Ich verdrehte die Augen zur Kanzeldecke, als das Rütteln und Plärren hinter uns leicht hysterisch zu werden begann. »Dann lassen Sie sie eben heraus, Helmsman.«
»Sie sollten nicht darauf bestehen, wenn Sie nicht wollen, dass wir mit dreifacher Schallgeschwindigkeit aufsetzen, Chefin.« Ich verstand seine Antwort kaum im Heulen der vorbeiströmenden Atmosphärenschichten.
Professor Quorns Fährenpilot ist manchmal schon sehr unverblümt. Aber er ist auch so fähig, dass ich mir nicht leisten kann, ihn umzunieten. Seufzend schnallte ich mich darum selbst ab, trat in das Mittelschiff hinaus und zog die PA aus dem Halfter (also die Protonenautomatic, wie der Prof das Dingens nennt. Es verschießt sehr viele zusammengegitterte Protonen auf einmal und könnte deshalb auch als Kleinkaliberpistole durchgehen; aber lassen wir dem Prof seinen Spaß, okay?). Mit der anderen Hand riss ich die Klotür auf und trat gleichzeitig einen Schritt beiseite, sonst wäre die Tussi von der Planet Patrol mir in die Arme gepurzelt. So landete sie nur vor mir auf dem Bauch.
»Sie haben eine höchst lästige Angewohnheit, in jede Falle zu tapsen, die sich vor Ihnen auftut«, fauchte ich auf sie hinunter. »Noch nie hat unsere Bordtoilette geklemmt, außer wenn Sie sie aufsuchen, Ms. …!« Verdammt, hieß sie jetzt Randall oder Landor? Mit diesen Transkriptionen ins Marsianische tue ich mich immer schwer.
PP-Agentin Joan Wie-auch-immer blieb am Boden hocken und wischte sich kleinlaut Strähnen aus der Stirn. »Tut mir leid. Auf der COMET passiert mir das auch immer. Deshalb hat mir Mr. Wright schon den Mikronotrufsender in den Nabel gepierct.«
»Also deswegen können die Futuremen Sie im ganzen Sonnensystem so präzise lokalisieren.« Das kam mir ja außerordentlich gelegen!
Der Touchdown unserer Landefähre machte sich mit nicht mehr als einem leisen Bums unter meinen Sohlen bemerkbar. Helmsman warnte mich über den Ohrhörer, ich hätte die PA nicht entsichert. »Das brauche ich nicht,« rief ich ihm auf Marsianisch zu. »Die hat noch nie von sich aus einen Fluchtversuch gemacht. Das überlässt sie immer anderen.« Ich warf das Headset von mir und dirigierte Joan zum Außenschott. Dabei wiederholte ich eine Ansprache, die ich ihr bei einer früheren Gelegenheit schon einmal gegeben hatte, um sie aufzumuntern. Und damit sie für eine Weile ihre Blasenprobleme vergaß.
»Sie sind genau so mein Todfeind, wie es Captain Future für Ul Quorn ist. So groß das Weltall auch sein mag, für uns beide ist darin kein Platz! Eine muss sterben! Und ich werde dafür sorgen, dass Sie es sind! Am liebsten würde ich Sie gleich erschießen!!! Ich brauche nur einen Vorwand dazu!!!!!«
Diese Schnepfe hätte das ruhig würdigen können. Immerhin habe ich es aus ein paar Szenen zusammengesetzt, die ich für meine Auftritte in Quorns Marsmagiershow inszeniert habe. So groß das Weltall auch sein mag – darauf muss man erst einmal kommen! In einem Universum, in dem man eben mal so einen Nachmittagsausflug ans andere Ende der Galaxis macht, hat das auch irgendwo seinen Platz. Joan blieb jedoch vor mir stehen und betrachtete mich scheel über ihre Schulter hinweg. »Wozu denn einen Vorwand?«
Auf Kritik dieser Art war ich nicht vorbereitet. Ich hielt irritiert inne und gab meiner Gefangenen unabsichtlich Gelegenheit, mir die Kanone aus der Hand zu treten und eine dramaturgisch völlig überflüssige Prügelei anzufangen. Aber so ist die kleine Joan nicht. Die stand einfach nur da und sah mich erwartungsvoll an.
»Also gut. Der letzte Satz passt wirklich nicht«, schnappte ich, als das Außenschott auffuhr. Ich hielt den Lauf weiter auf Joan gerichtet, bis sie die Gangway hinabgestolpert war. Angesichts von so viel Unbeholfenheit konnte ich mir nicht verkneifen, dieselben Stufen mit einem einzigen Sprung zu überwinden, der, so hoffte ich, eleganter ausfiel, als die Panther aller neun Planeten ihn zustande gebracht hätten. (Doch, das hat wirklich mal so ein Paparazzo über mich geschrieben. Lesen Sie es in den Aufzeichnungen zur Affäre um die Sieben Steine nach.)
Leider verpuffte die Wirkung, weil Joan mehr von dem Schlammtümpel angezogen war, an dessen Ufer wir aufgesetzt hatten, und von dem Blick zum Waldgasthof auf der anderen Seite. »Wo sind wir denn? In den Dschungeln der Venus? An den Lurchpfuhlen des Enceladus?«
»Nationalpark Bayerischer Wald. Professor Quorn liebt es rustikal-gemütlich. Wenn Sie Brutalität suchen, stellen Sie sich an die A8 München-Salzburg.«
»Ich hab' mal Simmering-Kapfenberg mitgemacht …«
Ein mörderischer Blick von mir brachte sie zum Schweigen. Anstandslos ließ sie sich auf eine Holzsitzbank am Ufer lenken. Das muss ich Joan Randall lassen: Sie ist die pflegeleichteste Gefangene, die ich je genommen habe. Ich machte es mir neben ihr gemütlich, während die Fähre hinter uns lautlos wieder abhob und nur ihr Luftzug unsere Frisuren verwuschelte. Der Tümpel sah flach und verlockend modderig aus. Ein bisschen spielte ich mit der Versuchung, Joan dort reinzuwerfen. Aber nur ein bisschen.
»Nachdem mein Prof Ihren Captain Future mit dem Stunner schlafen gelegt hatte, habe ich seine Recyclingplastikrüstung nach versteckten Waffen durchsucht. Dabei ist dem Captain etwas aus der Brusttasche gerutscht, was Sie meines Erachtens sehen sollten.« Ich zippte meinen Ausschnitt weit auf, zog den gefalteten Aquarellbogen aus meiner Innentasche und reichte ihn ihr hinüber. »Das ist nicht gefälscht. So begabt bin ich nicht.«
Joan faltete das Blatt argwöhnisch auf. Dann wurden ihre Augen erwartungsgemäß rund. Sieh da, so also sah Captain Future sich selbst: auf einem Hügelchen in den Sümpfen der Venus stehend, ohne diesen weißen Brustpanzer, in dem er sich vor Frauenhänden zu verstecken pflegt, aber mit gewaltig überzeichneten Muskelbergen, die ihn dreimal massiver aussehen ließen, als er tatsächlich ist. An seiner Brust klebte eine Joan mit deutlich dunkleren Haaren, als sie in der Realität trägt, und an seinem Ärmel …
Ach was, ich zeige es Ihnen einfach:
http://static.flickr.com/74/181293467_b8a5022738_o.jpg
Joan starrte das Bild sehr lange an. Dann wanderte ihr Blick zu mir und zurück zu der N'Rala auf dem Bogen, die aus einer Zeit stammen musste, als ich meinen Schopf noch nicht in Grün getragen hatte. »Das ist pervers!«
Mein Nicken war beifällig. »Das hab' ich auch gesagt, als ich das gesehen habe. Als ob ich so herumlaufen würde auf einem Planeten, auf dem die Schnaken fünfzehn Zentimeter lang sind! Aber soll man denn ein anderes Frauenbild von einem Typen erwarten, der in einem Mondkrater von einem Michelinmännchen und einer Alublechvogelscheuche großgezogen worden ist?«
Die Gewitterwolken in ihrem sonst so harmlosen Gesichtchen beeindruckten mich mehr als alles, was ich bisher von ihr gesehen hatte. »Nurara – ich meine: N'Rala … Was … würdest du mit einem Mann anfangen, der so abscheulich von uns beiden fantasiert?«
Der unabsichtliche Wechsel des Pronomens brachte mich zum Lachen. »Wenn ich deine Freundin wäre, Schätzchen, dann würde ich es dir sagen. Weil ich aber deine Todfeindin bin, ist es mir ein Genuss, dich dumm sterben zu lassen. Sieh mal an, da ist er ja schon!« Ich legte den Kopf ganz weit in den Nacken und lächelte das für mich verkehrt herum stehende Bild des Captains Future an, der hinter uns in echt aus dem Gebüsch trat, im Anschlag die doppelläufige Induktive Sperrminoritätshicksoline, die Simon Wright wahrscheinlich eigens für diesen Anlass entwickelt hatte. Und der Captain war tatsächlich alleine gekommen! Ganz klar: In der Situation, die wir beide ihm boten, wollte er nicht mit Papi und Papi Händchen halten.
Joan winkte ihm begeistert zu. »Curt, ich habe keinen Augenblick daran gezweifelt, dass du mich retten würdest. Aber ich hätte nie geglaubt, dass es so schnell ginge.«
Donnerwetter, diese Bemerkung hatte das Zeug zum Klassiker! Die musste ich mir wirklich merken. Ich brachte meinen Kopf lächelnd wieder in die gewohnte Stellung, während »Curt« langsam und vorsichtig um die Bank herumkam und sich mit gehörigem Sicherheitsabstand zu mir vor uns aufbaute. »Das Blatt hat sich gewendet, N'Rala – Sie sind jetzt unsere Gefangene. Werfen Sie die Waffe weg.«
Gehorsam schnippte ich ihm die PA vor die Füße, räkelte mich auf der Bank zurecht und rührte mich nicht mehr.
»Rühren Sie sich nicht.« Curt hielt seinen Blick wachsam in meinen Ausschnitt gerichtet, während er Joan herbeiwinkte. »Alles in Ordnung. Du kannst jetzt zu mir herüberkommen.«
Sie tat es mit Anlauf. Captain Future breitete den freien Arm aus, um sie an seiner Heldenbrust aufzufangen.
Ihre Faust krachte ungebremst gegen seine Schläfe, schickte ihn rücklings in den Modder, und tiefe Nacht umflorte seine Äuglein, wenn ich mich so ausdrücken darf.
»Oha! Und da hatte ich gedacht, bei der Planet Patrol würde man nur noch lernen, die zotigen Emails von Teenagern heimlich mitzulesen.« Ich schloss den Ausschnitt, entsicherte den Fingerring, mit dem ich Giftnadelgeschosse in meine Feinde zu schicken pflege, und tackerte das kompromittierende Aquarell an die Lehne der Bank, so dass der Captain es sehen würde, wenn er wieder zu sich kam.
Die kleine Tussi hatte tatsächlich die Chuzpe, die doppelläufige Superflinte aufzuheben und auf mich zu richten. »Dann bist du jetzt eben meine eigene Gefangene, N'Rala. Hm, das hatten wir noch nie …«
Mit der Miniwebcam an meinem Kragenaufschlag fotografierte ich die dunkle Beule, die an Curts Schädel aufblühte. »Würdest du dich nicht besser dünne machen, bevor er wieder aufwacht? Oder bevor die anderen Futuremen hier aufkreuzen? Eigentlich hatte ich erwartet, dass das hier sich in Otho verwandeln würde, sobald ich reinpieke.« Misstrauisch beäugte ich die Holzbank, die allem Anschein nach wirklich nur eine Holzbank war.
Ihr Blick irrte über den Tümpel hinweg, die Flinte schwankte in ihrer Hand. »Ob der Waldgasthof da drüben wohl ein ausreichender Unterschlupf wäre, bis die Gemüter wieder … abgekühlt sind?«
Ich steckte meine PA ein und zwinkerte Joan zu. »Ganz bestimmt. Ich schlage vor, wir zapfen uns dort eine Maß für jede. Und dann gebe ich dir ein paar Tipps, wie du mit Kerls wie dem da richtig umgehst. Da habe ich Erfahrungen, von denen du nur profitieren kannst!«
Glauben Sie mir: Manchmal gibt es elegantere Methoden, als Leute umzunieten. Nachdem ich Joan Randall alles beigebracht hatte, was sie über Männer wissen sollte, war ich mir sicher, dass Captain Future die unangenehmste Zeit seines Lebens bevorstand. Und ich würde meinen Uli … also Professor Ul Quorn … auch überreden, ihren »Curt« möglichst nicht so bald zu erledigen, damit die Leiden des jungen Captains Future lange, lange andauern würden.
»Sie sollten nicht darauf bestehen, wenn Sie nicht wollen, dass wir mit dreifacher Schallgeschwindigkeit aufsetzen, Chefin.« Ich verstand seine Antwort kaum im Heulen der vorbeiströmenden Atmosphärenschichten.
Professor Quorns Fährenpilot ist manchmal schon sehr unverblümt. Aber er ist auch so fähig, dass ich mir nicht leisten kann, ihn umzunieten. Seufzend schnallte ich mich darum selbst ab, trat in das Mittelschiff hinaus und zog die PA aus dem Halfter (also die Protonenautomatic, wie der Prof das Dingens nennt. Es verschießt sehr viele zusammengegitterte Protonen auf einmal und könnte deshalb auch als Kleinkaliberpistole durchgehen; aber lassen wir dem Prof seinen Spaß, okay?). Mit der anderen Hand riss ich die Klotür auf und trat gleichzeitig einen Schritt beiseite, sonst wäre die Tussi von der Planet Patrol mir in die Arme gepurzelt. So landete sie nur vor mir auf dem Bauch.
»Sie haben eine höchst lästige Angewohnheit, in jede Falle zu tapsen, die sich vor Ihnen auftut«, fauchte ich auf sie hinunter. »Noch nie hat unsere Bordtoilette geklemmt, außer wenn Sie sie aufsuchen, Ms. …!« Verdammt, hieß sie jetzt Randall oder Landor? Mit diesen Transkriptionen ins Marsianische tue ich mich immer schwer.
PP-Agentin Joan Wie-auch-immer blieb am Boden hocken und wischte sich kleinlaut Strähnen aus der Stirn. »Tut mir leid. Auf der COMET passiert mir das auch immer. Deshalb hat mir Mr. Wright schon den Mikronotrufsender in den Nabel gepierct.«
»Also deswegen können die Futuremen Sie im ganzen Sonnensystem so präzise lokalisieren.« Das kam mir ja außerordentlich gelegen!
Der Touchdown unserer Landefähre machte sich mit nicht mehr als einem leisen Bums unter meinen Sohlen bemerkbar. Helmsman warnte mich über den Ohrhörer, ich hätte die PA nicht entsichert. »Das brauche ich nicht,« rief ich ihm auf Marsianisch zu. »Die hat noch nie von sich aus einen Fluchtversuch gemacht. Das überlässt sie immer anderen.« Ich warf das Headset von mir und dirigierte Joan zum Außenschott. Dabei wiederholte ich eine Ansprache, die ich ihr bei einer früheren Gelegenheit schon einmal gegeben hatte, um sie aufzumuntern. Und damit sie für eine Weile ihre Blasenprobleme vergaß.
»Sie sind genau so mein Todfeind, wie es Captain Future für Ul Quorn ist. So groß das Weltall auch sein mag, für uns beide ist darin kein Platz! Eine muss sterben! Und ich werde dafür sorgen, dass Sie es sind! Am liebsten würde ich Sie gleich erschießen!!! Ich brauche nur einen Vorwand dazu!!!!!«
Diese Schnepfe hätte das ruhig würdigen können. Immerhin habe ich es aus ein paar Szenen zusammengesetzt, die ich für meine Auftritte in Quorns Marsmagiershow inszeniert habe. So groß das Weltall auch sein mag – darauf muss man erst einmal kommen! In einem Universum, in dem man eben mal so einen Nachmittagsausflug ans andere Ende der Galaxis macht, hat das auch irgendwo seinen Platz. Joan blieb jedoch vor mir stehen und betrachtete mich scheel über ihre Schulter hinweg. »Wozu denn einen Vorwand?«
Auf Kritik dieser Art war ich nicht vorbereitet. Ich hielt irritiert inne und gab meiner Gefangenen unabsichtlich Gelegenheit, mir die Kanone aus der Hand zu treten und eine dramaturgisch völlig überflüssige Prügelei anzufangen. Aber so ist die kleine Joan nicht. Die stand einfach nur da und sah mich erwartungsvoll an.
»Also gut. Der letzte Satz passt wirklich nicht«, schnappte ich, als das Außenschott auffuhr. Ich hielt den Lauf weiter auf Joan gerichtet, bis sie die Gangway hinabgestolpert war. Angesichts von so viel Unbeholfenheit konnte ich mir nicht verkneifen, dieselben Stufen mit einem einzigen Sprung zu überwinden, der, so hoffte ich, eleganter ausfiel, als die Panther aller neun Planeten ihn zustande gebracht hätten. (Doch, das hat wirklich mal so ein Paparazzo über mich geschrieben. Lesen Sie es in den Aufzeichnungen zur Affäre um die Sieben Steine nach.)
Leider verpuffte die Wirkung, weil Joan mehr von dem Schlammtümpel angezogen war, an dessen Ufer wir aufgesetzt hatten, und von dem Blick zum Waldgasthof auf der anderen Seite. »Wo sind wir denn? In den Dschungeln der Venus? An den Lurchpfuhlen des Enceladus?«
»Nationalpark Bayerischer Wald. Professor Quorn liebt es rustikal-gemütlich. Wenn Sie Brutalität suchen, stellen Sie sich an die A8 München-Salzburg.«
»Ich hab' mal Simmering-Kapfenberg mitgemacht …«
Ein mörderischer Blick von mir brachte sie zum Schweigen. Anstandslos ließ sie sich auf eine Holzsitzbank am Ufer lenken. Das muss ich Joan Randall lassen: Sie ist die pflegeleichteste Gefangene, die ich je genommen habe. Ich machte es mir neben ihr gemütlich, während die Fähre hinter uns lautlos wieder abhob und nur ihr Luftzug unsere Frisuren verwuschelte. Der Tümpel sah flach und verlockend modderig aus. Ein bisschen spielte ich mit der Versuchung, Joan dort reinzuwerfen. Aber nur ein bisschen.
»Nachdem mein Prof Ihren Captain Future mit dem Stunner schlafen gelegt hatte, habe ich seine Recyclingplastikrüstung nach versteckten Waffen durchsucht. Dabei ist dem Captain etwas aus der Brusttasche gerutscht, was Sie meines Erachtens sehen sollten.« Ich zippte meinen Ausschnitt weit auf, zog den gefalteten Aquarellbogen aus meiner Innentasche und reichte ihn ihr hinüber. »Das ist nicht gefälscht. So begabt bin ich nicht.«
Joan faltete das Blatt argwöhnisch auf. Dann wurden ihre Augen erwartungsgemäß rund. Sieh da, so also sah Captain Future sich selbst: auf einem Hügelchen in den Sümpfen der Venus stehend, ohne diesen weißen Brustpanzer, in dem er sich vor Frauenhänden zu verstecken pflegt, aber mit gewaltig überzeichneten Muskelbergen, die ihn dreimal massiver aussehen ließen, als er tatsächlich ist. An seiner Brust klebte eine Joan mit deutlich dunkleren Haaren, als sie in der Realität trägt, und an seinem Ärmel …
Ach was, ich zeige es Ihnen einfach:
http://static.flickr.com/74/181293467_b8a5022738_o.jpg
Joan starrte das Bild sehr lange an. Dann wanderte ihr Blick zu mir und zurück zu der N'Rala auf dem Bogen, die aus einer Zeit stammen musste, als ich meinen Schopf noch nicht in Grün getragen hatte. »Das ist pervers!«
Mein Nicken war beifällig. »Das hab' ich auch gesagt, als ich das gesehen habe. Als ob ich so herumlaufen würde auf einem Planeten, auf dem die Schnaken fünfzehn Zentimeter lang sind! Aber soll man denn ein anderes Frauenbild von einem Typen erwarten, der in einem Mondkrater von einem Michelinmännchen und einer Alublechvogelscheuche großgezogen worden ist?«
Die Gewitterwolken in ihrem sonst so harmlosen Gesichtchen beeindruckten mich mehr als alles, was ich bisher von ihr gesehen hatte. »Nurara – ich meine: N'Rala … Was … würdest du mit einem Mann anfangen, der so abscheulich von uns beiden fantasiert?«
Der unabsichtliche Wechsel des Pronomens brachte mich zum Lachen. »Wenn ich deine Freundin wäre, Schätzchen, dann würde ich es dir sagen. Weil ich aber deine Todfeindin bin, ist es mir ein Genuss, dich dumm sterben zu lassen. Sieh mal an, da ist er ja schon!« Ich legte den Kopf ganz weit in den Nacken und lächelte das für mich verkehrt herum stehende Bild des Captains Future an, der hinter uns in echt aus dem Gebüsch trat, im Anschlag die doppelläufige Induktive Sperrminoritätshicksoline, die Simon Wright wahrscheinlich eigens für diesen Anlass entwickelt hatte. Und der Captain war tatsächlich alleine gekommen! Ganz klar: In der Situation, die wir beide ihm boten, wollte er nicht mit Papi und Papi Händchen halten.
Joan winkte ihm begeistert zu. »Curt, ich habe keinen Augenblick daran gezweifelt, dass du mich retten würdest. Aber ich hätte nie geglaubt, dass es so schnell ginge.«
Donnerwetter, diese Bemerkung hatte das Zeug zum Klassiker! Die musste ich mir wirklich merken. Ich brachte meinen Kopf lächelnd wieder in die gewohnte Stellung, während »Curt« langsam und vorsichtig um die Bank herumkam und sich mit gehörigem Sicherheitsabstand zu mir vor uns aufbaute. »Das Blatt hat sich gewendet, N'Rala – Sie sind jetzt unsere Gefangene. Werfen Sie die Waffe weg.«
Gehorsam schnippte ich ihm die PA vor die Füße, räkelte mich auf der Bank zurecht und rührte mich nicht mehr.
»Rühren Sie sich nicht.« Curt hielt seinen Blick wachsam in meinen Ausschnitt gerichtet, während er Joan herbeiwinkte. »Alles in Ordnung. Du kannst jetzt zu mir herüberkommen.«
Sie tat es mit Anlauf. Captain Future breitete den freien Arm aus, um sie an seiner Heldenbrust aufzufangen.
Ihre Faust krachte ungebremst gegen seine Schläfe, schickte ihn rücklings in den Modder, und tiefe Nacht umflorte seine Äuglein, wenn ich mich so ausdrücken darf.
»Oha! Und da hatte ich gedacht, bei der Planet Patrol würde man nur noch lernen, die zotigen Emails von Teenagern heimlich mitzulesen.« Ich schloss den Ausschnitt, entsicherte den Fingerring, mit dem ich Giftnadelgeschosse in meine Feinde zu schicken pflege, und tackerte das kompromittierende Aquarell an die Lehne der Bank, so dass der Captain es sehen würde, wenn er wieder zu sich kam.
Die kleine Tussi hatte tatsächlich die Chuzpe, die doppelläufige Superflinte aufzuheben und auf mich zu richten. »Dann bist du jetzt eben meine eigene Gefangene, N'Rala. Hm, das hatten wir noch nie …«
Mit der Miniwebcam an meinem Kragenaufschlag fotografierte ich die dunkle Beule, die an Curts Schädel aufblühte. »Würdest du dich nicht besser dünne machen, bevor er wieder aufwacht? Oder bevor die anderen Futuremen hier aufkreuzen? Eigentlich hatte ich erwartet, dass das hier sich in Otho verwandeln würde, sobald ich reinpieke.« Misstrauisch beäugte ich die Holzbank, die allem Anschein nach wirklich nur eine Holzbank war.
Ihr Blick irrte über den Tümpel hinweg, die Flinte schwankte in ihrer Hand. »Ob der Waldgasthof da drüben wohl ein ausreichender Unterschlupf wäre, bis die Gemüter wieder … abgekühlt sind?«
Ich steckte meine PA ein und zwinkerte Joan zu. »Ganz bestimmt. Ich schlage vor, wir zapfen uns dort eine Maß für jede. Und dann gebe ich dir ein paar Tipps, wie du mit Kerls wie dem da richtig umgehst. Da habe ich Erfahrungen, von denen du nur profitieren kannst!«
Glauben Sie mir: Manchmal gibt es elegantere Methoden, als Leute umzunieten. Nachdem ich Joan Randall alles beigebracht hatte, was sie über Männer wissen sollte, war ich mir sicher, dass Captain Future die unangenehmste Zeit seines Lebens bevorstand. Und ich würde meinen Uli … also Professor Ul Quorn … auch überreden, ihren »Curt« möglichst nicht so bald zu erledigen, damit die Leiden des jungen Captains Future lange, lange andauern würden.
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