Der große Niedergang [Miniserie im Andromeda-Universum] - SciFi-Forum

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Der große Niedergang [Miniserie im Andromeda-Universum]

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    #16
    Das war hart... aber gut!

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      #17
      IX. Heimkehr


      „O du süßer Duft der Heimat
      mein Leben würde ich geben,
      könnte ich dich noch einmal
      fühlen“

      Ulatempa Poetess
      Auszug aus "Lied aus meinem Exil" n.C.9825
      Er atmete noch einmal tief durch. Mit der Hand fuhr er sich durch die Federn am Kopf. Sie lagen so flach auf der Kopfhaut wie eh und je. Die langen Federn im Nacken waren auch schon wieder teilweise nachgewachsen. Wenn sie sich aufstellten, reichten sie schon wieder eine Handbreit über den Kopf hinaus. Der Vedraner war nervös. Kaum jemand hatte je die Gelegenheit, hier zu stehen und bald eintreten zu dürfen. Laco wollte aber nicht in diesen Raum. Er wollte seinem Freund die bittere Wahrheit nicht sagen müssen. Er wusste nicht, ob der oberste Diener der Kaiserin von Tarn Vedra in der Lage sein würde, diesen erneuten Verlust du verkraften! Er hörte aus dem Inneren des Raumes eine Stimme, die ihm erlaubte, einzutreten. Laco schloss kurz die Augen, öffnete sie wieder und schob die schweren Ebenholzflügel der schwarzen Tür auf.

      Er atmete noch einmal tief durch. Mit der Hand fuhr er sich durch die kurz geschnittenen dunkelbraunen Haare auf seinem Kopf. Er fuhr die Knochenklingen aus und wieder ein, wieder aus und wieder ein. Tarik war nervös. Er wusste, was ihm in dem Raum erwarten würde, vor dessen Tür er stand. Erwartungsvolle Gesichter der mächtigsten Männer des Universums und eine Rede. Er verlagerte sein Gewicht von einem Bein auf das andere. Er blickte in dem kahlen Gang umher, zappelte mit den Händen. So aufgeregt, wie ein Kind am ersten Schultag. Er musste sich immer wieder kratzen. Immer wenn er ein Geräusch hörte, zuckte er zusammen. Aus dem Inneren des Raumes hörte er eine Stimme, die ihm erlaubte, einzutreten. Tarik schloss kurz die Augen, öffnete sie wieder und schob die schweren Eichenholzflügel der Tür auf.

      Der Raum, den Laco betrat, war gigantisch. Die hohen Wände waren aus weißem Marmor, überall befand sich Glas. Decke und Boden waren aus schwarzem Marmor. Einige Dutzend Schritte von der Tür entfernt, wuchs ein schlichter Block aus schwarzem Marmor aus dem Boden. Er war etwa zwei Meter breit, einen Meter lang und einen Meter hoch. Dahinter saß die kaiserliche Klinge Actrao nax Culyti. Laco, der in einen schwarzen Mantel gehüllt war, blieb vor dem „Schreibtisch“ stehen.
      Actrao warf seinem Freund einen erwartungsvollen Blick zu.
      Laco schlug verlegen die Augen nieder.
      „Wir haben versagt. Die Prinzessin von Tarn Vedra, Sucharitkul XIII. ist tot“
      „Bei Gemini und Methus! Das darf nicht wahr sein! Das... erzähl mir alles!“

      Laco erzählte Actrao alles, was er seit seinem letzten Aufenthalt auf Tarn Vedra erlebt hatte. Actrao hörte ihm aufmerksam zu, stellte keine Zwischenfragen. Seine Mine konnte man mit einem Singularitätskraftwerk vergleichen. Außen sah man nur das kalte, starre Bild. Im inneren aber spielte sich eine gigantische zerstörerische Reaktion ab. Laco war sich sicher, dass in Actrao das selbe vorging.
      Laco erzählte ihm von der Schlacht gegen die Zerberus, und dass er den Frachtraum hatte entlüften lassen, um den Leichnam seiner Frau zu erhalten. Er selbst hatte sich mit Chiquon in eine Rettungskapsel gesetzt und gestartet. Die Ikarus war an der Zerberus zerschellt, so wie es geplant gewesen war. Die gesamte Bugsektion, wo sich auch das Kommandodeck befand, war durch viele Treffer der Urangeschosse komplett abgesprengt worden und trieb separat vom Schiff durch den Raum. Alles in diesem Trümmerteil war ausgefallen. Sie hatten also nur durch einen Zufall überlebt. Laco verschwieg seinem Freund die Rachepläne Tarik gegenüber nicht. Ein ziviles Bergungsschiff hatte am Tag darauf alle Rettungskapseln eingesammelt. Von der nächsten Station aus hatte man sie nach Tarn Vedra gebracht.

      Laco verstummte. Seine Geschichte war am Ende.
      „Du warst also die Frau der Tochter meiner Herrin“
      „So kann man es ausdrücken, ja“
      „Du weißt, dass ihr nach Commonwealthrecht nie getraut wart, oder?“
      „Ich weiß, dass wir verheiratet waren, und eine Tochter bekommen sollten, das allein zählt!“
      „Laco. Was da passiert ist, ist schlimmer, als du dir nur im Entferntesten vorstellen kannst!“
      „Ach was. Für mich sicherlich, vielleicht auch für dich, aber das Commonwealth kann ein paar Jahre ohne Kaiserin auch überleben. Der Krieg steht gut. Bis wir uns versehen, werden wir die Übers besiegt haben!“, meinte Laco optimistisch.
      „Nein, Laco. Du kennst die Prophezeiung nicht! Die Zeit ist gekommen. Die Zeit der großen Prüfungen. Die letzte Kaiserin ist tot! Das Ende unseres Volkes ist gekommen!“
      „Übertreib mal nicht, mein Freund“
      Ein langer Seufzer entfuhr Actraos Mund.
      „Morgen ist ihre Beisetzung, oder?“
      Laco nickte stumm.
      „Ich werde da sein. Du wirst von den kaiserlichen Klingen aus einen Platz ganz oben bekommen, aber nicht formell. Danach sehen wir, wie es weitergeht!“
      „Du hast eben etwas von einer Prophezeiung erzählt. Was war das nochmal?“
      „Nichts... gar nichts...“

      Ein Hologramm des Zionsystems schwebte noch immer, als Tarik den Raum betrat. Er vermutete, dass die Alphas der Stämme darüber diskutiert hatten, wie es jetzt weitergehen sollte. Immerhin war Zion eine wichtige Welt, die die Nietzscheanische Allianz nicht leichtfertig aufgeben konnte!
      Das Hologramm verschwand und die Augen aller ruhten auf Tarik. Auch dieser ließ seine Blicke durch die Runde wandern. Das erste Wort sollte Saladin gebühren, da war er sich sicher. Auf den Stühlen am langen Tisch saßen ausschließlich Männer. Er sah in viele Gesichter berühmter Leute. Tia Cheng, Angelo Bolivar..., lauter Leute von denen er nie geglaubt hatte, sie jemals wirklich zu Gesicht zu bekommen.
      Auf der Stirnseite des Tisches aber saß ein Mann, von dem niemand geglaubt hatte, ihn wirklich jemals zu Gesicht zu bekommen. Drago Museveni. Der Stammvater.
      „Du bist also dieser Kondor, Tarik alla... wie noch mal?“, fragte er überheblich.
      „Ich bin Tarik al Ashraf, Sohn von Isabella und Abdullah aus dem Stamm der Kondor“
      „Und du bist der, der mich und mein Imperium vor dem Untergang bewahrt hat, oder wie?“
      Dieser Spott war ihm sogar von Seiten des Stammvaters zu viel.
      „Ja. Das bin ich!“
      Saladin Gree war sichtlich wenig beeindruckt.
      „Ich möchte noch ein paar Worte mit unserem Retter wechseln. Ihr dürft gehen!“

      Die Alphas erhoben sich von ihren Plätzen und verließen den Saal.
      „Komm“, sagte Saladin streng zu Tarik. Er stand auf und ging, wartete dabei nicht mal auf Tarik.
      „Wo gehen wir hin?“, wollte er wissen.
      „Wir haben auf deine Ankunft gewartet. Jetzt werden wie sie...feiern“
      Tarik beobachtete Saladin Gree genau. Er sah wirklich genau so aus, wie man sich Drago Museveni vorstellte. Die Figur, das Gesicht. Wobei das nichts bedeutete, denn das Aussehen zu ändern, war genauso leicht wie die Kleidung zu wechseln. Die Nietzscheaner erreichten einen Schacht. Ein AG-Feld trug sie auf die unterste Ebene. Saladin erzählte nebenbei etwas über das Gebäude.
      „Hier unten ist die Panzerung identisch der der kaiserlichen Residenz auf Tarn Vedra. Dieser Panzer hält selbst einer Explosion des ganzen Planeten stand. Die Panzerung der zentralen Kammer ist mit Resistium legiert. Auch Antiprotonenwaffen kommen also nicht durch. Die Schiffspanzer der Ehrengarde haben auch eine dünne Schicht Resistium ins atomare Gitter gewoben, weswegen AP-Waffen bei ihren Schiffen eine geringere Wirkung haben. Deswegen haben wir uns bei der Konstruktion unserer Schiffe für Gauss-Waffen entschieden, da die mit Urangeschossen verdammt großen Schaden anrichten.

      Die Männer betraten einen kaum beleuchteten Bereich. Es sah aus, als wäre er richtig aus altem Gestein geschlagen, wie die unterirdischen Katakomben auf Erde.
      „Hier unten ist auch der Hochsicherheitstrakt“, erklärte Saladin. „Die gefährlichsten Gefangenen werden hier unten eingesperrt. Nicht dass du meinst, das ist echtes Gestein. Das hier ist alles künstlich. Seit es die Menscheit, ja speziell den Homo Sapiens Invictus, gibt, versuchen wir immer bessere Methoden zu erfinden, Fühlenden Informationen zu entlocken. Selbst wenn sie im Gehirn technisch, chemisch, biologisch oder durch Nanobots geschützt sind, schaffen wir in fast hundert Prozent der Fälle, ihnen die Informationen zu entlocken“
      Es grauste Tarik vor dem, was er hier sah. Alles war auf die Folter ausgelegt. Die Feuerfackeln, die Gänge, der Gestank, die fehlende Hygiene. Nichts davon war eine Fahrlässigkeit. Dies war das beste Hightech-Folterzentrum, das jemals erbaut worden war, auch wenn es so aussah, als wäre es schon tausende Jahre alt.
      „Wenn Ihr hier durch die Tarnfenster hineinseht, seht Ihr, dass alle Zellen individuell aufgebaut sind. Man merkt mit der Zeit, wovor diese Leute Angst haben. Und dann richten unsere Gestalter eine Zelle her, die optimal auf die zu folternde Person aus!

      Tarik verstand nur zu gut, wieso dieses Gefängnis mitten in der Festung war. Kein Attentäter, kein Befreiungsversuch würde jemals gelingen. Niemand konnte diesen Leuten im gigantischsten Sicherheitstrakt helfen. Und das wussten sie auch. Oftmals fürchtete man auch einfach um das Leben der Gefangenen und die Informationen, die sie in ihren Köpfen trugen. Immer tiefer führte Saladin Tarik in das schier endlose Labyrinth der Gänge.
      „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ausbruchsversuch aus eigener Kraft hier gelingt, liegt bei etwa 10 hoch minus sechzehn Prozent. Kurz gesagt: Es ist unmöglich! Niemand wird jemals von hier entkommen! Das hier ist das Gefängnis für Leute, die niemals einen Prozess haben, und von deren Gefangenschaft niemand etwas weiß. So, da sind wir schon!“
      Er stand vor einer Zellentür, die aussah, wie jede andere. Saladin zog seinen Dolch aus dem Gürtel und reichte ihm Tarik.
      „Ich werde hier warten. Du, Tarik al Ashraf, gehst da hinein und wenn du wieder herauskommst, ist der Gefangene im inneren tot. Verstanden?“
      Tarik ergriff die Reliquie, den Dolch von Drago Museveni, und schritt auf die Zellentür zu. Er fand sich in einem Zwinger wieder, der einen Ausbruch eines Gefangenen unmöglich machen sollte. Man merkte nichts, aber Tarik war sich sicher, hier gescannt zu werden. Welche anderen, unsichtbaren Sicherheitssysteme es hier noch gab, wusste er nicht, und er würde es vermutlich auch nie wissen. Die innere Tür öffnete sich. Die Zelle war winzig, schlecht belüftet und unhygienisch. Man sah gerade soviel, dass man sich bewusst wurde, wir winzig die Zelle war. An die Wand gekettet, war eine Perseidin. Ihre Hände waren soweit nach oben gekettet, dass sie den Boden nur erreichte, wenn sie sich auf Zehenspitzen stellte. Tariks genetisch verbesserte Augen sahen sofort, was die Nietzscheaner ihr angetan hatten. Sie war furchtbar entstellt und ihr Anblick voll eiternder Geschwüre war nichts als Ekel erregend. Die ausgehungerte Gestalt schien ihn noch nicht entdeckt zu haben. Tarik zog den Dolch und machte einen Schritt vorwärts. Sie blickte auf.

      Ihr Gesicht erkannte der Nietzscheaner sofort. Admiral Yuky hatte den Stolz und die Gutmütigkeit aus ihrem Blick verloren. Hier sah man nur noch den Schmerz, und die Hoffnung auf ein baldiges Ende. Yuky und Tarik waren sich nie nahe gestanden. Er kannte sie lediglich von flüchtigen Begegnungen, seiner Beförderung zum Captain und seiner darauf folgenden Degardierung. Die Perseidin sah weg. Sie glaubte es nicht, hielt Tarik nur für eine Einbildung, wie sie sie in letzter Zeit immer gehabt hatte. Hier unten gab es Gase, die ein Einschlafen lange Zeit verhinderten. Halluzinationen waren die Folge, die Fühlenden wurden hier verrückt. Das war auch das Ziel der Nietzscheaner. Sie zu Leuten zu machen, die nicht mehr zwischen Illusion und Wirklichkeit unterscheiden konnten und die irgendwann Geheiminformationen verraten würden.

      Tarik redete sich ein, dass er sie erlöste, wenn er ihre Kehle durchtrennte. In ihrem Fieberwahn würde sie es nicht einmal merken! Wenn er sich die nackte, an die Wand gekettete Perseidin ansah, wusste er, dass er etwas Gutes tun würde.
      Aber wieso wollte Saladin ihren Tod so dringend? Natürlich, um Tariks Loyalität zu testen. Aber wenn er schon alle Informationen hatte, die er wollte, warum war sie dann noch am Leben? Und wenn nicht, wieso durfte sie getötet werden.

      Tarik berührte ihre graue Haut.
      „Commaalshraff? Holmich hieraus! Ich...'berleb ds keine Sekunde lä“
      Ihre Stimme ging in einem Ächzen unter.
      „Bistdu hier mich befreien?“
      Tarik schlug die Augen nieder. Er konnte das dieser gequälten und genötigten Person nicht antun. Er war zu keinem solchen Monster geworden! Sucharitkul hatte er zur Sicherung des Überlebens seines Volkes töten müssen, aber hier einen grausigen Mord an einer Gefangenen durchzuführen – nein, das konnte er nicht. Ihr Hustenanfall wurde stärker, sie würgte große Brocken klebrigen Bluts aus ihrem Mund.
      Tarik kniete sich nieder, wollte ihr irgendwie helfen. Ihre Augen traten vor Entsetzen und Schmerzen heraus. Sie bekam kaum Luft. Eine große Pfütze Galle ergoss sich über Tariks Gewand. Stöhnen entrann ihrer Kehle.

      Ein schneller Streich mit einem blank geschliffenen Dolch verwandelte es zu einem Röcheln.
      „Mögen deine Götter mit dir sein“, sagte Tarik, als er ihre Augenlider schloss. Er reinigte dem Dolch an seiner Kleidung und verließ die Zelle. Es war so anders gewesen, als auf der Ikarus. Dort hatte er gewusst, was zu tun war, war überzeugt, das Richtige zu tun. Jetzt war alles anders. Es war ein sinnloser, kaltblütiger Mord an einer geschändeten Person, die etwas besseres verdient hätte.

      Tarik gab Saladin den Dolch wieder. Auf dem Weg nach oben war es still. Weder Tarik noch Saladin brachen das Schweigen. Ab und zu hörte man das Stöhnen einzelner Gefangener. Das AG-Feld trug sie wieder hinauf ins Erdgeschoss.
      „Willkommen zu Hause, Tarik al Ashraf. Willkommen zu Hause“

      133. Tag des Krieges, Tarn Vedra

      Alle hatten sich in schwarze Mäntel gehüllt, auch der Himmel. Aus dunklen Regenwolken ergoss es Wasser auf die Straßen von Estashi Tarn. Man hatte hier auf eine künstliche Umweltregulierung wie auf anderen Welten verzichtet. Laco war bis auf die Haut durchnässt, klares Wasser rann ihm über das Gesicht und vermischte sich mit den salzigen Tränen, die langsam aus seinen Augen quollen. Blitze zuckten auf Esthashi Tarn herab, wurden aber von einem Energieschild, der die Stadt umgab, aufgehalten. Laco fror. Eine verirrte Libelle setzte sich auf die Spitze seiner ausgefahrenen Kampflanze, die er seit Stunden nicht mehr bewegt hatte. Er begutachtete das zarte Insekt, bis es seine Flügel wieder ausbreitete und weiterflog. Die Aufmerksamkeit des Vedraners richtete sich nun wieder ganz auf das Geschehen zu seiner Rechten. Die Bestattungszeremonie dauerte an. Verschiedene Redner sprachen von ihrer großen Verbundenheit und Trauer, aber keiner, wirklich keiner von ihnen trauerte wirklich um sie.

      Sie standen vor der kaiserlichen Residenz. Von außen sah sie aus, wie ein zu groß geratener römischer Tempel. Laco stand am oberen Absatz einer Treppe, die tausend flache Stufen hatte. Heutzutage benutzte sie niemand mehr, da man mit AG-Feldern viel schneller war. An beiden Seiten der Treppe standen die Beschützer der Kaiserin, also die kaiserlichen Klingen, Mann an Mann. Sie trugen alle die traditionellen goldfarbenen Rüstungen mit dem typischen Halbzylinder, der ihren Hinterkopf umspannte.

      Auf dem Plateau vor dem Eingang zur Residenz standen hunderte Fühlender. Laco konnte die drei Triumvire erkennen, dann mächtige Militärs, Abgeordnete vieler Planetenparlamente, Senatoren, Eigner der Großkonzerne und alle Minister, die das Commonwealth aufzubieten hatte. Laco war überrascht gewesen, die Oberkommandierende seiner Flotte, Admiral Constanza Stark, als stellvertretende Kriegsministerin zu sehen.
      Laco hörte gar nicht mehr hin, was die einzelnen Leute zu sagen hatten, denn im Prinzip lief es ja doch immer nur auf das selbe hinaus. Mit einer Trauerfeierlichkeit hatte das hier auf jeden Fall gar nichts zu tun.

      Stunden später war es dann soweit. Laco trat vor. Actrao hatte ihn für diese wichtige Aufgabe ausgesucht. Von einem der Ulanen wurde ihm eine brennende Pechfackel gereicht. Zu beiden Seiten des Leichnams stellten sie sich auf. Der Holzstoß, auf dem sie lag, war völlig durchnässt, genau so wie sie selbst. Das machte aber nichts, da in diesem Holz so viel Pech und Harz enthalten war, dass es auch nass entzündet werden konnte. Die schwarze Decke, die über den Körper Sucharitkuls gelegt worden war, war ebenso pitschnass. Man konnte darunter ganz deutlich die Formen ihres Körpers erkennen. Ein letztes Mal. Laco senkte synchron mit dem anderen Vedraner die Fackeln, bis der Funke schließlich auf das Holz übersprang. Erste Flammen traten langsam daraus hervor.
      Wenige Minuten später war das Feuer auf eine beachtliche Größe angewachsen. Die Flammen zehrten am Körper der Vedranerin. Beißender Geruch verbrannten Fleisches trat in Lacos Nase. Das Feuer war jetzt so stark, dass es das Fleisch komplett verzehrte, ebenso die Decke, die auf ihr lag. Auch ihr wunderschönes Gesicht wurde jetzt von den Flammen angegriffen. Die Augenblicke, in denen sie regelrecht vom Feuer zerfressen wurde, waren schwer für Laco, als dann alles lichterloh brannte, wurde es leichter. Die Vedraner warfen ihre Fackeln ins Feuer und traten dann vom Scheiterhaufen zurück. Alle setzten ihre schwarzen Kapuzen auf.

      „Tarik al Ashraf. Sohn von Isabella und Abdullah aus dem Stamm der Kondor. Ich schwöre dir Blutrache. Verfolgen werde ich dich, durch die höchsten Gebirge und die tiefsten Meere. Bis ans Ende des Universums werde ich dich verfolgen und dich finden, auf dass dich töten kann!“, flüsterte Laco.

      Selbst die letzte Flamme fand jetzt im strömenden Regen keine Nährstoffe mehr und verlöschte schließlich. Die Asche wurde in eine Urne gesteckt und vor dem Haupteingang zur Residenz aufgebahrt. Sie wurde mit Blumen beworfen, bis sie nicht mehr zu sehen war. Es dämmerte schon, als alle Trauergäste gegangen waren und auch die Ulanen die Bestattungsfeier verließen. Auch Laco warf jetzt einen letzten Blick auf die von Blumen bedeckte Urne und trat dann ab.

      135. Tag des Krieges, Fountainhead


      „Was soll das bitteschön für ein Teil sein?“, fragte Tarik erstaunt.
      Saladin Gree hob das haarige etwas aus Tariks Schoß. Es schaute ihn mit großen glubschigen Augen an.
      „Das ist eine Katze“, meinte er.
      „Ach so! Nie davon gehört“
      „Die Katzen waren Jahrtausende lang Raubtiere auf Erde, dem Planeten, wo auch unsere Vorfahren abstammten. Sie entwickelten sich stetig weiter und einige Rassen von ihnen wurden später das, was du hier siehst. Zahme Tiere, die in der Natur nicht mehr hätten überleben können“
      „Interessant“, meinte Tarik. „Und was soll mir das bringen?“
      „Nachdem der erste Kontakt mit den Perseiden hergestellt war, schleppten sie einen Virus ein, der mit der Zeit so mutierte, dass er alle Katzen ausrottete. Diese Tiere sind seit mehr als tausend Jahren ausgestorben!“

      Tarik runzelte die Stirn. Er wusste immer noch nicht, was Saladin ihm damit sagen wollte.
      „Wir sind die Katze, Tarik. Sie verkörpert die Nietzscheanische Rasse. Wir sind stark und müssen uns anpassen. Wenn wir nichts tun, werden wir schwach, so wie die Katzen. Und irgendwann werden auch wir aussterben. Und dieser Tag ist näher, als du denkst! Die Magog sind die Seuche. Und das Commonwealth ist die Schwäche. Wir müssen etwas tun, dass es uns nicht so ergeht, wie ihnen“
      Er deutete auf das Tier.
      „Das ist übrigens eine genetische Nachzucht. Hoffen wir, dass so etwas unserer Rasse nie passiert, Tarik. Nimm die Katze als Erinnerung an. Und als Hochzeitsgeschenk!“

      Tarik lag mehrere Stunden später im Bett. Die Katze lag neben ihm, der Nietzscheaner fuhr ihr mit einer Hand über den Kopf und dachte immer wieder an Saladins Worte. Der wichtigste Mann der Galaxis hatte sich Zeit genommen, mit ihm zu reden und ihm einen guten Rat zu geben. Tarik hatte sich wohl in Saladin geirrt, er war ein weitaus besserer Mann, als er ihm anfangs zugetraut hatte. Aber was konnte man von Drago Museveni auch anderes erwarten? Sein Hochzeitsgeschenk, die Katze, begann laut zu schnurren. Anfangs hielt es Tarik für eine Drohung oder dachte, dass ihr etwas fehlte, dann bemerkte er, dass sie sich einfach nur wohl fühlte. Hochzeitsgeschenk! Pah. Er war noch nicht verheiratet, Hera lies sich wirklich Zeit. Odins Tochter hatte so lange auf ihn gewartet, dass sie jetzt den Spieß umdrehte und Tarik warten ließ. Der Nietzscheaner und seine Verlobte hatten sich noch nicht oft gesehen. Ihre flüchtigen Begegnungen beim Arrangieren ihrer Hochzeit waren immer nur sehr kurz gewesen. Sie hatten vor dem Krieg oft über interstellare Kommunikation miteinander geredet, aber selbst bei dem perfekt ausgebauten Slipkuriernetz zwischen Tarn Vedra und Fountainhead hatten sie lange auf Antworten warten müssen. Überlichtschnelle Kommunikation war einfach ein Ding der Unmöglichkeit. Die Relaisstationen konnten Slipportale öffnen und einen Kurier mit wenig Zeitverlust von einer Station zur Anderen schicken, trotzdem dauerte das Versenden einer Nachricht und der Erhalt einer Antwort oft mehrere Stunden, bei schlecht ausgebauten Netzen mehrere Tage. Das Versenden einer Nachricht in die Randgebiete funktionierte entweder über private Kuriere, was schon Wochen dauerte, oder man gab die Nachricht einem Schiff mit, wobei man da oft über ein Monat auf die Antwort wartete.
      Die Katze stand auf und setzte sich auf Tariks Schoß. Sie legte sich hin und begann, mit ihren Krallen in Tariks Fleisch zu kneten. Da er nicht auf den plötzlichen Schmerz vorbereitet war, fluchte er kurz „Mistvieh!“, ließ sie dann aber gewähren.
      Tarik befand sich jetzt schon knapp eine Woche in Saladins Palast auf Fountainhead, hatte Hera aber noch nie gesehen. Es wurde erwartet, dass sie sofort heirateten, wenn sie sich sahen. Hera ging ihm deswegen aus dem Weg und ließ ihn schmoren, praktisch als Rache, weil er nicht sofort nach Kriegsbeginn nach Fountainhead gekommen war.

      Bei Nietzscheanern gab es keine zeremonielle Trauung, wie bei anderen Kulturen. Nach der Paarung war man automatisch verheiratet. Es war selbstverständlich auch möglich, dass einen nietzscheanischen Mann mehrere Frauen erwählten. Es schien ein Ungleichgewicht zu sein, aber im großen und ganzen war die ganze Kultur der Nietzscheaner abhängig von dieser Regel. Sie förderte auch die genetische Perfektion in der Rasse der Nietzscheaner. Wer seine Feinde besiegte, der hatte automatisch gute Gene. Und wer gute Gene hat, den erwählten die Frauen. So konnten sich die besten Gene immer fortpflanzen, während die mit den schlechteren Genen als Arbeiter und Soldaten eingesetzt wurden. Die Paarung selbst war dabei nur die Spitze. Da die Nietzscheaner keinen Glauben hatten, hofften sie, in den Genen ihrer Kinder und Kindeskinder ewig zu leben. Und Tarik hatte gehofft, sich in seinen Kindern mit Hera verewigen zu können.

      Als hätte sie seine Gedanken gelesen, öffnete sich der Vorhang zu Tariks Gemach. Hera sah anders aus, als auf den Hologrammen, die sie ihm geschickt hatte. Sie sah älter aus. Vielleicht hatte sie einfach Angst. Angst um ihn, Angst um ihren Papa, der auf einem großen Schiff im Krieg kämpfte... Vor dem Krieg hatte sie auf Tarik immer wie ein großes Mädchen gewirkt. Das war jetzt anders. Vor dem Krieg hatte sie immer ein fröhliches Gesicht gehabt. Jetzt sah man schon deutlich, dass sich leichte Sorgenfalten auf ihrem Gesicht gebildet hatten. Heras Haar war hellblond und leicht gelockt. Sie hatte einen schönen und schlanken Körper, den sie durch ihre freizügige Kleidung auch sehr gut zum Ausdruck brachte. Ihre Brüste waren größer, als Tarik gedacht hatte. Sicherlich künstlich verändert... Das musste nicht sein, eine Person sollte so sein und bleiben wie sie war. Trotzdem sah sie so verdammt heiß aus. In ihren Händen trug sie eine kleine Schatulle. Tarik wusste genauestens um ihren Inhalt Bescheid. Doppelhelix.

      Tarik sah ihr an, welches Spiel sie spielte. Warten seit hundertfünfunddreißig Tagen. Keine Zeit mehr zu verlieren. Sie warf ihre weiße Jacke zu Boden und öffnete die Schatulle. Tarik scheuchte die Katze von seinem Schoß und entledigte sich ebenfalls seiner schwarzen Jacke. In der Schatulle befanden sich, wie Tarik vermutet hatte, zwei metallene Armbänder, die jeweils drei Zacken hatten, wie eine kleine Krone. Hera nahm das kleinere Band, schlang es sich um den Oberarm und schloss es. Tarik fiel auf, dass sie doch relativ muskulös war. Dann nahm sie die zweite Doppelhelix und schloss sie Tarik um den Arm. Tarik ließ sich aufs Bett zurückfallen. Jetzt begann der angenehme Teil...

      141. Tag des Krieges, Tarn Vedra


      Wunderschöne Farben wurden vom Himmel auf die nächtliche Wiese geworfen. Die Lichter, die den Himmel zierten, sah man oft in dieser Jahreszeit, aber selten so intensiv. Geschwungene Linien zeichneten den ganzen Himmel über Tarn Vedra. Sie reichten vom einen Ende des Himmels bis zum anderen. Das dunkle Gras kitzelte Lacos Füße. Er lag im Gras an einen alten Baum gelehnt. Es war Nacht, und er war nach Hause aufs Land zurückgekehrt. Er hatte eigentlich ins Haus seiner Eltern gehen wollen, es sich dann aber doch anders überlegt.
      Vor Tagen hatte Laco das Denkmal der gefallenen Ehrengarde-Soldaten besucht und sich dort in die VR-Matrix eingeloggt. Sein Name stand auf der Liste der Gefallenen. Niemand war da gewesen und hatte letzte Worte, einen Abschiedsgruß oder sonst irgendeine Geste der Trauer hinterlassen. Und vom Haus seiner Familie bis nach Esthashi Tarn brauchte man mit einem guten Floater gerade mal eine halbe Stunde! Das Anwesen stand mitten in der Prärie. Es war ein sehr altes Haus, seit tausenden von Jahren durfte man in die Natur Tarn Vedras keine Gebäude mehr bauen. Nur in den Ballungsgebieten war der Planet dicht besiedelt, hier draußen, war alles so wie es immer war. Natur.
      Wunderschöne Natur. In einem zart rosa Ton öffneten sich über Stunden hinweg die Blüten der Tundrablumen immer mehr. Die besten Sauerstoffproduzenten der Galaxis wuchsen nur auf diesem Planeten natürlich. Sie bedeckten das ganze Feld und erwiderten den leuchtenden Gruß der Nordlichter mit ihrer Farbenpracht.

      Früher hatte man die Auroras, die Lichter am nächtlichen Himmel, als Zeichen der Götter interpretiert. Manches Nachts streckte Gemini ihre feurigen Finger nach Yerooh, dem Mond Tarn Vedras aus. Die Helle Scheibe thronte riesig groß über dem Rand des Firmaments. Er war größer und näher als viele Monde anderen Planeten waren. Über Yerooh hinweg sah man die Ringe Tarn Vedras. Die kleinen bläulichen Asteroiden, die sich schräg über den Himmel erstreckten, waren früher ebenso als Zeichen der Götter gesehen worden. Gemini war die Hauptgöttin der Vedraner gewesen. Man hatte sie als Frau mit violetter Haut und einem langen Schwanz verehrt, die mitten in Tarn Vedras Sonne gewohnt hatte. Die Sonne hieß Gemini. Ihre beiden Schwestern, die Methus-Zwillinge, sollten sie laut der Legende einst verdrängen. Was man damit früher aussagen wollte, war bis heute ungeklärt. Die Methus-Zwillinge sollten Gemini vertreiben, sie waren von den Kindern Vedras erschaffen worden. Vedra war die Göttin des Lebens gewesen. Sie hatte blaue Haut und hatte ihre Töchter und Söhne, die Vedraner, dazu aufgerufen, ihr Werk auf alle Zeit zu beschützen. Und die Vedraner nahmen diesen „Auftrag“ auch heute noch sehr ernst. Vedra, so sagte man, war vermählt mit Tarn, dem Gott des Planeten. Er war ein harter Mann und er zeigte sich in Gestalt des Planeten. Er war der Planet, wie Gemini die Sonne war. Tarn Vedras Götterlehre war kompliziert. Der Sohn des Tarn war Yerooh, der Mond, der seinen Vater immer wieder umkreiste. Auch alle anderen Planeten waren früher für die Vedraner Gottheiten gewesen, ebenso wie die Sterne die Dienerinnen Geminis waren. Es gab noch andere Götter, aber diese waren die wichtigsten.

      Aber die Zeiten, dass man an so einen Stuss glaubte, waren lange vorbei. Die alten Götter waren gestorben, als 112 BIE (Before Imperial Era) der vedranische Physiker Rochinda das erste Slipstreamportal geöffnet hatte. Man hatte erkannt, dass die Sterne Sonne waren und es außer Tarn Vedra noch andere Planeten gab. Als die Vedraner das erste Mal den Slipstream nutzten, waren sie noch nicht mal auf dem Mond Yerooh gelandet, die bemannte Raumfahrt war ihnen neu. Aber schon hundert Jahre später war General Huascar nax Yoweri dabei, mit einer kleinen Raumflotte ein paar Planeten zu besiedeln. Als er ein Dutzend Welten „erobert“ hatte, rief er das interstellare Commonwealth aus und krönte seine Frau zur ersten vedranischen Kaiserin, Yoweri I. Das interstellare Commonwealth entwickelte sich schnell und wurde etwa viertausend Jahre später demokratisiert und zum intergalaktischen Commonwealth erweitert. Viele Kriege hatte es überstanden, aber jetzt wurde es von den Nietzscheanern an den Rand des Abgrunds gedrängt. Laco fröstelte. Der Einfall der Magog vor zwanzig Jahren war nur die Spitze des Eisbergs gewesen. Offiziell hatte die Regierung nie von Krieg gesprochen, nur von katastrophalen und kriegsähnlichen Zuständen. Kein Krieg! Keiner von diesen großschädligen Senatoren war dabei gewesen, als die Magog Delta B-Tor überrannt hatten. Sie hatten sich allesamt in die Kerngebiete zurückgezogen und die Fühlenden ihrem Schicksal überlassen. Es hatte eine halbe Ewigkeit gedauert, bis die Ehrengarde mobilisiert wurde. Im Prinzip hatten die Nietzscheaner schon recht. Wer sich so gegenüber Fühlenden verhielt, wer nur seine eigene Sicherheit im Kopf hatte, und nicht die seines Volkes, so jemand gehörte gestürzt! In diesem Krieg war es fast genau so schlimm.
      Aber Laco wusste, dass dies nicht der richtige Weg war. Es gab Wahlen, Reformen, bei denen man seine Meinung und sein Recht durchbringen konnte. Bürgerkrieg war auf jeden Fall keine Lösung für so ein Problem. Außerdem war es ein Imperium, das die Nietzscheaner wollten, und das konnte er nicht zulassen. Andererseits war es das Schicksal des Universums, das auf dem Spiel stand, und nicht Lacos. Das Universum hatte ihm noch nie etwas geschenkt, wieso sollte er ihm jetzt etwas zurückgeben? Die Zivilisten, die durch den Krieg betroffen waren, hatten ihm aber auch noch nie etwas getan, und es war sein Job, diese Leute zu schützen! Laco hatte lang und oft darüber nachgedacht, ob er seine Ehrengarde-Karriere aufgeben und austreten sollte. Er war sich über das Ergebnis seiner Spekulationen noch nicht im Klaren...
      Laco fror, darum stand er auf, nahm seinen Kram und ging in Richtung seines Elternhauses. Die Auroras erleuchteten den Boden, man sah bestens, wo man hintrat. Sollte er in dieses Haus eintreten? Sie hatten nicht mal sein „Grab“ besucht. Dabei hatte er für seine Mutter so viel getan! Er hatte seinen Berufswunsch aufgegeben und war dem Militär beigetreten, um genug Geld für die Heilung ihrer Krankheit zu bekommen. Und dafür brachten sie nicht mal Blumen an sein vermeintliches Grab? Er war mit seiner Familie immer gut ausgekommen, obwohl es dabei auch Probleme gab. Sein Vater war immer sehr streng gewesen. Sein älterer Bruder war davongelaufen und hatte sich der Raumpiratierie verschrieben.
      Nein! Laco würde jetzt nicht in dieses Haus gehen! Die Zeit war noch nicht gekommen. Laco packte sein Zeug in den Floater, startete ihn und flog in Richtung Estashi Tarn davon.

      144. Tag des Krieges, Fountainhead


      Tarik schloss noch mal die Augen, er war müde. Seine Frau lag neben ihm. So hatte er sich immer das Paradies vorgestellt. Ehemann und baldiger Vater, außerdem von vielen Frauen begehrter Kriegsheld. Tarik hatte sich zurückgehalten, was weitere Frauen anging. Er gähnte. Hera war nicht das Problem. Sie war auf Fountainhead in nietzscheanischer Kultur erzogen worden. Sie hatte immer gewusst, dass sie, wenn sie einen guten Ehemann erwischen würde, nicht seine einzige Frau bleiben würde. Sie würde sich damit zufrieden geben, Tariks Hauptfrau zu sein. Das Problem lag an ihm selbst. Hera war eine wunderschöne Frau, aber er wollte mehr. Er wusste nicht wieso, wann immer er hier mit ihr im Bett lag, war er vollauf zufrieden. Wenn er aber alleine war, war das anders. Er wurde von anderen Frauen einfach sehr angezogen, und viele von ihnen wollten das auch. Immerhin hatte er eine große Leistung vollbracht, was die Reinheit seiner Gene zeigte. Und aus diesem Grund...

      ...es war wieder ein heißer Tag. Die Leute hier hatten sich sehr freizügig gekleidet. Tarik leckte an seinem Eis. Immer das selbe. Delta B-Tor. Erste Funken in der Atmosphäre, dann erkannten die Fühlenden, dass es ein Angriff war. Die Schwarmschiffe schossen mit Punktsingularitäten auf die Stadt und bohrten sich in Gebäude. Bald waren die Straßen voll mit diesen bepelzten, haarigen Viechern. Jemand drückte ihm eine Pistole in die Hand. Tarik schoss und traf eine Zivilistin. Er schoss wieder und traf einen Magog. Das Monster fiel zu Boden, aber zehn weitere rannten auf ihn zu. Tarik begann zu rennen – aber wohin? Es gab kein Entkommen, der ganze Planet wurde von ihnen überrannt! Tarik konnte schießen. Er tötete einige Magog. Er sah wieder die grausamen Szenen, bei denen sich die Monster am Fleisch lebendiger Fühlender labten, oder ihnen die ekelhaften Magog-Eier injizierten. An denen sollten sie bald später sterben, weil die Magoglarven ihre Wirte von innen her auffraßen. Tarik schoss erneut. Die Pistole ging nicht mehr! Das Magazin war leer. Tarik versuchte, es auszuwechseln und stolperte. Ein Magog rannte auf ihn zu! Er wurde von der Seite getroffen. Eine blaue Hand packte die seine und half ihm auf die Füße. Seine erste Begegnung mit Laco nax Agros. Der Vedraner nahm die Waffe, wechselte schnell das Magazin und drückte sie Tarik in die Hand. Der Nietzscheaner hob die Waffe, zielte Laco zwischen die Augen und schoss. Der Vedraner lag tot zu seinen Füßen!

      „Du hast schon wieder schlecht geträumt, nicht wahr?“
      Tarik saß aufrecht im Bett. Er hatte immer gehofft, dass seine Albträume besser werden würden, wenn er tat, was er für richtig hielt. Es war nicht der Fall. Sie waren sogar noch schlimmer geworden! Tarik hielt es nicht mehr aus. Er war glücklich und zufrieden, hatte alles, was er immer haben wollte, und dennoch quälten ihn diese Träume! Was sollte er tun? Tarik wusste es nicht. Er stand auf und zog sich an, obwohl er wusste, dass es mitten in der Nacht war. Hera fragte ihn, wo er hin wolle. Tarik küsste sie und sagte, er sei bald zurück.

      Seine Beine trugen ihn durch die Stadt. Er entfernte sich immer weiter von Saladins Palast, ohne zu wissen, wohin er ging. Die Nacht war still, man hörte sogar bis hierher das Stöhnen der ans Kreuz geschlagenen Verurteilten. Die Draganer richteten ihre Staatsfeinde so hin, und es erweckte wirklich Furcht in den Herzen ihrer Feinde. Tarik bestieg einen Lift und ließ sich auf eine der unteren Ebenen der Stadt tragen. Bald fand er das, wonach er unbewusst gesucht hatte. Die grellen, blinkenden Farben über dem Eingang erinnerten an einen Neonschriftzug. Tarik betrat die Bar und setzte sich auf einen Hocker. Der unfreundliche Barmann gab ihm einen Drink. Der Nietzscheaner sah sich in der Bar um. Die meisten Leute hier waren auch Nietzscheaner. Aber was für welche. Elendes kriminelles Gesindel, Leute die überhaupt nichts taugten.
      Tarik saß stundenlang in der Bar. Tänzerinnen, leichte Frauen und Drogenhändler boten ihm ihre Dienste an. Tarik lehnte alles ab. Das einzige, was er jetzt brauchte, war ein bisschen Alkohol. Das Gesöff tat seine Wirkung bald. Die Leute verschwommen vor Tariks Augen. Es fiel ihm immer schwerer, sich auf dem Barhocker zu halten. Immer wackliger wurde der Untergrund. Dann war das Eis gebrochen. Tarik fiel vom Hocker und schlug hart auf dem Boden auf. Aber er schlief schon tief und fest. Und traumlos.

      147. Tag des Krieges, Tarn Vedra


      Schwermütig starrte Laco in die scheinbar bodenlose Tiefe. Auf der höchsten Ebene von Esthashi Tarn fanden sich hauptsächlich noble Appartements. Die Suite, die Laco gemietet hatte, hatte alles, was man sich vorstellen konnte. Einen eigenen Pflegeraum, der aus sechs weißen Wänden bestand. In ihm war alles verborgen, was man zum Wohlbefinden brauchte. Der Raum verwandelte sich in eine Toilette, Dusche, Bad, Massagezimmer, Ruheraum, Sauna, Kosmetikabteilung, was man eben gerade wollte. Die Suite selbst war riesig. Das Bett war im Boden integriert, man schlief wie auf Wolken. Überall gab es Holoscreens. Man konnte sich theoretisch sogar während des Duschens mit einer VR-Matrix verlinken und gleichzeitig Computerarbeit erledigen.

      Aber das wollte Laco nicht. Er hatte viel Geld, aber wenig Besitz. Er hatte sich dieses gigantische und luxuriöse Appartement nur gemietet, um einen Platz zum Schlafen zu bekommen. Die Wohnung hatte auch einen großen Balkon, von dem aus man ganz Estashi Tarn überblicken konnte. Schaute man nach unten, konnte man Ebenen entdecken, die erst mehrere Kilometer unterhalb im Boden mit den Transportzügen endeten. Das waren wirkliche Weltraumkratzer. Mit einem guten Lift konnte man diese Entfernung in wenigen Sekunden überbrücken. Um den Balkon herum war ein schöner Grünstreifen angelegt worden. Dort blühten die herrlichsten Blumen aller Welten in den verschiedensten Farben.

      Wollte Laco mit dieser Pracht die Lücke in seinem Herzen schließen? Vielleicht. Er redete sich aber ein, dass das nichts damit zu tun hatte. Sucharitkuls Tod lastete auf seiner Seele. Ein großes Loch wollte gestopft werden. Aber womit? Mit Alkohol? Mit Luxusgütern aller Art? Mit Vergnügungen wie Glücksspiel oder Prostitution? Nein! So nicht! Laco wusste genau, mit was er das Loch schließen wollte. Mit Rache! Aber er konnte diese Rache nicht verwirklichen, wenn er im Dienst der Ehrengarde stand. Deswegen hatte der Vedraner mit seiner ehemals direkten Vorgesetzten und der jetzigen stellvertretenden Kriegsministerin Constanza Stark ein Treffen vereinbart. Bei ihr persönlich wolle er die Erlaubnis einholen, aus der Garde auszutreten, denn das ging während eines Krieges nicht so einfach. Laco bemerkte, dass es an der Zeit war, sich auf den Weg zu machen. Er trat ein paar Stufen hinunter, wo sein persönlicher Floater geparkt war. Das schnittige rote Fahrzeug mit dem offenen Dach gehörte auch zur gemieteten Suite.
      Laco stieg ein und startete die Motoren. Der Floater stieg langsam in die Luft. Um die Sicherheit des Appartements musste sich Laco nicht kümmern, denn dafür war gesorgt. Die Motoren heulten auf, als das Fahrzeug beschleunigte. Laco stürzte sich mit dem Floater in die Tiefe, bis er auf eine Hauptverkehrsader traf. Der Verkehr war hier leise, wie die ganze Stadt. Laco zog an den anderen Floatern vorbei und ließ das Fahrzeug um seine eigene Achse rotieren. Das alles erinnerte ihn an Slipfighterfliegen. Allerdings gab es hier Wände, mit denen man zusammenstoßen konnte. Dann aktivierte Laco den Autopiloten und ließ sich zum Hauptquartier der Garde befördern. Er wollte doch immerhin nicht zu spät zu seinem Treffen mit Admiral Stark kommen!

      Das Büro der stellvertretenden Kriegsministerin sah relativ gepflegt aus. Sie schien sehr viel Arbeit zu haben, und legte einfach immer alles zur Seite. Ihre beiden Assistenten sorgten für Ordnung und versuchten, ihr den Überblick zu erleichtern.
      Als Laco ihr Arbeitszimmer betrat, nutzte sie die Zeit, um ein bisschen was zu essen und schnell einen Bericht zu überfliegen. Laco wartete auf die Aufforderung der menschlichen Frau, dann setzte er sich. Sie legte das Flexi weg und sah Laco direkt in die Augen.
      „Ich kenne diesen Blick. Ich musste ihn schon viel zu oft sehen“
      „Admiral...ich hoffe, Ihr könnt meine Entscheidung verstehen...“
      „Nein! Ich bin befugt, Euch aus der Ehrengarde auszuschließen. Aber ich habe nicht vor, das zu tun!“
      „Admiral. Das ist wichtig. Mein eigener bester Freund und erster Offizier...“
      „Ich weiß“, unterbrach ihn die Frau. „Ich habe es bei Sucharitkuls Bestattungsfeier gehört. Tragisch“
      „Ihr wisst, was ich zu tun habe, oder?“
      „Ich habe Verständnis dafür, aber ich billige es nicht. Als Eure direkte Vorgesetzte muss ich einen guten Grund haben, Euch aus dem Dienst zu entlassen“
      Laco atmete merklich aus. „Ich fühle mich nicht mehr in der Lage, meinen Dienst länger zur vollsten Zufriedenheit der Garde auszuführen. Meine Rachegelüste Tarik al Ashraf gegenüber machen es mir unmöglich, mich auf meine Pflichten zu konzentrieren“
      Ein Blick von Admiral Stark brachte ihn zum Schweigen. „Die Hälfte der Garde ist zerstört oder vom ersten Schlag immer noch so getroffen, dass sie nicht einsatzfähig ist. Ein Großteil schwebt immer noch schwer angeschlagen in den Randgebieten, und wartet auf Bergungsschiffe. Doch wir bringen keine Schiffe zu ihnen durch. Ein großer Teil der Anführer der Ehrengarde wurde ermordet, darunter der ganze ursprüngliche Krisenstab und viele, viele Admirale. Diese Lücke musste geschlossen werden, die erfahrensten Männer rückten immer weiter auf. Wir brauchen fähige Männer in Führungspositionen und Ihr, Laco, habt das Zeug, so einer zu werden. Ich kann Euch nicht einfach gehen lassen!“
      „Es tut mir ja wirklich Leid, aber ich sehe es als meine Pflicht meiner toten Frau gegenüber an, ihren Tod zu rächen und meine Blutrache an Tarik al Ashraf zu vollstrecken“
      „Laco! Wie, verdammt, willst du das anstellen? Al Ashraf ist auf Fountainhead, Argosy Special Operations konnte seinen genauen Standpunkt ausmachen. Er lebt in der Residenz von Saladin Gree mit seiner Frau! Glaubst du, du kommst da hinein und kannst ihn töten?“
      „Er ist verheiratet?“
      „Ja. Er hat gleich geheiratet, als er auf Fountainhead ankam“
      „Wen?“
      „Sie heißt Hera al Ashraf, geborene Athorak“
      „Wie Odin Athorak?“
      „Flottenmarschall Athorak ist ihr Vater“
      Laco war fertig mit der Welt. Tarik war dieser Frau wohl schon immer versprochen gewesen. Er hatte-
      Admiral Stark gab ihm keine Zeit, in Gedanken zu versinken. „Glaubst du, dass du allein und zivil in Saladins Palast eindringen und Tarik töten kannst? Glaubst du das?“
      „Nein...“, gestand sich Laco ein.
      „Deine einzige Chance ist es, den Krieg zu beenden. Dann ist Fountainhead besetzt und du kannst dich, wenn du es wünschst, an ihm rächen“
      Laco schlug die Augen nieder. „Ich habe kein Schiff mehr! Ein Großteil meiner Crew ist tot!“
      „Dann habe ich etwas für dich“, sagte Stark. Sie aktivierte ein Hologramm eines Schiffes. Laco runzelte die Stirn. Das Schiff hatte fünf Ausleger, die nach vorne strebten. Sie erinnerten an ein pyrianisches Fackelschiff, allerdings gab es keine Kugel, sondern einen normalen Rumpf. Das Schiff war dunkelgrau bis braun und sah sehr mächtig, aber auch zerbrechlich aus.
      „Das ist die Wrath of Achilles“, sagte Stark. „Das Schiff befindet sich gerade in den Star City Shipyards in Bau“
      „Ich kenne diese Klasse nicht“, meinte Laco.
      „Es ist das Typschiff dieser Klasse. Die DSX ist der mächtigste Raumschiffskiller, den es je geben wird. Es ist wirklich ein gigantisches Schiff, und Ihr könntet ihr Captain werden. Was sagt Ihr, Laco?“
      Der Vedraner schüttelte den Kopf. „Das ist nur ein Spielzeug, mit dem Ihr mich überzeugen wollt, Admiral. Nicht mit mir“
      „Das wollte ich hören“, sagte der Admiral. „Man kann sich noch immer auf Euch verlassen, Laco. Ihr seid ein Mann, wie wir ihn brauchen. Jemand, der aus Überzeugung handelt. Ich würde es begrüßen, wenn Ihr in der Garde bleiben würdet. Ihr könnt alleine nichts ausrichten“
      Laco beugte sich vor und sagte leise: „Gut. Ich bleibe dabei. Aber wenn mir Tarik al Ashraf über den Weg läuft, möchte ich die Erlaubnis, ihn mit allen Mitteln zu töten“
      „Wir kennen uns schon lange, Laco. Ich glaube, Ihr seid eine Person, die die Tragweite ihrer Entscheidungen begreift. Ich vertraue Euch, dass Ihr in diesem Moment das Richtige tun werdet“
      Laco nickte. „Das hoffe ich“
      „Wir wissen noch nicht genau, wann die Achilles fertig gestellt sein wird, aber wenn es soweit ist, hoffe ich, dass Ihr noch immer der Richtige für den Platz des Captains seid. Immerhin habe ich auch andere Bewerber, die das Schiff möchten“
      „Ich werde Euch nicht enttäuschen, Admiral“
      „Ach, Laco. Ich habe gehört, Euer Freund Actrao nax Colyti hat einen Spezialauftrag für Euch. Seid vorsichtig. Colyti ist ein gefährlicher Mann, den man nicht unterschätzen sollte. Vertraut ihm nicht blind, und seid immer auf der Hut. Wegtreten!
      Lang lebe die Kaiserin!“

      150. Tag des Krieges, Fountainhead


      „Tarik! Tarik, steh schon auf!“
      Jedem gesprochenen Wort folgte ein Hammerschlag in Tariks Schädel. Er hatte einen gewaltigen Kater.
      „Was ist denn?“, flüsterte er.
      „Tarik, ich mache mir Sorgen um dich“, sagte Hera zärtlich.
      Der Nietzscheaner schlug die Augen auf und fand sich überrascht auf dem Boden einer völlig verdreckten Bar wieder.
      „Was ist los mit dir, Tarik? Bist du unglücklich?“
      „Nein, das nicht...“
      „Es sind die Träume, stimmt's?
      Jetzt musste er es zugeben. „Ja, es sind die Träume. Du kannst dir nicht vorstellen, wie grausam sie sind!“
      „Was passiert denn da?“
      „Ich durchlebe das selbe immer wieder. Als Teenager war ich auf Delta B-Tor, als der Planet von den Magog überfallen wurde. Diese grausamen Morde, diese Gewalt und der Tod... Es lässt mich einfach nicht mehr los“
      „Und deswegen hast du angefangen, zu trinken?“
      „Ich trinke doch nicht regelmäßig...“
      „In der letzten Woche lagst du nicht einmal neben mir, als ich aufgewacht bin, Tarik al Ashraf“
      „Es tut mir wirklich Leid, aber niemand konnte mir helfen. Keine Hirnspezialisten, keine Psychiater. Ich muss damit allein fertig werden“
      „Tarik, wir sind jetzt zusammen. Ich helfe dir. Du musst mit nichts allein fertig werden!“

      Der Barmann mischte sich jetzt ein.
      „Der Trunkenbold hat gestern noch nicht bezahlt! Wenn ihr beide verheiratet seid, will ich jetzt erstmal meine hundertzwanzig Eagles!“
      Hera bezahlte ihn. „Komm, Tarik. Wir gehen nach Hause, da kannst du dich ausruhen“
      Stöhnend stand Tarik auf und verließ mit Hera die Bar. Der nächtliche Weg hier her war inzwischen zu einer Gewohnheit geworden. Was war nur aus ihm, Tarik al Ashraf vom Stamm der Drago-Kazov geworden? Ein Trunkenbold? Wirklich? Er musste etwas dagegen tun. Er musste den Ursprung seiner Albträume herausfinden! Und erst mal musste er aufhören, zu trinken!

      152. Tag des Krieges, auf irgendeinem Asteroiden

      Saladin verließ erneut seinen Raumgleiter. Auf dem Asteroiden des Dieners war er immer bitterkalt.
      „Was ist denn jetzt schon wieder?“, fragte der Diener, als er in den Hangar kam.
      „Ich möchte mit dem Abyss sprechen“, sagte Saladin, der immer, wenn er den Diener sah, alle Selbstsicherheit verlor.
      „Und wieso sollte der Abyss Euch anhören?“
      „Ich hatte eine Abmachung mit ihm! Und es wird Zeit, dass er seinen Teil einhält!“
      „Eine Abmachung. Soso. Der Abyss wird sie einhalten, das kann ich Euch versichern!“
      „Ich würde aber trotzdem gerne mit ihm sprechen. Der Krieg läuft schlecht. Die Ehrengarde kann fast all unseren Angriffen standhalten. Wir haben das Zion- und das Ticinosystem verloren!“
      „Was wollt Ihr von mir? In Euren Abmachungen mit dem Abyss hat es ausdrücklich geheißen, dass Ihr den Krieg führen werdet“
      „Der Abyss sagte, er hat ebenfalls eine Streitmacht. Was ist mit der? Wird mir der Abyss helfen oder nicht?“
      „Der Abyss wird seine Streitmacht erst später zum Einsatz bringen. Noch arbeitet er im Verborgenen gegen das Commonwealth“
      „Aber-“
      „Nichts aber! Wenn es Euch beruhigt: Der Plan des Abyss schreitet voran. Ohne es auch nur zu ahnen, wird einer der bedeutsamsten und doch unbekanntesten Männer des Commonwealth zur Waffe des Abyss. Er ist überzeugt, nur das Beste für sich, die vedranische Rasse, Tarn Vedra und das Commonwealth zu tun. Er stützt sich auf die durchaus wahre Prophezeiung des Huascar nax Yoweri. Er will das, was dort propheziehen wurde, um jeden Preis verhindern. Was er nicht weiß ist, dass er damit erst das, was propheziehen wurde, nämlich das Ende der vedranischen Rasse, erst herbeiführt. So hat es mir jedenfalls der Geist des Abyss erklärt. Mit jeder Sekunde wird der Vedraner mehr zum Diener des Abyss. Nicht wie du und ich freiwillig, sondern ohne es zu wissen und zu wollen. Es wird nicht mehr lange dauern, dass dieser Mann das Ende seiner eigenen Rasse und das Ende des Commonwealth herbeiführen wird. Beruhigt Euch das?“
      „Fürs Erste“

      154. Tag des Krieges, Tarn Vedra

      Actrao wusste nicht genau, was es war. Es waren keine Stimmen in seinem Kopf, aber eine Art Ahnung, die ihm sagte, was er tun sollte, wie er es tun sollte und warum. Die Prophezeiung war Wirklichkeit geworden. So viele Anzeichen waren bereits vergangen. Actrao wusste, dass das Ende nahte. Sein Ende, das Ende Tarn Vedras, das Ende der vedranischen Rasse und das Ende des Commonwealth. Das galt es um jeden Preis zu verhindern. Durfte man der Prophezeiung glauben schenken, dann sollte „die Welt der Gründer nicht länger unter den anderen weilen“. So vieles war bereits eingetreten und dieser eine Satz zeigte ganz klar die Vernichtung Tarn Vedras in diesem Krieg. Das würde der Anfang vom Ende sein, und das durfte Actrao nicht zulassen. Seit dem Kriegsbeginn tüftelte er an einer Verteidigung Tarn Vedras, die die Vernichtung der Welt verhindern konnte. Aber er war zu dem Schluss gekommen, dass, solange dieser Planet von außen erreichbar war, es immer wieder Möglichkeiten geben würde, ihn zu vernichten, egal wie unwahrscheinlich das war. Tarn Vedra hatte das stärkste Verteidigungssystem im Universum, aber trotzdem war die Gefahr uneinschätzbar. Deshalb musste der Planet vor den Wirren des Krieges beschützt werden. Actrao wusste auch schon, wie er das machen sollte. Die Idee hatte er von der Stimme, nein, der Ahnung, in seinem Kopf. Aber niemand durfte etwas davon wissen, denn sonst bestand die Gefahr, dass sein Plan zur Rettung Tarn Vedras vereitelt werden würde.

      Laco nax Agros betrat das Arbeitszimmer Actraos. Er saß hinter seinem Schreibtisch aus schwarzem Marmor und starrte Laco in die Augen. Der Vedraner kam näher.
      „Du hast mich rufen lassen“, stellte Laco fest.
      „Allerdings. Ich habe gehört, dass die Admiral Stark ein neues Schiff geben will. Ich habe es selbst schon gesehen. Die Wrath of Achilles ist ein gutes Schiff. Wann wird es nochmal fertig sein?“
      „Das wissen sie selbst noch nicht so genau. Aber vermutlich noch vor Beginn des nächsten Jahres“
      „Das gibt dir noch eine Menge Zeit, nicht wahr? Was hast du vor, zu tun?“
      „Es gibt noch andere Bewerber, die die Wrath of Achilles wollen. Ich muss mich beweisen. Ich muss das Schiff studieren, meine taktischen Fähigkeiten trainieren und mich auf den Test vorbereiten, damit ich der Aufgabe gewachsen bin. Außerdem möchte ich noch meinen Racheplan ausarbeiten“
      „Du weist, dass ich, als oberster Beschützer der Kaiserin beim Geheimdienst ganz vorne dabei bin. Mit meiner Empfehlung würdest du die Achilles sicher bekommen“
      „Und die wirst du mir vermutlich nicht freiwillig geben“, stellte Laco kalt fest.
      „Das kann ich nicht. Ich muss ja wissen, dass du etwas kannst“
      „Obwohl wir Freunde sind?“, meint Laco.
      „Obwohl wir Freunde sind“

      „Was soll ich für dich tun, Actrao? Worauf willst du hinaus?“
      „Nur mal angenommen, du wüsstest, dass deine Art zum Aussterben verurteilt ist und dass deine Heimat der Zerstörung ausgeliefert ist. Würdest du dafür die bekannten Welten verraten?“
      „Niemals. Wieso?“
      „Das war nur mal angenommen, schon vergessen?“ Ob Laco Verdacht schöpfte?“
      „Um die Wahrheit zu sagen: Es besteht Gefahr für Tarn Vedra. Und ich sehe es als meine Pflicht an, Tarn Vedra zu schützen. Es ist so, dass wir mittels der Tesserakttechnologie eine Art Schutzschild um den Planeten herum aufbauen könnten“
      „Wir könnten was?“, fragte Laco erstaunt. Er hatte also wahrscheinlich keinen Verdacht geschöpft.
      „Mit einem starken Tesseraktgenerator könnten wir einen Schutzschild aufbauen, der...Raketen aufnimmt und an einer anderen Stelle wieder ausspuckt, sodass sie den Planeten verfehlen. Das ist eine geniale technische Schutzmaßnahme. Aber das geht in die höhere Quantenphysik, das musst du nicht verstehen“
      „Ich habe Ahnung von Tesserakten“, sagte Laco empört. „Eine schwere Krankheit meiner Mutter wurde mit dieser Technologie behandelt. Aber ich hatte nie gedacht, dass wir mit den jetzigen technischen Mitteln einen Schutz dieser Ausmaße bilden könnten“
      „Wir müssen viele einzelne Generatoren auf den Planetenringen installieren, aber theoretisch ist es möglich. Der Haken ist, dass unsere Technologie nicht ausgereift genug ist. Aber ich habe Informationen von viel weiter entwickelten Tesserakten“
      „Können wir denn die benötigte Energie aufbringen?“, frage Laco verstört.
      „Ja, das können wir. Aber am Haken gibt es noch einen Haken“, meinte Actrao.
      „Und der wäre?“
      „Diese Technologie befindet sich im nietzscheanischen Raum“
      „Nicht jetzt, oder? Das darf doch nicht wahr sein! Diese Technologie befindet sich in den Händen der Nietzscheaner?“
      „Nein. Aber in ihrem Raum. Wir vermuten, dass sie es nicht einmal wissen. Laco, ich möchte diesen hochentwickelten Tesseraktgenerator haben. Ich will, dass du dich auf eine Argosy Special Operation einstellst. Du musst die genaue Position ausfindig machen, ausspähen und sie dir letztendlich aneignen“
      „Das soll ich alles alleine machen? Als Vedraner in nietzschenischem Gebiet?“
      „Nein. Ich stelle dir Captain Ismael Khaild zur Seite. Er weiß nichts vom Ziel der Mission und so muss das auch bleiben. Es gilt die höchste Geheimhaltungsstufe. Khalid will die Starry Wisdom, eines unserer Langstrecken-Erkundungs-Bergungsschiffe für eine zum Scheitern verurteilte Rettungsmission. Ich sagte ihm, wenn eure Mission gelingt, kann er das Schiff haben. Du musst wissen, er ist Nietzscheaner“
      „Actrao, vergiss es. Ich mache die Mission alleine“, sagte Laco bestimmt.
      „Er ist dem Commonwealth treu ergeben“
      „Das dachte ich von Tarik al Ashraf auch. Und dann hat er mich hintergangen“
      „Laco nax Agros. Ich befehle dir, mit Captain Ismael Khalid auf diese Mission zu gehen und sie erfolgreich zu beenden. Ist das klar, Captain Agros?“
      „Actrao, es wäre mir lieber-“
      „Ist das klar?“
      „Aye, Sir“

      Kommentar


        #18
        X. Die Suche


        „Am Ende der Suche steht das Ziel,
        Am Ende des Glücks steht das Leiden,
        Am Ende des Leidens steht der Tod,
        Am Ende des Todes steht...“

        Der Zyklus des Lebens
        Commonwealth-Archiv, 5734 n.C.


        Der Diener des Abyss kniete schmerzverzerrt vor dem Altar und hielt sich die Hände an den Kopf. Wann immer sein Meister zu ihm sprach spürte er die Schmerzen in seinem Gehirn. Der Geist des Abyss war ein Wesen der Macht und ein einfacher Fühlender sollte keine radikalen Isotope ins Hirn bekommen.
        Der Abyss sprach zu ihm, gab ihm Anweisungen, wie sein Plan auszuführen war. Verschiedene Spuren mussten gelegt werden, die dem Vedraner und dem Nietzscheaner den Weg weisen würden. In seinem Geist sah der Diener Orte und Wesen, mit denen er zu tun haben würde. Der Abyss schickte eine weitere Welle Informationen ins Gehirn des Dieners. Eine Übertragung mit so vielen Daten war nicht auszuhalten! Der Diener schlug seinen Kopf auf den kalten Stein, um Ablenkungsschmerz zu bekommen. Der Abyss hatte alle Daten in seinem Hirn gespeichert. Der Schmerz wurde geringer und wurde dann zum üblichen Jucken. Die Präsenz des Abyss war kaum noch spürbar.
        Dann spürte er noch den letzten Auftrag, dem ihm der Geist des Abyss gab. Der Nietzscheaner musste mit dem Tesseraktgenerator des Dieners Tarn Vedra erreichen. Der Vedraner wusste aber von der Existenz des Abyss, obwohl ihm das nicht bewusst war. Der Vedraner war eine Gefahr für den Geist des Abyss und musste deshalb bei einer passenden Gelegenheit sterben.
        Der Diener schlug die Augen auf und sah, wie der Abyss vor seinen Augen verschwand. Kurz sah er noch die Verzerrungen im Raum, dann war die Präsenz des Geistes des Abyss beendet.
        Der Diener bereitete alles vor, um die richtigen Leute auf eine richtige Fährte zu locken. Als er alles gepackt hatte, startete der Diener des Abyss den Raumgleiter und machte sich an seine Arbeit.

        224. Tag des Krieges, CCF Catana Mora

        Ein gleißend blaues Slipstreamportal brach in den endlosen Weiten des Weltraums auf. Ein Schiff trat daraus hervor. Es war von wuchtiger Bauweise, ein typischer leichter Frachter des Commonwealth. Sechs kraftvolle Triebwerke liefen an und schoben das Schiff weiter in den Raum hinein. Abertausende Schiffe dieser Klasse wurden in den bekannten Welten verwendet. Sie waren typische Schiffe von Typhoon Technoly, die praktisch überall eingesetzt wurden. Die Schiffe waren etwa 60 Meter lang und unbewaffnet. Die Civil Commonwealth Frighter Catana Mora war aber etwas anderes. Stärkere Triebwerke und GFG-Linsen, schwere Panzerung, starke Waffen und eine Tarnfunktion machten dieses Fahrzeug von Argosy Special Operations aus. Es sah so aus wie tausend andere, war aber in Wirklichkeit so stark, dass sie sich mit einer Rotte Slipfightern schlagen konnte. Das Schiff gehörte Laco nax Agros und er benutzte es auf dieser Mission, um nicht aufzufallen.
        Seit Wochen waren sie jetzt unterwegs, die heiße Spur hatten sie aber noch nicht gefunden. Durchfragen nach einem geheimen Tesseraktgenerator brachte nichts, das hatte Laco vorher auch schon gewusst. Hier draußen bekam man vom Krieg nur sehr wenig mit. Auf den Drifts und Kolonien erzählte man sich zwar die grausamsten Kriegsgeschichten, doch die durfte sich immer nur Tarik anhören. Aber auch in diesen Geschichten kamen nie Tesserakte vor! Laco musste im Frachter bleiben, da man einen Vedraner im nietzscheanischen Raum sofort als Spion erkannt hätte. Aber bisher waren sie wirklich jeder kleinen Spur nachgegangen, die sich so angehört hatte, wie etwas magisches. Letztendlich hatten sie aber doch alle in einer Sackgasse geendet. Wissenschaftler wussten nichts von Tesserakten, egal wen man fragte, man bekam nie eine Antwort, die etwas brachte. In den letzten Tagen hatten sie es immer wieder auf Casinos versucht. Diese Spielhöllen im Weltraum waren Anlaufstellen für Raumreisende und Raumreisende hatten oft Informationen, die vielen Wissenschaftlern verborgen blieben. Jetzt hatten sie Kurs auf Macau Drift eingeschlagen, das größte Casino in diesem Raumgitter. Laco hatte nicht erwartet, dass sich Khalid beim Glücksspiel so zurückhalten konnte. Er verlor niemals den Blick auf seine Mission und spielte nur, um einen authentischen Raumreisenden abzugeben.
        Laco hatte Captain Ismael Khalid falsch eingeschätzt. Anfangs hatte er sich geschworen, den Nietzscheaner niemals aus den Augen zu lassen. Noch immer war Laco wachsam, aber vertraute Khalid mehr als zuvor. Er hatte sich als zuverlässiger und gutmütiger Fühlender herausgestellt, aber Laco war trotzdem noch vorsichtig. Er wollte sich nicht noch einmal von einem Nietzscheaner hintergehen lassen.
        „Übergang in den Slipstream bei 3, 2, 1“
        Die Catana Mora flog in den Slipstream und ließ sich dort erstaunlich gut steuern. Die Route war oft benutzt und nicht schwer zu verfolgen. Als sie wieder austrat, hatten sie ein unbewohntes System vor sich. Und über dem dritten Planeten schwebte Macau Drift, eine Raumstation mit einem Durchmesser von etwa 400 Metern. Das Schiff dockte an. Captain Khalid löste den Gurt und stand auf. Er steckte sich eine Pistole in den Waffengürtel und sagte zu Laco: „Selbes Vorgehen wie immer“. Dann verließ er das Schiff.

        Mit „selbes Vorgehen wie immer“ hatte er gemeint, dass er rausgehen und sich unterhalten würde, während Laco auf dem Schiff blieb und alles überwachte. Durch einen Sensor konnte er das Bild in Ismaels Augen auch sehen. Dann konnte er mit ihm reden, wobei es nicht wie bei den veralteten Geräten ein künstlicher Schwingungsgenerator war, der am Trommelfell saß. Diese fortgeschrittene Technik hatte einen Sensor in den Nervenbahnen, der Lacos Botschaften direkt an die Nerven gab, die sie ans Gehirn weiterleiteten. Niemand konnte also feststellen, dass Laco und Ismael kommunizierten. Laco setzte sich an die Sensorkontrolle und nahm mit Ismael Verbindung auf.
        „Hörst du mich?“, fragte er.
        Ismael musste seine Antwort nur denken. „Laut und deutlich“
        Nach Stunden saß Laco noch immer konzentriert an der Konsole. Notfalls hätte er zwei Tage so sitzen können und wäre noch immer bereit gewesen. Argosy Special Ops Ausbildung. Glücklicherweise brauchte er es dieses Mal nicht. Nach Stunden an den Spieltischen fand Ismael Khalid den, den er gesucht hatte. Ein wohl zu reicher Chi-Chi begab sich an den Tisch für Yeshi-Donó und begann, zu setzen. Er verspielte einen Großteil seines Geldes, und begann zu erzählen, wie einer seiner Freunde halsbrecherisch vor jemanden geflohen sei, der Magogwaffen einsetzte. Ismael hörte sich das genauer an. Sie hatten bereits einige Zusammenhänge zwischen den Punktsingularitäten der Magog und den Waffen derer gefunden, die sie suchten. Laco hoffte nur, dass diese keine Magog waren.
        Als das Casino geschlossen wurde, nahm sich Ismael den Chi-Chi noch mal zur Seite. Er fragte ihn über diesen Freund aus, den er angeblich haben wollte. Der Mann war ein gieriger, feilschender Händler. Die Information kostete Ismael ein halbes Vermögen, aber es hatte sich gelohnt.
        Er kam zurück auf die Catana Mora.
        „Und?“, fragte Laco.
        „Du hast doch alles mitbekommen, oder?“
        „Ein Nightsider auf der Desideratum-Station“
        „Ja. Desideratum ist nicht nur eine Wissenschaftsstation sondern auch ein Hafen für Geschäftsleute und Händler“
        „Und zu welcher Gruppe gehört unser Nightsider?“
        „Vermutlich zu den Betrügern“

        226. Tag des Krieges, Desideratum


        Jetzt war es definitiv so weit. Laco hatte enorme Schwierigkeiten damit, konzentriert zu bleiben. Sich anderthalb Tage immer auf das selbe zu fokussieren ohne zu schlafen, war wirklich nicht so einfach, wie es schien. Ismael hatte sich schon fast mit allen Nightsidern der Station bekannt gemacht. Bisher war noch keiner darunter, der wusste, was Tesserakte überhaupt waren. In einer der vielen Bars traf Ismael einen Nightsider, den er noch nicht kannte. Laco verfolgte gelangweilt über den Bildschirm, wie der Nietzscheaner den Kontakt herstellte. Es war immer die selbe Masche. Er sprach von seiner Mutter, die unter der schweren Krankheit Thalomaris-B litt. Das war die Krankheit, unter der Lacos Mutter lange Zeit gelitten hatte. Sie war lange Zeit für unheilbar gehalten worden, bis ein Verfahren mit Tesserakten entwickelt worden war. Lacos Mutter war eine der ersten gewesen, bei der man es versucht hatte. Ismael klagte nun, wie schlecht es seiner Mutter ginge, und dass er von einem Heilverfahren gehört hatte, das es im Commonwealth gab. Das Wort Tesserakt nahm er nicht in den Mund. Der Nightsider zeigte sich interessiert, redete lange mit Ismael. Er sagte ihm, dass er ein bisschen Ahnung von der Technik hatte. Laco wusste: Das war ihr Mann, von dem da hatte der Chi-Chi erzählt.
        Ismael sagte: „Ich bin verzweifelt. Ich habe keine Ahnung, wo ich so ein Heilverfahren hernehmen soll. Im Raum der Nietzscheaner gibt es so etwas nicht, glaube ich“
        Der Nightsider entgegnete: „Ich wüsste da schon etwas“
        „Was?“, fragte Ismael mit gespielter Hoffnung.
        Laco war es unklar, woher der Nightsider von dem Tesseraktgenerator wusste, den sie suchten.
        „Tja, das wird nicht billig“, sagte er und der fiese Geschäftsmann trat hervor.
        „Was? Ich gebe dir alles, was ich habe“
        „Dieses Schiff an Dock Nummer 74, das gehört dir, oder?“, fragte er verschlagen.
        „Ja, wieso?“
        „Das will ich für die Information“, sagte er bestimmt.
        „Nein“. Laco übertrug die Gedanken in Ismaels Gehirn.
        „Was sollen wir denn tun, Trottel?“, entgegnete dieser scharf und wandte sich wieder dem Nightsider zu.
        „Ich bin einverstanden. Das Schiff ist alles, was ich habe“
        „Gut“. Das Rattengesicht lächelte verschlagen und holte ein Flexi heraus. Er tippte auf das unbeschriebene Datenpad und gab die Informationen ein. Dann verschlüsselte er sie und gab sie Ismael.
        „In genau zwei Stunden wird das Flexi freigegeben. Hier ist meine ID-Nummer und ein DNS-Abdruck, falls Ihr mir nicht trauen solltet. Sollte ich noch etwas über Euer Schiff wissen?“
        Ismael wartete kurz und schüttelte dann den Kopf. „Nein“

        Laco wusste genau, was er zu tun hatte. Er nahm seine schwarze Kampflanze und fuhr sie aus. Er nahm ein letztes Mal Kontakt mit Ismael auf, um die Taktik abzusprechen. Er würde den Nightsider betäuben und ihn dann irgendwo auf der Station absetzen – wenn die Informationen richtig waren. Laco und Ismael konnten sich den Verlust dieses Schiffe nicht leisten, denn so ein getarntes Hightechfahrzeug in den Händen eines Nightsiders würde bei den nietzscheanischen Behörden sicherlich auffallen. Laco war an der Luftschleuse angekommen und stellte sich in eine Nische. Wenn der Nightsider hereinkommen würde, würde ihn Laco mit der Kampflanze berühren. Der darauf folgende Schockstoß würde ihn zu Boden werfen. Dann würde Laco vor ihn treten und sagen: „Tut mir Leid, aber das hier ist mein Schiff. Zeit von Bord zu gehen!“, oder so etwas ähnliches. Höchste Aufmerksamkeit war geboten.
        Da! Er hörte das Geräusch der äußeren Tür der Luftschleuse, jetzt das Geräusch der inneren Tür. Laco sprang aus der Nische und schwenkte die Kampflanze – sein Kopf stieß auf den harten Metallboden auf. Er hatte selbst einen Schockstoß abbekommen. Laco wollte nach seiner Kampflanze greifen – ein neuer Stoß. Diese Schmerzen! Überwältigt von einer Rattenfresse! Der Nightsider schoss noch dreimal mit Energiestößen auf den am Boden liegenden Vedraner, dann verlor dieser das Bewusstsein.

        Wo konnte er denn nur stecken? Ismael stand vor Dock 74, aber die Catana Mora war nicht zu sehen. Wieso war Laco nur überstürzt abgeflogen? Er hatte gewusst, dass der Nightsider kommen würde, der Nightsider hatte aber niemanden im Inneren erwartet. Ismael konnte sich nicht vorstellen, dass Laco überwältigt worden war, immerhin hatte er eine Argosy Ausbildung und der Nightsider... nicht viel zumindest. Aber wo wollte Laco hin? Hatte die Ratte vielleicht noch mehr Informationen bei sich gehabt, die Laco sofort geboten haben, abzufliegen? Aber wieso hatte er keinen Kontakt mit ihm aufgenommen? Ismael wusste es nicht.
        Das Flexi war noch immer gesperrt. Was konnte er jetzt also tun? Ismael Khalid ging den Gang entlang. Er würde jetzt in die Kontrollzentrale gehen und fragen, wohin die CCF Catana Mora geflogen war. Er hatte noch ein bisschen Geld bei sich, vielleicht konnte er damit sogar einen Raumgleiter mieten, mit dem er sich auf die Suche nach Laco machen konnte.
        Plötzlich fuhr Ismael zusammen. An einem Holoscreen sah er ganz klar sein Bild. Es war aktuell! Man hatte seine äußerliche Veränderung durchschaut! Ismael sah von dem Holoscreen weg. Er durfte nicht bei dem Bild gesehen werden! Argosy Special Ops Technologie verhinderte, dass er durch die ständig rotierenden Sensoren entdeckt wurde, ein Sicherheitsoffizier konnte ihn aber trotzdem erkennen. Er sollte irgendwo sein Aussehen ändern lassen, aber das konnte er nicht auf dieser Station, wo er gesucht wurde, tun. Ismael sah sich den Steckbrief genauer an.
        Er las die vedranischen Lettern: „Ismael Khalid, Commonwealth Captain, Agent von Argosy Special Operations, Gefahrenstufe 8 von 10, Belohnung: 10.000 Draganische Eagles“
        Er war auf eine perverse Art stolz darauf, dass er für die Nietzscheaner 10.000 Eagles wert war, trotzdem wäre es ihm lieber gewesen, es nicht zu sein. Aus seinem Spaziergang zum Kontrollzentrum würde jetzt definitiv nichts mehr werden. Er musste irgendwie runter von dieser Station!

        „Da! Das ist er!“
        Verdammt! Man hatte ihn entdeckt! Ismael riss die Pistole aus seiner Tasche und schoss dem Sicherheitsoffizier, der etwa fünf Meter von ihm entfernt war, in die Brust.
        „Klaren Kopf bewahren“, sagte er zu sich selbst. Panik brach aus, alle im Raum rannten schreiend davon. Ismael beugte sich zum Toten hinunter und riss ihm seine ECM-Einheit vom Oberarm. Auch den AG-Schutz-Generator eignete er sich an und schlang es sich ebenfalls um den Arm. Zu der Waffe des Soldaten greifen konnte er nicht mehr, denn erste Schüsse schlugen knapp neben ihm ein. Ismael begann zu rennen. Er schlug Haken und schoss mit seiner eigenen Pistole immer wieder hinter sich, um seinen Verfolgern das Leben schwer zu machen. Die Zivilisten rannten schreiend durch die Gegend, um Deckung zu suchen. Die Sicherheitsleute schossen auf Ismael. Er hatte wieder einen erwischt! Ismael rannte den Gang entlang, die Entfernung war ungefährlich. Sowohl die automatischen Verteidigungssysteme als auch die Verfolger waren mit ihrer Standardmunition zu weit entfernt, um seine ECM-Einheit zu übergehen. Ismael schaute nach vorne. Ein Trupp Soldaten kam ihm entgegen und seine Verfolger liefen weiter auf ihn zu. Zu beiden Seiten schlossen sich die Panzertüren und schlossen Ismael in einem zwanzig Meter langen Teilstück des Ganges ein. Plötzlich spürte er einen Druck auf seinen Schultern. Man hatte in diesem Teilstück die künstliche Gravitation angehoben. Hätte er nicht den AG-Schutz-Generator getragen, wäre er nur noch ein Fleck auf dem Boden gewesen. Nicht auch das noch! Die Draganer drehten ihm die Luft ab, der Sauerstoff entwich durch zwei Düsen. Ismael sprang hoch und versuchte, noch einen Rest des kostbaren Gases in seine Lunge zu bekommen. Dann war er im Vakuum. Nur der AG-Schutz verhinderte, dass er in Stücke gerissen wurde.
        Ismael war Nietzscheaner. Er konnte lange die Luft anhalten, wenn er seinen Puls runterfuhr über zwanzig Minuten. Leider war sein Puls zur Zeit alles andere als ruhig! Ismael zog seine Waffe und baute das Magazin aus. Die in den Kugeln enthaltene Energie könnte genug sein, um die Wand des Ganges zu sprengen. Er brauchte mehrere Minuten, um eine einigermaßen anständige Bombe zu bauen. Die Soldaten versuchten nicht, sich durch die Tür zu schweißen. Sie mussten nur lange genug warten, dann würde ihm früher oder später doch die Luft ausgehen. Ismael platzierte den Sprengsatz in der Nähe des einen Schotts und stellte sich auf die andere Seite. Als er detonierte, riss er ein etwa kopfgroßes Loch in die Wand. Ismael rannte hin und versuchte, das bröcklige Metall mit den Händen zu entfernen. Es dauerte zwar lange, aber er schaffte es, ein Loch zu schaffen, durch das er passte. Die Nietzscheaner versuchten noch immer nicht, durch die Tür zu kommen. Wieso nur?
        Ismael stieg durch das Loch. Was er sah, erstaunte ihn. Er war im Skelett der Desideratum Station. Hunderte Meter im Durchmesser sah man Rohrleitungen, Verbindungsstücke, Versorgungsröhren, innere Träger, Energieversorgung, Maschinen, alles was man für eine übergroße Raumstation eben brauchte. Es war nicht abgegrenzt, der innere Raum war riesig! Ismael balancierte auf einer Rohrleitung. Dummerweise herrschte auch hier keine Atmosphäre und langsam wurde ihm die Luft knapp. Hinter ihm kamen jetzt die draganischen Soldaten durch die Öffnung geklettert. Aber sie waren zu weit entfernt um ihn zu treffen.
        Als er gerade einen Verteilerknoten erreicht hatte, sah er, wie ein Mann ihm Feuerschutz gab. Er stand hinter einer vertikalen Leitung und schoss auf Ismaels Verfolger. Die Lungen des Nietzscheaners begannen, sich zu verkrampfen, als er ihn erreichte. Der Mann drückte ihm zwei Stöpsel in die Nase. Ismael sog tief ein und seine Lungen füllten sich mit Luft. Gierig sog und sog er. Es tat so gut wie ein Schluck Wasser nach einer tagelangen Wüstenwanderung. In diesen kleinen Stöpseln war so viel Sauerstoff komprimiert, dass man damit Stundenlang im Vakuum überleben konnte. Ismael sah den Mann an, der ihm die Stöpsel gereicht hatte. Er war von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet und trug eine Sonnenbrille. In der linken Hand hielt er eine Waffe, die er immer wieder auf die nietzscheanischen Soldaten abfeuerte.

        War dieser Nietzscheaner so dumm, wie er sich anstellte? Der Diener des Abyss gestikulierte wild. Er war kein verdammter Übermensch, dass er eine halbe Stunde ohne Luft auskam. Der Nietzscheaner zog sich den kostbaren Sauerstoff jetzt schon fast eine Minute rein! Der Diener deutete wild auf seine Nase, dann begriff Ismael Khalid. Er zog die Stöpsel raus und reichte sie dem Diener. Der steckte ihn sich wieder in die Nase und atmete ein. War es denn für diesen Nietzscheaner so schwierig, nicht in Schwierigkeiten zu kommen? Und er durfte noch nicht sterben, also war der Diener gezwungen, ihm zu helfen. Er zeigte Khalid seine falsche ID, die ihn als Mitglied des Geheimdiensts Argosy Special Operations auswies. Er deutete auf einen anderen Verbindungsknoten, vielleicht hundert Meter entfernt. Der Nietzscheaner verstand nicht. Wie dumm konnte man denn sein? Im Vakuum konnte er es ihm nicht erklären, aber das war doch nicht so kompliziert, oder? Der Diener schoss wieder und traf einen Soldaten, der daraufhin in die Tiefe stürzte. Er zeigte wieder auf den Knoten und Ismael verstand. Er sah den feinen weißen Dunst austreten, Luft. Der Nietzscheaner machte sich auf den Weg zum Knoten und der Diener des Abyss gab ihm Feuerschutz. Die inzwischen sehr nahen Nietzscheaner versuchten, ihn zu treffen, aber automatische Effektoren zerstörten ihre armselige Standardmunition.
        Der Nightsider hatte alles schön eingefädelt. Laco nax Agros war in einem Raumschiff und von Khalid getrennt. Khalid musste jetzt der Spur folgen und den Generator in seine Hände bringen, Agros musste sterben. Sobald er dem Nietzscheaner aus der Patsche geholfen hatte, würde er eine Horde Kopfgeldjäger auf das Schiff des Vedraners loslassen.

        Ismael zog sich über die Rohrleitung. Die Wirkung des Sauerstoffs, den ihm der Fremde gegeben hatte, begann, schwächer zu werden. Hinter sich hörte er immer noch Schüsse. Der Fremde hatte es bereits aufgegeben, ihm Feuerschutz zu geben. Auf eine Entfernung von mehreren hundert Metern traf man mit Standardmunition niemanden, der durch einen ECM-Generator geschützt war. Ismael hatte die Stelle erreicht, wo der feine Dunst die Rohrleitung verließ. Er beugte sich über das Leck und saugte einen Teil des Sauerstoffs durch den Mund ein. Als er wieder bei Kräften war, kletterte er in die nahe Verbindungsröhre und belüftete sie. Er kroch hinab und überwand mehrere Decks. Die Überwachung konnte ihn dank seinen technischen Argosy-Schutzmaßnahmen nicht entdecken. Ismael feilte gerade einen Plan aus, wie er die Station verlassen konnte. Auf keinen Fall über ein Raumschiff. Wenn eine Person so gesucht wurde, wie er, kam niemand unentdeckt auf ein Raumschiff. Er kletterte aus der Röhre und ging den Korridor entlang. Wenn er Glück hatte, würde ihn niemand erkennen, außer er lief einem Trupp Soldaten direkt in die Hände.
        Das Schicksal war ihm wohlgesonnen. Er erreichte eine Söldnerbasis der Station problemlos. Wenn er es hier hineinschaffte, würde er keine Identität mehr haben, sondern nur noch einen Auftrag. Söldner waren verfassungsrechtlich geschützt und konnten nicht für ihre Taten hingerichtet werden. Außerdem war es fraglich, ob man nach ihm unter den Söldnern suchte. Der Mann am Tresen begrüßte ihn freundlich, und fragte, ob er einen Auftrag entgegennehmen könne. Ismael entgegnete, dass er bei den Söldnern anheuern wollte. Er wurde aufgenommen und direkt einem harten Training unterzogen, um für seinen ersten Auftrag ausgebildet zu werden. Wenn er diesen fliegen würde, hätte er seine Chance, zu entkommen!

        227. Tag des Krieges, CCF Catana Mora
        Der neue Tag war gerade angebrochen, als der Nightsider zum fünften Mal in den Slipstream ging. Sie flogen auf einer oft benutzten Route, die Ratte hatte also keine Probleme damit, zu steuern. Laco saß gefesselt an der Sensorenstation. Eines musste er dem Nightsider lassen: Fesseln konnte er. Trotz einer langen Ausbildung von Argosy Special Ops war Laco nicht in der Lage, die Fesseln des Nightsiders zu lösen. Er hatte auch versucht, sie mit seinen körpereigenen Nanobots zu öffnen – vergeblich. Das Rattengesicht hatte nie vorgehabt, ihn irgendwo abzusetzen. Der Nightsider wollte ihn wahrscheinlich an den nächstbesten Sklavenhändler verscherbeln! Aber er hatte zwei gewaltige Fehler gemacht. Er hatte Laco weder die Sicht genommen, noch ihn ausreichend geknebelt. Der Vedraner hatte während des Fluges ganz genau feststellen können, wohin die Reise ging. So wie es jetzt aussah, hielt der Nightsider auf Enga's Redoubt, die Heimatwelt des Drago-Kazov-Stammes zu. Sobald sie dort waren, war für Laco alles zu Ende. Wahrscheinlich würde er entweder in die Sklaverei verkauft oder als fühlender Schutzschild für das nietzscheanische Militär eingesetzt werden. Er würde das aber nicht zulassen und die Rattenfresse bei der nächstbesten Gelegenheit umbringen!
        Die Gelegenheit war da! Der Nightsider war müde und unaufmerksam. Laco würgte den Knebel aus dem Mund und schrie:
        „Catana Mora! Erhöhung der Antiprotonenmasse bis zum Overload! Autorisation: Laco nax Agros, Dark Horizon, Strike Zero Nine Five Omicron Theta“
        „Erhöhung der Antiprotonenmasse bis zum Overload bestätigt“
        „Bist du verrückt?“, schrie der Nightsider.
        „Ja“, antwortete Laco. „Ich denke, schon“
        „Fahr sofort die Antiprotonenmasse runter!“
        „Oder was?“, fragte er kalt.
        „Oder ich jage dir eine Kugel ins Hirn!“
        „Und dann? Wer soll dann den Befehl rückgängig machen?“
        In hilfloser Wut schlug er Laco mit der Faust ins Gesicht.
        Laco sagte bedrohlich: „Die Kammer hat zur Zeit 102% der maximal empfohlenen Antiprotonenmasse. Sie kann höchstens 125% aufnehmen. Dann sind zu wenige Protonen zum annihilieren da. Der zu hohe Druck verformt die Kammer dann soweit, dass Nanorisse in der Resistiumlegierung entstehen. Wenn dann die Antiprotonen mit der Trikabniumwand annihilieren schmelzen sie sich nach außen durch. Wenn dann der Kern bricht wird auch der AP-Tank vernichtet und wir wissen beide, was das heißt, oder? Die vollständige Vernichtung des Schiffes. Jetzt sind wir übrigens bei 107%“
        „Das ist Selbstmord“, kreischte der Nightsider. „Du wirst sofort die Notentlüftung einleiten“
        „Nein, werde ich nicht“, sagte Laco trotzig.
        „Dieses Schiff hat doch eine Rettungskapsel!“, meinte der Nightsider.
        „Na und? Wir sind noch immer im Slipstream“
        „Was willst du, damit du die Masse zurückfährst?“, fragte die Ratte.
        „Das Kommando über mein Schiff“
        „Niemals“, schrie der Nighsider, rammte Laco nochmal die Faust ins Gesicht und rannte dann davon. Laco hörte ihn noch sagen: „Das muss man doch auch manuell entlüften können“

        Da hatte er sogar Recht. Laco verrenkte den Kopf, um auf die Stränge des Slipstream sehen zu können. Jetzt konnte er den Kurs ändern und dem Nightsider einen ganz schönen Strich durch die Rechnung machen.
        „Catana Mora! Verbale Steuerung durch den Slipsteam! Dark Horizon!“
        „Autorisiert“
        Laco konzentrierte sich auf die Stränge und bestimmte dann den Weg des Schiffes und die String-Polarität verbal.
        „Plus, Plus, Minus, Plus, Minus, Minus, Minus, Plus, Minus, Minus, Plus, Plus, Minus, Plus, Plus, Minus, Plus, Minus, Minus, Plus, Minus, Minus, Plus, Plus, Minus“
        Zum Glück war es nur eine kurze Strecke, denn ein verbaler Slipstreamflug war wesentlich anstrengender als die Benutzung der Hebel.
        „Austritt aus dem Slipstream bei 3, 2, 1, Jetzt“
        Durch ein blaues Slipstreamportal verließ die Catana Mora den Slipstream und trieb im Normalraum dahin. Laco wartete angespannt auf die Berichte des Schiffscomputers. Er wollte sich noch immer befreien, aber ohne Erfolg.
        „Antiprotonenmasse jetzt bei 122% der maximal empfohlenen Masse. Zeit bis zur Zerstörung: 120 Sekunden. 123% der maximal empfohlenen Masse. Zeit bis zur Zerstörung: 90 Sekunden“. Dann meldete es: „Manuelle Notentlüftung aktiviert. Der Reaktorkern wird vollständig entlüftet“
        Eine gute Nachricht, fand Laco. Jetzt war der richtige Augenblick für den nächsten Schritt seines Plans. „Catana Mora: Sperrung aller Schlüsselsysteme! Autorisation: Laco nax Agros, Dark Horizon, Strike Zero Nine Five Omicron Theta!“
        „Alle Schlüsselsysteme gesperrt“

        Der Nightsider kam siegessicher ins Cockpit zurück.
        „Damit ist der Spieß wohl wieder umgedreht, was?“, fragte er mit seiner quietschenden Stimme.
        „Das ist für deinen Ungehorsam, Soldat“, meinte er und versetzte Laco einen weiteren schmerzhaften Elektroschock. Dann knebelte er ihn erneut, diesmal sorgfältiger. „So, dann werden wir unsere Reise mal fortsetzen“, sagte er und setzte sich auf den Pilotenstuhl.
        „Was ist das“?, fragte er, nachdem die Konsole nicht reagierte. „Ich habe gefragt, was das ist!“ Er nahm Laco den Knebel ab.
        „Anscheinend gibt es hier Leute, die nicht weiterfliegen wollen“, sagte dieser hochnäsig.
        „Entsperre sofort die Schlüsselsysteme!“
        „Oder was?“
        „Oder ich werfe dich aus der Luftschleuse, verdammt!“
        „Und dann? Nur ich kann die Sperrung aufheben, aber das werde ich nicht, solange ich hier gefesselt bin“
        „Wir werden ja mal sehen, wer länger durchhält“
        Der Nightsider knebelte Laco erneut und verließ das Cockpit. Als er zurückkam sagte er: „Die Vorräte im Container halten wohl noch ziemlich lange. Ich werde essen, du kriegst gar nichts, ich werde trinken, du kriegst gar nichts. Was bring dir dein Widerstand? Gar Nichts!“

        239. Tag des Krieges, Desideratum
        Die Suche nach Ismael Khalid hatte man längst aufgegeben, in der Annahme, dass er während der Verfolgungsjagd getroffen worden sei. Auf das gefährliche Aufsuchen seiner Leiche in der Struktur der Station hatte man verzichtet. Trotzdem war sein Bild noch nicht von den Holoscreens verschwunden. Aber die Söldner hielten dicht. Sie hatten herausgefunden, dass Ismael sehr gute Qualitäten hatte, sowohl als Pilot, als auch als Bodenkämpfer. In den knappen zwei Wochen war er zu einem passablen Söldner herangereift, der nun seinen ersten Auftrag fliegen sollte. Ein Unbekannter hatte auf die Zerstörung eines leichten Frachters 100.000 draganische Eagles ausgesetzt. Für die Söldneragentur hatte er noch 10.000 Eagles im Voraus bezahlt, nur dass sie sich mehr anstrengten. Ismael prüfte noch ein letztes Mal seinen Raumjäger. Er hatte vor, mitzufliegen und sich dann während des Kampfes von den anderen zu verabschieden. Vielleicht würde er es sogar unbehelligt über die Grenze der Front schaffen, obwohl das schon schwieriger werden würde. Nach dem er seine Runde um den Garuda-Fighter gedreht hatte, stieg er ein. Er hatte noch zwei Kopiloten, nämlich einen Piloten und einen Heckschützen, er selbst war der Kanonier. Er schloss das Cockpit luftdicht ab, nachdem alle eingestiegen waren. Seine Pistole legte er bereit, er würde sie wahrscheinlich brauchen. In einer letzten Probe meldete sich der Geschwaderführer an seine vier Rotten. Zwölf Kampfflieger für die Zerstörung eines einfachen leichten Frachters waren verdammt viele. Aber was wusste er schon? Das Hangartor öffnete sich und der Pilot steuerte den Garuda-Fighter hinaus. Desideratum hatte Ismael ein für alle Mal hinter sich gelassen!

        240. Tag des Krieges, auf irgendeinem Asteroiden


        Es war genau so, wie es immer war, wenn Saladins Raumgleiter im Hangar des Asteroiden aufsetzte. Aber trotzdem spürte der nietzscheanische Stammvater, dass diesmal etwas anders war. Er war unangemeldet zum Asteroiden des Dieners gekommen, um ihm den neuen Angriffsplan auf Erde vorzustellen. Saladin wartete eine halbe Stunde in der Eingangshalle, wo er sonst empfangen wurde. Aber niemand kam. Wahrscheinlich war der Diener des Abyss nicht hier, immerhin fehlte auch sein Raumgleiter. Saladin wandte sich um, er wollte gehen. Doch irgendetwas hielt ihn zurück. Er spähte lange auf die Eingangstür zum Heiligtum, wie es der Diener immer genannt hatte. Er war lange Zeit unschlüssig, ob er gehen sollte. Der Diener hatte ihm keinen Eintritt gewährt, sicherlich waren dort auch die Verteidigungssysteme dementsprechend. Andererseits würde sich vielleicht nie wieder so eine Gelegenheit ergeben! Saladin tat den ersten Schritt, das Eis war gebrochen. Die Tür war nicht einmal verschlossen. Der Nietzscheaner bemerkte, dass er gescannt wurde, dann wurde ihm die Erlaubnis zum Eintreten jedoch zuteil. Immerhin war er auch Diener des Abyss. Saladin sah sich die lange Kette automatischer Verteidigungssysteme an. Er hätte nicht als Feind hier durchgehen wollen. Dann betrat er die zentrale Kammer. Alles war auf das Ende des Raumes zentriert, wo sich ein kleines Plateau erhob. Es sah hier aber nicht wirklich aus, wie in einem Heiligtum. Überall lagen technische Geräte herum, Flexis, Schriftrollen und Zeug, mit dem Saladin nichts anfangen konnte. Er sah sich ein Flexi genau an. Das war definitiv nicht die vedranische Schrift, die im ganzen Universum genutzt wurde. Die seltsamen grünen Lettern kamen ihm bekannt vor, er wusste aber einfach nicht, woher. Hätte er nur seine Holocam dabei gehabt! Saladin beugte sich über ein Flexi und studierte es eine ganze Zeit lang. Er versuchte, sich die Schrift genau einzuprägen. Das würde ihm dabei helfen, das Geheimnis des Abyss zu lüften.
        „Anflugalarm! Raumschiff im Anflug“, hörte Saladin einen Computer sagen. Er nahm die Beine in die Hand und machte sich auf den Weg zurück in die Eingangshalle. Er verschloss die Tür und war gerade rechtzeitig zurück, als der Diener des Abyss aus dem Hangar kam.
        „Saladin. Ich hatte Euch nicht erwartet“
        „Ich...ich...wollte nur...den Angriffsplan auf Erde...darstellen“

        241. Tag des Krieges, CCF Catana Mora

        Oh, Gott, war das schrecklich! Laco war in seiner Argosy Special Ops Ausbildung zwar darauf vorbereitet worden, gefoltert zu werden, aber hatte nicht gedacht, dass sogar provisorische Folter eines Nightsiders so schlimm sein konnte. Der Hunger bohrte ihm ein Loch in die Magengrube. Als er mit dem Nightsider gestritten hatte, hatte er eigentlich gedacht, am längeren Hebel zu sitzen und die Rattenfresse zum Aufgeben bewegen zu können. Anscheinend hatte er sich geirrt. Seit genau zwei Wochen hatte Laco keinen Bissen mehr zwischen die Zähne bekommen. Die leichten Fettansammlungen im Bauchraum waren inzwischen schon völlig aufgezehrt worden. Der Nightsider schien nicht nachgeben zu wollen. Er schüttete jeden Tag einen kleinen Eimer Wasser in Lacos Zelle. Der Vedraner verrenkte sich jedes Mal um zumindest einen Teil des Wassers auflecken zu können. Der Nightsider hatte ihn gefesselt, geknebelt und ihm die Augen verbunden. Dann hatte er ihn in eine Zelle unter dem Hauptkorridor gesteckt. Normalerweise wurde sie genutzt, um wichtiges Material wie Werkzeug und Ersatzteile zu lagern, jetzt wurde dort ein Vedraner gelagert. Lacos Rücken war von 14 Tagen Bewegungslosigkeit völlig krumm geworden. Ständig stieg sein Hass auf die Ratte an. Bei der nächsten Gelegenheit würde er diesen Nightsider töten.

        „Schnell! Raus da! Die greifen uns an!“, schrie der Nightsider. Laco wusste gar nicht, was dieser von ihm wollte.
        „Sensor-Kontakt! Zwölf Jäger kommen auf uns zu!“ Laco hörte, wie der Käfig geöffnet wurde, die Ratte half ihm aber nicht beim Aussteigen. Dann nahm er ihm den Knebel und die Augenbinde ab und rannte ins Cockpit.
        „Ich weiß weder, wie weit sie weg sind, noch, wie schnell sie sind, da die Systeme gesperrt sind! Heb' die Sperrung endlich auf!“
        „Nein“
        „Was heißt da Nein, verdammt! Die wollen uns töten!“
        „Nein, die wollen mich töten“, entgegnete Laco. „Aber wenn du auch draufgehst, ist es mir das durchaus wert“
        Eine erste Rakete traf das Schiff. Der Nightsider bekam Panik. „Tu doch irgendwas“, schrie er Laco an. Der Vedraner rannte, so schnell ihn seine Füße trugen und es die Fesseln zuließen in Richtung Luftschleuse. Die Ratte spurtete ihm hinterher. „Wo willst du hin?“, fragte er.
        „Das da vorne ist die einzige Rettungskapsel!“, log Laco.
        Der Nightsider hielt ihm eine Waffe an den Kopf und sagte: „Die wollen dich. Wenn also nur ich in der Kapsel sitze, werden sie sie nicht abschießen“
        Siegessicher ging er einige Schritte zurück, bis er in der Luftschleuse stand. Laco bediente die Konsole mit der Nase, als der Nightsider schrie: „Das ist gar keine Rettungskapsel. Das ist eine-“
        Er kam nicht mehr dazu, „Luftschleuse“ zu sagen. Laco drückte mit seiner Nase auf „entlüften“. Es schien, als würde der Nighsider schreien, als seine Haut aufplatzte und er ins All hinausgepresst wurde. Laco verharrte eine Sekunde und sah ihm beim Sterben zu, dann sprang er auf und humpelte aufs Kommandodeck. Die Catana Mora wurde immer stärker unter Beschuss genommen. Ein weniger stark gepanzertes Schiff hätte jetzt schon erste größere Schäden gehabt. Laco verstauchte sich noch den Knöchel des hinteren linken Fußes, konnte sich aber doch in den Steuersitz des Cockpits retten.
        „Sperrung aller Schlüsselsysteme aufheben! Autorisation Laco nax Agros, Dark Horizon Strike Zero Nine Five Omicron Theta“
        „Sperrung aller Schlüsselsysteme aufgehoben“
        Laco beugte sich mit dem Mund über die Kampflanze, die noch immer im Cockpit lag. Er besudelte sie ordentlich mit Speichel, bekam sie aber dann zu fassen. Als er sie stabil zwischen den Zähnen hatte, hob er die Fesseln seiner Arme vor den Lauf der Lanze. Laco tastete mit der Zunge nach dem Abzug, fand ihn und drückte ab. Die Handschellen zersprangen in der Mitte. Blitzschnell nahm Laco die Lanze in die Hand, zerstörte die Fußfessel und nahm im Pilotenstuhl Platz.

        „Catana Mora, Waffen aktivieren, volle PDLs, Drohnen starten, Antrieb klar machen!“
        Laco warf sich den Gurt über und schaltete alle Systeme aktiv. Auf dem Sensor sah er tatsächlich zwölf Garuda-Fighter, eine Rotte von dreien befand sich bereits im frontalen Anflug. Sie dachten, die Catana Mora wäre noch immer ohne Energie und ein leichtes Ziel. Entfernung: 4 Lichtsekunden, eine bessere Gelegenheit würde sich nicht mehr ergeben. Laco aktivierte die frontale AP-Kanone und richtete sie auf das Ziel aus. Feuer! Zwei Antiprotonenladungen verließen die Kanone und trafen einen Fighter mittschiffs. Volltreffer! Der Jäger brach völlig auseinander. Mit der nächsten Ladung schoss Laco auf die anderen beiden Fighter, beschädigte einen leicht und verfehlte den zweiten komplett. Die Einschläge von Raketen waren zu vernehmen. Einer erledigt, elf fehlten noch. Die Catana Mora war zwar ein als Frachter getarntes starkes Schiff, aber das waren zu viele. Die Drohnen starteten. Zwei Fahrzeuge vom Typ Janus und eine Oracle schwenkten aus. Die Janus verteilten sich und verdoppelten die Informationsgeschwindigkeit. Die Oracle blieb der Schatten der Mora, da sie auch sehr schlagkräftig war. Eine Rotte Fighter näherte sich von hinten. Laco ließ das Triebwerk aufheulen und beschleunigte. Die meisten Schiffe dieser Klasse flogen nur 10 PSL, die Catana Mora brachte es auf ein Drittel Lichtgeschwindigkeit. Die Fighter näherten sich mit 40 PSL und holten langsam auf. Sie schossen. Die hinteren PDLs fingen das meiste ab, drei Raketen erreichten aber ihr Ziel.
        „Mora, können wir ein Slipportal öffnen“
        „Positiv“
        „Aber da können sie uns folgten, nicht wahr? Wir verlieren Pionen, oder?“
        „Positiv“
        „Auf mein Kommando warten, vordere Raketenbatterien bereithalten. Feuer! Jetzt das Portal öffnen!“
        Die Raketen verließen die Catana Mora und wurden gleich darauf ins Slipportal gezogen. Laco drehte hart ab und flog nicht in den Quantenraum. Seine drei Verfolger dachten aber, er sei geflohen und verfolgten ihn durch das Portal. Es brach zusammen. Wenn sie den Slipstream verließen, würden sie ihr blaues Wunder erleben – in Form von vier Raketen direkt vor ihrem Bug. Die acht übrigen kampffähigen Fighter drehten ab und hielten auf die Catana Mora zu. Eine Janusdrohne wurde vernichtet, zwei Raketen trafen das Schiff. Laco richtete die Geschütze auf einen der Fighter aus. Dann sah er aber etwas erstaunliches. Eines der Garuda-Boote ließ sich zurückfallen, richtete das Ziel neu aus und schoss. Die beiden Fighter der Rotte, die vorne flogen, wurden in Fetzen zerrissen. Der die Seiten wechselnde Fighter drehte ab und schoss auf die andere Rotte, die auf Laco zusteuerte. Er traf nicht, aber sie mussten ausweichen und verloren die Zielpeilung. Laco feuerte die AP-Waffe und schoss einen weiteren Raumjäger manövrierunfähig. Der Garuda-Fighter drehte ab und zerstörte den Jäger. Laco und der Garuda-Fighter flogen jetzt Seite an Seite, verfolgt vom Rest des Geschwaders. Sie schossen auf die Catana Mora. Dieses Mal waren die Treffer schwer. Laco hatte große Hüllenrisse in der Hecksektion und die aktiven Sensoren fielen aus. Zum Glück hatte er noch immer zwei Sensordrohnen. Die Jäger schossen wieder. Lacos PDLs deckten den Garuda-Fighter, denn ein Raumjäger konnte weniger verkraften als die Catana Mora. Mit den Schüssen zerstörten sie die Oracle-Drohne. Der Vedraner machte sich bereit, ein Raumminenfeld auszuklinken. Die Explosionsreichweite unterschritt die minimale Distanz, Laco erhöhte das Tempo. Der Garuda-Jäger zog nach oben, er wollte wohl mit dem Überschlag in den Rücken der Feinde kommen. Die Raumminen explodierten. Ein feindlicher Jäger wurde sofort vernichtet, zwei beschädigt, einer entkam. Der geheimnisvolle Garuda-Fighter, der Laco zu Hilfe gekommen war, zerstörte die beiden angeschlagenen Jäger mit wenigen Schüssen. Der letzte Jäger hielt noch einmal auf die Catana Mora. Alle Hauptsysteme fielen aus, überall auf dem Schiff gab es Hüllenbrüche. Laco sah gerade noch, wie der letzte Jäger die letzte seiner Drohne zerstörte. Eine Explosion folgte, Laco und sein geheimnisvoller Verbündeter hatten gesiegt. Der Vedraner gurtete sich los und versuchte, die Kommunikation wieder herzustellen. Es war glücklicherweise nur ein Schaden an der Energieversorgung. Bald war das Schiff wieder in Betrieb und Laco wurde vom Garuda-Fighter gerufen, der sich ihm gegenüber aufgestellt hatte.
        „Ich bin's. Captain Ismael Khalid“
        „Und ich bin die genetische Reinkarnation-“
        „Ich meine es ehrlich. Wer wäre dir sonst zur Hilfe gekommen, Laco nax Agros?“
        „Bist du allein?“, frage der Vedraner.
        „Ja. Meine beiden Kopiloten sind leider...nennen wir es...verunglückt“
        „Ismael! Hast du das Flexi und ist es interessant für uns?“
        „Ja, ich habe es. Und es ist der Schlüssel zum Ziel unserer Mission“
        „Gut. Kannst du andocken?“

        Laco schob sich gerade eine Packung Notrationen in den Mund, als der Garuda-Fighter von Ismael andockte. Die Schäden an der Catana Mora waren gewaltig. Hüllenbrüche, die bis ins Innere des Schiffes gingen und nicht nur die Panzerung beschädigten. Einen kompletten Durchschlag hatte es in der Nähe des AP-Tanks gegeben. Wäre dieser getroffen worden, wäre Laco nur noch Weltraumstaub. Die Luftschleuse öffnete sich und Ismael zog sich an Bord der Catana Mora.
        „Du hast ja ganz schön was abbekommen“, meinte er.
        Laco entgegnete: „Wäre noch viel mehr gewesen, wenn du mir nicht geholfen hättest“
        „Laco, was ist passiert? Was ist mit dem Nightsider?“
        „Der macht einen Weltraumspaziergang ohne Raumanzug“, sagte Laco. Er erzählte seinem Partner, wie es ihm ergangen hatte und staunte nicht schlecht, als der Nietzscheaner ihm von der Verfolgung auf Desideratum und der unerwarteten Hilfe eines Fremden erzählte. Laco wollte das Flexi sehen. Die Informationen klangen plausibel.
        „Wir sollten nicht auf einem Schiff fliegen“, meinte Ismael. „Ich nehme den Fighter und du die Mora“
        „Nein. Wir reisen beide auf der Mora“
        „Das Schiff ist so angeschlagen, wenn es getroffen ist, sind wir beide tot und keiner bekommt den Generator. Dann war die Mission ein Fehlschlag“
        „Überleg' doch mal. Jeder greift zu erst den gefährlicheren Jäger an und erst dann das Frachtschiff. Wir steuern den Fighter mit einem VR-Link vor der Mora her. Wenn uns jemand angreift, können wir auf seine Verteidigungsgeschütze zugreifen und haben noch mehr Zeit, uns zu verdünnisieren“
        „Wie du meinst“

        243. Tag des Krieges, Tarn Vedra


        „Wir haben jetzt auch noch das Eloriasystem und den Bargolis-Cluster eingenommen. Die fünfte Flotte ist fast mit den Vorbereitungen zu einer Rückeroberung von Cassiopeia fertig“, meldete die stellvertretende Kriegsministerin Constanza Stark dem Kriegsrat des Commonwealth.
        „Außerdem haben wir zwei leichte Kreuzergruppen in Raumgitter 15242 entsandt, um einen großen Deuteriumsynthetisierer auf einem der dortigen Gasriesen zu zerstören“, fügte ein Than-Admiral hinzu.
        „Grees Truppen befinden sich in den Fronten aller drei Kerngalaxien auf dem Rückzug. Wir vermuten, dass sie aufgerüstet und repariert werden um sich für eine neue Großoffensive zu wappnen“
        „Wo könnten sie wohl zuschlagen?“, meinte ein Politiker.
        „Vielleicht versuchen sie einen Direktangriff auf Tarn Vedra“
        „Das währe Wahnsinn, nachdem sogar ihr so verdammt starker Angriff auf San Ska Re versagt hat“
        Actrao nax Colyti schlug vor: „Wenn wir jetzt angreifen und die fünfte und die sechste Flotte zusammenlegen, können wir einen Direktangriff auf Enga's Redoubt wagen. Die Feinde sind zu schwach, um unsere Verteidigungslinien durchbrechen zu können. Und wenn wir Enga's Redoubt eingenommen haben, können wir uns problemlos den anderen wichtigen Welten des Drago-Kazov Clans annehmen. Das wird ihr Bündnis spalten“
        „Nein“, sagte die Kriegsministerin bestimmt. „Ein Direktangriff auf Enga's Redoubt wäre Selbstmord. Dieses System ist viel zu gut geschützt. Wieso sollten wir hunderttausende Leben opfern, für eine Sache, die wir später sowieso bekommen. Wir werden unsere Taktik beibehalten. Langsam Druck ausüben und zurückdrängen, dann von Rohstoffen und Energieversorgung abschneiden. Das wird sie am Schluss vernichten“
        Actrao verzog das Gesicht. „Keiner von euch hat den Ernst der Lage schon erkannt. Die Gefahr ist viel größer, als sich jeder einzelne von euch vorstellen kann. Ich werde mein Volk schützen! Und euch sage ich nur: Die einzige Chance, diesen Krieg zu überleben ist jetzt ein Frontalangriff, der sie vollkommen zerschmettert!“
        „Nein“. Stark ließ sich nicht beeinflussen. „Die Entscheidung ist gefallen“. Dieser Vedraner wurde ihr langsam unheimlich. Sie wusste, dass er irgendetwas vorhatte. Aber was nur? Egal, Laco und Ismael würden ihr schon das bringen, was dieser Actrao nax Colyti so unbedingt haben wollte. Wenn sie es hätte, könnte sie seine Pläne durchschauen und zum Wohl des Volkes Maßnahmen treffen. Sie sah wieder ins trotzige blaue Gesicht ihres Gegenübers.
        „Sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt“, meinte der Vedraner.
        Noch verstand niemand die entscheidende Bedeutung dieser Worte. Und sobald sie sie verstanden, würde es schon zu spät sein!

        245. Tag des Krieges, CCF Catana Mora

        Lange genug hatte es gedauert, die Catana Mora notdürftig zusammenzuflicken. Jetzt flog sie, geschützt von Ismaels Garuda-Fighter, in Richtung des Asteroiden, dessen Koordinaten ihnen der Nightsider überlassen hatte. Der leichte Frachter landete im Hangar des Asteroiden, niemand hatte auf sie geschossen. Vielleicht war er ja verlassen? Laco nahm seine Waffen und Ausrüstung und ging zur Luftschleuse. Wegen der langen Tage, eingequetscht in eine winzige Zelle, hatte er noch immer Schmerzen bei der Bewegung. Zurück auf Tarn Vedra würde er sich behandeln lassen. Die Luftschleuse öffnete sich. Im Hangar herrschte Atmosphäre. Laco hielt seine Kampflanze hoch und schoss blind. Nichts geschah. Normalerweise erkannte man durch automatisches Feuern interne Verteidigungssysteme. Langsam rückte Ismael vor. Gegenseitige Deckung. Sie erwarteten, dass man versuchen würde, die Schwerkraft zu erhöhen oder sie ins All hinauszublasen. Nichts passierte, und das war Laco unheimlicher als ein Angriff. Sie tasteten sich weiter vor, in eine Art Eingangshalle. Sie war schlicht ausgeschmückt und hatte keinerlei überflüssigen Schnickschnack. Irgendwo hier musste der Generator sein. Ismael hatte einen Scan nach Phasenverschiebungen begonnen. Ein Tesserakt hinterließ immer eine winzige Phasenvarianz, die sich mit der Zeit abbaute, wie radioaktiver Zerfall.
        „Ich habe etwas. Es kommt von 031 in diese Richtung!“
        „Was ist?“, fragte Laco, als er sich auf den Weg machte“
        „Sieh dir das an! Die Phasenvarianz ist sehr stark. Der Generator wurde wohl oft benutzt, und auch in letzter Zeit. Es ist gerade so stark, dass man ihn auch mit einem herkömmlichen Phasenmesser feststellen kann. Normalerweise sind die Varianzen bei Tesseraktgeneratoren aber nicht so stark, das ist ungewöhnlich“
        „Woher weißt du das alles? Actrao sagte, du wüsstest nichts vom Ziel unserer Mission“
        „Es gibt...gewisse Leute, die haben...die wollen Actrao nax Colyti im Auge behalten“
        „Admiral Stark“
        „Ja, Admiral Stark. Sie hat mich in das Commonwealth-Archiv sehen lassen. Tesserakte sind erstaunlich“
        „Ismael, wir können Actrao trauen. Bei Stark wäre ich mir da nicht so sicher“
        „Woher willst du das wissen? Stark ist ein vertrauenswürdiger Mensch. Und Actrao?“
        „Er war der Vertraute der Kaiserin! Er will mit dieser Technologie Tarn Vedra schützen. Er hat es mir erzählt. Und Stark! Sie hasst die Nietzscheaner! Das weißt du besser als jeder andere! Wenn sie diese Tesserakte als Waffe einsetzt, kann sie die Ehrengarde einpacken. Eine solche Technologie in den falschen Händen-“
        „Wessen Hände sind die falschen, sag mir das, Laco!“
        „Wir müssen ihn Admiral Stark geben! Sie ist die stellvertretende Kriegsministerin!“
        „Wir holen erst den Generator! Dann entscheiden wir, was zu tun ist!“

        Der Diener des Abyss schlug die Hand auf die Stirn. Er hatte das ganze Gespräch mitgehört. Wieso war nur immer alles so kompliziert? Es war eine Tragödie! Die Kopfgeldjäger hatten versagt, der Vedraner war noch immer am Leben. Jetzt war wohl seine letzte Chance, den Blueskin endgültig aus dem Weg zu räumen, wie es der Geist des Abyss gewünscht hatte. Dann hätte er einen Teil des Auftrags des Abyss erfüllt. Wenn er Laco nax Agros aber tötete, dann würde der Nietzscheaner den Tesseraktgenerator an die stellvertretende Kriegsministerin, Constanza Stark, abgeben. Damit wäre der zweite Teil des Auftrags gescheitert, was den Tod für ihn bedeuten würde. Wenn er den Vedraner laufen ließ, würde er sich durchsetzen und den Generator in die Hände von Actrao nax Colyti geben. Der Vertraute der Kaiserin war schon lange vom Geist des Abyss besessen, er selbst hatte davon aber nichts gemerkt. Eine Stimme in seinem Kopf hörte er zwar, aber er wusste nicht, dass sie ihn kontrollierte. Der Vedraner würde mit dem Generator dem Commonwealth einen irreparablen Schaden zufügen, obwohl er hoffte, es dadurch zu schützen! Laco nax Agros würde aber weiterleben. Das wäre wieder ein Todesurteil für ihn, den Diener des Abyss. Wofür er sich jetzt also entschied, am Schluss würde er sterben. Wieso wollte der Geist des Abyss den Tod des Vedraners so unbedingt? Er hatte gesagt, dass er eine Gefahr für ihn darstellte, aber wie? Der Vedraner hatte Informationen über den Abyss in seinem Gehirn über die er nichts wusste. Aber wieso machte ihn das so gefährlich? Der Diener wusste es nicht. Aber den Vedraner würde er immer wieder töten können. Den Generator würde er allerdings nie wieder aus den Händen Admiral Starks entreißen können. Er steckte seine Waffe ein und schaute wieder auf den Monitor.

        Laco gab gerade Ismael Feuerschutz. Jeden Moment könnten die Geschütze losschießen, aber sie gaben keinen Laut von sich. Der Asteroid war sehr kalt, aber die Kampfanzüge hielten sie auf genau 293K hielten. Jetzt erreichten sie einen neuen Raum. Die Anzeige des Messgerätes wurde höher, sie näherten sich ihrem Ziel. Dieser Raum war voller technischer Geräte, fast wie ein Arbeitszimmer. Am hinteren Ende des Raumes war ein erhöhtes Plato, das fast aussah, wie ein Altar. Auf den Monitoren der Geräten waren seltsame Schriftzeichen zu sehen, die Laco jedoch fremd waren.
        „Komm schon“, sagte Ismael. „Das hier ist es“
        Das Gerät, vor dem Ismael stand, hatte etwa einen Durchmesser von zwei Metern. Es war ein liegender Zylinder in einem Metallrahmen. Es hatte nicht wenig Ähnlichkeit mit einem antiken Düsentriebwerk.
        „Wie kriegen wir den jetzt zum Schiff?“, fragte Laco. „Der ist viel zu groß für die Gänge“
        „Wir tesseragieren ihn“
        „Was?“
        „Wir teleportieren ihn mit seiner eigenen Technologie“
        „Das Teil kann sich selbst bewegen?“
        „Natürlich. Wenn ich bloß diese Schriftzeichen kennen würde“, meinte der Nietzscheaner. Laco war ihm voraus und schloss ein Flexi an den Generator an. Das Arbeiten überließ er Ismael. Der Nietzscheaner versuchte Laco zu erklären, was er tat. Koordinaten einstellen und so weiter. Er klang erstaunt, weil es so leicht ging, als wäre alles schon vorbereitet. Nach nur fünf Minuten war er mit den Einstellungen fertig.
        „Zurücktreten bitte“, meinte der Nietzscheaner. Die Spulen des Generators begannen, sich zu drehen, immer schneller und schneller. Schließlich sah man Blitze austreten, die ein vierdimensionales Gebilde hervorriefen. Als der vierdimensionale Würfel, der Tesserakt, in sich zusammenbrach, war der Generator verschwunden.
        „Und wo ist er jetzt?“, fragte Laco verwirrt.
        „Im Frachtcontainer der Catana Mora, hoffe ich mal!“
        Die Offiziere rannten den selben Weg zurück auf dem sie gekommen waren.

        Er hatte sie also tatsächlich laufen lassen! Zumindest dieser Teil war geglückt. Der Diener des Abyss fuhr herum und machte sich auf zum Hangar. Der Generator würde jetzt wohl in die Hände von Actrao nax Colyti kommen. Das war gut. Und bei der nächstbesten Gelegenheit würde der Diener des Abyss versuchen, Laco nax Agros zu töten. Sollte er versagen, würde der Zorn des Abyss schrecklich sein. Die Kiste von einem Schiff, die CCF Catana Mora hob ab und glitt in den Weltraum hinaus. Den Tesseraktgenerator hatten sie an Bord. Der Diener des Abyss setzte sich ins Cockpit seines Tarngleiters und startete die Triebwerke. Er würde ihr Schatten sein und dafür sorgen, dass sich die Dinge so entwickelten, wie es der Geist des Abyss wollte...

        247. Tag des Krieges, Fountainhead


        Saladin schreckte zurück. Jetzt, wo er wusste, was er wissen wollte, wollte er, dass er es nicht gewusst hätte. Die Schriftzeichen im Heiligtum des Dieners waren die der Magog gewesen! Was hatte der Geist des Abyss mit diesen schrecklichen kannibalischen Monstern zu tun? Was, wenn er mit ihnen im Bunde war? Nein, das konnte nicht sein! Der Geist des Abyss hatte ihm immer geholfen, obwohl er wusste, dass er die Magog hasste! Aber das würde auch erklären, wieso der Diener ihn nie ins Heiligtum vorgelassen hatte! Verdammt, was sollte er nur tun? Wenn der, auf den er alles baute, mit den Magog unter einer Decke steckte, hatte Saladin wohl kaum noch eine Chance, diesen Krieg zu gewinnen! Aber er konnte jetzt nicht aufgeben! Aber eines wusste Saladin Gree nun: Der Abyss benutzte in nur. Er war nur eine weitere Marionette, deren Fäden er zog. Und all das würde am Schluss auf etwas hinauslaufen. Aber auf was? Saladin würde diese Frage beantworten und den richtigen Moment abwarten, die Karten auf den Tisch zu legen.

        Kommentar


          #19
          Wieder einmal ist ein Kapitel fertig geworden. Es hat 14 Seiten, eine weniger als das vorhergehende.
          Eine Frage vorweg: Ist die Schilderung der Personen einigermaßen klar? Weiß man, wer gemeint ist oder welche Rolle diese Person spielt ect?

          XI. Die Wolken sammeln sich
          „Wenn zu diesem Zeitpunkt des Krieges
          jemand erkannt hätte,
          wie groß die Gefahr ist,
          wäre das Commonwealth
          nicht untergegangen“

          Yin Man-Wei
          „Aufstieg und Untergang des intergalaktischen Commonwealth“ 11942 n.C.


          Wieder im Krieg! Tarik al Ashraf hatte das Kommando über eine Kampfgruppe des nietzscheanischen Militärs bekommen. Nachdem Hera ihrem Vater gesagt hatte, dass sich Tarik täglich besoff und oft tagelang nicht nach Hause kam, hatte Odin Athorak gehandelt. Er hatte Tarik mustern lassen und ihm, dank seiner langjährigen Erfahrung, gleich ein Kommando verschafft. Einerseits war ihm Tarik dankbar. Er hatte immer gewusst, dass es so nicht weitergehen konnte, seinen Lebensstil aber trotzdem nicht geändert. Hera war nun wieder allein zu Hause, schwanger mit Tariks Kind. Er wäre gerne bei der Geburt dabei gewesen, aber diese Chance bestand jetzt kaum mehr. Die Cotorys, Tariks Schiff, zerstörte gerade die letzte Corvette des Commonwealth. Es war nur ein sehr kleiner Sieg, aber trotzdem ein Sieg. Die nietzscheanische Allianz brauchte jetzt jeden Sieg, den sie bekommen konnte. Es stand schlecht für die vereinigten Stämme. Saladin war oft abwesend, die Anführer zerstritten sich, das Commonwealth rückte weiter vor und es gab keine Pläne mehr für einen Angriff. Das Militär zog sich aus vielen eroberten Gebieten zurück. Je kürzer die Frontlinie war, desto mehr Schiffe konnten sie auf einem kleinen Gebiet stationieren. Vor allem die starken, aber langsamen Dreadnoughts konnte man viel effizienter einsetzen. Außerdem wurden die Versorgungswege kürzer und sie bekamen einen strategischen Vorteil Allerdings zu einem hohen Preis! Das Commonwealth würde jetzt angreifen und sie langsam zu Grunde richten. Wo war denn Saladins verdammter Plan, der ihnen den Arsch retten sollte? Tarik wusste, dass viele so dachten, aber trotzdem noch Vertrauen in den reinkarnierten Stammvater hatten. Doch wenn Saladins Plan nicht in Erfüllung gehen würde, würde auch Tarik seine Treue nicht ewig aufrecht erhalten!

          264. Tag des Krieges, Tarn Vedra
          Actrao nax Colyti hatte sein Versprechen gehalten. Laco und Ismael Khalid hatten lange darüber gestritten, wer denn nun den Generator erhalten sollte. Admiral Stark oder Actrao. Schließlich hatte sich Laco durchgesetzt und sie hatten Actrao den Generator überlassen. Stark war sehr enttäuscht, verbarg es aber gut, denn ihr Auftrag war inoffiziell gewesen. Laco hatte mehr Vertrauen zu Actrao als zu der sehr verschlossenen und teilweise grausame Entscheidungen treffenden Kriegsministerin. Doch von beiden Seiten hatte er jetzt Empfehlungsschreiben für den Posten des Captains auf der Wrath of Achilles. Heute würde der erste Lehrgang über die Wrath of Achilles Klasse sein, den durfte Laco keinesfalls versäumen. Sein Verlangen, sich wieder in den Krieg zu stürzen, hielt sich zwar in Grenzen, aber immerhin hatte er einen Racheplan durchzuführen. Laco wusste schon, was er in der nächsten Zeit vorhatte. Einmal Geheimdienstinformationen einsehen, um herauszufinden, wo sich Tarik im Moment befand. Dann wollte er sich noch Wissen über Tesserakte aneignen, diese Technologie faszinierte ihn. Und natürlich musste er noch Captain der Achilles werden. Laco hätte Ismael Khalid gerne zu seinem ersten Offizier gemacht, obwohl er Nietzscheaner war. Aber der Captain hatte sich entschieden, sein Versprechen zu halten. Actrao hatte ihm ein gutes Schiff, die Starry Wisdom, gegeben. Er wollte tatsächlich die Andromeda Ascendant aus dem schwarzen Loch von Hephaistos befreien! Laco hatte ihm Glück gewünscht, aber insgeheim bezweifelt, dass sein Vorhaben glücken würde.

          Ein Mann betrat den Saal. Er hatte kurzes ergrautes Haar und einen Wallenden grauen Vollbart. Er schien ziemlich alt zu sein, zu alt für die meisten Leute in der Ehrengarde.
          „Guten Tag“, begann der Mann. „Mein Name ist Adriano del Ronis. Der wahrscheinlich genetisch veränderte Mensch salutierte, was die Bewerber erwiderten. „Ich werde der erste Offizier der Wrath of Achilles sein, denn ich war maßgeblich an Entwicklung und Bau dieser Schiffsklasse beteiligt. In diesem Kurs werde ich euch mit der Wrath of Achilles Klasse vertraut machen, und am Schluss wird der Captain des Tyschiffs feststehen. Nun werde ich euch erst mal was über die Wrath of Achilles Klasse erzählen. Ihre Planung begann vor etwa hundert Jahren, etwas später als die der Glorious Heritage Klasse. Uns wurde klar, dass wir einen schweren Zerstörer brauchen. Die Garde hat zwar Schiffe der Righterous First of Heaven Klasse, aber das sind eher leichte bis mittelschwere Zerstörer. Der einzige Zweck der Wrath of Achilles Klasse wird sein, so viele Raumschiffe wie möglich zu zerstören. Es ist kein Multifunktionsschiff, sondern einfach nur ein Raumschiffkiller. Man nennt die Klasse auch Deep Stand-Off Attack Schiff vom Typ II. Oder einfach Deep Stand-Off Attack Cruiser. Also entweder DSA II oder DSX. Voraussichtlich sollten diese Schiffe etwa 9800 n.C. in Dienst gestellt werden. Nach dem Beginn der Magoginvasion 9766 n.C. wurden die Arbeiten viel schneller fortgesetzt. Auch nach dem Vertrag von Antares 9781 n.C. wurden die Arbeiten nicht auf Eis gelegt, gingen aber langsamer voran. Durch den Kriegsausbruch letztes Jahr wurden die Arbeiten wieder beschleunigt, und wir hoffen, die DSX noch vor Ablauf dieses Jahres in Einsatz bringen zu können.
          Nun ein bisschen was zu den technischen Daten: Wie ich schon sagte, ist eine DSX ein Raumschiffkiller. Wir haben auf die vier im Plan vorgesehenen AP-Kanonen verzichtet, da die Antiprotonenleitungen immer ein wunder Punkt eines Raumschiffes sind. Stattdessen haben wir vier Plasmakanonen eingebaut. Dann... das Schiff ist mit 180 ELS-Geschützrohren ausgestattet. Jedes einzelne kann zehn Raketen in der Sekunde abfeuern, das bedeutet über 100.000 Raketen in der Minute. Man kann sich denken, dass so ein Schiff eine enorme Munitionskapazität haben muss. Und das hat sie. Die DSX hat keinen hydroponischen Garten, keine Freizeiträume, ein nur sehr kleines Observationsdeck, kaum Mannschaftsräume, kaum Mannschaft. Außerdem haben wir kaum Forschungsausrüstung, fast nur leicht zu transportierende Standardrationen als Verpfelgung, nur ein winziges Lancer Corps und so weiter. Am meisten eingespart haben wir an den kleineren Schiffen. Eigentlich hat eine DSX nur einen Standardtransporter, allerdings noch Raum für zwei Slipfighter und ein weiteres Schiff, und eben die Startrampe selbst. Wir haben hier enorm viel Platz eingespart, den wir für riesige Munitionsvorräte benutzen können. Trotz allem ist das Schiff kleiner als eine XMC und hat ein messerartiges Design. Für Feinde wird es sehr schwierig, die DSX aufzuspüren, da sie nur ein Profil der Intensität einer Corvette hat. Sollte es doch einem Feind gelingen, sie zu orten, wenn die aktiven Sensoren deaktiviert sind, ist er schon so gut wie tot. Wenn sie vor ihrer Zerstörung noch ihre Waffen abfeuern können, haben wir auch noch was auf Lager. 32 leichte Kampfdrohnen vom Typ Janus bilden einen Ring um die Achilles und fangen das meiste ab. 24 PDL Geschütze fangen ab, was den Drohnen noch entkommt. Sollte das Schiff massiv angegriffen werden, haben wir noch weitere Verteidigungsmaßnahmen. Die Wrath of Achilles Klasse besitzt ein ECM Schildsystem, das alle Flugkörper aus der Flugbahn bringen und am Schiff vorbeileiten soll. Wir werden bei heftigem Beschuss aus kurzer Distanz zwar die Raketen nicht völlig ablenken können, sie aber immerhin bremsen können. Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie zwischen den Auslegern hindurch fliegen. Die zweite Verteidigungslinie: Wir haben wie alle Gardeschiffe ausfahrbare Kampfklingen, die ein Netz aus Nanokabeln ausbreiten. Schlägt ein Geschoss auf Klingen oder Kabeln wird es zerstört, wobei die Lebensdauer der Nanokabeln natürlich auch sehr begrenzt ist. Wenn dann mehrere Raketen durchkommen, hat die DSX eine neue Form der Panzerung aufzuweisen, die sie noch zäher als alle ihre Vorgänger macht. Ins die typische Panzerung ist noch Plasma eingewoben, das erkaltet ist. Das kann enorm viel thermische Energie aufnehmen. Natürlich ist auch ein Teil Resistium in der Panzerung enthalten, die die Intensität von AP-Treffern dämpfen soll. Wir nennen diese Panzerung „erweitertes atomares Gitter“. Sollten wirklich mal alle Waffensysteme ausgefallen sein und der Feind macht sich bereit, das Schiff zu entern, wird er sich sehr schwer tun. Es ist nur durch ein stark geschütztes Hangardeck am Bug erreichbar, das durch automatisches Verteidigungssystem geschützt ist. Sollte wirklich all das überwunden sein, ist das Schiff praktisch verloren. Es kann schwer über Rettungskapseln evakuiert werden, das möchte ich von Anfang an schon sagen. Wir haben auf über den Rumpf verteilte Kapseln verzichtet, da diese ein überflüssiges Gefahrenpotential darstellen. Alle Rettungskapseln sind am Heck konzentriert, nur von dort aus kann das Schiff verlassen werden, sobald der Hangar besetzt ist. Aber hoffen wir mal, dass es nie so weit kommen wird. Noch etwas zur Bewaffnung: Das Schiff kann im Optimalzustand mehrere Stunden lang ununterbrochen feuern. Wie lange genau muss noch getestet werden, denn das hängt nicht nur von der Munition, sondern auch von Sensoren, Energie, Deckung, Zielerfassung, Verteidigung, Mannschaft und so einigem mehr ab. Darauf wollte ich aber gar nicht hinaus. Das Schiff ist mit OM5-Offensivraketen und DM5-Defensivraketen ausgerüstet. Mann kann diese auch mit AP-Sprengköpfen, Plasmasprengköpfen oder Anti-Strikecraft-Sprenköpfen ausrüsten. Außerdem haben wir noch PM6-Star Arrows, intelligente Schiff-Schiff Raketen. Die PM6LII-strategic Star-Arrows mit Mehrfachsprengköpfen sind die Krönung der Schiff-Schiff-Vernichtungswaffen. Die schwersten Waffen, die das Schiff einsetzt, sind 180 Negativbomben, für jede Rampe genau ein Schuss. Für planetares Bombardement benutzen wir die SAPM-6III Strike Arrow, planetare Angriffsraketen. Sollte uns einmal die Munition ausgehen, kann das Schiff wie alle Gardekreuzer Munition mit Hilfe von Naniten aus Wrackteilen oder Asteroiden recyclen. Eines möchte ich noch sagen: Auch wenn die Wrath of Achilles Klasse für sonst nichts gut ist, sie ist das tödlichste Schiff, das das Commonwealth jemals hatte. Dieses Schiff kann eine ganze Flotte von Fregatten auslöschen, ohne mit der Wimper zu zucken. Dieses Raumschiff ist das stärkste im gesamten Commonwealth!“

          267. Tag des Krieges, Commonwealth-Archiv

          Hier unten war es angenehm kühl. Hier, in einem Bunker, der sogar die Zerstörung des Planeten ausgehalten hätte, gab es die größte Bibliothek in den den bekannten Welten. Sie war unter dem gigantischen Hauptgebäude der intergalaktischen Universität erbaut worden. Die einzigen Archive, die sich teilweise mit diesem hier messen konnten, waren auf Daedalus V und Platon. Aber hier waren alle auffindbaren Originalschriften erhalten! Aufgezeichnet auf Papyrus, Pergament, Computerchips, Steintafeln... Man hatte im Laufe der Zeit viele detailgetreue Kopien dieser Originale angefertigt und sie überall in den bekannten Welten ausgestellt. Außerdem war das ganze Wissen in diesen Schriften auf Logic-Chips transferiert worden, die in hohen Regalen aufbewahrt wurden. Das gab dieser Bibliothek ein seltsames Aussehen. Leider war es unmöglich, an die Originale heranzukommen. Eine Art Spezialgruppe der intergalaktischen Universität, die so genannten Kollektoren, bewachte sie besser wie ihre eigenen Augäpfel. Diese Leute hatten, genau wie Argosy Special Operations, eine schwarze ID, die ihnen uneingeschränkten Zugang zu allem gab.
          Laco führte den Übertragungsstecker in seinen Dataport ein. Er wusste, wie praktisch dieses Ding war, aber trotzdem fand er es hässlich. Laco fand sich in der virtuellen Realität der Bibliothek wieder. Eine KI wies ihm den Weg. Sie zeigte Cartaia Managrio, die Vedranerin die 4352 n.C. die intergalaktische Universität gegründet hatte. Laco hatte bald gefunden, was er gesucht hatte. Tesserakte. Die gesamte Technologie direkt zum Runterladen. Laco aktivierte den Vorgang, der wenig später abgeschlossen war. Laco kehrte aus der VR-Matrix zurück und fand all die Informationen auf ein Flexi heruntergeladen. Theoretisch hätte er sich das Zeug auch direkt ins Hirn laden lassen können, aber dabei bestand die Gefahr, wahnsinnig zu werden. Laco setzte sich in eine Ecke des bläulich erleuchteten Archivs und begann zu lesen.

          299. Tag des Krieges


          Die Tage zogen sich und zogen sich. Fast konnte man es schon wieder Alltag nennen. Laco ging täglich zu den taktischen Trainings und Vorlesungen über Strategie, Kampfverhalten, überlegene Kriegsführung, Wrath of Achilles und zum Bewerbertraining für den Platz des Captains. In seiner Freizeit vergrößerte er immer mehr sein Wissen um die Tesserakte. Mit den Informationen aus dem Commonwealth-Archiv war er vor zwei Tagen fertig geworden. Actrao war sehr zufrieden mit seiner Arbeit gewesen, nachdem er den Generator getestet hatte. Er hatte ihm versprochen, ihm sowohl beim Platz des Captains als auch bei seinem Racheplan zu helfen. Vor einer Woche hatte er das Haus seiner Eltern besucht. Seine Mutter hatte sich äußerst erfreut gezeigt, dass er noch lebte und hatte ihn eingeladen, für immer hier zu wohnen. Laco hatte abgelehnt und ihr gesagt, dass er hier sei, um Abschied zu nehmen. Dass niemand sein „Grab“ besucht hatte, als man ihn für tot gehalten hatte, hatte ihn schwer enttäuscht. All seine Verwandten wichen immer wieder geschickt der Frage aus, wieso sie nie dort waren. Laco hatte sich verabschiedet und am Schluss noch hinzugefügt, dass er nie wieder an diesen Ort zurückkehren würde. Keiner aus seiner Familie wollte ihn am Gehen hindern. Seine Verpflichtung für Familie und Matriarchin hatte Laco nun offiziell abgelegt. Einst hatte er dafür seine Zukunft geopfert und das war der Dank dafür! Nein, dieser Abschnitt war zu Ende
          Heute war der Tag gekommen, an dem sich entscheiden würde, wer ein Schiff der Vaporisiererklasse (DSX) bekommen würde. Nervös sah Laco wieder zur Tür. Zwei Dutzend Bewerber aber nur fünf von ihnen würden ein Kommando bekommen. In den Star City Shipyards über Tarn Vedra gab es fünf Werften, die extra für die Vaporisiererklasse gebaut worden waren. Nur in ihnen konnten diese Schiffe gebaut werden, und die Fertigstellung jedes Modells dauerte etwa ein Jahr. Wenn die ersten Schiffe vom Stapel gelassen waren, würde es mit den nächsten vermutlich schneller gehen. Die bisher gebauten Schiffe waren die „Wrath of Achilles“, die „Strength of Hercules“, die „Balance of Judgement“, die Augury of Heros“ und die „Decision of Romulus“. Und so schwer konnte es nicht sein, eines dieser Schiffe zu bekommen! Feuchter Schweiß stand auf Lacos Stirn als sich die Tür öffnete und vier Personen hereinkamen. Die erste war Admiral Stark, dann kam ein Perseide, dann Adriano del Ronis und als Schlusslicht ein Than. Er war der Kopf von Argosy Special Operations.
          Admiral Stark begann die Ansprache: „Sehr geehrte Damen und Herren, ihr habt euch fast alle hervorragend geschlagen. Wenn wir mehr DSX hätten, würden mehr von Euch eine bekommen, aber leider Gottes haben wir nur die fünf“
          Respektvolles Lachen über die Anspielung der Kriegsministerin erfüllte den Raum.
          „Wir haben die von euch ausgewählt, die am ehesten ein solches Schiff verdienen. Wir haben entschieden, dass Captain Laco nax Agros zum Captain der Wrath of Achilles befördert wird“
          Laco stand auf und ging nach vorne. Admiral Stark reichte ihm die Hand und übergab Laco die schriftliche Bestätigung seiner Beförderung. Als er sich umdrehte, zischte sie ihm ins Ohr, dass er auf sie warten solle.
          „Der Posten des Captains auf der Strength of Hercules geht an Captain AcrabSitan“. Ein junger Chi-Chi mit viel Potential. Laco freute sich für ihn.
          „Der Posten des Captains auf der Balance of Judgement geht...“
          Laco hörte überhaupt nicht mehr zu. Er war glücklich, die Wrath of Achilles bekommen zu haben. Es war eine große Ehre, das Typschiff einer Klasse zu kommandieren, außerdem hatte er jetzt im Krieg eine große Verantwortung, war doch die DSX-Klasse die stärkste, die das Commonwealth je hatte! Als Starks Rede mit Applaus beendet wurde, nahm sie ihn beiseite und ging auf den Korridor hinaus. Teddy Roosevelt kam nach ihm heraus, leider war er leer ausgegangen. Laco meinte: „Tut mir echt Leid für dich“
          „Machst du Witze? Ich bekomme die Aminophes, das ist ein Schiff der Glorious Heritage Klasse“
          „Das freut mich für dich“
          Roosevelt ging als Admiral Stark den Korridor betrat. „Weißt du eigentlich, wieso du dieses Schiff hast?“
          „Ich denke-“
          „Wegen Actrao nax Colyti. Er hat sich sehr für dich eingesetzt, weißt du das?“
          „Nun ja-“
          „Gute Schiffe bekommt man für perfekt abgeschlossene Missionen“. Sie dachte dabei sicherlich an Captain Dylan Hunt, der seine Andromeda für einen Mord bekommen hatte. „Kennst du dich ein bisschen mit Tesserakten aus?“
          „Eigentlich-“
          „Was hat dieser Actrao mit dem Generator vor, weißt du das?“
          „Er meinte, er wolle einen Schutz für Tarn Vedra aufbauen“
          „Und wie will er das anstellen?“
          „Irgendwie will er anfliegende Raketen in den Raum hinaustesseragieren oder so“
          „Unmöglich“
          „So würde ich es nicht nennen“
          „Ich habe Kontakte bei den Kollektoren. Man hat mir gesagt, dass du dir gewaltiges Wissen über Tesserakte angeeignet hast. Sag du es mir“
          „Nun ja. Soviel ich jetzt weiß, kann es schon enorm schwierig sein, da man immer die exakte Position braucht. Dann muss sich der... nein. Es geht nicht“
          Admiral Stark sah in fragend an. „Hast du eine Ahnung, was Actrao nax Colyti wirklich vorhat?“
          „Nein, Sir“
          „Dieser Vedraner ist gefährlich. Er ist besessen von der Idee, die alte vedranische Ordung wiederherzustellen. Der zweimalige Verlust der Kaiserin, seiner Herrin, hat ihn schwer getroffen. Anscheinend sieht er sich jetzt selbst in dieser Position, als Garant für das Wohl des vedranischen Volkes. Vielleicht will er der erste vedranische Kaiser werden oder so. Und wenn er wirklich ein Extremist ist und eine so gefährliche Technologie wie einen Tesseraktgenerator in den Händen hält, sind wir in ernsthafter Gefahr. Leider wissen wir nicht genau, was Colyti vorhat. Ich habe deine nächste Mission. Finde es heraus! Dieses Gespräch hat selbstverständlich nie stattgefunden“
          Laco kam jetzt in die Bredouille. Er hatte zwei Leuten Treue geschworen, musste sich aber jetzt für eine entscheiden. „Und wenn ich es nicht tue?“
          „Es wäre jammerschade, wenn jemand die Wrath of Achilles auf eine hoffnungslose Mission schicken würde, nicht wahr?“
          „Ja, Sir“
          „Laco, du hast ihm den Generator gegeben. Du hast das ausgefressen und du wirst gefälligst dafür sorgen, dass Colyti uns nicht in Gefahr bringt, ist das klar?“
          „Ja, Sir“
          „Finde heraus, was er vorhat und verhindere es!“
          „Aye, Admiral“

          303. Tag des Krieges, kaiserliche Residenz auf Tarn Vedra


          „Ich finde, du solltest jedenfalls mal überlegen-“, begann Laco.
          „Admiral Stark hat dich geschickt“, meinte Actrao abweisend. Er wusste zwar nicht genau, woher er das wusste, aber er wusste es genau. Sollte Laco nax Agros wirklich eine Gefahr für seinen Plan darstellen können?
          „Admiral Stark macht sich Sorgen um das Commonwealth“, meinte Captain Agros.
          „Ich habe ihr gesagt, wie sie ihr Commonwealth retten kann. Mit einem Direktangriff auf Enga's Redoubt, aber sie will einfach nicht hören“
          „Versteh doch. Sobald Stark weiß, dass du nur das Beste für das Commonwealth im Sinn hast, wird sie dich in Ruhe lassen“
          Actrao wusste ganz genau, dass Laco log. Diesmal war es fast wie ein Flüstern in seinem Kopf. „Ich glaube es nicht“, sagte Actrao bestimmt.
          „Sie hat doch nur das Wohl des Commonwealth im Sinn. Sag ihr, wo der Generator ist und was du damit vorhast!“
          Das durfte er auf keinen Fall tun. Zum Wohle Tarn Vedras! „Ich werde dir nicht erzählen, wo der Tesseraktgenerator ist, Laco. Dir schon gleich gar nicht!“
          „Jetzt wo du mich nicht mehr brauchst, sind wir also keine besten Freunde mehr, oder wie? Du hast mich nur benutzt um die Kaiserin zu finden“
          Das hat damit nichts zu tun. Actrao war sich sicher, es jetzt sogar wörtlich vernommen zu haben. Was ging da nur vor?
          „Das hat damit nichts zu tun“, sagte Actrao ärgerlich. „Das Wohl des vedranischen Volkes steht über dem Willen der Kriegsministerin“
          „Was redest du denn da für einen Schwachsinn daher? Schön langsam denke ich, du weißt nicht mehr ganz, was du tust!“
          Actrao wusste, dass es jetzt an der Zeit war, Laco auszuschalten. Vielleicht sollte-
          „Nein! Ich werde nicht tun, was du mir befiehlst!“, schrie Actrao laut.
          Laco wich erschrocken zurück. Vielleicht dachte er, dass Actrao an Schizophrenie litt.
          „Töte ihn! Jetzt!“ Die Stimme war mächtig und laut geworden. Laco hatte das Tor geöffnet und sich in Sicherheit geflüchtet.
          Actrao spürte einen Druck in seinem Kopf, der kurz darauf verschwand. Die Iris seiner Augen wurde rötlich und pulsierte langsam.

          326. Tag des Krieges, Star City


          Die Luftschleuse öffnete sich. Ciquon sah noch genauso aus, wie ihn Laco das letzte Mal gesehen hatte, nur war er in Zivilkleidung.
          „Können wir?“, fragte Laco. Chiquon nickte.
          „Hier ist die CCF Catana Mora. Erbitten Starterlaubnis, Over“
          „Hier ist Star City Control. Starterlaubnis erteilt. Guten Flug, Over“
          Die Triebwerke der Catana Mora zündeten unter Plasmaausstoß und schoben das Schiff tiefer in den Raum des vedranischen Systems. Seit einem knappen Monat wurde Laco verfolgt. Es waren keine direkten Steckbriefe oder so etwas. Aber andauernd waren Agenten von Argosy Special Ops oder einfache Kopfgeldjäger hinter ihm her. Laco konnte kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen, ohne dass ihn jemand umbringen wollte. Der Vedraner war sich ziemlich sicher, dass Actrao diese horrende Verfolgung erlassen hatte. Laco hatte nach seinem Plan mit dem Generator gesucht, war aber nicht fündig geworden. Die letzte Spur der Hoffnung würde ihn an einen schicksalhaften Ort führen. Sollten sie wirklich verfolgt werden, brauchte Laco einen guten Piloten. Nach Lacos Bitte war Chiquon sofort nach Tarn Vedra gekommen, um ihm bei seiner Suche zu helfen. Es schien, als würde niemand sie verfolgen. Kein Wunder, konnte Actrao ja nicht die ganze Garde auf ihn hetzen. Der Vertraute der Kaiserin war von irgendetwas besessen. Und Laco schwor sich, herauszufinden, was es war. Wenn er das wüsste, würde er auch wissen, was er mit dem Tesseraktgenerator vorhatte. Die Catana Mora öffnete ein Slipstreamportal und flog in den Quantenraum. Laco hatte sich geschworen, nach Yakosh zurückzukehren und erneut mit dem Orakel zu sprechen. Seine Frau hatte ihm einst gesagt, wie der Name des Orakels lautete, doch Laco hatte ihn vergessen. Er hoffte nur, nach dem Angriff der Sklavenjäger auf Yakosh das Orakel noch vorzufinden. Mit jeder Entscheidung, die er im Slipstream traf, kam Laco dem Ort näher, der an sein Schicksal gebunden war. Yakosh.

          327. Tag des Krieges, auf irgendeinem Asteroiden

          Der Geist des Abyss hatte wieder Recht gehabt. Actrao nax Colyti war jetzt unter der indirekten Kontrolle des Abyss. Um sein Volk zu schützen, würde er das Universum verraten. Und das würde er noch dazu für richtig halten! Der Diener des Abyss musste schmunzeln. Der Geist des Abyss hatte ihn noch nicht hingerichtet. Er hatte noch eine Chance bekommen, Laco nax Agros zu töten, Actraos Taktik war anscheinend unfähig. Er entkam diesen unfähigen Kopfgeldjägern und Söldnern immer wieder. Kein Wunder, hatte er doch eine Argosy Special Ops Ausbildung. Der Diener hatte schreckliche Schmerzen leiden müssen, doch der Abyss hatte ihm seinem Zorn zum Trotz verziehen. Der Raumgleiter des Dieners hob ab. Er wusste nicht, wo Laco in seinem Schiff hin wollte. Aber er konnte seinen Kurs verfolgen und ihn am Rückweg abfangen. Würde er seine Arbeit gut machen, würde ihn der Abyss reich dafür entlohnen. Vielleicht würde er eine hohe Position in der neuen Weltordnung des Abyss erhalten. Vielleicht würde er ihn auf den Pfad der Transzendenz führen. Er hatte sich wortwörtlich mit Leib und Seele dem Geist des Abyss verschrieben. Und was die Zukunft auch für ihn bereithalten würde. Der Diener würde es mit Freuden erwarten.

          328. Tag des Krieges, Yakosh

          In seinen Umhang gewickelt überblickte Laco die zerklüftete Berglandschaft. Ein kalter Wind schnitt ihm ins Gesicht. Noch eine Restwärme der heruntergefahrenen Maschinen der Catana Mora wärmte Lacos Rücken. Ohne eine Absprache machten sie sich auf den Weg. Die Felsen waren von Schnee bedeckt, der ihnen bis zu den Knien reichte. Laco kam dank seiner vier Beine noch gut voran, Chiqoun, der von einem heißeren Planeten kam, hatte erhebliche Probleme. Auf einer Bergkuppe lagen kaum übersehbar die Ruinen des Klosters von Yakosh. Chiquon sagte irgendetwas, aber Laco konnte es wegen des Windes nicht verstehen. Hätte er doch nur einen Kampfanzug oder wenigstens die Gardeuniform angezogen. Aber in diesen Zivilklamotten fror er sich sämtliche Gliedmaßen ab! Die Ruinen des Klosters waren bald erreicht. Hier, genau hier, hatte Sucharitkul jahrelang gelebt. Hier war sie aufgewachsen, das hatte sie als ihre Heimat angesehen. Hier hatte Laco zum ersten Mal erfahren, dass es so etwas wie Schicksal gab. Und hier war ihm seine Bestimmung zuteil geworden. Seit einem knappen Jahr war das Kloster verlassen. Alle unbewaffneten Bewohner waren von nietzscheanischen Sklavenjägern verschleppt worden. Lacos Hoffnung war, dass das Orakel von Yakosh noch hier war. Sie betraten das Hauptgebäude. Auch hier waren die Spuren der Verwüstung gut zu erkennen. Weil hier kein Schnee lag, konnte man die Brand- und Waffenspuren noch gut erkennen. Der Vedraner suchte eine Weile, bis er die Treppe ins Untergeschoss gefunden hatte. Das Holztor war verriegelt. Laco und Chiquon zogen ihre Kampflanzen, Plasmafeuer. Die Tür zersplitterte.
          „Wenn ich nur wüsste, in welcher Kammer das Orakel war“
          „Ich habe schon nach Lebenszeichen gescannt, aber nichts gefunden“
          Laco überprüfte die Türen und schaute in die Räume hinein. Er stellte seine Kampflanze auf Lampenmodus und leuchtete die Zimmer aus. Jedes sah eigentlich aus, wie ein Wohn- und Schlafraum. Wenn schon niemand hier war, so hoffte Laco doch, jedenfalls eine Nachricht oder sonst was zu finden. Bei der siebten Tür hatte Laco Erfolg. Er öffnete sie und leuchtete sie mit dem leichten Plasmastrahl aus. Das Licht konnte die Dunkelheit in diesem Raum nicht durchdringen. Das war es!
          „Bitte warte hier“, flüsterte Laco, trat ein und schloss die Tür. Er steckte die Kampflanze ein und tastete sich an der Wand vorwärts. Der Raum war mit Kissen ausgelegt, die Wände waren mit Teppichen verziert. Er brauchte nur einen Hinweis, nur einen kleinen Hinweis!
          „Du kommst spät“ Laco zuckte wie vom Blitz getroffen zurück, als er etwas warmes berührt hatte. Es war Haut gewesen! Das Orakel! Sie war hier!
          „Ich...äh...“
          „Sag mir, Laco nax Agros, hast du deine Bestimmung schon erfüllt?“
          „Allerdings, aber Sucharitkul hat das nicht überlebt“, sagte Laco verwundert, wollte er doch auf keinen Fall das Orakel verärgern, indem er ihr die Antwort vorenthielt.
          „Das betrübt mich“, sagte die Stimme des Orakels. Laco konnte schwören, ein leises Schluchzen vernommen zu haben. Vielleicht war sie ja doch eine Fühlende!
          „Laco, wieso hast du mich erneut aufgesucht?“
          „Sagt dir der Begriff Tesserakt etwas?“
          „Nein“
          „Schade. Ich dachte mir nur-“
          „Warte...doch, er sagt mir etwas. Ich habe dir schon gesagt, ich habe die Zukunft gesehen. Und dort habe ich auch Tesserakte gesehen“
          „Worauf willst du hinaus?“
          Laco wusste nicht genau, wie er reagieren sollte, doch er wusste, das die Zeit nicht sein Verbündeter war. „Fangen wir anders an. Kennst du Actrao nax Colyti?“
          „Nein. Sollte ich das?“
          „Er scheint von irgendetwas besessen zu sein. Ich kenne ihn schon seit dem Ausbruch des Krieges“
          „Es herrscht Krieg?“
          „Ja, zwischen den Nietzscheanern und dem Commonwealth. Und zwar offiziell“
          „Verzeihung. Ich wollte dich nicht unterbrechen“
          „Auf jeden Fall kenne ich ihn einigermaßen gut und er ist, seit ich wieder auf Tarn Vedra war, nicht mehr der selbe. Er ist unfreundlich und scheint seelische Probleme zu haben. Ich mache mir Sorgen um ihn. Um ihn, um mich und das Commonwealth“
          „Und was ist daran so schlimm?“, fragte das Orakel.
          „Er war der Stellvertreter der vedranischen Kaiserin. Und er hat eine mächtige Waffe. Einen Tesserkatgenerator“ Laco erklärte die Funktion eines Generators und die Wirkung, die er erzielte. „Du verstehst nun, dass so eine gefährliche Technologie in den Händen eines...Wahnsinnigen tödlich ist, oder?“
          „Ja“
          „Ich muss wissen, was Actraos Plan ist, denn nur so kann ich ihn verhindern“
          „Ich bin kein Gott, Laco nax Agros. Ich bin nicht allwissend“
          „Aber gibt es denn überhaupt keine Hinweise?“, fragte Laco verzweifelt.
          „Hat sich äußerlich auch etwas an ihm verändert?“
          „Nun ja. Als ich das letzte Mal mit ihm sprach, hatte er eine rote Augeniris. Mit den heutigen technischen Mitteln-“
          „Nein! Das Rätsel setzt sich zusammen. Du sagtest, er hätte eine rötliche Iris gehabt und sei wie von außen gesteuert gewesen?“
          „So würde ich es ausdrücken. Was ist los?“, fragte er ungeduldig.
          „Der Geist des Abyss ist in ihm“, hauchte das Orakel. „Du musst ihn töten!“
          „Der Geist des Abyss?“
          „Es ist ein Wesen aus einem anderen – einem toten Universum. Er ist der Fürst des Todes und der Vernichtung. Mein Volk und ich haben gegen ihn gekämpft, und wir dachten, gesiegt zu haben. Aber anscheinend haben wir uns geirrt. Und jetzt ist er wiedergekommen, um uns zu vernichten. Und ihr seid ihm im Weg. Das Leben ist ihm im Weg. Das ganze bekannte Universum ist auf uns aufgebaut, wir haben Huascar nax Yoweri bei der Gründung des Commonwealth geholfen, nur um den Abyss zu besiegen. Die Zeit ist da – die Zeit der großen Prüfungen, der Geist des Abyss ist erstarkt“
          Laco hatte keine Ahnung, von was das Orakel genau sprach. Der Geist des Abyss, sei das wer wolle, hatte einst Krieg mit dem Volk des Orakels und kam nun wieder, um die bekannten Welten zu vernichten?
          „Wer ist den Volk? Wer bist du? Zeige dich mir!“, schrie Laco.
          „Bist du dir sicher?“
          „Todsicher!“
          Ein Licht erschien in der Kammer. Dann schwebte eine feurige Kugel im Raum, eine winzige Sonne. Lacos Haut wurde nicht versengt und mit seinen Augen konnte er mitten in den Stern hineinsehen. Die Stimme erschien wieder.
          „Wir sind die Lucifer. Wir sind die Avatare des Lichts. Ich bin Trance Gemini“
          Das Leuchten der Sonne erlosch und im hell erleuchteten Raum stand nun eine Person. Sie hatte violette Hautfarbe und ein freundliches Gesicht blickte Laco an. Ihre Ohren liefen spitz zu und ein dunklerer Schwanz hing über ihrer Schulter. Er rutschte etwas beiseite und gab eine Tätowierung in Form einer Sonne frei.
          Laco fiel auf die Knie. „Es gibt euch also wirklich. Die alten Götter. Du bist Gemini, die Göttin von Tarn Vedras Sonne“
          „Steh auf. Und nenn mich Trance. Du hast Recht. Ich bin der Avatar der Sonne Tarn Vedras. Und ich bin die, die die Vedraner früher als die Göttin Gemini bezeichnet haben“
          „Und dieser Abyss. Was will er?“
          „Er will alles Leben in den bekannten Welten auslöschen. Er steckt hinter diesem Krieg. Er kontrolliert sowohl Saladin Gree als auch deinen Actrao“
          „Und wie können wir ihn besiegen?“
          „Ich hatte gehofft, das von dir zu erfahren, Laco nax Agros“
          „Woher sollte ich das wissen. Ich habe noch nie vom Abyss gehört“
          „Ist das so, ja?“
          „Was soll das denn heißen?“
          Trance Gemini wich der Frage aus. „Wir müssen hier weg. Hast du ein Raumschiff?“
          „Ja. Außerhalb des Klosters“

          Mit wachsendem Missmut betrachtete Laco Trance Gemini. Sie lief leichtfüßig auf dem Schnee und auch die Kälte schien ihr nichts auszumachen. Sie war auch eine Sonne. Immerhin hatte das Schneetreiben aufgehört und der Wind sich gelegt.
          „Du sagtest etwas von der Zeit der großen Prüfungen. Actrao hat das schon mal erwähnt. Was bedeutet das?“
          „Hat Actrao nax Colyti schon etwas von einer Prophezeiung erwähnt?“
          „Ja. Was hat es dabei auf sich?“
          Sie hatten die Catana Mora erreicht. Laco und Trance setzten sich ins Cockpit während Chiquon noch die Technik überprüfte. Sie sprach weiter.
          „Ihr Vedraner habt vor knapp 10.000 Jahren den Slipstream entdeckt. Das hat mein Volk auf euch aufmerksam gemacht. Ich war der glückliche Stern in dem System der ersten raumreisenden Zivilisation und deshalb war es meine Aufgabe, euch zu helfen“
          „Das heißt, du bist schon 10.000 Jahre alt?“
          „Nein...ich bin viel älter. Knapp fünf Millarden Jahre. Auf jeden Fall hat Huascar nax Yoweri mit dem Slipstreamantrieb zwölf Planeten erobert. Und dann wusste er nicht, wie er weitermachen sollte. Ich habe mich den Vedranern schon vorher gezeigt, weswegen sie mich auch als eine ihrer Götter verehrten. Huascar fragte mich, wie er weitermachen sollte. Wir meditierten zusammen 308 Tage lang, jeden Tag eine Stunde. Dann habe ich ihm erzählt, was ich in meiner Vision gesehen habe. Wenn er das Commonwealth, wie er es nannte, anführte, würde es 1.000 Jahre dauern“
          „Der kaldaranische Krieg“, flüsterte Laco.
          „Ja. So wäre es wahrscheinlich zu Grunde gegangen. Wenn er es aber seiner Frau überließ, würde es 10.000 Jahre andauern. Huascar nax Yoweri hat auf den Thron verzichtet und seine Frau zur ersten vedranischen Kaiserin gekrönt. Die Zeit, wenn das Commonwealth untergehen sollte, nannten wir damals Die Zeit der großen Prüfungen“
          „Das heißt, der Krieg wird noch 215 Jahre dauern und dann wird das Commonwealth unterliegen? Das kann ich mir kaum vorstellen“
          „Das muss auch nicht unbedingt so sein. Es könnte sein, dass sich das Jahr 0 der Prophezeiung auf 112 BIE (Before Imperal Era) bezieht, als dein Volk den Slipstream entdeckte. Dann würden es nur noch hundert Jahre sein. Außerdem ist die Zeitrechnung des Commonwealth doch ca. 4000 n.C. mal durcheinandergekommen, als man von Vedran Time auf Common Time umstellte. Da könnten auch mal hundert Jahre oder so nicht verzeichnet sein“
          „Das heißt, der Untergang des Commonwealth könnte so nahe sein?“
          „Ja, das könne er. Viele, die die Prophezeiung kannten, haben in der Ankunft der Magog in den bekannten Welten den beginnenden Niedergang gesehen. Und rückblickend hatten sie Recht, oder?“
          Laco musste ihr zustimmen.
          „Können wir den Niedergang irgendwie verhindern?“
          „Wir sind gerade dabei“. Die Catana Mora hob ab. „Der Abyss will wohl, dass Actrao das Commonwealth verkrüppelt. So wie du es mir erzählt hast, scheint der Abyss den Sieg der nietzscheanischen Allianz zu wünschen“
          Jetzt war Laco entgültig verwirrt. „Ich dachte, er wollte alles Leben vernichten“
          „Wir müssen unterscheiden zwischen seinem Ziel und seinem höheren Ziel“
          „Können wir den Geist des Abyss besiegen?“
          Trance schwieg.

          329. Tag des Krieges, Fountainhead


          Angst und Verzweiflung konnte er in ihren Gesichtern lesen. Die meisten von ihnen hatten ihren Kopf in die Hände gelegt. Saladin wusste um seine Aufgabe. Er musste ihnen wieder Mut machen, denn wenn er nicht mal die Moral der Anführer heben konnte, war die Moral des Volkes zerbrochen.
          „Wir kämpfen jetzt schon fast ein Jahr gegen das intergalaktische Commonwealth und sind fast am Ende unserer Kräfte“, begann Saladin seine Rede vor dem Krisenstab. Die Alphas aller Stämme waren alle anwesend. „Wir fürchten, dass wir nur noch einen guten Monat gegen die feindliche Offensive standhalten können, dann ist es aus. Viele von euch sind der Meinung, die Kriegsmaschinerie herunterzufahren, um Ressourcen zu sparen. Ich sehe das anders! Wir müssen so viele Schiffe wie nötig bauen, um sie einsetzen zu können, wenn es soweit ist. Die Ressourcen für unsere Schiffswerften und Waffenindustrie sind nach den jetzigen Rechnungen in 30 Tagen verbraucht. Der Feind hat vier weitere Singularitätskraftwerke zerstört, wir können die Energieversorgung noch etwa 41 Tage aufrecht erhalten. Wenn der Feind seine Offensive so weiterführt, wie er es jetzt tut, sind unsere Linien in 28 Tagen so geschwächt, dass er einen Sturmangriff auf unsere Zentralwelten wagen kann. Ich möchte mich noch einmal bei euch allen bedanken. Ihr habt mir bei der Vorbereitung und Durchführung dieses Krieges geholfen und dafür danke ich euch allen. Ihr habt mir vertraut und nun scheint es, dass ich euer Vertrauen missbraucht hätte. Aber eines schwöre ich euch: Der Feind wird Fountainhead, Enga's Redoubt, Venseremos, Lucretia, Majamorum und all unsere anderen Zentralwelten nicht erobern. Ich werde die Verteidigungslinie zurückziehen“
          Tia Cheng meinte niedergeschlagen: „Wir brauchen etwas, was die Moral unserer Soldaten in diesem Krieg aufrecht erhält. Einen wichtigen strategischen Schlag. Einen Sieg. Irgendwas, was uns vor dem endgültigen Zerbrechen schützt“
          „Da habe ich das richtige, mein Freund“, meinte Saladin. „Am Jahrestag des Kriegsausbruchs wird das Commonwealth einen so heftigen Schlag erhalten, dass sein Zusammenbruch nahe steht. Dann können wir wieder in die Offensive gehen!“
          Niemand schenkte Saladins Worten Glauben. Er hatte schon so viel versprochen und noch nichts davon gehalten. Leere Worte, das war alles.
          „Wir werden uns wieder erheben, meine Freunde. Wir werden uns wieder erheben!“

          330. Tag des Krieges, galaktischer Kern

          Chiquon musste jetzt beim Steuern durch den Slipstream besonders Acht geben. Sie hatten die besiedelten Gebiete gemieden, da Laco und die Catana Mora dort besonders von Kopfgeldjägern gesucht wurden. Auf ihrem Weg nach Tarn Vedra hatten sich Laco, Chiquon und Trance dafür entschieden, den Weg durch den galaktischen Kern zu nehmen. Hier war die Dichte an Sternen und Slipstreamrouten groß, außerdem lauerten hier viele schwarze Löcher, die einem unerfahrenen Slippiloten schnell zum Verhängnis werden konnten. Laco und Chiquon übernahmen abwechselnd die Steuerung des Schiffes. Während der Kalderaner noch relativ gut navigieren konnte, wählte Laco im Haufen der Sonnen, Neutronensterne und schwarzen Löcher oft den falschen Weg. Trance hatte von Anfang an erklärt, nicht im Slipstream zu navigieren.
          „Könntest du dann wieder übernehmen?“, fragte Chiquon als die Catana Mora wieder in den Normalraum wechselte. „Ich muss nämlich mal schnell meinen Darm entleeren“
          „Kein Problem, bis gleich“
          „Warte“, brummte Chiquon erstaunt.
          „Was ist denn?“
          „Sensor-Kontakt. Sieht aus wie ein kleiner Raumgleiter, vielleicht auch ein Fighter“ Keiner von ihnen wusste, dass es das Schiff des Dieners des Abyss war.
          „Sogar hier finden die uns noch...öffne einen Comm-Kanal“
          „Keine Antwort“
          „Lade die Waffen und geh auf Abfangkurs“
          „Wir sind doch nicht mal provoziert worden“, warf Trance ein.
          Laco erklärte: „Hier im galaktischen Kern ist normalerweise niemand unterwegs. Ich werde von einer Meute Kopfgeldjäger verfolgt. Das Raumschiff antwortet nicht. Was würdest du da tun?“
          „Beten?“

          „Laco, der Jäger lädt eine enorme Energie auf die Waffen. Ich weiß nicht, was er abschießen will, aber es ist jedenfalls keine Rakete. Etwas fliegt auf uns zu. Große Massendichte“
          „Abfangrakete: Feuer!“
          Der blaue Punkt auf dem Monitor flog der feindlichen Waffe entgegen und löste sich auf.
          „Das Teil fliegt noch immer auf uns zu“, sagte Chiquon unruhig.
          „Hast du es verfehlt?“
          „Nein, ich glaube nicht“
          „Die Laser ausrichten! Feuer!“
          „Es ist immer noch da! Aufschlag in 3, 2, 1“
          Eine gewaltige Explosion ging durch die Catana Mora. Eine Hitzewelle schlug Laco entgegen.
          „Was zum Teufel war denn das?“, schrie Chiquon.
          „Eine PSP“
          „Eine was?“, fragte Trance.
          „Eine Punktsingularitätsbombe. Das was wir in unseren Singularitätskraftwerken nutzen, wird hier als Waffe genutzt. Das ist normalerweise Magog-Technologie“
          „Das heißt, das ist so ein winziges schwarzes Loch Dings?“
          „Genau das“
          „Aber keine normale PSP. Die der Magog-Schwarmschiffe lösen sich bei Berührung der Außenhaut auf, weil sie so schwach sind. Die machen kaum Schaden. Die von dem Typen da drüben hat das ganze Schiff durchschlagen“
          „Komplett?“
          „Ja, komplett. Wenn der unseren AP-Tank trifft-“
          „-sind wir tot“
          „Alle Angriffswaffen scharfmachen und auf Ziel ausrichten. Feuern auf mein Kommando“
          „Er hat den Projektor wieder geladen. Er feuert!“
          „Ausweichmanöver!“
          Das winzige schwarze Loch zog an der Catana Mora vorbei.
          „Entfernung?“
          „Sieben Lichtsekunden“
          „Raketen starten!“ Vier OM-5 Raketen schossen auf das Schiff des Feindes zu. Er machte keine Anstalten, sie abzuwehren. „Aufschlag in 2, 1, 0“
          „Ist er tot?“, fragte Trance.
          „Nein...die Raketen sind durchgegangen“
          „Haben wir ihn verfehlt?“
          „Nein, wir haben getroffen, aber die Raketen sind durch sein Schiff hindurchgetunnelt“
          „Das kann doch nicht sein“, hauchte Laco erstaunt.
          „Vielleicht ist es das, was dein Freund Tesseraktschild genannt hat“, meinte Trance.
          „Er feuert wieder!“
          „Ausweichmanöver!“ Die PSP verfehlte den leichten Frachter nur um einige Kilometer.
          „Können wir in den Slipstream?“
          „Ja, aber er ist so nahe, dass er uns durch unser eigenes Portal folgen kann. Er wird direkt hinter uns sein, wenn wir austreten“
          „Chiquon! Feuere alles ab, was wir haben! Laser, Raketen, Antiprotonen! Alles!“
          „Aye, Sir“ Volle Breitseiten hielten auf das Schiff des Dieners zu. Sie gingen mitten hindurch, der Raumgleiter hatte keinen Schaden genommen.

          „Wie können wir ihn nur besiegen?“, fragte sich Chiquon.
          „Laco, haben wir Novabomben an Bord?“
          „Verdammt! Das ist ein Zivilschiff, keine XMC. Wo soll ich eine Novabombe herkriegen und wieso?“
          „Ich weiß aus der Zukunft, dass es möglich ist, schwarze Löcher mit Novabomben in weiße Löcher umzuwandeln. Könnten wir das nicht mit seinen PSPs tun?“
          „Du bist genial, Trance“
          „Er feuert!“ Diesmal traf die PSP. Der Frachtcontainer der Mora wurde durchbohrt, jedoch nicht der Slipstreamkern. Ein Funkenregen ging von der Decke nieder.
          „Aber wie können wir ihm ohne eine Nova das Licht ausblasen?“, fragte Chiquon.
          „Wenn eine Novabombe gezündet wird, hat das zur Folge, dass die Gravitation kurzzeitig aufgehoben wird. Die Fluchtgeschwindigkeit eines schwarzen Loches fällt unter Lichtgeschwindigkeit. Daraufhin löst sich der Ereignishorizont auf und die Masse in der trichterförmigen Raumtasche wird ins All hinausgepustet. Ein weißes Loch entsteht. Ich glaube aber kaum, dass es stabil sein kann“
          „Bei einer enorm gewaltigen Protonen-Antiprotonenreaktion gibt es auch einen minimalen Aufhebungseffekt“, meinte Chiquon.
          „Würde es reichen, euren Slipstreamkern abzuwerfen?“, fragte Trance.
          „Wahrscheinlich. Aber das können wir nicht tun! Wir würden hier auf ewig festsitzen und die nächste Übertragungsstation ist über 70 Lichtmonate entfernt!“
          „Macht euch über die Energieprobleme mal keine Sorgen!“
          „Wir werden auf ewig hier festsitzen-“, kreischte Chiquon.
          Eine weitere PSP traf die Catana Mora. Diesmal war der Treffer ganz knapp am Cockpit vorbeigegangen.
          „Wir haben keine Wahl“, flüsterte Laco. „Chiquon, bereite alles für den Abwurf des Impulsgebers für den Slipstreamantrieb vor!“
          „Bist du dir sicher, Laco?“
          „Ja. Schnell!“
          Der Kalderaner stand auf und lief nach hinten zur Maschinensektion. Laco setzte sich auf den Pilotenstuhl und wendete. Es machte den Eindruck, als würde die Catana Mora vor dem Tarngleiter des Dieners fliehen. Das schnittige Raumschiff holte schnell auf.
          Lacos Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Jede verstreichende Sekunde machte es wahrscheinlicher, dass das Schiff wieder feuern konnte. Und wenn bei dieser geringen Entfernung geschah, würden sie wohl draufgehen! Ein Ausweichmanöver würde bei einer Entfernung von einer Lichtsekunde nicht mehr drin sein! Laco stellte einen erneuten Energieaufbau im Punktsingularlitätsprojektor fest.
          „Ich bin hier soweit. Abwurf auf dein Zeichen“, meldete Chiquon.
          „Raus da! Wir werfen ihn ab!“
          Laco schottete die Kernsektion ab und stieß den Impulsgeber ins All hinaus.
          „Catana Mora! Den hinteren PDL auf den Kern ausrichten. Feuer!“
          Der Laser traf den Kern und zerstörte die Resistiumeindämmung. Der Slipstreamkern kollabierte komplett.

          Der Diener war kurz davor, zu feuern, als er sah, was diese Leute getan hatten. Sie warfen ihren Kern ab, er hatte keine Ahnung wieso.
          „Feuerbereitschaft in 3, 2, 1, 0“ Der Diener baute die Punktsingularität auf. Dann kollabierte der Slipstreamkern.
          „Achtung! Kritisches Versagen im Punktsingularitätsprojektor. Der Druck übersteigt das Toleranzlevel“
          „Oh Scheiße!“, fluchte der Diener. Er gab in seinen Tesseraktgenerator igrgendwelche Daten ein. Zum Glück trug er einen Raumanzug! Er drückte auf die Tasten und tesseragierte sich fort.

          Einige Sekunden nach der Zerstörung des Slipstreamkerns wurde das feindliche Schiff in Fetzen gerissen. Jubel brach auf der Catana Mora auf.
          „Bei meinen Ahnen, was war denn das?“, fragte Chiquon.
          Laco atmete aus und wieder ein und schnallte sich von seinem Sitz los. „Er musste sich wohl mit seinem Generator in die vierte Dimension verschoben haben. Immer wenn er feuerte, wechselte er in den Normalraum über und aktivierte den Generator dann wieder. Anders kann ich mir das nicht erklären“
          „Jetzt musst du mir aber nochmal langsam erklären, wie wir ihn ausgeschaltet haben“, sagte Trance.
          „Wir haben den Impulsgeber des Slipstreamkerns abgeworfen, mit allen Teilchen und Antiteilchen. Dann haben wir ihn mit einem Schlag zerstört, gerade als er seine PSP auflud. Bei der Annihilirung der Teilchen wird unter anderem auch minimal die Kraft der Gravitonteilchen aufgehoben. Deswegen verflüchtigte sich der Ereignishorizont seiner Punktsingularitäten, eben weil sie nur so winzig sind, genügte auch die Kernexplosion. Die Materie im Raumtrichter wurde hinausgeschleudert, ein winziges weißes Loch bildete sich mitten in seinem Raumschiff. Aus einem weißen Loch tritt Masse aus und der entstehende Druck hat sein Raumschiff schlussendlich vernichtet“
          „Was ist ein weißes Loch?“, warf Chiquon ein.
          „Es stößt Materie aus, wie ein schwarzes Loch sie einsaugt. Es ist eine Art Miniurknall“
          „Und eine Novabombe hat den selben Effekt?“
          „Ja, aber viel stärker. Ich denke, ein großes schwarzes Loch könnte man mit ungefähr 50 Novabomben in ein weißes Loch verwandeln“
          „40“, sagte Trance.
          „Was?“
          „Ich habe nichts gesagt, wieso?“
          Sie hatte ganz sicher vierzig gesagt. Woher wusste sie das alles nur? Eine peinliche Pause entstand.
          „Auf jeden Fall sitzen wir hier fest“, erkannte Chiquon ernüchternd.
          „Wie viel Proviant haben wir?“
          „Für drei Personen reicht er im Bestfall zwölf Monate“
          „Ich esse nichts“, sagte Trance“
          „Trotzdem nicht lange genug, um eine Nachricht an das 70 Lichtmonate entfernte Zentrum schicken zu können und die Ankunft eines Rettungsschiffes zu erleben“
          „Vielleicht ist ja der Slipstreamkern des Feindes noch ganz“
          Laco zog den Knochen über seinem Auge nach oben.
          „Du hast Recht. Da ist nichts mehr“, gab Chiquon niedergeschlagen zu.
          Trance mischte sich ins Gespräch ein. „Ich habe euch gesagt, Energieprobleme sind die geringsten Probleme, solange ihr mich an Bord habt“
          „Wieso, verdammt?“, fragte der Kalderaner.
          Laco ließ eine kleine Kunstpause. „Ich glaube, eine Sonne dürfte genug Energie für einen Slipstreamantrieb haben, meinst du nicht auch?“

          Kommentar


            #20
            XII. Der Anfang vom Ende

            „Trauer senkte sich über das Universum
            als der Schrecken der Nacht über uns kam
            und wir erfuhren, dass wir zurückgelassen worden waren
            ausgestoßen, verraten von unseren eigenen Brüdern“

            Ulatempa Poetess
            Auszug aus "Lied aus meinem Exil" n.C.9825

            Laco und Chiquon folgten Trance Gemini in den Maschinenkern. Sie mussten die Verbindungsröhren nehmen, da der Hauptkorridor von einer PSP durchschlagen worden war und nun im Vakuum lag.
            Als sie beim Reaktor angekommen waren, fragte Laco Trance: „Bist du dir auch ganz sicher? Das da drinnen ist alles verstrahlt, kein Mensch überlebt das!“
            „Ich bin kein Mensch. Und Strahlen sind sowas wie mein Schweiß“
            Laco öffnete die Schleuse zum Kern. Trance ging in die Mitte des kleinen Raumes. Durch das beschlagene Fenster sah man nicht sehr viel, allerdings erkannte man später ein leichtes Leuchten, das sich später zu einem grellen Licht verwandelte, in das man nicht hineinsehen konnte.
            „Bei meinen Ahnen, wie ist sowas nur möglich?“, fragte Chiquon. „Alle Systeme stehen wieder unter Energie, aber sie braucht nichts, um diese Energie herzustellen“
            „Ich vermute, sie zapft sie direkt von ihrer Sonne ab. Sie opfert einen kleinen Teil ihrer Lebenszeit für uns, Chiquon. Deshalb sollten wir uns beeilen. Können wir in den Slipstream?“
            „Ja. Die Nanobots haben alle Löcher in der Außenhaut repariert. Sie waren ja nur so groß wie einer eurer Fingernägel“. Chiquon setzte sich in den Pilotenstuhl und machte alles bereit.
            „GFG-Linsen aufladen, alles bereit zum Sprung. Wir haben volle Energie!“
            Ein Slipportal tat sich auf und zog die Catana Mora in sich hinein.

            333. Tag des Krieges, Tarn Vedra

            Laco sah auf die Werften hinab und stellte fest, dass die Wrath of Achilles nicht mehr über Tarn Vedra lag. Wahrscheinlich hatte man sie zu der perseidischen Forschungseinrichtung „Shining Path of Truth and Knowledge“ über Sparborth IV gebracht. Dort wurden dem Schiff die Biorelais und die künstliche Intelligenz hinzugefügt. Auch die anderen vier DSX-Werften waren schon geräumt. Chiquon suchte der Catana Mora einen Weg durch die vielen orbitalen Stationen. Er lenkte das Schiff in die Atmosphäre in Richtung des Raumhafens von Esthashi Tarn. Vielleicht würde es das letzte Mal sein, dass Laco seine Heimatwelt sah, aber er musste sich Actrao nax Colyti vornehmen – koste es was es wolle.

            Laco stand in einem Ehrengardekampfanzug vor dem Tor Actraos Halle. Sowohl der Flug auf die Oberfläche als auch das Betreten des Gebäudes war problemlos verlaufen. Vielleicht war der Zorn des Vedraners ja doch schon ein bisschen abgekühlt. Laco öffnete das Tor und trat ein. Actrao saß hinter seinem Schreibtisch aus blankem Marmor. Laco legte die Hand auf seine Kampflanze. Kampflanze.
            „Schieß nicht! Ich trage eine ECM-Einheit der neuesten Generation. Du wirst mich nicht mal aus zehn Metern Entfernung treffen“, sagte Actrao.
            „Damit treffe ich dich aber“, flüsterte Laco, während er seine Kampflanze zog. Der pulsierende Strahl der Monomolekularpeitsche erschien.
            „Du vergisst, ich habe auch so ein Ding. Und ich kann besser damit umgehen als du“
            Actrao zog die Lanze, die exakt genau so aussah, wie die Lacos. Er schwang den Energiestrahl, Laco konnte ihn gerade noch parieren. Als die beiden Peitschen aufeinandertrafen, gab es einen grellen weißen Blitz und die Strahlen wurden auseinandergeworfen.
            „Zwing mich nicht, dich zu töten“, sagte Actrao drohend. Laco schlug zu, doch Actrao parierte problemlos.
            „Du bist eine Gefahr für das Commonwealth“, schrie Laco.
            „Du bist eine Gefahr für deine eigene Rasse!“, entgegnete Actrao.
            „Ich?“, fragte Laco, als er einen Schlag parierte. „Nein, du verrätst deine Rasse und zwar an den Geist des Abyss! Er will alles Leben vernichten!“
            „Nein! Er will uns Vedraner als das beste aller Völker retten, während sich die bekannten Welten gegenseitig vernichten! Du magst im Geist des Abyss Hass sehen, doch dahinter verbirgt sich Liebe! Er hat mir den Weg der Transzendenz gezeigt!“
            Laco schwang die Peitsche, Actrao wich aus. Von Lacos Energiestrahl durchtrennt, rutschte das schwere Oberteil des Marmorblocks von Actraos Steibtisch auf den Boden. Übrig blieb eine schräge glühende Ebene aus hartem Gestein.
            „Siehst du denn nicht, dass er das Universum in einen Abgrund stürzen will und uns Vedraner nur aus dem Weg haben will, weil wir zu stark für ihn sind?“, schrie Laco und drosch auf seinen Freund ein.
            „Ich werde mein Volk retten! Ich werde einmal ein Held sein, wie Yolis nax Eta von Teutonia 6, Calycon von Kalderash oder Moses von Erde!“
            „Du wirst die Schuld an der Vernichtung der bekannten Welten haben!“, rief Laco.
            Actrao ließ seine Kampflanze sinken und flüsterte: „Nein. Ich werde Tarn Vedra nicht verraten. Du kannst mich jetzt nicht mehr aufhalten. Niemand kann das“
            Schneller als Laco blicken konnte, hatte die Sichel von Actraos M-Peitsche Lacos Kampflanze in der Mitte durchtrennt. Actrao setzte Laco mit einem Schockstoß außer Gefecht.
            „Niemand kann mich mehr aufhalten“

            340. Tag des Krieges, Tarn Vedra

            Diese Schmerzen! Diese verdammten Schmerzen! Laco lag seit über einer halben Stunde in der dunklen Röhre und es fühlte sich an, als würde man einen glühenden Sporn durch sein Gehirn jagen. Es tat so schrecklich weh! In jeder Sekunde musste Laco irgendetwas durchleben, was in seinem Gehirn gespeichert war, sein ganzes Leben. Es hörte nicht auf, der Schmerz wurde immer schlimmer! Lacos Muskeln verkrampften sich, aber er war festgebunden. Der Vedraner wurde beinahe wahnsinnig von dem ganzen Schmerz! Er wollte schreien, aber er konnte nicht. Der brennende Nagel fraß sich immer weiter nach vorne, unerträglich, nein, Laco konnte nicht mehr. So etwas schlimmes hatte er wohl in seinem ganzen Leben noch nicht durchgemacht, sein Kopf schien zu explodieren – dann war es aus.

            342. Tag des Krieges, Tarn Vedra

            „Bist du endlich wach?“ Diese Stimme hätte Laco überall wiedererkannt. Actrao stand vor der transparenten Tür der Zelle. „Du hast die letzten zwei Tage verschlafen“
            „Was hast du mit mir angestellt?“, fragte Laco, dem der Kopf immer noch ordentlich brummte.
            „Der Geist des Abyss fürchtet dich, weißt du das?“
            „Nein“, sagte Laco kraftlos.
            „Du hast irgendwas in deinem Gehirn, was ihm so schreckliche Angst macht. Er fürchtet, du allein könntest seinen Plan zunichte machen“
            „Ich?“
            „Ja. Ich weiß nicht, was es ist, aber das will ich herausfinden“
            „Und darum hast du mich gefoltert?“
            „Ich habe dich nicht gefoltert, Laco“
            „Was war das dann?“, fragte der Vedraner entkräftet.
            „Ich habe dich gerettet. Sollte ich nach dem, was der Abyss so fürchtet in deinem Gehirn rumstöbern, wärst du jetzt schon wahnsinnig oder tot und die Informationen wären weg. Ich habe deinen Gehirninhalt komplett kopiert. Ab dieser Stunde gibt es dich zweimal, Laco nax Agros“
            „Wieso...?“
            „Ich werde wissen, was der Abyss vorhat. Und die Kopie deines Geistes wird mir der Schlüssel dazu sein“
            „Aber...“
            „Du solltest jetzt wieder schlafen“
            „Warte!“
            Die Zelle füllte sich mit Gas. Laco hieb gegen die Tür, fiel aber dann in einen tiefen Schlaf...

            365. Tag des Krieges, Galaxie M86

            Der Magog labte sich am Fleisch der Brut seines Bruders. Das frische Blut rann ihm die Lefzen hinab. Welch ein Genuss! Plötzlich ging ein Ruck durch den Boden. Der Magog sah auf und sah auf einem Plato seinen Gott stehen. In rotes Licht gehüllt streckte er die Arme aus. Weitere Rucke gingen durch die zwanzig verbundenen Welten. Dann wurde es heißer. Die künstliche Sonne, die das gigantische Gefährt mit Licht und Wärme versorgte, wurde stärker. Minuten später brach ein riesiger blauer Blitz durch die Welten, etwas was die großen Meister Slipstriim nannten, geschah. Es ging alles so viel langsamer und träger als auf den gefährlichen Schwarmschiffen! Als sein Gott verschwand und es wieder abkühlte, widmete sich der Magog wieder seinem frischen, leckeren, saftigen Mahl.

            365. Tag des Krieges, Fountainhead

            „Sag ihm, dass ich auf dem Weg bin“
            „Ja, Herr“. Saladin war gelinde gesagt überrascht. Der Diener des Abyss wartete auf ihn! Der Spieß schien sich umzudrehen. Früher hatte Saladin noch den Diener aufgesucht, jetzt kam er zu Saladin. Der Nietzscheaner warf sich noch Drago Musevenis Mantel über und ließ den Diener des Abyss eintreten. Der Mann sah schlimm aus. Seine Kleidung war zerfetzt und er schien sich schon Tage lang nicht mehr gewaschen zu haben.
            „Saladin! Hört mich an“. Jegliche Arroganz war aus der Stimme des Dieners verschwunden. Er hörte sich am Boden zerstört an.
            „Was ist?“
            „Es ist soweit. Heute wird er zuschlagen“
            „Drück dich deutlicher aus“
            „Was dir der Geist des Abyss versprochen hat, wird heute wahr werden. Heute wird er das Commonwealth irreparabel schädigen“
            „Was geht das mich an?“, fragte Saladin melancholisch. „Die nietzscheanische Allianz ist kurz davor, zu zerbrechen. Wir können die Kernwelten noch halten, aber wenn das Commonwealth angreift, werden wir sie verlieren“
            „Ihr habt doch getan, was ich Euch aufgetragen habe“
            „Ja. Ich habe die Schiffsproduktion unvermindert fortgesetzt aber jetzt sind wir wirklich am Ende unserer Mittel. Was soll da selbst ein kleiner Schlag ausrichten?“
            „Ein kleiner Schlag, so? Saladin, ich verrate dir nun genau, was heute Nacht geschehen wird. Tarn Vedra und vier komplette Flotten des Commonwealth werden ausradiert werden“
            „Was?“
            „Zumindest werden sie für Euch kein Hindernis mehr darstellen. Zu diesem Zeitpunkt, 0:00 CT müsst Ihr zuschlagen! Alle Truppen nach vorne und hinter die feindliche Linie. Alle potentiellen Verbündeten anrufen! Bringt die kleinen, Euch noch nicht ergebenen Stämme unter Eure Herrschaft, Saladin. Die ganzen Großkonzerne mit ihren privaten Flotten, bringt sie dazu, Euch zu dienen. Droht dem Bündnis der freien Welten mit Krieg, wenn sie sich nicht Euch anschließen. Werbt Kopfgeldjäger und Söldnerbanden für Euren Krieg an. Ihr werdet die brüchige Feindlinie an vielen Stellen durchstoßen können. Dringt in die nahen, rohstoffreichen Welten vor und sichert Euch Metall- und Kristallzufuhr! Regt den Widerstand auf unsicheren Planeten an! Wenn Ihr weit genug seid, könnt Ihr sogar die Zentralwelt Kalderash auf Eure Seite bringen! Ich habe hier Daten der Verteidigungsposten des Commonwealth. Außerdem die Codes für viele planetare Verteidigungsanlagen. Mit freundlichen Grüßen von der intergalaktischen Universität. Greift als erstes die Newport Orbital Shipyards auf Erde an! Die Schiffswerften über San Ska Re sind noch immer von der Schlacht schwer angeschlagen und laufen nur auf zehn Prozent Leistung. Ihr müsst der Aggressor sein und dann könnt Ihr diesen Krieg gewinnen. Nutzt es als Propaganda und macht Eurem Volk Hoffnung. Zeigt den Alphas, dass Ihr immer Recht hattet, Saladin“
            „Sonst noch was?“
            „Auf diesem Flexi sind die genauen Pläne“
            „Danke. Und jetzt drehen wir den Spieß um“. Saladin zog seine Waffe und hielt sie dem Diener des Abyss ans Kinn.
            „Was haben du und der Abyss mit den Magog zu schaffen?“
            „Ich weiß nicht, was Ihr meint, Saladin“
            „In deinem Heiligtum, das waren Magogglyphen. Was habt Ihr vor“
            „Ich weiß nichts über die Pläne-aaahrgh!“ Saladin hatte ihm ins Knie geschossen. „Der Abyss ist für die Magog so etwas wie ein Gott. Er befehligt sie alle und sie bauen in ihrer Quarantänezone eine Streitmacht auf um Euch am Ende des Krieges zu Hilfe zu kommen“
            „Du hältst mich wohl für besonders blöd!“ Der Diener schrie, als ihm Saladin ins andere Bein schoss. „Die Waffe ist nicht voll geladen. Die Kugeln haben nur einen Bruchteil ihrer sonstigen Energie. Ich lade die Waffe jetzt komplett auf, dann werden die Kugeln über zehnmal so schnell sein. Wenn ich dich das nächste Mal treffe, bist du tot!“
            „Nein, bitte nicht! Ich sage Euch alles, was ich weiß“
            „Magog fressen fühlende Wesen. Warum sollte ich dir glauben, dass sie unsere Verbündeten werden wollen“
            „Weil sie der Geist des Abyss anführt. Sie gehorchen seinen Befehlen“
            „Wieso hast du mir das verschwiegen“
            „Ich wollte es nicht, aber der Geist des Abyss meinte, Ihr würdet sonst die Treue zu ihm brechen“
            „Und da hat er verdammt Recht“
            „Ihr dürft dem Abyss nicht dem Rücken kehren. Ohne seine Hilfe werdet Ihr diesen Krieg nie gewinnen“
            „Du vergisst da eines, Kludge. Ich habe das da“. Saladin zeigte auf das Flexi, das ihm der Diener gegeben hatte. „Du hast mir lange genug im Weg gestanden. Knie dich hin!“
            Der Diener des Abyss folgte Saladins Befehlen. „Der Abyss ist zornig auf mich. Ich habe seinen Auftrag-“
            „Das interessiert mich nicht“, flüsterte Saladin und hielt ihm die Waffe zwischen die Augen. Verabschiede dich von deinem Gott, denn er ist tot“
            Er drückte ab.

            365. Tag des Krieges, Tarn Vedra

            Als Laco die Augen aufschlug, sah er den Vertrauten der Kaiserin neben sich stehen. Er wollte aufspringen und ihn angreifen, Actrao sagte jedoch: „Tu dir keinen Zwang an, aber das wird dir nichts bringen. Ich bin nur ein Hologramm“. Bei näherer Betrachtung fiel Laco auf, dass es sich tatsächlich nur um ein wahnsinnig realitätsnahes Hologramm handelte, viel besser als bei denen einer Schiffs-KI.
            „Laco, es ist so weit. Die Stunde der Rettung für unser Volk ist gekommen“. Die transparente Tür fuhr auf und zwei vedranische Ulanen traten ein. Sie packten Laco an den Armen und führten ihn auf den Gang hinaus. Das Hologramm von Actrao ging neben ihnen her. „Ich nehme an, du kennst die Prophezeiung, oder?“ Laco nickte stumm. „10.000 Jahre nach der Gründung des Commonwealth kommt der Untergang für unsere Rasse. Kein Vedraner wird mehr das Universum bevölkern. Und nach der Ankunft der Magog und dem jetzigen Krieg bin ich mir sicher, dass die Zeit der großen Prüfungen gekommen ist. Für unser altes Volk ist es Zeit, sich von der Bildfläche zurückzuziehen, meinst du nicht auch? Lassen wir die anderen Völker zum Zug kommen“
            „Seit wann bist du der Kaiser von Tarn Verdra, Actrao?“
            „Das, was du den Geist des Abyss nennst, wollte von mir, dass ich dich töte. Ich habe mich entschlossen, es nicht zu tun. Du bist viel zu wertvoll, Laco. Ich habe mir eine andere Strafe überlegt. Exil. Du wirst nicht die Erfüllung finden, sondern musst in den bekannten Welten zurückbleiben. Ich habe die Catana Mora reparieren lassen. Sie wird das letzte Schiff sein, das Tarn Vedra verlässt. Dann werde ich das System komplett vom Slipstream trennen. Und du wirst ausgestoßen werden, verdammt dazu, in deinem sinnlosen Krieg zu kämpfen, bis er dich vernichtet! In den Im letzten Monat habe ich ein Schiff bauen lassen. Es ist etwa viertausend Meter lang und hat einen Durchmesser von vierhundert Metern. Im inneren befindet sich ein gigantischer Tesseraktgenerator, der seine Energie von hundert Novabomben bekommt. Das Schiff hat sich schon über der Gemini-Sonne platziert und wartet auf seinen Einsatz. Wenn wir den Generator aktivierten, spannen wir einen Achtzeller, einen gigantischen Tesserakt um das ganze System von Tarn Vedra. Niemand kann das System mehr betreten oder verlassen. Und du wirst einer derer sein, die dieses Spektakel nicht miterleben werden!“
            Laco und die Ulanen kamen auf einen Platz, einer Art Atrium in der kaiserlichen Residenz. Die Scheinwerfer warfen dunkle Schatten in der Nacht. Inmitten des Platzes stand, frisch poliert und gewartet, die CCF Catana Mora.
            „Ich erlaube dir, selbst zu fliegen, Laco. Natürlich wird dich ein Ehrengeleit meiner besten Soldaten eskortieren. Und versuche nichts dummes, wir haben das alles schon vorher zu verhindern gewusst“ Laco trat auf die Rampe der Catana Mora. „Ich habe hier noch etwas für dich“, sagte das Hologramm. Einer der Ulanen packte eine kleine Elfenbeinschatulle aus und öffnete sie. Im inneren lag Lacos Kampflanze – repariert. Man sah noch immer die Stelle, an der sie halbiert worden war, an einer Narbe, so breit wie ein Haar.
            „Sie es als dein letztes Geschenk an“. Das Hologramm baute sich breitbeinig vor Laco auf und der Vedraner nahm die Position des Hologramms ein.
            „Laco nax Agros, Captain im Rang. Ich verbanne dich auf Lebenszeit vom Planeten Tarn Vedra ins Exil. Geh und kehre nie wieder zurück“. Actrao wandte ihm den Rücken zu. Laco bestieg sein Raumschiff und ging ins Cockpit. Die Reparatur der Catana Mora und der Kampflanze zeigten Actrao als den warmherzigen Freund, die ewige Verbannung ins Exil den kalten vom Abyss besessenen Feind. Laco starteten die Triebwerke, die Mora hob ab. Er würde nichts mehr dagegen tun können, er war allein. Allein in der Nacht. Laco schaltete den Hecksensor auf den Hauptschirm. Da lag er, der wunderschöne Planet Tarn Vedra, seine Heimat. Umkreist von Planetenringen und dem Mond, Yerooh. Laco sah ganz deutlich in den Planetenringen Star City liegen. Eine einzelne Träne lief seine Wange hinab. Er würde seine Heimat tatsächlich nie wiedersehen können und er würde sich noch nicht mal von all seinen Bekannten dort verabschieden können. Dieser Verlust würde das Commonwealth noch schwerer treffen, als der Hinterhalt der Nietzscheaner vor einem Jahr. Das Schiff entfernte sich weiter von Tarn Vedra, zwei Geschwader Slipfighter bezogen hinter Laco Stellung. Auf dem Sensor sah Laco das riesige Frachtschiff, das entfernt tonnenförmig aussah. Laco hatte den Rand des Systems bald erreicht. Er stoppte das Schiff und lud die GFG-Linse auf. Das Hologramm Actraos erschien noch einmal. Es salutierte und sagte: „Verlass uns. Für immer“. Laco salutierte und öffnete das Slipstreamportal. Das letzte Slipstreamportal, das von Tarn Vedra fortführen würde. Er steuerte das Schiff hinein. Das war der Anfang vom Ende!

            365. Tag des Krieges, Tarn Vedra

            Der neue Tag war soeben angebrochen. Die Gemini-Sonne trat über den nebelverhangenen Rand des Meeres.
            „Es ist soweit“, teilte Actrao dem Captain des Tesseraktschiffes mit. „Die Sonne küsst Esthashi-Tarn. Lass uns dem Universum den Rücken kehren! Auf den vielen Holoscreens sah man, wie sich das Mittelstück des gigantischen Schiffes langsam zu drehen begann. Immer schneller rotierte der Tesseraktgenerator. Blitze traten aus und umfassten das ganze Schiff. Etwa zehn Minuten später rotierte der Mittelteil so schnell, dass man ihn kaum noch erkennen konnte. Dann weiteten sich die Energieblitze auf und schossen durch das ganze System. Am dämmernden Himmel konnte Actrao sehen, wie die Strahlen über Tarn Vedra hinwegschossen. Die Energieblitze bündelten sich und wurden zu Strahlen, den Rändern des Tesseraktes. Dann war es vollendet. Mit der letzten Energie wurde der Tesserakt stabilisiert und rotierte langsam am Firmament. Ein Strahlen trat auf Actraos Gesicht. Das Raumschiff verlor an Energie und blieb wie tot im All liegen. Es war vollbracht! Das Lächeln wich vom Gesicht des Vedraners. Die Stimme des Abyss war leiser geworden und jetzt schließlich ganz weg. Der rötliche Glanz in Actraos Augen war gewichen, zum ersten Mal seit vielen Monaten hatte er klare Gedanken, nicht vergiftet durch den Geist des Abyss. Und diese lauteten: „Das Universum hat sich auf mich verlassen und ich habe das Universum verlassen!“

            366. Tag des Krieges, Neuland 1

            „In welchem System sind wir, Catana Mora?“
            „Im System Neuland 1“
            „Nicht zu fassen“, rief Laco ärgerlich.
            „Bitte definieren“
            „Der erste Slipstreamsprung zwischen zwei Systemen fand zwischen Tarn Vedra und diesem unbewohnten System statt, das wir dann Neuland 1 nannten. Und jetzt ist es auch der letzte Slipstreamsprung von Tarn Vedra aus“. Unfassbar, jetzt unterhielt er sich schon mit einem Computer. Der Sensor zeigte ein gewaltiges Übertragungszentrum an. Hunderte Kuriere sprangen hier ständig zwischen den Planeten San Ska Re und Tarn Vedra hin und her. Die meistbenutzte Route in den bekannten Welten war 42 Sprünge lang. Die Kuriere, die von hier aus nach Tarn Vedra springen wollten, würden bald erkennen müssen, dass die sonst so vertraute Route zur Zentralwelt des Commonwealth einfach weg war. Laco steuerte die Catana Mora auf das nächste Slipportal zu. Er hatte noch 41 Sprünge bis San Ska Re vor sich. Seines Wissens war Admiral Stark zurzeit dort. Mit ihr würde er als erstes sprechen und die Zeit drängte. Einen solchen Verlust würden die Nietzscheaner bitterkalt ausnutzen. Laco war am nächsten Slipstreamportal angekommen und öffnete es. Der Vedraner dachte ironisch, dass hoffentlich jedenfalls San Ska Re noch da sei.

            366. Tag, San Ska Re


            Die Türen zum Büro der stellvertretenden Kriegsministerin öffnete sich. Laco war vor einer Stunde hier angekommen. Die Reparatur der Headwaters of Invention Shipyards liefen auf vollen Touren, ebenso wie die Reparatur des orbitalen Verteidigungssystems. Laco hatte die Catana Mora auf einem der größten Raumhäfen in den bekannten Welten runtergebracht. Wie alles auf San Ska Re war er vor allem eines: sechseckig. Die Than waren wirklich Meister der Baukunst. Alle Gebäuden waren hexagonal erbaut, ebenso wie die Straßen und Plätze. In den Nischen der Straßen standen Verkäufer und boten ihre Ware feil. Die Weltraumkratzer der Than waren meist sechs Kilometer hoch und fügten sich aneinander. Vom Weltraum aus betrachtet, sahen die Thanstädte aus, wie riesige Waben. Was eigentlich auch zu insektoiden Lebensformen passte. Das Verteidigungsministerium von San Ska Re war kaum zu verfehlen. Das Hexagon, wie man es nannte, war relativ flach aber räumlich sehr ausgedehnt. Laco hatte Probleme damit gehabt, zu Admiral Stark vorgelassen zu werden. Mit Zeigen seiner schwarzen ID und Klarmachen, dass er wichtige Botschaft brachte, hatte er es schlussendlich aber doch geschafft.
            Wie immer sah es im Büro der stellvertretenden Kriegsministerin chaotisch auf. Zwei General Utility Androids halfen ihr zwar, Ordnung zu halten, aber trotzdem hatte es den Anschein, als sei eine Bombe auf ihrem Schreibtisch eingeschlagen.
            „Bin beschäftigt, komm morgen wieder“, brummte Admiral Stark ohne von ihrer Arbeit aufzusehen. Zorn wurde in Laco wach und er riss der Frau das Flexi aus der Hand. „Bin froh, dass du noch nicht tot bist, Laco. Wir dachten, wir hätten dich verloren. Sag, was du zu sagen hast. Du hast 30 Sekunden“
            „30 Sekunden? Ihr habt auch nicht viel mehr Zeit. Habt Ihr Berichte, dass Tarn Vedra nicht mehr über den Slipstream zu erreichen ist?“
            „Ja. Wir haben drei Meldungen. Von einem Deuteriumfrachter, von einem Kurierschiff und einem Ehrengarde-Fighter. Ich tippe auf defekte GFG-Linsen“
            „Nein. Seht mich an, Constanza“. Die Frau blickte ihm direkt in die Augen. Dieses Gesicht war so hart wie Stein und dahinter verbarg sich ein dicker Eisblock. „Tarn Vedra, wie wir es kennen, gibt es nicht mehr. Actrao hat mit der Tesserakttechnologie das ganze System vom Slipstream abgeschnitten. Ich war der letzte, der entkommen konnte, er hat mich nämlich ins Exil verbannt“
            „Du lügst“, hauchte die Frau. Ihre Augen wurden gläsrig, dann rann eine einzelne Träne ihre Wange hinab. Sie wusste genau, dass Laco die Wahrheit sagte. Der Vedraner hatte es doch tatsächlich geschafft, den Eisblock im Inneren etwas aufzutauen. Das aufgetaute Wasser wahr wahrscheinlich diese einzelne Träne. Admiral Stark dachte an ihre Familie und ihre Bekannten. Einen Moment sah es so aus, als würde sie gleich losheulen, doch dann versteinerten sich ihre Gesichtszüge wieder und sie sagte: „Das ist wahrhaftig eine Krise. Ich weiß jetzt also auch, was in den geheimen Dokumenten stand, die Actrao an die hohen vedranischen Militärs geschickt hat. Alle Vedraner wurden in die Heimat zurückgerufen. Ich war so eine Närrin. Er hat gesagt, er brauche vier komplette Flotten, um Tarn Vedra gegen einen Verzweifungsschlag der Nietzscheaner halten zu können. Wenn so etwas droht, dürfen der Kriegsminister und sein Stellvertreter nicht auf einer Welt sein, darum hat man mich nach San Ska Re gebracht. Natürlich stammte diese Information vom Geheimdienst Argosy Special Operations. Und natürlich ist Actrao nax Colyti einer der höchsten Männer im Geheimdienst gewesen. Fakt ist, dass die gesamte Regierung des Commonwealth auf Tarn Vedra war, als die Kriegsflotte. Ich werde sofort den Notstand ausrufen lassen. Nun stehe ich, als Kriegsministerin des Commonwealth an der Spitze der Regierung. Ich werde versuchen, die Kriegsgefahr auf die höchste Stufe Omega zu setzen, was uns ein größeres Handlungsfeld erlaubt“
            „Sollten wir auch Neuwahlen ankündigen“
            „Wir sollten sofort das wichtigste veranlassen. Bis dahin werde ich das Commonwealth anführen und das Planetenparlament von San Ska Re wird als Konklave herhalten müssen. Mit was müssen wir noch rechnen?“
            „Ich nehme an, die Nietzscheaner wissen genau, dass sie jetzt zuschlagen können. Wir sollten alle Heimatgarden mobilisieren und die Flotten weiter von der Front zurückziehen. Saladin Gree wird sich diese Gelegenheit eines tödlichen Gegenschlags nicht entgehen lassen“
            „Bis Kuriere von San Ska Re an der Front sind, und die Kapitäne sich zurückziehen können, werden vermutlich an die 60 Stunden vergehen. Viel zu lange!“
            „Könnten wir eine zweite Front aufbauen, falls sie durchbrechen sollten?“
            „Ja, aber keine Front, die verteidigt, sondern eine, die zum Gegenangriff übergeht. Sollte ich sonst noch etwas wissen?“
            „Ich denke nicht, Sir“
            „Euer Schiff liegt über Sparborth IV“
            „Die perseidische Forschungseinrichtung Shining Path of Tru“
            „Ja, genau. Das Schiff ist fast fertig. Habt Ihr nicht einen Frachter der C-Klasse hier? Fliegt mit dem. Ein Kurier wird meine Befehle nachschicken“ Laco drehte sich um und öffnete die Tür.
            „Ach und Laco...“
            „Sir?“
            „Ich glaube, zur Sicherheit sollten wir sagen, die Nietzscheaner hätten Tarn Vedra vom Slipstream abgeschnitten“
            „Muss das sein, Sir?“
            „Ja. Das fördert die Angst und somit auch den Kampfeswillen unserer Leute“
            „Aye, Sir“

            367. Tag des Krieges, Sparborth IV

            Die „Fangarme“ eines Slipstreamportals öffneten sich und gaben die Catana Mora frei. Lacos Schiff hielt auf die Forschungsstation zu. Es war beeindruckend, fünf Schiffe der Wrath of Achilles Klasse auf so dichtem Raum zu sehen. Die perseidische Kontrolle wies Laco sein Schiff zu. Das war das stärkste Schiff in allen bekannten Welten! Die Catana Mora erhielt Landeerlaubnis. Laco flog von vorne auf die Wrath of Achilles zu. Das Schiff hatte fünf nach vorne gestreckte Arme und in der Mitte den Hauptrumpf. Dieser war zweigeteilt, wobei am hinteren Ende dieser Spalte der einzige winzige Hangar des Schiffes war. Laco flog langsam auf ihn zu. Zwei Janus-Drohnen des Schiffes breiteten ein AG-Feld um die Mora aus und zogen sie langsam in den Hangar hinein. Laco fuhr die Landestützen aus und setzte langsam auf seinem Schiff auf. Als der Hangar wieder mit Luft gefüllt war, stieg Laco aus. Ein Empfangskomitee von einem Zug Ulanen hatte sich in Richtung Luftschleuse aufgestellt. Bei so einem großen Schiff hätte sich Laco einen größeren Empfang vorgestellt, war fast schon enttäuscht, erkannte dann aber, dass diese 32 Männer das gesamte Ulanenregiment auf dem Schiff waren. Auf einem Schiff der Glorious Heritage Klasse waren 800 Lancer stationiert, obwohl es nicht viel größer war als die Wrath of Achilles. Diese Männer sollten nur für den Notfall da sein. Wenn jemand versuchte, dieses Schiff zu entern, hatte er bei dieser geringen Stärke gute Papiere. Allerdings war das Schiff auch nur über diese Rampe betretbar und auch wenige Kämpfer würden einen einzelnen Hangar lange halten können. Laco trat auf den Korridor hinaus. Er sah so aus wie bei allen anderen Gardeschiffen, allerdings war er um einiges dunkler gestaltet als beispielsweise auf der Ikarus. Laco hätte sich das ganze Schiff viel enger vorgestellt, jedoch war er ganz glücklich damit, wie breit die Gänge doch waren. Laco betrat das Kommandodeck.
            „Captain an Deck!“
            Alle standen auf und salutierten. Laco ließ den Blick in die Runde schweifen. Er war erstaunt, wie viele bekannte Gesichter er hier fand. Natürlich war Captain Adriano del Ronis, der erste Offizier hier, außerdem kannte er noch Chiquon, den er selbst als Steuermann beantragt hatte, und Elacta Blutroter Feuerball in tiefschwarzer Nacht, die Than-Kriegerin. Mathew McDill, den Anführer der Lancer, hatte er im Hangar schon gesehen. Laco war froh, so viele Mitglieder seiner alten Crew auf der Achilles wiederzusehen.

            Nach dem Briefing mit allen sechsundzwanzig weiteren Offizieren des Schiffes und dem Schiffsavatar, Achilles oder DSX 91-497 war Laco auf dem Weg zum Medizindeck. Er hatte den Offizieren Mut gemacht und ihnen gesagt, dass sie das Commonwealth jetzt mehr brauche als je zuvor. Sie zeigten sich auch zuversichtlich, hatte man sie doch als Besatzung des besten Raumschiffes der Flotte ausgewählt. Elacta und Laco wollten sich heute Abend treffen und einander erzählen, wie es ihnen seit der Zerstörung der Ikarus ergangen war. Chiquon tat das übliche, er hatte nur die Pflicht im Sinn. Über Adriano del Ronis hatte sich Laco noch nicht so viele Gedanken gemacht. Der Mensch war wohl kaum ein so guter Kommandant, aber der beste Berater für Laco, wusste er doch am allerbesten, was man der Wrath of Achilles zumuten konnte. McDill, der Anführer der Lancer, war wie immer begrenzt und zurückgezogen, jedoch hatte ihn die Garde seither auf Herodotus eingesetzt, wo er zum Brigadier General befördert worden war. First Signifer Fletcher, der Lancer, der Laco auf dem Kontrollasteroiden von Herodotus den Arsch gerettet hatte, war auf Herodotus gefallen. Außerdem musste sich Laco mit einem neuen Chefingenieur abfinden. Caton, der Perseide, war nach Bator, seiner Heimat, versetzt worden. Der Planet war von Nietzscheanern bombardiert und besetzt worden. Caton hatte das nicht überlebt.
            Laco war gespannt, wer ihn so dringend auf dem Medizindeck sehen wollte. Laco trat ein. Auf einem Bett sah er eine sehr blasse Frau mit blonden, lockigen Haaren sehen. Ihre Haut – Laco hätte sich schlagen können! Es war Trance Gemini! Sie rollte sich auf die andere Seite und sah Laco in die Augen. Sie sah schrecklich aus. So blass und kraftlos wie jemand, der kurz davor war, zu sterben.
            „Was ist denn los?“, fragte Laco besorgt.
            „Ich bin krank“
            „Deck räumen!“, befahl Laco. „Wie kann der Avatar einer Sonne krank werden?“
            „Wessen Avatar bin ich denn?“, fragte Trance.
            „Der Avatar von Tarn Vedras Sonne, Gemini“, sagte Laco. Dann trat die Erkenntnis in seine Augen und er flüsterte: „Tarn Vedra...Gemini“
            „Was ist mit mit passiert, Laco? Was nur? Ist meine Sonne tot?“
            „Nein, Trance. Du musst jetzt stark sein! Deine Sonne ist nicht tot, sie wurde... von dir getrennt. Actrao nax Colyti hat Tarn Vedra vom Rest der bekannten Welten abgeschnitten, es in einem gigantischen Tesserakt versteckt“
            „Die Verbindung zu meiner Sonne ist abgebrochen. Ich habe noch einen Rest Energie in mir, aber ich werde bald...ihr würdet es „verhungern“ nennen. Ich brauche die Energie meiner Sonne um zu leben und meine Sonne braucht mich um zu leben“
            „Wenn ich dich also hier und jetzt erschieße, wird Gemini zur Supernova“
            „Versuch es doch! So leicht geht das nun auch wieder nicht“
            „Muss ich das jetzt verstehen?“
            „Nein. Aber ich muss zu meiner Sonne, Laco. Unbedingt!“
            „Trance, das ist nicht möglich. Niemand kann von hier nach Tarn Vedra. Tarn Vedra ist nicht mehr in der selben Dimension wie wir“
            „Wenn ich nicht zu meiner Sonne kann, muss meine Sonne zu mir kommen“
            „Trance, das ist vollkommen-“. Noch bevor Laco „Unmöglich“ sagen konnte, blieb ihm vor Staunen die Luft weg. Die Haut des Sonnenavatars begann zu glühen. Die blasslilane Haut wurde von einem goldenen Leuchten durchsetzt. Trance richtete sich auf ihrem Bett auf, bis sie stand. Sie streckte die Arme weit auseinander und legte den Kopf in den Nacken. Das Strahlen erfüllte den ganzen Raum. Wahrhaftig, Laco hatte noch nie ein Wesen wie sie gesehen. Dann ging ein kräftiger Ruck durch ihren Körper und das Licht wurde so intensiv, dass man überhaupt nichts mehr sehen konnte. „Sie haben sie verlassen, sie wird sie verlassen...der Drache wird Feuer spucken, wenn das Schwert schon zu tief in seinem Fleische steckt...Licht, Dunkelheit, Licht...der ausgestoßene Wanderer wird die Wahrheit über seinen Feind erkennen...die Zeit der großen Prüfungen ist nur ein winziger Vorgeschmack dessen, was passieren wird...

            368. Tag des Krieges, Fountainhead

            In der Zelle war es bitterkalt. Saladin zog sich den wärmenden Mantel von Drago Museveni enger um die Brust. Hier, im Zellentrakt unter Saladins Palast, vernahm er gerade eine Than-Generälin. Sie hatte die Truppen auf Herodotus angeführt, bis sie eingekesselt und gefangen genommen worden war. Einer der Folterknechte nahm ihr den leer geschleckten Teller weg.
            „General Skyfalls and Thunder. Wie ich sehe, konnten wir dich mit einer Woche Hunger und der Amputation zweier Arme dazu bringen, deine Henkersmahlzeit zu verspeisen, nicht wahr? Gib doch zu, es hat dir köstlich geschmeckt“
            Ohne ein Wort nickte die Than mächtig. Diese Zellen machten selbst aus der stolzesten Person ein Häufchen Elend.
            „Ich weiß, ich verschwende meine Zeit, aber aus Höflichkeit möchte ich dich trotzdem nochmal nach den strategischen Stellungen der Ehrengarde auf Herodotus fragen. Es betrübt mein Herz nämlich sehr, dass dein Militär Tau City 6 schon fast komplett eingenommen hat. Vielleicht interessiert es dich, dass wir Tarn Vedra vom Slipstream abgeschnitten und so das Commonwealth vier seiner Flotten beraubt haben. An allen Fronten befinden sich deine Leute auf dem Rückzug, Insekt, und keiner wird dir mehr helfen können. Ich weiß, du glaubst mir nicht, aber das musst du auch gar nicht. Erzählst du es mir jetzt oder nicht?“
            Die Than schüttelte den Kopf. Ihr Kampfgeist war noch immer nicht gebrochen.
            „Aufstehen! Ich habe dir die Wahl gegeben aber du willst es nicht anders, Insekt! Verstärkt in der nächsten Wochen unsere Truppen im Pelosanasystem. Ich will einen Rückeroberungsversuch von Herodotus wagen“, rief Saladin. Die Folterknechte zogen die Than auf die Beine. Saladin trat näher an sie heran, fast berührten sich ihre Nasenspitzen. Er legte seine Hände um ihre Hüften, fast wie es ein Mann mit seiner Geliebten tat. Dann begann er, die Handflächen hin und her kreisen zu lassen und die Hüften der Than zu massieren.
            „Nur zu schade. Durch diesen dicken insektoiden Panzer kann man das Fleisch kaum fühlen“, flüsterte er und der Atem bildete in der kalten Zelle einen eisigen Dunst, wie den des bevorstehenden Todes. Saladin trat noch etwas näher an sie heran. „Du hast doch eben behauptet, dass dir das Essen sehr zugesagt hat, nicht wahr?“ Er ließ ihr keine Zeit für eine Antwort. „Ich vertraue deinem Geschmack, denn ich möchte heute Abend zu meiner Siegesfeier das selbe verspeisen. Vielleicht sollte ich dir verraten, was du gerade gegessen hast... Ich habe das Rezept aus dem „exzentrischen Kochbuch der anderen Art“. Das Fleisch wird zuerst in hauchdünne Scheiben geschnitten und dann für kurze Zeit in kochendes Wasser gelegt. Dann mit Salz, irdischem Pfeffer und perseidischem Krat würzen. Dann nimmt man etwas Fett, erhitzt es und legt das Fleisch hinein. Wenn es knusprig braun ist, muss man es wenden. In der Mitte darf es ruhig noch etwas roh sein“. Saladin machte eine kurze Pause und schaute der Than-Generälin tief in die Facettenaugen. „Das Gericht heißt „Thanfilet gekocht und in Thanfett gebraten, dazu Thanblutsauce und Kartoffelpüree“. Das soll eines der besten Gerichte in den bekannten Welten sein und ich bin schon gespannt darauf, es heute Abend zu probieren. Ich hoffe, du verstehst nun, wieso wir uns deine Arme borgen mussten“
            Die Than stieß einen Schrei aus, aber nicht in der Commonsprache, sondern im kreischenden Ton ihres Volkes. So tief war sie schon gesunken. Sie hörte nicht mehr auf zu wimmern und zu klagen, einerseits verständlich, hatte sie doch eben einen Teil ihres eigenen Körpers verspeist. Eine Kannibalin am eigenen Leib. Saladin schmunzelte. „Ich möchte sie bis zum Abend auf einem Teller haben. Macht es nicht zu schnell, es heißt doch immer, Angsthormone machen das Fleisch zarter, nicht wahr?“
            Saladin nahm sich einen der Folterknechte beiseite und sagte: „Befindet sich Tarik al Ashraf schon wieder auf Fountainhead?“
            „Ja, mein Herr. Er ist bei seiner Frau“
            „Lass ihn rufen. Ich brauche ihn so schnell wie möglich in meinem Arbeitszimmer!“

            Tarik al Ashraf strich mit den Fingern über den transparenten Holoscreen und sah zu Saladin auf. Der Nietzscheaner war eben aus dem Inhaftierungsblock gekommen und anscheinend überrascht, wie schnell Tarik hierher gekommen war. „Das habt alles Ihr gemacht?“, fragte Tarik und sah wieder auf die Glyphen hinab.
            „Ja. Ich habe es mir eingeprägt und so aufgezeichnet, wie ich es in Erinnerung hatte. Was bedeutet es?“
            „Es gibt tausende Sprachwissenschaftler auf Fountainhead. Warum fragt Ihr ausgerechnet mich?“
            „Das da unterliegt höchster Geheimhaltungsstufe. Ich muss dem vertrauen können, mit dem ich an diesem Projekt arbeite. Es handelt sich um Magogglyphen, die ich in einer geheimen Basis gesehen habe. Ich möchte zu gerne wissen, was sie bedeuten“
            „Ich verstehe. Aber meine Kenntnisse in Magogsprache sind schon etwas eingerostet“
            „Dann wird es Zeit, sie aufzufrischen“
            „Ich war damals auf Delta B-Tor siebzehn Jahre alt. In den Folgejahren habe ich mit der Ehrengarde gegen sie gekämpft und bin dabei oftmals tief in ihr Gebiet vorgestoßen. Ich konnte mir einiges Wissen über ihre Schriftzeichen aneignen. Die Basiswörter der Magog werden durch unterschiedliche Zeichen vermittelt. Diese Zeichen sind Wortstämme. Für ganz normale Sachen der Magog wie fressen, kämpfen, schlafen, jagen oder fortpflanzen gibt es ganz einfache Wörter. Wird aber der Sinn komplizierter, wird an die jeweiligen Wortstämme noch etwas angehängt. Diese Zeichen hier sind sehr schwer zu verstehen, da sie kaum noch etwas mit der Standardschrift der Magog gemein haben“
            „Können wir sie irgendwie entziffern?“
            „Ich kann das nicht“
            „Wie kriegen wir es denn dann raus?“
            „Am ehesten, wenn wir uns nach den Glyphen der Schwarmschiffe orientieren. Die sind die kompliziertesten, die mir bisher bekannt sind“
            „Das heißt, wir müssen ein Schwarmschiff kapern?“
            „Wenn wir das Rätsel lösen wollen – vermutlich schon“
            „Ich werde eine Kampfgruppe losschicken. Das Gebiet der Magog ist groß, da wird sich schon ein einzelnes Schwarmschiff auftreiben lassen. Wer weiß, zu was wir das alles noch gebrauchen könnten“
            „Wo habt Ihr diese Glyphen eigentlich her?“
            „Das kann ich dir noch nicht verraten. Aber wisse eines: Der Ort wo sie herkommen, ist wohl der geheimnissvollste in drei Galaxien. Und damit untertreibe ich nicht. Hoffe, dass wir ihn niemals aufsuchen müssen“
            „Ich werde es mir merken“
            „Heute Abend gebe ich eine Siegesfeier. Werden du und deine Frau kommen?“
            „Es wäre uns ein Vergnügen“

            368. Tag des Krieges, Fountainhead

            Hera war stolz darauf, mit all diesen Leuten an einem Tisch zu sitzen. Da waren die Alphas vieler Stämme, unter anderem auch Tia Cheng, der Alpha ihres eigenen Stammes. Tarik saß neben ihr und unterhielt sich gerade mit ihrem Vater, Odin Athorak. Hier war Hera eher enttäuscht. Sie hatte erwartet, dass man hier ein bisschen über die Zukunft, Kultur und solche Sachen sprechen würde. Stattdessen sprachen die Leute nur über den verdammten Krieg! Hera kam sich vor wie bei einer Sitzung des Krisenstabes. Ihr Mann und ihr Vater unterhielten sich darüber, wie man auf einem Schiff, auf dem die Sensoren ausgefallen waren, am Besten überlebte. Saladin sprach mit den mächtigsten Männern über die Offensive und wie sie verlief. Die Propaganda Saladins zog ganz groß auf, dass das Commonwealth Tarn Vedra verloren hatte. Hera schnappte einige Fetzen auf, denn was hier gesagt wurde, war die Wahrheit und nicht das, was die draganische Propaganda den Leuten erzählte.
            „...wunderbar. Die Ehrengarde war auf Erde noch schwächer, als wir erwartet hatten. Die Schlacht hat nur wenige Stunden gedauert und schon hatten wir die Newport Orbital Shipyards eingenommen. Die Garde hat versucht, alle unfertigen Schiffe zu retten oder zu sprengen. Bevor wir den Komplex eingenommen hatten, haben sie mit Negativbomben noch so einigen Schaden angerichtet, aber wir konnten einen Großteil der Werften sichern. Unsere Marines sind nun dabei, die Landmassen auf Erde zu stürmen. Wir haben Brückenköpfe in den Städten Chicago, Hongkong und Minsk. Ihre Heimatgarde ist zu schwach. Die Kludges können sich kaum wehren und ohne Lancerunterstützung von außen sind sie so gut wie hilflos. Die Blockade über dem Planeten ist stabil, es wird lange, lange dauern, bis sie einen Gegenschlag versuchen werden. Ich bin froh, jetzt doch noch ein paar Tage Landurlaub auf Fountainhead bekommen zu haben, bevor wir mit der großen Invasion beginnen“. Der Mann bekam seine Suppe und hörte auf zu erzählen. Er war Ho Tschi Minh, einer der besten Flottenkommandeure überhaupt, obwohl er nur aus einem der kleineren Stämme, dem der Gungadin, stammte.
            Ein anderer Mann fuhr fort. „Jaja, auch wir haben eine wichtige Werft eingenommen, und zwar im Almagest Cluster. Die haben sich kaum gewehrt, aber wir hatten Probleme an unseren Waffen. Einige Raketen sind in den Abschussrampen explodiert, das war schlimm“
            Saladin sah auf und fragte: „Welche Raketen?“
            „Aus Fabriken des Sabra-Stammes“. Der Mann gehörte sicher zum verfeindeten Jaguar-Stamm. Es war der Apha Angelo Bolivar.
            „Ach ja?“, fragte Haresh Mossadim, Alpha des Sabra-Stammes.
            „Ja, die Arbeiter sind von Schopenhauers Welt. Und Ihr behauptet doch, dass die Euch zusteht, nicht wahr?“
            „Ja. Und was ist damit?“
            „Die haben die Raketen sabotiert“
            „Das nächste Mal nehmen wir eben unsere Sklaven von Enkindu“, sagte Haresh Mossadim spöttisch.
            „Vergesst es! Enkindu ist unser Planet“, sagte Bolivar scharf
            „Es reicht“, rief Saladin. „Ich werde die Stämme doch sowieso vereinen, da ist es doch egal, wem welcher Planet gehört! Ich bestimme jetzt, dass Schopenhauer den Sabra und Enkindu den Jaguar zugesprochen wird! Die Sklaven in Eurer Fabrik, Haresh, lasst sie mit Nervengas töten und nehmt Euch neue. Und die Stadt, aus der sie kommen. Wie groß ist die?“
            „Eine halbe Million Einwohner, Herr“
            „Werft eine Neutronenbombe darüber ab“
            „Jawohl, mein Herr“
            Saladin bekam auch sein Essen. Es sah lecker aus. Hera war geschockt. Einfach so konnte Saladin Gree den Tod einer halben Million Fühlender bestimmen? Plötzlich bekam sie Angst und diese sprang auf auch das sieben Monate alte Baby in ihrem Bauch über, das plötzlich heftig zu strampeln begann.
            „Ist dir nicht gut?“, fragte Tarik.
            „Doch, es geht schon“
            Saladin sagte: „Oh, ist das köstlich. So was gutes habe ich ja noch nie gegessen“. Tarik sah auf. „Willst du ein Stück?“
            „Was ist das?“
            „Thanfleisch gebraten in Thanblutsauce mit Kartoffelpüree“
            Tarik wandte sich sichtlich angewidert ab. „Ihr esst fühlende Wesen? Ihr seid ja genau so schlimm wie die-“. Er bemerkte anscheinend gerade noch, dass er auf dem Weg war, etwas sehr falsches zu sagen. Wenn er den reinkarnierten Stammvater auf eine Ebene mit den Magog stellen würde, wäre ihm der Tod sicher.
            „Sprecht doch ruhig aus, Tarik al Ashraf, Sohn von Isabella und Abdullah“
            „Ich wollte nur sagen...ähm...nein danke“

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              #21
              Ich oute mich mal als weiterer Leser.

              Auch wenn ich nie ein Fan von Andromeda war finde ich deine Story ziemlich cool! Wenn die Serie im Rahmen deiner Story gespielt hätte, wäre ich sicher ein treuer Fan der Serie geworden.

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                #22
                Danke erstmal. Ich sehe es als Ziel meines Romans an, einen Teil dessen, was die Produzenten verbockt haben, als sie Robert Hewitt Wolfe gefeuert und somit Coda abgelehnt haben, wieder hinzurichten. Z.B. das Ziel des Abyss, wie man seine Pläne mit dem Krieg der Nietzscheanerin Einklang bringen könnte und vor allem, was mit den Vedranern passiert ist. Und Andromeda Staffel 5 macht mir da die Arbeit nicht unbedingt einfacher aber ich habe schon ein relativ gutes Konzept.

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                  #23
                  XIII. Zweifelhafte Befehle

                  „Bei Eintreten des schlimmsten Falles
                  übernimmt der Kriegsminister
                  sämtliche Regierungsgewalt
                  Seinen Befehlen ist ausnahmslos
                  Folge zu leisten“

                  Commonwealth-Charta, 2139 n.C.


                  „Und ich sage dir, sie hat sich bewegt. Ganz sicher!“
                  „Auf keinen Fall. So ein Riesending bewegt sich nicht einfach mal so. Und alle Konstellationen stimmen auch noch“, sagte Actrao nax Colyti selbstsicher.
                  „Tun sie das?“, fragte die alte Vedranerin. „Hast du eigentlich bemerkt, wie heiß es in den letzten Tagen auf Tarn Vedra wurde?“
                  „Temperaturen über 310 K sind zwar auf diesem Planeten eine Seltenheit, es ist allerdings schon früher vorgekommen“
                  „Das geht jetzt schon die letzten Tage so und da ist nicht das Wetter schuld!“
                  „Was bitte dann?“
                  „Ich sagte es schon. Die Fusion in der Gemini-Sonne ist viel stärker als vorher. Wir glauben, dass mehr als ein Prozent mehr Energie umgesetzt wurde“
                  „Und was führt dich zu der Annahme, dass sich die Sonne bewegt hat?“, fragte Actrao.
                  „Wie du weißt, haben wir im Orbit von Tarn Vedra das beste Observatorium in-“ sie wollte „den bekannten Welten“ sagen, ließ es aber dann doch. Alles war anders, seit der Planet vom Slipstream abgeschnitten war. „Mit diesem Observatorium erkennen wir genau die Entfernung und den Winkel zu den anderen Sternen. Und jetzt sieh her“ Auf dem Flexi sah man ganz genau, was geschah. Entfernungen und Winkel zu den anderen Sternen wurden minimal verzerrt.
                  „Die Sonne bewegt sich, Actrao. Wir merken es nur nicht, weil sich das ganze System mit ihr bewegt. Ihre Gravitation zieht uns mit, egal, wohin sie geht“
                  „Du bist dir sicher, dass es sich nicht um einen Irrtum handelt?“
                  „Auf keinen Fall. Die Gemini-Sonne hat sich um circa hundert Millionen Kilometer bewegt – auf den Rand deines Tesserakts zu“
                  „Hundert Millionen Kilometer?“
                  „Ja. Und sie wird schneller. Wir glauben, dass sie vor Ende dieses Jahre den Rand des Tesserakts erreichen wird“
                  „Aber nichts kann den Tesserakt verlassen!“
                  „Ja, aber es sieht so aus, als würde sie auf einen Ausgang zuhalten“

                  „Und Gemini wird sie verlassen...“, flüsterte Actrao.
                  „Was?“, fragte die Vedranerin.
                  „Das ist ein Teil der alten Prophezeiung. Sobald die Kinder Vedras ihre Brüder in der Stunde größter Not verlassen, wird sich die Göttin Gemini auf den Weg machen und die Kinder Vedras verlassen. Sie wird gehen und die Kinder Vedras werden von ihrem Gott Tarn ins Exil verbannt. Die Kinder Vedras haben eine Waffe, die sie zum Zerstören von Welten erschaffen haben, doch zum Erschaffen von Welten werden sie sie zerstören. Und der Motor wird ihr Medium sein. Die Göttin Gemini wird so lange fernbleiben, wie sie mit dem Gründer meditiert hat. Wenn Gemini wiederkehrt, wird sie den Gott Tarn achtmal erschlagen um ihren Zorn zu lindern und dann ihre beiden Schwestern, die Methuszwillinge mit der Schärfe des Schwertes vernichten“

                  „Das ist die alte Prophezeiung?“, fragte die alte Philosophin.
                  „Nur ein kleiner Teil davon. Das soll angeblich auf die Zeit der großen Prüfungen folgen“
                  „Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es so kommen könnte. Das ist doch nur eine Prophezeiung“
                  „Sie doch, wie vieles schon wahr geworden ist“
                  „Da hast du allerdings Recht. Lass sie uns doch mal interpretieren. Die Kinder Vedras verlassen ihre Brüder in der Stunde größter Not. Was damit gemeint ist, ist ja wohl ziemlich klar. Du hast uns vom Slipstream abgeschnitten, wir können den Tesserakt nicht aufheben und haben das Commonwealth in diesem Krieg im Stich gelassen und noch dazu vier seiner Kriegsflotten mitgenommen“
                  „So würde ich das auch sehen“. Actrao wurde in letzter Zeit auf Tarn Vedra gehasst und verflucht, allerdings wussten alle, dass er die einzige Hoffnung auf baldige Freiheit sein würde.
                  „Die Göttin Gemini wird sich auf den Weg machen und die Kinder Vedras verlassen. Das bedeutet wohl, der Stern wird aus dem System hinauswandern“, sagte die Vedranerin.
                  „Unmöglich. Die Gravitation zieht uns mit“
                  „Wenn der Stern aber anders verschwindet und nicht im Normalraum?“
                  „Das könnte natürlich sein“, meinte Actrao.
                  „Die Kinder Vedras müssen ins Exil gehen“, meinte die alte Vedranerin. „Kann ich mir kaum vorstellen, wir sind doch schon im Exil“
                  „Vielleicht müssen wir von diesem Exil nochmal in ein Exil gehen“
                  „Wohin?“
                  „Ich weiß es nicht...Lass uns weitermachen“, meinte Actrao.
                  „Was soll dann das bedeuten. Eine Waffe zum Zerstören von Welten erschaffen und zum Erschaffen von Welten zerstört. Das macht doch keinen Sinn!“
                  „Ich weiß auch nicht...Und was meint die Prophezeiung mit dem Motor als Medium?“
                  „Vielleicht den Motor der Schöpfung. Das ist ein alter Mythos“, sagte die Vedranerin. „Du solltest im Commonwealth-Archiv nachsehen“
                  „Werde ich tun“, versprach Actrao. „Lass uns weitermachen“
                  „Gemini wird so lange fortbleiben, wie sie mit dem Gründer meditiert hat? Weißt du, was das heißen könnte?“
                  „Ja. Ich habe mich schon eine Zeit damit beschäftigt. Huascar nax Yoweri, der Gründer des Commonwealth hat laut dem Mythos 307 Tage lang mit der Göttin Gemini meditiert und am 308. Tag die Erleuchtung gehabt. Wenn er das Commonwealth in die Hände seiner Frau gibt, wird es nicht nur 1.000, sondern 10.000 Jahre dauern“
                  „Und du meinst, Gemini wird 308 Tage fernbleiben?“
                  „ich habe lange überlegt, und nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Du weißt doch, was es im Mythos heißt: Und jeder Tag wie ein Jahr“
                  „Du glaubst, die Gemini-Sonne wird 308 Jahre von Tarn Vedra fernbleiben? Das kann der Planet nicht überleben!“, rief die Vedranerin.
                  „Doch. Wenn wir eine künstliche Sonne erschaffen, die uns Licht und Wärme spendet“
                  „Methus!“, rief sie.
                  „Eine einzelne künstliche Sonne können wir nicht erschaffen, sie würde sich durch ihre eigene Gravitation zerquetschen. wir bräuchten ein binäres System“
                  „Die Methus-Zwillinge sollen deiner Meinung nach also zwei Sterne sein, die von uns künstlich geschaffen wurden?“
                  „Ja, ich glaube schon“, sagte Actrao in Gedanken versunken. „Es heißt doch, es sind die Schwestern Geminis. Wenn Gemini die Sonne ist, dann werden die Methuszwillinge auch Sonnen sein“
                  „Und was ist mit dem letzten Teil der Prophezeiung? Wenn Gemini wiederkehrt, wird sie Tarn achtmal erschlagen und dann die Methus-Zwillinge töten?“
                  „Wenn eine Sonne ins System kommt, wird sie von der stärksten Gravitationsquelle angezogen. Und das ist vermutlich eine andere Sonne. Wenn sie beide mit gigantischer Geschwindigkeit aufeinandertreffen-“
                  „gibt es eine Supernova und das System wird zerstört sein“
                  „Aber wieso sollte der Stern bei der Wiederkehr den Planeten Tarn Vedra achtmal zerstören? Das macht doch keinen Sinn!“
                  „Ich lese mich im Commonwealth-Archiv ein. Wenn ich etwas herausgefunden habe, treffen wir uns wieder“
                  „Ich werde da sein!“

                  370. Tag des Krieges, Sparborth IV

                  Anfangs hielt man es nur für ein bläuliches Glimmen, dann öffneten sich die Injektoren. Massenweise Plasma wurde aus den Triebwerken ausgestoßen. Die Verankerungen zur Station wurden gelöst und die Wrath of Achilles, der gigantischste Zerstörer aller Zeiten, schob sich episch langsam aus dem Raumdock. Als sie die Station verlassen hatte, wurden die GFG-Linsen aktiviert. Sie senkten die effektive Masse des Schiffes auf unter ein Kilogramm und ließen zu, dass es enorm beschleunigt wurde. Die fünf Triebwerke, die dort saßen, wo die Krümmung der Ausleger begann, liefen auf voller Kraft. Der schwerste und gefährlichste Zerstörer der Ehrengarde lief auf den Rand des perseidischen Systems zu, begleitet von einem Ehrengeleit von fünf Staffeln Slipfighter. Plötzlich wurde die Achilles langsamer. Die GFGs wurden deaktiviert und die träge Masse zog die Geschwindigkeit auf fast null. Die in den Auslegern angesiedelten Slipstreamanker wurden ausgefahren.
                  Auf dem Kommandodeck war unterdessen ein Streitgespräch entbrannt. Captain Laco nax Agros bestand darauf, dass Chiquon den ersten Sprung machte, der Kalderaner meinte aber, dass der erste Sprung aus eigener Kraft dem Kommandanten des Raumschiffes zustünde. Captain Adriano del Ronis stand verständnislos daneben und wartete. Elacta sah auf ihre Anzeigen. Da sie eine Than war, sah man ihr ihr Amüsement nicht an. Laco gab sich geschlagen und nahm auf dem Pilotenstuhl Platz. Er fuhr die Konsolen herunter und gab volle Energie auf die GFG-Linsen. An den Slipstreamankern bildeten sich winzige Blitze, dann brach in voller Pracht ein gigantisches Slipstreamportal auf. Nicht schnell wie sonst, sondern glorreich und langsam steuerte Laco nax Agros sein brandneues Raumschiff in den Sipstream. Dafür, dass sie nur ein Zerstörer war, ließ sich die Wrath of Achilles erstaunlich gut fliegen, wenn auch natürlich nicht so gut wie die auf Slipstream ausgelegte Ikarus. Laco konzentrierte sich auf den Kaa-Arm der Andromedagalaxie und brachte das Schiff in ein etwa zwei Lichtjahre entferntes System.

                  Der Vedraner stand auf und sagte zu Chiquon: „Geschafft. Ab jetzt bist du dran. Unser Ziel ist Langoan Drift, wo wir uns mit unserer Kreuzergruppe zum ersten Einsatz treffen wollen. Jetzt glaube ich, ist auch der richtige Zeitpunkt, um über unsere nächste Mission zu reden. Trance betrat die Brücke. Laco fasste es nicht, wie sie immer den richtigen Zeitpunkt abpassen konnte. „Achilles! Sicherheitsstufe 5!“
                  „Was ist mit ihr?“
                  „Sie darf bleiben“
                  „Aye, Sir“. Die Türen zum Kommandodeck der Wrath of Achilles schlossen sich. Auch dieses war genauso eingerichtet wie bei anderen Gardeschiffen, jedoch dunkler und mit kleinerer wissenschaftlicher Station. Obwohl die Temperatur auf Gardeschiffen immer auf konstanten 295 K gehalten wurde, wirkte hier alles viel kühler. Laco sah in die Runde. Auf der Brücke waren er, Captain del Ronis, Commander Elacta Blutroter Feuerball in tiefschwarzer Nacht, Lieutenant Commander Chiquon, Enisign Leanne Bogacy, die erst gestern auf die Achilles versetzt worden war, Brigadier General Mathew McDill, der Sicherheitsschef, der androide Avatar des Schiffes und natürlich Trance Gemini. Sie hatten sich in einer Reihe aufgestellt und Laco begann seinen Vortrag.
                  „Wir haben Tarn Vedra verloren. Das Commonwealth hat kürzlich einen erheblichen Schlag durch die nietzscheanische Allianz hinnehmen müssen. Sie haben viele Planeten mit Schiffswerften erobert, unter anderem starten sie auch eine Invasion auf Erde, der Heimatwelt der Menschen. Das Commonwealth wird also auf lange Sicht an Stärke verlieren, haben wir doch kaum noch eigene Schiffswerften. Seit Beginn des Krieges haben die Nietzscheaner einen mächtigen weiteren Schiffstyp in die Schlacht geworfen. Die Dreadnoughts. Zur Zeit befinden sich ein Dutzend dieser Raumschiffe im All und seit Beginn des Krieges ist noch keines von ihnen vernichtet worden. Das muss sich ändern. Wir müssen beweisen, dass das Commonwealth eine Chance gegen die Nietzscheaner hat, denn im Moment, seien wir ehrlich, ist die Moral des Commonwealth ziemlich am Boden. Der Verlust von Tarn Vedra hat uns alle schwer getroffen und ich glaube, wir können ihn nur wieder ausgleichen, sobald wir den Krieg gewonnen haben. Eine der Maßnahmen ist es also, den Dreadnoughts ans Leder zu gehen. Die Wrath of Achilles ist der größte Raumschiffskiller, den es je gegeben hat. Wenn jemand diesen Schiffen das Licht ausblasen kann, dann sind wir es. Bisher konnten sie sich aber immer zurückziehen und in ihrer Werft im Pelosanasystem repariert werden. Ihnen diese Option zu nehmen, ist unser Auftrag. Offiziell: Vernichtet die Apocalypsewerft im Pelosanasystem. Das ist unser Auftrag. Wir ihr alle wisst, wurde Pelosana zu einem der Zentren des nietzscheanischen Militärs. Hier sammeln sich ihre Flotten, die gegen unsere Offensive auf Herodotus vorgehen wollen. Mit diesem Schiff, oder selbst mit einer Kreuzergruppe, werden wir nicht stark genug sein, einfach vorzudringen und die Werft zu zerstören. Aber ich habe natürlich schon einen Plan ausgearbeitet“. Verdrehte Blicke, überall wo er hinsah.

                  Achilles aktivierte den linken Bildschirm, wo Lacos Plan ablief. „Wir haben die Achilles, vier Gruppenverteidigungsfregatten der Pride of Kaldera Klasse, zwei leichte Kreuzer der Eternal Vigilance Klasse und hundert Slipfighter. Wir stoßen mit den vier GDFs, allen Slipfightern und der Achilles direkt ins System vor und greifen frontal an. Mit der Feuerkraft der Achilles werden wir sicherlich einigen Schaden anrichten. Captain Khalid und ich haben noch einen funktionstüchtigen Garuda-Fighter von der letzten Mission geborgen. Wir haben den Slipstreamantrieb ausgebaut, um Platz für Negativbomben zu schaffen. Ihre Signale sind durch eine dicke Panzerschicht und ein Spurenvergrößerungssystem abgeschirmt, es wird für die Übers schwieriger, sie zu finden. Commander Chiquon wird während unseres Angriffes den Fighter unbemerkt aus dem Hangar steuern und sich unter die feindlichen Jäger mischen, die einen Gegenangriff auf uns starten werden. Wenn diese auf einen neuen Vektor abdrehen, wird sich Commander Chiquon aus ihrer Formation lösen und wie angeschlagen auf die Apocalypsewerft zufliegen. Dort wird er seine fünf Negativbomben auf den Gitterpunkten absetzen und wegfliegen. Dann springen unsere LRS ins System und nehmen Chiquons Fighter auf. Uns muss klar sein, dass diese Schiffe tief ins System eindringen können, aber auch wieder nicht so tief. Sobald sie gelandet sind, leiten wir einen strategischen Rückzug ein. Erst springen wir, dann die GDFs. Die Slipfighter verteidigen die LRS bis deren Antriebe wieder aufgeladen sind und springen dann weg. Sammelpunkt aller Schiffe ist Herodotus. Soweit klar?“
                  „Was, wenn der Plan nicht funktioniert?“, wollte Chiquon wissen.
                  „Dann bist du als erster tot mein Freund. Aber sei unbesorgt. Der Plan ist von mir – und meine Pläne funktionieren!“

                  371. Tag des Krieges, Fountainhead

                  Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto schlimmer wurde es! Tarik hatte schon eine Menge von dem Zeug übersetzt, das ihm Saladin aufgezeichnet hatte. Wenn es doch nur nicht so mühsam wäre! Magogglyphen übersetzten war eine Kunst. Saladin hatte sie zwar gut im Gedächtnis behalten, allerdings war die Farbgebung und die genaue Länge der Zeichen sehr wichtig. So konnte Tarik oft nur über den Sinn des Inhalts rätseln. Je mehr von dem Zeug er entschlüsselte, desto häufiger und heftiger wurden seine Albträume von den Magog. Die seltsamen Tischgewohnheiten Saladins trugen nicht unbedingt zur Milderung der Situation bei. Des nachts war Tarik jetzt wieder zu Hause bei Hera. Er trank nicht mehr, weil er sich jetzt einbildete, dieses Rätsel zu Ende führen zu müssen. Er wusste, wenn er das Geheimnis löste, würde er diese Träume für immer los haben. Er bemühte sich sehr in der Entschlüsselung des Rätsels, denn er war fest davon überzeugt, dass es sich dabei um etwas bedeutendes handelte. Soviel er jetzt herausgefunden hatte, gab es beunruhigende Aktivitäten in der Quarantänezone der Magog. Sollten sie angreifen, sollte die nietzscheanische Allianz gewappnet sein. Saladin war sich sicher, einem Angriff standhalten zu können, tat aber die Gefahr der Magog als unwesentlich ab. Es sei denn, sie kämen in die Nähe bewohnter Gebiete. Auch Tarik glaubte, dass man die Magog unter Kontrolle bringen konnte. Doch irgendetwas war da noch. Der Verfasser dieser Schriften war sicherlich kein Magog. Er benutzte High-Tech und es schien, als würde er geheim im Verborgenen arbeiten. Außerdem diente er einem Ding, das Tarik als die „Seele der Schlucht“ oder „Seele des Abgrunds“ bezeichnet hatte. Tarik war sich sicher, dass Saladin mehr darüber wusste, seinen Fragen aber immer gezielt auswich. Ganz anders verhielt es sich mit dem Teil, das Tarik als „Weltenschiff“ bezeichnet hatte. Er hatte nicht den Hauch einer Ahnung, um was es sich handelte, war sich aber sicher, dass auch Saladin darüber nichts wusste. Es schien sich um zwanzig Welten zu handeln, die sich in einem Schiff befanden. Tarik fand, dass das sehr schwierig zu interpretieren war. Aber das, was Saladin noch wusste, würde zur Aufklärung des Rätsels nicht reichen! Tarik wusste, wohin der Weg des Wissens führen würde, und zwar in die Höhle des Löwens – den Ort, von dem Saladin dieses Wissen hatte, und zu dem zurückzukehren er sich mehr sträubte als alles andere.

                  371. Tag des Krieges, Langoan Drift


                  „Sir, eine Kurierdrohne der Station erreicht uns“, meldete Ensign Bogacy.
                  „Was haben sie uns denn mitzuteilen?“, fragte Captain del Ronis.
                  „Hauptsächlich Nachrichten und einige Befehle“
                  „Was gibt’s denn Interessantes?“, fragte Laco.
                  „Die Neuwahl des ersten Triumvirs steht an. Das Triumvirat hat sich auf Tarn Vedra befunden, als der Planet abgeschnitten worden war“
                  „Und? Wann? Wer tritt an?“, fragte Elacta neugierig. Informationen erreichten den linken Bildschirm. Die Kandidaten zeigten einen Menschen, eine Than und einen Kalderaner.
                  „Die Kandidaten sind Citizen One, der Chef von Typhoon Technology, Bloody Sunset, Planetenparlamentspräsidentin von San Ska Re und Xytjan, Planetenparlamentspräsident von Kalderash“
                  Jedes Kind in drei Galaxien kannte Citizen One. Das Commonwealth hatte ihm einen Teil seiner Werften für den Bau der Ehrengardeschiffe anvertraut. Er war der Geschäftsmann Nummer Eins im Commonwealth, der wohl reichste und mächtigste Fühlende im Universum, von Saladin Gree und den Alphas der Nietzscheaner mal abgesehen. Es hieß, Citizen One sei so gerissen wie ein Nightsider, so schlau wie ein Tahn, so geldgierig wie ein Chi-Chi und so machthungrig wie ein Mensch. Er galt als geniales Genie und zugleich verschlossener und geheimnissvoller Mensch. Er hatte sich seit Jahren nicht mehr in der Öffentlichkeit gezeigt und keiner wusste seinen echten Namen. Es gab sogar Gerüchte, dass Citizen One nur eine irreale Person war, die der Führungsstab von Typhoon Technology erfunden hatte, um seine Ideen besser zu verkaufen. Seine Kandidatur zum Triumvir schloss das allerdings ziemlich sicher aus. Beim Volk war er zwar geachtet, aber Laco konnte sich nicht vorstellen, dass man so jemandem trauen konnte. Allerdings könnte er auch die Lösung der Probleme des Commonwealth bringen. Sollte er die Wahl gewinnen, würde man das ja ziemlich schnell herausfinden.
                  Bloody Sunset war aus einem anderen Holz geschnitzt. Sie war beim ganzen Volk beliebt und geachtet. Die Than war schon seit langem die führende Politikerin auf San Ska Re, hatte sich aber noch nie weiter hinaus getraut. Mit ihrer stabilen Politik traute ihr Laco kaum zu, dass sie diese Krise bewältigen konnte.
                  „Hast du das gelesen?“ Chiquon riss ihn aus seinen Gedanken. „Kriegsministerin Stark denkt daran, Xytjan nicht an der Wahl teilnehmen zu lassen, da er angeblich eine Gefahrfür das Commonwealth darstellen könnte!“
                  „Ist das denn so?“, fragte Laco. Er hatte immer große Bedenken wegen des kalderanischen Politikers gehabt. Auf seiner Heimatwelt war er der unumstrittene Anführer. Bei den Wahlen bekam er immer mehr als neunzig Prozent der Stimmen. Man hatte ihn allerdings nie in die große Politik vorgelassen, da er ein radikaler Demokrat und Kommunist war. Am liebsten hätte er für alles Wahlen, auch für das, wo das Volk gar nicht mitreden konnte. Als radikaler Demokrat wollte er alles in die Hände des Volkes legen, auch das Militär. Außerdem wollte er das Amt der vedranischen Kaiserin abschaffen, welches sowieso nur nominell war. Weil eine so strikte Demokratie aber nur bei Kalderanern funktionierte, hatte er vorher noch nie zum Triumvir kandidiert. Die Kaiserin hätte seine Nominierung auch nie gut geheißen, aber die war schon seit über einem Jahr tot. Es lag nun in Admiral Starks Händen, ob der Kalderaner die Wahl zum höchsten Staatsamt antreten durfte.
                  „Wenn sie ihn nicht lässt, gibt es auf Kalderash einen Aufstand“, meinte Chiquon.
                  „Ach was“, tat Laco die Sache ab. „Einen Aufstand in einer Zentralwelt? Niemals!“
                  „Xytjan ist auf unserer Welt sehr beliebt und der Hoffnungsträger des Commonwealth. Stark wäre eine Imperialistin, wenn sie ihn ablehnt“
                  „Stark ist zwar hart, aber im Herzen eine gute Person“
                  „Wir werden sehen...“
                  „Was meinst du damit?“
                  „Ich bin mir nicht sicher, ob sie ihre Vollmachten als alleinregierende Kriegsministerin so schnell wieder aufgibt“
                  „Sicherlich. Sie hat während des Magog-Konfliktes alles getan, um Sicherheit und Stabilität zu sichern. Sie hat hart für das Commonwealth gekämpft! Sie wird sie jetzt nicht leichtfertig opfern“
                  „Wie ich schon sagte... wir werden sehen“
                  „Meine Schicht ist zu Ende“. Laco wollte diesem Gespräch entkommen. „Ich habe noch etwas zu tun. Bitte entschuldigt mich“

                  Trance Gemini öffnete die Tür zu ihrem Quartier sofort, nachdem Laco geläutet hatte. Anscheinend hatte sie eine Vorliebe für dunkle Räume, denn das Licht war völlig abgeschaltent.
                  „Ich wollte nicht stören“, sagte Laco.
                  „Du störst mich nie. Erlaubnis zum Eintreten gewährt“. Aber das war doch sein Schiff! Trance fuhr das Licht hoch und Laco sah sich erstaunt um. Sie hatte den ganzen Raum voller Pflanzen gestellt.
                  „Wo hast du denn die her? Das Schiff hat doch keinen hydroponischen Garten!“
                  „Die habe ich mir gerade erst von Langoan-Drift gekauft. Vedranische Tundrablumen. Die besten Sauerstoffproduzenten im Universum. Jetzt sind sie zum Aussterben verurteilt, es sei denn, wir schaffen es, sie auf einem anderen Planeten dauerhaft anzusiedeln“
                  „Bessere Botaniker haben das schon versucht und sind gescheitert. Sie produzieren einfach zu viel Sauerstoff“
                  „Weswegen bist du wirklich gekommen?“
                  „Weißt du noch, was du gesagt hast, als du...deine Sonne gerufen hast?“
                  „Nein...das war wie im Delirium“. Trance sah zwar schon ein bisschen besser aus, aber noch lange nicht so, wie er sie auf Yakosh das erste mal gesehen hatte.
                  „Du sagtest etwas von „sie haben sie verlassen, sie wird sie verlassen“. Das ist ein Teil der alten Prophezeiung, ich habe mich schlau gemacht“
                  „Ja. Das ist es“
                  „Dann sagtest du: „Der Drache wird Feuer spucken, wenn das Schwert schon zu tief steckt. Was soll das bedeuten?“
                  „Ich weiß es nicht, Laco. Es hört sich für mich an, wie die Worte eines Fremden“
                  „Und was heißt „Licht, Dunkelheit, Licht?“ Die Zeit der großen Prüfungen ist nur ein Vorgeschmack dessen, was passieren wird?“
                  „Das heißt vermutlich, dass dieser Krieg nicht mal einen Bruchteil des Elends über die bekannten Welten bringen wird, wie die darauf folgende Zeit“
                  „Das heißt, es wird noch schlimmer?“
                  „Davon gehe ich aus, Laco. Ja“
                  „Können wir das irgendwie verhindern?“
                  „Die Zukunft ist wie ein großes Meer. Es bewegt sich, ist flexibel und kann verschieden aussehen. Erst wenn es friert und zur Vergangenheit wird, wird es fest und nicht mehr änderbar“
                  „Als letztes sagtest du: „Der ausgestoßene Wanderer wird die Wahrheit über seinen Feind erfahren“
                  „Ich kann dir nicht helfen. Wenn du diesen Worten nachgehen willst, musst du erst den ausgestoßenen Wanderer finden und dabei kann ich dir , wie ich schon sagte, nicht helfen“
                  „Trance“, sagte Laco ruhig. „Du hast mir in den letzten Tagen so viele Geheimnisse der Macht preisgegeben. Ist das denn nicht gefährlich? Was, wenn ich nicht aufrichtig wäre und diese Macht für die falschen Zwecke benutzen würde?“
                  „Das ist immer das Problem und das war es schon immer. Normalerweise warte ich immer Jahre, bis ich mich einer Person offenbare. Nicht einmal deine Frau, Sucharitkul, hatte gewusst, wer ich wirklich bin und wir kannten uns schon fast seit ihrer Geburt“. Woher wusste Trance das alles? Sie verwunderte Laco immer mehr. „Ich muss immer lange warten, weil ich nie weiß, wem ich vertrauen kann und ein Fehler immer verhängnisvoll endet“
                  „Und wieso erzählst du mir das alles dann so schnell? Wir kennen uns doch kaum“
                  „Ja, Laco. Aber wir dürfen keine Zeit verlieren. Wir müssen herausfinden, wie wir den Geist des Abyss stoppen können und du bist der Schlüssel dazu“
                  Und dann begriff Laco. Er war der ausgestoßene Wanderer und er musste die Wahrheit über seinen Feind erfahren. Und sein Feind – das war der Geist des Abyss!

                  371. Tag des Krieges, Erde


                  Flottenmarschall Odin Athorak stieg aus dem Truppentransporter. Ein kalter Wind blies ihm ins Gesicht, deswegen zog er seinen Helm an. Die Marines stürmten hektisch aus dem Transporter und begannen, die Gegend zu sichern. Hier hatte das draganische Militär einen Brückenkopf errichtet, um das relativ dünn besiedelte Land leichter erobern zu können. Odin sah sich in den Straßen um. Die meisten Häuser waren schon aus Trikabnium gebaut, manche hatten aber auch noch steinerne oder gar hölzerne Wände! Hie und da fielen einzelne Schüsse, aber nichts, was Odin aus der Fassung bringen konnte. Die Soldaten salutierten nicht vor ihm, da er in der Rüstung aussah, wie ein ganz normaler Marine. Odin hatte die Rüstung angezogen, da die Stadt noch nicht vollkommen gesichert war. Wenn ihn jetzt ein Partisan traf, würde er immerhin noch weiterleben. Außerdem stach er in der Rüstung nicht heraus und gab kein lohnenswertes Angriffsziel. Hinter Odin wurden gerade die Floaterpanzer ausgeladen. Das nietzscheanische Marinecorps schoss und rückte vor. Auch Odin bewegte sich nun, da er erkannt hatte, dass er störte.
                  Der nietzscheanische Flottenmarschall schritt durch die Straßen von Minsk. Das Gauss-Gewehr hatte er sich lässig wie eine Handtasche über die Schulter geworfen. Von den Widerstandskämpfern hatte er kaum etwas mitbekommen. Sie schienen nicht besonders zahlreich und stark zu sein. Er wusste jetzt auch, wieso Ho Tschi Minh ausgerechnet diese Stadt als Brückenkopf haben wollte. Hier gab es immerhin den viertgrößten Raumhafen auf dem ganzen Planeten. Ein Transporter nach dem anderen ging runter. Bereits Millionen Soldaten waren auf Erde gelandet und kurz davor, vorzurücken. Die Zerberus schwebte noch im Orbit und war dabei, ihre tödliche Fracht auszuladen. Odin schritt allein durch eine einsame Nebenstraße, als er gerade etwas hörte. Es war die Stimme eines alten Mannes, der um Gnade bettelte. Dann hörte Odin einen Schuss. Interessiert ging er in die Richtung des Gewimmers, das noch immer nicht augehört hatte. Dann fiel noch ein Schuss. Das Gejammere des Mannes war noch schlimmer geworden. Odin konnte jetzt sehen, was los war. Zwei nietzscheanische Soldaten standen mit Pistolen in der Hand da, etwa hundert Meter entfernt kniete ein Zivilist.
                  „Was ist da los?“, fragte Odin streng.
                  „Lust auf ein kleines Spielchen?“, fragte der größere der beiden.
                  „Was?“, fragte Odin erstaunt.
                  „Kannst alles als Einsatz abgeben. Essen, Munition, Dienstschichten, Stiefel...“
                  Der andere sprach jetzt weiter. „Du darfst gerne mitspielen. Ich erklär' dir mal die Regeln: Wir sind hundert Meter von ihm entfernt. Die Kugeln sind nicht geladen und werden nur auf Schallgeschwindigkeit beschleunigt. Ziel des Spiels ist es, den Kludge da vorne so lange wie möglich am Leben zu lassen. Du musst auf ihn schießen und der, bei dem er verreckt, hat verloren und verliert seinen Einsatz. Dann holen wir uns einen neuen. Ganz einfach. Willst du?“
                  „Gerne“, sagte Odin und zog seine Waffe.
                  „Hübsche Knarre“, sagte der größere.
                  „Die ist schon tausend Jahre alt und hat mal Aetus dem Eroberer gehört“. Odins schwere Seitenwaffe war etwa so lang wie ein Unterarm und fast schon ein Gewehr und keine Pistole. Odin lud, legte an und drückte ab. Die Pistole hatte schönes dunkelblaues Mündungsfeuer. Der alte Zivilist schrie auf und stürzte zu Boden.
                  „Der steht nicht mehr auf“, sagte der Kleine. „Warum hast du das getan?“
                  „Ich glaube, du hast das Ziel des Spiels noch nicht so ganz begriffen, oder?“, fragte der Größere.
                  „Doch, ich habe es begriffen“, sagte Odin und nahm den Helm ab. Jetzt erkannten sie ihn, wichen erschrocken zurück und winkelten ihre Arme zum typischen Gruß an. „Ihr seid der letzte Dreck! Machte euch einen Spaß daraus, wehrlose Zivilisten abzuschießen!“, schrie Odin.
                  „Aber Ihr habt doch selbst schon viele Kludges exekutiert“
                  „Das war im Kampfeinsatz und hatte eine strategische und taktische Bedeutung! Was ihr da macht, ist abartig, pervers und widerlich!“
                  „Aber Sir, wir wollten doch nur-“
                  „Ich hab genau gesehen, was ihr getan habt! Gespielt habt ihr mit dem Leiden eines Fühlenden! Unser Volk sollte ein Volk der Dichter und Denker, der Künstler und Poeten, der Gelehrten und Philosophen, der Krieger und Helden werden und nicht das!“
                  „Wir sind doch Krieger“
                  „Ihr seid der letzte Abschaum des Universums!“, brüllte Odin. „Ihr seid das letzte, für das Homo Sapiens Invictus stehen soll! Ihr seid alles das, was Drago Museveni nie verkörpert hat!“
                  „Aber Sir! Wir sind im Krieg-“
                  „Lasst eure Waffen fallen“, sagte Odin leise und richtete seine schwere Pistole auf sie.
                  „Sir?“
                  „Wollt ihr verdammten Bastarde mir jetzt auch noch den Gehorsam verweigern?“, donnerte der alte Mann. Ohne ein Wort ließen die beiden ihre Pistolen auf den Boden fallen, nahmen die Gewehre vom Rücken und legten sie ebenfalls auf den Metallboden.
                  Odin lud langsam seine Waffe nach und richtete sie auf den größeren der beiden Soldaten. Er machte Anstalten noch mal zu sprechen, überlegte es sich aber anders und drückte ab. Trotz Rüstung hatte der Nietzscheaner ein faustgroßes Loch in der Brust. Der andere begann zu zittern und schaute fassungslos auf den Toten. Er wollte wegrennen doch die Beine versagten ihm den Dienst.
                  „Ich habe das Spiel verstanden“, flüsterte Odin, richtete seine Waffe auf ihn und schoss erneut.

                  372. Tag des Krieges, Pelosanasystem


                  Der Tag war ein Tag der Vorbereitungen gewesen. Auf Langoan Drift hatten sie sich mit dem Rest der Kreuzergruppe getroffen. Vier Gruppenverteidigungsfregatten und zwei leichte Kreuzer. Eines dieser Schiffe war die Renewed Valor gewesen, das Schiff von Captain Borotep Yeshgar. Laco hatte es der Inari anvertraut, Chiquon nach der Schlacht sicher zu bergen und wegzubringen. Im Laufe des Tages waren sie in Richtung Herodotus aufgebrochen. Die Welt war noch immer stark umkämpft und jetzt schienen die Nietzscheaner wieder an Kraft zu gewinnen. Wahrscheinlich sollte ihre Basis im Pelosanasystem angeschlagen werden, damit sie keine Gegeninvasion auf dem Planeten starten konnten. Auf Herodotus hatten sie sich getrennt. Die Wrath of Achilles war mit den vier GDFs und den hundert Slipfightern die fünf Sprünge ins Pelosanasystem direkt gesprungen. Die Nietzscheaner reagierten zu langsam. Die Slipfighter konnten alle Kuriere vor dem Eintritt in den Slipstream abfangen. Pelosana war nicht gewarnt gewesen, als die Kreuzergruppe angekommen war. Auch Chiquon stand schon im Hangar bereit. Der Slipstreamantrieb des Fighters war ausgebaut worden, stattdessen waren jetzt fünf Negativbomben und ein SVS eindeponiert. Wenn alles gut ging würde er unentdeckt abfliegen, sich unter die Feinde mischen, die Bomben auf den Werftenkomplex werfen und auf den leichten Kreuzern entkommen. Die Achilles musste nur ein Ablenkungsmanöver fliegen, alles andere lag in den Händen des Kalderaners.

                  „Wir kommen aus dem Slipstream“, meldete Captain del Ronis, der den Platz des Steuermanns eingenommen hatte.
                  „Kampfklingen ausfahren. Drohnen raus! Die erstbesten Ziele anvisieren und vernichten!“
                  Die Klingen fuhren sich langsam vor der Wrath of Achilles aus. Ein Schwarm Raketen wurde gestartet, ohne das Ziel zu kennen. Kampfdrohnen rückten vor und versuchten, die Positionen der Feinde herauszufinden. Die Raketen schlugen donnernd auf den Kreuzern der Nietzscheanern ein und hinterließen empfindliche Schäden. Sie war einfach ein klasse Teil! Die Achilles feuerte Breitseite auf Breitseite, bis die Berichte hereinkamen.
                  Ensign Bogacy meldete: „Sir, die feindlichen Kräfte hier sind stärker als vermutet. Sie haben etwa dreißig Prozent mehr Schiffe hier, als wir erwartet hatten“
                  „Verdammt...verbinde mich mit dem Hangardeck!“
                  „Chiquon hier“
                  „Hör mal, du hast weniger Zeit als wir dachten. Starte sofort, lade die Bomben ab und komm wieder zurück. Sie haben zu viele Schiffe hier. Wir können die Stellung vermutlich nicht so lange halten wie geplant“
                  „Aye, Sir. Lang lebe die Kaiserin!“

                  Die Wrath of Achilles schoss weiterhin Dauerfeuer auf die feindlichen Schiffe, die sich überraschend schnell formierten. Bald flogen die ersten Raketen in Richtung des Zerstörers. Die Gruppenverteidigungsfregatten konnten jedoch alles abfangen. Noch. Die feindlichen Garuda-Fighter starteten, sammelten sich und flogen in Richtung der angreifenden Slipfighter. Chiquon hatte noch das SVS aktiviert, er sah für die Sensoren auch so aus, wie einer der Slipfighter. Langsam glitt er durch ihre Reihen, wurde nicht angegriffen. Ein lautloser Räuber.
                  „Hoffentlich können sie die Negativkennung nicht entdecken“, sagte Laco.
                  „Vielleicht sollten wir ein paar Negativbomben abfeuern, nur um sie abzulenken“, schlug del Ronis vor.
                  „Gute Idee. Geschützrohre 1-10 mit Negativwaffen laden“
                  „Aye, Sir“
                  Die ersten Geschosse traften die Wrath of Achilles.
                  „Hat nicht besonders weh getan“, meinte der androide Avatar.
                  „Die Negativwaffen entriegeln und scharf machen!“
                  „Negativwaffen sind entriegelt und scharf“
                  „Warten auf meinen Befehl!“
                  Die Slipfighter waren jetzt auf fünf LS Entfernung zu den nietzscheanischen Fightern. Sie trafen zusammen. Vier nietzscheanische und ein Commonwealthfighter wurden zerstört. Chiquons Jäger gliederte sich in ein feindliches Geschwader ein und deaktivierte das SVS. Jetzt war die Gefahr, erkannt zu werden, am größten.
                  „Feuer!“, befahl Laco.
                  Die feindlichen Jäger drehten ab um die anfliegenden Vernichtungsraketen abzufangen. Chiquon nutzte die Gelegenheit und wechselte die Staffel.
                  „Wir müssen näher ran“, meinte Ensign Bogacy. Die Informationen, die wir erhalten, sind trotz Drohnen schon eine halbe Minute alt.
                  „Langsam vorwärts! Zehn PSL!“
                  Die Negativbomben waren alle vernichtet worden, jedoch hatten sie ihren Ablenkungszweck erfüllt. Chiquon flog jetzt direkt in Richtung der Werft.
                  „Sir, die Nietzscheaner bauen eine zweite Angriffslinie auf. Wenn diese steht, und sie sie uns entgegenwerfen, müssen wir uns zurückziehen!“, berichtete Elacta.
                  „Wie weit sind sie weg?“
                  „Zwei LM“
                  „Raketen starten und Slipfighter abkommandieren! Die GDFs vorschicken und die feindlichen Jäger angreifen!“
                  „Sir, wer schützt uns dann vor Beschuss?“, wollte del Ronis wissen.
                  „Das Schiff hat 24 PDLs, außerdem hält es doch einiges aus“
                  Die Schiffe der Pride of Kaldera Klasse rückten vor und beschossen die feindlichen Jäger. Da sie nicht mehr unter Direktfeuer standen, griffen die stark dezimierten Schiffe der ersten Angriffswelle die Wrath of Achilles jetzt direkt an.
                  „Sir, wir konnten ihre Vorbereitungen zum Gegenschlag etwas verlangsamen, aber nicht stoppen!“
                  „Wie groß sind unsere Schäden?“
                  „Kaum Schäden, aber die Nanokabeln der Kampfklingen sind vollkommen durchtrennt. Alles, was jetzt kommt, trifft direkt auf den Panzer oder auf die Klingen“
                  „Ladet die Geschützte mit Star Arrow Mehrfachsprenköpfen! Feuer ohne Kommando!“
                  Die Raketen schossen auf den Feind zu und teilten sich auf, kurz bevor sie in Reichweite der PDLs kamen. Fast alles ging durch. Die zweite Angriffswelle wurde empfindlich getroffen.
                  „Wann können die da hinten angreifen?“, fragte Laco.
                  „Vermutlich in zwei, drei Minuten“, meldete Elacta.
                  „Beeil dich, Chiquon“, flüsterte Laco.
                  „Sir! Negativwaffenalarm!“
                  „Alle PDLs auf anfliegende Raketen ausrichten! Geschützrohre 1-120 mit Defensivraketen laden!“ Die meisten Negativbomben konnten abgefangen werden, eine explodierte aber fast direkt neben dem Hauptrumpf. Alle auf der Brücke wurden durchgeschüttelt, Leanne und Elacta stürzten zu Boden. Laco konnte sich gerade noch auf den vier Beinen halten. Funken sprühten aus den Konsolen und kurzzeitig fiel die Beleuchtung aus.
                  „Wir haben wieder Energie und Sensoren“, meldete Ensign Bogacy.
                  „Weiterfeuern!“
                  Laco sah auf den Sensor und stellte erleichtert fest, dass Chiquon es geschafft hatte. Er war bis zum Werftenkomplex vorgedrungen und hatte schon zwei seiner Negativsprengsätze angebracht.
                  „Kuriere losschicken um die LRS zu holen!“
                  „Aye, Sir!“
                  „Die erste Welle der Nietzscheaner zieht sich zurück. Wir müssen uns bald auf einen heftigen Angriff einstellen!“, meldete Leanne.
                  „Aber noch haben wir Ruhe?“
                  „Aye, Sir“
                  „Backbordthruster auf ein viertel Schubkraft! Wir drehen uns auf die Seite und fangen die paar Raketen mit den Kampfklingen ab. Die PDLs können wir zur Flugabwehr nutzen“
                  „Die GDFs ziehen sich ebenfalls mit zurück. Auch sie schalten auf Jägerabwehr um“
                  „Alle Raketenwerfer jetzt wieder online! Feuerbereitschaft hergestellt“, sagte der XO.
                  „Nicht feuern! Ich will, dass sie uns für schwerer beschädigt halten, als wir sind. Wenn sie den Direktangriff starten, will ich stärker sein, als sie vermuten und ich will, dass ihre Deckung schwächer ist, als wir vermuten“, erklärte Laco.
                  „Chiquon hat jetzt vier Negativbomben angebracht. Eine fehlt noch“
                  „Sie werden glauben, die Signaturen stammen aus den Schiffen im Dock“
                  „Sir, sie greifen an!“, sagte Elacta.
                  „Volle Wende! Alle Raketenwerfer mit Star Arrow Raketen laden! Feuern auf mein Zeichen...Jetzt!“
                  Lacos Plan ging halbwegs auf. Die Nietzscheaner hatten nicht damit gerechnet, dass die Achilles so zäh war und die hundertachzig vollen Salven hatten ihren Schiffen geschadet, aber nicht so sehr, wie Laco gehofft hatte.
                  „Alle Drohnen zum Schiff zurückziehen! Wir brauchen sie hier!“, befahl der Vedraner.
                  „Sir, Chiquon hat alle Negativbomben angebracht. Er ist schon auf der Flucht. Zündung in 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1 Jetzt!“
                  Fünf Explosionen , denen leichte Raumverzerrungen folgten, durchsetzten das All über dem vulkanischen Planeten. Es wurden nicht einfach die Verbindungen der einzelnen Stationen durchtrennt wie bei normalen Anschlägen. Nein, die ganzen Werften wurden in der Mitte auseinandergenommen, in abertausende Fetzen zerlegt, von denen keiner größer war als eine Tür.
                  „Die Nietzscheaner drehen ab! Sie glauben wohl, dass eine unserer Flotten angreift!“, sagte Elacta erfreut.
                  Laco atmete erleichtert aus. „Die beiden LRS sind soeben ins System gesprungen. Sie stoßen vor, um Chiquon reinzuholen. Sie werden ihn vermutlich in drei Minuten erreichen, so lange muss er noch durchhalten“
                  „Sir, das Flexi“
                  Laco wusste nicht, was Captain del Ronis meinte, bis er es selbst sah. Ein Hologramm von Admiral Stark war projiziert worden und nun, da sie etwas Zeit hatten, hörte sich Laco die Botschaft an.
                  „Hier spricht Kriegsministerin Constanza Stark. Die Sensoren haben geortet, dass die Werft zerstört wurden, das hat den verschlüsselten Teil des Missionsflexis entschlüsselt. Hier und jetzt befördere ich dich, Captain Laco nax Agros in den Rang eines Commodores. Damit seid ihr befugt, die Commonwealth Order 99 auszuführen. Und genau das ist dein nächster Befehl. Um einen Gegenschlag gegen Herodotus zu verhindern muss die Hauptbasis der Invasionsflotte außer Gefecht gesetzt werden. Führe mit allen Mitteln die Commonwealth Order 99 am Zielobjekt Pelosana aus! Dieser Befehl ist gültig!“
                  Das Hologramm verschwand.
                  „Du ziehst das doch nicht ernsthaft in Erwägung!“, sagte Elacta laut.
                  „Befehl ist Befehl“, meinte del Ronis. „Das ist ein verschlüsseltes Commonwealthflexi. Der Befehl ist gültig!“
                  Laco wusste genau, was hier und jetzt von ihm verlangt wurde. Die Commonwealth Order 99 war der Befehl, einen Planeten und alles Leben darauf, völlig auszulöschen. Wenn er das täte, müssten sie noch mindestens zehn Minuten in diesem System bleiben, und die könnten ihnen zum Verhängnis werden. Außerdem war Pelosana mit hunderttausenden von Fühlenden besiedelt.
                  „Laco“, rief Elacta. „Dir wurde Völkermord befohlen, das musst du nicht tun“
                  Der Vedraner hatte sich entschlossen. „Befehl ist Befehl, Elacta. Thruster auf volle Leistung! Kurs setzen auf Pelosana, stabilen hohen Orbit einnehmen! Die GDFs in enger Formation! Sie müssen alles abfangen, was auf uns geschossen wird. Wir können die Raketenwerfer nicht zur Verteidigung hernehmen! Die LRS müssen unseren Rücken schützen und dafür sorgen, dass niemand eine Negativbombe auf uns feuert, während wir wehrlos sind!“
                  „Was ist mit Chiquon, wenn die LRS uns decken müssen?“, fragte Elacta. „Sie können ihn nicht retten“
                  „Wirst du meinen Befehl ausführen?“, fragte Laco drohend und legte seine Hand demonstrativ auf die Kampflanze.
                  „Doch, natürlich“, lenkte Elacta ein und kontaktierte die Begleitschiffe.
                  „Chiquon ist die nächsten zehn Minuten wohl auf sich allein gestellt.
                  „Das überlebt er nie!“
                  Laco antwortete nicht.
                  Captian del Ronis berichtete: „Wir haben einen stabilen hohen Orbit über Pelosana erreicht. Wir sind gerade noch außer Reichweite ihrer planetaren Verteidigungssysteme und die orbitalen sind bereits ausgeschaltet“
                  „Gute Arbeit. Die Raketenwerfer mit Strike Arrows laden und feuern sowie bereit!“
                  „Aye, Sir“
                  Die Wrath of Achilles feuerte mit vollem Rohr auf den Planeten. Da er sowieso vulkanisch war, erkannte man kaum, dass die Explosionen der Strike Arrows die Oberfläche aufrissen.
                  „Die Nietzscheaner feuern alles auf uns ab was sie haben, Sir!“
                  „Wie lange können wir das durchhalten?“, fragte Laco.
                  „Wenn es gut geht, gute zehn Minuten“, antwortete Adriano.
                  „Wie groß ist die Bevölkerung von Pelosana?“
                  „Sie leben alle in abgeschotteten Stadtkuppeln mit schwefelhaltiger Atmung. In etwa eine Million Fühlender“
                  „Und die haben keine Seismogeneratoren?“
                  „Ich weiß nicht, aber es sieht nicht so aus“
                  „Eine der Fregatten ist schwer angeschlagen, Sir. Sie bittet um Erlaubnis, das Schlachtfeld verlassen zu dürfen“
                  „Erlaubnis verweigert. Wir brauchen jemanden zu unserer Verteidigung“
                  „Sir, ich habe soeben das Signal von Chiquons Fighter verloren“, meldete Leanne.
                  „Er ist tot“, flüsterte Elacta.
                  „Das muss nicht sein. Vielleicht ist auch nur die Sensoreinheit beschädigt“. Insgeheim wussten alle, dass Laco mit der Entscheidung, dem Befehl Admiral Starks zu folgen, Chiquon dem sicheren Tod überlassen hatte.
                  Laco wollte unbedingt über etwas anderes reden. „Wie steht es um das Bombardement?“
                  „Die innere Struktur des Planeten ist aufgerissen, auch die festen Teile der Oberfläche sind aufgeplatzt. Der Kern wird in vermutlich vier Minuten und dreißig Sekunden auseinanderbrechen“
                  Laco wusste, wie die Strike Arrows funktionierten. Sie waren aus Trikabnium, hatten aber ein festes Monocarbitnetzgewebe außen herum. Sie explodierten nicht, wenn sie auf dem Planeten auftrafen, sondern bohrten sich durch die äußere Kruste und durch den Mantel hindurch. Am äußeren Rand des Planetenkerns detonierten sie schließlich. Ihr Sprengkopf bestand aus einem stark komprimierten Gas, das sich bei Freisetzung durch Hitze und Reaktionen auf viele Kubikkilometer Volumen ausdehnte und dann wieder zusammenzog. Das bewirkte die seismische Reaktion, die den Planetenkern am Schluss kollabieren ließ.
                  „Sir, wir wurden an Achtern schwer getroffen. Backbordthruster ausgefallen, ihre Jäger brechen durch“
                  „Können wir noch lange genug standhalten?“, fragte Laco.
                  Adriano del Ronis antwortete ruhig: „Ja. Wir können lange genug standhalten, um den Planeten zu zerlegen aber für die Flucht wird es nicht mehr reichen.
                  „Schickt Kuriere nach Herodotus, wir brauchen die Pax Magellanic und ihre verstärkende Flotte!“
                  „Aye, Sir“
                  Die letzten fünf Kuriere wurden von den Commonwealthschiffen gestartet, drei wurden sofort abgeschossen, einer später. Nur eines der Kleinstschiffe erreichte den Slipstream. Auf der Brücke der Wrath of Achilles brach Jubel aus. Dieser baute sich aber schnell ab, als Ensign Leanne Bogacy berichtete: „Wir haben eine unserer LRS verloren! Die Renewed Valor dreht ab, um uns vollkommen zu decken“
                  „Negativ! Sie sollen zum Verband stoßen. Wir können es uns nicht leisten, auch noch die Valor zu verlieren!“. Laco machte sich Sorgen um Captain Yeshgar, die ihm sehr am Herzen lag.
                  „Bombardement in zwei Minuten zehn abgeschlossen! Sir, GDF unter schwerem feindlichen Feuer! Sie evakuieren!“
                  „Die Valor soll die Fluchtkapseln an Bord nehmen. Wir dürfen uns kein offenes Hangartor leisten!“
                  „Ich melde zahlreiche Transportschiffe, die von der Oberfläche aufsteigen“
                  „Zivil oder militärisch?“, fragte Laco.
                  „Gemischt“
                  Laco befahl schweren Herzens: „Die Plasmakanonen auf die Schiffe ausrichten. Feuern sowie bereit“
                  „Ich hoffe, nur auf die Militärtransporter“, sagte Elacta.
                  „Ja!“
                  Adriano wies sie zurecht: „Auch auf den Zivilschiffen sind Marines, die man als erstes retten will!“
                  „Ich weiß, aber der Teufel soll mich holen, wenn ich auf unbewaffnete Ziviltransporter feuere! Jetzt los!“
                  Jeder Schuss aus den vier frontalen Plasmakanonen zerlegte einen der feindlichen Transporter. Sie schwärmten weit aus, um den Schüssen zu entkommen, aber sie hatten keine Chance. So lange sie noch träge in der Gravitation des inzwischen sehr instabil gewordenen Planeten lagen, konnte sie die Laco einsammeln wie Schnecken.
                  „Die nietzscheanischen Kreuzer gehen auf Kollisionskurs mit uns“
                  „Sind noch alle unserer Schiffe slipstreamfähig?“
                  „Nein, Sir. Die Wedoral hat zwei ihrer GFG-Linsen verloren“
                  „Minenteppich auslegen! Die Wednoral solle ein Ablenkungsmanöver starten, sie darf dabei ruhig draufgehen! Ich will nur nicht, dass die Übers unser Minenfeld entdecken!“
                  Die Gruppenverteidigungsfregatte wurde evakuiert, die anderen Schiffe nahmen die Flüchtlinge auf. Die KI des Schiffes nahm Kurs auf die nietzscheanischen Kreuzer und hatte schwere Verluste einzustecken. Sie teilte aber auch noch heftig aus, so lange sie konnte. Kurz, bevor sie von den Nietzscheanern in Stücke geschossen wurde, entlüftete sie den AP-Tank und den Deuteriumtank direkt in den Kern. Dies verkraftete er nicht, das Schiff wurde in Stücke gesprengt. Ein würdiger Tod, so fand Laco. Immerhin hatte es ausgereicht, dass die Minen unbemerkt platziert werden konnten. Die Kreuzer rückten weiter vor, bis sie in die Minen fuhren. Eine kleine Fregatte wurde vollständig auseinandergerissen, die anderen Schiffe beschädigt, sodass sie abdrehen mussten. Das verschaffte der Achilles die nötigen paar Sekunden, um das Feuer fortzusetzen.
                  „Das hat sie wohl geschockt“, stellte Elacta fest.
                  „Sir, der Kern des Planeten kollabiert vermutlich in ein paar Sekunden“
                  „Rückwärtsschub und weiterfeuern! Wie viele Schiffe haben wir noch?“
                  „Wir haben eine LRS und eine GDF verloren, außerdem achtundsiebzig Slipfighter, vier weitere sind nicht mehr slipstreamfähig“
                  „Die nicht mehr slipstreamfähigen Fighter sollen sofort herkommen, wie nehmen sie auf. Alles sofort sprungbereit machen!“
                  Die nietzscheanischen Schiffe schossen aus vollem Rohr, doch sie waren einfach nicht stark genug. Als die letzten Fighter an Bord waren, fuhr die Wrath of Achilles die ausgefahrenen Slipstreamanker aus, fünf an der Zahl, an jedem Ausleger einen.

                  Ein Slipstreamportal brach auf und die um sich greifenden Tentakeln zogen die Achilles hinein. Captain del Ronis steuerte das Schiff durch den Slipstream, wenige Augenblicke später traten eine DSX, drei GDF, eine LRS und achtzehn Slipfighter aus. Alle Kampfdrohnen waren im Pelosanasystem zerstört oder zurückgelassen worden.
                  Laco beugte ich über Leannes Anzeige. „Und?“
                  „Hundert Kampfboote der Heimatflotte, dazu fünf Kreuzer und acht Zerstörer. Kommen genau auf uns zu und behindern unseren Weg zum nächsten Slippunkt“
                  „Können wir uns zum Portal durchkämpfen?“
                  „Ja, ich denke schon, aber wir würden dabei einen Großteil der Flotte verlieren...Sir, unsere Verfolger sind ins System gesprungen. Hunderte Kreuzer...“
                  „Wir müssen uns bis Herodotus durchschlagen, sonst gehen wir alle drauf“, rief del Ronis.
                  „Alle funktionstüchtigen Raketenwerfer laden! Magazine leeren! Feuer!“
                  Gerade in dem Moment, als die tödlichen Geschosse die Wrath of Achilles verließen, bemerkte Ensign Bogacy etwas und sagte erleichtert: „Sir, viele weitere Slipstreamportale öffnen sich. Ein kompletter Kampfverband der Ehrengarde, angeführt von der goldenen, der Pax Magellanic“
                  „Ja“, schrie Laco und hämmerte außer sich vor Freude auf seine Konsole.
                  „Die Schiffe greifen den Feind an, sie radieren ein Schiff der Heimatflotte nach dem anderen aus“
                  „Koordiniert unseren Angriff mit dem der Pax und ihrer Flotte!“
                  Bald waren alle Fighter, Boote und Korvetten zerschossen, nur die Kreuzer und Zerstörer hielten noch etwas länger stand.
                  „Die Schiffe lassen nach, sie feuern nicht mehr“
                  „AP-Sprengköpfe laden und diese Schiffe ein für alle Mal vernichten!“, befahl Laco. „Danach ein Slipportal öffnen und auf nach Herodotus, bevor unsere Verfolger nachkommen!“
                  „Sir, die angeschlagenen nietzscheanischen Schiffe öffnen ihre Luken. Sie werfen ihre Slipstreamkerne ab!“
                  „Was?“
                  „Die Impulsgeber, sie werfen sie ab“
                  „Was soll das denn? Glauben die, dadurch der Explosion zu entkommen?“ Als Laco begriff, war es schon zu spät. „Oh Scheiße, hat hundertachzig, volle Schubkraft. Sagt den anderen Schiffen des Verbandes, dass sie sich so schnell wie möglich von den Kernen entfernen sollen!“
                  Die Slipstreamkerne der Schiffe kollabierten.
                  „Verdammt! Das ist wie eine Quantenschale mit verdammt hoher Gravitation!“
                  „Ein Strudel“, schrie Elacta.
                  „Meine Maschinen haben nicht genug Energie um freizukommen“, sagte der Avatar der Achilles.
                  „Wir werden hineingezogen!“, schrie del Ronis.
                  Ein Sog erfasste die Wrath of Achilles und die anderen Schiffe und zog sie immer tiefer hinein.
                  „Alle Energie auf die Thruster!“
                  „Wirkungslos!“, schrie der XO.

                  Im nächsten Augenblick fand sich die Achilles im Slipstream wieder. Keine Spur von Verfolgern.
                  „Schalte den Alarm ab!“, befahl Laco. Das Warnsignal verstummte. „Wo sind wir?“
                  „Slipstream, aber ich habe jegliche Orientierung verloren“, gestand Captain del Ronis.
                  „Kannst du uns nach Herodotus bringen?“
                  „Ich bin froh, wenn ich uns irgendwo hinbringen kann und wir nicht in einem Slipstreamlabyrinth enden. Drei der Pionendichtungen sind total im Arsch, aber ich kann nicht mit zwei Ankern steuern!“
                  „Versuch, so schnell wie möglich in den Normalraum zu kommen!“, befahl Laco.
                  „Ich konzentriere mich auf die nächste Gravitationsquelle!“
                  Laco sah auf die Anzeige und stellte besorgt fest, dass die Pionentanks tatsächlich immer leerer wurden. Gerade als Laco dachte, sie würden für immer im Slipstream herumtreiben müssen, steuerte Adriano sie in den Normalraum. Schnell wurden die Slipstreamanker eingefahren, jetzt traten keine Teilchen mehr aus.

                  „Das ging ja nochmal knapp aus“, meinte Elacta.
                  „Wo sind wir hier?“, fragte Laco.
                  „Wo noch nie zuvor jemand gewesen ist“, mutmaßte Captain del Ronis.
                  „Sir, die Ingenieure fürchten, dass der Slipstreamantrieb irreparabel beschädigt sein könnte“, sagte Leanne.
                  „Knapp, Elacta? Knapp!“, rief Laco. „Die ganze auf Herodotus stationierte Flotte ist im Kaa-Arm verteilt, wir haben keine Ahnung wo wir sind, der Slipstreamantrieb ist im Arsch, unsere Vorgesetzte hat uns hintergangen, wir haben kaum noch Energie, wir haben Chiquon verloren und mein brandneues Schiff wurde zu einem fliegenden Schrotthaufen geschossen!“
                  „So dramatisch ist es auch nicht“, sagte Adriano del Ronis beruhigend. „Das Schiff ist noch relativ intakt, jedes andere Commonwealthschiff wäre unter diesen Umständen verloren gegangen. Wir haben über eine viertel Stunde das Feuer einer nietzscheanischen Flotte ertragen. Achilles, wie viel Energie haben wir noch?“
                  „Kann ich nicht sagen, meine internen Sensoren laufen nicht und aus den Tanks tritt noch immer Deuterium aus“
                  „Versiegelt dieses Leck! Sofort!“, befahl Laco.
                  „Ich kommandiere alle übrigen Nanobots ab“, sagte Achilles.
                  „Achilles, schalte das Schiff auf Code Grey, nur zur Vorsicht. Autorisation: Dark Horizon“
                  „Aye, schalte das Schiff auf Code Grey. Der Kern wird runtergefahren“
                  Die Beleuchtung wurde eine Spur dunkler. Das hatte zwar keine große Auswirkung auf den Verbrauch, verdeutliche aber die jetzigen Energiesparmaßnahmen.
                  „Achilles, scanne das System nach eventuellen Ressourcen“, befahl Adriano.
                  Nach wenigen Minuten kam die Antwort. „Das System ist das eines weißen Zwergsterns. Wir können aus ihm wohl kaum viel Deuterium extrahieren. Im System gibt es einen dünnen Asteroidengürtel. Nur Gestein, ich entdecke keine Metallvorkommen. Allerdings gibt es noch einen Kometen, der den Stern in großer Umlaufbahn umrundet. Er hat große Metalleinschlüsse in seinem Kern“
                  „Haben wir noch Drohnen um das zu extrahieren?“
                  „Nein, Sir. Sind alle draufgegangen“
                  „Captain del Ronis, entwickelt ein Verfahren, die Metalleinschlüsse zu extrahieren!“
                  „Aye, Sir“
                  „Wir treffen uns in zwei Stunden im Konferenzraum“

                  „Also, wir bündeln die Punktverteidigungslaser auf einen Punkt“. Adriano stellte gerade seinen Plan vor, als Elacta viel zu spät eintraf.
                  „Verzeihung“, sagte sie und setzte sich.
                  Adriano sprach weiter: „Dann fliegen wir mit der CCF Catana Mora und unserem Transporter Mark V Sprengköpfe ins Bohrloch und zünden sie. Dann lasern wir wieder und sprengen es wieder weg, bis wir am Kern angekommen sind. Und dann können wir es ganz leicht mit den PDLs der Mora und unseres Transporters abtrennen und einsammeln“
                  „Wie viel Energie wird dieser Plan verschlingen?“, fragte Laco.
                  „Ich habe es so energiesparend wie möglich gestaltet. Um sie wiederzubekommen, schlage ich vor, die Antiprotonen aus den AP-Sprengköpfen zu nehmen und damit den Tank aufzufüllen“
                  „Und der Wasserstoff?“, fragte der Vedraner skeptisch. „Ein weißer Zwerg gibt kaum Deuterium ab, da werden wir arm dabei. Und in ein anderes System springen können wir nicht, weil der Slipstreamantrieb kaputt ist“
                  „Das ist eine Tragödie, aber Hauptsache ist doch, wir können das Schiff zusammenflicken“
                  Laco nickte. „Wie lang reichen unsere Vorräte?“
                  „Mit denen in den Fluchtkapseln und allen möglichen Recyclingmaßnahmen – noch über ein Jahr“
                  „Bis dahin könnte uns die Garde gefunden haben“, meinte Elacta.
                  „Wenn sie überhaupt noch nach uns suchen“, sagte Laco sarkastisch. „Wie groß sind eigentlich unsere Verluste?“
                  Es war Adrianos Aufgabe, dies zu melden, aber er brachte die Worte kaum über die Lippen. „Sir, wir haben...drei Tote, einen Offizier und zwei Crewmen. Ein weiterer Crewman liegt im Sterben, der Arzt kann kaum noch etwas für sie tun, Trance Gemini isrt bei ihm. Die Zahl der Verletzten liegt bei siebenundsechzig“
                  „Ich werde wohl mal auf dem Medizindeck vorbeischauen“, sagte Laco melancholisch. „Habt Ihr Chiquon schon mitgerechnet?“
                  „Nein, Sir“
                  Laco schlug die Augen nieder, in denen tief die Trauer geschrieben stand. „Ich gebe eine private Gedenkfeier, wenn wir wieder etwas Zeit haben. Ich möchte, dass ihr alle kommt“
                  Die Offiziere nickten.
                  „Wegtreten“

                  380. Tag des Krieges, Fountainhead


                  Saladin betrat das Schwarmschiff. „Ich bin da“.
                  Natürlich sagte er nicht, dass ihm seine Verspätung Leid tat.
                  „Ich habe Euch früher erwartet“, sagte Tarik.
                  „Wir hatten noch vieles zu tun, die nächste Angriffsphase beginnt. Dann mussten wir noch Operation Magellan durchdenken. Ich glaube schön langsam, dass eine Invasion auf Kalderash gar nicht mehr notwendig ist. Das wird sich vielleicht schon bald von selbst erledigt haben, wenn du verstehst, was ich meine. Die Unzufriedenheit unter den Kaldereanern steigt. Außerdem hatte ich noch einiges mit Citizen One zu besprechen, dem Chef von Typhoon Technology. Wenn wir irgendwie seine Privatflotte auf unsere Seite bekommen, haben wir gute Papiere“
                  „Kandidiert Citizen One nicht für das Amt des ersten Triumvirs des Commonwealth?“, fragte Tarik skeptisch.
                  „Ja, aber er ist sich nicht mehr so sicher, ob er das wirklich will“
                  „Wie meint Ihr das?“
                  „Er will nur Macht und mittlerweile glaubt er, dass Macht durch demokratische Wahlen nicht sicher ist. Und Recht hat er! Jetzt aber zu dir. Hat dir unser Schwarmschiff geholfen?“
                  „Ja und nein. Ich habe jetzt genau das herausgefunden, was Ihr mit den Magogglyphen aufgezeichnet hattet. Es waren hauptsächlich Namen von Interfaces, wie Steuerung oder Waffen oder so. Aber es waren auch einiges interessante Sachen dabei. Die Beschriftung des Gefäßes, die ich zuerst als Fressende Fastteilchen bezeichnet hatte, konnte ich jetzt besser eingrenzen. Ich würde sie jetzt radikale Ionen nennen“
                  „Radikale Isotope“
                  „Was?“
                  „Ich habe schon davon gehört. Die Beschriftung heißt Radikale Isotope“
                  „Und was sind radikale Isotope?“
                  „Ich weiß es nicht genau, aber sie könnten in Zukunft noch sehr wichtig werden. Der, den du als „Seele des Abgrunds“ bezeichnet hattest: Das ist der Geist des Abyss und er benutzt selbst radikale Isotope. Er hat aber auch große Angst vor ihnen“
                  „Könnte ich bitte etwas mehr erfahren?“, fragte Tarik.
                  „Ich werde dir mehr Informationen zukommen lassen, wenn du sie brauchst“, sagte Saladin streng. „Was hast du noch herausfinden können?“
                  „Etwas, was meiner Meinung nach viel besorgender ist, als radikale Isotope. Es geht um die Magog. Sie rüsten hoch. In ihrer Quarantänezone bauen sie eine riesige Streitmacht auf, Stammvater. Sie werden vermutlich in spätestens einem Jahr soweit sein, die Quarantänezone zu überqueren und unsägliches Leid über die bekannten Welten zu bringen. Wir glauben, dass ihre Zahlen mindestens in die Billionen gehen. Sie setzen jetzt nicht nur die Schwarmschiffe ein, sondern auch viel größere Angriffsschiffe, auf denen sich wohl zehntausende Magog aufhalten können“
                  „Ja ich weiß“, sagte Saladin ruhig. Das konnte doch nicht sein! Tarik war geschockt. Saladin wusste das und hatte noch nichts gesagt! Eine gigantische Streitmacht der Magog, die bald bereit sein würde, loszuschlagen und einen Teil der bekannten Welten zu vernichten! Saladin redete weiter: „Es wird vermutlich noch ein bisschen länger dauern, bis ihre Armee fertiggestellt ist. Und bis dahin müssen wir den Krieg gewonnen haben und uns auf einen neuen Feind einrichten. Wenn wir alle gegen die Magog ziehen, werden nicht einmal ihre großen Zahlen und neuen Schiffe eine Gefahr für uns sein. Gefährlich wird es nur, wenn wir das Commonwealth bis dahin noch nicht in die Knie gezwungen haben sollten. Aber so wie es jetzt aussieht, werden wir wahrscheinlich bis Anfang 9786 n.C. den Krieg gewonnen haben. Tarik, ich weiß, was du jetzt denkst, aber glaube nicht, dass ich diese Gefahr, die von den Magog ausgeht, auf die leichte Schulter nehme. Ich werde Vorkehrungen treffen, die unser Gebiet gegen die Magog absichern. Beruhigt?“
                  „Ja, Stammvater“
                  „Hast du sonst noch was herausgefunden?“, fragte Saladin schroff.
                  „Ja. Das Teil, das ich Weltenschiff oder Schiff der Welten genannt hatte. Nun ja, ich bin beim Namen Weltenschiff geblieben, und ich weiß jetzt ungefähr, was es ist. Es handelt sich um zwanzig Hohlwelten. Es sind hohle Asteroiden, das größte ist ein kleiner Mond. Sie wurden von den Magog ausgehöhlt, sodass sie jetzt darin leben können. Die Hohlwelten sind miteinander verbunden und zwar über gigantische Röhren. Sie haben einen Durchmesser von mehreren Kilometern und schwingen sich von Welt zu Welt. Ich denke mal, das hat irgendwie den Zweck, dass sich die Magog auf dem Weltenschiff bewegen können und es gleichzeitig zusammengehalten wird. Im Inneren der Verbindung befindet sich anscheinend ein Stern, um den das Gebilde kreist. Selbstverständlich ist es ein künstlicher Stern, vermutlich einige Wasserstofftanks und in der Mitte ein Fusionsreaktor mit künstlicher Schwerkraft. Das Schiff ist auch schwer bewaffnet. Es verfügt über zwanzig schwere Punktsingularitätsprojektoren“
                  „Die Dinger sind doch völlig ungefährlich“, sagte Saladin abweisend.
                  „Die der Schwarmschiffe schon, aber diese Teile sind riesig, schätzungsweise noch größer als ein Schiff der Apocalypse Kalsse“
                  „Unmöglich“
                  „Das dachte ich auch, aber wir können es wohl nicht herausfinden. Außerdem führt das Weltenschiff noch tausende, wenn nicht zehntausende Schwarmschiffe mit. Kein Kampfverband würde in die Nähe dieses Schiffes kommen, vermute ich mal“
                  „Vermute ich auch“, sagte Saladin. „Kein Kampfverband...“
                  „Sir?“
                  „Weißt du, wo sich dieses Teil im Moment befindet?“
                  „Nein, Stammvater. Das kann ich überhaupt nicht sagen. Ich glaube kaum, dass es sich im Raum der Magog befindet, denn dort wäre es im Bau viel zu unsicher gewesen, außerdem wurde der Raum der Magog vom Commonwealth strikt überwacht. Außerdem halte ich es für viel älter als die Zeit, in denen die Magog schon in den bekannten Welten sind. Hunderte, wenn nicht vielleicht sogar tausend Jahre“
                  Saladin nickte. „Wir wissen nicht, wo die Magog herkommen, aber vermutlich aus einer oder mehreren Randgalaxien, wie Ursa Major oder M31. Auf jeden Fall glaube ich, dass wir dort auch dieses Weltenschiff finden“
                  „Ich möchte, dass du es suchst“
                  „Was?“, rief Tarik.
                  „Du wirst dieses Weltenschiff suchen, und zwar mit diesem gekaperten Schwarmschiff! Wir lassen es so umbauen, dass du damit tief ins Magogterretorium vordringen kannst. Von dort aus wirst du nach oft benutzen Sliprouten suchen und ihnen folgen, dann wirst du irgendwann dieses Weltenschiff finden!“
                  „Wann?“
                  „Sobald wie möglich. Am besten noch vor nächster Woche. Hast du ein Problem damit?“
                  „Nun ja, ich bekomme spätestens in vier Wochen ein Kind und ich wollte eigentlich dabei sein“
                  „Wenn ich dich jetzt an die Front schicke, wirst du auch nicht dabei sein!“
                  „Ja, Stammvater“
                  „Wenn du willst, kann ich ja auf deine Katze aufpassen, während du fort bist“
                  „Ich glaube, das kann Hera auch machen“, sagte Tarik etwas niedergeschlagen.
                  „Du kannst noch einmal zu deiner Frau gehen. Ich lasse Ausrüstung zusammenstellen, die du brauchtst. Außerdem lasse ich dich rufen, wenn du deine Mission beginnen kannst!“
                  „Danke, Saladin“

                  Kommentar


                    #24
                    Tsk, unfair, soviel zum Thema, das er als Papa bei der Geburt zuschauen kann

                    Und wieder ist diese kleine Perle um ein Kapitel reicher!

                    Kommentar


                      #25
                      So, gleich mal ne Ankündigung vorweg: Ich habe vor kurzem eine Lehre begonnen, habe schreckliche Arbeitszeiten und werde deswegen auch kaum mehr zum Schreiben kommen. Es wird mit den folgenden Kapiteln also ein bisschen langsamer gehen. Ich korrigiere mich: Es wird sehr extrem viel langsamer gehen! Da wir uns aber schön langsam dem Ende nähern (so drei oder vier Kapitel ungefähr) und ich schon ein relativ gutes Konzept habe, möchte ich es trotzdem nicht aufgeben, sondern doch noch ein bisschen weiterschreiben. Hier erstmal das nächste Kapitel, sechzeh Seiten, damit ist es um drei Seiten kürzer als das vorhergegangene. Viel Spaß beim Lesen!

                      XIV. Der Gott der Magog

                      „Die siegreichen Magog mordeten wahllos,
                      sich an den Toten labend
                      Sie vernichteten alles, was sie berührten,
                      verbrennen und plündern unkontrolliert,
                      Nun ist Delta B-Tor Ihr,
                      der Preis eines feigen und brutalen Angriffs!“

                      Triumvirin Spring Rivers Flowing
                      Rede zu den Bürgern nach dem Massaker auf Delta B-Tor, 9866 n.C.


                      „Ich danke euch, dass ihr alle gekommen seid“, sagte Laco leise. Er ließ seinen Blick durch die Runde schweifen. Adriano del Ronis, Elacta, Leanne Bogacy, Achilles und Trance hockten neben ihm auf dem Boden seines Quartiers. „Wir sind hier, um einen guten Freund die letzte Ehre zu erweisen. Chiquon“. Er schloss kurz seine Augen. „Adriano, wärst du so freundlich?“
                      Der Mensch räusperte sich und sprach: „Chiquon wurde 9853 n.C. auf Kalderash, der Heimatwelt seines Volkes, geboren. Über seine Vergangenheit ist kaum etwas bekannt. Nachdem er Kalderash aus persönlichen Gründen verlassen hatte, besuchte er die Militärakademie auf Tarn Vedra. Seiner Akte nach zu urteilen, hatte er dort ein schweres Leben, da es ihm die Vedraner nicht unbedingt leichter machten. 9872 n.C. wurde er als Patrouillenpilot entlang der Quarantänezone der Magog eingesetzt. Schnell erkannte man sein Talent, beförderte ihn zum Rotten- und später zum Geschwaderführer. Wenig später wurde er im Zuge einer Beförderung auf eine neue Randkolonie in der Carina-Zwerggalaxie als Erkundungs- und Kurierpilot versetzt. Er nahm seine Aufgabe sehr ernst, befürchtete aber, seine fliegerischen Fähigkeiten würden verkommen. Als 9882 n.C. die Kolonie von einer Gruppe Magog, die sich nicht an den Vertrag von Antares hielten, zerstört wurden, konnte er fliegen und in die Kernwelten zurückkommen. Er erweiterte seine Ausbildung zum Raummschiffspiloten und bekam 9884 n.C. vier Möglichkeiten der Schiffswahl. Es macht uns sehr stolz, dass er sich für die Ikarus entschieden hat. Im selben Jahr wurde er in einer Schlacht als vermisst gemeldet, tauchte aber gegen Ende des Jahres wieder auf. 9885 n.C. ist er in einer Schlacht gegen die nietzscheanische Allianz heldenhaft und in erfolgreicher Ausübung seiner Pflicht gefallen“. Adriano nahm die kleine Kerze in die Hand und entzündete sie. „Ich habe ihn kaum gekannt. Aber vor allem aufgefallen ist mir ein verschlossener, pflichtbewusster Offizier, an dem sich jeder andere in der Ehrengarde ein Beispiel nehmen kann. Sein Einsatz wird uns helfen, diesen Krieg zu gewinnen und wenn wir unseren Sieg feiern, werden meine Gedanken bei ihm sein“
                      Er gab die Kerze an Elacta weiter. „Ich habe eine Zeit lang mit Chiquon zusammengearbeitet. Wir waren von Anfang an befreundet, wenn auch nicht so gut, wie ich im Nachhinein gehofft hätte. Ich habe mir nie richtig vorstellen können, wie sich ein Kalderaner eingliedert. Aber am Schluss hat er es dann doch geschafft. Ich war immer beeindruckt von seinen Fähigkeiten und seinem eisernen Willen. Und ich glaube, ein kleiner Teil davon hat auch auf mich abgefärbt. Ich werde ihn nicht vergessen“
                      Auch Elacta gab die Kerze jetzt weiter. Leanne sagte: „Chiquon war immer ein Vorbild für mich. Wenn man ihn nicht so gut kannte, glaubte man, dass er narzisstisch und nur auf den eigenen Vorteil aus war. Aber in Wirklichkeit hat er immer nur versucht, aus allem das Beste zu machen und seinen Idealen zu folgen. Ein bewundernswerter Fühlender. Ich werde ihn nicht vergessen“
                      Trance Gemini, der geheimnissumwitterte Sonnenavatar nahm nun die Kerze. „Jedes Leben ist wertvoll. Jeder Verlust eines Lebens ist schmerzvoll. Er war eine Person, wie sie das Universum braucht. Er hat Brücken geschlagen zwischen Kluften, die für unüberwindbar gehalten wurden, zwischen Vedranern und Kalderanern. Hoffen wir, dass seine Taten auch in Zukunft Früchte tragen werden. Sein Tod ist eine Tragödie. Chiquon, ich kannte dich weniger als alle anderen hier doch ich betrauere deinen Verlust am meisten“. Skeptische Blicke trafen sie, als sie die Kerze weitergab.
                      Achilles, der Avatar, hatte nun die Kerze. „Sein Verlust schmerzt mich. Er war ein sehr guter Pilot und da er nun tot ist, wird meine Einsatzeffektivität sicher um einige Prozent fallen“. Skeptische Blicke wurden nun auch Achilles zugeworfen. „Ich bin ein Kriegsschiff, das hat für mich Vorrang!“. Laco nahm dem Androiden die Kerze aus der Hand, der daraufhin noch ein „Ich werde dich nicht vergessen“ murmelte. Und bei jemanden, der ein Gehirn in der Größe eines Raumschiffes der C-Klasse hatte, durfte man das wörtlich nehmen.
                      Laco sprach nun: „Als ich auf die Ikarus versetzt wurde, hat es mir überhaupt nicht gepasst, dass ein Kalderaner auf meinem Schiff in einer Führungsposition diente. Ich wollte ihn versetzen lassen, aber dann brach der Krieg aus. Ich hatte noch viele Vorurteile den Kalderanern gegenüber. Ich habe mich mit der Zeit in verschiedene kalderansische Werke eingelesen, unter Anderem auch in den kalderanischen Krieg. Und da habe ich erkannt, dass die Vorurteile, an die ich schon seit dem Kindesalter glaubte, falsch waren. Als ich bei der Meuterei mit Chiquon in einer 2-Mann-Kapsel zurückgelassen wurde, erkannte ich erst, welche Person er wirklich war. Er hat mir ein Geheimnis verraten. Er hat sich für die Ikarus entschieden, weil dort ein Vedraner Captain war. Er hat sich für die Überwindung der Differenzen unserer Völker eingesetzt, Chiquon war ein Brückenbauer. Er hat mich nicht nur zur Wahrheit geführt, sondern mich auch zu einer besseren Person gemacht. Chiquon von Kalderash, ich vergesse dich nicht...“. Laco nahm die Kerze und stellte sie zu einigen anderen Kerzen.
                      „Wir vergessen dich nicht“, antworten die anderen.
                      Wie als Bekräftigung sagte Laco: „Unser Schmerz gehört dem Göttlichen“
                      „Er ist wie Luft, er ist wie Wasser“, antworteten sie.
                      „Ich bin die Finsternis, die zu Licht wird“, sagte Laco.
                      „Ich bin die Finsternis, die zur Wahrheit wird“
                      „Ich bin die Finsternis, die den Suchenden erleuchtet ... Schenke ihm das ewige Leben“
                      „Und möge das ewige Licht seinen Pfad erleuchten“
                      Einige Momente war es vollkommen still in dem düsteren Zimmer, dann sagte Laco auf die anderen Kerzen deutend: „Noch ein toter Freund“ Und er fragte sich: Wie viele muss ich denn noch zurücklassen?
                      Als ob sie seine Gedanken erraten hätte, fragte Elacta leise: „Für wen stehen die anderen Kerzen?“
                      „Für Leute, die ich auf dem Gewissen habe. Die durch meine Fehler gestorben sind“. Der Vedraner machte eine Pause, einen kurzen Moment schien es, als hätte er die Fähigkeit, weiterzusprechen, verloren. Doch dann fasste er sich wieder: „Die erste Kerze steht für meinen Bruder. Wir beide waren damals, 9866 n.C. auf Delta Brandenburg-Tor, als die Magog angriffen. Ich war sechzehn, er achtzehn. Ich sah ein Transportschiff, eines der letzten, es war noch ein Platz frei. Ich bat ihn, einzusteigen, ich würde zurückbleiben. Er stieg ein, dann startete das Schiff. Noch bevor es die Atmosphäre verlassen hatte, wurde es von Schwarmschiffen durchstoßen. Die Magog töteten alle, der Transporter stürzte ab und die wenigen Überlebenden wurden zu Magog-Brutstätten. Ich traf auf Delta B-Tor Tarik al Ashraf das erste Mal. Wir versuchten, diese Leute zu befreien, scheiterten allerdings kläglich. Ich weiß nicht, ob mein Bruder unter ihnen war oder nicht. Schlussendlich haben wir beide überlebt, er nicht. Und das wegen meines Fehlers. Die zweite und dritte Kerze steht für zwei Argosymänner. Auch hier ging es um eine Mission gegen die Magog, ich war dreiundzwanzig und kam von der Akademie. Man übertrug mir die Aufgabe, den Missionsplan zu erstellen. Ich habe ihn sehr riskant, waghalsig und genial gemacht, um meine Ausbilderin, Admiral Stark, zu beeindrucken. Die Mission scheiterte und nur ich kam zurück zum Raumschiff. Glück, sonst nichts. Aber es war mein riskanter Plan, der den beiden das Leben gekostet hatte. Die vierte Kerze steht für eine Perseidin, die für die Commonwealth-Medien Berichte sammelte. Ich war auf einer Argosymission auf einem Planeten, der nicht zum Commonwealth gehörte. Ich sollte einen Diktator ausspionieren. Ich hatte sie mitkommen lassen, weil ich die Gefahr nicht erkannt hatte. Sie wurde gefasst, ich konnte entkommen. Aber nur, weil sie gesagt hatte, sie wäre allein unterwegs gewesen. Damit hat sie mein Leben gerettet und einen Konflikt zwischen dem BFW und dem Commonwealth verhindert. Sie aber wurde von dem dortigen Diktator in die Strahlungszelle geschickt und starb dort. Über die fünfte Kerze werde ich nicht sprechen. Die sechste Kerze steht für einen nietzscheanischen Offizier, der wegen meines Fehlers gestorben ist, als wir im Rand Raumpiraten gejagt haben. Mein ältester Bruder war der Raumpirat, den wir jagten. Dass er sich diesem Geschäft verschrieben hat, habe ich euch ja schon ein paar mal erzählt. Zu diesem Zeitpunkt habe ich aber nicht gewusst, dass er unser Ziel war und im entscheidenden Moment hab ich den Angriffsbefehl aus Mitleid für ihn nicht gegeben. Das gewissenlose Schwein hat natürlich angreifen lassen. Viele gute Männer sind durch diesen Fehler gestorben, unter anderem dieser Nietzscheaner. Die siebte Kerze steht für Sucharitkul, meine Frau. Ich habe nur Tarik al Ashraf das Geheimnis ihrer wahren Identität verraten. Ein Fehler, der ihr das Leben kostete. Tarik hat mich hintergangen und sie erschossen. Und die letzte Kerze steht eben für Chiquon“
                      Alle hatten aufmerksam zugehört. „Aber du lebst noch“, stellte Elacta fest.
                      „Ja. Und ich will keinen einzigen Freund mehr überleben. Keinen einzigen!“

                      386. Tag des Krieges, Tarn Vedra

                      Actrao nax Colyti saß auf seinem hölzernen, mit schwarzem Leder bezogenen kurulischem Stuhl und hatte seine vier Beine zur Entspannung auf dem schräg abgetrennten Stumpf seines ehemaligen Schreibtisches gelegt. Als er und Laco mit Monomolekularpeitschen gegeneinander gekämpft hatten, hatte ein sauberer Hieb seines Gegners den schweren Marmorblock entzwei gespalten. Das jetzige abstrakte Gebilde hätte Actrao binnen einen Tages reparieren lassen können, allerdings fand er ihn ganz schön so wie er war. Es klopfte an der Tür. Ohne Actraos „Herein“ abzuwarten, betrat die alte Vedranerin den Saal. Actrao hatte früher mit ihr gerechnet. Als sie vor ihm stand, erhob sich Actrao und schaute ihr direkt in die Augen. „Ich bin der Lösung unseres Rätsels auf der Spur“, sagte er, nicht ohne eine Spur Stolz in seiner Stimme mitschwingen zu lassen.
                      „Und?“, fragte sie. „Was habt Ihr herausgefunden?“
                      Jetzt platzte es Actrao fast heraus aber er musste es ihr langsam und sachlich erklären. „Es ist ganz einfach. Ich habe es verstanden! Die Prophezeiung sagt, dass Gemini geht und dass die Vedraner acht Planeten wie Tarn Vedra und zwei Sonnen erschaffen werden. Da fragt man sich doch, wie selbst ein so fortgeschrittenes Volk wie das unsrige das anstellen soll, nicht?“
                      Die Vedranerin zog den Knochen über ihrem linken Auge hoch. Ein skeptischer Blick. „Klar“
                      „Ich habe des Rätsels Lösung. Acht Planeten mit der Masse Tarn Vedras und zwei Sterne mit der Masse Geminis haben insgesamt etwa 4x10^30 kg Masse. In der Relativitätstheorie der Perseidin Ortra heißt es, dass die Energie die Masse mal der Lichtgeschwindigkeit im Vakuum zum Quadrat ist. Klar?“
                      „Klar“
                      „Ich habe das mal eingesetzt. Wir erhalten eine Energiemenge von 3,6x10^47 Joule um zwei Sterne und acht Planeten zu erschaffen. Klar?“
                      „Klar“
                      „Eine Novabombe liefert genau die Energiemenge 7,2x10^43 J. Und jetzt kommt es: Die Energiemenge, die wir zum Erschaffen der Sterne und der Planeten benötigen ist genau die Energiemenge, die 4.999 Novabomben liefern!!“
                      „Und?“, fragte sie. Sie hatte also noch immer nicht begriffen.
                      „Wenn wir die paar Novabomben auf den Schiffen der vier Ehrengardeflotten vernachlässigen, haben wir auf Tarn Vedra genau 4.999 Stück!“
                      „Ich dachte immer, es wären genau 5.000 Stück auf Tarn Vedra eindeponiert“
                      „Vergiss nicht, dass ich zum Erschaffen des Tesserakts eine verbraten habe“. Actrao wartete auf eine Reaktion. Nichts. „Und?“, fragte er nach einer Zeit.
                      „Was Und?“, fragte die Vedranerin.
                      „Wir haben genau die Energie, die wir nach der Prophezeiung brauchen. Der Motor, von dem in der Prophezeiung die Rede ist, ist nichts weniger als das sagenumwobene Artefakt namens „Motor der Schöpfung“. Dieses Teil wird komplett in den tiefsten Bunkern des Commonwealth-Archivs eingelagert. Ich glaube, wenn wir ihn mit der nötigen Energie speisen, kann uns der Motor der Schöpfung diese acht Planeten und zwei Sterne erschaffen“
                      „Das heißt, wir benutzen die Novabomben, um die Planeten und Sonnen zu erzeugen?...Dann...die Prophezeiung...es heißt doch irgendwie, dass Waffen zur Zerstörung erschaffen und zum Erschaffen zerstört werden, oder?“
                      „Exakt“, rief Actrao erfreut darüber, dass die Vedranerin endlich begriffen hatte. „In der Prophezeiung heißt es wörtlich: „ Die Kinder Vedras haben eine Waffe, die sie zum Zerstören von Welten erschaffen haben, doch zum Erschaffen von Welten werden sie sie zerstören. Und der Motor wird ihr Medium sein“. Wir zerstören die Novabomben, um die Welten zu erschaffen! Und ich glaube jetzt auch zu wissen, für was wir die acht Planeten genau brauchen. Wenn die Sonne Gemini in 307 Jahren wiederkehrt, wird sie von den beiden künstlichen Methussonnen angezogen. Wenn sie ungebremst aufeinandertreffen, ist eine Supernova unvermeidbar und Tarn Vedra und das ganze System werden zerstört werden. Wenn wir die acht künstlichen Planeten aber so um die Methussonne kreisen lassen, dass sie mit Gemini zusammentreffen, wird das nicht passieren. Verstehst du, was ich meine?“
                      „Nein, beim besten Willen nicht“
                      Actrao nahm zwei kiwiähnliche Früchte aus seiner Schale und hielt sie hoch. „Wenn die eine Frucht plötzlich da ist, ziehen sie sich gegenseitig an. Wenn sie zusammentreffen – Kiwisalat. Doch die träge Masse von acht künstlichen Planeten dürfte ausreichen. Wir steuern sie genau in die Flugbahn der zurückkehrenden Geminisonne, sie müssen genau dann eine Linie bilden, wenn die Sonne zurückkehrt. Wenn sie dann in Richtung der Methussonnen gezogen wird, trifft sie auf einen Planeten nach dem anderen und vernichtet sie schließlich alle. Bis dahin ist sie aber so stark abgebremst, dass sie und die Methussonnen nur mit geringer Geschwindigkeit aufeindandertreffen. Wenn sie bis dahin abgestellt sind, wird die innere Struktur von der ankommenden Geminisonne getroffen und vernichtet, praktisch wieder in Energie umgewandelt. Da es aber so langsam ist, wird Gemini nicht zur Supernova, sondern bekommt wieder ihren Platz in der Mitte des vedranischen Systems. Und an diesem Tag können wir den Tesserakt aufheben und uns wieder den bekannten Welten anschließen“
                      „Das heißt...die Textpassage mit dem Tarn achtmal erschlagen...bedeutet, dass die künstlichen Planeten als Bremssystem für Gemini fungieren?“
                      „Ja. In der Prophezeiung steht: „Wenn Gemini wiederkehrt, wird sie den Gott Tarn achtmal erschlagen um ihren Zorn zu lindern und dann ihre beiden Schwestern, die Methuszwillinge mit der Schärfe des Schwertes vernichten“. Um ihren Zorn zu lindern: Das bedeutet, dass sie langsamer wird und das System nicht komplett vernichtet. Und die Methuszwillinge wird sie auch vernichten. Die ganze Prophezeiung macht auf einmal Sinn! Die Geminisonne verlässt uns, wir bauen die Sterne und die Planeten, gehen dann ins Exil und sehen dabei zu, wie die Sonne wiederkommt, die künstlichen Planeten und Sterne zu zerstörten und dann ist wieder alles gut!“
                      „Actrao, eine Frage hätte ich da noch“
                      „Und die wäre?“
                      „Wer ist so gut, und weiß 10.000 Jahre im Voraus genau, was wir heute tun müssen, um zu überleben?“
                      Actrao wusste auf diese Frage keine Antwort. „Die alten Götter vielleicht?“

                      390. Tag des Krieges, Fountainhead

                      Privates Missionslogbuch, Tarik al Ashraf
                      390. Tag: Wir sind fast so weit. Saladin Gree hat das Schwarmschiff so umrüsten lassen, dass ich damit lange Zeit in feindlichem Gebiet operieren kann. Die Vorräte sind an Bord, die Aufklärungsmission mit dem Ziel „Weltenschiff der Magog“ kann beginnen. Ich habe mich von Hera verabschieden müssen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie unser erstes Kind zur Welt bringt. Ich rechne damit, mehrere Wochen oder sogar Monate im Gebiet der Magog bleiben zu müssen.
                      391. Tag: Ich bin soeben gestartet. Ein Konvoi bringt mich an die Grenze des Majorumstammes mit der Quarantänezone der Magog.
                      392. Tag: Ich habe die Grenze zum Magogterretorium unerkannt überschritten. Ich suche jetzt nach viel benutzten Slipstreamrouten. Die Magog scheinen mich nicht zu erkennen. Ich bin erst einzelnen Schiffen begegnet, die mich ignoriert haben.
                      395. Tag: Bisher bin ich noch nicht fündig gewordenen. Habe keinen Feindkontakt gehabt. Mir ist langweilig, wenn ich nicht im Slipstream steuern muss.
                      420. Tag: Habe vergessen, einzutragen. Bin nicht fündig geworden. Habe keinen Plan, wie ich das Teil finden soll.
                      425. Weil ich noch immer keinen Plan habe und nicht fündig werde, gehe ich die Sache mal systematisch an. Ich fliege in Richtung der besetzten Commonwealthkolonie Delta B-Tor. Dort sind die Magog zum ersten Mal aufgetaucht, das heißt, der Weg ins Herz ihres Terretoriums muss dort in der Nähe sein.
                      425. Tag: Nachtrag: Ich bin im System von Delta B-Tor angekommen. Kein Fühlender hat es wohl mehr gesehen, seit es 9866 n.C. von den Magog besetzt worden ist. Die orbitalen Lebensräume schweben noch immer über dem Planeten, hier gibt es große Magogaktivitäten. Ich habe über die Glyphen schon mit ein paar anderen Schwarmschiffen kommuniziert, keine Probleme zu verzeichnen. Ich war anfangs versucht, die Oberfläche des Planeten zu besuchen, meine Vernunft und mein Überlebensinstinkt haben mich allerdings dann davon abgehalten.
                      438. Tag: Ich wurde fündig! Unweit von Delta B-Tor gibt es ein System, das einen Slipstreamnexus darstellt. Unglaublich, wie hoch die Dichte an Magogschiffen hier ist! Ich wusste ja, dass sie sich zum Krieg rüsten, habe aber nicht geglaubt, dass sie schon so stark sind! Ich habe darüber nachgedacht, zurückzufliegen und Saladin zu berichten, aber davon abgelassen, da das nicht mein Missionsziel ist. Ich schließe mich jetzt den Magogschwärmen an und pendle mit ihnen durch das Universum.
                      442. Tag: Ich bin noch immer im Muttawalis Globular Cluster. Die Schiffe pendeln hauptsächlich zwischen den besetzten Planeten. Ich habe noch keine Spur in eine andere Galaxis entdeckt.
                      459. Tag: Endlich wurde ich fündig! Eine Route in eine der Randgalaxien! Ich folge einem Schwarm Magogschiffen, keine Probleme soweit.
                      467. Tag: Habe die Galaxie Messier 86 erreicht. Treibstoff fast alle. Ich fliege zu einem Stern, tanke Wasserstoff und lade mit der Energie Antiprotonen
                      478. Tag: Ich werde hier draußen noch wahnsinnig. Meine Albträume von dem Massaker auf Delta B-Tor werden von Tag zu Tag schlimmer. Ich kann kaum noch schlafen und habe keinen Appetit. Ich fürchte mich schon richtig davor, wenn ein Tag zu Ende geht. Muss jetzt auch immer öfter an meinen Sohn denken. Ich hoffe, dass er noch keinen Bart hat, bis ich zu Hause bin. Tankvorgang läuft weiter.
                      483. Tag: Ich kann wieder starten. Die Tanks sind voll und ich habe Energie. In dieser Galaxis gibt es rein gar nichts. Ich habe bisher noch keinen bewohnbaren Planeten gesehen, viele der Sterne sind schon hochgegangen. M86 ist eine sterbende Galaxie, hier gibt es nichts. Kein Wunder, dass die Magog hier weg wollten. Ich bin jetzt wieder auf der Suche nach Slipstrouten, die mich zu meinem Ziel bringen. Dem Weltenschiff.
                      498. Tag: Ich bin an einem Punkt, an dem sich viele oft benutzte Slipstreamrouten kreuzen. Alle Systeme in der Nähe sind ausgebeutet und alles deutet auf Versorgungsrouten hin. Das Weltenschiff müsste hier sein, ist es aber nicht. Ich bin alleine hier, habe aber auf dem Scanner große Energierückstände. Die Sache gefällt mir überhaupt nicht!
                      502. Tag: Habe es gefunden! Es ist in einem System, knapp ein Lichtjahr entfernt. Es ist slipstreamfähig! Ich konnte seine Spur verfolgen, aber es ist verdammt langsam! Ich muss herausfinden, wie schnell es sich fortbewegen kann und dann herausfinden, wie lange es braucht um die bekannten Welten zu erreichen! Ich bin jetzt in einem Schwarm Magogschiffen, die alle auf eine der zwanzig Welten zuhalten. Oh Gott, ist das Ding riesig. Unübertrieben, jeder einzelne dieser Punktsingularitätsprojektoren ist so groß wie einer der Weltraumkratzer auf Fountainhead! Ich schalte das Schiff auf Autopilot und lege meinen Kampfanzug an. Auch wenn es gefährlich ist. Ich muss in dieses Weltenschiff hinein! Soeben ist der Schwarm gelandet. Mein Schiff wird ganz schön durchgeschüttelt. Als erster Fühlender (der nicht mit Magoglarven infiziert oder als Magogfutter gedacht ist) werde ich nun das Weltenschiff betreten!

                      420. Tag des Krieges, Kaa Arm, Andromedagalaxie


                      Mit einem Ruck schrammte die Catana Mora an dem metallreichen Kern des Kometen entlang. Ihr Frachtcontainer füllte sich zunehmend mit den wertvollen Stoffen. Laco hatte sich festgegurtet um nicht an die Wand gepresst zu werden. Als der Vedraner die Manövrierdüsen zündete, war der Container zwar noch nicht voll, aber immerhin gut gefüllt. Ganz vorsichtig wendete Laco die Catana Mora herum. Diese Höhle war viel zu eng für ein Schiff ihrer Größe. „Wrath of Achilles, bitte kommen, over“
                      „Achilles hier, over“
                      „Habe erfolgreich etwa viertausend Tonnen Erz geschürft. Bin auf dem Rückweg, over“
                      „Verstanden, over“
                      Laco stellte die Manövriertriebwerke auf ein Drittel Leistung und steuerte die Mora vorsichtig aus dem Inneren des Kometen. Die Höhle war viele Kilometer tief, geschaffen aus Laserstrahlen und OM-5 Sprengköpfen. Der Frachter lies den Kometen hinter sich. Laco aktivierte die GFG-Linsen und flog auf den nahen Zerstörer zu. Die Achilles lag wie tot im All. Ihr Slipstreamantrieb hatte teilweise mit Technik ihres Transporters und der Mora repariert werden können. Allerdings waren wegen den fehlenden Pionenpartikeln nur kurze Sprünge möglich und ohne genaue Karte und mit großen Schäden wollte Laco dieses Risiko in feindlichem Gebiet nicht eingehen. Die Reparaturen am Schiff waren fast abgeschlossen. Die Nanobots verarbeiteten das Erz zu reinem Metall und schweißten dann einen meterdicken Stahlpanzer um die Außenhaut der getroffenen Stellen. Es war zwar weder Trikabnium noch ein Monocarbitnetzgewebe noch ein atomares Gitter, aber es würde wohl dem Einschlag einiger Raketen standhalten können ohne dass gleich der ganze Ausleger abbrach. Laco deaktivierte nach kurzem Flug die GFGs, die Mora wurde enorm verlangsamt. Die Achilles war nun auf Sichtweite. Ein majestätisches Schiff! Laco zündete die Manövrierdüsen und machte sich zum Landeanflug bereit. Das Hangartor der Achilles wurde geöffnet als Laco ein weiteres Signal von Ensign Bogacy erhielt: „Catana Mora, wir haben ein Slipstreamereignis an Steuerbord, 016, Entfernung: 30 LS, Geschwindigkeit: 30 PSL, over“
                      „Abfangkurs setzen und Waffen aktivieren. Falls es feindlich ist, müssen wir es sofort zerstören, ehe es in den Slipstream kommt!“. Die Achilles warf die Bucky-Kabel aus und zog die Catana Mora schnell aber unsanft in ihren Hangar. Die Tore schlossen sich, als Laco noch eine Nachricht erhielt: „Negativ, es handelt sich um einen Commonwealthkurier der Alactritous Missive Klasse. Er bringt Nachricht von der Ehrengarde. Soll ich ihm Andockerlaubnis geben?“
                      „Ja. Erlaubnis erteilt“

                      Als Laco aus der Mora stieg, sah er neben sich das Kurierschiff des Commonwealth stehen. Drei Lancer empfingen den sichtlich gestressten Piloten.
                      „Ich muss mit Captain Laco nax Agros sprechen“, sagte er.
                      „Ich bin hier“, meinte der Vedraner als er aus dem Frachter stieg.
                      „Kurierpilot Petty Officer Freeman. Zu Euren Diensten“
                      „Commodore Laco nax Agros“. Er neigte den Kopf. Er sah dem Menschen seine Verwunderung über Lacos Rang an, da der Vedraner noch immer das Rangabzeichen eines Captains trug. Immerhin hatte er genug Manieren, nichts zu sagen“
                      „Ich lasse Euch zu Eurem Quartier bringen, Mr. Freeman“
                      „Danke, Sir. Ich habe hier Aufzeichnungen von Admiral Stark und Befehle“.
                      Als ob er nicht schon genug zweifelhafte Befehle von Admiral Stark gehabt hätte! „Ich werde sie mir ansehen. Habt Ihr auch eine genaue Sternenkarte dabei?“
                      „Macht Ihr Witze? Ich bin durch die halbe Andromedagalaxie geflogen um Euch zu finden. Ich habe neue Sonnensysteme entdeckt, wurde von Übers gejagt und habe natürlich auch eine Karte dabei“
                      Dieser vorlaute Unteroffizier regte Laco auf. „Mathew!“
                      „Sir?“
                      „Bringt bitte Petty Officer Freeman zu einem unserer Gästequartiere“. Zu diesem sagte er: „Der Führungsstab diniert heute um 6:00 CT auf dem Observationsdeck. Ich hoffe, Ihr werdet kommen“. Er hoffte es nicht, aber es gehörte sich, das zu sagen.
                      „Ich glaube, nach einer Dusche werde ich kommen. Ich stinke wie ein schimmliger Thanpilz!“
                      Und das war keine Untertreibung! „Bis heute Abend. Wegtreten!“

                      Es war zwar nur synthetisiert, aber endlich bekam Laco wieder mal Fleisch zwischen die Zähne. Die Feldrationen schmeckten ungefähr wie Tofu, aber noch ein bisschen fader. Petty Officer Freeman war auch gekommen und unterhielt sich lebhaft mit Mathew McDill. Er sprach auch, während er wie ein Verhungernder sein Essen hinunterschlang. Er aß, als würde es ihm jemand wegnehmen wollen. Der Junge hatte keinen Anstand. Laco unterbrach die Unterhaltung: „Mr. Freeman, ich möchte jetzt einmal die Frage stellen, die uns schon seit Wochen auf der Seele liegt. Wo sind wir?“
                      „Sagen wir mal, ihr seid nicht direkt am Arsch des Universums gelandet, aber von dem Fenster da drüben aus hat man eine prächtige Aussicht darauf. Ihr seid hier im hintersten Winkel des Kaa-Arms im Andromedanebel. Wie seid ihr eigentlich hierher gekommen? Fahnenflucht oder was?“
                      „Eine nietzschenaische Armada hat ihre Slipstreamkerne abgeworfen“, erklärte Captain del Ronis und nahm Laco damit diese Aufgabe ab. „Der Sog hat einen Quantentrichter erzeugt, der uns eingesaugt hat. Wir waren beschädigt im Slipstream, hatten die Orientierung verloren und mussten versuchen, irgendwo rauszukommen. Danach war unser Slipstreamantrieb fast irreparabel beschädigt, aber mit Ersatzteilen von zwei anderen Schiffen konnten wir ihn notdürftig reparieren. Wir extrahieren nun Eisen von einem nahen Kometen um das Schiff wieder auf Vordermann zu bringen“
                      Laco fragte des weiteren: „Mr. Freeman, wie viele Sprünge sind es von hier bis Herodotus?“
                      „Für einen guten Piloten etwa zwanzig Sprünge“
                      „Etwa zwanzig Sprünge, Sir“, korrigierte ihn Elacta.
                      Laco sagte: „Zum Steuern im Slipstream benötigen wir biometrische Feedbackrelais. Diese verbinden uns über die Pionen mit dem Slipstream. Die Polarität der Pionen bestimmt die Richtung, die wir einschlagen. Und da wir so große Pionenverluste haben und die Generatoren kaputt sind, können wir nicht so weit und nicht so schnell fliegen wie andere Schiffe. Da wir bisher nicht mal unsere Position gekannt haben, unsere Langreichweitensensoren sind ausgefallen, konnten wir das Risiko, uns auf eigene Faust durchzuschlagen, nicht eingehen. Mit Eurer Karte werden wir aber hoffentlich unbeschadet nach Herodotus gelangen.
                      „Was wollt ihr denn auf Herodotus? Die Übers würden euch einen heißen Empfang bereiten?“
                      „Was?“
                      „Herodotus wurde von Truppenverbänden der nietzscheanischen Allianz eingenommen. Nachdem die Pax Magellanic euch den Arsch gerettet hat, wurde die ganze Kreuzergruppe über den Kaa-Arm verstreut. Die Nietzscheaner haben Herodotus überfallen und sind verständlicherweise auf wenig Gegenwehr gestoßen. Admiral Stark hat über 90% der ursprünglichen Flotte wieder vereint, traut sich aber nicht, zum Gegenschlag überzugehen. Deshalb lauten eure Befehle auch, direkt nach Langoan Drift zu kommen und nicht den Umweg über Herodotus zu machen“
                      Laco musste das jetzt tun, auch wenn es ihm nicht gefiel. „Mr. Freeman, wie lange habt Ihr nach uns gesucht?“
                      „Seit eurem Verschwinden vor etwa sieben Wochen“
                      „Vor sieben Wochen, Sir“
                      „Ist ja gut...“
                      „Ihr kennt Euch dann doch sicher mit den hiesigen Slipstreamrouten aus, oder?“
                      „Klar, ich wurde durch den halben Kaa-Arm gejagt, keiner kennt sich hier besser aus als ich...,Sir“
                      „Glaubt Ihr, eine DSX im Slipstream steuern zu können?“
                      Achilles warf Laco einen viel sagenden Blick zu, der bedeutete: Lass doch diesen Irren nicht an mein Steuer, ich will weiterleben!
                      Petty Officer Freeman sah das nicht und sagte: „Natürlich, Kinderspiel“
                      „Glaubt bloß nicht, dass Ihr diesen Posten behalten könnt!“. Damit machte Laco effizient das glückliche Gesicht des Menschen zunichte. „Ich sehe Euch morgen zu Beginn der Alpha-Schicht auf dem Kommandodeck“
                      „Klar“. Ein Blick von der Than... „Sir!“

                      427. Tag des Krieges, Galaxie M86

                      Tarik al Ashraf stieg aus dem Schwarmschiff. Im Schutze der Dunkelheit tastete er sich langsam vor. Die Magog hatten ausgezeichnete Augen und Ohren, er musste auf der Hut sein. Auf seiner Nase saß eine HUD-Brille, er erkannte Lebensformen selbst durch dieses dicke Gestein einige hundert Meter im Voraus. Tarik hatte sich in einen Kampfanzug der Ehrengarde gehüllt. Obwohl er dem Commonwealth schon lange abgeschworen hatte, waren seine Ausrüstung und Waffen noch immer besser als die der nietzscheanischen Allianz. Unter seinem linken Arm hielt Tarik eine ausgefahrene Kampflanze, bereit, jeden Magog zu erschießen, der ihm im Weg stand. In der anderen Hand hielt er ebenfalls eine Kampflanze, aber eingefahren und auf Augenhöhe. Diese würde er nur im Notfall benutzen. Tarik rückte langsam vor. Die Magog beachteten ihn nicht, sahen ihn nicht. Tarik bekam es mit der Angst zu tun. Er war allein hier, umringt von Milliarden Magog an einem Ort, an dem ihm auch in hundert Jahren niemand zu Hilfe eilen würde. Konzentration, nur nicht nachlassen! Tarik drückte sich ganz eng in eine Nische, zwei Magog kamen des Weges. Sie durften ihn auf keinen Fall entdecken. Tarik lud die Kampflanze zum ausgefahrenen Schockstab. Die Magog rannten an ihm vorbei – und sahen ihn. Schneller als ein Blitz zuckte Tarik vor und berührte die beiden Monster mit der Spitze seiner Kampflanze. Kurz zuckten sie noch, dann fielen sie tot zu Boden. Tarik ging weiter. Die Leichen würden nicht auffallen, überall auf dem Weltenschiff lagen tote Magog herum, die andere Magog meistens als Futter benutzten. Abartig, diese Monster infizierten sich sogar gegenseitig mit ihren Eiern!

                      Das Gewirr aus Gängen war gigantisch. Es war dunkel und unheimlich, Tarik konnte seine Gegner genau so schlecht erkennen wie sie ihn. Seit über einer Stunde war er jetzt schon unbemerkt auf dem Weltenschiff und wohl schon über einen Kilometer ins Innere der Hohlwelt vorgedrungen. Tariks Ohren wurden taub vom Geschrei der Magog. Diese Monster unterhielten sich so, ein Kludge würde diese Ultraschallgeräusche gar nicht hören. Tarik beneidete sie darum. Der Nietzscheaner versuchte, sich von den großen Höhlen fern zu halten, denn dort war die Gefahr, entdeckt zu werden, am größten. Was auch immer Tarik suchte, gefunden hatte er es noch nicht. Nirgends in den Hohlwelten war eine Bewaffnung zu erkennen, oder Antrieb oder alles andere was ein normales Raumschiff noch hatte. Tarik bog ab und versteckte sich in einem Seitengang vor einem halben Dutzend entgegenkommender Magog. Sie hatten ihn nicht bemerkt. Er tastete sich vor und wagte sich wieder in den Gesteinsgang hinaus. Niemand hatte die Magog als solche Bedrohung eingeschätzt. Tarik glaubte, dass man dieses Gefährt nur mit einer Novabombe zerstören konnte.
                      Plötzlich hörte er leises Gewimmere, wie das von Fühlenden. Er näherte sich der Quelle langsam. Es kam aus einer großen Höhle. Der Nietzscheaner wartete einige Minuten ab, bis er sich vorwagte. Die Höhle war frei von Magog, aber trotzdem zeigte der Scanner neun Lebenszeichen an. Tarik betrat den Raum. Was er sah, brachte schreckliche Erinnerungen zurück. Sterbende Fühlende, zu tausenden, gefressen von den Magog, blutige Morde, grausame Verstümmlungen, Flüsse voller Blut, das schlimmste, was ihm je passiert war. Delta B-Tor. Hier sah er neun Fühlende, darunter fünf Menschen, zwei Than, einen Perseiden und einen Kalderaner, an der Wand hängen. Ihre Arme und Beine waren von irgendeinem klebrigen Zeug an der Wand befestigt. Tarik erinnerte sich, es war das, was sie bei der Ehrengarde damals als Magogkotze bezeichnet hatten. Alle waren bewusstlos oder schliefen. Tarik ging langsam vor und zupfte ihnen wahllos an den Beinen. Einer der Menschen erwachte schließlich. „Wo...wo bin ich?“
                      Tarik presste ihm seine Hand auf den Mund und flüsterte: „Wir sind umgeben von den Magog. Keinen Ton mehr!“ Als der Mensch nickte, lockerte Tarik langsam den Griff um seinen Mund. „Und jetzt verratet mir mal eins: Wie seid Ihr hierher gekommen?“
                      „Ich weiß gar nicht, wo ich bin...“
                      „Woran könnt Ihr Euch als letztes erinnern?“
                      „Ich...war auf einem Raumflug...von meiner Kolonie in der Antlia-Zwerggalaxie nach San Ska Re... Es war ein kleines Passagierschiff, wir waren zwölf Passagiere, drei Mann Besatzung... ich hörte Stimmen...einer der Männer drückte mir eine kleine Pistole in die Hand...dann gingen Erschütterungen durch das kleine Schiff, die Beleuchtung und der Computer fielen aus, und dann kamen...hunderte Magog durch das Schiff gestürmt... ich habe einen von ihnen erschossen, dann hat mir einer die Pistole aus der Hand geschlagen und mir irgend so ein Sekret ins Gesicht gesprüht. Das hat gebrannt!...danach haben sie mich weggebracht...seitdem bin ich in einer Art Wachtraum...wo bin ich?“
                      „Ihr seid in der Galaxis M86 auf der Heimatwelt der Magog“
                      „Und was macht Ihr hier? Seid Ihr hier um mich zu retten?“
                      „Lange Geschichte. Wisst Ihr zufällig, von wo aus dieses Schiff kontrolliert wird?“
                      „Ich dachte, wir wären auf einer Welt...“
                      „Es ist beides“
                      „Nun ja... nein, ich weiß es nicht, aber von da hinten kommt ab und zu ein rötliches Licht aus den Gängen. Die Magog sind dann immer wie in Trance und so“
                      „Danke“
                      „Befreit Ihraaahhrg!“
                      „Leise! Was ist los?“
                      „AAHHHHRHG! Schmerzen...im Bauch... die habenaaahrhr mich doch nicht mit ihren Eiern infiziert?“ Die Erkenntnis trat in seine Augen. „Erfüllt mir einen letzten Wunsch! Erschießt mich! Jetzt!“ Tarik verabscheute es, einen Zivilisten zu ermorden, der wehrlos an der Wand hing, selbst wenn er noch so große Schmerzen hatte. „Bitte“, flehte dieser.
                      „Ich schaue nur noch nach dem Licht, dann hole ich dich hier raus! Das ist ein Versprechen! Du wirst weiterleben!“. Tariks Gefühle gerieten außer Kontrolle. Es war so wie vor Jahren bei den Kampfeinsätzen gegen die Magog. Er wusste haargenau, dass dieser mit Magogeiern infizierte Mann höchstens noch ein paar Minuten, vielleicht eine Stunde zu leben hatte. „Du wirst wieder gesund werden! Ich schwöre es!“, schrie Tarik. Der Mann verlor vor lauter Schmerzen das Bewusstsein. Dann erkannte Tarik erst, was er getan hatte. Er hatte gebrüllt, inmitten des Magog-Weltenschiffs. Wenn er jetzt nicht schnell wegrannte, würde er auch als Magogfutter enden. Er presste sich in den Schatten einer Wand und tastete sich langsam in die Nähe des nächsten Höhlenganges. Magog rannten in den Raum, begutachteten die Brutkörper. Tarik wartete einen sicheren Moment ab und huschte dann in den Gang hinaus. Ohne zurückzusehen rannte er den Gang entlang – und lief einem Magog direkt in die Fänge. Das Monster packte ihn an der Rüstung und presste ihn gegen die Felsenwand. Der Schmerz trieb Tarik Tränen in die Augen. Er nahm seine eingefahrene Kampflanze, drückte sie dem Magog tief ins Fell und drückte ab. Und nochmal. Und nochmal und nochmal. Das Biest kippte nach Hinten über, sein Fell war versengt. Tarik drehte ihn auf die andere Seite, damit sich der Gestank des verbrannten Fleisches nicht in der Höhle ausbreitete. Bei den feinen Nasen der Magog wäre das sein Verhängnis gewesen. Tarik musste höllisch aufpassen, nicht mit den Zähnen und den Wangenknochen des Magogs in Verbindung zu kommen. Er war noch nicht lange tot, es bestand also noch die Gefahr, sich zu infizieren.
                      Plötzlich wurde der Felsengang mit rotem Licht gefüllt. Tarik sah am Ausgang des Tunnels eine Horde Magog stehen. Er presste sich an die Wand, blickte nach hinten und sah voller Schrecken, dass auch dort hunderte Magog nachrückten. Egal, in welche Richtung er jetzt ging! Sie würden ihn kriegen! Sie würden ihn kriegen! Er war schon fast tot. Die Magog kamen immer näher. Tarik richtete die Kampflanzen auf sie, bereit, jederzeit zu feuern. Immerhin würde er so auch ein paar von ihnen mit in den Tod reißen.

                      Sie griffen nicht an! Tarik begriff nicht recht. Hunderte Magog zogen an ihm vorbei. Sie sahen ihm in die Augen, sahen vermeintlich wehrlose Beute mitten in ihrer Mitte stehen – und zogen weiter! Keiner von ihnen blieb stehen, musterte ihn länger als einen kurzen Augenblick. Es waren jetzt schon mindestens zehn Dutzend Magog an Tarik vorbeigezogen, ohne ihn anzugreifen. Der Nietzscheaner wagte einen Schritt nach vorne, dann noch einen. Die Magog schien das rote Licht wie magisch anzuziehen. Tarik drehte an der HUD-Brille, um zu vergrößern. In einem Fenster in der Mitte erschien ein vergrößerter Ausschnitt. Tarik sah, was vor ihm geschah. Am Ausgang des Gangs war ein gigantisches Plato, auf dem sich die Magog sammelten. Dahinter gähnte ein Abgrund, vermutlich die Verbindung zu einer der anderen Welten. An der anderen Seite des Abgrunds war ein erhöhter Steinblock, eine Art Altar. Und von dort kam das Licht. Tarik vergrößerte weiter, bis er ein genaues Bild vor Augen hatte. Dort erstreckte sich eine Gestalt, vermutlich etwa in der Größe eines Menschen. Sie schien nur aus Energie zu bestehen und rote Blitze durchzuckten ihr Inneres. Die Magog warfen sich auf dieser Seite des Abgrunds vor dem Wesen auf der anderen Seite nieder. Pulsierendes Licht wallte zu ihnen herüber. Das Wesen streckte die Arme weit von sich – und in Tarik braute sich eine schreckliche Vermutung zusammen: Dieses Wesen, das die Magog anbeteten, war das selbe Wesen, das Saladin als „Geist des Abyss“ bezeichnet hatte. Was hatte Saladin mit dem Gott der Magog zu schaffen? Und vor allem: Was war das Ziel dieses Wesens, das mit Saladin und den Magog in Verbindung stand? Es hatte sicherlich ein höheres Ziel. Das Universum stand am Rande eines Abgrundes! Das wurde Tarik erschrocken bewusst. Dieses Wesen, der Abyss, war so mächtig, dass er die Magog kontrollierte und sie zum Krieg rüstete. Und zur gleichen Zeit hatte er Saladin Gree geholfen, den Krieg gegen das Commonwealth zu gewinnen. Was, wenn der Krieg zwischen den Nietzscheanern und dem Commonwealth nur den Zweck hatte, das Universum neu zu formen und auf eine Herrschaft der Magog einzustellen. Und welche Rolle würde er, Tarik al Ashraf spielen, wenn es darum ging, das zu verhindern?
                      Er würde gar keine Rolle mehr spielen, wenn er sich nicht schnell aus dem Staub machte, kam Tarik in den Sinn. Plötzlich sah er eine schnelle Abfolge Bilder vor seinem geistigen Auge. Eine schöne Frau mit ihrem Kind in den Armen, komplett in schwarz gehüllt, stand vor einem Grabmal. Sie fiel auf die Knie und trauerte. Eine Witwe, die ihren gefallenen Mann betrauerte. Und auf dem Grabstein stand sein Name! Tarik hatte eine Vision gehabt, das war ihm sicher. Es war nicht wie die Visionen von Delta B-Tor in der Vergangenheit, sondern eine, die ihm die Zukunft zeigte. Tarik fand zurück zu sich, wie er im Felsengang voller Magog stand!
                      Nein! Das würde nicht passieren! Tarik kam sein eigenes Ziel wieder in den Sinn. Sein nietzscheanischer Überlebensinstinkt gewann an Stärke. Abhauen, überleben! Er drängte sich zwischen den dicht gedrängten Magog hindurch, er musste um jeden Preis zurück an den Ort, von dem er gekommen war. Die Magog schienen nicht irritiert zu sein. Tarik wusste nicht einmal, ob sie ihn überhaupt wahrnahmen. Schließlich kam der Nietzscheaner wieder in die Kammer, in der die Fühlenden mit Magogschleim an die Wände geklebt waren. Auch diese war prall mit Magog gefüllt, die sich ebenfalls einen Dreck um Tarik scherten. Der Nietzscheaner hob die Kampflanze. Er hatte das Versprechen, das er gegeben hatte, nicht vergessen und wenn er es schon nicht halten konnte, war dies das mindeste, was er für diese Leute tun konnte. Er zielte auf den Perseiden und schoss. Ein dickes Loch klaffte in seinem Bauch, da würden sicher keine Magoglarven heraus schlüpfen. Ebenso verfuhr er mit den anderen Gefangenen, als Letzten nahm er sich dem Menschen mit dem flehenden Blick vor. Alle tot. Tarik begann zu rennen und schubste die Magog aus dem Weg. Wer wusste, wie lange die Trance dieser Monster noch anhalten würde? Tarik musste zurück zum Schwarmschiff, und zwar schnell. Sobald das rote Licht erlosch, würde er wissen, dass die Magog aus ihrem Nickerchen erwachen würden. Langsam lichtete sich der Gang. Immer weniger Monster standen ihm im Weg. Tarik sah auf die Karte, die sein Flexi während des Eindringens erstellt hatte. Bis zu seinem Schwarmschiff hatte er noch über einen Kilometer vor sich. Das rote Licht wurde langsam schwächer. Tarik begann zu rennen.

                      428. Tag des Krieges, Langoan Drift

                      „Und? Was werdet ihr tun, wenn der Krieg vorbei ist?“
                      Mit dieser einfachen Frage hatte Petty Officer Freeman ein langes Schwert mitten durch Lacos Herz getrieben. Während er so durch den Slipstream steuerte, sprach er oft ungezwungen mit der Brückencrew.
                      „Ich werde im Ingenieurswesen der Ehrengarde bleiben“, sagte Adriano del Ronis. „Ich muss immerhin noch viele Berichte über die Wrath of Achilles ausformulieren“
                      Sein Blick wanderte weiter zu Leanne Bogacy. „Ich werde auf meinen Heimatplaneten Erde zurückkehren. Mein Verlobter lebt dort“
                      „Ich ziehe ins besetzte Fountainhead und mache ein paar Übers das Leben schwer. Wo sollte ich auch sonst hin, die haben immerhin meine ganze Familie bei der Schlacht um San Ska Re ermordet. Nach dem Krieg wird es wohl Zeit für ausgleichende Gerechtigkeit geben“, meinte Elacta.
                      „Und Ihr, Captain? Was tut Ihr nach dem Krieg?“, fragte Freeman, während er die Achilles geschickt aus dem Slipstream brachte und ins Langoansystem steuerte.
                      Laco wünschte sich, auf diese Frage nicht antworten zu müssen. Was würde er nach dem Krieg tun? Das kam darauf an, wer den Krieg gewann. Laco hatte natürlich seinen Schwur, Tarik al Ashraf zu töten, nicht vergessen. Wenn die Übers den Krieg gewannen, würde er sich dem Widerstand anschließen. Wenn das Commonwealth doch noch gewann, würde Laco Tarik so lange durchs Universum jagen, bis er ihn gefunden und getötet hatte. Und dann? Er konnte nicht mehr zurück in seine Heimat, Tarn Vedra. Er wollte auch nicht länger bei der Ehrengarde bleiben. Laco hatte schon genug an Tod gesehen, dass es für ein Leben ausreichte. Vielleicht konnte er sich den neu entstehenden Gemeinden der Exil-Vedraner anschließen, zum Beispiel auf Rhal Parthia oder Neu Bayern. Aber wollte er das? Wollte Laco nax Agros wirklich sein Leben weiterführen, als wäre nichts gewesen? Laco hatte noch keine Ahnung, was er vorhatte, wenn der Krieg vorbei war, deswegen sagte er rätselhaft: „Ich werde das Kriegsende nicht erleben“

                      430. Tag des Krieges, Langoan Drift

                      Die Reflexion des hellen Sternlichts gab dem Panzer der Wrath of Achilles einen seltsam erhabenen Glanz. Um den Steuerbordausleger hatte sich ein hässliches Werftschiff geschlungen. Meter für Meter entfernte es die Panzerplatten aus Stahl, die die Crew der Wrath of Achilles in den letzten Wochen mit so viel Mühe angebracht hatten. Auch die anderen Schäden, innere und äußere, wurden fleißig repariert. Laco hatte Petty Officer Freeman gleich am Tag ihrer Ankunft nach Langoan Drift zurückgeschickt und ihm auf seine Weise klar gemacht, dass er ihn nie wieder auf seinem Schiff sehen wollte.
                      Neben der Achilles hatte die Pax Magellanic gedockt. Das Flaggschiff des Commonwealth und das Typschiff der Glorious Heritage Klasse war gerade mit seiner schweren Kreuzergruppe von einem erfolglosen Kampfeinsatz zurückgekehrt. Sowohl Laco als auch der Kommandant der Pax Magellanic, Commodore Warrick, hatten eine Einladung auf Admiral Starks Kommandoschiff, der Aminophes, bekommen. Nur zu dumm, dass dieses Schiff noch nicht eingetroffen war.

                      Laco saß in seinem Quartier, als er über den Monitor ein aufbrechendes Slipportal sah. Heraus kam ein Schiff, eleganter und strahlender als ein Schlachtkreuzer der Glorious Heritage Klasse. Das Schiff hatte überall Schleifen und Ausleger, was ihm ein fast raubtierhaftes Aussehen gab. Es war wunderschön anzusehen und sah nicht so bedrohlich und abweisend aus wie zum Beispiel die Wrath of Achilles. Das Schiff schwenkte ein und nahm Kurs auf die Raumstation. Laco erkannte es als ein Schiff der Dawn of Glory Klasse, einen Kommandokreuzer des Commonwealth. Normalerweise reisten nur die Triumvire auf solchen Schiffen, aber da es noch immer kein funktionierendes Triumvirat gab, hatte Admiral Stark diese Perle zu ihrem moblien Kommandozentrum gemacht. Laco öffnete seinen Kleiderschrank und nahm die frische Galauniform heraus. Sie war dunkelgrau mit rötlichen Streifen. In diesem Augenblick erreichte ihn die Botschaft, dass Admiral Stark ihn sehen wollte.

                      Das Hangartor der Wrath of Achilles öffnete sich. Laco zog es vor, mit der Catana Mora zu fliegen und nicht mit einem Kurierschiff. Der Vedraner befürchtete, dass Admiral Starks Zorn auf ihn noch immer nicht verraucht war. Er hatte Actrao nax Colyti mehr vertraut als ihr, dann die Sache mit Tarn Vedra verbockt und wegen seinem letzten Kampfeinsatz hatte die Ehrengarde Herodotus verloren. Laco startete die Triebwerke und steuerte den Frachter aus dem Hangar. Er passierte das grässliche Werftschiff und hielt auf das Triumvirschiff zu, die Aminophes. Wo hatte er diesen Namen denn schon einmal gehört? Irgendjemand...ah ja, das war Captain Teddy Roosevelts Schiff! Auf der Dawn of Glory Klasse hatten zwar meist Triumvire die höchste Befehlsgewalt, allerdings hatte kaum ein Triumvir eine taktische Ausbildung, deshalb hatte er auch nicht direkt das Kommando des Schiffes inne. Laco deaktivierte die GFG-Linsen und flog frontal auf das Schiff zu. Der Kreuzer hatte acht riesige Hangardecks, jedes mehrere hundert Meter breit. Laco schaltete den Antrieb ab, die Mora wurde mit einem AG-Feld ins Innere gebracht.

                      Als Laco ausstieg, erwartete ihn bereits ein Trupp Lancer. Der Job dieser Leute war es, ein angemessenes Empfangskomitee zu bereiten, etwa hundert Mann standen stramm neben einem in den Boden eingelassenen „roten Teppich“. Der Vedraner schritt zur Luftschleuse und trat auf den Korridor hinaus. Er sah fast so aus wie bei den anderen Gardeschiffen, wirkte aber etwas breiter und war besser beleuchtet. Auf halber Strecke traf er Commodore Warrick, den Captain der Pax Magellanic.
                      „Laco! Wir dachten schon, wir hätten dich verloren!“
                      „Nein, wir wurden zwar an den Arsch der Galaxis katapultiert, aber wir haben überlebt. Und? Wie war es bei euch?“
                      „Schrecklich“, sagte er melancholisch. „Nachdem die nietzscheanischen Schiffe ihre Slipstreamkerne abgeworfen haben, wurde nahezu die ganze Flotte in den Slipstream gerissen und über den halben Kaa-Arm verstreut. Einige Schiffe waren noch slipstreamfähig, andere nicht. Die Pax Magellanic war als eines der ersten Schiffe wieder flott. Als wir nach Herodotus kamen, hatten die Nietzscheaner aber unsere Blockade bereits durchbrochen und eigene Unterstützungstruppen auf dem Planeten gelandet. Was war überhaupt mit euch los? Ich habe die Geschichte mit Pelosana gehört, aber was war dann?“
                      „Unser Slipantrieb war kaputt und wir wussten nicht, wo wir waren. Als uns ein Kurier gefunden hat, haben wir den Versuch gewagt und sind nahezu problemlos durch den nietzscheanischen Raum geflogen“
                      Sie erreichten die Panzertür vor Admiral Starks Büro. Sechs Ulanen hielten davor Wache und informierten Admiral Stark von ihrer Ankunft.
                      „Ich muss Euch bitten, alle Waffen abzugeben“
                      Laco nahm die beiden Kampflanzen aus den Halterungen, ließ sie zweimal um seine Handfläche kreisen und gab sie dann ab.
                      „Ich muss Euch bitten, alle Waffen abzugeben“. Diesmal legte er eine besondere Betonung auf das Wort „alle“. Schweren Herzens trennte sich Laco auch noch von seiner schwarzen Kampflanze, die er im Ärmel versteckt hatte. Nur für alle Fälle. „Ihr dürft jetzt eintreten“

                      Das sollte ein Büro sein? Der Raum war gigantisch. Kreisrund, mit einem Durchmesser von mindestens dreißig Metern und etwa der selben Höhe. Das ganze Zimmer war lichtdurchflutet, die schräg zusammenlaufenden Wände waren riesige Fenster, von denen aus man ins Weltall hinaus blicken konnte. Vermutlich waren sie aus dem selben widerstandsfähigen Material wie die Fenster auf einem Observationsdeck. Das Zimmer war klar abgegrenzt zwischen dem Teil für Besucher und dem Teil des Triumvirs, bzw. Admiral Starks. Die Admiralin war auf dem ersten Blick nicht zu sehen. Dann erkannten sie jedoch, dass sie auf einem Balkon stand, von dem aus sie einen perfekten Blick auf Langoan-Drift hatte. Sie drehte sich um, öffnete die transparente Tür und ging auf den Schreibtisch zu, vor dem Laco nax Agros und Stephen Warrick standen. Ihr Schreibtisch war so chaotisch wie immer. Die menschliche Frau würdigte Laco keines Blickes. Er fühlte sich klein unter dem stechenden Blick ihrer Augen.
                      „Commodore Warrick!“, sagte sie. „Es ist zwar schon sechs Wochen her, aber ich hatte seitdem keine Gelegenheit, Euch das mitzuteilen. Entgegen meiner Befehle habt Ihr mit der Flotte Herodotus verlassen, um Lacos Kreuzergruppe zu verstärken. Ihr habt Euch einem klaren Befehl eines Vorgesetzten widersetzt. Wir haben die ganze Flotte verloren und damit konnte der Feind unsere Blockade auf Herodotus durchbrechen. Und damit haben wir wegen Eures Fehlers verloren. Ihr seid hiermit zum Captain degradiert!“ Sie nahm sein Rangabzeichen und ersetzte es durch das eines Captains. „Wegtreten!“
                      „Aye, Sir“. Ohne ein weiteres Wort drehte sich Warrick um und verließ den Raum. Er sah fast so aus wie ein geschlagener Hund.
                      „Captain Laco nax Agros!“ Jetzt kam die Standpauke. „Ich bin vollauf zufrieden mit dir“. Was? Da hatte er sich sicher verhört! „Du hast einen Weg gefunden, die feindliche Schiffswerft auf Pelosana zu zerstören. Dann hast du meinen weiteren Befehl, die Commonwealth Order 99 an Pelosana auszuführen, befolgt. Der Verlust Herodotus' ist nicht deine Schuld. Du hattest das gute Recht, um Hilfe zu bitten, die Schuld liegt bei Warrick, weil er die Hilfe geleistet hat“
                      Das war doch unglaublich! Diese Frau hatte Laco auf eine Selbstmordmission geschickt und Warrick untersagt, ihm Hilfe zu leisten. Laco sollte ihm mal einen Drink spendieren. Alles sah danach aus, dass sie ihn aus dem Weg haben wollte. Oder nicht? Seit er sie kannte, sah Laco in Admiral Stark eine kalte, berechnende Frau. Sie handelte immer logisch, egal, welche ethnischen Probleme sich daraus ergaben. Mit der Vernichtung Pelosanas hatte sie den Mord an einer Million Fühlender befohlen, allerdings für das Commonwealth einen wichtigen Sieg errungen. Laco wollte irgendetwas antworten, ließ es dann aber doch bleiben.
                      Stark meinte: „Wir können die Bodentruppen auf Herodotus nicht mehr länger halten. Ich befehle Captain Warrick die Evakuierung unserer Soldaten mit der Pax Magellanic. Mit dir, Laco, wollte ich aber über etwas anderes sprechen. Das Commonwealth ist in großer Gefahr“
                      „Das weiß ich, Sir“
                      „Unterbrich mich nicht! Du warst sechs Wochen von der Bildfläche verschwunden, es hat sich einiges geändert“
                      „Sir?“
                      „Wir haben noch immer kein funktionierendes Triumvirat. Die Wahl des ersten Triumvirs ist voll daneben gegangen. Xytjan, der PPP von Kalderash ist ein zu radikaler Demokrat und Kommunist. Alle Wahlen und Abstimmungen, die er einführen würde, würden das Commonwealth lahmlegen. Deshalb habe ich ihm die Kandidatur verweigert. Auf vielen Welten in der magellanschen Wolke kam es daraufhin zu Protesten und Demonstrationen. Ein Mann der Sicherheitskräfte verlor die Kontrolle und feuerte blind zwei Schüsse in die Menge. Das brachte das Pulverfass zum Explodieren. Auf allen kalderanisch geprägten Welten kam es zu bewaffneten Aufständen, Xytjan ging in den Untergrund und führt nun die Rebellion gegen das Commonwealth an. Wir konnten kein Militär entsenden und die Heimatgarden sind auf der Seite der Revolluzzer. Der Verlust eines Dutzend Welten wurde als Nebensache abgetan, allerdings hat das den anderen Aufständischen Mut gemacht. Jetzt haben wir alle Welten verloren, auch die Zentralwelt Kalderash und ihre unmittelbaren Satellitenwelten. Tja... Warricks Schiff heißt Pax Magellanic. Der Name kommt vom „Magellanschen Frieden“, den das Commonwealth 895 n.C. beim Bombardement Kalderashs gewaltsam zustande gebracht hat. Warrick muss auf sein Schiff aufpassen, der magellansche Frieden ist gebrochen. Laco, die Vedraner, dein Volk, die paar hunderttausend, die dort leben, werden jetzt von den Kalderanern gejagt, verfolgt und getötet. Das Konkordat von 4500 n.C. hat keine Geltung mehr für sie“
                      „Sie verfolgen systematisch Vedraner? Das ist ein Holocaust“
                      „Nicht systematisch. Noch nicht, aber wir müssen das aufhalten, haben aber keine Schiffe und Männer dafür übrig. Sie haben zwar keine richtige Raumflotte, allerdings ein zu großes Gebiet, um es einfach so wieder zu unterwerfen. Die kleine magellansche Wolke ist jetzt nicht mehr Commonwealth-Territorium“
                      „Wir haben eine ganze Galaxie verloren?“, fragte Laco atemlos.
                      „Und nicht nur das. Citizen One hat seine Kandidatur zurückgezogen und sich auf die Seite der Nietzscheaner gestellt. Die Privatflotte von Typhoon Technology ist jetzt auf Saladins Seite. Einige der Randwelten planen, aus dem Commonwealth auszutreten und wir haben nicht die Mittel, sie gewaltsam zu halten. Die Nietzscheaner haben große Gebiete in der Andromedagalaxie eingenommen und konnten viele unserer Stellungen im Dreiecksnebel angreifen. In der Milchstraße ist der Feind am schwächsten, wir allerdings auch. Wir haben versucht, Acheron Delta zurückzuerobern, sind aber kläglich gescheitert. Wir haben bei dem Versuch die halbe Flotte verloren“
                      „Das ist ja schrecklich“, hauchte Laco.
                      „Ja, allerdings. Seit dem Beginn des Krieges habe ich immer daran geglaubt, dass wir diesen Konflikt gewinnen werden. Selbst, nachdem die Nietzscheaner im Erstschlag die halbe Commonwealthflotte lahm gelegt haben, habe ich noch an unseren Endsieg geglaubt. Jetzt schwindet dieser Glaube. Wir standen so kurz davor, die Nietzscheaner zu besiegen und jetzt sind wir schon wieder so in der Defensive. Seit San Ska Re haben wir keine Schlacht mehr gewonnen, und San Ska Re kann man ja selbst nicht wirklich als Sieg bezeichnen. Laco, das Commonwealth steht am Rande eines Abgrunds! Noch vor zwei Monaten hätte ich das nicht getan, aber jetzt bin ich zu solchen Maßnahmen gezwungen. Wir brauchen fähige Männer im Admiralsstab, und darum schlage ich dir einen Deal vor. Die Feldbeförderung zum Commodore, die du von mir erhalten hast, wird gültig, wenn du für mich eine streng geheime Argosymissionen durchführst“
                      „Für was haben wir dann den Geheimdienst?“, fragte Laco skeptisch.
                      „Ich weiß nicht, wem ich im Geheimdienst trauen kann und du hast mir deine Loyalität bei der Zerstörung Pelosanas bewiesen“
                      „Und wenn ich Nein sage, bleibe ich Captain auf der Wrath of Achilles?“
                      „Laco, zwing mich nicht-“
                      „Ich will eine Antwort, Sir“
                      „Wenn du Ja sagst, bist du für mich und der Deal gilt. Wenn du aber Nein sagst, bist du gegen mich, und wer gegen mich ist, den räume ich aus dem Weg, so einfach ist das?“
                      „Bei allem Respekt, Sir, wie wollt Ihr das anstellen?“
                      „Du hast den Planeten Pelosana zerstört und all seine Bevölkerung getötet. Ich weise die Schuld von mir und erlasse eine Anklage wegen millionenfachen Mords, Völkermords, Kriegstreiberei und Befehlsverweigerung gegen dich“
                      „Ich habe das Befehlsflexi als Beweis“. Laco schlug sich an die Stirn. „Lasst mich raten, es hat sich so umgeschrieben, dass jetzt da steht, dass mein Befehl lautete, sofort nach Herodotus zurückzukehren, nachdem die Werft zerstört war“
                      „Kluger Junge, genau so ist es. Ich habe dich gut ausgebildet, aber mich überlistest du nicht! Ach ja, da ist ja auch noch die Sache mit Tarn Vedra. Da hätten wir dann noch die Punkte Verschwörung mit dem Feind, Sabotage auf planetarer Ebene und Hochverrat an der Krone, um die Anklage zu ergänzen. Dann kommst du bestenfalls mit der Todesstrafe davon“
                      „Und das soll ein Beweis des Dankes sein, Sir?“
                      „Wie ich schon sagte, Laco. Wenn du nicht für mich bist, bist du gegen mich. Entscheide dich!“
                      In ihrer ausgestreckten linken Hand lag glänzend das Rangabzeichen eines Commodores, besser gesagt, Captain Warricks ehemaliges Rangabzeichen. In der rechten. Hand lag ein Flexi mit einer Vorladung zum Gericht.
                      „Admiral-“, sagte Laco beschwichtigend.
                      „Bist du für mich oder gegen mich, Laco nax Agros. Entscheide dich! Jetzt!“
                      Der Vedraner atmete tief durch und griff zu...

                      Kommentar


                        #26
                        Ich weiß jetzt, dass nach diesem Kapitel noch drei weitere und ein "Epilog" folgen werden. "Pfad der Erkenntnis" hat sechzehn Seiten und führt langsam auf den Höhepunkt hin. Diese Folge nimmt direkt Bezug auf 1x12 [Pax Magellanic] und auch auf 5x12 [Hochmut kommt vor dem Fall] Angehängt ist übrigens ein erster Entwurf eines Covers. Leider ist die Qualität sehr schlecht und insgesamt finde ich es auch relativ wenig gelungen. Bitte ignoriert das schwarze Anhängsel unten, ich wusste nicht, wie man das wegmacht.
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                        XV. Pfad der Erkenntnis


                        „Ich bin Drago Museveni!
                        ich bin die Zukunft der Menschheit!
                        ich bin Homo Sapiens Invictus!
                        ich bin unbezwingbar!“

                        Drago Museveni
                        „Manifesto“, 8433 n.C.


                        Silbrig glänzend glitzerte das kalte Edelmetall. Lange blaue Finger umschlossen es kraftvoll und nahmen es an sich. Laco nax Agros hatte das Rangabzeichen gewählt.
                        „Jetzt möchte ich über Euren Auftrag sprechen, Laco. Es geht um ein Thema, das ich nicht einmal dem Geheimdienst Argosy anvertraue“, sagte Admiral Stark.
                        „Ich verstehe, Sir“
                        „Komm. Sieh es dir an“. Ein riesiges Hologramm von den drei Zentralgalaxien teilte den Raum. Außenherum waren die Medialgalaxien und die Randgalaxien angeordnet. „Sieh her. Der rot eingefärbte Bereich ist nietzscheanisches Territorium, der blaue Bereich gehört zum Commonwealth. Das graue sind andere Fraktionen wie Pyrianer, Magog oder das BFW“. Laco sah sich das Hologramm an. Über neunzig Prozent waren blau, neun grau und nur ein Prozent rot eingezeichnet. Das Gebiet der Nietzscheaner war enorm klein im Vergleich zum Commonwealthterritorium. „Das war der Stand der Dinge vor etwa zwei Monaten. Aminophes, lass die Simulation laufen. Tag für Tag lief ab und wenn man genau hinsah, sah man, wie das Territorium der nietzscheanischen Allianz immer kleiner wurde. Zwei Wochen später, also genau am 365. Tag des Krieges, war das Gebiet der Nietzscheaner nur noch ein winziger roter Fleck in drei Galaxien.
                        „Aminophes, Simulation anhalten! Sieh her. Wir konnten sie soweit in die Enge treiben, dass unser Raumgebiet über hundertmal so groß war wie ihres. Und dann ist das passiert. Lass die Simulation weiterlaufen, aber langsamer!“ Laco sah auf den Paa-Kern der Andromedagalaxie. Und siehe da, Tarn Vedra war verschwunden. „Und genau in diesem Augenblick“, sagte Stark, „haben sie zugeschlagen. All ihre Truppenverbände sind vorgerückt und haben die Ehrengardestellungen übergangen. Planetenhoppen nennen wir diese Strategie. Sie kesselten uns ein. Binnen weniger Stunden sind ihre Truppen über die Front hinweggesprungen, haben sich mit der Flotte von Typhoon Technology getroffen und zivile Konvois überfallen. Wichtige Außenposten, so tief in unserem Raum, dass sie gar nicht soweit kommen könnten, alles wurde überfallen. Unsere vier Flotten, die auf Tarn Vedra stationiert waren, hätten in sechs Stunden eingreifen können, wir haben uns darauf verlassen. Aber von Tarn Vedra kam keine Flotte und nietzscheanische Verbände wüteten wie die Furien in unseren ungeschützten Sektoren. Sie haben Stützpunkte des Commonwealth angegriffen und nun, da wir wieder mal über die Hälfte unserer Flotte verloren hatten, gingen sie in die Offensive. Sie wurden zu Aggressoren, die man nicht aufhalten konnte und unsere Verbände waren zu tief zu einem Befreiungsschlag in ihrem Gebiet gefangen. Seit diesem Tag sind wir wieder auf dem Rückzug“. Wie eine Welle sah Laco, wie sich die rote Fläche binnen weniger Tage über alle drei Galaxien ausbreitete. Sie eroberten viele Stellungen, vor allem in der nun so merklich geschwächten Andromedagalaxie. Sie waren am heutigen Tage angekommen. Wie eine Seuche waren die nietzscheanischen Vorstöße über die bekannten Welten hergefallen. Vereinzelte, wenn auch teils große, Inseln erstreckten sich noch im roten Meer des nietzscheanischen Raums.
                        „Laco, weißt du, was ich mich frage?“
                        „Sir?“
                        „Wie zur Hölle konnten die das wissen? Die durften das nicht wissen können“
                        „Ja, Sir“
                        „Wer hat aller von Actraos Plan gewusst, bevor er in die Tat umgesetzt worden war?“
                        Laco zuckte die Schultern. „Nun ja, ich, Chiquon und Trance Gemini. Alles Leute, denen ich mein Leben anvertrauen würde“
                        „Hättest du nicht auch Actrao und Tarik al Ashraf dein Leben anvertraut?“
                        Laco schlug die Augen nieder. „Ja, Sir...außerdem wussten noch Actrao selbst und vielleicht die Arbeiter an seinem Schiff von seinem Plan, wobei ich mir letzteres kaum vorstellen kann“
                        „Eben. Und jetzt beantworte mir mal eine Frage, mein Freund. Chiquon, hätte er den Nietzscheanern vom Verlust Tarn Vedras erzählen können?“
                        „Nein, Sir. Erstens war er bis zu seinem Tod dem Commonwealth treu ergeben und zweitens wusste er nicht genug, um das vorauszusehen. Auch Trance wusste das nicht. Einzig und allein Actrao und ich wussten wirklich, was passieren würde“
                        „Und einer von euch muss diesen Plan an die Nietzscheaner verraten haben, sonst hätten sie nicht genau zu diesem Zeitpunkt unserer Schwäche zuschlagen können! Warst es du, Laco, oder war es er?“
                        „Ich war es nicht. Ich war wochenlang in seiner Gefangenschaft, ich hatte gar keine Möglichkeit dazu!“
                        „Und Actrao?“
                        „Hätte diesen Plan niemals an die Nietzscheaner verraten. Argosy Special Operations hätte Wind davon bekommen und ihn durchkreuzt. Außerdem hat Actrao nax Colyti niemals mit den Übers zusammengearbeitet, er wollte nur Tarn Vedra schützen, egal wie. Admiral, ich kannte ihn, er wollte uns nie verraten oder im Stich lassen, sondern einfach nur das vedranische Volk retten“
                        „Und dich hat er ausgestoßen. Wie ironisch“
                        „Admiral, Eure Frage bleibt offen. Woher wussten die Nietzscheaner davon. Vier unserer Flotten und über fünftausend Novabomben sind dabei draufgegangen und sie haben an einem Zeitpunkt reagiert, an dem sie das noch nicht wissen konnten! Woher wussten sie es also?“
                        „Damit hast du es auf den Punkt gebracht, Laco. Woher wussten sie es? Es wird deine Aufgabe sein, das herauszufinden. Sie waren im ganzen Krieg immer schwächer als wir, aber sie gewannen immer. Irgendjemand hilft ihnen und ich will verdammt sein, wenn ich nicht weiß, wer! Finde es heraus und berichte mir davon“
                        „Mit welchen Mitteln?“
                        „Mit allen Mitteln!“
                        „Sobald die Wrath of Achilles repariert ist, werde ich mich auf den Weg machen“
                        „Willst du dazu wirklich die Achilles benutzen?“
                        „Ja, Sir. Ich denke schon“
                        „Dann soll es mir Recht sein. Auf jeden Fall muss ich so schnell wie möglich wissen, wer ihnen hilft, oder das Commonwealth wird fallen – früher oder später“
                        „Aye, Sir“
                        „Commodore Laco nax Agros“. Sie stand auf und salutierte. Laco salutierte ebenfalls.
                        „Kriegsministerin Constanza Stark“
                        „Wegtreten!“

                        436. Tag des Krieges, Langoan Drift

                        „Frisch gebackener Commodore auf der Brücke“, wurde Laco von Ensign Bogacy lächelnd und salutierend begrüßt.
                        „Weitermachen!“, befahl Laco. Jetzt hatte er ganz offiziell den Rang inne, den er sich immer gewünscht hatte. Als Commodore hatte man noch die direkte Befehlsgewalt über sein Sternenschiff und gleichzeitig aber auch das Kommando über eine Kreuzergruppe. Es war eine Stufe zwischen Captain und Admiral. Laco ging zu seiner Kontrolleinheit und checkte die Systeme durch.
                        „Captain del Ronis, es wird Zeit, dass wir dieses Biest loswerden“, sagte er und deutete auf den Bildschirm, auf dem das Werftschiff zu sehen war, das den Ausleger der Achilles nun komplett repariert hatte.
                        „Aye, Sir“. Er öffnete einen Kanal und gab die Erlaubnis zum Abkoppeln. Kurz darauf war die Achilles wieder frei.
                        „Maschinen anwerfen!“, befahl Laco. „Lasst die MPD-Thruster vorglühen! Währenddessen möchte ich mit euch über unseren nächsten Einsatz reden. Kommandodeck räumen, nur Stabsoffiziere bleiben hier!“ Adriano, Elacta, Leanne, Achilles und er selbst. „Ich darf euch leider überhaupt nichts über das Ziel unserer nächsten Mission erzählen, es ist streng geheim. Es ist eine Art Suche und ich habe mich schon mit Trance Gemini abgesprochen, sie glaubt zu wissen, wo wir fündig werden“
                        „Sir, wie sollen wir Euch helfen, wenn wir nicht wissen, um was es geht?“, fragte Leanne.
                        „Das ist eine berechtigte Frage. Das Ziel unserer Mission soll Admiral Stark helfen, den Krieg zu gewinnen, aber das ist eine Sache zwischen mir und ihr. Trance Gemini geht davon aus, dass sich das Zielobjekt tief in nietzscheanischem Raum befindet. Genauer gesagt...hier!“
                        Laco zeigte auf ein System im Dreiecksnebel. Wohin er wollte, war der Asteroid, auf dem er den Tesseraktgenerator vom Diener des Abyss gestohlen hatte. Trance war sich ziemlich sicher, dass der Geist des Abyss derjenige war, der den Nietzscheanern half, sie war sich aber noch nicht über seine Gründe und Ziele im Klaren. Dies wollte Laco herausfinden. Er hatte sporadische Informationen über den Abyss, aber sie ergaben keinen Zusammenhang und auch keinen Sinn. Wenn er also dort noch ein paar Hinweise fand, könnte er vielleicht das Puzzle zusammensetzen und erkennen, was der Geist des Abyss vorhatte. Trance meinte, er wolle alles Leben auslöschen, aber dass er den Nietzscheanern in diesem Krieg half, machte für Laco kaum Sinn.
                        Er bemerkte, dass er in Gedanken versunken war und sagte zu ihnen: „Ich muss diese Mission alleine erledigen, allerdings kann ich das nicht mit der Catana Mora machen. Sie wird in nietzscheanischem Raum gesucht und ich komme nicht unentdeckt über die Front und wieder zurück. Die Achilles schon. Das ist mein Plan“. Er vergrößerte einen Ausschnitt der Triangulumgalaxie. Wir springen in dieses System, das ist noch in Commonwealth-Hand. Ein wenig weiter in nietzscheanischem Raum ist ein schwarzes Loch. Wir gehen in den Slipstream und nehmen Kurs auf diese massive Gravitationsquelle. Sobald wir dort sind, gehen wir nicht aus dem Slipstream, sondern wechseln auf die nächsten Strings. Und dann lassen wir uns so weit wie möglich in nietzscheanisches Gebiet tragen, damit uns ihre Patrouillen nicht erwischen. Sobald wir erstmal tief in ihrem Raum sind, dürfte es kein Problem darstellen, diesen Asteroiden zu finden. Alles weitere besprechen wir, wenn es soweit ist. Noch Fragen?“
                        „Wann geht’s los?“
                        „Captain del Ronis! Schwingt Euch auf den Pilotenstuhl und ladet die GFG-Linsen auf!“ Damit hatte sie ihre Antwort.
                        „Aye, Sir!“
                        Die Schotts öffneten sich wieder und die weitere Brückencrew nahm ihre Posten wieder ein.
                        „Wir haben Slipstreamfreigabe von Langoan Drift. Ich öffne ein Portal. Übergang in 3, 2, 1, 0!“

                        440. Tag des Krieges, Herodotus

                        Aus einem Slipportal trat ein kleiner Slipfighter vom Typ Shrike hervor. Drei weitere Portale taten sich auf und drei weitere Fighter kamen hervor. Dann brach in ihrer Mitte ein gigantisches Slipportal auf. Daraufhin trat ein schwerer Schlachtkreuzer der Glorious Heritage Klasse ins Herodotussystem ein. Von der Bauart her sah sie aus wie jedes andere Schiff dieser Klasse, allerdings glänzte sie golden und war so erhaben wie kein anderes Schiff in allen bekannten Welten. Es war die Pax Magellanic. Das Schiff fuhr die Kampfklingen aus und beschleunigte.
                        „Bericht!“, forderte Captain Warrick auf dem Kommandodeck an.
                        „Ich habe eine unbestimmte Anzahl nietzscheanischer Kreuzer auf dem Sensor. Sie verstecken sich teilweise hinter Planeten oder Monden, einige vermute ich auch nahe des Sterns, ich kann nicht genau sagen, wie viele es sind“
                        „Wie weit sind wir an Herodotus?“
                        „Zwei LM, Sir“
                        „Zwei LM, das ist gut... Geschütze 1-40 landen mit einem Sperrfeuer Bodenangriffsraketen! Feuern auf mein Kommando!“
                        „Sir, nietzscheanische Fighter kurven zum Angriff ein!“
                        „Leert die Magazine, feuer! Die AP-Kanonen ausfahren und auf die Garuda-Fighter schießen! Volle Kraft in Richtung Herodotus! Können wir mit Skyfalls Bodentruppen Kontakt aufnehmen?“
                        „Negativ, Sir“
                        „Alle Ung Taes in den Hangars bereitmachen! Unsere Lancer gehen runter! Und schickt die Battlebots auch noch runter! Wir kämpfen Skyfalls Truppen da raus!“
                        „Sir, nietzscheanische Kreuzer auf Abfangkurs. Sie schießen mit Raketen!“
                        „PDLs ausfahren und auf Ziele ausrichten“
                        Kurz darauf schlugen Raketen in die Pax Magellanic ein. Warrick legte einen Arm um die Hüfte des androiden Avatars und sagte: „Die Übers haben keinen Anstand. Frauen schlägt man doch nicht. Bringen wir ihnen Manieren bei! Geschütze 21-40 mit Offensivraketen laden! Feuer nach eigenem Ermessen!“
                        Jill, der Avatar, sah in an, nickte mit dem Kopf und schickte den Feinden die Raketen in den Rachen.
                        „Sir, wir sind in stabilem Orbit über Herodotus!“
                        „Die Lancerkapseln raus! Mit den Raketen ihren Sinkflug decken!“
                        „Aye, Sir!“
                        Die meisten Kapseln kamen unbeschadet an, einige wurden jedoch von Herodotus' planetarer Verteidigung in nietzscheanischer Hand abgeschossen!“
                        „Das AP-Feuer auf die Kreuzer lenken! Beschäftigen wir sie ein bisschen“

                        Eine Stunde später lag die Pax Magellanic noch immer über Herodotus. Das 800-Mann starke Lancerregiment hatte es nicht geschafft, den nietzscheanischen Kessel zu durchbrechen.
                        „Jill, wie lange hältst du dieses Kreuzfeuer noch durch?“
                        „Eine Stunde, vielleicht weniger. Ich könnte diese Kreuzer in fünf Minuten vernichten, aber solange ich Raketen zur Deckung unserer Männer auf die Oberfläche schießen muss, kann ich mich nicht ihnen zuwenden“
                        „Ich weiß, aber genau darauf spekulieren sie ja!“
                        „Sir, ich empfehle nach Langoan Drift zu flüchten. Unsere Lancer werden es nicht schaffen!“
                        „Wir fliegen nicht zurück! Schaltung aufs Schiff!“ Er wartete einen Augenblick. „Alle kampffähigen Männer zu den Hangardecks! Wir lassen nur eine Notcrew an Bord der Pax, alle anderen schicken wir auf den Planeten“
                        „Was, wenn sie versuchen, mich zu entern?“, fragte Jill ängstlich.
                        „Du hast noch immer das Automatische Verteidigungssystem“
                        Warrick verließ die Brücke und machte sich auf den Weg zu seinem Quartier. Er nahm nur das nötigste, zwei Kampflanzen, einen Gurt Plasmagranaten und eine ECM-Einheit. Dann rannte er auf den Korridor hinaus und machte sich auf den Weg zum Hangar.
                        Ein Mann rief: „Ihr habt Captain Warrick gehört! Alles nach Hangardeck 14“
                        Er sagte zu einem Ensign, der ihm gerade über den Weg lief: „Ich brauche jeden verfügbaren Bodenkämpfer. Volles Geschütz auffahren! Kann übel werden da draußen!“
                        „Und was ist mit mir?“, fragte Jill, die auf ihn gewartet hatte und ihm nun ihre Hand zärtlich auf die Brust legte.
                        „Ich brauche dich hier“, sagte er ruhig.
                        „Aber ich kann kämpfen!“
                        „Jill, bitte. Bleib hier und bewache das Schiff. Wenn wir wiederkommen, musst du uns unbedingt aufnehmen und dann ab in den Slipstream“
                        „Lass mich nicht hier zurück“, flehte der Avatar.
                        Er beugte sich zu ihr und küsste sie. Einen Augenblick lang schien die Zeit still zu stehen, einen wundervollen Augenblick ohne Krieg, Kampf und Tod. Doch dann schlug eine Rakete in die Pax ein und Warrick wurde zurückgestoßen. Er sah in das traurige Gesicht des Avatars, nahm sie ein letztes Mal an der Hand und sagte: „Ich komme wieder. Dann schloss er sich einem Trupp Männer an und rannte in Richtung Hangardeck.

                        Stephen Warrick saß in einer engen Lancerkapsel mit einundreißig anderen Männern. In aller Augen sah er Angst. War es die Todesangst? Oder die Angst, Fehler zu machen? Nur einer zeigte keine Furcht. Es war Dutch, der Chefingenieur der Pax Magellanic.
                        „Hey, Stephe, glaubst du, wir gehen drauf?“
                        „Auf alle Fälle, mein Freund“
                        Irgendetwas brachte die Kapsel ins Wanken, vielleicht ein Trümmerstück oder so. Sie waren jetzt schon tief in der Atmosphäre, der Ung Tae hielt auf die Stellungen der Lancer zu. Wieder traf ihn etwas, diesmal wahrscheinlich ein Geschoss aus einer Railgun. Das Fahrzeug landete unsanft auf Herodotus' Oberfläche. Das Schott öffnete sich und Warrick stieg vorsichtig aus. Er begutachtete die Kapsel. Von außen sah sie relativ verkohlt aus, einige harmlose Einschusslöcher waren zu sehen. Dutch stieg jetzt auch aus der Kapsel. Eines der Triebwerke war wirklich schlimm zugerichtet worden. Warrick hoffte, dass sie nicht mit dieser Kapsel zurückfliegen mussten. Zweifelsohne würde sie es schaffen, allerdings langsamer und somit würde sie auch zum leichteren Ziel werden.
                        Ein Einschlag, direkt neben der Stellung. Die Lancer verschanzten sich hinter ihrer Kapsel und schalteten die Gauss-Kanone auf dem Dach der Kapsel auf Autofeuer. Ein Trupp Ulanen stieß zu ihnen.
                        „Ich bin Staff Sergeant Dajpax“, sagte ein Nightsider. „Seid Ihr der Entsatz, um den Übers kräftig in den Arsch zu treten?“
                        „Nein, wir sind hier, um euch da raus zu holen. Argosy rettet euch Rock Hoppers wieder mal den Arsch. Ich bin Commodore...Captain Warrick von der Pax Magellanic. Wo ist euer Kommandozentrum?“
                        „Es wurde gestürmt, wir haben unser neues Kommandozentrum auf Basis Retro errichtet“
                        „Könnt Ihr mich da hin bringen?“
                        „Die nächsten Floater sind in einem Bunker, etwa zehn Minuten Fußmarsch von hier. Folgt mir!“
                        Der Zug schloss sich der Führung Sergeant Dajpax' an und schlich am Boden dahin. Sie mussten versuchen, nicht aufzufallen. Warrick erkannte schnell, dass ein Weg zurück zur Kapsel ein Höllentrip werden würde, deshalb befahl er: „Dutch, hol die Munitionskiste mit den Effektoren aus der Kapsel, damit wir danach nicht nochmal zurück müssen!“
                        „Geht klar, Boss“. Der schwarze Mensch drehte um und schlicht die dreißig Meter zum Ung Tae zurück. Warricks Blick blieb an ihm haften. Er öffnete das Schott der Kapsel und holte die Munitionskiste heraus. Er hielt die Kiste triumphierend mit beiden Händen in die Luft und machte sich daran, das Schott wieder zu verschließen.
                        Eine Explosion erschütterte die neblige Nacht. Trümmer der Kapsel flogen dem Zug um die Ohren und lauter Krach machte sie fast taub. Warrick sah zurück und stellte fest, dass ein feindliches Artilleriegeschütz die Kapsel vollständig zerlegt hatte. Und Dutch mit ihr. Warrick fluchte leise, denn er und sein Chefingenieur waren seit Jahren Freunde gewesen. Dann schloss er sich wieder seinen Männern an, die schon weitergegangen waren.
                        Das Kreuzfeuer der Feinde prasselte auf sie nieder. Bis sie den Bunker erreicht hatten, waren über zwanzig Minuten vergangen. Warrick machte sich Sorgen um die Pax Magellanic, die immer noch im Orbit unter nietzscheanischem Beschuss stand. Es dämmerte gerade und manchmal glaubte er, am Himmel Explosionen zu sehen. Vielleicht war es aber auch nur Einbildung. Durch den Code des Sergeants öffnete sich das Schott zum Bunker. Zwei Lancer hielten dort Wache. Im Bunker stand ein Floater. Kein Panzer, sondern ein Kommandofahrzeug. Warrick klopfte einem seiner Männer auf die Schulter, versprach ihm, dass sie bald wieder aus dieser Hölle wegkommen würden. Er setzte sich ans Steuer des Floaters und ließ die Motoren an. Nahezu lautlos hob er ab. Auf dem Sensor sah er Basis Retro, etwa fünfhundert Kilometer entfernt. Mit dem Floater würde er wohl eine knappe halbe Stunde brauchen, bis er dort war. Er steuerte ihn aus dem Bunker und gab volle Energie.
                        Die Nebelschwaden zogen neben ihm dahin und lösten sich furchtsam auf, als ihnen der graue Floater näher kam. Wie ein Blitz sauste er vorbei. Ab und zu schlug Warrick Haken, um etwaige Verfolger abzuhängen oder ein schwereres Ziel für die Artillerie zu werden. Zwei feindliche Floater, die ihn verflogt hatten, hatte er bereits zerstört. Ihnen eine Plasmagranate in die Flugbahn zu werfen, war zwar ein alter Trick, aber er funktionierte immer noch. Basis Retro kam in Sicht. Warrick hatte sogar über eine halbe Stunde gebraucht, um sie zu erreichen. Was da Basis Retro genannt wurde, war ein riesiger alter Bunker aus Monocarbitnetzgewebe. Vor ihm standen hunderte Panzer und fünf schwere Kampfroboter, die mit ihren blauen Geschützen den Feind auf Distanz hielten. Ein schweres Tor öffnete sich langsam und Warrick flitzte hinein. Er schaltete den Motor zu früh ab, woraufhin der Floater Funken sprühend am Boden aufschlug. Der Mensch stieg aus und sah sich das Teil an. Viele Kratzer... ein Perseide kam ihm entgegen.
                        „Captain Stephen Warrick. Wir sind hier, um die Truppenverbände von Herodotus zu evakuieren“
                        „General Tajan. Ich führe die Truppen auf Herodotus an“
                        „Was ist mit General Skyfalls?“, fragte Warrick.
                        Der Perseide trat näher zu ihm heran und flüsterte: „Wir versuchen, es geheim zu halten. Sie galt lange Zeit als vermisst, aber als die Übers eure tolle Argosyblockade durchbrochen haben, haben wir ein Paket bekommen. Da waren ein paar unappetitliche Körperteile einer Than drin, mit einem Zettel, auf dem „es hat gut geschmeckt. Grüße von Fountainhead, Saladin“ stand. Ich hoffe, Ihr könnt verstehen, das ich das unseren Truppen nicht sagen werde“
                        „Klar. Hört mal, wir haben kaum noch Zeit. Ich glaube kaum, dass sich mein Schiff noch länger als zwanzig Minuten im Orbit halten kann. Wir müssen sofort mit der Evakuierung anfangen“
                        „Unmöglich. Wir haben zu wenige Transporter und die Flugabwehr des Feindes ist zu stark. Wir müssen ihre Flak erstmal ausschalten, erst dann können wir hier raus!“
                        „Die Garde ist auf dem Rückzug. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Übers Langoan Drift angreifen werden. Wir müssen jetzt sofort hier raus!“
                        „Ich kontaktiere meine Truppen“, sagte der Perseide, als sein Adjutant den Raum betrat. Mit ruhiger Stimme sagte der Inari: „Sir, wir haben viele Slipstreamportale im inneren System gesichtet. Es sind nietzscheanische Schiffe. Sie schicken Jäger und Truppentransporter auf die Pax Magellanic zu. Ich glaube nicht, dass sich das Schiff noch länger im Orbit halten kann, Sir“
                        „Verdammt“, fluchte Warrick.
                        „Die Waffensysteme der Pax sind fast ausgeschaltet, sie könnte es aber noch in den Slipstream schaffen“
                        „Ich gebe ihr den Befehl“, sagte Warrick. „Könnt ihr hier eine Verbindung aufbauen?“
                        „Negativ, die Nietzscheaner blockieren uns noch immer“
                        „Könnt Ihr das irgendwie übergehen?“
                        „Wenn Ihr die Com-Frequenz der Pax habt – vermutlich. Aber das wird trotzdem noch dauern“
                        „Versucht es. Sofort!“
                        „Aye, Sir“
                        Ein anderer Bote kam gehetzt herein. „Sir, die vierte und fünfte mobile Infantriedivision der Nietzscheaner greift Echo Retro an. Wir brauchen jeden verfügbaren Kämpfer, um die Basis zu halten!“
                        Tajan packte seine Kampflanze und sagte: „Wir kommen“. Sie hetzten zur Verteidigungslinie und legten ihre Waffen auf die nietzscheanischen Angreifer an. Ihre Übermacht war erdrückend. Allein im ersten Augenblick zählte Warrick über hundert Floaterpanzer, die sogleich das Feuer auf den Bunker eröffneten. Die Belagerung hatte begonnen – und sie würde kurz und schmerzhaft werden. Warrick fuhr seine Kampflanze aus und legte sie wie ein Scharfschützengewehr an. Er zielte über das Head Up Display und schoss. Das Leben eines nietzscheanischen Marines endete. Und noch eines. Der zweite war richtig hochgesprungen. Die Nietzscheaner kamen näher, verschanzten sich hinter allem, was man dafür hernehmen konnte. Wracks, große Steine. Tajan schoss ebenfalls, und befahl, Plasmastrahlen auf die Floaterpanzer zu legen. Lange helle Strahlen schossen aus den Kampflanzen hervor und tatsächlich: Die Bündelung von Plasmafeuer zerfetzte den einen oder anderen Floater. Die planetaren Kampfroboter und die internen Panzer und Geschütze schossen jetzt auch aus vollem Rohr. Die nietzscheanische Infanterie wurde stark dezimiert, fast breitete sich schon ein Siegesgedanke aus.
                        Eine Explosion zerfetzte einen Abschnitt des Bollwerks. Ein schweres Plasmageschütz hatte die Panzerung getroffen und weggefegt. Die in Deckung gegangenen Soldaten sprangen auf und versuchten, durch die Bresche ins Innere zu gelangen. Unter den Schüssen des Lancer Corps fielen viele von ihnen und es gelang ihnen nicht, einen Fuß in Basis Retro zu setzen. Allerdings unter schweren Verlusten der Verteidiger.
                        „Denen haben wir's gezeigt“, sagte Warrick. Der Perseide sah in nur mit verzerrtem Gesicht an. „Was ist?“, fragte Warrick, dann fiel ihm die Wunde des Perseiden ins Auge. Die Rüstung war von einem Schuss durchstoßen worden, graues Blut lief heraus. Warrick steckte die Kampflanze ein, legte einen Arm um den Verwundeten und schleppte ihn von der Stellung weg. „Achtung! Kommandant getroffen!“. Er legte ihn im Lazarett auf eine freie Stelle und rief sofort die Männer vom Medicorps.
                        Als er wieder auf seinen Posten zurück wollte, berichtete ihm ein Techniker: „Die Verbindung zur Pax Magellanic kann jetzt aufgebaut werden“. Sie gingen zu einem kleinen Unterstand, ein anderer Lancer fast deprimiert sagte: „Sir, sie wird es nicht schaffen. Die Pax Magellanic ist schwer beschädigt, das Slipportal ist bestenfalls zwei Lichtminuten entfernt und nietzscheanische Kreuzer, Fighter und Transporter halten auf sie zu. Wenn sie, das Flaggschiff des Commonwealth geentert wird, sinkt der Kampfeswillen noch weiter“
                        Warrick sah auf das Display und stellte fest, dass die Pax, egal was sie jetzt tat, verloren war. „Jill“, flüsterte er leise und mit Tränen in den Augen, dann baute sich die Kommunikation auf. Hinter ihm prasselten Einschläge in den Felsen.
                        „Jill, hörst du mich? Skyfalls ist tot, die Nietzscheaner haben Fighter gestartet, um das Schiff zu entern! Initiiere eine Selbstzerstörungssequenz!“
                        Knapp hinter ihm schlug ein Geschoss ein. „Nein“, sagte die Pax. „Wir können entkommen!“
                        „Wir dürfen nicht riskieren, dass man dich gefangen nimmt. Du enthältst alle strategischen Kommandos für diesen Sektor!“
                        „Diesen Sektor? Wir haben schon zwei Galaxien verloren! Tarn Vedra ist vollkommen abgeschnitten“. Sie machte eine kurze Paue. „Hör mal, es wird Zeit, dass wir anfangen, an uns selbst zu denken! Ich habe alle Optionen analysiert, die Flucht nach San Ska Re wird gelingen!“
                        Sie diskutierte mit ihm, während er im Kreuzfeuer der Feinde stand! „Du hast deine Befehle!“
                        „Aber...du sagtest, dass du ohne mich nicht leben könntest!“
                        „Jetzt ist keine Zeit dafür!“, schrie Warrick.
                        „Keine Zeit dafür“, sagte sie verächtlich. „Aber für das hier“
                        Sie spielte alte Szenen ab, die Warrick und sie bei ihrer Liebe zeigten. „Jill, hör mit zu! Jetzt reagierst du wirklich emotional!“
                        „Hast du das nicht immer gewollt? Dass ich einmal Emotion zeige?“ Sie machte eine Pause, um ihn zu Wort kommen zu lassen. Er nutzte sie nicht. „Ich habe alles berechnet! Ich habe mich selbst programmiert!“
                        „Du bist darauf programmiert, auf mich zu hören, also zerstöre dich!“, schrie Warrick.
                        „Du schämst dich“, sagte sie. „Du willst nicht, dass ich weiterlebe...weil du nicht willst, dass jemand davon erfährt!“
                        „Jill, ich gebe dir den ausdrücklichen Befehl!“, sagte er mit Nachdruck.
                        „Befehl verweigert, Sir!“

                        Sie hatte die Kommunikation beendet. „Verdammt!“, brüllte Warrick und sprang auf. Schmerz! Er war getroffen worden, von einer nietzscheanischen Kugel. Der Mann sackte wieder zu Boden. Heute war der schlimmste Tag seines Lebens! Und der letzte!
                        Warrick brach zusammen. Ein Schwindelgefühl breitete sich aus, alles was er sah, war verschwommen und verzerrt. Der Schmerz war noch nicht so schlimm, wie er immer gedacht hatte, aber das konnte ja noch kommen. Die Todesfurcht war jetzt das schlimmste. Er sah noch, wie sich ein Mann des Medicorps über ihn beugte und ihm irgendetwas injizierte. Nanobots wahrscheinlich. Vielleicht konnte er ja noch überleben, aber die Nietzscheaner würden die Basis stürmen. Und dann müsste er sowieso sterben. Am Horizont sah der Mensch, wie die Sonne die Barriere durchbrach und die Nacht den Tag verdrängte. Ein dunkler Schleier senkte sich über Herodotus und Warricks Augen. Er war so kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren.
                        Die blau glänzenden Tentakeln eines Slipportals waren am dämmernden Himmel zu sehen. So nahe, so riesig! Es musste auf dem Planeten sein. Warrick war wieder hellwach, als Erschütterungen durch die Kruste gingen. Ein Riesige Gesteinsbrocken flogen durch die Luft auf das Slipportal zu, dann sah Warrick, wie gigantische Stücke des Planeten, viele so groß wie Asteroiden, aus der Kruste brachen. Lavaströme traten hervor, ein Teil des Planeten wurde einfach so herausgerissen. Die Struktur gab nach, und Herodotus brach endgültig auseinander. Eine Hitzewelle tötete sie alle.

                        442. Tag, Triangulumgalaxie

                        Wie ein Schatten in der Nacht glitt die Wrath of Achilles, ein riesiges Schiff, unentdeckt durch nietzscheanischen Raum. Lacos Plan schien aufzugehen. Captain Adriano del Ronis hatte es geschafft, auf den Strings nahe des Quasars zu wechseln. Sie waren dadurch so tief in nietzscheanischem Raumgebiet gelandet, dass eigentlich keine Patrouille mehr nach Eindringlingen suchte.
                        Laco saß auf einem Stuhl neben dem Krankenbett, auf dem Trance Gemini die letzten Wochen verbracht hatte. Jeden Tag, wenn er sie besuchte, sah sie noch eine Spur blasser aus. Die Ärztin konnte ihr nicht helfen. Sie hatte sie sogar gründlich untersucht, aber nichts gefunden. Eigentlich war in ihrem Inneren auch nichts zu finden. Keine Untersuchung und auch keine Minisonden gaben Aufschlüsse darauf, was Trance unter ihrer Epidermis verbarg. Das einzige, was sie herausfinden konnten, war, dass es in ihrem Inneren äußerst heiß war. Über zehn Millionen Kelvin, so sagte die Ärztin, doch wenn man ihre Haut berührte, hatte sie die selbe Temperatur wie bei einem Vedraner, Perseiden oder Menschen. Laco sprach oft mit Trance, sie war zu seiner Beraterin in allen Lebenslagen geworden. Sie war so weise und war etwas wie Lacos Führerin auf den richtigen Weg. Der Vedraner konnte sich gar nicht mehr vorstellen, ohne sie zu leben.
                        „Und du glaubst also, dass ich die Antwort, wieso die Nietzscheaner uns immer drei Schritte voraus sind, in dem Asteroiden des Abyssdieners finde?“. Wie oft hatte er diese Frage schon gestellt. Ihre Antwort war immer gleich.
                        „Wenn ich es nicht glauben würde, hätte ich dich dann auf diesen Weg geschickt?“
                        „Ich werde mir das mal ansehen“, sagte er. „Ich war ja schon mal drüben, als Ismael Khalid und ich den Tesseraktgenerator gestohlen haben. Da war der Asteroid verlassen“
                        „Darauf solltest du dich diesmal nicht verlassen“, sagte Trance.
                        „Ich werde einen Zug Lancer mitnehmen“, meinte Laco.
                        „Tu das nicht“, sagte Trance. „Gegen die Mächte, die dort am Werk sind, hilft auch kein Zug Lancer“
                        „Was hilft dann?“, fragte Laco.
                        „Ich“, sagte Trance bestimmt. „Nimm mich mit, ich kann dir helfen“
                        „Auf keinen Fall“, sagte Laco. „Du bist todkrank und wenn ich dich auf einen gefährlichen Kampfeinsatz mitnehme, wird das deine Lage wohl kaum verbessern“
                        „Es ist nur so, dass du mich brauchst“
                        „Trance, ich weiß, dass es gefährlich ist, aber wie solltest du mir dabei helfen können? Dein Zustand ist schlecht, und wenn du dich nicht schonst, wirst du nicht überleben?“. Was eigentlich überleben?
                        „Ich kann meine Kräfte so einteilen, dass ich die Ankunft der Geminisonne in den bekannten Welten noch erleben werden, verlass dich darauf“
                        „Du bist krank und schwach. Ich werde dich nicht mitnehmen. Schluss, Aus, Ende“
                        Schneller als Laco reagieren konnte, packte sie seine Hand und überdehnte das Gelenk. Er umschloss ihren Arm und versuchte ihn wegzuziehen. Keine Chance. Sie hatte sein Gelenk so fest umklammert wie eine Stahlzange. Noch ein bisschen und sie würde es brechen. „Wirke ich etwa schwach auf dich?“, fragte Trance.
                        „Nein“, presste Laco heraus.
                        Sie ließ ihn los. „Dann kann ich ja mitkommen“

                        443. Tag des Krieges, System des Diener-Asteroiden

                        Nichts deutete darauf hin, dass in diesem schlichten und unbewohnten Sternensystem ein Geheimposten einer höheren Macht versteckt war. Die Wrath of Achilles näherte sich dem Asteroidengürtel. Noch hatte sie kein Feindschiff entdeckt. Die exakten Koordinaten des Asteroiden waren Laco schon von seinem letzten Besuch hier bekannt.
                        „Nähere dich auf zwanzig Lichtsekunden und halte Position“, befahl Laco Achilles. Auf dem Kommandodeck war es angespannt. Niemand wagte, etwas zu sagen. Laco hatte seinen Kampfanzug angezogen, Mathew McDill und ein anderer Lancer warteten zusammen mit Trance Gemini in der Catana Mora.
                        „Zwanzig Lichtsekunden“, sagte Achilles. „Ich stoppe“
                        „Den Laser auf das Ziel ausrichten und markieren“
                        „Sir, ich erhalte Aktivität von dem Asteroiden“
                        „Das habe ich mir fast gedacht“, flüsterte Laco.
                        „Er feuert“
                        „Ausweichmanöver!“
                        Die Punktsingularität verfehlte die Achilles um einige tausend Kilometer.
                        „Verdammt, der benutzt Magogwaffen!“
                        „Wir haben unseren Asteroiden. Geschützrohre 1-90 auf Ziel ausrichten! Feuer!“ Raketen rasten auf den Asteroiden zu – und trafen. Er wurde in Stücke gesprengt, samt dem Punktsingularitätsprojektor auf seiner Oberfläche. Übrig blieben Trümmer und ein metallischer Würfel.
                        „Ein Raumbunker“, stellte Elacta fest.
                        „Ja, ein Raumbunker. Der übersteht eine Planetenexplosion. Und da muss ich rein“
                        „Er ist bestens gesichert“, meinte Captain del Ronis.
                        „Stellt eine PDL-Batterie auf „Laser-Skalpell“ um und schneidet mir die Luke auf!“
                        „Aye, Sir“. Die Laser einer der vierundzwanzig Batterien wurden auf das Ziel eingestellt und schnitten ein Loch in die Außenwand. „Wir werden bei 35 Megawatt knapp zehn Minuten brauchen um durchzukommen“
                        „Ich bin auf der Catana Mora und fliege los“, sagte Laco. „Ihr haltet hier die Stellung. Wenn ein Feind kommt, pustet ihn weg!“

                        Von der Catana Mora aus sah Laco zu, wie die Laser ein Stück aus dem Panzer trennten. Das Schiff warf die Bucky-Kabel auf und zog es aus der Konstruktion. Vermutlich würde in der Luke Vakuum herrschen, deshalb hatten Laco, Mathew und der andere Lancer Helme aufgesetzt. Trance sagte, sie brauche das nicht, sie hatte auch keinen Kampfanzug an, sondern war in schlichter schwarzer Kleidung hier.
                        Die Catana Mora dockte an dem Raumbunker. „Ihr bleibt hier“, befahl Laco dem Piloten. „Wenn ich Euch brauche, rufe ich Euch“
                        „Aye, Sir“
                        „Dann mal los!“
                        Die Luftschleuse öffnete sich und sie traten auf einen der langen Gänge hinaus. Der Diener des Abyss lebte noch, dessen war sich Laco sicher. Durch die Explosion des Asteroiden waren anscheinend die internen Verteidigungssysteme ausgefallen. Sie kamen am Ende des Ganges an. Laco presste sich gegen die Wand. In diesem „Heiligtum“ wartete sicherlich noch der Diener des Abyss auf sie. Er musste sterben. Aber wo steckte er? Von hier aus konnten sie ihn nicht sehen.
                        Stumm gab Laco McDill den Befehl, vorzurücken und in Deckung zu gehen. Der Ulan duckte sich und huschte im Schatten zu einer Stellung. Er zog seine Kampflanze und stellte sie auf automatisches Defensivfeuer. Als nächstes ging Laco. Auch er schaffte es, unbemerkt in eine weiter vorne gelegene Stellung nahe McDill zu kommen. Kurz darauf hechtete sich Trance direkt neben ihm in den Schatten. Laco gab dem Lancer, der noch immer im Korridor stand, den Befehl, auf die andere Seite des Raums zu wechseln. So könnte man einen Feind ins Kreuzfeuer nehmen. Er würde es am schwersten haben, weil er keine Deckung von hinten mehr bekam. Er duckte sich und sprintete los.
                        Ein oranger Lichtblitz, Mündungsfeuer einer Pistole durchschnitt den Raum. Es waren insgesamt acht Schüsse gewesen, die Hälfte hatte getroffen. Mit einem Schrei stürzte der Mann zu Boden. Ihm war nicht mehr zu helfen.
                        „Mathew, erledige ihn!“, schrie Laco.
                        „Aye“, sagte der stämmige Mensch, legte die Kampflanze an und packte sein Gaussgewehr. Es war riesig, hatte zwei Läufe für Plasmafeuer, einen Lauf für Effektoren und drei Läufe für schnelles Feuer. Außerdem noch einiges an Schnickschnack. Laco fand sie zwar nicht so edel wie eine Kampflanze, aber sie war trotzdem eine klasse Waffe. McDill ging aus der Deckung, legte die Waffe auf die Position an, von wo aus geschossen worden war und feuerte. Sein blaues Feuer gab dem Raum einen Eindruck von Blitzlichtgewitter. Zehn Sekunden lang schoss er pausenlos auf den Feind ein, dann sah man drei orange Blitze. Er war getroffen worden und wurde weit nach hinten zurückgeschleudert.
                        „Verdammt!“, raunte Laco. McDill war ein Top-Ulan gewesen, wenn er jemanden nicht besiegt, musste das ein verdammt harter Gegner sein. Laco hatte schon zwei Männer verloren, jetzt musste er aufräumen. Nur noch Trance und er hockten auf dem Boden. „Auf drei“, sagte er und nahm zwei Plasmagranaten in die linke und die Kampflanze in die rechte Hand. „Drei!“ Die beiden sprangen auf und feuerten Plasmasalven in Richtung ihres Gegners. Vier explodierende Plasmagranaten zerschmetterten seine Stellung. Laco hörte auf zu feuern. Jetzt musste er tot sein!
                        Ein orange Blitz! Laco sprang sofort in Deckung, aber Trance hatte es nicht geschafft. Sie sackte neben ihm zu Boden. Wenn sie jetzt starb, würde dann Tarn Vedras Sonne aufhören zu existieren? Nur wegen dieses einen Schusses?
                        „Frag ihn...frag...“
                        „Was, Trance, was?“
                        „Frag ihn nach den zehn...“
                        „Zehn?“
                        „Zehn Radikalen Isotopen“
                        „Ich hab's nicht ganz verstanden, Trance“. Sperrfeuer prasselte über sie hinweg.
                        „Sie baute sich nochmal komplett auf. „Frag ihn, wie die zehn radikalen Isotope lauten!“ Dann brach sie zusammen.
                        Was, verdammt? Das gab alles keinen Sinn! Was waren radikale Isotope und was sollte das bringen? Ein wütender Diener des Abyss schien nicht gewillt zu sein, im Kampf so eine Frage zu beantworten. Laco schoss wild auf ihn ein, ohne aufzustehen. Erfolglos. Beser als nichts zu tun war es allemal. Dann tat er es eben! „Hey! Wie lauten die zehn radikalen Isotope?“

                        Das Feuern verstummte.
                        „Das kann ich Euch sagen“, sprach eine Stimme, weit entfernt. „Tucharium, Negativ 5, Dongor, Negativ 17, Lu, Negativ 31, Kartex Negativ 79, Sharbar, Negativ 101“ Er feuerte nicht mehr. Er war gezwungen, auf Lacos Frage zu antworten! Der Vedraner baute sich auf und sah in, wie er ohne Deckung in einer Ecke des Raums stand. Er hob die Kampflanze, legte an und schoss. Er traf, doch der Mann stand noch immer da und sprach weiter. Der Effektor war einfach durchgegangen. Es war wie bei dem Raumschiff, das mit PSPs auf die Mora geschossen hatte. „Ulanium, Negativ 127, Hyduron, Negativ 173, Simonsium, Negativ 239“. Laco verließ die Deckung und sprintete auf den Mann zu. Er würde sich auf ihn stürzen und ihn zu Boden reißen! „Metite, Negativ 239“. Laco warf sich auf ihn – und tunnelte hindurch. Mit aufgeschürften Handflächen stützte er sich ab. Verdammt! „Krasnov, Negativ 307“
                        Das waren zehn gewesen. Jetzt konnte er wieder handeln. Laco packte die Kampflanze, legte an. Er stand keine drei Meter weg. Er schoss. Und schoss. Nie richteten die Effektoren Schaden an, aber im Moment des Auftreffens konnte sich der Diener nicht mehr rühren. Immer, wenn etwas durch ihn hindurchtunnelte, leuchtete ein Stäbchen, das in seinem Dataport steckte, rot auf. Laco schoss und schoss weiter, gab ihm keine Gelegenheit, zurückzufeuern.
                        „Wie lauten die zehn radikalen Isotope?“, brüllte Laco.
                        „Tucharium, Negativ 5, Dongor, Negativ 17“. Laco trat nahe an ihn heran. Er sah, wie der Schweiß an ihm herunterrannte. Er war in Panik, versuchte, sich zu retten, konnte aber nicht, da er antworten musste. „Lu, Negativ 31, Kartex, Negativ 79, Sharbar Negativ 101“ Laco sah im verächtlich in die Augen und hielt ihm die Kampflanze an die Brust. „Ulanium, Negativ 127“ Laco riss ihm das rot pulsierende Stäbchen aus dem Dataport. Der Diener musste nicht weiter aufzählen und atmete kurz schwer. Laco drückte zweimal ab. Von der Wucht des Aufpralls getroffen wurde er von den Beinen gerissen und landete Meter weiter hinten.
                        „Radikale Isotope“, sagte Laco und steckte die Kampflanze ein. Dann kontaktierte er den Piloten der Mora. Er solle schleunigst kommen und die Toten und Verwundeten aufsammeln und gegebenenfalls verarzten.

                        Laco sah sich in Ruhe um. Die Erstürmung dieses Raums hatte ihm zwei, wenn nicht drei seiner Leute gekostet. Und was hatte er jetzt davon? Die Konsolen waren mit Magogglyphen geschrieben, Laco konnte sie nicht übersetzen. Tarik könnte es, so kam Laco in den Sinn. Was wollte er hier? Was konnte ihm dieser Ort helfen, das Geheimnis zu lüften? Hier gab es nichts, was ihn interessieren konnte. Er sah sich nochmals genau an die Konsolen an, dann durchsuchte er den Boden, die Decke, die technischen Geräte, irgendetwas, was auf nietzscheanische Technologie hinweisen könnte. Währenddessen transportierte der Pilot die beiden Leichen und Trance in die Catana Mora. Laco untersuchte alles genauestens – und fand nichts. Verdammt, was hatte Trance nur bewegt, ihn hierher zu führen. Wütend trat er dem Leichnam des Dieners mit dem nackten Fuß an die Schläfe. Etwas Blut sickerte heraus. Was war der Sinn, hier zu sein? Nichts von dem, was er gehofft hatte, zu finden, war hier. Keine geheimen Unterlagen, Briefe, nichts! Er sah hinab auf den Diener, als sein Blick an dem aufgeregt rot pulsierenden Stäbchen hängen blieb, das er noch immer in der Faust eingeschlossen hielt. Was das wohl sein mochte? Auf jeden Fall war er dadurch unverwundbar. Laco war gedrängt, es auszuprobieren. Entgegen seines besseren Wissens führte er dieses unbekannte Ding langsam und vorsichtig in seinen eigenen Dataport ein.

                        Eine Frau steht auf der Brücke eines Ehrengardeschiffes. Um sie herum stehen Personen, alles verzerrt. Sie hat blondes Haar, trägt keine Uniform. Sie steuert das Schiff. Alles wird auf sie fokussiert, man sieht sie von näher. Immer näher, bald ist die Haut mit den einzelnen Zellen erkennbar. Dann immer näher, bis man die einzelnen Chromosomen sieht. Immer näher. Jetzt sieht man die Genstränge. Adenin, Guanin, Thymin, Cytosin – doch da ist noch etwas. Etwas rot pulsierendes, nicht aus Atomen...sondern aus radikalen Isotopen. In den Genen dieser Frau ist der Geist des Abyss! Das Bild verschwimmt. Man sieht einen Mann. Jeder kennt sein Bild, ein genialer Wissenschaftler. Es ist Doktor Paul Museveni, Vater des Drago Museveni. Auch um ihn herum ist alles verzerrt, man sieht in näher, über Zellen bis hin zu DNA-Strängen. Hier ist alles normal, keine Präsenz des Abyss. Doch dann geschieht Meiose. Die Stränge vereinigen sich, man sieht die Zelle. Sie teilt sich. Und teilt sich nochmal und nochmal. Es wird zum Maulbeerkeim, zum Embryo, zum Fötus, zum Baby, zum Kind, zum Jugendlichen, zum Erwachsenen, zum Greis, zum Leichnam. Jeder kennt dieses Bild, die mumifizierten Überreiste von Drago Museveni alias Saladin Gree. Und er hat die Gene des Abyss in sich – dann ist der Geist des Abyss einen Hauch vor einem. Schmerz im Kopf. Man könnte ihn fast berühren. Er sieht einen mit Augen aus Hass und Liebe an.

                        Laco riss das Stäbchen aus dem Dataport, schleuderte es zu Boden, taumelte zurück. Was war das denn? Schwindel im Kopf. Er konnte sich nicht mehr auf den vier Beinen halten. Laco schlug auf dem kalten Boden aus und übergab sich.
                        „Sir?“, fragte der Pilot der Catana Mora erschrocken und beugte sich über ihn. Er wollte schon Lacos Mundhöhle ausräumen und seinen Kopf überstrecken, aus Angst, dass er das Bewusstsein verlieren könnte.
                        „Mir geht’s gut“, sagte Laco und drückte ihn von sich weg.
                        „Sir, kann ich irgendwas für Euch tun?“, fragte der junge Offizier. „Ja. Wir müssen hier so schnell wie möglich weg-“. Beinahe hätte er sich schon wieder vollgekotzt.
                        „Ich bereite die Catana Mora zum Abflug vor, Sir“
                        „Wartet. Wir schaffen noch ein paar Mark V Sprengköpfe hier rüber und sprengen das ganze verfluchte Teil in die Luft!“
                        „Seid Ihr sicher, Sir? Die intergalaktische Universität-“
                        „Zum Teufel mit der intergalaktischen Universität. Je weniger Augen das hier sehen, desto besser. Und Ihr habt nichts gesehen, ja?“
                        „Natürlich nicht, Sir“
                        Eigentlich hätte er ihn töten müssen. Aus Datenschutzgründen, wie die Kollektoren sagten. Er tat es nicht. Der Pilot half ihm auf die Beine. Laco umklammerte das rote Stäbchen fest, er würde es nicht mehr auslassen. „Los jetzt! Sprengen wir das Teil und dann nichts wie zur Achilles und nach Hause!“

                        444. Tag des Krieges, Tarn Vedra

                        Zweihundert Augen blauer Gesichter blickten in zwei Augen eines blauen Gesichtes. Actrao nax Colyti war vor das Planetenparlament Tarn Vedras getreten und war dabei, ihm seinen Vorschlag zu unterbreiten. Danach würde er sich vor einem Kriegsgericht wegen Hochverrats an der Krone verantworten müssen. Und sie hatten Recht. Er würde bestenfalls mit der Todesstrafe davonkommen. Aber wenn er Tarn Vedra vorher noch retten konnte, würde sein Tod jedenfalls nicht vergeblich gewesen sein. Und das musste er nun dem Planetenparlament klar machen.
                        „Wir sind alle in einer schwierigen Lage“. Wieso begann er seine Rede nur mit solch dämlichen Worten? „Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe. Fehler, die jeder von euch, das ganze Volk der Vedraner, das Commonwealth, ja, eigentlich das ganze Universum zu tragen hat. Ich bin hier, nicht um diesen Fehler gutzumachen, weil das könnte ich nicht. Ich bin hier, um die schädlichen Auswirkungen meines Fehlers so gering wie möglich zu halten. Wenn wir jetzt nichts tun, wird Tarn Vedra zerstört werden. Das wisst Ihr alle genau so gut wie ich. Heute, genau vierhundertvierundvierzig Tage nach Ausbruch des Krieges, hat es begonnen. Die Geminisonne hat den Rand des Tesserakts erreicht. Nun beginnt sie, sich abzubauen. Ihre äußersten Schichten verschwinden im Tesserakt und bauen sich auf der anderen Seite wieder auf“
                        „Und wie kommen die da rüber?“, wollte einer der Vedraner wissen.
                        „Wir nennen das die Route der Zeitalter. Durch sie kann man in die bekannten Welten, aber auch in andere Universen, gelangen und sie wird sich schließen, sobald Gemini komplett aus dem System geschwunden ist. Wir können am Schluss höchstens noch einen Piloten durchschicken, dann wird das System letztendlich für 307 Jahre vom Slipstream getrennt sein. Und der Planet des Lebens, Tarn Vedra, wird erkalten und alles Leben darauf wird vernichtet werden“
                        Die Gesichter der Vedraner wurden ernst. Hasserfüllt und ernst. „Und das ist deine Schuld!“, rief einer.
                        „Das ist wahr, aber das ändert nichts an unserer Situation. Ich aber habe einen Plan, mit dem wir Tarn Vedra retten können. Ich nannte ihn „Tarn Vedras Wiedergeburt“. Mit diesem Plan können wir, trotz großer Verluste und Opfer, auf unserer Welt das Leben erhalten“
                        „Und was willst du für diesen Plan? Amnestie? Vergiss es!“
                        „Nein. Ich will keine Amnestie. Ich werde für meine Fehler die volle Verantwortung übernehmen. Ich will nur das Überleben unseres Volkes sichern! Ich werde euch jetzt verraten, was mein Plan ist.

                        Es gibt hier auf Tarn Vedra ein Artefakt. Es nennt sich „Motor der Schöpfung“ und ist in der Lage, nach der Formel E=mc² Energie in Materie umwandeln. In bestimmte Materie, in bestimmte Atome, Moleküle und andere Verbindungen. Und ich habe herausgefunden, dass wir mit den Novabomben, die wir hier haben, zwei Sonnen in der Größe Geminis und acht Planeten so groß wie Tarn herstellen können. Meine Idee ist es, in der Mitte des Systems zwei künstliche Sonnen herzustellen. Eine würde trotz unserer Technologie dem Eigendruck nicht standhalten können. Dann stellen wir noch acht Planeten wie Tarn Vedra her, die um diese beiden Sterne kreisen. Die Sterne nennen wir Methus I und Methus II. Sie müssen verschieden groß sein, um das Leben hier zu erhalten. Wir lassen die Planeten genau so um die Methussonnen kreisen, dass sie in dreihundertundsieben Jahren eine Linie bilden werden. Ein automatisches Bremssystem. Wenn die Geminisonne wieder in unser System zurückkehrt, wird sie von der Gravitation der Methussonnen angezogen und die von der Gravitation Geminis. Damit sie nicht zu sehr beschleunigen und zu schnell aufeinandertreffen, wird die Geminisonne in einen künstlichen Planeten nach dem anderen krachen und verlangsamen. Dann schalten sich die Sonnen Methus I und Methus II ab und werden von der Geminisonne vaporisiert. Danach ist sie wieder Mittelpunkt des vedranischen Systems“
                        „Und wie sollen wir diese Energiemenge noch mal herstellen?“
                        „Die 4.999 Novabomben, die wir haben, liefern genau die benötigte Energiemenge. Wir schließen sie an den Motor der Schöpfung an und erstellen somit die Planeten und Sterne. Allerdings...hat mein Plan auch eine Schattenseite: Durch die beiden künstlichen Sonnen wird die Temperatur auf Tarn Vedra teilweise über 320 K heiß werden. Das überleben wir Vedraner nicht. Wir brauchen einen viel kälteren Planeten. Wir müssen ins Exil gehen“
                        „Und wo sollen wir bitteschön hin?“
                        „In den Sipstream“, sagte er. „Baut eine Flotte und geht mit allen Vedranern in den Slipstream. Alle anderen Rassen könnt ihr hierlassen, sie werden trotz der Hitze überleben“
                        „In den Slipstream“, fragte eine Vedranerin höhnisch. „Dank dir haben wir keinen Slipstream mehr!“
                        „Doch! Wir haben noch Slipstream, nur führt er nirgends hin. Wenn in 307 Jahren die Geminisonne zurückkehrt, wird auch unser Volk zurückkehren“
                        „Eine Frage hätte ich da noch“, sagte der PPP. „Woher habt Ihr diese Idee?“

                        „Von einer zehntausend Jahre alten Prophezeiung. Sobald die Kinder Vedras ihre Brüder in der Stunde größter Not verlassen, wird sich die Göttin Gemini auf den Weg machen und die Kinder Vedras verlassen. Sie wird gehen und die Kinder Vedras werden von ihrem Gott Tarn ins Exil verbannt. Die Kinder Vedras haben eine Waffe, die sie zum Zerstören von Welten erschaffen haben, doch zum Erschaffen von Welten werden sie sie zerstören. Und der Motor wird ihr Medium sein. Die Göttin Gemini wird so lange fernbleiben, wie sie mit dem Gründer meditiert hat. Wenn Gemini wiederkehrt, wird sie den Gott Tarn achtmal erschlagen um ihren Zorn zu lindern und dann ihre beiden Schwestern, die Methuszwillinge mit der Schärfe des Schwertes vernichten“
                        „Das steht in einer Prophezeiung?“
                        „Wortwörtlich. Glaubt Ihr mir ein letztes Mal oder wollt Ihr mit Tarn Vedra sterben? Entscheidet Euch!“
                        „Was sollen wir mit dem Motor der Schöpfung tun, wenn wir fertig sind?“, fragte ein Mann.
                        „Wir dürfen ihn nicht behalten. Er ist zu mächtig, um von einem Volk besessen zu werden.Wir teilen ihn in fünf Stücke. Eines behalten wir auf der Exodusflotte, eines verstecken wir auf Tarn Vedra. Die anderen drei Teile bringt der letzte Kurier durch die Route der Zeitalter, kurz bevor sie sich schließt. Eines geben wir den Kollektoren, eines versenken wir im schwarzen Loch von Hephaistos und eines bringen wir auf einen kaum kolonisierten Planeten. Shintaida. Das ist die einzige Lösung! Was sagt Ihr?“. Langes Schweigen.
                        „An die Arbeit. Holt den Motor der Schöpfung. Doch wenn wir damit fertig sind, Actrao nax Colyti, wirst du sterben“

                        450. Tag des Krieges, Möbius

                        In einem hohen Orbit über dem Planeten lag die Wrath of Achilles. Vor einigen Stunden war sie im Möbiussystem angekommen und wartete nun darauf, dass die Aminophes mit Admiral Stark an Bord in die Welt des Commonwealth zurückkehrte. Dann würde ihr Laco etwas erklären müssen, was er selbst nicht ganz verstand. Jeden Tag kam er an Trance's Krankenbett, sie war noch immer nicht aus dem Koma erwacht. Die Ärztin war sich nicht mal sicher, ob sie noch lebte, ihre innere Temperatur war unter eine Million Kelvin gefallen. Laco brauchte sie, das wurde ihm bei jedem seiner Besuche klarer als beim vorhergegangenen.
                        Wie immer hatte er auch jetzt das Deck räumen lassen. Er sprach zu Trance, als ob sie ihn hören konnte. Vielleicht sollte er versuchen, sein Bewusstsein via VR-Brille mit ihr zu verlinken. Noch immer hatte Laco nicht verarbeitet, was auf dem Asteroiden des Dieners geschehen war, und er glaubte, Trance könnte ihm dabei helfen. Er wusste auch nicht, dass es ein anderer Diener gewesen war, als der, der ihn einst im galaktischen Kern beschossen und dann von Saladin umgebracht worden war. Laco musste das jetzt tun, er musste jetzt mit Trance Kontakt aufnehmen! Obwohl es ihm die Ärztin untersagt hatte, nahm er die VR-Brille und stülpte sie über Trance's Augen. Dann nahm er das Kabel mit dem Übertragungsstecker und führte es in seinen Dataport ein.

                        Schwindelgefühl, dann war er in der blauen VR-Matrix. Ihm gegenüber war eine Sonne, etwa mit einem Durchmesser von eineinhalb Metern. „Trance?“
                        „Laco? Was machst du hier?“
                        „Ich wollte...“. Was machte er hier? Berechtigte Frage! „Ich wollte mit dir reden...“
                        „Über das, was da drüben passiert ist?“
                        „Ja... unter anderem. McDill und unser anderer Begleiter sind tot! Ich wusste noch nicht mal seinen Namen! Und für McDill musste ich eine weitere Kerze in meinem Quartier aufstellen. Noch ein toter Freund“
                        „Das tut mir Leid“
                        „Und was ist mit dir? Wie geht es dir?“
                        „Es geht mir schlecht...sogar sehr schlecht“, meinte die Sonne. „Diese Schüsse haben mir viel meiner Lebenskraft geraubt... und ich...bin schwach. Aber es gibt Licht am Horizont. Meine Sonne hat begonnen, das vedranische System zu verlassen“
                        „Wirst du dich mit deiner Sonne vereinigen müssen?“, fragte Laco aus Angst, auch sie zu verlieren.
                        „Ja. Aber noch nicht jetzt. Wirst du mir jetzt erzählen, was du erfahren hast?“
                        Laco nickte. „Ich habe mir das Datenstäbchen des Dieners in den Dataport geschoben“
                        „Ist das nicht gefährlich oder so?“
                        „Doch, das ist gefährlich. Auf jeden Fall sah ich dann eine Frau. Sie hatte blondes Haar, ich schätze sie auf ungefähr fünfunddreißig Jahre. Neben ihr standen einige Personen. Ich konnte sie nicht gut erkennen, sie waren ziemlich verzerrt. Einer glaube ich, war Captain Dylan Hunt, ich kenne ihn von der Akademie, er war ein paar Stufen über mir. Dann sah ich noch ein paar Menschen und einen Magog. Und als letztes – sah ich dich, Trance. Auch du standest daneben“
                        „Das wird vielleicht in der Zukunft passieren“
                        „Nein. Dylan Hunt ist tot!“
                        „Ist er das?“
                        „Er wurde in einer Schlacht im Hephaisotossystem getötet. Am ersten Tag des Krieges“
                        „Was hast du noch gesehen?“
                        „Auf jeden Fall sah ich dann die Genstruktur dieser Frau. Und in ihren Genen sah ich Zusammensetzungen radikaler Isotope. Der Abyss ist in ihr. Dann sah ich Paul Museveni und wie sich seine Gene mit denen dieser Frau kreuzten. Es muss also in der Vergangenheit passiert sein“
                        „Hat Dylan Hunt vor zweitausend Jahren gelebt?“, fragte Tance.
                        „Nein, aber lebt Paul Museveni jetzt?“
                        „Nein... es gibt Gerüchte, dass Museveni eine Zeitreise in die Zukunft gemacht hat und dort die Gene einer Frau genommen hat, um Drago zu erzeugen. Diese Frau nennt man Matriarchin“
                        „Das heißt, er wird dieser Frau in der Zukunft diese Gene stehlen, um daraus in der Vergangenheit die nietzscheanische Rasse erschaffen zu haben?“
                        „So könnte man es ausdrücken“
                        „Aber wenn diese Frau die Gene des Abyss in sich trägt“, schlussfolgerte Laco. „Dann sind alle Nietzscheaner-“
                        „vom Geist des Abyss erschaffen!“

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                          #27
                          So, ich hab' mich mal an eine etwas aufpolierte Fassung des Covers für deine Roman-Reihe gemacht, hoffe, es gefällt dir:

                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht

Name: Andromeda_dgn.jpg
Ansichten: 1
Größe: 258,2 KB
ID: 4256677

                          Von der High Guard ein vernünftig aufgelöstes Logo aufzutreiben war leider ein unmögliches unterfangen, aber ich kaschiere das mit ein paar Filtern. Ist glaube ich trotzdem ganz nett geworden.
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                            #28
                            Da hat sich mal jemand wieder richtig Mühe gegeben *g*

                            Das Kapitel gefällt mir übrigens sehr gut XMan

                            Und das Cover von MFB ist wieder mal eine ware Pracht!

                            Kommentar


                              #29
                              @MFB: Das sieht wirklich extremst gut aus! Die Schriftart ist sehr gut gewählt, auch der Originalschriftzug von Andromeda passt gut. Der Planet im Hintergrund, sowie der rote Nebel verbreiten eine klasse apocalytische Stimmung. Teilweise kann man ja auch erkennen, dass das Zeichen etwas verstümmelt wurde.
                              Lediglich mit dem Begriff "Fortsetzung" bin ich nicht ganz glücklich, weil die Geschichte eigentlich 300 Jahre vor Andromeda spielt.
                              Aber insgesamt: Um Welten besser, als mein Entwurf.
                              MFB, du kommst in die Danksagung!

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                                #30
                                Zitat von Mr.X-Man Beitrag anzeigen
                                [FONT="Arial"]
                                Lediglich mit dem Begriff "Fortsetzung" bin ich nicht ganz glücklich, weil die Geschichte eigentlich 300 Jahre vor Andromeda spielt.
                                Oh, Hoppla! Da habe ich doch glatt Sequel und Prequel miteinander verwechselt. Naja, egal, ich hatte sowieso noch vor eine überarbeitete Fassung zu machen, da habe ich gleich auch den Text ändern können:

                                Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht

Name: Andromeda_dgn_2.jpg
Ansichten: 1
Größe: 526,4 KB
ID: 4256755

                                Hab das High Guard-Logo ins Negativ umgewandelt, das gibt dem Ganzen einen noch düstereren Touch, außerdem erkennt man das Logo jetzt mit den dunkleren Farben auch besser. Der "Schmelzeffekt" kommt jetzt mMn auch besser rüber.
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