Zitat von Twister-Sister
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Jetzt kommt ein langer Abschnitt, den ich leider nicht trennen kann. Joan geht zu ihrem Daten mit dem Piloten. Oo
Nach einer ausgiebigen Dusche stand Joan etwas ratlos vor dem kleinen Spiegel, der in der Innentür des Spindes angebracht war. Das blaue Cocktailkleid, das sie für solche Zwecke wie den morgigen Offiziersball eingepackt hatte, erschien ihr ein wenig zu dick aufgetragen für ein Date mit einem Piloten in dessen Messe. Sie wusste, dass es in der fliegenden Zunft etwas rustikaler zuging und so entschied Joan sich für eine figurbetonte Blue-Jeans, kniehohe schwarze Stiefel, ein neutrales weißes T-Shirt und eine leichte schwarze Lederjacke. In diesem Aufzug wirkte sie immer noch sexy ohne zu übertreiben. Das edle Cocktailkleid musste noch bis morgen warten.
Joan ließ sich viel Zeit, sich die Haare zu machen und sich zu schminken. Als sie ihre Utensilien wegräumte, sah sie auf die Uhr. Kurz vor halb acht. Es war Zeit, sich auf den Weg zu machen. Joan hatte sich dafür entschieden, zu Fuß zur Pilot’s Lounge zu gehen und nicht die Transportbänder zu benutzen, die die Abteilungen des anderthalb Kilometer langen Schlachtkreuzers verbanden. Die Pilot’s Lounge lag im Achterschiff der Tennessee, tief unten im Schiffsbauch, zwischen den Pilotenunterkünften, dem Hangar und dem riesigen Maschinenraum. Hier unten war es noch um einiges lauter, als hoch oben in den Unterkünften der Flottenoffiziere oder dem Polizeitrakt. Je näher Joan der Offiziersmesse kam, desto mehr gutgelaunte Piloten kamen ihr entgegen und sie vernahm den Klang von altmodischer, mit verzerrten E-Gitarren gespielter Rockmusik. Als sie um die Ecke des Korridors bog, stand Joan bereits vor dem Eingang der Pilot’s Lounge, über deren doppelflügeliger Tür ein blau-gelber Leuchtstoffschriftzug von ihrem Namen kündete. Vor dem Eingang stand eine Gruppe junger, allesamt gut aussehender Männer und Frauen in olivgrünen Cargohosen und braunen Lederjacken, aus der sich ein Mann herauslöste, als er Joan bemerkte. Mit strahlendem Lächeln und offenen Armen ging er auf Joan zu. Sie spürte ein leichtes Herzklopfen, als sie ihn sah.
„Hi Joan“, sagte Peter, „schön, dass Sie gekommen sind. Ich hatte den ganzen Tag die Befürchtung, dass Sie mich doch versetzen. Ich freue mich, Sie zu sehen.“
Joan trat nah an Peter heran, mit den Absätzen ihrer Stiefel war sie fast so groß wie er. Er duftete nach einem edlen Rasierwasser, am liebsten hätte Joan ihm einen Kuss auf die Wange gegeben aber sie sagte nur: „Ich freue mich dich zu sehen, Peter.“
Die Pilot’s Lounge war wie ein Westernsaloon eingerichtet, mit gemütlichen Sitzecken, Billardtischen, Darts und einem langen Tresen. Dieser Ort war einer der wenigen auf dem Schlachtkreuzer, an dem offiziell geraucht werden durfte, die Flotte gestand den Jägerpiloten aufgrund ihrer gefährlichen und aufreibenden Arbeit mehr Privilegien zu als dem Rest der Besatzung, denn Raumjäger zu fliegen war in der Tat noch gefährlicher und gesundheitsschädlicher als Rauchen und Alkohol. Als Joan und Peter die Lounge betraten, wurden sie von dichten Rauchschwaden und lauter Musik empfangen. Er führte sie zu einer kleinen Sitzecke mit Blick auf Bar und Eingang, welche dennoch relativ geschützt vor neugierigen Blicken war. Diese aber – und neidisch-respektvolle Blicke – erhielt Peter, als er mit Joan den Raum durchschritt. Ein neues Gesicht, das hier noch keiner gesehen hatte und dann auch noch so hübsch, das war ein gefundenes Fressen für Peters Kameraden, die ihm neckisch zuzwinkerten und zustimmend den Daumen hoben. „Joan, ich muss mich als erstes bei dir entschuldigen“, sagte er, als sie sich gesetzt hatten.
Joan sah Peter fragend an. „Warum denn?“
Peter sah sich um und machte eine ausladende Handbewegung. „Für eine erste Verabredung halte ich eigentlich die Pilot’s Lounge und die ganzen durchgeknallten Flieger hier nicht unbedingt für die beste Adresse. Ich hätte dich gerne auf die Cherish eingeladen, aber da vor ein paar Wochen ein paar Jungs der 3. dort randaliert haben, gilt für uns Piloten noch ein paar Tage Zutrittsverbot“, antwortete er mit einem entschuldigenden Lächeln. „Ansonsten sind die Freizeitmöglichkeiten in diesem Verband eher beschränkt.“
Joan nahm Peters Hand in ihre eigenen. Sie war groß und kräftig und seine Haut fühlte sich dennoch weich und zart an. „So ein Quatsch, ich finde es hier sehr gemütlich und ich danke dir für die Einladung. Die Leute hier sehen alle so gut gelaunt und entspannt aus. Nein, ich glaube, ich fühle mich sehr wohl, es tut gut hier zu sein, gerade nachdem, was heute passiert ist. Es war ein furchtbarer Tag.“
In diesem Moment kam eine entzückende, zierliche Kellnerin – eine Zivilistin – um die Bestellung aufzunehmen. „Hey, ihr Schnuckis“, sagte sie grinsend, „was kann ich euch zwei Süßen zu trinken bringen?“
„Was trinkst du?“, fragte Peter Joan.
„Das, was du nimmst“, antwortete Joan lächelnd und lehnte sich behaglich in die Lederpolster zurück.
„Zwei große Bier, Rachel!“, sagte Peter lächelnd und erhielt von der süßen Kellnerin ein Zwinkern.
„Kommt sofort!“, rief Rachel gut gelaunt und entschwand in Richtung Bar.
Peter beugte sich vor und fragte vorsichtig: „Was war denn an diesem Tag so furchtbar, Joan?“
Erstaunlich schnell brachte Rachel die bestellten Getränke. Die beiden jungen Leute stießen an und Peter nahm einen großen Schluck, während Joan den Halbliterkrug in einem Zug bis zur Hälfte leer trank. Dann begann sie, den ganzen Tag zu rekapitulieren. Dabei war sie natürlich darauf bedacht, keine ermittlungsrelevanten Details zu verraten. Sie schloss mit dem Bericht über das abgeschossene Shuttle vor ein paar Stunden. Peter blickte etwas betrübt drein und nickte wissentlich. „Ja, das Shuttle. Wir hätten es schützen können, wenn Rodriguez uns nicht befohlen hätte, umzukehren. Ich habe es explodieren sehen.“
Joan sah Peter entgeistert an und trank die zweite Hälfte ihres Bierkrugs aus. „Was? Du hast es gesehen? Wieso … ich verstehe das jetzt nicht …“
Peter gab Rachel mit zwei Fingern ein Zeichen, Nachschub zu bringen, dann antwortete er: „Mein Wingcommander und ich waren draußen und haben Zielübungen auf große Distanz gemacht. Plötzlich bekamen wir den Befehl, zwei anfliegende Draltekh-Jäger zu verscheuchen, die ein Shuttle verfolgten und abschießen wollten. Danny und ich sind gleich auf Kurs gegangen und kamen ziemlich schnell nah. Als wir in Feuerreichweite unserer Geschütze waren, rief Rodriguez uns lautstark zurück. Danny hat noch versucht, etwas Zeit raus zu schinden, denn die Situation sah wirklich ernst aus. Aber wir mussten wirklich abdrehen, sonst hätten wir massiv Ärger wegen Insubordination bekommen. Rodriguez und Dad verstehen da keinen Spaß. In dem Moment, wo wir abdrehten, gingen die Draltekhs auch auf Gegenkurs. Ich hatte mich schon gefreut, dass das noch mal gut ausgegangen war, dann flogen zwei Raketen aus kurzer Distanz auf das Shuttle zu. Sie waren zu schnell, um sie noch abzuschießen. Ich hatte einen der beiden Jäger schon im Visier und hätte nur abdrücken brauchen. Es tut mir so leid.“
Joan sah verärgert drein. „Rodriguez also. Wieso hat er euch zurückgerufen?“
Peter zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Er hat meinen Wingcommander nach der Landung sofort zu sich zitiert. Danny war ziemlich wütend. Du hättest sehen sollen, in welch hohem Bogen sie ihren Pilotenhelm durch den Hangar gekickt hat.“
„Sie? Dein Wingcommander ist …“ Joan blies vor Erstaunen die Backen auf.
„… eine Frau, ja! Und was für eine“, beendete Peter grinsend den Satz. Wie auf Kommando ging die Tür auf und eine hochgewachsene, gertenschlanke Frau betrat die Pilot’s Lounge. Sie trug eine extrem figurbetonte schwarze Lederhose und nur ein weißes Trägershirt. Sie hatte langes, feuerrotes Haar, das sie zu einem dicken Zopf gebunden hatte, der vor ihrer Brust herab hing. Die Frau hatte ein schmales, ausgesprochen schönes Gesicht mit einer geraden, markanten Nase und saphirgrünen Katzenaugen, die durch ihre hohen Wangenknochen besonders zur Geltung kamen. Am auffälligsten jedoch war ihr rechter Arm, der vom Handgelenk bis zur Schulter mit bunten Tätowierungen übersäht war. Sie war jung, ebenfalls noch keine dreißig, aber in ihrem Gesicht war bereits eine große Lebenserfahrung zu lesen. Ihre schmalen Lippen umspielte ein belustigtes Lächeln, als sie Peter und Joan entdeckte. Sie ging zur Bar, wo sie zwei weitaus kräftigere Lieutenants achtlos beiseiteschob und eine Bestellung aufgab. Die beiden Männer blieben ohne Protest respektvoll auf Distanz. Peter war nicht entgangen, wie Joan Danny Vukovic ansah. „Die hat Ausstrahlung, was?“, fragte er nicht ohne Stolz in der Stimme.
„Allerdings, Peter. Alle Achtung. Ich hätte nicht gedacht, dass man beim Raumjägergeschwader eine solche Femme fatale findet.“
„Fatal wird es bei Danny nur für den, der sich selbstverschuldet vor ihren Geschützen befindet. Sie ist die beste Broadswordpilotin, die ich kenne. Im Simulator kann ich sie nicht schlagen. Und sie ist ein herzensguter Mensch. Seit Jahren spendet sie ihre Weihnachtsgratifikation dem Kinderheim in Serbien, in dem sie aufgewachsen ist, und bei uns sammelt sie noch dazu.“
„Ernsthaft?“ Joan war in diesem Moment echt verblüfft. „Sie strahlt so eine kühle Arroganz aus.“
„Tu ich das?“, fragte eine amüsierte, rauchige Frauenstimme. Danny Vukovic war mit einem Tablett mit drei vollen Bierkrügen und drei schlanken Schnapsgläsern an ihren Tisch getreten und stellte es ab. Noch immer war da dieses leicht spöttische Lächeln um ihren Mund als sie Joan die Hand hinstreckte. „Danica Vukovic. Nenn mich Danny. Ich bin der Boss von diesem Prachtstück von Mann hier.“
„Joan Landor“, antwortete Joan lächelnd und gab Danica die Hand. „Peter hat mir gerade von Ihnen erzählt.“
Ungefragt setzte sich Danica neben Peter und begann den Inhalt des Tabletts zu verteilen. „Doch nur Gutes, oder Pete?“
Scherzhaft drohte Danica ihrem Wingman mit der Faust. „Ich will nicht lange stören, sondern nur schnell meine Spielschulden bei Pete bezahlen. Freut mich, dich kennenzulernen, Joan! Živeli!“ Sie nahm eines der Schnapsgläser und kippte es in einem Zug hinunter.
Joan und Peter taten es ihr nach. Der Schnaps brannte Joan in der Kehle, sodass sie mit Bier nachspülen musste. „Was ist das für ein Höllenzeugs?“, presste sie hervor.
Danica lachte, es war ein fröhliches und ansteckendes Lachen. „Slibowitz, Joan. Da wo ich herkomme, trinkt man sowas zum Frühstück!“ Sie nahm selbst einen großen Schluck Bier und sammelte die Schnapsgläser wieder ein. Dann erhob sie sich wieder und machte Anstalten zu gehen. „Ich wünsche euch zwei noch einen wunderschönen Abend!“, raunte sie augenzwinkernd und schwebte davon.
Joan sah der attraktiven Frau noch einen Moment hinterher. „Tolle Frau, Peter. Muss ich neidlos zugeben. Warum bist du nicht mit ihr …“
Peter hob negierend den Zeigefinger. „Wir hatten mal kurz was miteinander, haben aber festgestellt, dass es nicht so rund läuft. Aber wir kommen so prima miteinander aus und vertrauen uns grenzenlos. Und gerade das ist da draußen immens wichtig, überlebenswichtig.“
Peter sah Joan einen Moment tief in die Augen. Es war ein Blick, der Joan eine Gänsehaut verpasste. Peter wirkte in diesem Augenblick nicht mehr wie der jungenhafte, draufgängerische Flieger. Vor ihr saß ein erwachsener, ernsthafter Mann, dessen Blick sie auf eine magische Art anzog, ja fast erotisierte. So sehr Joan auch wollte, sie konnte sich nicht von Peter abwenden, von seinen tiefgrünen Augen und den Grübchen um die Mundwinkel, seinem schelmischen Grinsen und der winzig kleinen Narbe an seinem Kinn. Es war wieder da, das Herzklopfen. Es war dasselbe Herzklopfen, das Joan schon am Vormittag im Hangar gehabt hatte und vorhin, als sie sich begrüßten. Peter hatte Joan in seinen Bann gezogen, soviel stand fest und Joan hatte nicht die geringste Lust, dem zu widerstehen. „Wir wollen uns doch nicht über meinen Wingcommander unterhalten, oder?“, fragte Peter leise. „Wer ist die schöne Frau, die mir gegenübersitzt?“
„Joan Landor, achtundzwanzig Jahre alt, seit neun Jahren bei der Weltraumpolizei, einen Meter siebzig groß, Gewicht unbekannt, blond, blaue Augen, ich liebe Kochen, kitschige Filme, Sport, Musik und shoppen. Nicht verheiratet, keine Kinder.“ Joan sah nachdenklich an die Decke. „Hab ich was vergessen?“
„Das heißt, es gibt keinen Mister Landor oder jemanden, der es gerne werden möchte?“, fragte Peter zaghaft.
Joan druckste einen Moment herum. „Hm, na ja, es ist nicht so, dass ich ganz allein durchs Leben gehe.“
Peter ließ Joans Hand, die er die ganze Zeit gehalten hatte, vor Schreck los. „Oh“, machte er nur.
„Es ist nur so, dass …“ Joan fand in dieser Situation nicht die richtigen Worte. Sie wollte einerseits Peter nicht nach diesen ersten zehn Minuten vor den Kopf stoßen, andererseits wollte sie Curtis nicht diskreditieren. „Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, Peter. Ja, es gibt jemanden, aber ich …“ Joan rang um Worte. „Ich bin etwas unzufrieden, verstehst du?“
„Nein?!“, gab Peter lächelnd zurück. „Erklär‘s mir.“
„Manchmal habe ich einfach das Gefühl, ich werde als Frau nicht wahrgenommen. Ich bekomme einfach zu wenig Feedback. Er arbeitet viel, ist oft unterwegs. Wenn ich mal mit möchte, heißt es, es wäre zu gefährlich für mich. Ich fühle mich einfach zurückgesetzt“, antwortete Joan betrübt.
„Was ist er denn von Beruf?“, wollte Peter wissen.
„Wissenschaftler … und er arbeitet von Zeit zu Zeit für meinen Chef.“
„Mh mh“, machte Peter. „Wissenschaftler neigen wirklich dazu, manche Dinge einfach zu pragmatisch zu sehen. Nüchtern, sachlich, ja geradezu unromantisch.“
Joan senkte den Kopf und sah Peter von unten an. „Ich habe mal gehört, dass Raumjägerpiloten ganz große Romantiker sein sollen. Ist da was dran?“, fragte sie mit einem schüchternen Lächeln.
Peter lehnte sich zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und sah mit einem schwärmerischen Lächeln nach oben. „Oh ja, Joan, das ist wirklich was dran. Jägerpiloten sind unter den Raumfahrern die schlimmsten Romantiker. Das ist dem Umstand geschuldet, dass jeder Einsatz ihr letzter sein könnte. Daher wollen sie alles mitnehmen, was geht.“ Peter beugte sich nach vorne und sah Joan warnend an. „Joan, hüte dich vor Jägerpiloten. Ihnen geht es nur um Abschusszahlen. Es gibt keinen Jägerpiloten, der nicht versucht, ein hübsches Mädchen gleich am ersten Abend abzuschleppen und ins Verderben zu schicken. Sieh dich vor und mach einen großen Bogen um die Jungs mit den bunten Abzeichen auf ihren Lederjacken!“
Eine Sekunde lang herrschte betretenes Schweigen, denn Peter hatte seine Rolle perfekt gespielt. Joan entsann sich an Katherines Worte zu diesem Thema. Dann begann sie laut und herzhaft zu lachen, worauf Peter sofort einfiel. Peter hatte Joan zum Lachen gebracht, eine Eigenschaft, die ihr an Männern überaus wichtig war und die sie in der Vergangenheit etwas vermisst hatte.
Beim Essen, für das sich Peter ebenfalls entschuldigte, weil die Menükarte in der Pilot’s Lounge außer großen Burgern in diversen Variationen und Fingerfood nicht viel hergab – für Joan unverständlich, denn ihr schmeckte der riesige Burger ausgezeichnet – versuchte Joan sanft, das Thema auf andere Bahnen zu lenken. Trotz aller Sympathie und beginnender Zuneigung für Peter, dem süffigen Bier und der gemütlichen Atmosphäre hatte Joan nicht vergessen, was ihr Auftrag war. Sie versuchte es vorsichtig über Peters Familie, respektive über das Verhältnis zu seinem Vater.
„Sag mal Peter, wie ist das denn so, wenn man der Sohn des Commodore ist und im gleichen Verband dient? Gibt’s da nicht manchmal Schwierigkeiten?“
„Nein, wieso?“, gab Peter unverblümt zur Antwort. „Zwischen meinem Vater und mir stehen ja noch eine ganze Reihe weiterer Vorgesetzter, wie Danny, dann mein Staffelkommandant, der Geschwaderkommandeur, Commander Rodriguez. Dienstlich habe ich mit meinem alten Herrn nicht viel zu tun. Und Privilegien habe ich dadurch auch nicht.“
„Und wie stehst du selbst zu deinem Vater?“, fragte Joan mit echtem Interesse.
Peter lachte verhalten, als er antwortete. „Wir waren und sind nicht immer einer Meinung, aber das ist eben normal zwischen Vater und Sohn. Er wollte nie, dass ich einen Jäger fliege, er meint immer, ich würde mein Talent vergeuden. Lieber hätte er mich auch auf der Brücke eines solchen Dickschiffes gesehen. Ist mir aber zu langweilig. Mittlerweile hat er eingesehen, dass ich einen guten Job hier mache und das gern. Wir kommen gut miteinander klar. Warum fragst du?“
Joan machte ein ernstes Gesicht, jetzt musste sie so langsam zum Angriff übergehen. „Du weißt schon, dass dein Vater mental angeschlagen ist und in diesem Verband so ziemlich auf verlorenem Posten steht?“
Peter nickte ernst. „Ja, Dad hat schon mehrmals mit mir übers Aufhören gesprochen. Seit Rodriguez an Bord gekommen ist, hat sich Dad mehr und mehr die Zügel aus der Hand nehmen lassen. Ich kann Rodriguez nicht leiden. Er ist ein intrigantes, machtgieriges und gewissenloses Arschloch.“
„Ist das nur deine Meinung über ihn oder denkt ihr Flieger alle so?“, fragte Joan und biss genüsslich in ihren Burger.
„Beide Geschwader hier an Bord hassen ihn, inklusive unserer Kommandanten. Das ist kein großes Geheimnis. Wir sind immer froh, wenn Captain van den Bosch auf der Brücke ist, dann fliegen wir draußen erheblich entspannter. Wie es drüben auf der Courageous aussieht, weiß ich nicht.“ Peter trank sein Bier aus und winkte Rachel zu.
Joan schob gesättigt den Teller mit dem Burger und den Beilagen beiseite. „Peter, mal rein hypothetisch, Rodriguez würde versuchen, die Kontrolle über die Tennessee an sich zu reißen, was würdet ihr tun? Stell dir vor, er würde eine Meuterei anzetteln und das Schiff in seine Gewalt bringen. Auf welcher Seite stündet ihr Jagdflieger?“
Peter sah Joan mit großen Augen an. „W-was? I-ich verstehe deine Frage nicht?! Was soll das heißen? Meuterei?“
Joan hielt Peter einen Zeigefinger an die Lippen. „Pssst! Nicht so laut!“ Sie stand auf und ging um den Tisch herum, um sich neben Peter zu setzen. Sie legte einen Arm um ihn und kam mit ihrem Gesicht seinem so nahe wie möglich. Dann flüsterte sie ihm ins Ohr: „Es geht hier etwas vor auf dem Schiff, etwas, das mit dem Aufstand unten auf Sameda II zusammenhängt. Ich erzähle dir das, weil ich dir vertraue und weil ich … weil wir deine Hilfe brauchen. Deine und die deiner Kameraden.“ Wie zufällig berührten ihre Lippen dabei sein Ohrläppchen.
Peter sah Joan in ihre tiefblauen Augen, er beugte seinen Kopf nach vorne, sodass sie sich mit Stirn und Nasenspitze berührten. „Wir stehen garantiert nicht auf der Seite dieser miesen Kröte, darauf kannst du dich verlassen“, sagte er leise, dann küsste er Joan zaghaft auf die Nasenspitze. „Ich bin sicher, dass unsere Kommandanten mehr wissen, als sie uns wissen lassen.“ Wieder trafen sich ihre Blicke und Joan durchfuhr ein elektrisierender Schauer. Sie legte den Kopf leicht auf die Seite und schloss halb die Augen. Es dauerte nur einen Sekundenbruchteil bis sie seine vollen Lippen auf ihren spürte. Hinter ihrem Brustbein spürte sie ein heißkaltes Prickeln, ein Gefühl, dass sich schon lange nicht mehr bei ihr eingestellt hatte, es war das Gefühl des frisch Verliebtseins, des Neuen und Aufregenden. In diesem Moment war Joan nicht mehr bei sich, nicht mehr auf dem Schiff und nicht mehr in diesem Sonnensystem. Sie bekam nicht einmal mit, wie Rachel diskret die neuen Getränke auf den Tisch stellte.
Als Peter sanft seine Hand unter Joans Jacke schob, trat sie jedoch auf die Bremse. „Nicht so eilig, der Herr. Der Abend ist noch jung!“, flüsterte sie mit einem Augenzwinkern und schob seine Hand von ihrer Hüfte herab auf ihr Knie. Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, wie Danica Vukovic ein paar Tische weiter sich grinsend erhob und in Richtung der Toiletten ging. Joan musste hinterher, sie wollte unbedingt mit der gutaussehenden Serbin reden. „Entschuldigst du mich einen Moment, Peter? Ich möchte mich kurz frisch machen!“ Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und schwebte davon. Ihre Knie fühlten sich weich wie Pudding an. Dieser junge deutsche Offizier hatte auf ganzer Länge über sie gesiegt ohne von ihr auch nur die geringste Gegenwehr zu bekommen. Joan wollte sich eigentlich auch überhaupt nicht wehren. Plötzlich meldete sich die Stimme der Vernunft in ihr:
„Joan, was passiert da gerade mit dir? Bist du noch ganz bei Trost? Du rennst seit über drei Jahren Curtis hinterher, du hast ihn erobert und jetzt lässt du dich von so einem Jagdflieger einfach überrumpeln? Denk nach Joan, denk nach! Was tust du da?“
Die Stimme ihrer Vernunft klang nach Katherine. Katherine, die wilde, ungestüme Göre aus den Südstaaten, die noch nie etwas hat anbrennen lassen, die noch jede Party, jeden Whiskey und jeden Typen mitgenommen hat, der ihren Weg kreuzte. Ausgerechnet Katherine sprach Joan ins Gewissen? Das konnte nicht sein. Gut, seit Katherine mit John zusammen war, war sie auch ruhiger geworden, aber sie hatte sich ihr ganzes Leben bis dahin ausgetobt. Joan hingegen hatte Schule, Polizeischule und Studium hinter sich gebracht, war all die Jahre bestenfalls mit weiblichen Kommilitonen und Kollegen ausgegangen und hatte sich vorrangig auf ihre Ausbildung und ihre Arbeit konzentriert. Als Joan Katherine an der Polizeischule als ihre Ausbilderin kennenlernte, war sie von dieser toughen Frau mehr als fasziniert. Katherine genoss das Leben in vollen Zügen, traf sich mit den interessantesten Männern, feierte bis in die frühen Morgenstunden und blieb dabei stets auf dem Teppich und sich ihrer Verantwortung bewusst. Das imponierte Joan, die sich trotz ihres guten Aussehens und ihres Intellekts trotzdem immer ein kleines bisschen wie ein Mauerblümchen fühlte. Sie hatte sich nie ausgetobt. Als sie Curtis kennenlernte, dachte sie, es würde etwas anders werden. Schon beim ersten Sehen war sie vernarrt in den großen Mann mit den sanften Augen. Hinter seiner spröden und etwas naiven Schale verbarg sich ein hochintelligenter Feingeist, der auch eine ungeheure körperliche Attraktivität besaß. Joan streckte ihre Fühler nach ihm aus. Zwar wurde sie von Curtis am Anfang nicht zurückgewiesen, aber er tat sich schwer, weibliche Signale, wie sie Joan oder jede andere interessierte Frau aussendete, zu entschlüsseln. Es hatte eine Weile gedauert, bis Joan verstand, woran es lag, nämlich daran, dass Curtis – nachdem er als kleines Kind seine Eltern verloren hatte – nur von künstlichen Lebensformen aufgezogen wurde und er praktisch überhaupt keine Erfahrung mit dem anderen Geschlecht besaß. Er wusste einfach nicht, wie eine Frau tickt. Das hatte Joan Curtis erst mühsam beibringen müssen. Und auch jetzt, wo Curtis definitiv wusste, welche Bedürfnisse eine Frau hatte, tat er sich immer noch reichlich schwer, darauf einzugehen. Er liebte Joan, das beteuerte er immer wieder, aber er war nicht immer in der Lage, es so zu zeigen, wie es sich für einen Mann gehörte. Und das schmerzte Joan bis ins Mark. Sie hatte schon einige Male darüber nachgedacht, sich von Curtis zu trennen, aber sie brachte es nicht übers Herz, ihn mit dieser Entscheidung zu konfrontieren, liebte sie ihn doch noch immer. Und heute tauchte dieser junge deutsche Major auf, gutaussehend, locker, offenherzig, charmant und genauso unbeschwert wie Joans beste Freundin Katherine. Es schien ihr, als säße ihr mit Peter Katherines männliches Pendant gegenüber.
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