reckte den Kommunikator in die Höhe und führte einen Freudentanz auf. „Wir haben ihn, Takashi! Wir haben Rodriguez und seine Verräter am Arsch! Yeeeeehaw!“, jubelte sie. Dann warf sie einen Blick auf das Display. Es zeigte: „Zwölf Anrufe in Abwesenheit.“ Alle zwölf Anrufe waren von Curtis.
        Katherine blickte Takashi verstohlen an. Joan war immer noch mit Peter aus. „Ups!“, machte sie nur und grinste.
        Für mich ist Gleichberechtigung dann erreicht, wenn es genauso viele weibliche wie männliche Idioten gibt.

        Mission accomplished.

        Kommentar


          #49
          12 Anrufe? Besser wie so viel
          Unendliche Mannigfaltigkeit in unendlicher Kombination
          Ein Holodeck ist klasse! Man kann überall hin, obwohl man gar nicht weg muss :)
          Außerirdische Technologie + menschliche Dummheit = unschlagbare Ergebnisse :)

          Kommentar


            #50
            Zitat von Twister-Sister Beitrag anzeigen
            12 Anrufe? Besser wie so viel
            Den hab ich jetzt nicht so ganz verstanden...

            So, Joan reitet sich ins Verderben.

            Kapitel 7


            Curtis ging in seinem Salon auf und ab. Die Erde leuchtete wie eine große, blaue Murmel auf schwarzem Samt gebettet durch das große Panoramafenster. Curtis liebte diesen Anblick. Ein gutes Dutzend mal hatte er bereits versucht, Joan auf ihrem Kommunikator zu erreichen. Nicht, dass er sich Sorgen gemacht hätte; wenn Joan im Einsatz war, kam es öfter vor, dass sie ihr Komm ausschaltete oder eingehende Anrufe schlichtweg ignorierte. Er wollte lediglich ihre Stimme hören und sich über Neuigkeiten aus dem Samedi-System informieren. Er versuchte es erneut, sein letzter Anruf war vor etwa drei Stunden.

            „Hey Curt!“, schallte es aus dem Lautsprecher. Es war jedoch nicht Joans glockenheller Sopran, sondern Katherine, die ein deutlich dunkleres Timbre besaß.

            „Kat? Habe ich mich so verwählt?“, fragte Curtis humorig. „Ist ja schön, dich dran zu haben, aber eigentlich wollte ich mit Joan reden.“

            „Joan ist auf dem Schiff unterwegs und befragt Leute, Curt. Sie ermittelt unter den Piloten“, antwortete Katherine und versuchte, so nahe wie möglich an der Wahrheit zu bleiben. „Allerdings ist es schon nach elf Uhr abends hier, ich erwarte sie eigentlich jeden Moment zurück.“

            „Was gibt es neues bei euch? Wisst ihr schon, warum Tovin Amok gelaufen ist?“, wollte Curtis wissen. „Du kannst ruhig antworten, die Verbindung ist hoch verschlüsselt.“

            „Ja, Curt, hier läuft eine Riesenverschwörung, Tovin war nur ein Werkzeug, man hat ihn unter Drogen gesetzt. Er ist nach neuesten Erkenntnissen unschuldig. Wir wollen ihn gleich freilassen. Ich will dich nicht beunruhigen, Curtis, nur so viel: die Schiffsführung, beziehungsweise einige hohe Offiziere der Schiffsführung sind an der Revolte auf Sameda II beteiligt. Es ist davon auszugehen, dass man die Schiffe den Rebellen übergeben will. Wann das passieren soll, wissen wir nicht. Garnie ist informiert und er behält sich vor, die Admiralität erst einzuschalten, wenn wir von Bord gegangen sind. Übermorgen kommt ein Polizeischiff und holt uns hier raus. Unsere Arbeit ist dann getan. Bis dahin müssen Joan und ich noch die lieben, unwissenden Mädchen spielen und möglichst wenig auffallen.“ Sie verschwieg, dass es mittlerweile Tote gegeben hatte.
            „Mir gefällt das nicht, Kat. Ich habe ein ungutes Gefühl. Soll ich nicht mit der Comet kommen und euch rausholen?“

            „Curt, ich weiß ja nicht, wo du gerade steckst, aber wenn du im Sonnensystem sein solltest, brauchst du mit der Comet auch fast drei Tage. Bis dahin sind wir längst auf dem Heimweg.“

            „Ja, du hast Recht, Kat. Bitte gebt auf euch Acht!“, antwortete Curtis seufzend.

            „Curt, ich muss hier noch ein paar Dinge erledigen. Ich richte Joan aus, dass du angerufen hast und sie sich bei dir melden soll, ok? Ich schicke sie aber gleich ins Bett, wenn sie wiederkommt. Warte bis morgen.“

            „In Ordnung, Kat. Dann warte ich mal auf Joans Anruf. Mach‘s gut!“ Curtis beendete die Verbindung. Irgendetwas an Katherine stimmte nicht. Sicherlich, sie klang gestresst, was in Anbetracht der Lage auch nachvollziehbar war, aber Curtis konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie ihm etwas verschwieg. Nicht etwas, das mit polizeilichen Ermittlungen zu tun hatte, sondern etwas, das Joan betraf. Die Art und Weise, wie Katherine ihn soeben abgewürgt hatte, war nicht üblich für sie.
            Curtis gefiel das überhaupt nicht. Am liebsten hätte er Grag und Otho befohlen, die Comet tatsächlich startklar zu machen, aber sein Schiff brauchte eine große Wartung, die er ohnehin schon dreimal hatte aufschieben müssen. Es waren in letzter Zeit mehrere Fehler und Ausfälle im Flugbetrieb aufgetreten und eine Behebung dieser Störungen war aus Sicherheitsgründen unumgänglich. Die Comet war für wenigstens 36 Stunden nicht einsatzbereit. Otho hatte mit Grag eine Liste von Verbesserungen und Optimierungen ausgearbeitet, die sie im Verlauf der Inspektion der Comet angedeihen lassen wollten, darunter einen erhöhten Phasenausstoß der Protonenkanonen zur Verbesserung der Durchschlagskraft, eine massive Leistungssteigerung der Manövriertriebwerke, was die Comet im Raum beweglicher machen sollte und ein paar raffinierte technische Gimmicks, die Professor Simon ausgearbeitet hatte. Besonders stolz war Simon, das lebende Gehirn, auf einen endlich funktionsfähigen Schiff-zu-Schiff-DNA-Scanner, mit dessen Hilfe man aus sicherer Entfernung Personen auf einem Raumschiff orten konnte, vorausgesetzt man hatte die DNA der gesuchten Person. Frühere Versionen dieses Geräts fanden schon Einsatz bei den Polizeibehörden, scheiterten jedoch meist an der Unzuverlässigkeit unvollständiger DNA-Proben, der Reichweite oder der Unzulänglichkeit des Bedieners. Simons Weiterentwicklung benötigte für einen erfolgreichen DNA-Abgleich lediglich den Bruchteil eines Fingerabdrucks – zumindest unter Laborbedingungen. In der Comet sollte sich Simons Prototyp bewähren.
            Curtis hatte Otho und Grag die 36 Stunden zugestanden, die sie zur Überholung der Comet bei ihrem Chef erbeten hatten. In dieser Zeit machte sich Curtis an ein paar noch nicht untersuchte Artefakte früherer Reisen heran und führte ein Gespräch mit seinem väterlichen Freund, Marshall Garnie. Dieser setzte ihn über die Vorgänge im Samedi-System in Kenntnis, detaillierter als es Katherine überhaupt möglich war, denn Garnie, beziehungsweise die terranische Regierung, hatte Undercoveragenten auf Sameda II im Einsatz. Sie waren über den Umsturz gut informiert, was jedoch innerhalb der Flottille passierte, davon hatten selbst die Agenten keine Ahnung.
            „Mir ist ziemlich unwohl bei der ganzen Geschichte, Ezella. Ich ärgere mich nur, dass ausgerechnet jetzt die Comet eine große Wartung haben muss. Eigentlich müsste ich sofort zum Samedi-System aufbrechen. Ich glaube, Joan ist in großer Gefahr“, sagte Curtis über die Videoverbindung zu Garnie.

            „Du würdest alleine nichts ausrichten können, Curtis. Und die Föderation wird einen Teufel tun, sich in die innerpolitischen Angelegenheiten eines unabhängigen Sonnensystems einzumischen. Ich müsste dir die Reise dorthin ohnehin untersagen. Ich habe von Katherine vorhin eine Nachricht erhalten, dass Colonel Tovin entlastet worden ist, damit ist der Auftrag erledigt. In fünf Tagen sind alle wieder zu Hause“, antwortete Garnie mit ruhiger Stimme. Curtis konnte jedoch an seiner Miene sehen, dass den alten Marshall etwas sichtlich bedrückte.

            „Was ist mit dem Flottenverband? Die Meuterei? Katherine vermutet, dass einige Offiziere die Macht an sich reißen wollen und die Schiffe den Aufständischen zur Verfügung stellen wollen!“

            „Ich weiß, Curtis. Aber solange sich Joan und die anderen auf der Tennessee befinden, will ich kein Risiko eingehen. Ich kann die Admiralität nicht bitten, einen Kampfverband dort hin zu entsenden, um alles kurz und klein zu schießen. Ich kann und will das Leben meiner Leute nicht aufs Spiel setzen.“

            Curtis wusste nur zu gut, dass Garnie im Zweifelsfall keine andere Wahl hatte. Der Verlust eines solch wertvollen und kampfstarken Verbandes an ein fremdes System hätte eine gewaltige Verschiebung der Machtverhältnisse zur Folge, ganz zu schweigen von dem unglaublichen Technologie- und Knowhow-Transfer. Sicherzustellen, dass diese Kriegsschiffe und ihre Technik nicht in die falschen Hände gerieten, war von weitaus höherem Interesse als das Leben einer Handvoll Polizisten. Garnie spielte deswegen einfach nur auf Zeit. Sollte der Kontakt zur Tennessee jedoch innerhalb der nächsten sechsunddreißig Stunden abbrechen, würden definitiv Schlachtschiffe, Kreuzer, Fregatten, Träger und andere Großkampfschiffe zum Samedi-System aufbrechen und die Tennessee mit den Verrätern jagen und notfalls in münzgroße Stücke schießen und dabei keine Rücksicht auf Unbeteiligte nehmen – Garnie würde nichts dagegen unternehmen können.
            „Ich möchte irgendetwas tun, Ezella. Ich kann hier nicht rumsitzen und warten“, rief Curtis aufgebracht und schlug mit der Faust auf die Konsole. „Joan sitzt da irgendwo fest und ich soll hier Däumchen drehen?“

            „Reiß dich zusammen, Curt!“, antwortete Garnie grantig. „Es ist nicht nur Joan in Gefahr! Hier sitzt ein Captain Milner auf heißen Kohlen, der seine Katherine lebend wiedersehen will. Nanami Yokomuri ist schwanger und erwartet von mir, dass ihr Mann bei der Geburt seines zweiten Kindes anwesend sein wird, Layla Mbeme möchte ihren Verlobten Amir Oobe beerdigen und und und! Soll ich noch mehr Namen nennen? Glaubst du, mir sind die Familien meiner Leute und deren Schicksale egal? Du bist nicht alleine mit deiner Sorge, Curtis!“ Garnie machte eine Pause und atmete tief durch. Etwas ruhiger fuhr er dann fort: „Curtis, ich verstehe deine Sorgen um Joan voll und ganz, bitte glaube mir, ich tue alles, damit die Sache einigermaßen glimpflich für uns ausgeht. Das letzte, was ich will, ist meine Leute mehr in Gefahr zu bringen, als sie es jetzt schon sind. Die Admiralität hat immer noch vollen Kontakt zum Verband. Momentan läuft alles völlig nach Standardprozedur. Selbst wenn in diesen Stunden eine Meuterei ausbricht, können wir nichts tun. Bis die Admiralität eine Flotte zusammengestellt hat und diese im Samedi-System eintrifft, vergehen vielleicht weitere ein bis zwei Tage! Denk überhaupt nicht daran, Curt, auf eigene Faust dorthin zu fliegen. Bevor du auch nur einen einzigen Schuss abgeben kannst, ach was sage ich, bevor du überhaupt in Feuerreichweite kommst, hat man dich und dein Schiff bereits atomisiert. Du bist nicht allmächtig, Curt! Lass dir eines gesagt sein, wer solch einen Schlachtkreuzer hat, der kontrolliert ein Sonnensystem! Und wir reden hier nicht nur von einem verdammten Schlachtkreuzer, sondern von einem ganzen Kampfverband, Herrgott nochmal!“ Jetzt schlug Garnie mit der Faust auf den Tisch.



            Aus diskreter Entfernung beobachtete Danica Vukovic, wie sich Peter und Joan innig küssten. Es war keine Eifersucht, die sie empfand, aber es war schon eine Form von Neid. Auch wenn sich ihre Beziehung zu Peter auf rein dienstlich-freundschaftlicher Ebene bewegte, spürte sie in diesem Moment, was sie vermisste. Er war es gewesen, der die intime Beziehung zu Danica beendet hatte. Nicht dass sie nachtragend gewesen wäre, aber seine Zärtlichkeiten fehlten Danica. Ungeduldig klopfte sie mit vor Nervosität feuchten Händen auf den Bartresen. In einer Tasche ihrer Lederhose steckte ein kleiner Datenchip mit dem aufgezeichneten Funkverkehr. Sie hatte Joan diese Aufzeichnung versprochen und Versprechen hielt Danica in der Regel ein. Als Peter endlich von Joan abließ, um kurz zu den Waschräumen zu gehen, stieß sie sich von der Bar ab und ging schnellen Schrittes zum Tisch der beiden. Danica griff mit zwei Fingern in ihre Hosentasche und zog den schwarzen Chip heraus. „Hier Joan“, zischte sie so leise wie möglich, als sie sich über den Tisch beugte. „Lass ihn verschwinden und erzähle niemandem davon, auch Peter nicht!“ Danica sah kurz auf die Tischplatte und dann Joan mit einem flehenden Blick an. „Und bitte spiele nicht mit ihm! Er verdient eine Frau, die es ernst mit ihm meint!“ Dann richtete sie sich zur vollen Größe auf und ging ohne auf Joans Antwort zu warten zu dem Tisch mit den Kameraden, an dem sie vorher gesessen hatte.

            Joan griff nach dem Chip und verstaute ihn sicher in einer Jackentasche. In diesem Moment kam ein sichtlich glücklicher Peter zurück. Noch bevor Peter sich wieder setzen konnte, schlang Joan ihre Arme um seinen Hals und flüsterte ihm ins Ohr: „Brückendeck, Kabine 75, in einer halben Stunde!“ Dann fuhr sie zärtlich mit ihren Fingernägeln seine Wange hinab und gab Peter noch einen heißen Kuss auf den Mund.



            Joan fand Katherine, Takashi – und zu ihrer Überraschung – Colonel Tovin gut gelaunt im Aufenthaltsraum. Auf dem Tisch standen eine halbvolle Flasche Whiskey und drei gefüllte Gläser. Über dem Tisch schwebte eine detaillierte Holographie eines Decksplans. Katherine hatte anscheinend die Pläne erhalten. Immer wieder kräuselten sich Tovins Zigarren- und Takashis Zigarettenrauch in dem Hologramm. Katherine bemerkte Joan als erste und sah erstaunt auf ihre Uhr. Kurz vor Mitternacht. „Huch?“, machte Katherine gespielt erschrocken. „So früh zurück? Ist was schief gelaufen?“

            „Ganz im Gegenteil, liebste Kat!“, gluckste Joan mit dem breitesten Grinsen, das Katherine jemals an ihrer Freundin gesehen hatte, „wir sehen uns gleich wieder. Es läuft super! Peters Wingcommander hat mir das hier gegeben.“ Joan warf elegant den Chip durch das Hologramm auf den Tisch.

            Takashi griff nach dem Chip und fragte: „Was ist das, Joan?“

            „Der aufgezeichnete Funkverkehr zwischen der Rampage und der Brücke der Tennessee, während Colonel Tovins Festnahme“, antwortete Joan und freute sich diebisch über den erfolgreichen Coup. „Ihr könnt es auswerten. Ich muss wieder los.“ Sie wandte sich ab um zu gehen.

            „Einen Moment Joan“, rief Katherine, „was beweist denn, dass die Aufzeichnungen authentisch sind?“

            „Wenn die Gespräche echt sind, werde ich es bestätigen können“, warf Tovin ein. „Ich kann vorab ein Gedächtnisprotokoll abgeben, wenn Sie wünschen. Ich erinnere mich mittlerweile wieder ziemlich genau an den Funkverkehr, es wurde viel geflucht und geschrien, vor allem von Commander Rodriguez.“

            Katherine straffte sich in ihrem Sessel. „Also gut, gehen wir es an. Ist ja noch früh.“

            „Ich gehe dann mal in meine Kabine“, sagte Joan und biss sich wegen des Versprechers auf die Zunge. Sie hoffte, dass niemand diesen Fauxpas mitbekommen hatte.

            „In Ordnung Joan“, sagte Katherine und hielt dann einen Moment inne. Joan war schon in der Tür. „Hey warte mal!“, rief sie ihr nach. „Wie war das? Du gehst in deine Kabine? Wolltest du nicht zu deinem Date zurück?“ Doch Joan gab schon keine Antwort mehr, sie war verschwunden. Mit einer bösen Vorahnung zog Katherine eine Augenbraue in die Höhe.



            Auf dem Gang, vor Joans Kabine, ging Peter leicht nervös auf und ab. Immer wieder kamen Flottenoffiziere vorbei, die Peter argwöhnisch betrachteten. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte er das Klacken von Damenabsätzen auf dem Stahldeck. Da war sie, leicht zerzaust und doch strahlend schön. Sie lächelte, als sie den Code in die Tastatur des Türöffners eingab. Als die Tür zur Seite glitt, packte Joan Peter am Revers seiner Fliegerjacke und zog ihn mit sanfter Gewalt hinein. „Komm schon …“, hauchte sie und schlug mit der Faust innen auf die Verriegelung. Mit einem leisen Zischen schloss sich die Tür.
            „Lass das Licht aus“, flüsterte Joan, als Peter nach dem Schalter langte. Langsam streifte sie ihm die schwere Fliegerjacke ab, die daraufhin mit einem satten Geräusch zu Boden fiel. Sie zupfte ihm das T-Shirt aus dem Hosenbund und ließ ihre Hände darunter gleiten. Seine Brust fühlte sich hart und durchtrainiert an. Ebenso sein Bauch, Joan konnte mit ihren Daumen ein ausgeprägtes Waschbrett ertasten. Die körperlichen Anforderungen an Kampfpiloten waren außerordentlich hoch und regelmäßiges Training Pflichtprogramm, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Das Resultat hatte Joan in diesem Augenblick in den Händen. Und sie musste innerlich zugeben, dass ihr gefiel, was sie ertastete. Sanft schob sie Peter in Richtung ihrer Koje, dann schubste sie ihn auf das Bett und setzte sich rittlings auf ihn. Seine kräftigen Hände glitten unter ihre Lederjacke und unter ihr T-Shirt. Als er ihre Brust berührte, kribbelte es in ihrem Körper. Sie ließ es geschehen. Rasch entledigte sich Joan ihrer Oberbekleidung und beugte sich über ihn. Ihr Gesicht war umrahmt von ihren blonden Locken. Im fahlen Licht der blauen Nachtbeleuchtung sah Peter, wie Joan lächelte – lüstern, willig und fordernd. „Jetzt machen wir beide einen Flug, den du nicht vergessen wirst, Pilot!“, flüsterte sie.
            Für mich ist Gleichberechtigung dann erreicht, wenn es genauso viele weibliche wie männliche Idioten gibt.

            Mission accomplished.

            Kommentar


              #51
              Auf dem Kommunikator? Nicht auf dem Taschentelevisor?
              Die Sternenflotte bescheinigt hiermit, dass zur Erzeugung dieses Textes kein Rothemd gemeuchelt, gephasert, erstochen, erschlagen, gesteinigt, transporterverunfallt noch in irgendeiner anderen Weise grob ausgebeutet, misshandelt oder an körperlicher oder geistiger Unversehrtheit geschädigt wurde.

              Kommentar


                #52
                Das Wort Televisor ist mir ein wenig zu unhandlich. Unter einem "Kommunikator" verstehe ich eine Art "Über-Smartphone" für Bild-, Daten- und Sprachübertragung und das systemübergreifend. Tolle Dinger sind das, und nicht größer als ein Iphone oder Samsung Galaxy...
                Für mich ist Gleichberechtigung dann erreicht, wenn es genauso viele weibliche wie männliche Idioten gibt.

                Mission accomplished.

                Kommentar


                  #53
                  Ach so, ein Cleverphone meinst du. Sag das doch gleich.
                  Die Sternenflotte bescheinigt hiermit, dass zur Erzeugung dieses Textes kein Rothemd gemeuchelt, gephasert, erstochen, erschlagen, gesteinigt, transporterverunfallt noch in irgendeiner anderen Weise grob ausgebeutet, misshandelt oder an körperlicher oder geistiger Unversehrtheit geschädigt wurde.

                  Kommentar


                    #54
                    Zitat von Nurara McCabe Beitrag anzeigen
                    Den hab ich jetzt nicht so ganz verstanden...
                    Das ist hier so eine Redewendung, die natürlich genau das Gegenteil bestätigt
                    Also wenn einer 12x anruft, IST das natürlich viel (je nachdem in welchem Zeitraum).

                    Hm. Ich finde CF bräuchte noch ein zweites Schiff, falls eines mal bei der Inspektion ist. So geht das ja schließlich nicht
                    Zuletzt geändert von Twister-Sister; 13.06.2014, 18:08.
                    Unendliche Mannigfaltigkeit in unendlicher Kombination
                    Ein Holodeck ist klasse! Man kann überall hin, obwohl man gar nicht weg muss :)
                    Außerirdische Technologie + menschliche Dummheit = unschlagbare Ergebnisse :)

                    Kommentar


                      #55
                      Das zweite hat Joan doch Ul Quorn zur besonderen Verwendung überlassen.
                      Die Sternenflotte bescheinigt hiermit, dass zur Erzeugung dieses Textes kein Rothemd gemeuchelt, gephasert, erstochen, erschlagen, gesteinigt, transporterverunfallt noch in irgendeiner anderen Weise grob ausgebeutet, misshandelt oder an körperlicher oder geistiger Unversehrtheit geschädigt wurde.

                      Kommentar


                        #56
                        Eine meiner Lieblingsszenen... viel Spaß!


                        Katherines Nacht war kurz. Sie hatte mit Takashi bis morgens um drei die Funkaufzeichnungen ausgewertet und mit Colonel Tovins vorheriger Aussage verglichen. Bis auf wenige unwichtige Details hatten sie eine hundertprozentige Deckung. Commander Rodriguez hatte Captain Simmons mehrfach aufgefordert, Colonel Tovins Raumjäger abzuschießen, was Simmons stets mit Verweis auf Flottenvorschriften verweigerte. Wutentbrannt hatte Rodriguez Simmons gedroht, sie vor ein Kriegsgericht stellen zu lassen, weil sie nach seiner Ansicht ihr Schiff durch den anfliegenden Jäger in Gefahr brachte. Erst als Simmons drohte, bei Commodore Becker Meldung zu machen, dass Rodriguez sie dazu nötigte, unverhältnismäßige Waffengewalt einzusetzen und damit einen Mord zu begehen, hatte Rodriguez klein bei gegeben. Er hatte daraufhin den Befehl gegeben, Tovin mit einem Traktorstrahl zu stoppen und sein Schiff aufzubringen. Als Takashi und Joan noch am Tage Jenny Simmons auf der Rampage befragt hatten, kam ihnen nicht in den Sinn, den ersten Offizier nach den Vorgängen rund um Tovins Festnahme zu befragen. Zwar kein schwerer Kapitalfehler im Rahmen der Ermittlungen, im Nachhinein aber lästig, da sie noch einmal zur Rampage übersetzen mussten, um dies nachzuholen, alternativ konnten sie Simmons auch her zitieren.

                        Katherine hatte vier Stunden in einer freien Zelle genächtigt und wurde von Stimmengewirr und Klappergeräuschen geweckt. Die Truppe hatte allem Anschein nach den freien Abend genossen, da stellenweise lautes Gelächter über den Flur schallte. Trotz der lediglich vier Stunden Nachtruhe fühlte sich Katherine ausgeschlafen und erholt. Sie hatte nur das Bedürfnis, zu duschen und frische Kleidung anzuziehen, denn sie steckte mittlerweile fast vierundzwanzig Stunden in denselben Sachen. Katherine sprang von der Pritsche auf und verließ die Zelle. Takashi war nirgendwo zu sehen, daher meldete sie sich bei Lieutenant Baxter ab. „Baxter, ich gehe kurz in meine Kabine, mich frisch machen und frühstücken. Ich bin in einer Stunde wieder hier“, rief sie ihm im Vorbeigehen zu.

                        Der junge Lieutenant winkte lächelnd. „In Ordnung Major, Captain Yokomuri wird ebenfalls gegen acht Uhr wieder hier sein“, antwortete er. Katherine mochte Baxter, ein wendiger, intelligenter und gewissenhafter Texaner, der bald zur Beförderung zum Captain anstand. Ihrer Ansicht nach hatte Baxter die Beförderung unbedingt verdient.

                        An einer Kreuzung kurz vor ihrer Kabine stieß Katherine mit einem Mann zusammen, der rückwärts lief und jemandem zuwinkte. Er war groß, breitschultrig, hatte braunes, kurzgeschnittenes Haar und trug eine pilotentypische Fliegerjacke aus braunem Leder. „Oh, ich bitte vielmals um Verzeihung, Miss, ich habe nicht aufgepasst“, sagte er, während er sich umdrehte und Katherine in die Augen sah. Katherine schaute dem Mann ebenfalls in die Augen, dann auf das Namensschild auf seiner Jacke, auf dem „Maj. P. Becker“ zu lesen war. Dann blickte Katherine in die Richtung, aus der Becker kam. Joan stand noch auf dem Korridor und schlug sich die Hände vor die Stirn, denn sie wusste, dass ihre Freundin sie in diesem Moment in flagranti ertappt hatte. Katherine sah noch einmal zu Becker, dann wieder zu Joan und wieder zu Becker. Sekunden lang starrten sich die beiden an, bis Katherine einfach nur wortlos eine perfekt gezupfte Augenbraue missbilligend in die Höhe zog.

                        Becker war ein ganzes Stück größer als Katherine und Joan, die in etwa gleich groß waren. Umso erstaunter war Becker, wie die attraktive schwarzhaarige Frau ihn mit ihren stahlgrauen Augen kühl von unten ansah und dabei eine starke Autorität ausstrahlte. Er überlegte kurz, was er sagen konnte, denn er glaubte, die Frau schon einmal gesehen zu haben. „Ich … äh … ich kenne Sie, Sie waren gestern im Hangar, richtig?“

                        Katherine antwortete nicht, dafür wanderte ihre Augenbraue ein Stück höher.

                        „Sie sind Joans Kollegin, stimmt’s?“ Becker versuchte ein verlegenes Lächeln, denn er fühlte sich ertappt. Katherines Antwort beschränkte sich darauf, die Augenbraue noch weiter nach oben zu ziehen. Sie stand da, die Fäuste in die Hüften gestemmt und starrte Becker einfach nur an. Becker versuchte einen Frontalangriff. „Major Peter Becker, fünftes Jagdbombergeschwader. Freut mich Sie kennenzulernen, Miss …?“ Er streckte Katherine die Hand hin.

                        Katherine zog jetzt die Augenbrauen zu einem bösen Blick zusammen und sagte unheilvoll: „Miss IchsolltebesseraufmeineFreundinaufpassen.“ Dann schüttelte sie langsam den Kopf und drückte sich an Becker vorbei. „Piloten“, flüsterte sie für Becker hörbar, „und ich hatte sie gewarnt. Ich hatte sie gewarnt!“

                        Becker winkte Joan zu. „Heute Abend um acht?“, rief er über Katherine hinweg. „Ich hole dich ab!“

                        Katherine drehte sich noch einmal zu Becker um und drohte ihm mit dem Zeigefinger. Die Situation entbehrte nicht einer gewissen Komik. Becker machte mit einem Lausbubengrinsen eine entschuldigende Geste zu Katherine, als wollte er sagen: „Ich kann nichts dafür, dass die Frauen auf mich fliegen“, warf Joan eine Kusshand zu und ging mit federnden Schritten davon.

                        Auf der Höhe von Joans Kabinentür baute sich Katherine vor ihrer Freundin auf und verschränkte erwartungsvoll die Arme vor der Brust. „Was habe ich dir gesagt, Joan? Ich höre!“

                        „Kat, es ist nicht so, wie du denkst“, versuchte Joan eine hilflose Entschuldigung.

                        „Es ist so, wie ich denke“, antwortete Katherine bissig. „Du hast dich also doch von dem Kerl abschleppen lassen?“

                        „Nein!“, antwortete Joan hitzig. „Ich …“ Joan senkte demütig den Kopf. „Ich habe IHN abgeschleppt.“

                        Katherine fiel aus allen Wolken und warf die Hände in die Höhe. „Sag, dass das nicht wahr ist!“, rief sie entgeistert. „Bist du übergeschnappt?“

                        „Kat, bitte. Fang bitte nicht an, mir ein schlechtes Gewissen einzureden! Ich habe es schon, aber ich kann nichts dagegen tun. Peter ist … er ist so anders als Curt. Er ist offen, einfühlsam, er hat mich Dinge gefragt, die Curt nicht einmal ansatzweise interessieren. Peter weiß nach einer Nacht mehr von mir, als Curt nach all den Jahren von mir erfahren hat. Er hat ehrliches Interesse an mir, Kat!“

                        Katherine atmete tief durch. „Joan. Du bist erwachsen. Du musst wissen, was du tust. Aus psychologischer Sicht kann ich durchaus nachvollziehen, was gerade in dir vorgeht. Nein, ich spiele jetzt auch nicht den Moralapostel. Aber, verrate mir bitte, wie ich in Zukunft Curtis gegenübertreten soll. Wenn du mir versprichst, dass das eine einmalige Sache war, habe ich nichts mitbekommen. Ich kann aber nicht mit dem Wissen leben, dass du Curtis betrügst.“

                        „Ich überlege schon seit längerem, Schluss zu machen, Kat. Und seit heute Nacht steht mein Entschluss fest. Ganz egal, wie und ob es mit Peter weitergeht.“ Joan schob trotzig das Kinn vor. „Ich habe schon lange das Gefühl, in einem goldenen Käfig eingesperrt zu sein. Und darauf habe ich einfach keine Lust mehr.“

                        Katherine nahm ihre Freundin in den Arm und drückte sie fest an sich. „Was auch immer deine Entscheidung ist, Baby …“
                        „Kat?“

                        „Ja?“

                        „Du muffelst. Geh duschen!“ Joan grinste ihre Freundin dankbar an.

                        „Hatte ich vor. Frühstück in einer halben Stunde?“ Katherine lächelte ebenfalls wieder.





                        Unter ihr war das Meer. Dunkelblau, übersäht mit kleinen weißen Schaumkronen. Sie sah sich um, der Horizont war leer, kein Land und kein Schiff waren zu sehen. Ein scharfer Wind blies ihr ins Gesicht, aber es war nicht kalt. Die Sonne wärmte ihr den Rücken. Ein paar vorwitzige Möwen flogen neben ihr her und schrien sie an. Nurara musste lächeln, als sie über das Meer flog. Sie saß nicht in einem Gleiter oder in einem Flugzeug, nein, sie flog selbst, mit ausgebreiteten Armen und frei wie ein Vogel. Die Ärmel ihres weißen Kleides flatterten im Wind und gaben ein knatterndes Geräusch ab. Sie drehte Rollen, stieg auf und ließ sich fallen. Nurara fühlte sich unbeschreiblich gut und frei. In der Ferne entdeckte sie jetzt eine kleine Insel, oval und grün mit einem breiten Streifen weißen Strandes. Sie kannte die Insel von der Form her. Hier war sie schon einmal gewesen. Verwundert sah Nurara sich um, eigentlich musste diese Insel Teil einer ganzen Kette von Inseln sein, die wenige Kilometer vor dem Festland liegen sollten. Aber diese Insel lag ganz allein im tiefen, blauen Meer. Sie entdeckte Häuser, Straßen, Tiere und Menschen dort unten. Nurara entschloss sich, der Insel einen Besuch abzustatten und …
                        … stand mitten auf der belebten Dorfstraße. Langsam drehte sie sich im Kreis und sah in lächelnde Gesichter. Nurara hörte Gespräche und Kinderlachen, Hundebellen und das Getrappel von Pferdehufen auf dem roten Backsteinpflaster. Niemand sprach mit ihr, die Menschen lächelten sie bloß freundlich an, als wollten sie sagen: „Willkommen zu Hause, Nurara!“
                        Ein alter Mann mit Vollbart und Pfeife im Mund hob eine Hand und wies in eine Richtung. Es schien, als wollte er sie auffordern, dorthin zu gehen. Langsam ging Nurara los. Eine Frau mittleren Alters tat es dem Mann nach und zeigte die Straße entlang. Ein kleiner Junge von vier oder fünf Jahren wies ebenfalls in die Richtung. Je weiter Nurara ging, desto mehr Dorfbewohner zeigten in diese eine Richtung. Schließlich erreichte sie das Ende der Straße und stand vor einem niedrigen roten Backsteinhaus mit Reetdach und blauen Fensterläden an den weißen Fenstern. Sie kannte dieses Haus, hier hatte sie schon einmal gewohnt. Die blaue Haustüre stand einladend weit offen. Nurara blickte hinter sich. Alle Dorfbewohner waren ihr gefolgt und nickten ihr jetzt aufmunternd zu. Nurara fasste Mut und ging hinein. Sie brauchte eine Sekunde, bis ihre Augen sich vom hellen Sonnenlicht auf die dunkle Diele umgestellt hatten. Sie hörte Geschirr klappern und eine bekannte Männerstimme ein Lied summen. Sie glaubte auch, Küchendüfte wahrzunehmen. Dazu hörte sie das Lachen eines Mädchens. „Sam? Bist du das? Jelana?“ Langsam ging Nurara auf das Wohnzimmer zu. Allerlei Kinderspielzeug lag herum. Der Esstisch war festlich gedeckt und eine Karaffe mit Rotwein stand darauf. Eine einzelne Kerze brannte. Nurara ging um den Tisch herum in Richtung Küche. Die Türe war nur angelehnt. Vorsichtig stieß Nurara sie auf. Ein großer Mann und ein kleines Mädchen von etwa drei Jahren standen dort, mit dem Rücken zu ihr. Beide hatten tiefschwarzes Haar. Das Mädchen stand auf einem kleinen Hocker und schaute dem Mann beim Kochen zu. Es lachte in einem fort und drehte sich plötzlich um und sah Nurara direkt ins Gesicht. Das Mädchen hatte ein schmales, hübsches Gesicht und wunderschöne grüne Augen. Als es Nurara entdeckte, lächelte es und rief: „Papa! Mama ist da!“
                        Daraufhin drehte sich der Mann um. Auch er hatte die gleichen grünen Augen. Es war Sam. Er schenkte Nurara ein warmes, liebevolles Lächeln und sagte: „Willkommen zu Hause, Nurara!“

                        Zuletzt geändert von Nurara McCabe; 16.06.2014, 11:35.
                        Für mich ist Gleichberechtigung dann erreicht, wenn es genauso viele weibliche wie männliche Idioten gibt.

                        Mission accomplished.

                        Kommentar


                          #57
                          „Willkommen zu Hause, Nurara!“ Diese Worte hallten in Nuraras Kopf nach, als sie erwachte. Mit einem schweren Seufzer setzte sie sich in ihrer Koje auf. Der vorangegangene Traum war anders, als die, die sie sonst hatte. Sie hatte Sam in ihrem Traum gesehen, so nah und so real. Und sie war nicht in Tränen aufgelöst aufgewacht, nein, sie fühlte sich heiter und unbeschwert. In zwei Tagen sollte das kleine Passagierschiff, auf dem sie sich gerade befand, im Haroa-System ankommen. Nurara wollte ihr Schiff holen und sich auf die Suche nach einer Bleibe für ihre Familie machen. Sie brauchte nicht mehr suchen. Sie hatte die Bleibe bereits gefunden.



                          Beim Frühstück in der Offiziersmesse saßen sich Joan und Katherine schweigend gegenüber. Stoisch beobachtete Katherine jede Bewegung ihrer Freundin. Irgendwann wurde es Joan zu bunt und sie ließ ihr Besteck klirrend auf den Teller fallen. „Katherine Ballard, es reicht!“, rief sie. „Warum starrst du mich so an? Ich dachte, du wärst nicht sauer auf mich?“ Aus ihren blauen Augen schossen Blitze.

                          Katherine lehnte sich auf der Bank zurück und nahm ihren Kaffeebecher. „Ich bin nicht sauer auf dich, nur etwas enttäuscht. Und das nicht, weil du Curtis betrogen hast. Das ist dein Problem. Ich bin enttäuscht, weil du nicht auf mich gehört hast. Ich hatte dich vor ihm gewarnt. Und du hast nichts Besseres zu tun, als ihn ins Bett zu zerren. Gleich am ersten Abend. Eigentlich habe ich dich für schlauer gehalten.“ Katherine nahm einen Schluck Kaffee. „Übrigens, Curtis hat gestern Abend auf deinem Komm angerufen. Zwölf mal!“

                          Joans Augen wurden groß. „Und, was wollte er?“, fragte sie.

                          „Mit dir reden. Ich habe ihm gesagt, dass du auf dem Schiff unterwegs bist und ihn heute zurückrufst. Mach das bitte auch und kläre die Situation! Bitte!“ Katherine sah Joan eindringlich an.

                          „Mhhh, ja, mach ich“, brummte Joan missmutig. Sie fühlte sich von Katherine etwas in die Ecke gedrängt. „Hat Curt sonst noch was gesagt? Hat er gesagt, was er von mir wollte?“

                          Katherine schüttelte leicht den Kopf. „Ich habe ihn nur über unsere Situation hier auf den neuesten Stand gebracht. Nach dir hat er sonst nicht weiter gefragt.“

                          Joan schlug mit beiden Fäusten auf den Tisch. „Siehst du jetzt, was ich meine?“, zischte sie aufgebracht. „Er interessiert sich eigentlich gar nicht für mich! Hat er nicht einmal gefragt, wie es mir geht?“

                          Katherine zuckte mit den Schultern. „Nein, hat er leider nicht.“

                          „Verstehst du jetzt, warum ich mich auch mal nach anderen Männern umschaue? Nach Männern, die mich als Frau sehen und nicht nur als hübsches Anhängsel, das die Brücke eines Raumschiffes schmückt? Kat, es reicht mir einfach! Ich will nicht nur Teil einer Crew sein, deren Captain sich die Rettung des Universums und einen persönlichen Rachefeldzug auf die Fahnen geschrieben hat. Okay, mit Peter gleich am ersten Abend zu schlafen war jetzt nicht der Weisheit letzter Schluss, aber ich habe eines daraus gelernt.“

                          „Und was?“, fragte Katherine mit einer skeptisch hochgezogenen Augenbraue. Joan hatte jetzt ihre vollste Aufmerksamkeit.

                          „Dass da draußen Männer rumlaufen, die mir mehr zu bieten haben als ein dickes Bankkonto und ein Einsiedlerleben auf einer einsamen Mondstation. Männer, die mir Aufmerksamkeit schenken und echtes Interesse.“

                          Katherine stellte ihre Kaffeetasse ab und nahm Joans rechte Hand in ihre linke. „Ich habe dir vorhin schon gesagt, dass ich dein Verhalten durchaus verstehe, Joan. Aber ich heiße es nicht gut. Überhaupt nicht. Du weißt, wie Curt ist und warum er so ist, wie er ist. Du hast dich darauf eingelassen und jetzt willst du ihn einfach so vor den Kopf stoßen? Ich finde das sehr unfair Curtis gegenüber. Habt ihr schon mal darüber geredet?“

                          Joan schüttelte ihre blonden Locken. „Ich hab’s ein paarmal versucht. Er weicht immer aus. Ich hatte das Gefühl, es würde ihn überfordern.“ Sie sah auf die Tischplatte und zupfte mit der freien Hand am Tischtuch herum. „Kat, kannst du nicht mal mit ihm reden? Du bist Psychologin, vielleicht hört er ja auf dich.“

                          Katherine ließ Joans Hand los und schmunzelte. „Du meinst so was wie eine Paartherapie? Erst Einzelgespräche und dann die Gruppenkonfrontation?“

                          „Ja, so was in der Art.“

                          Katherine machte lachend eine verneinende Handbewegung. „Erstens nicht mein Fachgebiet und zweitens seid ihr meine Freunde. Ich wäre befangen. Aber ich könnte mit Curt als Freundin mal reden. Aber er durchschaut mich ohnehin, schließlich ist er nicht auf den Kopf gefallen. In erster Linie, Joan, bist du aber gefragt. Liebst du Curt noch?“

                          Joan wog den Kopf hin und her. „Ja, verdammt, natürlich liebe ich ihn noch. Ich hänge auch an ihm …“

                          „Dann rede mit ihm, Herrgott noch mal. Schmeiß doch nicht einfach die Flinte ins Korn! Konfrontiere ihn mit deinen Erwartungen und zeige ihm die Konsequenzen auf. Deinen Fehltritt wird er dir verzeihen, ganz bestimmt“, meinte Katherine mit einem milden Lächeln.

                          Joan sah sinnierend zur Decke. „Peter hat mich gefragt, ob ich mit ihm zum Offiziersball gehe – von sich aus.“

                          „Und deswegen holt er dich heute Abend um acht ab“, stellte Katherine lakonisch fest. „Und du reitest dich immer weiter rein. Eigentlich sollte ich dir den Umgang mit diesem Piloten schon aus dienstlichen Gründen untersagen.“

                          „Tu’s doch!“, ätzte Joan trotzig.

                          „Nein, tue ich nicht“, blaffte Katherine zurück, „wir brauchen ihn. Und das ist der einzige Grund, warum ich dich mit ihm zum Ball gehen lasse. Sollte ich ihn aber noch einmal dabei erwischen, wie er deine Kabine verlässt, muss ich, so leid es mir tut, ein Disziplinarverfahren gegen dich veranlassen.“ Katherine machte eine kurze Pause und raufte sich ihr noch feuchtes, glänzendes Haar. „Oh Gott, wie ich es hasse, dienstlich werden zu müssen!“

                          Joan grinste. „Schon in Ordnung, Kat. Du hast ja vollkommen Recht. Es kommt nicht wieder vor, versprochen.“

                          Katherine sah ihre Freundin prüfend an. „Warum habe ich das Gefühl, dass du schwindelst? Zum Glück sind wir morgen von diesem Scheißdampfer runter!“

                          In diesem Moment trat Commander Rodriguez an ihren Tisch. Er machte eine galante Verbeugung in Joans Richtung und gab Katherine einen Handkuss. „Guten Morgen, meine Damen“, rief er vergnügt. „Miss Ballard, ich wollte mich nur noch einmal vergewissern, ob unsere Verabredung für heute Abend noch Bestand hat.“

                          „Selbstverständlich, Commander“, antwortete Katherine mit einem zuckersüßen Lächeln. „Ich … wir freuen uns schon auf den heutigen Abend, nicht wahr, Joan?“

                          „Unbedingt, Kat!“, gab Joan mit einem wissenden Grinsen zurück.

                          „Wer wird Sie denn begleiten, Miss Landor? Lieutenant Commander Ullman war über Ihren Korb ein wenig betrübt“, scherzte Rodriguez.

                          „Major Becker“, antwortete Joan wie aus der Pistole geschossen, worauf hin Rodriguez anerkennend die Lippen schürzte.

                          „Der Sohn des Commodore. Alle Achtung, Miss Landor, Respekt! Sie haben ein gutes Händchen und einen noch besseren Geschmack. Sie sollten nur auf diese rothaarige serbische Hexe Vukovic aufpassen, die könnte Ihnen die Augen auskratzen oder Ihnen in den Rücken schießen, sie ist ziemlich eifersüchtig und macht keinen Hehl daraus.“

                          „Oh?“, machte Joan. „Den Eindruck hatte ich aber gar nicht, Commander. Lieutenant Commander Vukovic kam mir sehr entspannt und nett vor, als ich sie gestern Abend kennenlernen durfte.

                          „Dann hat sie sich mal von ihrer besseren Seite gezeigt. Vukovic ist disziplinlos, aufsässig und es mangelt ihr an Respekt gegenüber Vorgesetzten. Erst gestern war sie kurz davor, im Einsatz einen Befehl der Schiffsführung nicht auszuführen. Diese Frau ist mir schon lange ein Dorn im Auge. Mir kam zu Ohren, sie soll eine gut gefüllte Disziplinarakte haben.“

                          „Dann ist das ein Problem der direkten Vorgesetzten und der Militäranwaltschaft, nicht das der Weltraumpolizei, Sir“, warf Katherine mit einem charmanten Lächeln ein. „Heute Abend um acht, Commander? Ich schlage vor, wir treffen uns hier.“

                          Rodriguez verbeugte sich wieder. „Ganz wie Sie wünschen, Miss Ballard. Ich werde pünktlich sein.“ Er hatte die unterschwellige Aufforderung, die beiden Frauen allein zu lassen durchaus verstanden, schenkte ihnen noch ein breites Lächeln und entfernte sich.

                          Joan beugte sich über den Tisch zu ihrer Freundin und flüsterte: „Er hasst Vukovic. Sie hat mir gestern erzählt, dass er gedroht hat, sie umzubringen! Sie ist weder eifersüchtig noch hinterhältig, ganz im Gegenteil: auf mich wirkte sie äußerst nett, diszipliniert und umgänglich. Rodriguez hat ein persönliches Problem mit ihr und ich glaube, er erwartet, dass wir es für ihn aus der Welt schaffen.“

                          Katherine nahm einen Schluck Kaffee. „Ich glaube, der Mistkerl hat mehr als ein Problem mit anderen Leuten. Er hat vor allem ein Problem mit sich selbst. Übersteigertes Ego, gepaart mit mangelnder Selbstreflexion. Der gehört in psychologische Behandlung und nicht auf die Brücke eines Kriegsschiffes.“

                          „Ich frage mich, ob sich Rodriguez nicht wundert, dass wir ihn noch nicht verhört haben. Immerhin waren wir bei van den Bosch, Becker, Ullman, Simmons und noch einigen anderen, Johansson haben wir festgenommen“, sinnierte Joan.

                          „Ich denke nicht, dass sich Rodriguez großartig wundert. Er weiß genau, dass wir ihm auf der Fährte sind, aber er ist sich seiner sehr sicher, weil wir immer noch nichts gegen ihn in der Hand haben. Macht aber auch nichts“, sagte Katherine grinsend. „Ist doch auch gar nicht unsere Aufgabe, direkt gegen ihn vorzugehen. Wenn wir morgen von Bord gehen, gibt’s einen verschlüsselten Funkspruch an Garnie, der wiederum wird umgehend die Admiralität in Kenntnis setzen. Was die dann mit Rodriguez und seinen Handlangern anstellt, kann uns relativ egal sein. Wir nehmen Johansson mit und übergeben ihn zu Hause der Staatsanwaltschaft, eine Mordanklage für ihn und ein paar Lorbeeren für uns. Ich habe übrigens vor unserer Abreise gehört, dass du auch zur Beförderung zum Captain anstehst.“ Katherine schmunzelte geheimnisvoll.
                          Für mich ist Gleichberechtigung dann erreicht, wenn es genauso viele weibliche wie männliche Idioten gibt.

                          Mission accomplished.

                          Kommentar


                            #58
                            Paartherapie?

                            Du kommst auf Ideen!

                            Aber ich würde so einiges für ein Foto von Curts Gesicht geben, wenn er das nächste Mal "Captain" Landor gegenübersteht. Kicher.
                            ZUKUNFT -
                            das ist die Zeit, in der du bereust, dass du das, was du heute tun kannst, nicht getan hast.
                            Mein VT: http://www.scifi-forum.de/forum/inte...ndenz-steigend
                            Captain Future Stammtisch: http://www.scifi-forum.de/forum/inte...´s-cf-spelunke

                            Kommentar


                              #59
                              Aber sicher! Wofür unterhält die Victor-Corvo-Stiftung denn das Institut für Prä- und Postnuptiale Rehabilitation? Doch nicht nur, um die Pathologie mit Kundschaft zu versorgen!
                              Die Sternenflotte bescheinigt hiermit, dass zur Erzeugung dieses Textes kein Rothemd gemeuchelt, gephasert, erstochen, erschlagen, gesteinigt, transporterverunfallt noch in irgendeiner anderen Weise grob ausgebeutet, misshandelt oder an körperlicher oder geistiger Unversehrtheit geschädigt wurde.

                              Kommentar


                                #60
                                Boooah, seid ihr zwei fies. Die arme Joan hat echt Beziehungsstress und ihr zwei macht euch lustig über das bemitleidenswerte Mädchen!
                                Für mich ist Gleichberechtigung dann erreicht, wenn es genauso viele weibliche wie männliche Idioten gibt.

                                Mission accomplished.

                                Kommentar

                                Lädt...
                                X