Captain Future - Meuterei - SciFi-Forum

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Captain Future - Meuterei

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    Boolen saß mit Lilla und den Menschen um das Lagerfeuer herum und ließ sich von den Neuankömmlingen auf den neuesten Stand bringen. Sie aßen und tranken und die Stimmung war trotz der Verluste, die die Samedaner während der Schießerei erlitten hatten, gut. Auch Danica und Peter wirkten nach ihrer Aussprache etwas gelöster, obwohl man Danica ansehen konnte, dass sie geweint hatte. Curtis hatte eine Nachricht von Grag und Otho bekommen, dass die Comet wieder weitestgehend repariert und auch in der Atmosphäre flugtauglich war. Man hatte sich verabredet, nach Sameda zu fliegen, um Curtis und Joan für den Rückflug zur Flotte einzusammeln. Nurara hatte daraufhin erklärt, ebenfalls abzufliegen, sie hatte Sehnsucht nach ihrer Tochter. Außerdem hatte sie ursprünglich vor, nach einem neuen Heim für sich, ihre Tochter und ihre Mutter zu suchen. Dem wollte sie nun endlich nachgehen. Nurara hasste große Abschiedsszenen. Eine Umarmung hier, ein Händeschütteln da, ein paar freundliche Worte und sie ging schnellen Schrittes zu ihrem Schiff. Plötzlich hörte sie jemanden hinter sich nach ihr rufen. Es war Peter. „Nurara, warte bitte. Einen Moment nur.“

    Lächelnd drehte sich Nurara zu ihm um. „Ja? Was ist denn, Peter?“

    „Nurara, es ist so, du hast doch mitbekommen, dass ich vorhin mit Danica gesprochen habe. Wir sind uns einig.“

    Nurara schmunzelte und steckte die Hände in die Taschen ihrer Lederjacke. „So? Seid ihr das? Und was habe ich damit zu tun?“, fragte sie belustigt.

    „Ich bin mir jetzt über meine Gefühle im Klaren. Danica und ich …“

    „Ja?“ Nurara zog interessiert eine Augenbraue hoch und grinste immer noch.

    „Sie hat mir von eurem Gespräch heute Nachmittag erzählt und dass du ihr gesagt hast, du würdest eine Entscheidung von mir abwarten.“

    „Aha?“

    Peter atmete einmal tief durch. „Hör zu, Nurara. Danica und ich gehen nach dieser Geschichte hier getrennte Wege, ein für alle Mal … und ich habe mich gefragt, ob wir beide …“

    „Ja, Peter?“ Nuraras Grinsen wurde immer breiter.

    „Ob wir uns wiedersehen werden. Ich würde dich sehr gerne wiedersehen.“

    Mit einem Male wurde Nuraras Miene ernst, was bei Peter für eine Sekunde erschrecken ließ, doch ganz unvermittelt lächelte Nurara wieder. Sie trat an ihn heran, zog ihn zu sich und gab ihm einen langen, innigen Kuss. „Ich würde dich am liebsten hier und jetzt in mein Schiff packen und mitnehmen, aber du wirst hier noch gebraucht“, flüsterte sie und griff in ihre Hosentasche. „Hier, Peter. Damit kannst du mich erreichen, jederzeit. Und denk an mich! Viel Glück!“ Sie küsste ihn noch einmal und fuhr sanft mit ihren Fingernägeln über seine Bartstoppeln. „Fünfzehn Meter Sicherheitsabstand vom Schiff, Major!“, raunte sie und stieß ihn sanft von sich. Nurara stieg die Rampe hoch und verschloss die Luke, während Peter sich rückwärtsgehend aus dem Gefahrenbereich der Devil entfernte. Er schaute in seine Hand und fand ein kleines Medaillon zum Aufklappen. Er öffnete es und entdeckte darin ein Hologramm von Nurara und einem kleinen, schwarzhaarigen Mädchen von etwa sechs Monaten. Auf der anderen Seite war ein kleiner Datenchip eingehängt.
    Die Triebwerke der Up jumped the Devil fuhren mit einem hellen Sirren hoch, welches sich sofort in ein lautes Fauchen verwandelte. Sanft erhob sich die sechzig Meter lange, dunkelgraue Yacht in die Höhe, wendete und flog mit wackelnden Tragflächen zum Gruß in den schwarzen Nachthimmel. Peter sah den leuchtenden Triebwerken noch lange nach, bis ihr Licht in der Dunkelheit verblasste.




    Die letzte Erschütterung deckte Marijke mit weiteren Trümmern zu. Es war unmöglich, die Frau zu befreien. „Jetzt nimm es endlich, Kat. Verschwinde und gib es Joan! Bitte!“ Die Flammenwand war nur noch drei Meter entfernt, die Hitze wurde unerträglich. Mit zitternden Händen nahm Katherine das Mäppchen entgegen und steckte es ein. Dann strich sie noch einmal Marijke über den blonden Schopf. Marijke packte Katherines Hand und flüsterte: „Danke, Kat. Danke, dass wir uns kennenlernen durften.“ Sie lächelte.

    Kräftige Hände rissen Katherine auf die Füße. Es war Romanow. „Wir müssen hier weg, Major! Kommen Sie!“, brüllte er gegen den Lärm. Gerade noch rechtzeitig, denn mit der nächsten Erschütterung brach die gesamte Decke über Marijke ein und verschüttete sie vollständig. Die Flammen versengten beinahe die Gesichter der vier Polizisten. „Lauft! Lauft!“, schrie Romanow und zog Katherine brutal hinter sich her, wobei er ihr fast den Arm auskugelte. Sie schafften es mit letzter Kraft, die Bodenluke des Niedergangs zum Hangardeck über sich zu schließen, als die Feuerwalze über sie hinweg rollte.
    Das Tor zum Hangar stand weit offen, der Hangar selbst glich einem Schlachtfeld. Eine abgestellte, defekte Super Sabre war von herabfallenden Trümmerteilen so zerquetscht worden, dass man nur noch an der Bugspitze, die im steilen Winkel in die Höhe zeigte, erkennen konnte, dass dieser Schrottberg einmal ein Raumschiff gewesen war.



    Maggie de Havilland hatte den Teardrop dicht an der Rumpfkante geparkt. Die Triebwerke liefen bereits. Im Laufschritt gingen die Polizisten an Bord, Romanow mit Katherine im Schlepptau, danach John und Baxter als Schlusslicht. Baxter schlug mit der Faust auf den Notknopf der Luke, worauf hin sich sie blitzschnell verschloss. Völlig außer Atem brüllte er Maggie an: „Los, starten Sie! Raus hier, sofort!“ Dann ließ er sich in den Co-Pilotensitz fallen. Die anderen verschwanden in die Passagierkabine. Maggie hob ab, wendete den Teardrop und flog mit Vollgas aus dem Hangar.
    Baxter sah keuchend aus der Sichtkuppel und beobachtete mit Schrecken, wie die Decks der Tennessee in sich zusammenstürzten. „Scheiße, Mann, das war keine Sekunde zu früh“, flüsterte er und sein Blick wanderte in die andere Richtung, hinüber zu einem wunderschönen Gesicht mit großen grünen Augen, ein paar süßen Sommersprossen, umrahmt von goldblonden Locken.

    Maggie grinste Baxter breit an. „Aus welcher Scheißecke von Texas kommst du denn?“, fragte sie nur.

    Baxter sah die bildhübsche Pilotin verstört an. „Häh? Aus Corpus Christi.“

    Maggie kicherte. „Das hört man. Ich bin Maggie. Houston.“

    Ein Lächeln huschte über Baxters schmutziges und verschwitztes Gesicht. „William, Will. Freut mich, Maggie!“

    „Und mich erst, Will!“, antwortete Maggie verschmitzt und betonte Baxters Vornamen während sie Kurs auf die Alabama nahm. Hinter ihnen brachen die Decks der Tennessee mit kleineren Explosionen vollends in sich zusammen. Der gesamte Bereich, der einmal Brücke und Offiziersunterkünfte gewesen war, sackte in den Rumpf. Ein gewaltiger Riss zog sich über die Oberseite des Schlachtkreuzers bis hin zu dem riesigen Triebwerkskomplex, der im selben Moment abbrach, als der Mittelteil von innen heraus nach außen gedrückt wurde. Die Triebwerke drehten sich um einhundertachtzig Grad und krachten mit der Wucht eines überdimensionalen Dampfhammers von unten in den Rumpf, woraufhin sie mit einem grellen Lichtblitz explodierten. Die freigesetzte Energie des Antriebskerns zerriss den Rest des geschundenen Schiffes in einer weiteren, noch heftigeren Explosion. Die Tennessee existierte nicht mehr.




    Commander Dörner kam ohne Meldung in die Tageskabine von Admiral Taggart gestürzt. „Sir“, rief er atemlos. „Gute Nachrichten. Teardrop Zwei ist auf dem Rückweg. Die Polizisten sind in Sicherheit und sie haben Rodriguez!“

    Taggart und Becker sprangen von ihren Sesseln auf. „Das ist ja großartig, Dörner!“ Taggart zog die Augenbrauen zusammen, als er in die bedrückte Miene des Schiffskommandanten blickte. „Aber da ist noch etwas, Dörner?“

    Dörner senkte etwas mutlos den Kopf. „Ja, Sir. Es tut mir Leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass kurz nach dem Start des Teardrops die Tennessee explodiert ist. Wir alle wissen, was Ihnen das Schiff bedeutet hat …“

    Taggart trat auf Dörner zu und legte dem Südafrikaner väterlich eine Hand auf die Schulter. „Ist schon in Ordnung, Dörner. Ja, dieses Schiff war zehn Jahre lang mein zweites zu Hause, aber wichtiger ist im Augenblick, dass es alle lebend verlassen haben, auch Rodriguez.“

    „Sir“, antwortete Dörner betrübt, „in den letzten Sekunden der Evakuierung hat es leider noch ein Todesopfer gegeben. Colonel Marko hat uns gemeldet, dass die legitime Kommandantin, Captain Marijke van den Bosch, leider auf dem Schiff geblieben ist. Sie wurde durch herabfallende Trümmer verschüttet. Man konnte nichts mehr für sie tun.“

    Becker wurde in diesem Moment kreidebleich, sein Whiskeyglas rutschte aus der Hand und fiel klirrend zu Boden. „W-was? M-Marijke ist tot?“, presste er heraus. Tränen stiegen Becker in die Augen. Er musste sich setzen und schlug die Hände vors Gesicht. „Das ist nicht wahr! Sagen Sie, dass das nicht wahr ist! Sie war wie eine Tochter für mich!“

    Commander Dörner salutierte vor dem Admiral und verließ die Kabine. Taggart sah seinen ehemaligen Ersten Offizier mitfühlend an. „Es tut mir so leid, Jo“, flüsterte er.




    Dicke Tränen liefen Katherines Wangen herab. Sie schwieg, sie schluchzte nicht und sie sprach nicht ein Wort. Sie starrte nur mit tränenverhangenem Blick minutenlang vor sich hin. Sie nahm nicht einmal wahr, dass John, der ihr gegenüber saß, versuchte, tröstend auf sie einzureden. Sie hörte ihn einfach nicht. Wie automatisch griff sie in die Tasche und zog heraus, was Marijke ihr in den letzten Sekunden vor ihrem grässlichen Tod gegeben hatte. Das kleine, hellbraune, abgewetzte Ledermäppchen. Katherine klappte es auf und fand zwei alte, abgegriffene Papierfotos darin. Sie zeigten zwei junge, glückliche Mädchen mit langen blonden Haaren, die um die Wette lächelten. Das ältere Mädchen hatte eine frappierende Ähnlichkeit mit ihrer besten Freundin und engsten Vertrauten – Joan. Jetzt verstand Katherine. Sie verstand alles. Einen Moment stutzte Katherine. Unter einem Foto befand sich etwas Erhabenes, etwas Quadratisches. Sie schob einen Finger unter das Foto und zog ein ordentlich gefaltetes Stück Papier heraus. Es war ein Notizzettel mit dem Schiffswappen der SSDF Tennessee BB36 – der offiziellen Bezeichnung des Schlachtkreuzers. Darauf war eine Nachricht, geschrieben in der schönen, geschwungenen Handschrift einer Frau.


    Liebe Joan,
    wenn du diese Nachricht von mir erhalten solltest, werden wir uns wohl nicht mehr wiedersehen. Die Zeit war leider kurz, um dir zu sagen, was ich dir gerne alles gesagt hätte. Ich habe mehr als nur meine Schwester in dir wiedererkannt. Du siehst nicht nur aus wie sie, deine ganze Art, dein Wesen, deine Lebensfreude, all das hat mich immer wieder an sie erinnert. Ich hätte dich so gern als meine Schwester angenommen – aber es sollte wohl nicht sein. Wenn du dies liest, bin ich wieder bei ihr. Joan, ich bin dem Herrn so dankbar, dass ich dich kennenlernen durfte. Bitte behalte mich in deinem Herzen und hab ein gutes Leben, Joan. Richte bitte Katherine aus, dass sie verdammt nochmal auf dich aufpassen soll. Eine bessere Freundin als Kat findest du im ganzen Universum nicht noch einmal.
    Ich liebe dich!
    Rijke

    P.S. Sie hieß Josefine, wir nannten sie immer Fintje



    Tränen tropften auf das Papier und ließen die Tinte verlaufen. Schnell faltete Katherine die Nachricht wieder zusammen und steckte sie ins Mäppchen zurück. John hatte es aufgegeben, Katherine aus ihrer Lethargie herauszuholen. Er starrte nur noch vor sich hin. Katherine bedeutete dem Space Ranger, der neben John saß, die Plätze zu tauschen und so setzte sie sich neben ihn und legte ihren Kopf an seine Schulter. „Schön, dass du da bist, Cowboy“, flüsterte sie, während sie sich an ihn kuschelte und die Augen schloss. Katherine weinte nicht mehr.




    Mich machen diese Zeilen jedes Mal aufs neue traurig, wenn ich sie lese. Sogar meine Frau - die Meuterei regelrecht verschlungen hat - hat an dieser Stelle wirklich und ehrlich geweint.

    Leider muss es so sein. Es tut mir unsagbar Leid. Ich mochte Marijke auch als Charakter sehr, aber ich kann sie nicht alle bis zum Ende mitschleppen. Dafür dürft ihr euch noch etwas mehr über Rodriguez ärgern, der ist Schuld an Marijkes Tod.
    Für mich ist Gleichberechtigung dann erreicht, wenn es genauso viele weibliche wie männliche Idioten gibt.

    Mission accomplished.

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      Ja so geht es mir auch... das ist SO traurig. Ach Mensch...
      Unendliche Mannigfaltigkeit in unendlicher Kombination
      Ein Holodeck ist klasse! Man kann überall hin, obwohl man gar nicht weg muss :)
      Außerirdische Technologie + menschliche Dummheit = unschlagbare Ergebnisse :)

      Kommentar


        Admiral Taggart hatte einen großen Teil des Offizierskorps und der Mannschaft im Hangar antreten lassen, um die Rückkehrer zu begrüßen. Maggie setzte das Teardrop-Shuttle elegant in der Mitte des Hangars auf und fuhr die Triebwerke herunter. Im selben Augenblick öffnete sich auch schon die Luke. Auf einen Wink des Admirals liefen zwei schwer bewaffnete Soldaten sofort zu der kleinen Fähre hin und warteten mit den Gewehren im Anschlag. Als erster erschien der in Handschellen gelegte Rodriguez auf der Bildfläche. Aus den Reihen der angetretenen Besatzungsmitglieder waren laute Buh-Rufe und Pfiffe zu hören. Schnell führten die Soldaten den grimmig dreinschauenden Kolumbianer in Richtung Admiral Taggart. Dieser sah Rodriguez mit Abscheu im Blick an und schüttelte den Kopf. „Rodriguez, ich kann Ihnen nicht sagen, wie enttäuscht ich von Ihnen bin. Für das, was Sie getan haben gibt es weder eine Erklärung noch eine Entschuldigung. Wären wir jetzt im Krieg, hätte ich Sie hier auf der Stelle standrechtlich erschießen lassen, das wissen Sie?“ Rodriguez gab nur ein Grunzen als Antwort von sich. Taggart fuhr fort: „Sie werden nicht einmal mehr ein Spielzeugboot in Ihrer Badewanne kommandieren, dafür sorge ich!“ Taggarts Stimme war ruhig und besonnen, dennoch unheilvoll und respekteinflößend, an den Truppführer gewandt sagte er: „Schaffen Sie ihn weg. Ich will ihn nicht auf dem gleichen Deck stehen sehen, auf dem ich stehe!“ Die beiden Soldaten führten Rodriguez ab. In der Zwischenzeit brandete Applaus und lautes Johlen auf, die gesamte Polizeitruppe hatte das Shuttle verlassen und vor der Rampe Aufstellung bezogen. Markos Leute waren daneben in Linie angetreten.

        Colonel Marko ging erhobenen Hauptes auf den Admiral zu, salutierte und meldete: „Admiral, Mission abgeschlossen, Sir! Keine eigenen Verluste.“

        Taggart nahm den Salut ab und bedankte sich. Dann winkte er Katherine zu sich und gab einem Lieutenant ein kleines Handzeichen. Aus den Lautsprechern im Hangar ertönte eine uralte Rock-Nummer aus den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Katherine erkannte die Melodie sofort, vor Rührung stiegen ihr wieder Tränen in die Augen. „Katherine“, grollte Taggart und grinste über beide Ohren. „Herzlich Willkommen auf der Alabama!“

        „Sweet Home Alabama“, seufzte sie und fiel dem Admiral um den Hals.

        Im Hintergrund hörte John ein leises Gespräch zwischen Elena Marko und Abe Tovin mit. „Danke fürs Abholen, Elena“, sagte Tovin.

        „Keine Ursache, Abe. Ich hätt‘s nicht gemacht, wenn du nicht an Bord gewesen wärst.“

        „Wie geht’s Oliver?“

        „Gut soweit, Abe. Du könntest dich aber in Zukunft öfter mal blicken lassen. Er ist siebzehn. Ein Junge in dem Alter braucht auch seinen Vater.“

        „Ich gelobe Besserung, Elena. Ich werde ihn ab sofort regelmäßig besuchen, versprochen.“

        Marko bleckte bösartig die Zähne. „Ich nehme dich beim Wort, Abe. Du weißt, dass ich dir sonst die Kehle durchbeiße.“

        John starrte schmunzelnd nach vorne. Neben sich bemerkte er einen ebenso breit grinsenden Will Baxter. Baxter hatte von dem Gespräch nichts mitbekommen, er grinste, weil sein Tag doch noch gut zu Ende gegangen war. Neben dem großen Texaner stand Maggie und lächelte.




        Es war weit nach Mitternacht in Fairhope, Alabama, als der Kommunikator summte. Ted Ballard war sofort hellwach und sprang aus dem Bett. Er nahm das Gespräch an und hörte nur mit offenem Mund zu. Er schluckte und sagte leise: „Danke, Ez. Tausend Dank!“ Mit Tränen der Freude und Erleichterung stieg er wieder zu Eve ins Bett und nahm sie fest in den Arm.

        „Wer war das, Ted?“, murmelte Eve schlaftrunken.

        „Ez“, flüsterte er. „Sie haben Kat. Unsere kleine Fee kommt nach Hause, mein Schatz.“






























        Kapitel 25


        Peter sah immer noch in den nachtschwarzen Himmel, obwohl die Devil schon längst außer Sicht geraten war. Er hielt immer noch das kleine geöffnete Medaillon in der Hand und betrachtete das gestochen scharfe Hologramm von Nurara und ihrer kleinen Tochter. Ein zarter Arm legte sich von der einen Seite um seine Hüfte, ein schwerer Arm von der anderen Seite auf seine Schulter. Es waren Joan und Curtis, die ihn in ihre Mitte genommen hatten. „Sie ist eine bemerkenswerte Frau, nicht wahr?“, fragte Joan leise.

        „Mhm“, machte Peter. „Auf der Straße hätte ich mich wahrscheinlich nie getraut, eine Frau wie sie anzusprechen.“ Curtis‘ Arm lag schwer und bedrohlich auf ihm. Peter sah Curtis an. „Ich verstehe, wenn Sie immer noch sauer auf mich sein sollten, Curtis …“

        Curtis schürzte die Lippen und schüttelte langsam den Kopf. „Wir alle machen Fehler. Wenn wir uns für jeden noch so kleinen Fehler gegenseitig umbringen würden, wäre die Menschheit noch lange vor dem Dreißigjährigen Krieg ausgestorben. Es ist in Ordnung, Peter. Joan und ich haben jetzt Gesprächsbedarf und ich gestehe Ihnen etwas, Major: ich bin Ihnen sogar in gewisser Weise dankbar. Sie haben mir im Nachhinein die Augen geöffnet. Nein, ich bin nicht mehr sauer auf Sie.“ Curtis verzog säuerlich das Gesicht und bedachte Joan mit einem strafenden Blick. „Momentan mehr auf jemand, den wir beide kennen und schätzen.“

        Peter sah wieder auf das Hologramm. „Sie hat mir gar nicht den Namen ihrer Tochter gesagt“, murmelte er traurig.

        „Die Kleine heißt Jelana“, gab Joan leise als Antwort.

        Über ihnen schoss eine Sternschnuppe am Himmel vorbei, die einen langen Lichtschweif hinter sich herzog. Die Sternschnuppe verblasste jedoch nicht, sondern wurde kleiner und wendete in ein paar hundert Kilometer Entfernung und kam schnell wieder näher. Die Comet kam wie verabredet und landete nur fünf Minuten später lautstark auf dem riesigen Felsplateau.

        Taggart hatte den Oberbefehl über die Kampfgruppe dem Kommandanten des Schlachtschiffes Republic übertragen, mit der Order, die Meuterer auf dem Flottenträger Courageous zum Aufgeben zu zwingen und Widerstand gegen die Rebellenflotte zu leisten, bis Verstärkung eintraf – sofern die samedanische Rebellenflotte aggressiv gegen den Verband vorgehen sollte, was bis jetzt noch nicht der Fall gewesen war. Die samedanische Flotte hielt sich in unmittelbarer Nähe der Courageous auf und blieb auf Position. Versuchte Kontaktaufnahmen des terranischen Verbandes blieben bislang unbeantwortet.

        „Dörner“, rief Taggart. „Wir machen Feierabend! Kurs auf das Sonnensystem. Volle Kraft voraus, und machen Sie Dampf auf! Ich erwarte Sie nach Wachwechsel im Offizierscasino! Die Rechnung geht heute auf mich.“
        Dörner salutierte grinsend. „Aye, Aye, Admiral!“



        Teenbaum saß gefesselt und mit Klebeband geknebelt auf einem unbequemen Metallstuhl. Er blutete aus einer Platzwunde an der Schläfe und das Atmen fiel ihm unter irrsinnigen Schmerzen schwer. Er hatte mindestens zwei Rippen gebrochen und das Bauchfell angerissen. Teenbaum hatte versucht, aus der Stadt zu fliehen, wurde aber nach wenigen Kilometern von einer Rebellenstreife aufgegriffen, zu Kuolun zurück gebracht, von dessen Schergen aufs Übelste verprügelt und misshandelt. Er saß in einem abgedunkelten Raum und wartete. Teenbaum wusste nicht einmal, worauf er wartete, im schlimmsten Fall jedoch auf sein eigenes Ende. Er hatte keine Ahnung, dass Rodriguez verhaftet, Ballard befreit und die Tennessee explodiert war. Er wusste nicht, welche Tageszeit es war und wann er das letzte Mal etwas gegessen oder getrunken hatte. Er musste einige Zeit bewusstlos gewesen sein. Eine hydraulische Doppeltür öffnete sich und in einem fahlen Lichtschein trat eine große, hagere Gestalt ein. Teenbaum war sich sicher, dass es sich um Kuolun handelte. Die Tür schloss sich wieder und die Gestalt verschwand in der Dunkelheit. „Niemand verrät mich, Teenbaum“, kam die drohende Stimme aus dem Dunkeln. Es war tatsächlich Kuolun. „Ein Verrat an mir endet mit dem Tod. Das hatte ich Ihnen am Beginn unserer Zusammenarbeit eindeutig erklärt.“ Absätze von Stiefeln klackten auf dem Metallboden, als Kuolun näherkam. Leicht nahm Teenbaum den Duft von Tabak, Rasierwasser und Leder wahr. Kuolun musste jetzt genau neben ihm stehen. Plötzlich ging das Deckenlicht an, grellweiß und schmerzhaft. Kuolun stand tatsächlich neben ihm. Er war frisch rasiert, ohne Vollbart und trug einen bodenlangen Mantel aus schwerem grauem Leder. Er wirkte ohne den Vollbart noch bösartiger und verschlagener als vorher. Seine kalten, hellblauen Augen durchbohrten Teenbaum förmlich. Er trug Handschuhe passend zu seinem Mantel und auf dem Boden stand das kleine Aluminiumköfferchen, das Teenbaum schon vorher gesehen hatte. Kuolun nahm das Köfferchen auf und legte es auf einen Tisch hinter Teenbaum. Dann zog er seine Handschuhe aus und riss mit roher Gewalt Teenbaum den Klebestreifen vom Gesicht. Teenbaum schrie auf vor Schmerz. Kuolun stellte sich vor Teenbaum. „Was hatten Sie vor, Doktor?“, fragte er den Arzt.

        Teenbaum schwieg, worauf Kuolun ihm brutal die Handschuhe durchs Gesicht zog, was bei Teenbaum einen Schmerz wie ein Peitschenschlag verursachte. „Ich frage Sie noch einmal, Doktor Teenbaum. Was hatten Sie vor? Den Planeten zu verlassen? Zurück zur Tennessee zu fliegen? Sich zu verstecken? Sie können sich vor mir nicht verstecken.“ Wieder sagte der Schiffsarzt nichts. Kuolun schlug erneut zu, noch härter und noch schmerzhafter.
        Teenbaum ertrug die Schmerzen mit stoischer Ruhe. Seufzend wandte sich Kuolun ab und legte die Handschuhe auf den Tisch. Teenbaum hörte, wie die Verschlüsse des Koffers hinter ihm aufschnappten. Innerlich spannte er sich an. „Ich erinnere mich, Teenbaum“, zischte Kuolun, „wie Sie heute Nachmittag so überaus energisch auf Tierversuche gepocht haben. Sie haben doch das Ergebnis gesehen. Das Mittel funktioniert, der Patient zeigt mittlerweile auch eine positive Ansprache auf Landors Genprobe. Übrigens wird Miss Landor bald wieder hier sein. Meine Leute haben sie in den Bergen ausfindig gemacht. Sie, mein Lieber, werden lediglich jetzt auf die Wirkung des Zusatzmittels getestet. Wer braucht schon Tierversuche, wenn man ausreichend mehr oder weniger freiwillige Testpersonen zur Verfügung hat?“ Teenbaum hörte Kuolun boshaft lachen, dann spürte er einen schmerzhaften Stich im Nacken und ein heißes Prickeln, das ihm in den Kopf hinauf stieg. Sein Blick verschwamm für einen Moment, dann wurde er wieder klar. Seine Muskeln waren bis zum Reißen angespannt und er hörte Kuoluns Stimme nun direkt in seinem Kopf.
        „Sie werden jetzt genau das tun, was ich Ihnen sage …“
        Zuletzt geändert von Nurara McCabe; 10.10.2014, 12:19.
        Für mich ist Gleichberechtigung dann erreicht, wenn es genauso viele weibliche wie männliche Idioten gibt.

        Mission accomplished.

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          Sehr schön beschrieben. Vor allem die grausame Art des Doktor Kuoluns.

          Immer dran denken: Vom Tier zum Menschen ist es nur ein sehr kleiner Schritt! Wer bereit ist, sogenannte niedere Kreaturen zu quälen, wird auch die eigene Spezies nicht wirklich mit Würde oder Respekt behandeln. Er wir IMMER bewerten. Kuolun wandelt auf Pfaden auf denen er... wie die Menschheitsgeschichte nur zu oft lehrte... nicht allein ist. Und sie sind... erschreckend.
          Unendliche Mannigfaltigkeit in unendlicher Kombination
          Ein Holodeck ist klasse! Man kann überall hin, obwohl man gar nicht weg muss :)
          Außerirdische Technologie + menschliche Dummheit = unschlagbare Ergebnisse :)

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            Es kommt noch dicker!


            Die Comet flog mit den beiden Broadswords in Richtung Samad, der Hauptstadt von Sameda II. Joan hatte von Kuoluns Misshandlung an ihr berichtet, woraufhin Curtis wutentbrannt in die Comet gestürmt war und das Triebwerk hochgefahren hatte. Auf dem Weg nach Samad hatte Simon den DNA-Scanner wieder in der Comet installiert. Sie flogen von Norden her nach Samad ein, hier waren Industrie und gewerbetreibende Unternehmen angesiedelt, unter anderem auch die Reebah Real Estate Enterprises, Javeed Reebahs Immobilienunternehmen. Es lag an der äußersten Nordostspitze der Stadt, freistehend auf einem weitläufigen Grundstück auf einer riesigen, von Bäumen gesäumten Wiese. Die drei Raumschiffe flogen in einem weiten Bogen über das Gelände in etwa tausend Metern Höhe. „Hier ist nichts, Joan. Rein gar nichts“, brummte Curtis, als sie bereits die fünfte Runde über das große Glasgebäude flogen. Otho, ruf Danica und Peter. Wir brechen ab und fliegen zur Alabama zurück.“

            Otho wollte die Broadswords anfunken, als sich Danica ihrerseits über Funk meldete. „Curtis, da ist etwas.“ Danica und Peter flogen dreihundert Meter unterhalb der Comet. „Da laufen Leute rum und verpacken Kisten in einen Lastwagen. Sie haben uns bemerkt.“ Danica machte eine kurze Pause, dann tauchte in den Displays der drei Raumschiffe ein ganz schwaches rosa Signal auf. „Ich hab hier was.“

            „Bestätigt“, antwortete Otho.

            „Das ist Kuolun, ganz eindeutig“, schepperte Simon von seiner Konsole. „Das Signal ist sehr schwach, es kommt aus dem Gebäude und muss tief unter der Erde liegen.“

            „Dann sehen wir es uns mal an“, brummte Curtis. „Könnt ihr uns den Weg frei räumen?“

            „Klar“, rief Peter und drückte die Nase seiner Broadsword nach unten. Er feuerte eine Salve in die Menge und traf den Lastwagen, der mit einem lauten Knall zwanzig Meter senkrecht in die Luft flog und brennend wieder zu Boden fiel. Die umstehenden Samedaner suchten ihr Heil in der Flucht. In diesem Moment stürmten bewaffnete Rebellensoldaten aus dem Gebäude, installierten eine schwere Protonenkanone auf einer mobilen Lafette und eröffneten das Feuer auf Peters Maschine.

            „Das werdet ihr schön bleiben lassen“, zischte Danica, zog ihre Broadsword herum und nahm ihrerseits die Soldaten unter Feuer. Die Protonenkanone explodierte mit einer gelben Stichflamme. Der Druck der Detonation tötete die Geschützmannschaft und warf die anderen Soldaten auf die Erde. Weitere Soldaten kamen heraus und feuerten mit ihren Gewehren auf die beiden Raumjäger, die Energiegeschosse prallten jedoch wirkungslos an den starken Schilden ab.
            „Wir sollten mal anklopfen und um Einlass bitten, was meinst du, Danny?“, fragte Peter verschlagen. Er zog seine Broadsword herum und schwebte jetzt auf gleicher Höhe neben ihr. Unterdessen flog die Comet mittlerweile auf gleicher Höhe hinter ihnen.

            „Klopf-klopf“, rief Danica bösartig und drückte den Feuerknopf ihrer Bordwaffen, Peter tat es ihr nach. Gemeinsam zerlegten sie die gesamte Glasfront des achtstöckigen Gebäudes, verwüsteten Büros und die opulente Eingangshalle mit ihren zwölf Protonenkanonen. Nach weniger als einer Minute konsequenten Beschusses war von der gläsernen Fassade nur noch ein schwarz-rauchendes Gerippe übrig. Kleinere Brände loderten in den oberen Etagen. Auf dem Vorplatz des Gebäudes bewegte sich niemand mehr, es kamen auch keine weiteren Rebellen mehr heraus.

            „Wir landen“, sagte Curtis über Funk. „und gehen rein. Ihr zwei bleibt bitte draußen und passt auf, dass keine Verstärkung hier aufkreuzt. Notfalls haltet sie auf.“

            „Verstanden“, bestätigte Peter und zog etwas höher. Mit pfeifenden Triebwerken setzte die Comet auf. Sofort ging die Einstiegsrampe herunter und vier dunkle Gestalten huschten vom Schiff hinüber zu den rauchenden Trümmern des Foyers.



            Fesil kam auf Kuolun zugestürmt. „Doktor! Doktor!“, rief sie völlig außer Atem. Draußen vor dem Gebäude sind Raumschiffe aufgetaucht, terranische Raumschiffe. Sie legen alles in Schutt und Asche! Zwei Jäger und ein größeres Schiff. Es sieht aus wie …“

            Kuolun grinste listig. „Lass mich raten, Fesil. Kugelförmiger Bug, Langgezogen und eine Kugel mit Triebwerk am Heck. Kreuzförmige Kanonenanordnung?“

            Fesil nickte eifrig. „Ja, Sir, woher wissen Sie?“

            Kuolun streichelte Fesil zärtlich über den Hinterkopf. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis er auftaucht, meine Schöne. Lass mein Schiff startklar machen. Wir müssen uns beeilen!“

            Hoffnungsvoll sah die hübsche Samedanerin den hageren Marsianer an. „Wir? Das heißt, ich komme mit?“

            Kuolun lachte laut auf. „Selbstverständlich, Fesil. So ein wunderbares Wesen wie dich lasse ich doch nicht zurück. Es wäre eine Schande! Los, beeil dich! Und bereite Teenbaum vor. Eine kleine Überraschung für Newton.“ Er lachte hämisch keckernd und küsste Fesil zärtlich auf den Mund.





            „Eigentlich ist mir gar nicht nach feiern“, sagte Katherine, als sie unter der Dusche stand. Eine Ordonnanz hatte kurz zuvor John und Katherine in ihrer Kabine aufgesucht und ihnen Bescheid gegeben, dass Admiral Taggart zu einer kleinen Siegesfeier ins Offizierscasino geladen hatte. John kam in das großzügige Badezimmer der geräumigen Kabine, die normalerweise hohen Staats- und Militärgästen vorbehalten war und legte frische Zivilkleidung für Katherine bereit, die er von zu Hause mitgebracht hatte. „Weißt du, John, gute, aufrichtige Menschen wie Marijke müssen sterben und widerliches Unkraut wie Rodriguez lässt sich einfach nicht ausmerzen. Es ist einfach nur erbärmlich.“

            John zog den Vorhang der Dusche einen spaltbreit zur Seite und betrachtete Katherine mit einem anzüglichen Grinsen. Sie war von Kopf bis Fuß eingeseift und hatte ihm den Rücken zugewandt. „Ach Kat, dir muss ich doch nicht sagen, warum wir diesen Beruf gewählt haben. Wir kämpfen gegen Windmühlen“, antwortete John mit ruhiger Stimme und streckte eine Hand nach ihr aus um ihren Rücken zu streicheln. Katherine drehte sich um und sah ihren John traurig an, nur für einen Moment, dann lächelte sie. John trug nur noch die schwarze Uniformhose der Space Ranger und ein enganliegendes, ärmelloses Unterhemd. Sie krallte sich mit einer Hand in Johns Unterhemd und zog ihn zu sich unter die Dusche. Völlig entgeistert sah John Katherine an. „Hey, hey, hey, Kat! Was machst du? Taggart wartet auf uns und …“

            „Schhhhh!“, machte Katherine und legte ihm einen Finger auf die Lippen. Dann schlang sie ihre Arme um John und flüsterte: „Taggart kann auch noch ein Stündchen oder zwei warten, zumindest so lange, bis ich mit dir fertig bin, Cowboy.“ Ein lüsternes Grinsen huschte über ihr Gesicht.



            Mit gezogenen Waffen schlichen Curtis, Joan, Otho und Grag in das Gebäude. Glassplitter knirschten unter ihren Füßen und mit Ausnahme der lauten Triebwerke der beiden Broadswords war kein Geräusch zu vernehmen. Da sie Kuolun im Keller des Bürogebäudes vermuteten, nahmen sie die Treppe, die von Foyer nach unten führte. Joan war noch vor wenigen Tagen mit Katherine hier gewesen und hatte Javeed zu den Vorfällen des Attentats befragt. Bei Tag war es ein lichtdurchflutetes, helles und freundliches Gebäude gewesen, jetzt, in der Nacht und in Trümmern liegend, haftete ihm etwas unheimliches und bedrohliches an, befand Joan, was auch zum großen Teil auch dem Umstand geschuldet war, dass sie Kuolun hier vorfinden könnten.
            Die ersten drei Kellergeschosse waren dunkel und leer, hinter der Tür zum vierten und untersten Kellergeschoss war ein fahler Lichtschein zu sehen, der durch ein kleines, eingelassenes Milchglasfenster ins Treppenhaus schien. „Hier dürften wir richtig sein“, flüsterte Curtis und zog die Türe einen Spalt auf. Der Geruch von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln schlug ihm entgegen.

            Joan nahm diesen Duft ebenfalls sofort wahr und erkannte ihn wieder. „Ich kenne diesen Geruch, Curtis. Hier bin ich gewesen! Hier haben Kuolun und Teenbaum die Punktion an mir vorgenommen!“, zischte sie leise.

            „Weißt du noch, in welchem Raum das war?“, fragte Curtis und lugte vorsichtig in den Gang. Niemand war zu sehen.

            „Nein“, flüsterte Joan. „Ich hatte die ganze Zeit einen undurchsichtigen Stoffsack auf dem Kopf. Sie haben ihn mir erst im Untersuchungszimmer abgenommen.“

            „Gehen wir. Grag, du gehst mit mir voraus, Joan, du bleibst in der Mitte, Otho, du sicherst nach hinten. Los!“ Curtis riss die Tür auf und ging auf den Flur. Er drückte sich sofort auf die linke Seite und ging von Tür zu Tür, um diese zu prüfen. Grag tat dasselbe auf der rechten Seite, während Joan dicht hinter dem großen Roboter blieb. Die ersten Räume waren entweder gänzlich leer oder mit Gerümpel vollgestellt. Grag öffnete eine weitere Tür und sah hinein. Es war ein Warteraum, der dem Geruch nach zu urteilen erst kürzlich mit scharfen Reinigungsmittel gesäubert worden sein musste. Grag trat ein und sah sich genauer um.

            „Captain, Joan, seht euch das an!“, rief er so leise wie möglich. Curtis und Joan kamen hinzu.

            „Was ist denn, Grag?“, wollte Curtis wissen. Grag zeigte unter einen Stuhl. Anscheinend hatte man hier vergessen, sauber zu machen. Es war frisches, teilweise noch flüssiges, ungeronnenes Blut. Es war dunkler als menschliches Blut, fast schwarz, aber eindeutig Blut. An der gegenüberliegenden Wand führte eine weitere Tür in einen Nebenraum. Curtis versuchte sie zu öffnen, aber sie war fest verschlossen. „Grag, würdest du bitte?“, bat Curtis und trat einen Schritt zur Seite.
            Grag holte mit einem Bein aus und trat die Tür mühelos auf. Sofort sprang er mit vorgehaltener Waffe hinein. Dieser Raum lag im Dunkeln. Grag fand den Lichtschalter und schaltete das Licht ein.

            „Das ist der Untersuchungsraum, Curtis!“, keuchte Joan. „Hier war es! Curtis, bitte“, flehte sie mit zitternder Stimme. „Ich möchte hier weg!“

            „Wenn wir Kuolun gefunden haben, Joan. Heute bringe ich ihn um! Grag, die nächste Tür bitte!“, knurrte Curtis und zeigte auf den gegenüberliegenden, ebenfalls verschlossenen Durchgang.

            Wieder trat Grag die Tür ohne Anstrengung auf. Krachend fiel sie zu Boden und gab den Blick auf ein langgezogenes, nur schwach erleuchtetes Labor frei. Niemand war zu sehen, aber aus dem Halbdunkel am anderen Ende des Labors waren Schritte zu hören, die näher kamen. Aus dem Schatten trat eine gebeugte Gestalt hervor, es war ein männlicher Mensch mit wirrem, grauem Haar. Er ging gebeugt, hielt sich mit einer Hand die Rippen und schien starke Schmerzen zu haben. Langsam schlurfte er auf die Gruppe zu, bis er keine drei Meter vor ihnen stehen blieb. Der Mann hob den Kopf und starrte Joan mit leeren, trüben Augen an. „Miss Landor … bitte!“, keuchte er unter starken Schmerzen.

            „Doktor Teenbaum!“, rief Joan völlig überrascht und wollte auf ihn zugehen, doch Curtis hielt sie zurück.

            „Bleib hier Joan, das gefällt mir nicht“, raunte er.

            „Sie hatten Recht, Miss Landor“, flüsterte Teenbaum. „Kuolun hat mir ein Mittel gespritzt, das mich gefügig machen sollte. Bei einem samedanischen Versuchskandidaten hat es gewirkt. Bei Menschen wirkt es nicht, aber es …“ Teenbaum hustete und spuckte Blut. „Es frisst mich von innen auf. Kommen Sie …“ Wieder hustete er blutig.

            „Doktor, wir bringen Sie hier raus“, rief Joan. „Sie kommen wieder in Ordnung.“

            Teenbaum hob abwehrend eine Hand. „Nein, nein. Es ist zu spät, Joan. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit. Kuolun will fliehen und seine Arbeit auf der Tennessee fortführen. Das Mittel macht aus den Samedanern Zombies, körperlich und genetisch gesunde, aber völlig willenlose Marionetten.“ Teenbaum bekam einen erneuten Hustenanfall und sank auf die Knie.

            „Die Tennessee ist eingekesselt und gestellt, Teenbaum“, warf Curtis kalt ein. „Kuolun wird geradewegs in eine Riesenschießerei hineinfliegen.“

            Teenbaum versuchte ein krächzendes Lachen, was in einem erneuten Hustenanfall endete. Eine große Lache aus Blut und Speichel hatte sich mittlerweile vor ihm angesammelt. „Geschieht dem Scheißkerl recht“, japste er und brach zusammen.
            Jetzt stürmte Joan nach vorn und kniete sich vor dem sterbenden Schiffsarzt hin. Sie drehte ihn um und öffnete seine blutverschmierte Uniformjacke. Darunter trug Teenbaum eine Weste, an der lautlos ein kleiner Zähler mit einer roten Leuchte blinkte. Der Zähler unterschritt in diesem Moment die dreißig Sekunden Marke.

            „Eine Bombe!“, schrie Joan und sprang auf. „Raus hier!“

            Teenbaum röchelte noch ein leises „Es tut mir leid, Joan“, dann überkam ihn ein neuer Hustenanfall, dem ein großer Schwall Blut folgte. Teenbaum brach zusammen und regte sich nicht mehr.

            Joan, Curtis, Grag und Otho schafften es gerade auf den letzten Treppenabsatz unter dem Erdgeschoss, als eine schwere Detonation das Gebäude erschütterte. Joan und Otho kamen ins Straucheln und fielen der Länge nach auf die Treppenstufen. Unter ihnen sackte das Treppenhaus weg. Staub und Rauch stiegen nach oben und raubten Joan und Curtis den Atem. Geistesgegenwärtig packte Grag Joan und Otho an den Oberarmen und zog die beiden den Rest der verbliebenen Treppe nach oben. In allerletzter Sekunde erreichten die vier das Foyer und stürmten nach draußen. Vor der Ruine der Reebah Real Estate Enterprises schwebten immer noch geduldig wartend Danica und Peter in ihren Broadswords. Peter hatte das Cockpit geöffnet und deutete wild gestikulierend in Richtung Osten. Mit fauchenden Triebwerken starteten sechs Jagdmaschinen vom Typ Super Sabre und ein etwas größeres Schiff unbekannter Bauart in den Nachthimmel.
            Curtis reckte die geballte Faust in die Höhe und machte ein taktisches Zeichen, das in der Militärsprache „Marsch, Marsch!“ bedeutete. Peter schloss sein Cockpit und jagte Danica hinterher, die bereits die Verfolgung aufgenommen hatte. Curtis und seine Crew verloren keine Zeit und prügelten die Comet förmlich in die Luft, während sie die Einstiegsrampe im Flug schlossen.



            Kuolun und seine Eskorte hatten die obersten Luftschichten von Sameda II erreicht. Die Broadswords schossen in langsam aber stetig größer werdendem Abstand hinterher. „Verdammt, die sind viel schneller als wir! Die kriegen wir nie!“, rief Danica über Funk.

            „Die können nicht ewig mit Nachbrennern fliegen“, gab Peter zurück. „Wenn die so weiter Gas geben, haben die in spätestens fünf Minuten keinen Sprit mehr. „Aber keine Super Sabre ist so schnell wie eine Javelin-Rakete.“ Peter schaltete seine Raketen scharf und holte das letzte Quäntchen Energie aus den Triebwerken, welche bereits weit über der zulässigen Belastungsgrenze arbeiteten. Die Comet hatte mittlerweile aufgeholt und befand sich nur noch wenige Kilometer hinter den Broadswords.


            Joan stand atemlos am runden Cockpitfenster und sah die Triebwerke der Jagdmaschinen leuchten.

            Peter feuerte zwei Raketen auf die hinteren Super Sabres ab. Zwei weiß-goldene Lanzen schossen ins All hinaus und nahmen die Verfolgung auf. Javelin-Raketen arbeiteten mit Bilderfassung und verfolgten ihr Ziel so lange, bis sie entweder trafen oder ihr Treibstoff zu Ende ging. Die hinteren Super Sabres bemerkten die schnell anfliegenden Raketen nicht und explodierten sofort. Die anderen Maschinen setzten unbeirrt ihren Flug fort und folgten dem größeren Schiff, bis zwei Super Sabres ganz unvermittelt aus der Formation ausbrachen und auf Gegenkurs gingen.

            „Hier kommen sie!“, rief Peter und ging auf Kollisionskurs. Er wollte die anfliegenden Maschinen mit zwei weiteren Raketen vom Himmel holen, aber der Abschussmechanismus versagte. „Scheiße, Störung, Danny! Störung!“

            „Dreh ab, Pete! Dreh ab, sofort!“, schrie Danica in ihr Mikrofon, aber es ging alles blitzschnell. Die beiden Super Sabres feuerten ihrerseits ihr gesamtes Raketenkontingent auf Peter ab. Die schnelle, aber träge Broadsword hatte keine Chance, den Raketen auszuweichen. Acht Raketen detonierten in Abständen von Sekundenbruchteilen in Peters Raumschiff und rissen es in Stücke. Danica, die ihm dichtauf folgte, flog durch die Explosionswolke hindurch. Trümmerteile schlugen wie Hammerschläge auf ihre Schilde ein. Danica glaubte, eine Hand an ihrem Cockpit vorbeifliegen zu sehen. Als sie die Trümmer durchquert hatte, war das All vor ihr leer. Die Sabres waren verschwunden.

            Auf der Comet hörten sie den gesamten Funkverkehr mit. Joan schrie auf vor Schmerz, als sie die Explosion vor sich sah. Mit Entsetzen verfolgte sie, wie die Angreifer Danica durch den Feuerball, der Peters Schiff gewesen war, hindurchfliegen ließen, kehrt machten und sich an ihr Heck hängten. Sie konnte die schnelleren und wendigeren Jagdmaschinen nicht abschütteln, dazu waren Broadswords zu schwerfällig. „Danny, nein …“, keuchte sie. Die Super Sabres eröffneten aus kürzester Distanz das Feuer mit ihren doppelläufigen Protonenkanonen. Sie hatte keine Chance. Als auch Danicas Maschine in einem roten Feuerball verging, brach Joan weinend am Cockpitfenster zusammen. Kuoluns Raumschiff war bereits in den Tiefen des Alls verschwunden. Curtis war nach vorne zu Joan getreten und setzte sich zu ihr auf den Boden. Behutsam zog er sie zu sich.

            „Es tut mir leid, Joan. Es tut mir so unendlich leid …“, flüsterte er und vergrub sein Gesicht in ihren immer noch blauen Haaren. Einen Moment verharrte er, dann sah er Grag und Otho an den Steuerkonsolen an. „Kurs auf das Sonnensystem. Fliegen wir nach Haus“, erging sein leiser Befehl an den Androiden und den Roboter. Curtis verspürte in diesem Moment keinerlei Antrieb, Kuolun weiter zu jagen. Es erschien ihm alles auf einmal so sinnlos.
            Für mich ist Gleichberechtigung dann erreicht, wenn es genauso viele weibliche wie männliche Idioten gibt.

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              Ja ich erinnere mich an das Ende von Peter und Danica und ich finde es auch traurig. Ich glaube, Danny hätte es sich eine Wiedervereinigung mit Peter ganz anders gewünscht und es ist ein schwacher Trost, dass sie beide im Kampf starben.

              Für mich ist es aber ein Trost, dass Kat und ihr Cowboy wohlbehalten aus diesem Abenteuer zurück kehren. Ich mag die Beiden
              Unendliche Mannigfaltigkeit in unendlicher Kombination
              Ein Holodeck ist klasse! Man kann überall hin, obwohl man gar nicht weg muss :)
              Außerirdische Technologie + menschliche Dummheit = unschlagbare Ergebnisse :)

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                Du wirst doch wohl Kuolun nicht damit davon kommen lassen.
                ZUKUNFT -
                das ist die Zeit, in der du bereust, dass du das, was du heute tun kannst, nicht getan hast.
                Mein VT: http://www.scifi-forum.de/forum/inte...ndenz-steigend
                Captain Future Stammtisch: http://www.scifi-forum.de/forum/inte...´s-cf-spelunke

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                  Tja, Kuolun... der lass ich laufen, der hat ja schließlich noch neue Ideen.

                  Hier das Ende von Kapitel 25. Joan und Curtis reden Klartext, etwas für unsere Beziehungs-Freunde. Irgendwie aus dem Leben gegriffen...


                  Auf dem Weg zum Sprungpunkt holte die Comet die Alabama ein. Nach einem kurzen Funkgespräch kamen Curtis und Commander Dörner überein, die Reise gemeinsam an Bord der Alabama fortzusetzen und die Comet „Huckepack“ mitzunehmen. Die Wiedersehensfreude zwischen Joan und Katherine war unbeschreiblich groß, wurde aber in dem Moment tief getrübt, als Joan von Katherine erfuhr, dass Marijke van den Bosch die Rettungsaktion nicht überlebt hatte. Katherine war nicht weniger geschockt, als Joan berichtete, wie Danica und Peter in dem kurzen aber heftigen Feuergefecht kurz nacheinander ums Leben kamen. Joachim Becker hatte den Tod seines Sohnes schweigend und emotionslos aufgenommen. Er hatte innerhalb weniger Stunden sein eigenes Kind und seine „Ziehtochter“ verloren.

                  Schweigend und mit traurigen Mienen saßen die beiden Frauen mit ihren Männern um einen kleinen Tisch im Offizierscasino. Alle hatten etwas mehr oder weniger alkoholisches auf dem Tisch stehen und starrten mit trüben Augen in ihre Gläser. Dann fiel Katherine ein, dass sie noch etwas für Joan hatte. Sie zog Marijkes Mäppchen aus der Tasche und legte es vor Joan auf den Tisch. „Hier, das hat mir Rijke gegeben. Du sollst es haben. Ich habe die Nachricht darin gelesen, entschuldige.“

                  Joan lächelte verständnisvoll. „Ist schon in Ordnung, Kat. Ich lese es später, in Ruhe. Außerdem habe ich für den Moment vom Heulen genug. Können wir nicht trotzdem jetzt ein bisschen feiern? Immerhin hast du Rodriguez festgenommen. Und du, John, hast ja richtige Heldentaten vollbracht, was?“ Mit leicht zittrigen Händen steckte Joan das kleine Ledermäppchen ein.

                  John winkte bescheiden ab. „Ich habe nur getan, was jeder in meiner Situation getan hätte. Aber ich muss gestehen, dass mir ab und zu ganz schön der Arsch auf Grundeis gegangen ist.“ John warf einen Seitenblick hinüber zur Bar, wo Maggie de Havilland und Will Baxter aufs heftigste miteinander schäkerten. „Aber …“ John nahm einen tiefen Atemzug und straffte sich. Er sah in die Runde und nahm belustigt zur Kenntnis, dass er die volle Aufmerksamkeit der anderen auf sich gezogen hatte. „Aber ich … ich habe auch eine tolle Neuigkeit für euch.“ Katherine setzte ihren Bierkrug an und begann zu trinken. Sie beobachtete John aus dem Augenwinkel. „Wir werden heiraten! Noch in diesem Jahr.“ Katherine verschluckte sich so heftig, dass sie Bierschaum quer über den Tisch verteilte und husten musste.

                  Joan und Curtis klappten die Kinnladen herunter und Katherine knallte mit voller Wucht den Bierkrug auf die Tischplatte. Mit großen grauen Augen starrte sie John einen Moment entgeistert an. „Sagt wer, Cowboy?“, fragte sie.

                  John grinste verschmitzt und verschränkte die Arme lässig hinter seinem Kopf. „Sage ich, Süße! Die Erlaubnis von deinem Vater habe ich ja. Ich hab’s einfach mal beschlossen.“

                  Katherine sah John strafend an und zog eine Augenbraue in die Höhe. „Werde ich auch gefragt?“, zischte sie drohend und bewegte sich langsam in Richtung John, der just in diesem Moment Zweifel bekam. „Du bist ein Mistkerl, John! Aber ich liebe dich!“, rief sie und fiel John lachend in die Arme.

                  Auch Joan und Curtis fielen in das Lachen ein. Die Anspannung der vorangegangen Woche hatte sich jetzt gelöst.




                  Joan und Curtis verabschiedeten sich zeitig und gingen in ihre gemeinsame Kabine. Als sich die Tür hinter ihnen schloss, lehnte sich Joan dagegen und sah Curtis schuldbewusst und reumütig an. „Curtis", begann sie leise, „ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber es tut mir wahnsinnig leid, was passiert ist. Ich … ich war so hingerissen von ihm. Es … es ist einfach mit mir durchgegangen. Ich habe einfach nichts mehr um mich herum wahrgenommen.“ Curtis sah Joan einfach nur ausdruckslos an. In seinem Gesicht zeigte sich keine Regung. „Ich hätte auf Kat hören sollen, Curt. Sie hat mich noch ausdrücklich gewarnt. Anfangs wollte ich gar nicht mit ihm …“

                  Curtis fiel ihr sanft ins Wort, aber seine Stimme zeugte von Vorwurf und Missbilligung. „Ich weiß, Joan. Ich weiß es von Peter. Er sagte, dass du es warst, die ihn verführt hat. Stimmt das?“

                  Joan senkte den Blick. „Ja“, flüsterte sie. „Ja, ich habe ihn verführt. Er und Danica könnten noch leben, wenn ich …“

                  „Wenn du was, Joan?“, fragte Curtis mit leichtem Nachdruck. Er wollte Joan nicht in die Enge treiben und gab sich bewusst ruhig und besonnen.

                  „Wenn ich mehr auf mein Gewissen und auf Kat anstatt auf meinen Bauch gehört hätte. Curt, ich fühle mich so schuldig.“ Joan hob den Kopf und sah Curtis mit großen blauen Augen an, Tränen stiegen auf und ließen sie glänzen.

                  „Peter erzählte mir, dass du manchmal unglücklich mit mir bist. Dass du dich alleine und zurückgesetzt fühlst. Ist da was dran?“ Curtis‘ stoische Ruhe fand Joan bewundernswert. Andere Männer hätten höchstwahrscheinlich eine Riesenszene gemacht.

                  Die Frage traf Joan jedoch wie ein Faustschlag. „Das hat er gesagt?“, fragte sie erschrocken und stieß sich von der Tür ab. Sie ging an Curtis vorbei und steckte die Hände in die Hosentaschen. Sie starrte durch das kleine Bullauge hinaus zu den bunten Farben der Überlichtgeschwindigkeit. Einen Moment verharrte sie, dann drehte sie sich um und sah Curtis jetzt ihrerseits vorwurfsvoll an. „Und wenn es so wäre, Curt?“, gab sie leicht gereizt zurück. „Was, wenn ich mich wirklich einsam fühlte? Ich bin eine Frau, Curt. Im allerbesten Alter, und wie man mir bestätigt hat, gehöre ich nicht einmal zu den hässlichsten! Ich habe Wünsche, Träume, Erwartungen vom Leben! Ich will nicht den Rest meines Lebens Schiffskabinen bewohnen, aufbereitete Luft atmen und immer dann springen, wenn man mich ruft, verstehst du? Das war früher mal so. Ich habe mich verändert. Ich bin vielleicht noch keine dreißig, aber jünger werde ich auch nicht mehr! Ich will eine Familie gründen und sesshaft werden! Kat und John tun es bald, Curt! Selbst Nurara hat es geschafft, ein Kind zu bekommen! Gerade Nurara, die mich mal deswegen ausgelacht hat. Traurig genug, dass sie Jelana alleine großziehen muss! Warum darf ich das nicht? Curt, ich will, dass du der Vater meiner Kinder wirst. Aber du musst endlich mal kapieren, dass du mehr auf meine Wünsche eingehen musst. Es geht mir nicht darum, dass du mich regelmäßig in feine Restaurants oder ins Konzert ausführst oder mich die New Yorker Boutiquen leer kaufen lässt. Ich wünsche mir von dir einfach nur ein wenig mehr Einfühlungsvermögen. Du bist galant und aufmerksam und trotzdem scheinst du nicht zu spüren, dass ich mehr von dir will. Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, aber ich habe das Gefühl, dass du in unserer Beziehung nicht alles gibst. Du bist manchmal so fürchterlich introvertiert, du lässt mich zu wenig an deinen Gedanken teilhaben. Wenn du nur ein wenig mehr mit mir reden würdest, wäre uns beiden schon sehr geholfen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass du dich eigentlich nur für mich interessierst, weil ich dir wegen meines Aussehens in den Kram passe.“

                  Jetzt wurde Curtis doch ungehalten. „Das ist doch völliger Blödsinn, Joan!“, rief er erbost. „Du glaubst doch nicht allen Ernstes, ich hätte dich nur wegen deines Aussehens genommen?“

                  „Doch, das glaube ich!“, gab Joan zickig zurück. „Eine Beziehung besteht nicht nur aus hübschen Kleidern und gutem Sex! Ich will nicht nur deine adrette Begleiterin sein, sondern deine gleichberechtigte Partnerin! Was zum Teufel ist dein Problem, dass du dich nicht endgültig für mich entscheiden kannst?“

                  „Mein Problem?“, schrie Curtis. „Was mein Problem ist? Ich sage dir, was mein Problem ist. Du bist es, Joan! Du gehst auf Dienstreise, bringst dich selbst in Schwierigkeiten und betrügst mich! Und von wem muss ich es erfahren? Von dem Mann, mit dem du mich betrogen hast! Ich werde nicht schlecht über einen Toten reden, aber eines kannst du mir glauben, Joan. Ich hatte heute nicht übel Lust, Danica und Peter auf Sameda zurück zu lassen und mit Nurara wieder abzufliegen. Er hätte von mir aus gerne alleine nach dir suchen können! Du warst mir heute ein Stück weit egal, weißt du das? Ich … ich bin so enttäuscht von dir, Joan!“

                  Joan ging mit drohendem Zeigefinger auf Curtis zu. „Jetzt sage ich dir, was dein Problem ist, Curt. Du hast Angst davor, eine Familie zu gründen, weil du dich nicht endgültig binden willst! Hast du Angst, ein schlechter Vater zu sein?“ Joan hatte sichtliche Mühe, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. „Oder ist es dein unbändiger Wunsch nach Freiheit und Abenteuer, und die Angst davor, das alles aufgeben zu müssen? Peter hätte es wahrscheinlich getan und er war als Bomberpilot nicht weniger Abenteurer als du! Aber er hat mir Fragen gestellt, die du mir in all den Jahren noch nicht gestellt hast! Er hat sich wirklich für mich interessiert!“

                  Curtis warf die Arme in die Höhe. „Das ist doch unglaublich! Und du meinst, das gibt dir das Recht, gleich am ersten Abend mit ihm ins Bett zu steigen? Und am nächsten Abend gleich noch einmal?“ Curtis wurde selten laut, aber heute brach es aus ihm aus. Wut, Verzweiflung und echte Trauer.

                  Joan verschränkte die Arme. „Na und?“, rief sie und warf die Haare zurück. „Peter hatte zumindest den Mut, die Verantwortung für seine Taten zu übernehmen. Ist er nicht auf dich zugegangen? Ja, Peter und ich haben wirklich großen Mist gemacht und es lässt sich nicht rückgängig machen. Er hat es dir gestanden und du hast ihn in deiner Großherzigkeit in Ruhe gelassen. Andere Männer hätten ihn krankenhausreif geschlagen. Meinen aufrichtigen Respekt hast du! Aber auch ich habe dir gerade eben noch eingestanden wie leid es mir tut und was für ein großer Fehler das war. Reicht das nicht? Wir können uns auch hier und heute voneinander trennen. Dann kann jeder seine Verantwortung wieder für sich übernehmen. Wenn du es für dich selbst überhaupt schaffst!“

                  „Rede keinen Mist, Joan! Du tust gerade so, als wäre ich ein eiskaltes Scheusal, das sich vor der Verantwortung drücken will“, rief Curtis, und versuchte, seine Beherrschung wieder zu erlangen. „Und was tust du? Du wirfst deine eigene Verantwortung achtlos über Bord und lässt dich vom erstbesten …“ Curtis hielt inne und machte eine abwinkende Geste. Er atmete einmal tief durch und dachte kurz darüber nach, was er gerade sagen wollte. Er war kurz davor, Joan aufs tiefste verbal zu verletzen. Das wollte er nicht. Er war verletzt worden und ertappte sich dabei, es Joan heimzuzahlen. Aber soweit wollte Curtis es nicht kommen lassen. Er ging an Joan vorbei und setzte sich in einen Sessel. „Du willst, dass ich mehr mit dir rede? Sonst nichts?“, fragte er leise.

                  Joan hob die Hände zu einer Geste der Verzweiflung. „Nein, verdammt nochmal. Mehr verlange ich wirklich nicht“, rief sie genervt, setzte sich auf Curtis‘ Schoß und schlang ihre Arme um seinen Hals. Während sie ihm den Hinterkopf kraulte, flüsterte sie zärtlich: „Curt, ich will ganz ehrlich zu dir sein. Als ich mit Peter geschlafen habe, hat es mir wirklich gefallen. Ich gebe zu, dass ich mich wahrscheinlich ernsthaft in Peter verliebt hätte, wenn das weitergegangen wäre. Aber ich hatte während meiner Entführung genug Zeit zum Nachdenken und mir über meine Gefühle klar zu werden. Curt, bitte glaube mir: ich will niemand anderen als dich. Das mit Peter war eine Erfahrung und ich habe daraus gelernt. Ich liebe dich, Curt. Ich liebe nur dich allein! Es tut mir so leid, was ich dir angetan habe. Kannst du mir verzeihen?“

                  Joan hatte ihren Kopf an den seinen gelegt und Curtis konnte spüren, wie ihm eine heiße Träne den Hals herab lief. „Ja, Joan“, flüsterte er nur und drückte sie fest an sich.





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                    Zitat von avatax Beitrag anzeigen
                    Es sterben in paar von den "Guten" zu viel. Zumindest in der Fassung, die ich noch so grob im Kopf habe....
                    Finde ich ganz in Ordnung so. Sehr japanisch. Hier im Westen hat man immer so eine Scheu davor, Helden über die Klinge springen zu lassen, aber meine Tochter zum Beispiel findet es viel spannender, wenn man nicht vorhersagen kann, wer überlebt und wer nicht.

                    Ihr müsstet euch mal "Das Labor des Ewigen Krieges" aus "Galaxy Express 999" anschauen. Da ist "Tribute von Panem" ein Sandmännchen dagegen. Beim Abspann musste sogar ich erst mal schlucken angesichts der Ausfallquote.
                    Die Sternenflotte bescheinigt hiermit, dass zur Erzeugung dieses Textes kein Rothemd gemeuchelt, gephasert, erstochen, erschlagen, gesteinigt, transporterverunfallt noch in irgendeiner anderen Weise grob ausgebeutet, misshandelt oder an körperlicher oder geistiger Unversehrtheit geschädigt wurde.

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                      Ich bin auch der Meinung, dass allgemein zu viele Gute in solchen Geschichten überleben. Die Bösen sind meistens nicht böse genug, um noch mehr Gute über die Klinge springen zu lassen. Mir war es schon wichtig, dass "Meuterei" keine lustige Kreuzfahrt wird, sondern zu zeigen, dass es Menschen gibt, die an Skrupellosigkeit kaum zu überbieten sind. Ich glaube, das ist mir mit Cdr. Rodriguez ganz gut gelungen, vor allem, weil er obendrein auch noch überlebt hat und Marijke durch seine Gier sterben musste.

                      Leute: das letzte Kapitel steht an. Es war mir eine Ehre, euch diese Geschichte präsentieren zu dürfen. Ich hoffe, sie hat euch gefallen!


                      Kapitel 26


                      Dicht gedrängt saßen Joan, Katherine, Takashi, Will Baxter, Curtis und John auf der bequemen Couch in Marshall Garnies Vorzimmer. Melissa, Garnies „Kettenhund“, wie die strenge Sekretärin gerne hinter ihrem Rücken von der Belegschaft respektlos genannt wurde, schaute argwöhnisch über ihre randlose Brille. So voll war es in ihrem Vorzimmer selten und sie hasste Unruhe in ihrem Arbeitsbereich. Erneut ging die große doppelflügelige Hydrauliktür zu ihrem Büro auf und eine gutgelaunte Elena Marko trat mit einem breit grinsenden Admiral Taggart ein, beide trugen Ausgehuniformen und führten schwarze Aktenkoffer mit sich. Hände wurden geschüttelt und Schultern geklopft, es wurde gelacht und gescherzt, bis es Melissa zu viel wurde. Sie schlug mit der Faust auf ihre Schreibtischplatte und fluchte: „Herrgott nochmal, ist es in diesem Präsidium möglich, in Ruhe seine Arbeit zu machen?“ Mit einem bösen, stechenden Blick sah Melissa alle umstehenden an, ihr war es ziemlich egal, ob sich ein hochdekorierter Admiral im Raum befand. Melissa war Zivilangestellte und hatte nur vor ihrem Chef Respekt.

                      Sofort erstarben sämtliche Gespräche, nur Joan und Katherine glucksten noch einmal, woraufhin sie mit einem weiteren bösen Blick von Melissa abgestraft wurden. Garnies Tür ging auf und der Marshall schaute mit strengem Blick in die Runde und blieb an Katherine haften. „Ballard!“, rief er zornig und zog den Kopf wieder in sein Büro. Katherine stand auf und ging mit mulmigem Gefühl in das Büro ihres Chefs. Als sie eintrat, sah sie Garnie grimmig dreinschauend neben seinem Schreibtisch stehen. Er forderte Katherine nicht auf, sich zu setzen.

                      „Major Ballard“, begann er mit bedrohlicher Stimme und tippte mit dem rechten Zeigefinger auf eine dicke schwarze Mappe. „Hier drin sind Beförderungsurkunden. Auch Ihre.“ Garnie klappte die Mappe auf und nahm die oberste Urkunde aus dickem und edlem gelben Papier in die Hand. „Sie wären mit dem heutigen Tag regulär zum Commander befördert worden. Aber in Anbetracht der Vorfälle in der letzten Woche fürchte ich, dass Sie noch ein Jahr warten müssen.“

                      „Sir, ich …“, setzte Katherine zu ihrer Verteidigung an, aber Garnie hob eine Hand und wies Katherine wortlos an, zu schweigen.

                      „Seien Sie still, Ballard“, herrschte Garnie Katherine an. „Ich will nichts von Ihnen hören. Sie haben meine Befehle missachtet, Ihre Leute, ganz besonders Lieutenant Landor, in Gefahr gebracht und völlig eigenmächtig gehandelt. Sergeant Oobe hat Ihre Eigenmächtigkeit mit dem Leben bezahlt. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass Sie mit dieser Aktion eine Beförderung verdient haben?“ Garnie durchbohrte Katherine förmlich mit seinen grau-blauen Augen. „Ballard, Sie können von Glück reden, dass die gesamte Truppe inklusive Yokomuri und Baxter geschlossen hinter Ihnen steht.“

                      Schuldbewusst senkte Katherine den Kopf. „Nein, Sir. Ich bedaure zutiefst, was passiert ist. Es gibt keine Rechtfertigung und keine Entschuldigung für mein Handeln.“

                      Garnie nickte und sprach mit einem jetzt sanfteren Tonfall weiter. „Allerdings, Katherine. Ich anerkenne die äußeren Umstände, die Sie und Ihre Leute in diese prekäre Situation gebracht haben. Ich verstehe auch, dass Sie persönlich in den Fall involviert worden sind. Aber in diesem Fall hätten Sie von sich aus das Kommando an Captain Yokomuri übergeben müssen. Ich gestehe auch persönlich ein, dass ich die Rettungsmaßnahmen auf Grund der Informationslage vielleicht zu spät in die Wege geleitet habe. Aber das ist alles nichts im Gegensatz zu einem Fall von Insubordination, dieses Vergehen wiegt sehr schwer, Katherine. Eigentlich müsste ich Sie bis auf weiteres vom Dienst suspendieren und ein Disziplinarverfahren gegen Sie einleiten …“

                      Katherine schluckte hart und griff zur Polizeimarke an ihrer Brust. Sie wollte sie in diesem Moment von ihrer Uniform abziehen, als Garnie an sie herantrat und ihre Hand nahm. „Ich sagte eigentlich, Katherine. Sie haben in den letzten zehn Jahren, seitdem ich Sie von Ihrem Ausbilderposten an der Akademie hier her geholt habe, durchweg und ununterbrochen hervorragende Arbeit geleistet. Sie sind motiviert und erfolgreich, Sie sind beliebt im ganzen Präsidium und gehören zu meinen besten Leuten. Ich habe bereits einmal im letzten Jahr meine schützende Hand über Sie gehalten und weil Sie so eine verdammt gute Polizistin und Psychologin sind, habe ich es ohne Wenn und Aber wieder getan. Lassen Sie die Marke stecken, Katherine. Ich belasse es dieses Mal bei einem Verweis. Ich will Sie nicht verlieren, Major, kapiert?“

                      Erleichtert atmete Katherine tief durch und sah Garnie offen ins Gesicht. „Ja, Sir, voll und ganz. Danke.“

                      Garnie legte seine Hände auf Katherines Schultern, väterlich, wie er es oft bei seinen jüngeren Mitarbeitern tat. Mit einem kleinen Lächeln sagte er: „Ich will im kommenden Jahr keine Klagen über Sie hören, verstanden? Noch einmal so eine Geschichte und ich muss Sie wirklich rausschmeißen. Und jetzt holen Sie die anderen rein. Über Ihre Beförderung reden wir nächstes Jahr!“

                      Katherine ging zur Tür und winkte die anderen herein. Die Polizisten nahmen auf Geheiß Garnies Aufstellung in einer Line vor dem Schreibtisch des Polizeichefs, Katherine, Curtis, Marko und Taggart stellten sich seitlich im rechten Winkel dazu auf. Garnie nahm die Mappe mit den Urkunden auf und legte die erste umgedreht auf seinem Schreibtisch ab. Dann räusperte er sich kurz und begann: „Hiermit ernenne ich die Lieutenants Joan Landor und William Baxter zum Captain, sowie die Captains Takashi Yokomuri und John Milner zum Major. Stehen Sie bequem, meine Damen und Herren!“ Garnie klappte die Mappe zu und gratulierte jedem einzelnen. Bei John blieb er einen Moment stehen und sagte mit einem Augenzwinkern: „Ihnen gratuliere ich besonders herzlich, Milner. Sie sind heute der mit Abstand jüngste Major in der Geschichte der Weltraumpolizei. Sie werden es noch weit bringen.“

                      „Wer war denn davor der jüngste, Sir?“, warf Joan – mittlerweile wieder erblondet – ein.

                      Garnie schmunzelte hinter seinem Schnauzbart: „Das war ich, Captain Landor. Ich war damals ein knappes halbes Jahr älter als John heute.“ Garnie sah hinüber zu Marko und Taggart. „Colonel Marko, Admiral Taggart, schön, dass Sie kommen konnten. Ich weiß, dass Sie auch noch etwas für unsere Beförderten haben?“ Garnie machte eine einladende Geste, worauf Taggart als der Ranghöhere zuerst vortrat.

                      Taggart sah zurück zu Katherine und winkte sie herbei. „Katherine, nehmen Sie bitte neben Major Milner Aufstellung.“ Katherine zog fragend die Augenbrauen in die Höhe und sah ihren Chef an. Der zuckte nur mit den Schultern. Der alte Admiral öffnete den Koffer und legte ihn in Markos offenen Händen ab. „Meine Damen und Herren, Sie alle haben unter Einsatz Ihres Lebens und Aufbringen großer persönlicher Entbehrungen dazu beigetragen, dass wir einen gefährlichen Hochverräter in unseren eigenen Reihen ausfindig und dingfest machen konnten. Die Navy möchte sich bei Ihnen allen erkenntlich zeigen und in Form eines Ehrenzeichens ihr Lob und ihre Anerkennung aussprechen. Die hier anwesenden Offiziere erhalten hiermit die höchste Auszeichnung, die die Navy für Nicht-Angehörige verleihen kann, das Navy Distinguished Service Cross in Gold. Ihre Unteroffiziere erhalten die Navy Distinguished Service Medal in Gold. Meinen herzlichen Glückwunsch! Gute Arbeit!“ Taggart heftete jedem der Polizeioffiziere das Ehrenkreuz an die Brust. Dann übergab er das Wort an Colonel Marko. Diese öffnete nun ihren Koffer und holte ein kleines rot-goldenes Etui heraus.

                      „Major Milner, bitte treten Sie vor!“, sagte Marko feierlich. John sah nach links und rechts, trat zwei Schritte nach vorne und nahm dort wie selbstverständlich die Hab-Acht-Stellung ein. Marko wog das kleine Etui in ihren Händen. „Major Milner, Sie haben während unserer Mission einen unglaublichen Einsatzwillen, Durchhaltevermögen und starke Nerven bewiesen, wie es einem Space Ranger würdig ist. Aus diesem Grunde bin ich als Kommandeurin des einhundertersten Space Ranger Bataillons befugt, Ihnen heute die Ranger Spange zu überreichen. Dieses Abzeichen ist ein offizielles Ehrenzeichen, das Sie ab sofort und jederzeit an Ihrer Uniform tragen dürfen. Sie sind ab heute ein Space Ranger! Meinen Glückwunsch, John!“

                      Lauter Applaus erschallte durch Garnies Büro. Für John war es heute ein großartiger Tag gewesen, am Morgen hatte er mit Katherine das Aufgebot bestellt, gegen Mittag mit ihr die Hochzeitsreise gebucht, im teuersten Restaurant Manhattans mit ihr gegessen und jetzt, kurz vor Dienstschluss wurde er befördert und mehrfach ausgezeichnet. Dabei wollte er eigentlich nur seine große Liebe retten.
                      Garnie drückte einen Knopf an seiner Gegensprechanlage und rief Melissa. Seine Vorzimmerdame kam wenige Sekunden später mit Champagner, Gläsern und einige Snacks herein und zu Johns großer Überraschung lächelte sie ihn sogar an und freute sich über seine Beförderung.


                      Nachdem die erste allgemeine Heiterkeit abgeklungen war, bat Admiral Taggart um Aufmerksamkeit. „Meine Damen, meine Herren, ich möchte Sie noch kurz über die gegenwärtige Situation im Samedi-System aufklären. Heute Morgen erreichte die Admiralität die Nachricht, dass loyale Truppen unter der Führung eines gewissen Boolen, seines Zeichens Chef des planetaren Geheimdienstes, den Nuntius und seinen Rat aus der Inhaftierung zu befreien konnten. Regierungstreue Militärs haben das Parlament gestürmt und den Aufstand für gescheitert erklärt. Die samedanische Flotte hatte sich zu unserer Überraschung nie den Rebellen angeschlossen, bis auf einige wenige Ausnahmen.“ Taggart warf einen mitleidigen Blick auf Curtis.

                      Curtis nickte und lächelte gequält. „Ja, ich erinnere mich nur zu gut an das Begrüßungskommittee.“

                      Taggart fuhr fort. „Der Kommandant der Flotte hat Rodriguez nur hingehalten, das war auch der Grund, warum er auf unsere Anrufe nicht reagiert hat. Er musste den Schein wahren, ein Aufständischer zu sein.“

                      „Was ist mit der Courageous, Sir?“, fragte John interessiert und nippte an seinem Champagner.

                      „Hat sofort aufgegeben, als der samedanische Kommandant die Maske fallen ließ. Die Courageous war zu dicht an die Linien der samedanischen Flotte geraten, um auszubrechen. Naja, und die Artillerie eines kleinen Geleitträgers kann man auch mehr oder weniger vernachlässigen. Commander Walker und seine Offiziere, sowie die Geschwaderführer ließen sich widerstandslos festnehmen.“

                      „Was ist mit der mysteriösen Krankheit der Samedaner?“, fragte Katherine, ihren Kopf an Johns Schulter gelehnt.

                      Taggart atmete einmal tief ein und aus. „Das ist in der Tat noch ein Problem, das es zu lösen gilt, liebe Katherine. Zur Stunde wird das Gebäude von Reebah Enterprises durchsucht. Kuolun hat auf seiner Flucht einige Proben und Aufzeichnungen in der Eile zurückgelassen, darunter einen Behälter mit der Bezeichnung Landor LC-P1.“

                      Joan nickte und verzog das Gesicht. „Meine Probe“, seufzte sie. „Ich glaube nicht, dass die Entnahme meiner DNA irgendetwas gebracht hat.“

                      Taggart hob sein Glas und prostete Joan zu. „Doch, Captain. Definitiv. Ich habe nicht den ganzen Bericht erhalten, aber aus den Aufzeichnungen Kuoluns geht wohl hervor, dass ein einziges Chromosom von Ihnen mit den samedanischen kompatibel ist und Kuolun unbedingt noch weitere Proben von Ihnen haben musste, um seinen Plan durchzuführen.“

                      Plötzlich sprachen alle aufgeregt durcheinander.
                      „Was wird denn jetzt mit den Samedanern passieren?“, rief Curtis gegen den aufkommenden Lärm.

                      Garnie bat laut um Ruhe. „Leute! Bitte! Lassen Sie Admiral Taggart weitersprechen!“

                      Nachdem der Tumult wieder etwas abgeebbt war, fuhr Taggart fort: „Captain Landor“, sagte er und legte Joans zarte Hand in seine große, schwielige Pranke. „Das, was ich Ihnen allen jetzt sage, ist noch Top Secret und muss unter allen Umständen in diesen vier Wänden bleiben, kann ich mich auf Sie verlassen?“ Alle Anwesenden nickten. „Die samedanische Regierung hat erste inoffizielle diplomatische Gespräche mit der Erde aufgenommen und dankt für die schnelle und unbürokratische Hilfe bei der Niederschlagung des Aufstandes. Es gibt eine Anfrage für die Entsendung einer medizinischen Expertenkommission zur Untersuchung der bereits vorhandenen Ergebnisse. Es wird so sein, Joan, dass Sie in den kommenden Wochen Besuch von der Admiralität bekommen und man Sie fragen wird, ob Sie für weitere Entnahmen Ihres DNA-Materials zur Verfügung stehen. Ich verstehe von der Materie rein gar nichts, aber ich habe mitbekommen, dass man auf der Basis Ihrer Gen-Proben einen künstlichen Impfstoff herzustellen versucht. Wenn das Erfolg bringt, wäre das samedanische Volk binnen zwanzig Jahren geheilt.“

                      Joan stand vor Überraschung der Mund offen. „Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

                      Taggart machte eine beschwichtigende Handbewegung. „Machen Sie ich keine Sorgen, bis dahin wird noch einige Zeit vergehen. Und wenn Sie es nicht wollen, zwingen wird man Sie nicht.“

                      „Nein!“, rief Joan entrüstet. „Natürlich werde ich helfen! Es ist für eine gute Sache! Sagen Sie der Admiralität, dass man jederzeit auf mich zählen kann!“

                      Einen Moment herrschte verdutztes Schweigen in Garnies Büro. Langsam begann der alte Marshall zu applaudieren, worauf Katherine, John und alle anderen nacheinander einfielen. Curtis ging auf Joan zu und nahm sie fest in seine Arme. „Du hast so ein großes Herz, Joan. Ich liebe dich dafür!“ Er gab ihr einen langen Kuss.

                      Joan sah dem großen, rothaarigen Mann tief in dessen stahlgraue Augen. „Ich weiß, Curtis“, flüsterte sie lächelnd. „Ich weiß.“

                      Taggart tippte Curtis auf die Schulter und sagte: „Darf ich mal kurz?“

                      Curtis ließ von Joan ab und trat grinsend beiseite. „Sicher, Admiral, nur zu!“

                      Taggart nahm Joan fest in seine Riesenarme und drückte sie fest an sich. „Joan, danke dafür. Sie sind so ein verdammt mutiges Mädchen und eine Heldin dazu. Sameda wird Sie heilig sprechen, Plätze nach Ihnen benennen und Ihnen Denkmäler setzen, darauf können Sie sich verlassen!“
                      Für mich ist Gleichberechtigung dann erreicht, wenn es genauso viele weibliche wie männliche Idioten gibt.

                      Mission accomplished.

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                        Hat echt Spaß gemacht, es (erneut) zu lesen
                        Aber gab es nicht noch eine Epilog? Ich meine mich dunkel daran erinnern zu können?
                        Unendliche Mannigfaltigkeit in unendlicher Kombination
                        Ein Holodeck ist klasse! Man kann überall hin, obwohl man gar nicht weg muss :)
                        Außerirdische Technologie + menschliche Dummheit = unschlagbare Ergebnisse :)

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                          Ja, jetzt wo du es erwähnst...

                          Da war noch was.
                          ZUKUNFT -
                          das ist die Zeit, in der du bereust, dass du das, was du heute tun kannst, nicht getan hast.
                          Mein VT: http://www.scifi-forum.de/forum/inte...ndenz-steigend
                          Captain Future Stammtisch: http://www.scifi-forum.de/forum/inte...´s-cf-spelunke

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                            Zitat von Nurara McCabe Beitrag anzeigen
                            Ich bin auch der Meinung, dass allgemein zu viele Gute in solchen Geschichten überleben. Die Bösen sind meistens nicht böse genug, um noch mehr Gute über die Klinge springen zu lassen.
                            Oder der Zuschauer ist zu zart besaitet. Als meine Tochter mit zwei Freundinnen "Divergence" sah, brach eine der anderen in Tränen aus. Meine Tochter fragte nach dem Grund und bekam zur Antwort: "Weil so viele gestorben sind!" - "Na und?" sagte meine Tochter darauf. "Bei Matsumotos Animés zählen wir so viele in jeder einzelnen Folge."

                            Übrigens:

                            Taggart nahm Joan fest in seine Riesenarme und drückte sie fest an sich.
                            Kommentar: "Glurk ...!"
                            Die Sternenflotte bescheinigt hiermit, dass zur Erzeugung dieses Textes kein Rothemd gemeuchelt, gephasert, erstochen, erschlagen, gesteinigt, transporterverunfallt noch in irgendeiner anderen Weise grob ausgebeutet, misshandelt oder an körperlicher oder geistiger Unversehrtheit geschädigt wurde.

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                              Zitat von Dessler Beitrag anzeigen

                              Kommentar: "Glurk ...!"
                              Danke! Da hat das Lektorat etwas gepennt...


                              Kinders, ich bedanke mich noch einmal für euer großes Interesse und eure wohlmeinenden Kommentare.

                              Hier kommt das Ende mit noch einmal einer schönen Wendung zum Schluss.

                              Sechs Wochen später saß Joan gelangweilt auf Melissas Platz in Garnies Vorzimmer. Es war ein heißer Donnerstagnachmittag im September vor einem verlängerten Wochenende. Garnie und Melissa hatten schon für heute einen Tag freigenommen und Joan hatte sich bereiterklärt, an diesem ausgesprochen ruhigen Tag das Vorzimmer zu „bewachen“. Für Samstag war Katherines und Johns Hochzeit geplant, auf die sich Joan schon wahnsinnig freute, denn Katherine hatte Joan zu ihrer Ehrenbrautjungfer erkoren. Joan goss sich gerade eine neue Tasse Kaffee ein, als die Tür aufging und eine junge, sehr hübsche Frau mit langen, feuerroten Haaren und katzenhaft grünen Augen auf einer Krücke hereingehumpelt kam. Sie schien Schmerzen zu haben, aber dennoch lächelte sie und strahlte eine Lebensfreude aus, die Joan schon lange nicht mehr an einem Menschen gesehen hatte. Vor Schreck ließ Joan beinahe ihren Kaffeebecher fallen. Sie stellte ihn ab und sah die junge Frau an, als hätte sie soeben einen Geist gesehen. „Danica!“, entfuhr es ihr. „Ich … ich dachte, du wärst tot …“ Dann ging Joan auf Danica zu und nahm sie fest in ihre Arme. „Wir haben alle dein Schiff explodieren sehen.

                              Danica lächelte. „Ich bin im richtigen Moment ausgestiegen“, flüsterte sie. „Ein samedanischer Schlepper hat mich aufgefischt – nach sechs Stunden im All. Die meisten werden in dieser Zeit wahnsinnig.“

                              Joan sah an Danica herab und betrachtete voller Mitleid ihre Krücke. „Du bist verletzt. Ist es sehr schlimm?“

                              Danica winkte ab. „Jetzt nicht mehr. Ich hatte ein paar Erfrierungen und eine böse Unterkühlung. Mein linkes Knie ist kaputt, aber die Ärzte sagen, dass sie das wieder hinbekommen. Es wird nur dauern. Mindestens ein halbes Jahr. Eine Broadsword werde ich allerdings danach aber wohl nie wieder fliegen dürfen.“ Mit dem letzten Satz huschte ein Anfall von Traurigkeit in Danicas schönes Gesicht. Raumjäger zu fliegen war bis jetzt Danicas Lebensinhalt gewesen.

                              „Ist vielleicht auch besser so, Danny“, meinte Joan und dirigierte Danica in Richtung Sofa. „Setz dich. Dass du noch lebst, hast du einer ganzen Armee von Schutzengeln zu verdanken, das ist dir klar, oder? Noch so eine Chance bekommst du im Leben kein zweites Mal.“ Joan goss einen weiteren Becher Kaffee ein und reichte ihn der rothaarigen Frau. „Was wirst du machen, wenn du nicht mehr aktiv fliegst?“

                              Danica nahm einen Schluck Kaffee und grinste. „Ich habe einige Optionen, ich darf als Kriegsversehrte im Dienst verbleiben, solange ich körperlich für andere Tätigkeiten geeignet bin. Ich kann theoretischen Unterricht in der Flugausbildung geben, ich kann Stabsarbeit machen, irgendwas in der Richtung. Aber ich könnte auch meine Pensionsansprüche geltend machen und nach Hause gehen, in das kleine Dorf in Serbien, wo ich aufgewachsen bin und mich dort in meinem Kinderheim nützlich machen. Dort ist immer Not am Mann und da ich ja eine soziale Ader habe, wäre das genau das Richtige für mich. Ich hatte dort ein gutes zu Hause und ich möchte, dass es den Kindern dort heute genauso geht.“

                              „Oh Danica, du bist ein so guter Mensch!“, rief Joan entzückt. „Aber wie geht es dir denn sonst so?“

                              Danica zögerte einen Moment mit der Antwort. „Du meinst … wegen Peter?“ Sie seufzte. „Weißt du, manchmal glaube ich, Peter hat mit seinem Manöver seinen Tod bewusst provoziert. Aber dann bin ich der Meinung, dass ich vielleicht dafür verantwortlich bin. Ich mache mir Vorwürfe deswegen, verstehst du?“

                              „Hast du schon mal mit jemandem darüber gesprochen?“, fragte Joan mit echtem Interesse.

                              Danica nickte. „Ja, mit meinem behandelnden Arzt, der ist übrigens eine echte Sahneschnitte …“

                              Joan grinste. „Ich meine, mit jemandem vom Fach, du weißt was ich meine?“

                              „Du sprichst von einem Psychofuzzi?“, gab Danica lachend zurück.

                              „Nicht irgendeinen, rede mal mit Kat, sie dürfte gleich hier sein.“

                              „Na ja“, brummte Danica. „Ich bin nicht der Ansicht, dass Kat eine besonders hohe Meinung von Peter hatte. Wegen euch beiden.“ Sie zwinkerte Joan zu. „Weiß Nurara eigentlich, was passiert ist?“

                              Joan nickte. „Ja, wir haben es ihr gleich nach der Rückkehr ins Sonnensystem mitgeteilt. Sie war ziemlich bestürzt. Wenn du ihre Geschichte kennen würdest, weißt du warum.“

                              „Verrätst du es mir?“

                              Joan setzte sich neben Danica auf das Sofa. „Lange Geschichte, ich mache es kurz. Nurara hatte sich nach ihrer Festnahme in ihren Anwalt verliebt und sie wurden ein Paar, sie wurde resozialisiert und von ihm schwanger. Am Tage ihrer Begnadigung durch den Präsidenten tauchte ein alter Verehrer von ihr auf und hat ihre große Liebe vor ihren Augen in aller Öffentlichkeit erschossen. Kat wurde damals auch schwer verletzt. Das ist jetzt so ziemlich genau ein Jahr her.“

                              „Das ist ja schrecklich!“, rief Danica entsetzt. „Ich meine, die Geschichte von dem Attentat kannte ich ja aus den Medien, aber nicht in der Form. Das heißt, sie hat ein zweites Mal einen Menschen verloren, für den sie Zuneigung entwickelt hat und das in so kurzer Zeit. Ich muss meine Meinung über diese Frau ernsthaft revidieren.“

                              Joan sah Danica fragend an. „Was für eine Meinung hattest du denn von ihr?“

                              „Ich habe sie für eine rücksichtslose Egomanin gehalten, genau wie vor ihrer Festnahme.“ Danica sah auf ihre Uhr. „Joan, ich muss los, mein Arzt wartet auf mich.“ Sie stemmte sich in ihre Krücke. „Schade, dass ich Kat nicht gesehen habe, bestell ihr bitte schöne Grüße von mir.“

                              Joan nickte lächelnd. „Das mache ich Danica. Übrigens heiratet Kat übermorgen.“

                              Jetzt staunte Danica nicht schlecht. „Nein, ist nicht wahr! Dann richte ihr auch bitte meine allerbesten Glückwünsche aus.“

                              „Das braucht Joan nicht, Danica“, sagte eine neue Stimme. Eine wunderschöne Katherine mit einem leichten Sommerkleid und wehenden schwarzen Haaren kam herein geschwebt. „Du bist hiermit zu meiner Hochzeit eingeladen. Herzlich willkommen zurück, Danica! Es ist so schön zu sehen, dass du noch lebst!“ Der Begrüßung folgte eine heftige Umarmung. „Ich habe übrigens noch deine Fliegerjacke …“

                              Danica grinste und antwortete mit einem Augenzwinkern: „Schenke ich dir, ich fliege nicht mehr!“



                              „… und so frage ich dich, John Alexander Milner, willst du die hier anwesende Katherine Anne Ballard zu deiner rechtmäßig angetrauten Ehefrau nehmen, sie lieben und ehren, in guten wie in schlechten Zeiten, dann antworte mit ‚Ja‘.“ Der kleine, dickliche Pastor mit dem dunklen Haarkranz sah John mit einem sanften Lächeln an.

                              John blickte hinüber zu Katherine, die ihn erwartungsvoll anlächelte. Ohne zu zögern sagte John mit lauter und kräftiger Stimme: „Ja, ich will!“

                              Der Pastor richtete seine Frage an Katherine: „Katherine Anne Ballard, willst du den hier anwesenden John Alexander Milner zu deinem rechtmäßig angetrauten Ehemann nehmen, ihn lieben und ehren, in guten wie in schlechten Zeiten, dann antworte mit ‚Ja‘.“

                              Katherine sah zu John hinüber, betrachtete ihn von Kopf bis Fuß und verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen. John grinste zurück, aber Katherine gab keine Antwort. Sie lächelte nur. Sekunden lang. Der Pastor wurde unruhig. „Soll ich meine Frage wiederholen, Katherine?“ Ein ungläubiges Raunen ging durch die kleine Kirche.

                              Katherine drehte sich zur Hochzeitsgesellschaft um und bleckte grinsend die perlweißen Zähne hinter ihrem Schleier. John wurde sichtlich nervös, der Schweiß stand ihm auf der Stirn. Bekam Katherine etwa kalte Füße? John sah ebenfalls zur Hochzeitsgesellschaft hin, seinen zukünftigen Schwiegereltern und seinem Schwager stand das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Joan, die Katherines Brautstrauß hielt, biss sich panisch in die Faust. Curtis, Ezella und Danica saßen mit aufgerissenen Augen und offenen Mündern da. „Soll ich?“, rief Katherine lachend. Das Raunen in der Kirche wurde lauter.

                              „Mach schon, Kat! Wir haben Hunger!“, rief jemand aus der letzten Reihe, es war einer von Katherines alten Schulkameraden. Großes Gelächter erfüllte das Gotteshaus. Ein jeder wusste nun, dass es sich hierbei nur um ein kleines Spielchen von Katherine handelte, wie sie es seit frühester Jugend spielte und es war eine kleine Rache an John.
                              Katherine sah zu John, der leichenblass geworden war und dann zum Pastor. „Wie war nochmal die Frage, Hochwürden?“, fragte Katherine mit Engelszunge.

                              Der Pastor, sichtlich irritiert, wiederholte die Frage: „Katherine Anne Ballard, willst du den hier anwesenden John Alexander Milner zu deinem rechtmäßig angetrauten Ehemann nehmen, ihn lieben und ehren, in guten wie in schlechten Zeiten, dann antworte mit ‚Ja‘.“

                              Diesmal zögerte Katherine nicht eine Sekunde mit der Antwort. „Ja, ich will!“ war von ihr laut und deutlich zu hören. John war einem Nervenzusammenbruch nahe. Die Hochzeitsgäste jubelten und applaudierten.

                              Der Pastor winkte Joan mit dem silbernen Tellerchen, auf dem die Hochzeitsringe lagen, zu sich. Nachdem Katherine und John die Ringe getauscht hatten, legte er beider Hände in seine und sagte feierlich: „Was der Herr verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen. John, Sie dürfen die Braut jetzt küssen!“

                              John gab Katherine einen langen Kuss, dann flüsterte er ihr lächelnd ins Ohr: „Wenn du so etwas nochmal machst, werde ich dich den Rest deines Lebens ans Haus anketten, du kleines Miststück …“

                              Katherine lächelte zuckersüß und hauchte: „Alles, was dich glücklich macht, Cowboy! Erstmal sind wir quitt.“



                              Am darauffolgenden Montagmorgen saß Joan mit schwerem Kopf im Büro. Sie wollte nie wieder Gast einer Südstaatenhochzeitsgesellschaft sein. Zwei Tage Feiern mit nur drei bis vier Stunden Schlaf hatte ihr einiges abverlangt. Selbst Curtis, der sonst wenig bis gar keinen Alkohol trank, hatte auf der Feier ordentlich zugelangt und es ging ihm nach eigenem Bekunden nicht sonderlich gut. Aber Katherine und John hatten eine wunderbare Hochzeit, Joan hatte viele neue und interessante Menschen aus Katherines Familie und Freundeskreis kennengelernt und am Samstagabend war sogar Nurara ganz überraschend auf der Bildfläche erschienen. Sie blieb nur kurz, war aber als grünhaarige Marsianerin in einem ebenso grünen, aufregenden seidenen Cocktailkleid neben der Braut fast der zweite Star des Abends. Sie unterhielt sich angeregt mit Danica, Katherines Eltern, Garnie, Taggart und vielen anderen, bis sie sich zeitig von John und Katherine verabschiedete und auf die andere Seite des atlantischen Ozeans flog, wo sie beabsichtigte, ein kleines Haus am Meer zu kaufen.

                              Joan hing noch in Gedanken der Hochzeitsfeier nach. Es war für sie eine willkommene Ablenkung nach den schrecklichen Ereignissen auf der Tennessee und auf Sameda II gewesen. Katherine hatte heute ihren letzten Arbeitstag, den sie zur Übergabe an ihre Vertretung nutzen wollte, aber weder Katherine noch der Vertretungsoffizier waren bisher erschienen. Am Abend würde sie mit John an Bord des Luxusliners Mercury Gold gehen und zwei Wochen Verwöhnprogramm in den Flitterwochen genießen. Für Joan ging die Routine weiter. Auch sie sehnte sich nach Urlaub, Entspannung und Erholung. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie am Nachmittag vor dem Offiziersball auf der Tennessee am Kommunikator mit Curtis über einen Karibikurlaub gesprochen hatte. Sie machte sich in Gedanken eine Notiz, ihn darauf am Abend anzusprechen. Vielleicht war ein solcher Urlaub auch eine gute Gelegenheit, mit Curtis noch einmal über ihre gemeinsame Zukunft zu sprechen. Sie wollte auch mal eine so schöne Braut sein, so wie Katherine. Sie wollte auch eine Familie und, da war sie sich sicher, sie wollte Curtis.

                              Ein Räuspern riss Joan aus ihren Gedanken. Ein junger Captain mit brav gescheiteltem, aschblonden Haar, Nickelbrille und perfekt sitzender dunkelblauer Uniform hatte sich vor ihr aufgebaut und salutierte zackig. Der Junge war bestenfalls Ende Zwanzig und wirkte auf Joan wie ein braves Muttersöhnchen. „Captain, ich bin Captain Dr. Lloyd Hopkins, von der Abteilung Innere Angelegenheiten und soll Major Dr. Ballard vertreten.“ Hopkins wirkte übermäßig steif und sprach seinen Vornamen wie „Le-Loyd“ aus.

                              Missmutig riss Joan sich zusammen und versuchte, dem jungen Captain die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken. „Kat ist noch nicht da, Le-Loyd“, antwortete sie langsam und unterdrückte ein Gähnen. „Setzen Sie sich doch, Le-Loyd.“ Joan hatte sichtlich Spaß daran, den jungen Mann wegen seines Namens zu necken. Sie stand auf. „Möchten Sie einen Kaffee, Le-Loyd? Ich bin übrigens Joan, Joan Landor.“

                              Hopkins bemühte ein höfliches Lächeln und setzte sich auf einen Stuhl mit dem Rücken zur offenstehenden Tür. „Freut mich, Captain Landor. Ich würde es übrigens begrüßen, wenn wir uns mit Dienstgrad und Nachnamen ansprechen könnten.“

                              „Was ist denn das für ein Spießer?“, dachte Joan mit einem verhaltenen Grinsen und antwortete: „Natürlich, Le-Loy… äh Captain. Das ist bei uns allerdings nicht üblich. Milch? Zucker?“

                              „Bitte, gern“, gab Hopkins höflich zurück. „Mit wem werde ich es denn zu tun haben, wenn ich auf Major Dr. Ballard treffe? Ich meine, wie ist sie?“

                              Joan stellte einen Becher vor Hopkins ab und setzte sich mit ihrem eigenen wieder an ihren Schreibtisch, Hopkins gegenüber. „Sie meinen als Mensch, oder als Frau, Captain?“

                              „Beides“, war die knappe Antwort.

                              Joan sah an Hopkins vorbei zur Tür, dort stand Katherine mit Pferdeschwanz in Jeans, Lederjacke und einem legeren T-Shirt, ganz lässig an den Türrahmen gelehnt und verschränkte erwartungsvoll und breit grinsend die Arme. Mit einem Augenzwinkern ermutigte sie Joan, weiterzusprechen, während sie selbst ihre Lippen amüsiert zusammenkniff. „Kat wird Ihnen nicht gefallen, Captain. Ganz und gar nicht.“

                              Hopkins zog verwundert die Augenbrauen hoch. „Warum?“, fragte er.

                              „Kat ist laut, lebhaft, sprunghaft, lustig, säuft Whiskey aus der Flasche und sieht dabei auch noch unverschämt gut aus. Und sie hat ein Problem mit Leuten, die übergenau sind, sich strikt an Vorschriften halten, ohne auch mal den gesunden Menschenverstand einzuschalten. Sie hasst Korinthenkacker und Paragrafenreiter.“ Katherine hob anerkennend den Daumen. „Ich fürchte, Captain, das sind Eigenschaften, mit denen Sie nicht gut klar kommen werden. Sie können von Glück reden, dass Sie nur ein paar Stunden mit ihr während der Übergabe zu tun haben werden.“

                              Verdutzt fiel Hopkins die Kinnlade herunter. „Ich verstehe Sie nicht, Captain.“

                              „Es gibt noch etwas, das Major Ballard viel mehr hasst. Wenn man sie mit Doktor Ballard anspricht“, hörte Hopkins eine neue Frauenstimme hinter sich sagen. Katherine kam hereingerauscht und setzte sich provokant auf Joans Tischkante. „Da wird sie fuchsteufelswild, Le-Loyd.“ Sie bedachte Hopkins mit einer albernen Grimasse.

                              Hopkins war nun vollends verwirrt und erhob sich von seinem Stuhl. „Und Sie sind?“

                              „Die leibhaftige …“, antwortete Katherine mit einem teuflischen Grinsen und streckte die Hand zur Begrüßung aus. „Kat Ballard. Gehen wir an die Arbeit, Lloyd, ich muss heute Abend ein Schiff kriegen.“

                              Ende







                              Epilog

                              Es war kalt auf der Fähre. Ein eisiger Wind wehte und die Möwen kreischten. Vom grauen Himmel über der Nordsee fiel ein feiner Nieselregen. Die junge Frau stand allein am Heck und schaute interessiert auf die Reling. Sie erkannte die Buchstaben S und N wieder, die vor einem Jahr in den Lack eingeritzt worden waren. Die Frau schlug den Kragen ihres warmen Mantels hoch und kuschelte sich in ihren weichen Schal. Es war dieselbe Fähre, mit der sie die Insel damals als freie und geläuterte Frau verlassen hatte. Und sie war damals in den ersten Wochen schwanger. Sie erinnerte sich an den Tag, als sie mit dem Mann, den sie liebte, die Insel verließ um mit ihm in eine neue Zukunft zu starten. Es war ein brütend heißer Tag gewesen und der Seewind hatte nur wenig Abkühlung gebracht.

                              „Du kommst also wieder zurück?“, hörte Nurara eine sanfte Männerstimme hinter sich. Sie sah sich um. Sam stand neben ihr, groß, schwarzhaarig und er hatte dieselben grünen Augen wie ihre gemeinsame Tochter Jelana.

                              „Ja, Sam. Ich fahre nach Hause. Dorthin, wo ich die schönste Zeit meines Lebens verbracht habe. Mit dir“, antwortete Nurara leise. Dann sagte sie traurig: „Ich habe mich nirgendwo anders so zu Hause gefühlt wie hier, aber ohne dich wird es nie wieder so sein.“

                              „Ich weiß, Nurara“, antwortete Sam lächelnd. „Aber du wirst mit Jelana eine schöne Zeit haben. Und mit Jelana bin ich immer bei dir.“

                              Nurara schaute wieder aufs Meer. Der Küstenstreifen des Festlandes war völlig im grauen Dunst verschwunden. „Ich werde dich nie vergessen, Sam. Niemals, solange ich lebe.“ Das Nebelhorn der Fähre dröhnte und zeigte an, dass das Schiff kurz vor der Hafeneinfahrt der Insel war. Nurara sah wieder zu Sam hinüber, aber er war nicht mehr da. „Niemals“, flüsterte sie.










                              Was wurde aus …


                              Hernando Rodriguez wurde von einem Militärgericht zum Tode verurteilt. Im Rahmen der Menschrechtskonventionen wurde die Todesstrafe in eine Haftstrafe von siebzig Jahren in einer Strafkolonie auf dem Plutomond Charon abgewandelt. Rodriguez wurde zum Gefreiten degradiert und unehrenhaft aus der Navy entlassen. Seine Frau und seine beiden Töchter im Alter von vierzehn und sechzehn Jahren leben heute von der Sozialhilfe.

                              Die Besatzungen der Courageous sowie die Überlebenden der Geleitschiffe wurden zu Haftstrafen zwischen fünf und zweiundvierzig Jahren verurteilt. Commander George Walker erhielt die Höchststrafe.

                              Jenny Simmons wurde zum Lieutenant Commander befördert und übernahm nach ihrer Rückkehr das Kommando über die Korvette Wrangler. Der Sergeant, der ihr das Leben gerettet hat, ist heute ihr Ehemann.

                              Danica Vukovic kündigte nach einigen Monaten ihren Job als Ausbildungsoffizier bei der Fliegerschule und ging zurück nach Serbien. Dort arbeitet sie als Betreuerin im Kinderheim ihres Heimatdorfes und macht eine Ausbildung zur Erzieherin. Ihren behandelnden Arzt hat sie mitgenommen. Gesundheitlich ist Danica völlig wiederhergestellt.

                              Joachim Becker zog sich aus dem aktiven Flottendienst zurück und setzte sich zur Ruhe. Er war niemals über den Verlust von Peter und Marijke hinweggekommen und starb am 22. Dezember des gleichen Jahres an Verbitterung und gebrochenem Herzen.

                              Povlek wurde einige Wochen nach Niederschlagung des Aufstandes Opfer eines Gewaltverbrechens in den Räumen seiner Bar. Ob der Mord in Zusammenhang mit seiner Rebellentätigkeit stand, ist bis heute ungeklärt.

                              Javeed Reebah wurde gefasst, als er versuchte, Sameda II zu verlassen. Ein samedanisches Gericht verurteilte ihn wegen Beihilfe zum Umsturz und Verrat zum Tode. Er wartet bis heute auf die Vollstreckung des Urteils.

                              Rachel gab ihren Job als Zivilangestellte bei der Navy auf. Sie ging nach New York, wo sie einen Bäcker kennenlernte. Mit ihm zusammen eröffnete sie ein kleines Café in Lower Manhattan, in der Nähe des Polizeipräsidiums. Rachels Cupcakes sind bis über die Grenzen von New York bekannt und Joan und Katherine gehören zu ihren besten Kundinnen.

                              Elena Marko und Abe Tovin fanden wieder zueinander und kümmern sich um ihren gemeinsamen Sohn Oliver.

                              Christopher Lafayette wurde unehrenhaft aus der Navy entlassen und zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Er arbeitet heute in einem Baustoffhandel im Nordosten Kanadas.

                              William Baxter und Maggie de Havilland heirateten im Frühling des Folgejahres und bekamen Zwillinge. Will arbeitet immer noch bei der Weltraumpolizei, Maggie geht in ihrer Mutterrolle auf und ist zum zweiten Mal schwanger. Sie leben zufrieden in Texas.

                              Nachdem das Sonnensystem und das Samedi-System offiziell diplomatische Beziehungen aufgenommen hatten, ging Boolen in die Politik und arbeitet nun in leitender Funktion im Auswärtigen Amt. Lilla übernahm die Leitung des Geheimdienstes. Sie unterhält bis heute eine sehr freundschaftliche Beziehung zu Joan.

                              Joan kehrte mit Curtis noch einmal nach Sameda II zurück und ließ sich weiteren Liquor cerebrospinalis entnehmen. Der Impfstoff zur Bekämpfung des Gendefektes konnte erfolgreich hergestellt werden und zeigt Wirkung.

                              Nurara schrieb erfolgreich ihre Doktorarbeit in theoretischer Physik und kaufte das Haus auf der Nordseeinsel Baltrum, in dem sie während ihrer Resozialisierung gewohnt hatte. Sie lebt dort zurzeit glücklich mit ihrer Tochter und ihrer Mutter und arbeitet weiter an ihren technischen Entdeckungen. Sie hält regelmäßigen Kontakt zu Joan, Curtis, Katherine und Jonathan McCabe, über Details ihrer Arbeit schweigt sie sich jedoch beharrlich aus.

                              Von Kuolun und seiner neuen Begleiterin Fesil fehlt jede Spur.
                              Für mich ist Gleichberechtigung dann erreicht, wenn es genauso viele weibliche wie männliche Idioten gibt.

                              Mission accomplished.

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                                Dann ging Joan auf Danica zu und nahm sie fest in ihre Arme.
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                                Die Sternenflotte bescheinigt hiermit, dass zur Erzeugung dieses Textes kein Rothemd gemeuchelt, gephasert, erstochen, erschlagen, gesteinigt, transporterverunfallt noch in irgendeiner anderen Weise grob ausgebeutet, misshandelt oder an körperlicher oder geistiger Unversehrtheit geschädigt wurde.

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