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    [ST] Mit wachsender Sorge

    Mit wachsender Sorge


    Science-Fiction (ST)
    2008


    Erst Minuten nach dem Abheben tauchte die angestrahlte Seite des Mondes als schmale Sichel auf. Das Transportshuttle flog in niedriger Höhe über die Kraterlandschaft, die lediglich durch einzelne Positionslichter Kontur gewann.
    Da erschien die Erde. Immer wieder war sie erstaunt darüber, wie rasch die Dunkelheit stets schwand. Aber sobald der Pilot das Sternenflotten-Vehikel hochzog, um auf die Anflugbahn zu wechseln, öffnete sich das Panorama weit und gab die Sicht auf die großen, blau-grünen Wassermassen und die beigen Kontinente frei. Das Shuttle beschleunigte weiter, ließ schließlich den Trabanten hinter sich. Beim Eintritt in die Atmosphäre sah sie dem Piloten über die Schulter. Ohne die genauen Funktionen zu wissen, erkannte sie die Leuchtanzeigen, die in gewohntem Muster aufleuchteten und wieder erloschen. Nur die bernsteinfarbene Fläche, die auf einmal heftig aufzuflackern begann, war ihr noch nie aufgefallen.

    --

    »Konnten Sie fertig essen?« fragte Commodore Aaron Lehl seinen Attaché Burges.
    »Nein.«
    »Ich auch nicht.«
    Lehl wanderte etwas auf und ab, langsam und sich in der finsteren Höhle vorantastend. Unter seinen Schuhen knirrschte Sand und feines Gestein. Mit der Hand bemerkte er einen kleinen Verschlag an der linken Seite des Verfließes.
    »Hier scheint die Höhle weiter zu gehen«, kommentierte er seine Entdeckung. »Wer weiß, wo sie hinführt.« Burges schwieg. Etwa vier Meter folgte Lehl der Wand, die dann einen Bogen nach rechts erfuhr. »Wahrscheinlich nichts weiter als eine kleine Nische. Burges? Sind sie noch da?«
    »Ja, Commodore« Burges hing mit den Armen über dem Metallgitter, das das natürliche Gefängnis nach vorne abschloss. Er lauschte in die Dunkelheit, vernahm aber nur die einzelnen Schritte Lehls, der seinen kleinen Rundgang inzwischen beendet hatte.
    »Vielleicht dreißig, vierzig Quadratmeter. Gegen Skelette bin ich nicht gestoßen.«
    »Immerhin lassen sie ihre Gefangenen nicht verhungern«, meinte Burges matt.
    »Ich frage mich, was schief gelaufen ist!«
    »Ich weiß es nicht.« Burges schüttelte den Kopf; eine Gestik, die in der Finsternis freilich ein unbeachteter Reflex blieb. »Ich unterhielt mich gerade mit meiner Tischnachbarin. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist sie die Ministerin für Agrarkunst.«
    »Agrarkunst?« hakte Lehl nach.
    »Ja, das war jedenfalls das Ergebnis, zu dem das Übersetzungsgerät gekommen war. Und sie ist soetwas wie eine Vizekönigin.«
    »Burges, ich fürchte fast, die Dienste des Übersetzers könnten Schuld an unserer Misere sein.«
    »Dann ist es vielleicht gar nicht von Nachteil, dass sie uns alle Geräte abgenommen haben. Vielleicht bietet sich die Chance für einen Neuanfang, falls uns die Wärter abholen.« Wieder trug der Attaché seine Worte bizarr leblos vor, sodass sich die aufmunternde Wirkung verlor und zur tragischen Ironie zu verkommen drohte. Beiden gelang es nur bedingt, die Anspannung in den Hintergrund zu drängen.
    »Konnten Sie etwas an den Reaktionen der Ministerin erkennen? Eine außergewöhnliche Mimik? Ich weiß, wir sind gefangen, nicht nur hier, sondern auch in unseren eignen Normen und Erwartungen. Aber dieses Volk schien mir eigentlich uns ähnlich genug, um Interpretationen und Vermutungen anzustellen.«
    »Mir fiel nichts auf. Ich war bemüht, sie zu den Gesprächen zu leiten, die ihr angenehm waren. Ihre Mimik blieb jedenfalls die ganze Zeit über freundlich.«
    »Bei mir war es genauso. Der Monarch scheint eine umgängliche Person zu sein. Bis zum Kern unserer Verhandlungen bin ich noch nicht vorgedrungen, aber so etwas benötigt ohnehin mehr Zeit. In Anbetracht unserer Lage müssen wir am wechselseitigen Vertrauen noch arbeiten. Halten wir also fest: Falls wir in unseren Gesprächen einen Fauxpas begingen, fiel es uns nicht direkt auf.«
    »Wissen Sie, wer für unsere Abholung gesorgt hat, Commodore?«
    »Nein, plötzlich standen Wachen hinter mir. Eine direkte Order des Königs dürfte es aber nicht gewesen sein, das hätte ich gehört. Oder ist das ein Volk von Telepathen?«
    Jacques Burges schüttelte den Kopf.
    »Burges?«
    »Ach so – nein, nein, in den Informationen stand nichts von nonverbaler Kommunikation dieser Ebene. Die Ministerin sah plötzlich zum Eingang der Festhalle. Dort stand dieser große Mann mit dem auffälligen Hut.«
    »Der Zeremonienmeister?« meinte Lehl.
    »Ja. Mein Übersetzungsgerät nannte ihn den Minister für rituelle Handschläge.«
    »Was ist mit ihm?«
    »Ich glaube, er sprach kurz vor unserer Verhaftung mit einer kleinen Frau und diese Frau stand wiederum bei den Wachen, als wir die Halle betraten.«
    Lehl dachte kurz nach.
    »Die Gastgeschenke. Sie gingen nicht direkt zum Zeremonienmeister, sondern wurden über Diener und Festgäste nach und nach weiter gereicht.«
    »Also erhielt er sie erst, als wir bereits den ersten Gang einnahmen...«
    »Irgendetwas muss ihm missfallen haben. Was hatten wir an Gaben zusammengestellt?«
    »Ganz dem diplomatischen Empfehlungen folgend nur Dinge, bei denen wir davon ausgehen konnten, dass sie die richtige Botschaft vermitteln würden: Dieses Volk hat ein Gespür für Kultur, deswegen repräsentierte ein Bild von Monet die Kunst. Eine bunte Robe für den Kleiderschrank des Königs...«
    »Ja! Aber dass es daran gelegen hat, glaube ich nicht. Ich sah, wie der König sie direkt an seinen Kammerdiener übergeben hat – mit einem Lächeln.«
    »Mit Früchten hielten wir uns zurück. Zwar spielt die Landwirtschaft hier eine große Rolle, aber in Ermangelung genauer medizinischer Kenntnisse wollten wir nicht riskieren, unsere Gastgeber zu vergiften.«
    »So richtig hätte ich ihr Essen auch erst nach einem Scan genießen können. Fahren sie fort, Burges.«
    »Und als Wertsache: Ein Plättchen Gold. Der Planet ist arm an Edelmetallen.«
    »Ah!« Lehls Interesse war geweckt. »Wir gingen davon aus, ihnen etwas Gutes zu tun, indem wir ihnen eine solche Seltenheit überreichen. Vielleicht beeindruckte es Diener und Gäste, wohl auch den König und die Minister, doch der Zeremonienmeister störte sich daran. Es könnte mir rituellen Besonderheiten zusammenhängen.«
    »Möglich. Zumindest haben wir jetzt schon einen Ansatz. Aber, Commodore, wir brauchen einen Plan. Unser Routineruf zum Schiff ist nun mindestens schon zwei Stunden überfällig. Das dichte Gestein verhindert einen Transport, aber sobald wir an die Oberfläche kommen, wird Commander Himer uns aufs Schiff holen.«
    »Ja, falls wir wieder auf die Oberfläche kommen. Die hintere Höhlennische ist klein, aber wir könnten uns dort verstecken.«
    »Und die Wachen überwältigen?« fragte Burges nach.
    »Ja. Aber eine ziemlich unsichere Sache, das gebe ich zu. Die Wachleute maßen mindestens zweieinhalb Meter. Und durch einen aggressiven Ausbruchsversuch erreichen wir nichts weiter als eine Verschärfung der Lage.«

    Lehl und sein Attaché hörten Rieseln von Steinchen.
    Burges war versucht, es zu kommentieren, die Ankunft der Wächter zu vermuten. Doch er hielt sich zurück, als Lehl ihn fast lautlos zurück in den Verschlag der Höhle zog.
    Aus der Ferne war das Schimmern einer schwachen Lampe mehr zu fühlen als zu sehen, so sehr waren beide Männer durch die Finsternis wie an den Sinnen betäubt.
    »Die Herren Aaron Lehl, Jacques Burges...« rief eine dunkle Stimme.
    Doch die beiden Sterenflottenoffiziere schwiegen.
    Metall einer Sichelklinge reflektierte kühles Licht in die Nische. Lehl sah es einen Moment an. Dann stand er auf. Burges’ Arm zuckte an seinem Ellbogen nach, doch sein Attaché hielt ihn nicht auf.
    »Hier«, sagte der Commodore trocken.
    Zwei Wachen standen im Verlies, hielten je eine Lampe und Klingenwaffen in der Hand.

    --

    »Wo befindet sich die dritte Flotte?« wollte Admiral Uded wissen.
    »Sektor Null-Null-Fünf, Sir.«
    »Und die vierte?«
    »Im gleichen Sektor«, sagte Captain Hount, während er auf sein mobiles Anzeigegerät blickte.
    »Im gleichen Sektor? Meinen Sie nicht vielmehr im selben Sektor?«
    »Verzeihen Sie meine Ungenauigkeit, Sir.« Hount nahm Haltung an.

    Uded überlegte.
    »Und wo hält sich Mubati auf?« fragte er schließlich.
    »Noch auf dem Planeten Feeder.«
    Uded grinste. »Gut, er wird aufgehalten«, dachte er bei sich, als das Schiff plötzlich erschüttert wurde.

    Als Uded und Hount die Brücke betraten, war die Square bereits in Kampfbereitschaft versetzt worden.
    An der taktischen Konsole stand ein erfahrener Lieutenant, der mit behänden Bewegungen die offensiven und defensiven Systeme des Schiffs steuerte. Als er Uded bemerkte, unterbrach er seine Arbeit für einen Moment und zollte Udeds Wünschen nach hierarchischer Etikette Tribut.
    »Admiral auf der Brücke«, schrie er in den Trubel des Angriffs.
    Auf dem Hauptbildschirm drohte ein romulanisches Schiff den optischen Sensoren zu entschwinden, indem es aus dem rechten Bildbereich huschte.
    »Ich wusste, dass sie hier sind«, flüsterte Uded, dann wandte er sich an seine Offiziere.
    »Feuer eröffnen. Sie werden sich wieder tarnen. Feuern Sie eine Salve direkt auf die obere Seite des Rumpfs. Steuermann, wir fliegen direkt die Oberseite an. Und weiter nach oben feuern, blind darauf los. Die Phaser müssen nicht treffen, achten Sie nur darauf, dass die Photonentorpedos ins Ziel gehen. Sie werden sich tarnen, nach unten abdrehen und sich tarnen. Und wenn sie sich tarnen, schießen wir die Quantentorpedos ab.«
    Das romulanische Schiff taumelte etwas um seine eigene Längsachse, verhielt sich ansonsten aber so, wie vom Admiral antizipiert: Der leicht grünliche Rumpf begann auf dem Monitor in Schlieren zu verschwimmen.
    »Jetzt«, sagte Uded, »jetzt tarnen sie sich wieder. Sobald sie getarnt sind, werden sie auf volle Kraft beschleunigen. Lieutenant, beim Zielen schön vorhalten! Wir treffen sie mit voller Härte, aber nicht dort, wo sie jetzt sind, sondern dort, wo sie hinfliegen!«
    Das romulanische Schiff verschwand und die Square vollzog eine enge Rechtskurve. Schon verließen fünf Torpedos die Abschussvorrichtung – und flogen ins Leere.
    »Kein Einschlag«, berichtete Captain Hount. Er sah dem Admiral ins Gesicht. Uded presste seine Lippen aufeinander, die Augen waren energisch zusammengekniffen.
    »Was ist los, wo sind sie?«
    Doch der taktische Offizier konnte ihm keine Antwort auf diese Frage geben. »Ich lege einen Fächer, feuere obere und untere Phaserbänke ab«, meinte er stattdessen und ging voll und ganz im Aktionismus des blinden Schießens auf.
    »Aber ich wusste, dass sie hier sind«, sprach der Admiral vor sich hin, »ich wusste es! Statusbericht.«
    »Keine Schäden.«
    »Weil die Feiglinge einer ehrlichen Konfrontation aus dem Weg gegangen sind. Weiter.«
    »Die Romulaner haben sich enttarnt. Die Flugbahn deutet darauf hin, dass sie sich hinter dem zweiten Mond des Planeten versteckt hielten.«
    »Ja. Weiter: Haben sie auf der Oberfläche Spuren hinterlassen?«
    »Ein Außenteam blieb nicht zurück und auch sonst empfangen wir keinerlei Signaturen.«
    »Die Romulaner werden also weitersuchen. Hier bleiben sie nicht«, meinte Uded.
    »System Gamma Vier?«, sagte Hount, mischte sich erst jetzt wieder ein. Solange Uded an Bord war, fungierte das Schiff als Kommandostelle des Admirals.
    »Sehr gut möglich, Hount. Ich hatte recht damit, dass sie es hier versuchen werden. Gamma Vier ist der nächste schlüssige Kandidat. Wir lassen eine Sonde zur Sicherheit hier. Und dann verlassen wir das System. Zwei Stunden Kurs Richtung Erde, Warp Zwei, dann wenden und im parabolen Bogen mit Höchstgeschwindigkeit nach Gamma Vier.«
    Das Nötigste war gesagt und so zog sich Uded wieder in den Bereitschaftsraum zurück. Er dachte über seine Möglichkeiten nach. Es verärgerte ihn, wie diese Chance vergeben worden war, aber er hatte die Romulaner einmal in die Ecke getrieben und es würde ihn wieder gelingen. Solange Mubati andernorts beschäftigt war, konnte er sich der Jagd persönlich widmen, ansonsten musste seine rechte Hand Captain Hount die Mission zu Ende bringen. Zwar war Admiral Mubati sein eigentlicher Konkurrent, in den letzten Monaten hatte sich aber ein neues Problem ergeben und dieses Problem trug einen Namen – Aaron Lehl. »Was«, so fragte er leise vor sich hin, »was macht Lehl wohl im Moment?«

    --

    Der König lächelte. Burges war geneigt, darin ein gutes Zeichen zu sehen. Aber zu viel Unsicherheit, zu unüberschaubare Unwägbarkeiten trübten seine positive Einschätzung der Lage. Seine Hoffnungen baute er deswegen nicht auf psychologische Interpretationen, sondern auf die Utopia, ihr Raumschiff im Orbit, das sie nun, da sie sich wieder in der großen Halle befanden, sicherlich erfassen und hinaustransportieren würde.
    Entweder Commodore Lehl wollte Zeit gewinnen, oder er vertraute auf seine diplomatischen Fähigkeiten und auf die des Königs; jedenfalls begann er das fremde Oberhaupt in einem Gespräch zu binden.
    »Verehrter König, Sie erinnern sich noch an den Tag, als der Pilot meines Volkes mit seinem Fluggerät auf ihrer Welt abstürzte. Ohne sie hätte er nicht überlebt. Ich las seinen Bericht: Er wurde so freundlich aufgenommen wie wir. Er erlebte eine reiche Welt, reich an Kultur und reich an Lust, das Neue zu entdecken. Aber das Unbekannte hat die Eigenart, sich selbst den Wohlgesinnten nicht gleich zu offenbaren. Manches wird in der Fremde genauso gehandhabt wie in der Heimat, anderes nicht. Der Freiheit beraubt zu werden, kann hier wie in meiner Welt einen untrüglicher Hinweis, eine Reaktion auf einen Regelverstoß bedeuten. Doch die Regeln: Sie gehören zu dem Unbekannten, das so vielschichtig ist, dass selbst ein Freund unwissentlich und ohne Absicht einen Fehler begeht.«
    »Fehler müssen gesühnt werden« entgegnete der Monarch lapidar und doch mit Höflichkeit. »Den fremden Freunden aber gewähren wir Freiheiten und Gnade. Wer das nicht weiß, begeht selbst einen Fehler. Ich entschuldige mich bei Ihnen für die Festnahme. Der Fall wurde in der Zwischenzeit geklärt. Ich entschuldige mich auch für die lange Wartezeit, aber wir mussten den Standpunkt des Ministers für zeremonielle Handschläge prüfen. Für seinen Affront Ihnen, unseren werten Gästen gegenüber wurde er geköpft.«
    Burges schluckte, dann lag ihm ein »Das wäre doch nicht nötig gewesen« auf der Zunge. Er wusste selbst nicht, wie ihm diese inhaltlich zwar zutreffende, aber dennoch pietätlose Bemerkung in den Sinn gekommen war; vermutlich eine Form, wie sich die Anspannung entlud. Er kannte Lehl und er sah ihm an, dass auch er schockiert war. Die bizarre Szene, in der der König en passant von der Exekution seines Zeremonienmeisters sprach, wurde von einem regelmäßigen Piepen unterbrochen. Commander Candice Himer meldete sich über das Kommunikationsgerät und nur einige Minuten später materialisierten Lehl und Burges an Bord des Schiffs.

    Himer war sichtlich mitgenommen. Im Transporterraum stand bereits ein bewaffnetes Außenteam bereit.
    »Sir?«, fragte sie.
    »Auf einen höheren Orbit wechseln«, befahl Burges trocken, was seinen Commander nicht befriedigte.
    »Was war los dort unten?«
    »Kulturelle Differenzen, Commander«, mischte sich Lehl ein, »kulturelle Differenzen.«
    »Ich verspüre jedenfalls kein Verlangen, schnell dorthin zurückzukehren.«
    »Ich musste uns die Hintertür offen halten. Vieles hat sich geändert, Burges. Oberste Direktive hin oder her. Ein Zufall, nein, ein Unfall hat uns diese Chance eröffnet und der erste Kontakt war nicht mehr rückgängig zu machen. Das Beste aus der Situation machen – ich glaube das ist die Devise unserer Zeit. Aber ich halte es für klug, die Gespräche mit dem Monarchen ein paar Tage ruhen zu lassen. Beide Seiten müssen sich erst einmal darüber klar werden, was geschehen ist. Eile ist nicht geboten.«
    »Wenigstens in diesem Punkt würde ihnen das Kommando widersprechen«, meinte Burges.
    Sie hatten die Brücke erreicht und Himer kümmerte sich um die Umsetzung des Befehls.
    Commodore Lehl ging zur Kommunikationskonsole.

    --

    »Mubuti ist auf den Weg nach Hachmi Drei!«
    »Was?«, rief Uded.
    Hount war etwas verstört, denn für einen Moment fragte er sich, ob der Admiral tatsächlich den Inhalt seiner Meldung nicht vernommen hatte, oder ob einfach seine Fassungslosigkeit aus ihm sprach. Uded tat ihm den Gefallen, aus seinen Gedanken kein Geheimnis zu machen.
    »Dann spricht er mit dem Kommandaten der siebten Flotte. Vielleicht gar nicht so schlecht. Sein Einfluss auf diese Kreise war ohnehin immer gut, das heißt, er erneuert nur alte Freundschaften. Aber es könnte langsam Zeit werden, zu handeln. Hount, wir treffen uns mit der Grounge, ich fliege mit ihr weiter und Sie kümmern sich um die Romulaner.«

    --

    Lehl war in Sorge. Zwei Tage waren vergangen. Inzwischen hatte er mit Mubuti und dem Sternenflottenkommando auf der Erde gesprochen – ein technisches Problem lag also nicht vor.
    Da tauchte Burges auf und setzte sich in den freien Stuhl neben Lehl. Beide blickten aus dem Fenster der Lounge.
    »Wir haben einen Notruf aufgefangen, von der Square im System Gamma Vier.«
    »Die Square, das ist ein Schiff aus Admiral Udeds Verband.«
    »Ja, unter dem Kommando von Captain Hount. Sie melden einen Angriff der Romulaner. Ich habe Kurs setzen lassen.«
    »Wahrscheinlich wieder eine geheime Mission«, meinte Lehl, mit den Gedanken noch nicht ganz bei der Sache. Dass die Sterne gewandert und beim Sprung auf Überlichtgeschwindigkeit verzerrt worden waren, war ihm gar nicht aufgefallen. »Gamma Vier, ja, das ist gar nicht weit entfernt. Gibt es noch andere Schiffe in der Nähe?«
    »Ein alter Frachter, aber der überlastete seinen Antrieb, um zur Square zu gelangen.«
    Beide schauten einige Sekunden ins All, dann wechselte Burges das Thema.
    »Wann wird geklärt, wer der neue Oberbefehlshaber über die Sternenflotte wird?«
    »Burges, wir wissen doch, dass diese Personalentscheidung längst getroffen wurde. Hinter den Kulissen haben die entsprechenden Leute schon lange Stimmung gemacht. Ich wünschte, ich könnte berichten, Mubuti befände sich im Aufwind. Ja, er hat viele Unterstützer, ausreichen wird es aber nicht. Ich traue Uded zu, sich aller Probleme mittels eines linken Schachzuges zu entledigen. Womöglich schafft er es, Termin und Ort für die finalen Abstimmungen zu bestimmen. Und warum? Weil viele Flottenführer ihm hörig sind und die Eminenzen der Administration schon seit Monaten darauf warten, ihren Aktionismus, der seit Ende des Dominion-Krieges ins Leere lief, zu kanalisieren.«
    »Und Sie?« Burges gefiel sich plötzlich in der Rolle des Stichwortgebers.
    »Natürlich werde ich meinen Part übernehmen. Mubuti kann jeden Unterstützer brauchen.«
    »Und was ist mit Ihnen?« wiederholte Burges seine Frage fast wortgleich.
    »Diese Gerüchte!« Beinahe hätte der Commodore lachen müssen. »Nein, ich habe nicht vor, mich da einzumischen. Ich als Admiral? Ich als Oberbefehlshaber der Flotte?«
    »Warum nicht?«
    Jetzt lachte Lehl tatsächlich. »Ja, warum nicht!«
    Erst Himers Ruf zur Brücke unterbrach die folgende Stille, die die beiden Offiziere nicht als störend empfunden hatten.

    »Captain Hount«, sprach Himer laut und deutlich, »wie ist Ihre Lage?«
    »Der Warpantrieb ist ausgefallen, nur zwei obere Phaserbänke funktionieren und die unteren fünf Decks haben keine künstliche Schwerkraft.«
    »Die Schilde sind aber aktiviert«, flüsterte Burges und Lehl richtete das Wort direkt an Hount.
    »Haben Sie denn Verletzte? Wie geht es Ihrer Crew?«
    »Zehn Tote, zweiundzwanzig Verletzte, einige davon kritisch.«
    »Ja dann deaktivieren Sie Ihre endlich Schilde, wir holen die Verwundeten zu uns rüber!«
    »Die Romulaner könnten noch in der Nähe sein«, tönte es aus den Lautsprechern unheilvoll, »wenn wir die Schilde deaktivieren, vernichten sie uns.«
    »Das hätten sie bereits erledigen können. Senken Sie die Schilde, wir kümmern uns um den Rest.«

    Die Verwundeten wurden versorgt und die Reparaturen an der Square gingen zügig voran. In Hount schwelte der Drang, seine Mission auszuführen: Die romulanischen Separatisten zur Strecke bringen, diese Sektierer, die in der neutralen Zone eine neue Heimstätte suchten. Hount verschwieg Lehl und seinen Leuten jegliche Hintergrundinformationen, stand aber mit Uded in Verbindung – und auch er hörte von den Gerüchten.

    --

    »Wir sollten ihm etwas davon sagen«, meinte Commander Himer in einem ruhigen Moment zu ihrem Captain.
    »Und wenn es sich als falsch erweist, haben wir für zusätzliche Unruhe gesorgt«, entgegnete Burges. Aber er fühlte sich sichtlich unwohl. »Womöglich hat er es auch schon gehört.«
    »Schlechte Nachrichten sprechen sich schnell herum, sogar bis an den Rand des Weltraums«, sagte Himer, »aber die guten lassen auf sich warten.«
    Hinter den beiden signalisierte ein Piepton das Eintreffen einer Nachricht.
    Burges, das Sitzen leid, sah selbst nach.
    »Von der Erde. An ihn.« Er berührte sein Kommunikationsgerät. »Burges an Commodore Lehl, ein Gespräch für sie. Ich leite das Signal in ihren Raum.«
    Burges setzte sich wieder neben Himer, hielt es aber nicht lange aus. Seinen Rundgang um die Brücke, vorbei an allen Konsolen, wiederholte er, als er sah, dass sein Commander immer noch die Informationskanäle der Föderation studierte.


    Sie war eine Frau Mitte Vierzig, das blonde Haar trug sie schulterlang. Immer wieder war ihr attestiert worden, ihr Lächeln habe ein unvergleichlich gewinnende Wirkung. Als Aaron Lehl ihr starres, müdes Antlitz auf dem Bildschirm sah, wusste er, dass sich Yulia Lumidskova noch nie in so einem Zustand befunden hatte.

    --

    Admiral Udeds Resüme fiel positiv aus: Binnen ein bis zwei Tagen konnte das Treffen der Kommandeure organisiert werden, einzig den genauen Termin galt es bewusst abzuwägen. Lediglich zwei seiner Unterstützer befanden sich weit abseits, am Rande des Alpha-Quadranten. Ihre Anwesenheit, so kalkulierte er, war mehr eine Rückversicherung, denn wirklich notwendig – er könnte also auf sie verzichten. Um Mubuti sicher vom Treffen fern zuhalten, musste es innerhalb der nächsten Woche stattfinden, Lehl konnte er in seinen Planungen jedoch kaum wie eine Spielfigur in ein anderes Feld bewegen.
    Hount meldete sich über den Kommikationskanal. Der Admiral vernahm die Meldung, die Square könne ihren Dienst bald wieder aufnehmen, doch sein Attaché hatte noch eine andere Nachricht für ihn.
    Uded lehnte sich zurück, starrte für einen Augenblick ins Nichts. Dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht.

    --

    »Nicht so schnell!«
    Burges passte Captain Hount gerade noch vor der Tür des Transporterraums ab. Beide Schiffe waren im Begriff sich zu trennen: Burges’ Utopia würde mit Maximialgeschwindigkeit zur Erde fliegen, die Square die Jagd auf die Romulaner wieder aufnehmen.
    »Halt!« rief Burges, »Er wusste davon, oder? Uded. Er wusste davon!«
    »Wovon?«
    »Stellen sie sich nicht dumm. Haben sie es ihm gesagt? ›Stellen sie sich vor, Admiral: Natalya Lehl ist tot‹?«
    Hount schwieg, schließlich sagte er »Und wenn schon. Die Nachricht wird überall offiziell bestätigt.«
    »Ja«, lachte Burges Captain Hount sarkastisch an, »ja, und was Uded daraus macht? Was halten Sie davon?« Aber Burges gab seinem Gegenüber keine Zeit zum Antworten, fuhr gleich fort. »Sie hätten Lehl sehen sollen: Nur eine Stunde nach der Benachrichtigung vom Tod seiner Frau meldetet sich Uded bei ihm – um mit ihm über was zu reden? Beleidsbekundung? Fehlanzeige! Stattdessen teilt er ihm den Termin mit, den Termin für das Treffen der Flottenkommandanten und ihrer Stäbe. Lehl hat soeben erfahren, dass seine Frau gestorben ist. Und ›Übermorgen. Kommen Sie zum Treffen oder lassen Sie es bleiben‹, bekommt er von Uded hören. Mubuti wird es auch nicht schaffen, aber das ist egal.«
    Hount wusste nicht, was er entgegnen konnte. Es lag ihm auf der Zunge, die Wahl Udeds sei doch ohnehin ausgemachte Sache, ja, beinahe hätte er den Ausdruck »abgekartet« benutzt, aber er schwieg.
    »Ich glaube«, hob Burges indes an, »ich werde Mubuti empfehlen, nein, ihn bitten, stattdessen gleich zur Beerdigung zu kommen.« Kaum war das letzte Wort verklungen, drehte er sich um und ging langsamen Schritts und mürrisch murmelnd davon. Hount überlegte, ihm zu folgen, nicht um Uded zu verteidigen, sondern eher, um sein eigenes Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen. Stattdessen durchschritt er die Schwelle zum Transporterraum.

    --

    Die Letargie, die Lehl ergriffen hatte, schien Burges durch zornigen Aktionismus wett machen zu wollen. So schlug er – nur gegenüber Himer – vor, die Utopia zu verlassen, um mit einem anderen Schiff des Verbands zum Treffen fliegen zu können. Dass Uded zum neuen Oberbefehlshaber der Raumflotte ernannt werden würde, war durch einen einfachen Captain nicht zu verhindern. Weder Lehl und schon gar nicht Mubuti waren zu ersetzen, aber dennoch war er gewillt, ihre Rolle in der anstehenden Farce aufzugreifen und so aufgewühlt, wie er im Moment war, würde er die Opposition mit einiger Aggression beleben.
    Während Captain Burges sein Vorhaben wild gestikulierend dalegte, hatte Himer zunächst den Blick matt gen Boden gerichtet. Zuerst wollte sie ihm abraten, unterließ es jedoch. Lehl ließ ihn gewähren. Es war aus Burges herausgeplatzt, nur wenige Sätze, nachdem er sich nach dem Zustand des Commodore erkundigt hatte. Lehl stierte ins Leere, sein Gesicht war blaß, die Augen ausdruckslos. Was auch immer er tat, was auch immer er sagte – es funktionierte wie bei einem Automaten, der langsam, aber zuverlässig in seiner Einfältigkeit reagierte. Wie es aber in ihm aussah, vermochte Burges nicht zu deuten.

    --

    »Ich verstehe nicht, wie er sich darauf einlassen kann«, meinte Himer und Burges schüttelte nur den Kopf.
    »Aus Udeds Sicht ist die Sache klar: Er macht die Demütigung für Lehl komplett.«
    Die beiden Offiziere waren nur aus einem Grund bei der Antrittsfeier von Admiral Uded erschienen: Lehl würde eine Rede halten.
    »Aber Captain, Uded muss doch auch klar sein, dass er sich damit keinen Gefahren erweist.«
    »Wirklich? Ich habe Commodore Lehl zuletzt bei der Beisetzung gesehen. Er schottet sich von allen ab, Mubuti soll er auch nicht zu sich gelassen haben. Um ehrlich zu sein, wage ich nicht abzuschätzen, was uns erwartet. Uded handelt aus Überheblichkeit. Ihm kommt gar nicht in den Sinn, Lehl könnte seinen feierlichen Moment stören, denn er denkt, Lehl sei ein gebrochener Mann.« Und obwohl er es nicht sagte, schwang allein im Tonfall die Botschaft mit, Uded könne mit seiner Einschätzung recht behalten.
    Der große Saal der Sternenflottenakademie füllte sich immer mehr. Dreitausend Gäste würden dem Ereignis bewohnen.
    »Mit wachsender Sorge«, las Burges von seinem mobilen Anzeigegerät ab.
    »Bitte?« fragte Himer, die den Blick zur Seite gewandt hatte, jetzt, da einige Honoratioren eintrafen.
    »Mit wachsender Sorge«, wiederholte Jacques Burges, »Laut Programm ist das der Titel von Lehls Rede.«

    --

    Viele Lichtjahre von der Erde entfernt verfolgte Captain Hount einstweilen die Romulaner.
    »Status«, rief er ins Rund der Brücke hinein.
    »Die Schilde sind auf voller Stärke, die Phaserbatterien sind auf neunzg Prozent und uns stehen noch hundertundzwei Torpedos zur Verfügung.«
    »Neunzig Prozent bei den Phasern? Ich dachte, wir hätten die komplette Energie wiederhergestellt.«
    Hount war verärgert. Wochen verfolgte er die Spuren der Romulaner schon und die kleinen Scharmützel, zu denen es dann immer wieder gekommen war, zermürbten ihn. Ohne Anhaltspunkte dafür zu haben, fühlte er sich als Verlierer und meinte einen Verfall der Square wahrzunehmen. Bis in dieses Doppelsternsystem hatten sie das fremde Raumschiff verfolgt. Diesmal, so schwor sich der Captain, würde er das Spiel durchbrechen. Er war fest entschlossen, hier die Entscheidung herbeizuführen.
    »Emissionsstatus?«
    »Scans werden nur passiv vorgenommen, seit Eintritt in das System fliegen wir vom Restmoment und von den Gravitationskräften. Das Absorbtionsfeld ist aktiviert, sodass die Strahlung der Waffensysteme unterdrückt wird.«
    Hount nickte mit dem Kopf.
    »Wie«, fragte jedoch sein erster Offizier, »sollen wir dann die Romulaner aufspüren?«
    »Wir nutzen das, was wir noch haben.« Er sah angestrengt auf den Bildschirm, auf dem der einzige Planet, der Leben beherrbergen könnte, immer größer wurde.
    »Die haben sich auch verausgabt«, meinte Hount. »Um uns einen Schritt voraus zu sein, mussten sie den Antrieb überfordern und auch ihre Offensive und Defensive wurde von uns immer wieder gefordert. Die Tarnung kann nicht perfekt funktionieren.«
    Analytisch fuhr Hount jeden Bereich des Monitors mit seinen Blicken angestrengt ab.
    »Pilotin, berechnen Sie einen Kurs, um den Planeten, mit möglichst wenig Impulsmanövern«, befahl er vorsorglich, stoppte dann aber abrupt ab.
    Ein Zittern links oberhalb der Rundung des Planeten hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Das Licht eines weit entfernten Sterns schwamm vor dem dunklen Hintergrund. »Da haben wir sie«, durchschoß es ihn und er lief in den hinteren Bereich der Brücke, wo sich die taktische Konsole befand.
    »Sehen Sie das dort oben?« Er markierte einen Ausschnitt, indem er ein paar Kontrollen bediente. »Ihre Tarnung versagt, sie lenkt das Licht nicht richtig um. Feuern Sie mit dem Phaser auf diesen Bereich!«
    Ein feurig-roter Strahl verließ die Square, ging aber durch das Flimmern hindurch.
    »Was ist das?« fragte der erste Offizier, aber Hount gab nicht auf.
    »Korrigieren Sie den Zielpunkt«, befahl er dem taktischen Offizier, der sogleich handelte. Diesmal folgte eine Explosion.
    »Volltreffer«, rief Hount, »Nachsetzen! Torpedos.«
    Da erbebte das Sternenflottenschiff, immer und immer stärker.
    Captain Hount fiel zu Boden, schlug sich die Strin blutig. Schwerer als seine Verletzung wog bei ihm jedoch die Verwirrung. Was setzte der Square so zu? Auf dem Bildschirm verschwanden die Torpedos unterdessen im Nichts, denn sie fanden kein Ziel.
    »Sie sind hinter uns«, meldete der taktische Offizier, »Schilde auf vierzig Prozent; die hinteren Waffen sind ausgefallen.«
    »Eine Störsonde! Wir haben einen Köder zerschossen und sie haben gewartet, bis wir uns offen zu Erkennen geben. Pilotin, Kurs hart Steuerbord. Und schnell den Passivitätsmodus beenden!«
    Bis zu diesem Moment zeigte die Bahn der Square zur Planetenoberfläche, doch Hount musste den Bug des Schiffs dem Feind zudrehen, wollte er in die Offensive gehen.
    Der romulanische Kommandant schien mit seinem Gegenpart in einem Punkt übereinzustimmen: Er suchte die endgültige Entscheidung. Aus allen Disrupten wurde die Square beschossen, unfähig sich zu wehren und wie ein verwundetes Tier vom Räuber in die Enge getrieben. Das Flugmanöver der Wende war vollzogen, doch noch immer agierten die Romulaner aus ihrer strategisch günstigen Position heraus. Immerhin trafen die ersten Sensorendaten ein: Die Romulaner hatten eine kleine Gruppe, vermutlich die Vorhut folgender Kolonisten, auf dem Planeten abgesetzt. Energieanzeigen ließen auch auf eine beachtliche Ausrüstung schließen, die wohl zusammen mit dem Personal auf die Oberfläche gebracht worden war.

    »Die Schilde sind zusammengebrochen. Wir sind schutzlos!« brüllte der taktische Offizier.
    »Dann vollenden wir die dreihundertsechzig Grad! Fliegen wir in die Atmosphäre«, sagte Hount.
    »Ohne Schilde?«
    »Und wenn uns der Bug zusammenschmilzt! Immer noch besser, als zerschossen zu werden! Der Übergang könnte die romulanischen Waffensysteme ablenken!«
    Zuerst wurde das Schiff von verbrennendem Dreck eingehüllt, der die Hülle der Square in feinsten Partikeln bedeckt hatte, dann gewann das Rütteln am Rumpf beständig an Intensität und es lag weniger an der taktischen Marschroute, den Feind nicht aus dem Auge zu verlieren, dass Hount den Bildschirm auf rückwärtige Sicht schalten ließ. Das Aufglühen, nein, das Verglühen der Spitze des eigenen Schiffs wollte der Captain nicht mitansehen.
    »Warnung«, ließ die Computerstimme stoisch verlauten, »Hüllentemperatur übersteigt Maximum.«
    »Wir haben noch genug Torpedos« entfuhr es Hount.
    »Die hinteren Rampen sind immer noch unbrauchbar.«
    Doch Hount wollte nicht auf das gegnerische Raumschiff schießen, er wollte die improvisierte Kolonie der Romulaner auf der Oberfläche auslöschen.
    Da erklang ein Geräusch, als würde der Rumpf der Square verbogen. Das Licht erlosch und unter erneuten Sicherheitshinweisen des Computers meldete der taktische Offizier:
    »Sie zielen auf unseren Antriebskern! Und feuern!«

    --

    »Vor fast achtzig Jahren kam es zum Erstkontakt mit einem fremden, außerirdischen Volk. Es war nicht der erste seit Beginn der Raumfahrt und es sollte auch nicht der letzte bleiben, aber es handelte sich um ein ungewöhnliches Zusammentreffen. Gebündelt traf damals ein Captain auf die meisten Herausforderungen, mit denen eine solche Situation aufwarten kann. Die Fremden überragten seine Körpergröße um stattliche ein, zwei Meter. Ihre Kleidung war archaisch, ihre Gerätschaften hingegen hochmodern. Wohl am meisten überrascht war er aber von den Stimmen der Riesen. Nicht nur hoch und dünn, regelrecht labil schienen sie zu sein. Man kann sich vorstellen, wie verstörend diese Gegensätze waren: die bedrohliche Statur, die zerbrechlichen Stimmen; die Urspüglichkeit ihres Auftreten beim gleichzeitigen Beleg für die technische Findigkeit der Außerirdischen. Doch der Captain wusste, dass viel gewonnen war, wenn es gelänge, die ersten Minuten schadlos zu überstehen. Im All erklärt sich nichts von selbst. Es würde dauern, bis die Universalübersetzer die Sätze der Fremden analysiert hatten, um eine Verständigung herzustellen. So überwand sich dieser Captain, folgte gleichzeitig der eigenen Identität und vermied eine Bewertung des Unbekannten. Der Name des außeridschen Volks lautete Ma’kai, der Sternenflottencaptain hieß Yeng Bo. 2313 wurden die Ma’kai Mitglieder der Föderation und 2313 wurde Admiral Yeng Oberbefehlshaber der Sternenflotte.
    Wir arbeiten gegen unsere Natur. Nichts widerspricht dem Wesen der Menschen wohl mehr, als ins kalte, tote All zu fliegen. Und dort sehen wir uns gezwungen, den inneren Nachvollzug zu unterbinden, zugunsten eines hehren Ziels – dem Kontakt mit anderen Lebewesen. Yeng kannte die Gefahren, die damit einhergingen. Wenn wir uns von unseren eigenen Erwartungen lösen, können wir deswegen das Unbekannte verstehen? Nein, aber wir sind für viele Möglichkeiten bereit. Wenn wir uns selbst unterdrücken, verlieren wir dann nicht auch den Bezug zu den Werten und zu den Regeln, die uns ausmachen? Nicht, solange wir uns der Gefahr bewusst sind.
    Es war ein gefährliches Jahrhundert, voller alter und neuer Bedrohungen, die von Yeng, hätte er die ereignisreichen letzten fünfzig Jahre miterlebt, wohl mit wachsender Sorge beobachtet worden wären.

    Der Kampf gegen die Cardassianer, schwelende oder anhaltende Spannungen mit den Klingonen beziehungsweise Romulanern, das Auftauchen der tödlichen Borg und der Krieg gegen das unerbitterliche Dominion. Diese Erfahrungen lassen sich unter einem einzigen Begriff subsumieren: Verlust. Die Konfrontationen mögen letztendlich von der Föderation siegreich beendet worden sein, aber es gibt niemanden, der nicht gelitten hätte. Die Verluste aber machten uns taub. Und dennoch gehen wir stets den nächsten Schritt.
    Intelligenz ist gefragt, aber auch Menschlichkeit, Abstraktionsvermögen und die Kraft, sich selbst zu hinterfragen. Admiral Udeds Verdienste weisen ihn als einen Mann aus, der diese Fähigkeiten mitbringt. Stets bewies er ein untrügliches Gefühl dafür, das Richtige zu tun, sei es in Schlachten oder im Umgang nicht nur mit Außerirdischen, sondern auch mit seinen Mitmenschen, voller Einfühlungsvermögen.

    Mit wachsender Sorge stehen wir Aggressoren gegenüber, treffen wir auf Machtgefüge, die uns zum Handeln zwingen – ohne dass wir reflektieren.
    Mit wachsender Sorge sehen wir die Tendenz, dass die Distanz zu uns selbst in eine Scheinmoral führt, in der wir nicht nur das Fremde, sondern auch uns selbst bekämpfen – ohne dem ganzen Einhalt zu gebieten.
    Mit wachsender Sorge erkennen wir, dass der Weg zum Frieden immer wieder verbaut wird, ohne uns selbst zu fragen, ob unsere innere Distanz zum Unbekannten zu groß oder zu gering wurde.

    In diese Zeit fällt die Ernennung eines neuen Befehlshabers über die Sternenflotte. Er bestimmt den Kurs, die Ausrichtung der Flotte, die sie in den nächsten Jahren zum Apparat der Föderation macht, in den Belangen Verteidigung und Forschung. Die Verantwortung ist keineswegs geringer geworden. Wie Yeng einst blicken auch wir auf eine Zeit des Ungewissen, aber wie bei ihm geschieht dies aus der Warte des gegenwärtigen Friedens heraus. Während uns die Geschichte über die Vergangenheit berichtet, sind wir im Unklaren darüber, ob uns ein halbes Jahrhundert voller Gefahren bevorsteht oder nicht.
    Ich indes übergebe meine Besorgenis in die Hände von Admiral Uded, in der Gewissheit, dass die Sternenflotte des 25. Jahrhunderts nicht mehr so wird, wie wir sie jetzt kennen.«



    ENDE
    Zuletzt geändert von Maximilian; 23.10.2008, 14:15. Grund: Antwort auf eigenen Beitrag innerhalb von 24 Stunden!
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