Captain Future - Für immer (Kurzgeschichte) - SciFi-Forum

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Captain Future - Für immer (Kurzgeschichte)

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    #16
    Hier kommt der letzte Abschnitt. Viel Spaß!


    Wir befanden uns zwei Wochen vor Weihnachten auf einer Abschlussübung in den Rocky Mountains in Colorado. Wir, das waren Captain Sanchez, Captain Ballard und die letzten zehn Verbliebenen unseres Zuges, zu denen neben mir Inga, Sally, Oliver und Jerzy gehörten. Zweck dieser Ausbildung war weniger noch irgendwelche Inhalte zu vermitteln – man hatte uns alles beigebracht, was auf dem Lehrplan stand – sondern zum Ende des Lehrgangs noch einmal das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Die vergangenen zwei Jahre Ausbildung waren hart und entbehrungsreich für Ausbilder und Rekruten gewesen, hinzu kam mein schwerer Start mit Ballard. Mein Verhältnis zu Katherine hatte sich endlich normalisiert, allerdings waren wir noch weit davon entfernt, uns als Freundinnen zu betrachten, das war auf Grund des Dienstverhältnisses auch nicht gewollt.

    Wir machten am vorletzten Tag eine kleine Durchschlageübung durch die wunderschöne Schneewelt der Rockys. Dazu hatten wir uns in zwei Fünfergruppen aufgeteilt. Ziel war es, als erste im Basiscamp anzukommen und dann der zweiten Gruppe bei Ankunft ein zünftiges Abendessen zu bereiten. Inga, Sally, Oliver, Jerzy und ich gingen mit Ballard. Sie hatte darauf bestanden, mich in der Gruppe zu haben. Sanchez war mit den anderen unterwegs. Wir wurden mit einem Transporter ins Gebirge geflogen und ausgesetzt. Innerhalb von sechs bis acht Stunden sollten wir es schaffen, wieder im Camp anzukommen, das war der Plan und unsere Gruppe kam gut voran. Es war zwar eisig kalt, mit Temperaturen weit unter minus fünfzehn Grad, aber unsere Ausrüstung war gut und hielt uns warm. An einer Weggabelung passierte es dann. Ballard und ich wollten uns anhand des GPS-Empfängers orientieren und verließen den Weg ein paar Meter auf eine Fläche. Gemeinsam schauten wir uns die Karte auf dem kleinen Gerät an. Die anderen blieben auf dem Pfad und machten eine Raucherpause. Ballard hatte sich gerade für einen Weg entschieden und das GPS weggesteckt, als der Boden unter uns ein Stück nachgab. Wir sahen uns einen Moment verwirrt an und noch bevor wir reagieren konnten, brachen wir ein und stürzten fünf bis sechs Meter in eine Felsspalte. Ich schlug mit dem Hinterkopf schmerzhaft auf dem Stein auf. Meine dicke Wollmütze und die Kapuze meiner Thermojacke verhinderten zum Glück, dass ich mir den Schädel brach. Ballard stürzte mit den Füßen voran und ich auf sie.

    Mit schmerzverzerrtem Gesicht versuchte Ballard, sich aufzurichten. „Alles okay, Captain? Sind Sie verletzt?“, fragte ich, während ich meine Beine ausstreckte und mich vorsichtig von meiner Ausbilderin herunter manövrierte. Mir ging es soweit gut, bis auf die Beule, die ich am Kopf erwartete und ein paar Prellungen am Oberschenkel.

    „Ja, mir geht’s gut, hab nur ein paar Kratzer…“, murmelte Ballard. „Aber irgendwie … Mist! Mein Fuß ist hier eingeklemmt, ich kriege ihn nicht hier raus, verdammt!“
    Tatsächlich steckte Ballards linker Fuß in einer engen Spalte fest und ließ sich nicht bewegen. Wir sahen nach oben, es waren wirklich ungefähr fünf Meter, die wir abgerutscht waren. Über uns sahen wir nichts als blauen Himmel, bis nach ein paar Sekunden die Köpfe meiner Kameraden an der Abbruchkante erschienen. Sie waren nicht weniger erschrocken als wir selbst.

    „Captain, Joan! Seid ihr in Ordnung?“, rief Oliver herab.

    „Ja, Olli“, rief ich zurück, „wir sind unverletzt, aber der Captain steckt mit dem Fuß fest und kommt nicht raus!“

    Ballard kramte nach dem Kommunikator. Er hatte den Sturz nicht überlebt. „Scheiße“, zischte sie und warf das defekte Gerät achtlos weg. „Hennings!“ rief sie nach Oliver. „Sehen Sie zu, dass Sie irgendwo Hilfe in Form von Spitzhacken und vielleicht einem Seil herkriegen. Das Komm ist im Eimer. Und nehmen Sie die anderen mit! Laut Wetterbericht soll es heute Abend einen Blizzard geben, also beeilen Sie sich.“

    „Jawohl, Captain!“, rief Oliver herunter. „Sicher gibt es hier auf dem Weg eine Hütte oder so. Wir machen uns sofort auf den Weg.“

    Ballard sah sich um und wies auf einen Felsvorsprung. „Sehen Sie mal, Landor. Da kommen Sie vielleicht hoch.“
    Ohne in die Richtung zu sehen, in die Captain Ballard zeigte, antwortete ich: „Nein Captain. Ich bleibe bei Ihnen, das versteht sich von selbst.“ Und zu Oliver rief ich: „Los, haut schon ab! Ich bleibe bei Captain Ballard.“
    Oliver hob die Hand zum Gruß und zog den Kopf ein. Wir waren irgendwo auf halber Strecke, was bedeutete, dass Oliver mit der Gruppe im schlimmsten Fall drei bis vier Stunden hinunter ins Camp brauchte, falls er unterwegs keine Hilfe fand und eventuell noch mal vier Stunden zurück zu uns. Ich schaute auf die Uhr, es war zwei Uhr nachmittags, was bedeutete, dass wir hier vielleicht bis tief in die Nacht festsaßen.
    Ballard sah mich streng an. „Sie müssen nicht hierbleiben, Landor. Ich komme schon zurecht!“

    Ebenso streng schaute ich zurück. Es war das erste Mal, dass ich Ballard offen und energisch widersprach. „Und ich bleibe, Captain! Ich lasse Sie hier nicht allein. Sie spielen hier nicht die Heldin! Ist das klar?“

    Ballard blies vor Erstaunen die Backen auf, so einen Gegenwind hatte sie nicht von mir erwartet. Dann lehnte sie sich zurück und versuchte, eine halbwegs bequeme Position zu finden. „Danke, Joan. Das hätte ich von Ihnen nicht gedacht“, flüsterte sie lächelnd.

    „Das war noch nicht alles, Captain. Sie werden mich noch kennenlernen!“, rief ich, stemmte die Fäuste in die Hüften und machte eine Pause. „Sie werden noch sehen, was für ein hilfsbereiter und netter Mensch ich bin! Darauf können Sie einen lassen. Warten Sie es nur ab!“

    Wir sahen uns einige Sekunden an, dann verfielen wir gleichzeitig in ein schallendes und befreiendes Lachen. Das Eis zwischen uns war in diesem Moment im wahrsten Sinne des Wortes gebrochen.

    Die Stunden vergingen und langsam wurde es über uns dunkel. Noch froren wir nicht allzu sehr, aber ich konnte hier unten kein brennbares Material finden, um wenigstens ein kleines Feuer anzuzünden. Ballard und ich unterhielten uns, und versuchten uns irgendwie bei Laune zu halten, was uns mit fortschreitender Uhrzeit immer schwerer fiel. Irgendwann schwiegen wir. Es muss nach neunzehn Uhr gewesen sein, als urplötzlich ein kalter Wind durch die Felsspalte zog und dicke Flocken mitbrachte. Der angekündigte Blizzard begann. Schlagartig wurde es in diesem Loch fühlbar kälter und der Wind heulte unheilvoll über uns. Ich sah, wie Ballard langsam anfing zu zittern und mir ging es nicht anders.
    „Joan? Joan, komm her“, flüsterte Ballard leise. „Es ist kalt, wir sollten uns gegenseitig warmhalten.“

    „Ja, Captain“, antwortete ich und rückte zu ihr.

    „Joan, tu mir einen Gefallen und hör auf mit diesem Captain-Gefasel. Nenn mich Kat“, flüsterte sie. Dann fielen ihr die Augen zu.

    Ich rüttelte Kat wieder wach. „Kat, hey Kat, wir dürfen nicht einschlafen! Hörst du? Bleib wach Kat, bitte!“, rief ich verzweifelt und kämpfte selbst mit der immer stärker werdenden Müdigkeit.

    Das letzte, woran ich mich in dieser Situation erinnere, waren Lichter, Motorengeräusche und Stimmen. Dann wachte ich auf und roch Bohnerwachs und Desinfektionsmittel. In meinem rechten Arm steckte eine Kanüle mit einer Infusion. Zu meiner Linken lag Kat, sie hing ebenfalls an einer Infusion und lächelte mich liebevoll an.
    „Hi Joan“, flüsterte sie, „willkommen zurück.“ Sie streckte mir ihre Hand entgegen und ich ergriff sie. Ich hielt Kats Hand so fest ich nur konnte und sie drückte ebenso fest. „Danke, dass du bei mir geblieben bist“, sagte sie leise. Eine kleine Träne kullerte von ihrem Gesicht herab.

    „Machen das Freundinnen nicht so?“, fragte ich zaghaft.

    Kat schluckte. „Ja, das machen sie. Sind wir Freundinnen?“

    Ich musste ebenfalls schlucken und war kurz vor einen Weinkrampf. „Ja, ich denke schon. Für immer?“

    Kat drückte meine Hand noch einmal und lächelte. „Ja, Joan, für immer!“


    ***


    Und so wurden Kat und ich die besten Freundinnen und sind es bis heute. Wir sind durch dick und dünn gegangen, haben uns mit den übelsten Verbrechern der Galaxis angelegt und sie dingfest gemacht, lange bevor ich Curtis kennenlernte.
    Ich sah Kat an. Eine Träne der Rührung lief ihr die Wange herab, als ich sagte: „Kat, was auch immer passiert, wir bleiben Freundinnen.“

    Sie lächelte. „Danke Joan“, sagte sie leise. „Eine bessere Freundin als dich kann ich mir nicht vorstellen. Ich liebe dich.“


    Ende
    Für mich ist Gleichberechtigung dann erreicht, wenn es genauso viele weibliche wie männliche Idioten gibt.

    Mission accomplished.

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