17. Überraschungen
Während des gesamten Essens, ertappte sich Curtis dabei, wie er Teena immer wieder bewundernd anstarrte. Er hatte noch nie eine derart beeindruckende Person kennengelernt, schon gar keine Frau. Zu seinem Bedauern konnten sie sich nicht unterhalten, er saß ihr schräg gegenüber. Und es gab so viele Dinge die er ihr sagen wollte, private Dinge.
Nur gelegentlich blickte sie mit ihren dunklen Augen in seine Richtung und lächelte sanft.
Als sie sich nach dem Dessert kurz entschuldigte, aufstand und Richtung Toilette steuerte, bemerkte er daß die Blicke von fast allen Männern im Raum ihr folgten. Und die Art wie sie ihr nachsahen gefiel ihm ganz und gar nicht.
Er mußte hier raus!
Nicht nur, daß er sich entsetzlich langweilte. Es sah auch nicht danach aus, als würde er die Gelegenheit bekommen mit Teena ungestört ein paar Worte reden zu können. Zusätzlich versuchte die Frau neben ihm, ihn ständig über sich auszufragen, und das wurde langsam lästig.
Er erhob sich und ging nach draußen auf den Balkon. Später sollte es noch ein Feuerwerk geben. Vielleicht gab es hier ja einen ruhigen Platz, von wo aus er das ungestört beobachten konnte.
Er hatte gerade seitlich neben der Hauptterrasse hinter einer großen Topfpflanze Stellung bezogen und starrte auf das nächtliche New York, als er eine leise Stimme hinter sich hörte.
„Sie haben wohl auch die Flucht ergriffen? Also ehrlich, noch eine Sekunde länger da drin und ich raste aus.“ Teena trat neben ihn, lehnte sich mit einem Seufzer gegen die Brüstung und blickte ebenfalls auf die Stadt hinunter.
„Warum wollten sie mich vorhin davon abhalten ihnen zu folgen?“ Curtis war zusammengezuckt, als er ihre Stimme hörte, fing sich aber wieder sehr schnell.
„Sie haben mich wirklich gehört? Ich war mir nicht ganz sicher... .
Außerdem hätten sie doch gar nichts tun können. Es waren einfach zu viel Menschen im Raum.“
„Sie hätten verletzt werden können, oder sogar getötet.“ Seine grauen Augen blickten sie voller Wärme an.
„Das Risiko mußte ich eingehen, unsere Technologie darf nicht in falsche Hände gelangen.“
Sie beugte sich wieder ein wenig nach vorne über die Brüstung. „Von hier oben sieht die Stadt so friedlich aus und tagsüber...“ sie schüttelte sich. Dann blickte sie zur Mondsichel hinauf.
„Ich glaube, ich kann wirklich verstehen warum sie lieber da oben sind. Und vor allem, warum sie solchen Dingen“, sie deutete mit dem Daumen über ihre Schulter Richtung Saal, „lieber aus dem Weg gehen. Und streiten sie es bloß nicht ab, ich konnte ihr Unbehagen während des Essens deutlich spüren.“
Curtis lachte verschmitzt. „Da haben sie mich wohl erwischt. Aber ernsthaft“, er blickte auch zum Mond hinauf, „wenn sie nach der Aufregung heute mal ein wenig Ruhe genießen wollen... . Ich würde sie gerne auf meine Mondbasis einladen.“ Curtis´ Stimme zitterte ein wenig, vor Anspannung.
Wie würde sie jetzt reagieren?
Teena drehte ihm das Gesicht zu. „Eigentlich ganz gerne, ich weiß schon gar nicht mehr wie man Ausschlafen buchstabiert. Da gibt es nur eine Bedingung.“
„Und die wäre?“ Curtis befürchtete schon Schlimmstes. Würde sie jetzt den Rest der Besatzung mit einbeziehen? Er wollte mit ihr alleine sein.
„Nun, Captain Future, ich sage erst zu, wenn DU mir deinen richtigen Namen verrätst.“ Sie lächelte und blickte ihn mit großen Augen abwartend an.
„Ich,... äh...Newton. Curtis Newton.“ zum Glück konnte sie in der Dunkelheit dieser Nische in der sie standen nicht sehen, daß er rot wurde.
„Curtis“, flüsterte sie leise und drehte sich wieder dem Stadtpanorama zu. „Doch ja, der Name paßt irgendwie zu dir.“
Erfreut stellte er fest, daß sie ihn jetzt duzte.
Plötzlich flammte der Himmel über ihnen wie von einem Blitz taghell erleuchtet auf und gleichzeitig war ein lauter Knall zu hören, gefolgt von weiteren buntfarbigen Kaskaden. Das Feuerwerk hatte begonnen.
Erschrocken machte Teena mit weit aufgerissenen Augen einen Schritt zur Seite und prallte gegen ihn. In einem Reflex fing er sie ab. Seine linke Hand hielt sie am Oberarm und seine rechte Hand stützte von hinten ihre Hüfte.
Anstatt sich sofort wieder von ihm zu lösen, blieb sie jedoch stehen und starrte stumm auf das Lichtspiel am Himmel.
Er spürte, wie sie sich ganz langsam entspannte und sich mit ihrem Rücken leicht an seine Brust lehnte.
Inzwischen waren auch die anderen Gäste auf die Terrasse geströmt, um das Feuerwerk zu betrachten. Da sie aber von der großen, dichtgewachsenen Pflanze verdeckt wurden, beachtete sie niemand.
Curtis wagte kaum zu atmen, seine Gedanken rasten, für das Feuerwerk über ihnen hatte er keinen Blick übrig. Er war Teena noch nie so nah gewesen und sie machte keine Anstalten sich von ihm zu lösen.
Ganz im Gegenteil.
Verwundert spürte er, wie ihre Finger nach seinem rechten Handgelenk tasteten, es umklammerten. Dann zog sie mit einer sanften Bewegung daran, bis seine Hand auf ihrem Bauch ruhte. Sie ließ ihre Hand auf seiner liegen und verschränkte leicht ihre Finger mit den seinen. Gleichzeitig entspannte sie sich völlig in dieser jetzt sehr engen Umarmung.
Curtis beugte sich leicht nach vorne und während er leise „Teena.“ flüsterte, rieb er seine Nase an ihrem Hals und küßte sie dann sanft unterhalb des Ohres. Er konnte deutlich spüren, wie ihr ein Schauer über den ganzen Körper lief.
„Ach, Curtis. Warum muß das Leben nur so kompliziert sein?“ ,Teena seufzte leise. „Ich empfinde so viel für dich, mehr als gut ist für mich. Und doch ist es völlig sinnlos. Wir werden in ein paar Tagen abfliegen und es ist äußerst unwahrscheinlich, daß ich jemals hierher zurückkehre.“
Sie drückte sich noch enger an ihn und umklammerte seine Hand.
„Ich wünschte, ich könnte hierbleiben, aber ich kann nicht.
Galleo weigert sich nach wie vor Befehle von Captain Pallik auszuführen, wenn ich sie nicht vorher gegenbestätige. Außerdem habe ich ihm versprochen, daß ich ihn nach Endara begleite, wenn er seine Rechte als Individuum beim Hohen Rat einfordert.
Und dann ist da noch meine Familie, sie werden glauben, daß ich tot bin. Über sieben Monate ohne eine Lebenszeichen... .“
Curtis blinzelte verwirrt über dieses überraschende Geständnis ihrer Gefühle für ihn und schluckte trocken. „Dann laß uns wenigstens die Zeit genießen, die uns zusammen bleibt.“
Teena drehte sich in seinen Armen zu ihm herum und blickte ihm tief in die Augen.
Curtis beugte sich ein wenig herab und küßte sie ganz zaghaft kurz auf die Lippen. Als er mit seinem Kopf leicht zurückwich, schob Teena eine Hand in seinen Nacken und zog ihn erneut an sich heran.
Minutenlang standen sie so völlig regungslos und küßten sich zunehmend leidenschaftlicher. Über ihnen explodierte der Himmel in bunten Farbspielen.
Endlich löste sich Curtis sanft von ihr. „Glaubst du es wäre sehr unhöflich, wenn wir hier verschwinden?"
„Wir werden es nicht schaffen, unauffällig durch den Saal zu kommen.“
„Warum nicht? Alle sind viel zu sehr mit dem Feuerwerk beschäftigt.“ Curtis blickte nach links zur Hauptterrasse. Dann spähte er durch das große Fenster hinter ihnen in den Speisesaal. Lediglich ein paar Bedienstete waren mit Aufräumarbeiten beschäftigt.
Er griff nach Teenas Hand, öffnete die gläserne Seitentür und zog sie hinter sich her. Mit schnellen Schritten durchquerten sie den Saal und den Empfangsraum davor. Die wenigen Leute, denen sie begegneten, warfen ihnen nur erstaunte Blicke zu, hielten sie aber nicht auf.
Endlich hatten sie die Aufzüge erreicht und stürzten sich hinein.
„Und wohin jetzt?“ Curtis zog Teena wieder in eine Umarmung und küßte sie erneut.
„Nun, ich würde sagen, das ist der kürzeste Weg.“ Teena löste sich kurz von ihm und tippte auf die Etagenzahl ihres Gästezimmers.
Sie hatten kaum Teenas Suite betreten, als Curtis erschrocken zusammenzuckte. Direkt über seinem Kopf schwebte eine kleine Kugel, knapp unter der Decke.
„Was ist denn das?“
„Oh, das ist ein kleines Geschenk von Galleo. Er weiß, daß ich es hasse beobachtet zu werden und dieses Ding stört alle Abhör- und Beobachtungseinrichtungen. Es aktiviert sich von selbst, sobald es meine Biosignale empfängt.“ Sanft zog sie ihn wieder an sich.
„Du siehst, wir sind also völlig ungestört.“
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