Boolen saß mit Lilla und den Menschen um das Lagerfeuer herum und ließ sich von den Neuankömmlingen auf den neuesten Stand bringen. Sie aßen und tranken und die Stimmung war trotz der Verluste, die die Samedaner während der Schießerei erlitten hatten, gut. Auch Danica und Peter wirkten nach ihrer Aussprache etwas gelöster, obwohl man Danica ansehen konnte, dass sie geweint hatte. Curtis hatte eine Nachricht von Grag und Otho bekommen, dass die Comet wieder weitestgehend repariert und auch in der Atmosphäre flugtauglich war. Man hatte sich verabredet, nach Sameda zu fliegen, um Curtis und Joan für den Rückflug zur Flotte einzusammeln. Nurara hatte daraufhin erklärt, ebenfalls abzufliegen, sie hatte Sehnsucht nach ihrer Tochter. Außerdem hatte sie ursprünglich vor, nach einem neuen Heim für sich, ihre Tochter und ihre Mutter zu suchen. Dem wollte sie nun endlich nachgehen. Nurara hasste große Abschiedsszenen. Eine Umarmung hier, ein Händeschütteln da, ein paar freundliche Worte und sie ging schnellen Schrittes zu ihrem Schiff. Plötzlich hörte sie jemanden hinter sich nach ihr rufen. Es war Peter. „Nurara, warte bitte. Einen Moment nur.“
Lächelnd drehte sich Nurara zu ihm um. „Ja? Was ist denn, Peter?“
„Nurara, es ist so, du hast doch mitbekommen, dass ich vorhin mit Danica gesprochen habe. Wir sind uns einig.“
Nurara schmunzelte und steckte die Hände in die Taschen ihrer Lederjacke. „So? Seid ihr das? Und was habe ich damit zu tun?“, fragte sie belustigt.
„Ich bin mir jetzt über meine Gefühle im Klaren. Danica und ich …“
„Ja?“ Nurara zog interessiert eine Augenbraue hoch und grinste immer noch.
„Sie hat mir von eurem Gespräch heute Nachmittag erzählt und dass du ihr gesagt hast, du würdest eine Entscheidung von mir abwarten.“
„Aha?“
Peter atmete einmal tief durch. „Hör zu, Nurara. Danica und ich gehen nach dieser Geschichte hier getrennte Wege, ein für alle Mal … und ich habe mich gefragt, ob wir beide …“
„Ja, Peter?“ Nuraras Grinsen wurde immer breiter.
„Ob wir uns wiedersehen werden. Ich würde dich sehr gerne wiedersehen.“
Mit einem Male wurde Nuraras Miene ernst, was bei Peter für eine Sekunde erschrecken ließ, doch ganz unvermittelt lächelte Nurara wieder. Sie trat an ihn heran, zog ihn zu sich und gab ihm einen langen, innigen Kuss. „Ich würde dich am liebsten hier und jetzt in mein Schiff packen und mitnehmen, aber du wirst hier noch gebraucht“, flüsterte sie und griff in ihre Hosentasche. „Hier, Peter. Damit kannst du mich erreichen, jederzeit. Und denk an mich! Viel Glück!“ Sie küsste ihn noch einmal und fuhr sanft mit ihren Fingernägeln über seine Bartstoppeln. „Fünfzehn Meter Sicherheitsabstand vom Schiff, Major!“, raunte sie und stieß ihn sanft von sich. Nurara stieg die Rampe hoch und verschloss die Luke, während Peter sich rückwärtsgehend aus dem Gefahrenbereich der Devil entfernte. Er schaute in seine Hand und fand ein kleines Medaillon zum Aufklappen. Er öffnete es und entdeckte darin ein Hologramm von Nurara und einem kleinen, schwarzhaarigen Mädchen von etwa sechs Monaten. Auf der anderen Seite war ein kleiner Datenchip eingehängt.
Die Triebwerke der Up jumped the Devil fuhren mit einem hellen Sirren hoch, welches sich sofort in ein lautes Fauchen verwandelte. Sanft erhob sich die sechzig Meter lange, dunkelgraue Yacht in die Höhe, wendete und flog mit wackelnden Tragflächen zum Gruß in den schwarzen Nachthimmel. Peter sah den leuchtenden Triebwerken noch lange nach, bis ihr Licht in der Dunkelheit verblasste.
Die letzte Erschütterung deckte Marijke mit weiteren Trümmern zu. Es war unmöglich, die Frau zu befreien. „Jetzt nimm es endlich, Kat. Verschwinde und gib es Joan! Bitte!“ Die Flammenwand war nur noch drei Meter entfernt, die Hitze wurde unerträglich. Mit zitternden Händen nahm Katherine das Mäppchen entgegen und steckte es ein. Dann strich sie noch einmal Marijke über den blonden Schopf. Marijke packte Katherines Hand und flüsterte: „Danke, Kat. Danke, dass wir uns kennenlernen durften.“ Sie lächelte.
Kräftige Hände rissen Katherine auf die Füße. Es war Romanow. „Wir müssen hier weg, Major! Kommen Sie!“, brüllte er gegen den Lärm. Gerade noch rechtzeitig, denn mit der nächsten Erschütterung brach die gesamte Decke über Marijke ein und verschüttete sie vollständig. Die Flammen versengten beinahe die Gesichter der vier Polizisten. „Lauft! Lauft!“, schrie Romanow und zog Katherine brutal hinter sich her, wobei er ihr fast den Arm auskugelte. Sie schafften es mit letzter Kraft, die Bodenluke des Niedergangs zum Hangardeck über sich zu schließen, als die Feuerwalze über sie hinweg rollte.
Das Tor zum Hangar stand weit offen, der Hangar selbst glich einem Schlachtfeld. Eine abgestellte, defekte Super Sabre war von herabfallenden Trümmerteilen so zerquetscht worden, dass man nur noch an der Bugspitze, die im steilen Winkel in die Höhe zeigte, erkennen konnte, dass dieser Schrottberg einmal ein Raumschiff gewesen war.
Maggie de Havilland hatte den Teardrop dicht an der Rumpfkante geparkt. Die Triebwerke liefen bereits. Im Laufschritt gingen die Polizisten an Bord, Romanow mit Katherine im Schlepptau, danach John und Baxter als Schlusslicht. Baxter schlug mit der Faust auf den Notknopf der Luke, worauf hin sich sie blitzschnell verschloss. Völlig außer Atem brüllte er Maggie an: „Los, starten Sie! Raus hier, sofort!“ Dann ließ er sich in den Co-Pilotensitz fallen. Die anderen verschwanden in die Passagierkabine. Maggie hob ab, wendete den Teardrop und flog mit Vollgas aus dem Hangar.
Baxter sah keuchend aus der Sichtkuppel und beobachtete mit Schrecken, wie die Decks der Tennessee in sich zusammenstürzten. „Scheiße, Mann, das war keine Sekunde zu früh“, flüsterte er und sein Blick wanderte in die andere Richtung, hinüber zu einem wunderschönen Gesicht mit großen grünen Augen, ein paar süßen Sommersprossen, umrahmt von goldblonden Locken.
Maggie grinste Baxter breit an. „Aus welcher Scheißecke von Texas kommst du denn?“, fragte sie nur.
Baxter sah die bildhübsche Pilotin verstört an. „Häh? Aus Corpus Christi.“
Maggie kicherte. „Das hört man. Ich bin Maggie. Houston.“
Ein Lächeln huschte über Baxters schmutziges und verschwitztes Gesicht. „William, Will. Freut mich, Maggie!“
„Und mich erst, Will!“, antwortete Maggie verschmitzt und betonte Baxters Vornamen während sie Kurs auf die Alabama nahm. Hinter ihnen brachen die Decks der Tennessee mit kleineren Explosionen vollends in sich zusammen. Der gesamte Bereich, der einmal Brücke und Offiziersunterkünfte gewesen war, sackte in den Rumpf. Ein gewaltiger Riss zog sich über die Oberseite des Schlachtkreuzers bis hin zu dem riesigen Triebwerkskomplex, der im selben Moment abbrach, als der Mittelteil von innen heraus nach außen gedrückt wurde. Die Triebwerke drehten sich um einhundertachtzig Grad und krachten mit der Wucht eines überdimensionalen Dampfhammers von unten in den Rumpf, woraufhin sie mit einem grellen Lichtblitz explodierten. Die freigesetzte Energie des Antriebskerns zerriss den Rest des geschundenen Schiffes in einer weiteren, noch heftigeren Explosion. Die Tennessee existierte nicht mehr.
Commander Dörner kam ohne Meldung in die Tageskabine von Admiral Taggart gestürzt. „Sir“, rief er atemlos. „Gute Nachrichten. Teardrop Zwei ist auf dem Rückweg. Die Polizisten sind in Sicherheit und sie haben Rodriguez!“
Taggart und Becker sprangen von ihren Sesseln auf. „Das ist ja großartig, Dörner!“ Taggart zog die Augenbrauen zusammen, als er in die bedrückte Miene des Schiffskommandanten blickte. „Aber da ist noch etwas, Dörner?“
Dörner senkte etwas mutlos den Kopf. „Ja, Sir. Es tut mir Leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass kurz nach dem Start des Teardrops die Tennessee explodiert ist. Wir alle wissen, was Ihnen das Schiff bedeutet hat …“
Taggart trat auf Dörner zu und legte dem Südafrikaner väterlich eine Hand auf die Schulter. „Ist schon in Ordnung, Dörner. Ja, dieses Schiff war zehn Jahre lang mein zweites zu Hause, aber wichtiger ist im Augenblick, dass es alle lebend verlassen haben, auch Rodriguez.“
„Sir“, antwortete Dörner betrübt, „in den letzten Sekunden der Evakuierung hat es leider noch ein Todesopfer gegeben. Colonel Marko hat uns gemeldet, dass die legitime Kommandantin, Captain Marijke van den Bosch, leider auf dem Schiff geblieben ist. Sie wurde durch herabfallende Trümmer verschüttet. Man konnte nichts mehr für sie tun.“
Becker wurde in diesem Moment kreidebleich, sein Whiskeyglas rutschte aus der Hand und fiel klirrend zu Boden. „W-was? M-Marijke ist tot?“, presste er heraus. Tränen stiegen Becker in die Augen. Er musste sich setzen und schlug die Hände vors Gesicht. „Das ist nicht wahr! Sagen Sie, dass das nicht wahr ist! Sie war wie eine Tochter für mich!“
Commander Dörner salutierte vor dem Admiral und verließ die Kabine. Taggart sah seinen ehemaligen Ersten Offizier mitfühlend an. „Es tut mir so leid, Jo“, flüsterte er.
Dicke Tränen liefen Katherines Wangen herab. Sie schwieg, sie schluchzte nicht und sie sprach nicht ein Wort. Sie starrte nur mit tränenverhangenem Blick minutenlang vor sich hin. Sie nahm nicht einmal wahr, dass John, der ihr gegenüber saß, versuchte, tröstend auf sie einzureden. Sie hörte ihn einfach nicht. Wie automatisch griff sie in die Tasche und zog heraus, was Marijke ihr in den letzten Sekunden vor ihrem grässlichen Tod gegeben hatte. Das kleine, hellbraune, abgewetzte Ledermäppchen. Katherine klappte es auf und fand zwei alte, abgegriffene Papierfotos darin. Sie zeigten zwei junge, glückliche Mädchen mit langen blonden Haaren, die um die Wette lächelten. Das ältere Mädchen hatte eine frappierende Ähnlichkeit mit ihrer besten Freundin und engsten Vertrauten – Joan. Jetzt verstand Katherine. Sie verstand alles. Einen Moment stutzte Katherine. Unter einem Foto befand sich etwas Erhabenes, etwas Quadratisches. Sie schob einen Finger unter das Foto und zog ein ordentlich gefaltetes Stück Papier heraus. Es war ein Notizzettel mit dem Schiffswappen der SSDF Tennessee BB36 – der offiziellen Bezeichnung des Schlachtkreuzers. Darauf war eine Nachricht, geschrieben in der schönen, geschwungenen Handschrift einer Frau.
Liebe Joan,
wenn du diese Nachricht von mir erhalten solltest, werden wir uns wohl nicht mehr wiedersehen. Die Zeit war leider kurz, um dir zu sagen, was ich dir gerne alles gesagt hätte. Ich habe mehr als nur meine Schwester in dir wiedererkannt. Du siehst nicht nur aus wie sie, deine ganze Art, dein Wesen, deine Lebensfreude, all das hat mich immer wieder an sie erinnert. Ich hätte dich so gern als meine Schwester angenommen – aber es sollte wohl nicht sein. Wenn du dies liest, bin ich wieder bei ihr. Joan, ich bin dem Herrn so dankbar, dass ich dich kennenlernen durfte. Bitte behalte mich in deinem Herzen und hab ein gutes Leben, Joan. Richte bitte Katherine aus, dass sie verdammt nochmal auf dich aufpassen soll. Eine bessere Freundin als Kat findest du im ganzen Universum nicht noch einmal.
Ich liebe dich!
Rijke
P.S. Sie hieß Josefine, wir nannten sie immer Fintje
Tränen tropften auf das Papier und ließen die Tinte verlaufen. Schnell faltete Katherine die Nachricht wieder zusammen und steckte sie ins Mäppchen zurück. John hatte es aufgegeben, Katherine aus ihrer Lethargie herauszuholen. Er starrte nur noch vor sich hin. Katherine bedeutete dem Space Ranger, der neben John saß, die Plätze zu tauschen und so setzte sie sich neben ihn und legte ihren Kopf an seine Schulter. „Schön, dass du da bist, Cowboy“, flüsterte sie, während sie sich an ihn kuschelte und die Augen schloss. Katherine weinte nicht mehr.
Mich machen diese Zeilen jedes Mal aufs neue traurig, wenn ich sie lese. Sogar meine Frau - die Meuterei regelrecht verschlungen hat - hat an dieser Stelle wirklich und ehrlich geweint.
Leider muss es so sein. Es tut mir unsagbar Leid. Ich mochte Marijke auch als Charakter sehr, aber ich kann sie nicht alle bis zum Ende mitschleppen. Dafür dürft ihr euch noch etwas mehr über Rodriguez ärgern, der ist Schuld an Marijkes Tod.
Lächelnd drehte sich Nurara zu ihm um. „Ja? Was ist denn, Peter?“
„Nurara, es ist so, du hast doch mitbekommen, dass ich vorhin mit Danica gesprochen habe. Wir sind uns einig.“
Nurara schmunzelte und steckte die Hände in die Taschen ihrer Lederjacke. „So? Seid ihr das? Und was habe ich damit zu tun?“, fragte sie belustigt.
„Ich bin mir jetzt über meine Gefühle im Klaren. Danica und ich …“
„Ja?“ Nurara zog interessiert eine Augenbraue hoch und grinste immer noch.
„Sie hat mir von eurem Gespräch heute Nachmittag erzählt und dass du ihr gesagt hast, du würdest eine Entscheidung von mir abwarten.“
„Aha?“
Peter atmete einmal tief durch. „Hör zu, Nurara. Danica und ich gehen nach dieser Geschichte hier getrennte Wege, ein für alle Mal … und ich habe mich gefragt, ob wir beide …“
„Ja, Peter?“ Nuraras Grinsen wurde immer breiter.
„Ob wir uns wiedersehen werden. Ich würde dich sehr gerne wiedersehen.“
Mit einem Male wurde Nuraras Miene ernst, was bei Peter für eine Sekunde erschrecken ließ, doch ganz unvermittelt lächelte Nurara wieder. Sie trat an ihn heran, zog ihn zu sich und gab ihm einen langen, innigen Kuss. „Ich würde dich am liebsten hier und jetzt in mein Schiff packen und mitnehmen, aber du wirst hier noch gebraucht“, flüsterte sie und griff in ihre Hosentasche. „Hier, Peter. Damit kannst du mich erreichen, jederzeit. Und denk an mich! Viel Glück!“ Sie küsste ihn noch einmal und fuhr sanft mit ihren Fingernägeln über seine Bartstoppeln. „Fünfzehn Meter Sicherheitsabstand vom Schiff, Major!“, raunte sie und stieß ihn sanft von sich. Nurara stieg die Rampe hoch und verschloss die Luke, während Peter sich rückwärtsgehend aus dem Gefahrenbereich der Devil entfernte. Er schaute in seine Hand und fand ein kleines Medaillon zum Aufklappen. Er öffnete es und entdeckte darin ein Hologramm von Nurara und einem kleinen, schwarzhaarigen Mädchen von etwa sechs Monaten. Auf der anderen Seite war ein kleiner Datenchip eingehängt.
Die Triebwerke der Up jumped the Devil fuhren mit einem hellen Sirren hoch, welches sich sofort in ein lautes Fauchen verwandelte. Sanft erhob sich die sechzig Meter lange, dunkelgraue Yacht in die Höhe, wendete und flog mit wackelnden Tragflächen zum Gruß in den schwarzen Nachthimmel. Peter sah den leuchtenden Triebwerken noch lange nach, bis ihr Licht in der Dunkelheit verblasste.
Die letzte Erschütterung deckte Marijke mit weiteren Trümmern zu. Es war unmöglich, die Frau zu befreien. „Jetzt nimm es endlich, Kat. Verschwinde und gib es Joan! Bitte!“ Die Flammenwand war nur noch drei Meter entfernt, die Hitze wurde unerträglich. Mit zitternden Händen nahm Katherine das Mäppchen entgegen und steckte es ein. Dann strich sie noch einmal Marijke über den blonden Schopf. Marijke packte Katherines Hand und flüsterte: „Danke, Kat. Danke, dass wir uns kennenlernen durften.“ Sie lächelte.
Kräftige Hände rissen Katherine auf die Füße. Es war Romanow. „Wir müssen hier weg, Major! Kommen Sie!“, brüllte er gegen den Lärm. Gerade noch rechtzeitig, denn mit der nächsten Erschütterung brach die gesamte Decke über Marijke ein und verschüttete sie vollständig. Die Flammen versengten beinahe die Gesichter der vier Polizisten. „Lauft! Lauft!“, schrie Romanow und zog Katherine brutal hinter sich her, wobei er ihr fast den Arm auskugelte. Sie schafften es mit letzter Kraft, die Bodenluke des Niedergangs zum Hangardeck über sich zu schließen, als die Feuerwalze über sie hinweg rollte.
Das Tor zum Hangar stand weit offen, der Hangar selbst glich einem Schlachtfeld. Eine abgestellte, defekte Super Sabre war von herabfallenden Trümmerteilen so zerquetscht worden, dass man nur noch an der Bugspitze, die im steilen Winkel in die Höhe zeigte, erkennen konnte, dass dieser Schrottberg einmal ein Raumschiff gewesen war.
Maggie de Havilland hatte den Teardrop dicht an der Rumpfkante geparkt. Die Triebwerke liefen bereits. Im Laufschritt gingen die Polizisten an Bord, Romanow mit Katherine im Schlepptau, danach John und Baxter als Schlusslicht. Baxter schlug mit der Faust auf den Notknopf der Luke, worauf hin sich sie blitzschnell verschloss. Völlig außer Atem brüllte er Maggie an: „Los, starten Sie! Raus hier, sofort!“ Dann ließ er sich in den Co-Pilotensitz fallen. Die anderen verschwanden in die Passagierkabine. Maggie hob ab, wendete den Teardrop und flog mit Vollgas aus dem Hangar.
Baxter sah keuchend aus der Sichtkuppel und beobachtete mit Schrecken, wie die Decks der Tennessee in sich zusammenstürzten. „Scheiße, Mann, das war keine Sekunde zu früh“, flüsterte er und sein Blick wanderte in die andere Richtung, hinüber zu einem wunderschönen Gesicht mit großen grünen Augen, ein paar süßen Sommersprossen, umrahmt von goldblonden Locken.
Maggie grinste Baxter breit an. „Aus welcher Scheißecke von Texas kommst du denn?“, fragte sie nur.
Baxter sah die bildhübsche Pilotin verstört an. „Häh? Aus Corpus Christi.“
Maggie kicherte. „Das hört man. Ich bin Maggie. Houston.“
Ein Lächeln huschte über Baxters schmutziges und verschwitztes Gesicht. „William, Will. Freut mich, Maggie!“
„Und mich erst, Will!“, antwortete Maggie verschmitzt und betonte Baxters Vornamen während sie Kurs auf die Alabama nahm. Hinter ihnen brachen die Decks der Tennessee mit kleineren Explosionen vollends in sich zusammen. Der gesamte Bereich, der einmal Brücke und Offiziersunterkünfte gewesen war, sackte in den Rumpf. Ein gewaltiger Riss zog sich über die Oberseite des Schlachtkreuzers bis hin zu dem riesigen Triebwerkskomplex, der im selben Moment abbrach, als der Mittelteil von innen heraus nach außen gedrückt wurde. Die Triebwerke drehten sich um einhundertachtzig Grad und krachten mit der Wucht eines überdimensionalen Dampfhammers von unten in den Rumpf, woraufhin sie mit einem grellen Lichtblitz explodierten. Die freigesetzte Energie des Antriebskerns zerriss den Rest des geschundenen Schiffes in einer weiteren, noch heftigeren Explosion. Die Tennessee existierte nicht mehr.
Commander Dörner kam ohne Meldung in die Tageskabine von Admiral Taggart gestürzt. „Sir“, rief er atemlos. „Gute Nachrichten. Teardrop Zwei ist auf dem Rückweg. Die Polizisten sind in Sicherheit und sie haben Rodriguez!“
Taggart und Becker sprangen von ihren Sesseln auf. „Das ist ja großartig, Dörner!“ Taggart zog die Augenbrauen zusammen, als er in die bedrückte Miene des Schiffskommandanten blickte. „Aber da ist noch etwas, Dörner?“
Dörner senkte etwas mutlos den Kopf. „Ja, Sir. Es tut mir Leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass kurz nach dem Start des Teardrops die Tennessee explodiert ist. Wir alle wissen, was Ihnen das Schiff bedeutet hat …“
Taggart trat auf Dörner zu und legte dem Südafrikaner väterlich eine Hand auf die Schulter. „Ist schon in Ordnung, Dörner. Ja, dieses Schiff war zehn Jahre lang mein zweites zu Hause, aber wichtiger ist im Augenblick, dass es alle lebend verlassen haben, auch Rodriguez.“
„Sir“, antwortete Dörner betrübt, „in den letzten Sekunden der Evakuierung hat es leider noch ein Todesopfer gegeben. Colonel Marko hat uns gemeldet, dass die legitime Kommandantin, Captain Marijke van den Bosch, leider auf dem Schiff geblieben ist. Sie wurde durch herabfallende Trümmer verschüttet. Man konnte nichts mehr für sie tun.“
Becker wurde in diesem Moment kreidebleich, sein Whiskeyglas rutschte aus der Hand und fiel klirrend zu Boden. „W-was? M-Marijke ist tot?“, presste er heraus. Tränen stiegen Becker in die Augen. Er musste sich setzen und schlug die Hände vors Gesicht. „Das ist nicht wahr! Sagen Sie, dass das nicht wahr ist! Sie war wie eine Tochter für mich!“
Commander Dörner salutierte vor dem Admiral und verließ die Kabine. Taggart sah seinen ehemaligen Ersten Offizier mitfühlend an. „Es tut mir so leid, Jo“, flüsterte er.
Dicke Tränen liefen Katherines Wangen herab. Sie schwieg, sie schluchzte nicht und sie sprach nicht ein Wort. Sie starrte nur mit tränenverhangenem Blick minutenlang vor sich hin. Sie nahm nicht einmal wahr, dass John, der ihr gegenüber saß, versuchte, tröstend auf sie einzureden. Sie hörte ihn einfach nicht. Wie automatisch griff sie in die Tasche und zog heraus, was Marijke ihr in den letzten Sekunden vor ihrem grässlichen Tod gegeben hatte. Das kleine, hellbraune, abgewetzte Ledermäppchen. Katherine klappte es auf und fand zwei alte, abgegriffene Papierfotos darin. Sie zeigten zwei junge, glückliche Mädchen mit langen blonden Haaren, die um die Wette lächelten. Das ältere Mädchen hatte eine frappierende Ähnlichkeit mit ihrer besten Freundin und engsten Vertrauten – Joan. Jetzt verstand Katherine. Sie verstand alles. Einen Moment stutzte Katherine. Unter einem Foto befand sich etwas Erhabenes, etwas Quadratisches. Sie schob einen Finger unter das Foto und zog ein ordentlich gefaltetes Stück Papier heraus. Es war ein Notizzettel mit dem Schiffswappen der SSDF Tennessee BB36 – der offiziellen Bezeichnung des Schlachtkreuzers. Darauf war eine Nachricht, geschrieben in der schönen, geschwungenen Handschrift einer Frau.
Liebe Joan,
wenn du diese Nachricht von mir erhalten solltest, werden wir uns wohl nicht mehr wiedersehen. Die Zeit war leider kurz, um dir zu sagen, was ich dir gerne alles gesagt hätte. Ich habe mehr als nur meine Schwester in dir wiedererkannt. Du siehst nicht nur aus wie sie, deine ganze Art, dein Wesen, deine Lebensfreude, all das hat mich immer wieder an sie erinnert. Ich hätte dich so gern als meine Schwester angenommen – aber es sollte wohl nicht sein. Wenn du dies liest, bin ich wieder bei ihr. Joan, ich bin dem Herrn so dankbar, dass ich dich kennenlernen durfte. Bitte behalte mich in deinem Herzen und hab ein gutes Leben, Joan. Richte bitte Katherine aus, dass sie verdammt nochmal auf dich aufpassen soll. Eine bessere Freundin als Kat findest du im ganzen Universum nicht noch einmal.
Ich liebe dich!
Rijke
P.S. Sie hieß Josefine, wir nannten sie immer Fintje
Tränen tropften auf das Papier und ließen die Tinte verlaufen. Schnell faltete Katherine die Nachricht wieder zusammen und steckte sie ins Mäppchen zurück. John hatte es aufgegeben, Katherine aus ihrer Lethargie herauszuholen. Er starrte nur noch vor sich hin. Katherine bedeutete dem Space Ranger, der neben John saß, die Plätze zu tauschen und so setzte sie sich neben ihn und legte ihren Kopf an seine Schulter. „Schön, dass du da bist, Cowboy“, flüsterte sie, während sie sich an ihn kuschelte und die Augen schloss. Katherine weinte nicht mehr.
Mich machen diese Zeilen jedes Mal aufs neue traurig, wenn ich sie lese. Sogar meine Frau - die Meuterei regelrecht verschlungen hat - hat an dieser Stelle wirklich und ehrlich geweint.
Leider muss es so sein. Es tut mir unsagbar Leid. Ich mochte Marijke auch als Charakter sehr, aber ich kann sie nicht alle bis zum Ende mitschleppen. Dafür dürft ihr euch noch etwas mehr über Rodriguez ärgern, der ist Schuld an Marijkes Tod.
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