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Ein paar Nächte vor Weihnachten (eine Kurzgeschichte)

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    Ein paar Nächte vor Weihnachten (eine Kurzgeschichte)

    Die folgende Geschichte basiert auf Figuren, die dem Gemeingut angehören. Die Geschichte selbst ist Eigentum des Autors. Vervielfältigung zu nicht-kommerziellen Zwecken vom Autor ausdrücklich gestattet.

    Ein paar Nächte vor Weihnachten
    von Kai Brauns

    Es war ein wahrlich außergewöhnliches Treffen, von dem ich euch berichten möchte. Nicht außergewöhnlich für die Personen, die sich getroffen hatten. Diese kannten sich gut und waren seit Jahrzehnten und Jahrhunderten miteinander befreundet. Es war außergewöhnlich für jene, die davon hörten. Denn um beide rankten sich Geschichten, doch selten wurde davon erzählt, dass sie einander trafen.

    Der Wind fegte über die schneebedeckte Einöde hinweg und sorgte für ein ausgesprochen schönes Schneewehen. Das Weiß des Schnees wurde durch den dunklen Himmel getrübt. Nur der volle Mond und eine entfernte Stätte am Horizont spendete Licht.
    Gleichmäßig wie ein Uhrwerk war das Herabsinken der kindlichen Gestalt aus dem wolkenlosen Himmel auf die verschneite Erde hinab. Es darf keinerlei Zweifel daran geben, dass es sich bei dieser kindlichen Gestalt um Niemand geringeres als das Christkind gehandelt haben musste. Und obwohl der Wind so stark wehte, wie sonst nirgendwo sonst auf der Erde zu jenem Zeitpunkt, hatte das Kind keine Schwierigkeiten, als es seinen Weg hin zu jener fernen Stätte antrat.

    Ich möchte nicht vergessen zu erwähnen, dass der Kalender den 22. Dezember zeigte. Es waren nur noch wenige Tage bis zum Heiligen Abend, und bis dahin hatte das Christkind noch eine wichtige Angelegenheit zu klären.
    Es ist mir natürlich nicht entfallen, dass es keinerlei Zweifel an der Identität des Kindes geben dürfe, doch sollte noch ein Fünkchen Zweifel existiert haben, so war dieses Fünkchen erloschen, als das Kind mit zwei Schritten an jener Stätte angelangt war, die doch eben noch am Horizont lag.

    Da nun das Kind zweifelsfrei als Christkind erkannt ist, wenden wir uns der Stätte zu. Es handelte sich um ein Dorf im Kleinformat, in bunten Farben und in Streifen, Spiralen und anderen lustigen Mustern bemalt. Zwischen den Hütten liefen kleine Wichte hin und her, mit kleinen Körpern und großen Köpfen. Ihr Haar war mal blond, mal schwarz, mal braun, mal rot, mal glatt, mal lockig, mal zu Zöpfen gebunden, mal lang, mal kurz, doch in jedem Falle war es wunderschön anzusehen. In keinem Falle jedoch war einer dieser wunderschönen Haarschöpfe ohne eine lange, grüne Zipfelmütze mit kleinem Glöckchen an der Spitze zu sehen, und an jedem Kopf waren auf der Seite spitze Segelohren zu sehen. Auch die Kleidung war außergewöhnlich, steckten sie doch in grünen Anzügen mit in verschiedenen Farben gestreiften Armen und Beinen. Ihre Füße steckten in Schuhen, deren Spitze sich nach oben hin zusammenrollte und, wie die Zipfelmütze, von einem Glöckchen gekrönt war. Ihre Gesichter zeugten ausnahmslos von heller Freude. Aufgrund dieser Beschreibung dürfte jeder zu dem Schluss kommen, dass es sich um Weihnachtselfen handeln musste.

    Das Christkind blickte zur Dorfmitte, wo ein Gebäude stand, das keineswegs so klein wie die anderen Häuser des Dorfes war. Es war ein großes Haus mit einer noch größeren Werkstatt und einem großen Stall mit Gehege. Die Fassade des Hauses war knallrot angemalt, das Dach von Schnee bedeckt. Aus der Werkstatt ragten Schornsteine, die den Duft von Zimt und Karamell über das Dorf verteilten.


    „Hallo,“ sagte ein Weihnachtself zum Christkind. „Du bist das Christkind, nicht?! Willst du mit uns spielen?“
    Das Christkind blickte die Gestalt an, die nicht weniger kindlich wirkte, als er selbst. „Ein andermal,“ antwortete das Christkind. „Ich habe etwas Dringendes mit dem Weihnachtsmann zu bereden.“
    „Dann komm,“ sagte der Weihnachtself. „Ich bringe dich zu ihm.“

    Das Christkind folgte dem Elf durch die Straßen des Weihnachtsdorfes, die von hohen Laternen erleuchtet wurden. Zielstrebig gingen sie auf das große Haus zu. An der Tür angekommen klopfte der Elf dreimal. Die Tür öffnete sich und ein älterer Weihnachtself stand im Eingang. Auf seiner großen Nase hing eine Brille, durch die er die Besucher freundlich ansah. „Guten Abend, meine Freunde. Wie kann ich zu Diensten sein?“ fragte der ältere Weihnachtself.

    „Guten Abend, Amicus,“ grüßte der junge Elf. „Das Christkind ist gekommen, um den Chef zu sehen.“
    „Oh,“ machte Amicus, der ältere Elf. „Dann werde ich ihm gleich Bescheid sagen. Kommt doch rein, ihr braucht nicht in der Kälte zu warten!“

    Das Christkind und der junge Weihnachtself, der sich schließlich mit dem Namen Catuli vorstellte, traten ein und Amicus schloss die Tür hinter ihnen und führte sie in ein gemütliches Wohnzimmer. Sie setzten sich auf ein bequemes Sofa gegenüber des großen Kamins, in dem ein wohliges Feuer brannte. Eine ältere Weihnachtselfe names Amica, offenbar die Zwillingsschwester von Amicus, kam mit zwei Tassen heißer Schokolade und einem Teller Zimtsterne herein und stellte die Tassen und den Teller vor die Gäste auf den kleinen Tisch. Das Christkind und Catuli bedankten sich herzlich und beide nippten an ihren Tassen.

    Kurz darauf kam Amicus wieder, und hinter ihm ging ein dicker, älterer Mann. Neben den Elfen und dem Christkind wirkte er geradezu riesig, doch er war sicherlich nicht größer als ein normaler Mensch. Dicker allerdings schon. Er trug einen roten Hausmantel, worunter er ein weißes Hemd und eine rote Hose trug, was aber kaum sichtbar war, denn der Hausmantel war zugeschnürt. Der Kopf des Mannes war von schütterem, weißem Haar gekrönt, doch was oben auf dem Kopf fehlte, machte er Mann mit seinem prächtigen weißen Bart wett. Und wie Amicus trug auch er eine kleine Brille auf seiner Nase.

    Es wird euch, liebe Leser, sicherlich in keinster Weise überraschen, wenn ich euch sage, dass dieser Mann niemand geringerer als der Weihnachtsmann war, aber ich will es dennoch nicht unerwähnt lassen.

    Der Weihnachtsmann lachte freundlich beim Anblick des Christkindes und reichte ihm seine Hand zum Gruß. Das Christkind ergriff die Hand erfreut und schüttelte sie enthusiastisch. Der Weihnachtsmann setzte sich in einen bequemen Sessel und zeigte eine noch größere Freude im Gesicht, als Amica auch ihm eine Tasse heißer Schokolade brachte. „Vielen Dank, liebe Amica!“ Er nahm einen Schluck und setzte mit einem wohligen Seufzen die Tasse ab. An das Christkind gerichtet fragte er nun: „Was bringt dich zu mir, mein Freund?“

    Das Christkind kaute schnell den Zimtstern in seinem Mund und schluckte ihn hinunter, bevor es begann zu sprechen: „Wie du weißt, mein lieber Weihnachtsmann, ist bald Heiligabend, und wir haben noch immer die Aufteilung der Haushalte nicht geklärt.“
    „Ahh,“ machte der Weihnachtsmann. „Ich erinnere mich, das wollten wir dieses Jahr endlich mal tun.“

    „Richtig. Letztes Jahr hatte eine Familie fast keine Geschenke bekommen, weil wir beide dachten, der jeweils andere würde sie übernehmen. Es war bereits kurz vor Sonnenaufgang, bis wir unseren Fehler bemerkten und du noch schnell ein paar Geschenke vorbeigebracht hast.“

    „Das kommt davon, wenn die Leute aufhören, Wunschzettel an einen von uns zu schreiben,“ ärgerte sich der Weihnachtsmann.

    „Naja, die Aufteilung nach Briefen ist eben nicht wirklich optimal. War einfacher, als wir es noch nach Haushalten mit Kamin sortiert haben, aber seit kaum noch Wohnungen mit Kaminen gebaut werden, fällt das einfach flach. Was sollen wir nun konkret unternehmen? Wir können nicht einfach nur jene beschenken, die an uns schreiben.“

    „Richtig, das wäre vor allem Analphabeten gegenüber irgendwie unfair.“ Der Weihnachtsmann dachte nach. „Wir sollten auf jeden Fall unsere Listen vergleichen und nach Familien Ausschau halten, die darauf nicht geführt werden.“

    „Gut,“ sagte das Christkind. „Dann müssen wir noch prüfen, warum diese Familien nicht auf unseren Listen stehen. Es wäre mir reichlich unangenehm, einfach blindlings eine Familie mit auf die Liste zu setzen, nur um an Heiligabend festzustellen, dass ich einer Hindu-Familie Weihnachtsgeschenke gebracht habe.“

    „Ich denke, da kann Adiutor uns helfen. Er ist sehr gut bei diesem bürokratischen Firlefanz.“

    Das Christkind nahm einen weiteren Schluck Schokolade, nickte und sagte: „Sehr schön. Wäre noch zu klären, wie wir solche Last-Minute-Familien unter uns aufteilen.“

    Der Weihnachtsmann strich sich über den Bart. Das tat er häufiger, wenn er nachdachte. „Wir könnten alphabetisch vorgehen. Familien von A bis L übernimmst du, von M bis Z übernehme ich.“

    Das Christkind dachte über den Vorschlag nach. „Das klammert allerdings die regionale Anerkennung aus. Du bist in vielen Ländern und Regionen akzeptiert, wo ich nie hinkäme, und umgekehrt.“

    „Darüber würde ich mir nicht zu viele Gedanken machen. Wir reden immerhin von Familien, die uns keine Briefe schreiben.“ Zufrieden lehnte sich der Weihnachtsmann zurück. „Atheisten und Agnostiker sind natürlich Sonderfälle, die übernehme ich, wenn es dir zu unangenehm sein sollte. Die werden dann von Amicus herausgefiltert.“

    „Gut,“ sagte das Christkind. „Dann hätten wir es ja. Ich lasse euch eine Kopie meiner Liste zukommen, damit dein kleiner Helfer sich morgen an die Arbeit machen kann.“
    „Aber was ist mit verwandtschaftlichen Sonderfällen?“ fragte der Weihnachtsmann.
    „Verwandtschaftliche Sonderfälle?!“ wiederholte das Christkind. „Was meinst du denn damit?“
    „Da ist z.B. dieser junge Mann, der sich von mir etwas für seinen Neffen gewünscht hat. Die Familie des Neffen wird aber laut diesem jungen Mann von dir beschenkt.“
    Das Christkind schüttelte den Kopf. „Das ist nun wirklich kein Problem. Wenn du es als richtig erachtest, bring dem Neffen, was er will. Warum sollte ich dich denn bitte davon abhalten sollen?“

    Nun, da das Problem gelöst war, saßen der Weihnachtsmann und das Christkind noch eine Weile zusammen. Sie tranken noch mehr heiße Schokolade und aßen weiter Zimtsterne. Das Christkind erzählte vom Christkindlanschießen in Gotteszell. Der Weihnachtsmann berichtete von seinem Besuch bei Väterchen Frost und dessen kleiner Enkelin. Und schließlich erzählte Amicus, wie sich die Spielzeugproduktion seit der Erfindung der Fernsehwerbung verändert hatte.

    Sie blieben noch Stunden beieinander, lachten, erzählten und sangen Weihnachtslieder. Der Weihnachtsmann gab „Stille Nacht“ zum Besten und das Christkind revanchierte sich mit „Morgen kommt der Weihnachtsmann“.

    Irgendwann wurde es Zeit für das Christkind zu gehen. Es war bereits der 23. Dezember, und vor dem Heiligen Abend hatten sie alle noch viel zu tun. Und so verabschiedete sich das Christkind vom Weihnachtsmann und ließ sich versprechen, dass auch er einmal zu Besuch ins Himmelreich kommen würde.

    Ebenso schnell und bemerkenswert, wie es gekommen war, so verschwand das Christkind auch wieder. Doch bald würde es auf die Erde zurückkehren. Denn Weihnachten war nah.
    Zuletzt geändert von Kai "the spy"; 23.12.2009, 17:27.
    Waldorf: "Say, this Thread ain't half bad."
    Stalter: "Nope, it's all bad."
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