Autor: Muggelchen*
*hier nicht registriert
Inhaltsangabe:
Zwei Dinge möchte Harry auf hoher See führen: Zum einen Ginny vor den Traualtar und zum anderen ein klärendes Gespräch mit seinem ehemaligen Lehrer für Zaubertränke, damit er sein neues Leben ohne die quälenden Fragen, die ihm auf der Seele lasten, beginnen kann - doch Snape sträubt sich und darüber hinaus sorgen einige blinde Passagiere für viel Abwechslung.
Mit Harry, Severus, Gilderoy, Minerva, Ginny, Hermine, Ron u.v.a.
Anmerkung:
Diese nicht im Stil der "Gruppe 47" verfasste Kurzgeschichte für hpffa.de war mein Wettbewerbsbeitrag zum Thema "Sommerferien in der magischen Welt". Um die Aufgabe zu erschweren, sollte man mindestens zwei der vorgegebenen Filmzitate und zwei der Songzitate in der Geschichte unterbringen. Die zur Auswahl stehenden Zitate habe ich weiter unten aufgeführt. Darüber hinaus habe ich ein weiteres Filmzitat eingebaut, welches nicht zur Auswahl stand - wer erkennt's?
John hat nicht nur das Cover erstellt, sondern sich auch wieder mal als Beta verdingt, wofür ich mich herzlich bedanke
Wir wünschen auf jeden Fall viel Lesespaß und freuen uns auf Euer Feedback.
Ach ja: Ereignisse aus Band 7 konnte ich (wie üblich) nicht berücksichtigen, weil ich ihn noch immer nicht kenne. Zeitlich beginnt die Geschichte einige Jahre nach Band 6.
Die Charaktere dieser Fanfic gehören J.K. Rowling. Die Handlung gehört mir.
Lieben Gruß,
Muggelchen
Filmzitate:
- "Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann. " (Der Pate)
- "Toto, ich habe das Gefühl, dass wir nicht mehr in Kansas sind." (Der Zauberer von Oz)
- "Ich sehe tote Menschen." (Sixth Sense)
- "Aber was, wenn es kein Morgen gibt? Heute gab es nämlich auch keins."(Und täglich grüßt das Murmeltier)
- "Ich spuck' dir in die Augen und blende dich!" (Die Ritter der Kokosnuss)
- "Er hat mich angeschleimt!" (Ghostbusters - Die Geisterjäger)
- "Dumm ist der, der Dummes tut." (Forrest Gump)
- "Ich bin der König der Welt!" (Titanic)
- "Da oben hat man keine Zeit zu denken. Wenn man denkt, ist man tot." (Top Gun)
- "Das ist Sparta!" (300)
- "Houston, wir haben ein Problem!" (Apollo 13)
- "Offen gesagt ist mir das gleichgültig." (Vom Winde verweht)
- "Streicht die Küchenabfälle für die Aussätzigen, keine Gnade mehr bei Hinrichtungen und sagt Weihnachten ab!" (Robin Hood)
- "Meine Mutter sagte mir immer, es gibt keine Monster - keine echten jedenfalls. Aber es gibt sie" (Aliens - Die Rückkehr)
Songzitate:
- "Das ist die perfekte Welle" (Juli - Perfekte Welle)
- "Völlig losgelöst, von der Erde" (Peter Schilling - Major Tom)
- "Relax, Take it easy" (Mika - Relax, Take it easy)
- "Er hat ein knallrotes Gummiboot" (Wencke Myhre)
Ich habe vor fast genau einem Jahr ein 100-Worte-Drabble mit dem Titel "Severus über Gilderoy" geschrieben, in welchem man Einblick in Severus' Gedanken über seinen Kollegen erhält. Das Drabble hat mich dazu bewegt, bestimmte Charaktere in "Krieg und Ferien" zu verwenden. Einzeln möchte ich es nicht hochladen, sondern einfach hier als eine Art Vorwort anbringen.
Viel Spaß beim 30-Sekunden-Schmunzeln, denn länger wird man dafür wohl nicht brauchen. :wink:
Valentinstag… Ich hasse alles, was damit zu tun hat! Und ich hasse es, beim Essen neben IHM zu sitzen. Was für ein aufgeblasener Schnösel! Jetzt zaubert er noch rosa Herzchen in die Luft und die Mädels seufzen schwärmend. Mal sehen, was passiert, wenn ich die Herzchen in Fledermäuse verwandle. Oh, Albus blickt böse herüber – dann eben nicht…
Was sagt er da zu den Schülern? Die sollen mich fragen, wie man Liebestränke herstellt? Jetzt zeigt er mir auch noch seine weißen Zähne – das soll ein Lächeln sein…!
„Haben Sie auch Ihren Spaß, Severus?“
„In der Tat!“
Was für ein eitler Pfau…
Entspannt saß Hermine im Fuchsbau allein am Frühstückstisch und las die neuste Ausgabe des Tagespropheten, in welcher gleich schon auf der ersten Seite über Snape berichtet wurde, der im Kampf gegen Voldemort überlebt hatte und der in Abwesenheit durch das Zaubergamot in allen Punkten der Anklage einen Freispruch erhalten hatte. Snape selbst lag noch, trotzdem Harry bereits vor zwei Monaten Voldemort endgültig besiegt hatte, von der Presse abgeschirmt in einem Krankenzimmer im St.-Mungo-Hospital für Magische Krankheiten und Verletzungen und er wollte bis auf Minerva niemanden zu sich lassen.
Sehr gut konnte sich Hermine noch an den kämpfenden Snape erinnern. Nicht einmal im Traum hätte man sich vorstellen können, dass er mitten im Kriegsgetümmel für jedermann erkenntlich die Seiten wechseln würde, um Harry ganz offen Beistand und Schutz zu gewähren.
Wenn sie ehrlich zu sich war, hatte sie etwas Ähnliches seit seiner Flucht nach dem Mord an Albus geahnt. Trotzdem war sie sehr überrascht gewesen, ihn über sechs Jahre später bei der finalen Schlacht wiederzusehen.
Den Rest seines Planes zu verwirklichen, der daraus bestehen sollte, nach Harrys Sieg über Voldemort heimlich, still und leise zu verschwinden, war Snape jedoch nicht gelungen.
Allein Minerva, Harry und Hermine war es zu verdanken, dass er nicht ins Gefängnis, sondern ins Krankenhaus gebracht wurde und dort verweilte er bis heute, ohne auch nur auf eine einzige Eule von Harry zu antworten. Dabei verspürte Harry so ein tiefes Bedürfnis, mit Snape über all die vergangenen Jahre zu reden, bevor er seine Ginny heiraten und damit ein neues Leben beginnen würde.
„Morgen Hermine“, sagte Harry mit einem strahlenden Lächeln, als er die Küche betrat.
Sie grüßte ihn gut gelaunt zurück, bevor sie den Tagespropheten in die Höhe hielt und sagte: „Er hat seinen Freispruch bekommen.“
„War nicht überraschend oder? Wo wir alle uns doch für ihn eingesetzt haben und wie dankt er es? Wahrscheinlich verbrennt er jeden meiner Briefe ungeöffnet samt Eule. Na ja“, Harry seufzte, „ich freue mich trotzdem.“
Den Mund verziehend nörgelte er gleich im Anschluss: „Malfoy ist gestern freigekommen, schon gelesen? Unglaublich…“
„Er hat sich freigekauft, Harry, da bin ich mir ganz sicher.“ Hermine legte die Zeitung auf den Tisch und fragte: „Wo ist Ron?“
„Der schläft noch tief und fest. Ich bin nur aufgestanden, weil ich bei den Schnarchgeräuschen nicht mehr schlafen konnte.“
Hermine schmunzelte, während sie flüsternd sagte: „Und ich hatte gedacht, dass du heute in Ginnys Zimmer übernachtet hättest.“
„Hermine“, sagte er vorgetäuscht erbost, „wir sind schon lange keine Teenager mehr und haben Anstand.“
„Ja ja“, winkte Hermine ab. „Den habt ihr nur hier im Fuchsbau, weil Molly und Arthur im Zimmer nebenan schlafen.“
Wo sie gerade von Ginny sprachen schaute sich Harry in der leeren Küche um.
„Wieso ist noch keiner von den anderen auf?“, wollte Harry wissen.
Völlig ungläubig blickte sie ihn an, bevor sie vorwurfsvoll erklärte: „Bis auf Ron sind alle anderen längst wach! Molly ist draußen und hängt die Wäsche auf, Arthur ist im Schuppen und bastelt an meinem defekten Fön, Ginny ist bei den Kaninchenställen, Fred und George…“
Resignierend hielt Harry beide Hände in die Höhe und sagte: „Ich bin eine Schlafmütze, ich gebe es ja zu, aber nicht so eine wie Ron!“ Gleich darauf lächelte er milde und bat: „Hilf mir, die anderen zu holen. Ich habe etwas Wichtiges mitzuteilen.“
Es dauerte nicht allzu lange, da saßen die Weasleys um den Tisch herum. Sich von seinem Stuhl erhebend griff Harry zu einem Teelöffel, mit dem er an ein Wasserglas stieß, damit er die volle Aufmerksamkeit seiner Familie und besten Freunde erhielt.
Als ihn alle ansahen, holte Harry tief Luft, bevor er das Wort an sie richtete: „Ich wollte euch sagen, wie froh ich bin, dass ihr in mein Leben getreten seid.“ Molly lächelte selig, während Ginny ihn anhimmelte. „Ich habe euch viel zu verdanken, aber nicht nur euch, sondern auch einigen, die heute nicht hier sind. Das soll mich nicht davon abhalten, Remus und Tonks, Minerva, Luna und auch Neville die gleiche Freude zu bereiten, die ich euch gleich bereiten werde.“
„Spuck es endlich aus, Harry“, forderte George lachend.
„Mach ihr den Antrag!“, kam es gleich darauf von Fred.
Sich ein Lächeln nicht mehr verkneifen könnend blickte er mit fröhlich funkelnden Augen zu Ginny hinüber, die über das ganze Gesicht strahlte.
Ein anstachelnder Pfiff ging durch die Menge, doch Harry sorgte für Ruhe, indem er langsam mit der Sprache rausrückte: „Vor über sechs Jahren habe ich die Schule verlassen und mich auf das vorbereitet, was mir vor zwei Monaten gelungen ist. Wir haben in dieser Zeit kaum eine ruhige Minute verleben dürfen und jetzt, wo endlich alles vorbei ist, habe ich etwas ganz Besonderes vor.“
Alle lauschten und die Neugierde konnte man an ihren Gesichtern ablesen.
Gut gelaunt gab Harry seine Überraschung preis: „Morgen beginnen die Sommerferien. Ich möchte mit euch allen und ein paar anderen zusammen die gesamte Ferienzeit verbringen! Lange habe ich überlegt und am Ende ist mir etwas sehr Reizvolles eingefallen: Wir machen eine Kreuzfahrt; eine magische Kreuzfahrt mit einem Segelschiff! Es handelt sich um einen Dreimaster für maximal 43 Personen, der dank eingebautem Portschlüssel vom Atlantischen bis zum Pazifischen Ozean in null Komma nichts gelangen kann – wo wir gerade schippern möchten.“
Alle waren völlig aus dem Häuschen, nur Ginny schien etwas bedrückt, denn offenbar ahnte sie nicht, dass Harry ihr auf dem Segelschiff nicht nur einen Antrag machen, sondern sie dort vor versammelter Gästeschar gleich ehelichen wollte, wovon bisher nur Arthur, Molly, Ron und Hermine wussten.
Während er dabei zusah, wie sich die Weasleys freuten – wie Fleur ihrem Bill um den Hals fiel und wie die Zwillinge Luftsprünge machten – da kreisten seine Gedanken um das Gespräch mit Minerva, welches er erst gestern Abend über den Kamin geführt hatte.
„Und er hat keinen meiner Brief gelesen?“, hatte Harry sie am Vortrag betrübt gefragt.
„Nein, Harry. Nicht einmal den neuen Minister wollte er empfangen. Er hat sein Krankenzimmer nicht ein einziges Mal verlassen, weil er den Journalisten nicht in die Arme laufen möchte, besonders nicht dieser Kimmkorn.“
Harry hatte laut geseufzt, denn Rita Kimmkorn konnte wirklich nervig sein.
„Er wird sich nicht ewig verstecken können.“ Harry hatte viel mit Snape zu besprechen. „Ich möchte das bereinigt haben, Minerva. Ich möchte seine Version hören.“
Ihm zustimmend hatte Minerva versichert: „Ich weiß, dass du viele Fragen hast. Ihm selbst wird einiges auf der Seele lasten. Ich werde sehen, was ich erreichen kann. Vielleicht kann ich ihn mit einem Portschlüssel zumindest nach Hogwarts bringen.“
Hogwarts wurde von der Presse belauert – das wusste Harry aus eigener Erfahrung – und in diesem Moment war ihm diese abstruse Idee gekommen, denn er hatte leichtfertig vorgeschlagen: „Wie wäre es mit einer Kreuzfahrt? Sie könnten ihn mit einem Portschlüssel doch gleich aufs Schiff bringen, am besten noch, während er schläft.“
Minervas Augen waren ganz groß geworden, doch sie hatte nicht sofort widersprochen, was ihm deutlich machte, dass sie über diese Idee ernsthaft nachzudenken schien.
„Das käme einer Entführung gleich“, hatte sie verlauten lassen, obwohl sie selbst nicht der Überzeugung war, eine wochenlange Kreuzfahrt erster Klasse mit einem Kidnapping gleichsetzen zu können.
„Dann erzählen Sie ihm irgendwas, aber sorgen Sie dafür, dass er aufs Schiff kommt. Da kann er mich nicht mehr ignorieren. Wenn Sie beide in der Kabine bleiben, bis das Schiff abgelegt hat, dann kann er nicht einmal apparieren.“
Wieder hatte Minerva lange nachgedacht, bis sie am Ende gesagt hatte: „Das wird nicht einfach werden. Ich werde mich anstrengen müssen, mir etwas Überzeugendes auszudenken, damit er nicht skeptisch wird. Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann.“
„Sie schaffen das schon“, hatte Harry gesagt, bevor er sich von Minerva verabschiedet hatte.
„Harry?“, hörte er eine Stimme rufen, die ihn aus seinen Gedanken riss. Charlie hatte ihn angesprochen und als Harry ihn fragend anblickte, wollte dieser wissen: „Wann soll es losgehen?“
„Schon morgen vor acht Uhr! Und bevor ihr alle zetert: Mit euren Arbeitgebern ist das längst abgesprochen, also keine Sorge“, beruhigte Harry seine Freunde.
So schnell, wie alle gekommen waren, so schnell waren sie auch wieder aus der Küche verschwunden, bis auf Hermine, Harry und auch Ron, der nun endlich sein Frühstück einnahm.
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„Ein Segelschiff“, wiederholte Snape monoton, während er Minerva anblickte, als hätte sie ihren Verstand verloren.
„Ganz recht, Severus. Eine kleine Erholung für dich und einen anderen Patienten in Form einer Kreuzfahrt über alle sieben Meere…“
Er unterbrach schroff: „Ich werde keine Kreuzfahrt machen!“
„Oh doch, wirst du“, blaffte sie ungewohnt gereizt zurück, während sie sich neben ihn an den kleinen Tisch im Krankenzimmer setzte.
„Aber…“
Sie schnitt ihm das Wort ab und fragte: „Wie lange willst du dich noch vor der Welt verstecken? Was ist an einem Urlaub so schlimm, Severus? Du wirst auf der Reise viel Ruhe haben, Zeit zum Lesen, jede Menge Sonne“, er knurrte missgelaunt, „aber vor allem gibt es dort keine Presse.“
Hier begannen die schwarzen Augen ein wenig zu glänzen. Einer der Gründe, warum er sich weigerte, das Krankenhaus zu verlassen, war Potter, der ihn bisher schon mit einer Unmenge an Briefen belästigt hatte. Der andere Grund war die Presse.
Aus den Zeitungen wusste er, dass sein Haus in Spinners End von den Schmierfinken des Tagespropheten umzingelt war. Vor wenigen Tagen erst war ein Foto seines Wohnzimmerfensters, hinter dessen Gardinen man angeblich ihn hatte erspähen können, der Aufmacher der Abendausgabe gewesen. Nur wenige Menschen wussten, wo er sich tatsächlich aufhielt; nachhause konnte er nicht gehen und Hogwarts war ebenso von Paparazzi umzingelt. Ruhe hätte er dringend nötig.
„Ein Segelschiff“, sagte er diesmal mit etwas enthusiastischer. Er sah sich selbst schon auf dem Deck des Schiffes auf einem Liegestuhl sitzend – natürlich im Schatten – und ein gutes Buch über Zaubertränke lesend, während eine salzige Brise ihm zärtlich die fettigen Haare aus dem Gesicht wehte.
„Warum?“, wollte er unerwartet wissen.
Dass Harry mit ihm nicht nur reinen Tisch machen wollte, sondern es ihm in erster Linie ein Bedürfnis war, sich mit seinem ehemaligen Zaubertränkemeister über den Tod von Albus zu unterhalten, konnte Minerva natürlich nicht als Antwort geben, weswegen sie mit leiser Stimme und sehr betroffen erwiderte: „Albus würde es wollen.“ Das entsprach ebenfalls der Wahrheit.
An seinem Gesicht, gezeichnet von Schuld und Reue, erkannte sie, dass sie ihn endlich überzeugt hatte.
Tief berührt von den Erinnerungen an seinen alten Freund und Mentor blickte er auf und sagte leise: „Danke für das Angebot, Minerva.“
Ein ungewohnt breites Lächeln zeichnete sich auf dem sonst so ernsten Gesicht seiner damaligen Kollegin ab, bevor sie ihm den Unterarm tätschelte und sagte: „Gut, dann werde ich den Oberheiler darüber unterrichten. Du solltest schon packen, es geht morgen bereits los.“
„Ich habe nichts, das ich packen könnte“, erwiderte er trocken. Bis auf die zerfetzte Kleidung, die er am Tage der letzten Schlacht getragen hatte, und seinem Zauberstab befand sich all sein Hab und Gut in Hogwarts oder Spinners End.
„Keine Sorge, du bist damals in Albus’ Testament bedacht worden. Ich werde zu Gringotts gehen und dir ein paar Galleonen holen. Das Segelschiff mag nicht viele Personen aufnehmen können, aber es ist sehr groß; ein Luxusschiff. Es gibt dort mitunter Bekleidungsgeschäfte.“ Er kniff genervt die Augen zusammen, als er an eine Shopping-Tour denken musste, doch Minerva versicherte: „Die haben bestimmt auch eine große Auswahl an schwarzen Umhängen.“
Sich von ihm verabschiedend begab sich Minerva nach ihrem Besuch zum Oberheiler Professor Houston.
„Ah“, machte der, als die betagte Dame sich ihm näherte. „Professor McGonagall, was hat der Patient zu Ihrem Angebot gesagt?“ Professor Houston grinste, denn er ging davon aus, dass sie von dem mürrischen Mann eine Abfuhr erhalten hatte.
„Professor Snape wird morgen mit mir kommen und eine kleine Reise unternehmen.“
Mehrmals blinzelnd nahm der Oberheiler diese Information zur Kenntnis, bevor er sich endlich äußern konnte.
„Dann ist es abgemacht, dass ein Pfleger und ein weiterer Patient sich Ihnen anschließen dürfen?“
„Natürlich, sonst würde doch mein Vorhaben unglaubwürdig erscheinen. Ich werde morgen um Punkt acht Uhr erscheinen und erwarte, dass alle reisefertig sind.“
„Selbstverständlich, Professor McGonagall“, erwiderte Houston. „Ich werde einen verträglichen und angenehm ruhigen Patienten auswählen, dazu einen erfahrenen Pfleger. Ich möchte mich im Vorfeld schon für die nette Geste bedanken, dass Sie einem unserer Sorgenkinder eine solche Reise finanziell ermöglichen.“
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Um halb acht des nächsten Morgens trafen sich alle Geladenen im Fuchsbau. Jeder, der es noch nicht getan hatte, verkleinerte per Zauber seine Gepäckstücke, so dass sie in Jacken- und Hosentaschen passten. Nicht nur die engsten Mitglieder der DA hatten sich noch eingefunden, sondern auch Oliver Wood, mit dem sich Harry nach der Schule selten zum Quidditch getroffen hatte. Remus und Tonks, Hagrid und sogar Alastor hatte er für seine private Charter eingeladen, denn er wollte Menschen um sich haben, die ihm vertraut waren und so hatte er auch nichts dagegen, dass Fred seine Angelina und Bill seine Fleur samt Gabrielle mitnehmen würde. Immerhin stellten all diese lieb gewonnenen Menschen auch seine Hochzeitsgäste dar.
„Dann kann es ja losgehen! Habt Ihr alles dabei? Die erste Hälfte der Ferien habe ich nicht vor, einen Hafen anzusteuern.“ Es war Ron, der flugs nach oben in sein Zimmer rannte und nach wenigen Minuten und etwas außer Atem wieder in der großen Küche auftauchte.
„Jetzt bereit?“, fragte Harry. Da alle nickten, erklärte er: „Draußen im Garten hängt eine Wäscheleine – unser Portschlüssel! Sie ist lang genug, damit wir sie alle gleichzeitig berühren können.“
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Pünktlich um acht Uhr tauchte Minerva im Krankenhaus auf und sie wurde sofort von Professor Houston begrüßt.
„Guten Morgen, Professor McGonagall. Wie Sie sehen, sind alle bereit.“ Er deutete auf einen jungen, gut aussehenden Mann, der die Kleidung eines Pflegers trug. Eine ältere, sehr gebrechliche Frau hatte sich bei ihm untergehakt. In einigem Abstand und mit vor der Brust verschränkten Armen war Severus zu sehen, der den Eindruck erweckte, er würde sich nicht dazugehörig fühlen.
„Darf ich vorstellen?“ Professor Houston deutete auf die ältere Patientin. „Madam Therese, die Gute ist seit 62 Jahren bei uns in Pflege und freut sich schon sehr auf diese Abwechslung.“ Dem Schönling auf die Schulter klopfend stellte er vor: „Das ist Pfleger Adam. Ich versichere, dass beide keine Schwierigkeiten machen werden.“
„Dann können wir aufbrechen. Professor Snape, wenn ich Sie bitten dürfte?“, sagte Minerva mit leicht erhobener Stimme, so dass Severus sich mit den anderen um den Portschlüssel stellen konnte.
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Es war knapp gewesen, doch Harry hatte es geschafft, dass alle Gäste noch kurz vor acht Uhr ihre Kabinen bezogen hatten. Minerva würde mit den anderen nach acht Uhr per Portschlüssel aufs Schiff gelangen. Von der kleinen Ablenkung mit dem Pfleger und dem Patienten wusste er und er hoffte, das Snape bisher noch nicht den Braten gerochen hatte. Harry hatte Minerva angewiesen, die Räume am Bug zu beziehen, denn dort waren keine Zimmer belegt. Das Segelschiff fasste zwar maximal 43 Personen, doch knapp die Hälfte der Kabinen würde unbewohnt bleiben. Er freute sich schon auf ruhige Ferien, ein klärendes Gespräch mit Snape und eine schöne Hochzeit mit seiner Liebsten.
Mit Ginny teilte sich Harry eine Kabine und er blickte gerade aus dem recht großen Bullauge hinaus, als er unten an einem Lagerhaus eine kleine Menschenansammlung bemerkte. Seine Augen weiteten sich vor Furcht, denn es handelte sich bei den Leuten um Journalisten. Verängstigt schloss er das Bullauge und er hoffte innig, dass niemand ihn gesehen hatte.
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Draußen auf dem Hafengelände flohen zwei Gestalten vor der aufgebrachten Meute, die ihnen schon seit einiger Zeit auf den Fersen war. Wohin die beiden auch appariert waren – die Presse war ihnen gefolgt.
„Da vorn“, sagte der Jüngere. „Wir könnten uns auf dem Schiff verstecken.“
Der hochgewachsene, vornehm gekleidete Blonde dachte nicht lange nach, sondern nickte zustimmend. Alles war ihm lieber als die unangenehmen Fragen darüber, wem er wie viel zugesteckt hätte, um dem Gefängnis zu entkommen. Er spähte um die Ecke und als die Schreiberlinge einen Moment lang in einem der Lagerhäuser verschwanden, in welchem sie die flüchtigen Prominenten vermuteten, nahm er seinen Sohn am Handgelenk und rannte mit ihm hinüber zum Segelschiff.
Mit ungewohnter Leichtigkeit konnten sie sich Zutritt auf das Schiff verschaffen. Der Ältere der beiden öffnete die erstbeste Tür, die sich als Besenkammer entpuppte und dort wollten sie sich eine Weile verstecken. Kaum hatten sie den kleinen Raum betreten, verspürten sie plötzlich einen Ruck.
„Hast du das eben auch bemerkt, Draco?“ Der junge Mann nickte. Ein Ohr an die Tür drückend lauschte Lucius einen Moment, bevor es nochmals einen Ruck gab. „Wir werden doch wohl nicht ablegen?“
„Das macht doch nichts“, erwiderte Draco. „Wir fahren einfach ein Stück mit und apparieren später.“ Mit der Idee war sein Vater vollends zufrieden und so lehnten sich beide mit dem Rücken an die Wand, um abzuwarten.
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Im St.-Mungo-Hospital herrschte nach der Abreise von Professor McGonagall ein wenig Aufregung. Schwester Lydia hatte mit Gilderoy Lockhart zu kämpfen, denn der schien heute überaus verwirrt.
„Setzen Sie sich!“, sagte Schwester Lydia im Befehlston.
„Nein! Ich verlange sofort den Oberheiler. Was hier mit einem angestellt wird ist wirklich die Höhe!“, keifte der Patient wie ein altes Waschweib.
„Mr. Lockhart, beruhigen Sie…“
Er unterbrach schroff und sagte laut und bestimmend: „Ich bin nicht Lockhart!“
Ein Heiler eilte ihr zu Hilfe. „Was ist denn los, Lydia?“
„Mr. Lockhart ist heute so…“
„ICH BIN NICHT LOCKHART!“
Gilderoy Lockhart zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf seinen Nachttisch, auf welchem zwei dunkle Fläschchen standen. Der Heiler näherte sich den Objekten, nahm eines in die Hand und roch daran. Der Duft war ihm bekannt, denn es handelte sich um einen starken Schlaftrunk. Gleich darauf nahm er die andere Flasche, führte sie unter die Nase und wurde, als er auch diesen Geruch erkannt hatte, auf der Stelle kreidebleich.
An Lockhart gewandt sagte er verunsichert: „Warten Sie einen Moment und… beruhigen Sie sich bitte.“
In den Flur stürzend suchte er die Station nach dem Oberheiler ab und als er ihn ganz hinten im Gang bemerkte, rief er: „Houston, wir haben ein Problem!“
Der Professor näherte sich ihm schnellen Schrittes. „Was gibt’s denn?“, fragte er besorgt.
„Wir haben ein Problem!“, wiederholte der Heiler und hielt ihm das Fläschchen hin.
An dem Geruch erkannte der Oberheiler sofort, um was es sich beim Inhalt gehandelt hatte und so fragte er erstaunt: „Vielsafttrank?“
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Das Segelschiff verließ die Anlegestelle und Harry atmete erleichtert auf, als die Journalisten am Hafen immer kleiner wurden.
Die Tür zur Kabine wurde aufgerissen und Hermine und Ron stürmten gut gelaunt hinein.
„Harry, Ginny, wir sollten jetzt in den Speisesaal gehen“, empfahl Hermine freudestrahlend.
Zustimmend nickte Ron. „Ja, ich hab auch schon Hunger.“
„Nicht zum Essen, Ron“, warf sie ihm kopfschüttelnd vor. „Um die Rede vom Kapitän zu hören. Außerdem habe ich Minerva gesehen und sie hat mir zugenickt. Das heißt, Snape ist auch hier!“
Ginny umarmte Harry von hinten und gab ihm den Ratschlag: „Du solltest erst mit ihm über Albus reden und danach ein Hühnchen mit ihm rupfen – nicht umgekehrt. Es könnte sonst sein, dass du zwischenzeitlich abdankst.“
Die Freunde kicherten wie Schulkinder, obwohl sie längst erwachsen waren. Als sich die vier auf den Flur begaben, erschraken sie, als sich unerwartet die Tür einer Besenkammer öffnete. Harry fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, als er Lucius Malfoy nebst Sohn vor sich stehen sah.
„Wusste gar nicht“, begann Ron sehr ernst, „dass es der Reederei so mies geht, wenn die schon solche Leute als Putzhilfen einstellen müssen.“
„Ich muss doch sehr bitten!“, sagte Lucius empört.
„Was wollen Sie hier?“, fragte Harry recht gelassen, denn Angst hatte er vor den beiden nicht.
Lucius warf sein Haar elegant über die Schulter und richtete sein schickes Jackett, bevor er hochnäsig erwiderte: „Wir haben uns verlaufen und suchen nun den Ausgang.“
Schmunzelnd erklärte Harry: „Oh, das tut mir außerordentlich Leid für Sie. Das Schiff wird die nächsten Wochen nirgends anlegen und Apparation ist nicht möglich.“ Die entgleisenden Gesichtszüge von Lucius und Draco brachten ihn beinahe zum Lachen, doch er blieb höflich und sagte: „Ich empfehle, dass Sie sich eine der leeren Kabinen nehmen und sich eine schöne Zeit machen.“
Harry wollte bereits gehen und den schmierigen Todesser, der sich aus den Mühlen der Justiz herausgewunden hatte, einfach stehen lassen, da wandte er sich doch noch einmal um und sagte: „Ach ja, die Kosten für alles, was Sie in Anspruch nehmen, werde ich Ihnen später in Rechnung stellen.“ Für einen Moment genoss Harry die aufschäumende Wut der beiden blinden Passagiere, die ihnen eine gesunde Gesichtsfarbe verpassten und er konnte es sich nicht verkneifen, die Malfoys darüber zu informieren: „Im Speisesaal findet gleich eine kleine Willkommensfeier statt. Sie könnten die Gelegenheit nutzen, die anderen Passagiere näher kennen zu lernen.“
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Im großen Speisesaal waren bereits alle bis auf die Malfoys und Minerva samt Anhang eingetroffen. Mit einem zufriedenen Lächeln hielt er Ginnys Hand, während er den Blick über seine Freunde schweifen ließ, bevor Harry bemerkte, dass sich die Tür zum Saal öffnete.
Minerva trat herein und hielt die Flügeltür für einen gut aussehenden Mann auf, der fürsorglich eine ältere Dame hineinführte. Gleich hinter Minerva bemerkte er Snape und Harry hielt den Atem an. Sein ehemaliger Zaubertränkelehrer huschte wie ein Schatten an Minerva vorbei, doch als er entsetzt innehielt und die anderen Passagiere betrachtete, da weiteten sich dessen Augen. Auf der Stelle wollte er kehrt machen, aber Minerva erwischte ihn am Unterarm und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Harry vermutete, dass sie sich womöglich für ihren hinterhältigen Trick, ihn aufs Schiff gelockt zu haben, entschuldigen würde, doch seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als man plötzlich einen hellen Schrei hörte.
Die ältere Dame hatte geschrieen und der Pfleger versuchte alles, um sie zu beruhigen. Neugierig stand Harry von seinem Platz auf, denn was er nun sah, erinnerte ihn sehr an…
„Vielsafttrank!“, schrie Hermine erschrocken auf. „Harry, siehst du das? Die Frau verwandelt sich gerade zurück.“
Jeder im Saal zückte seinen Zauberstab, selbst die Malfoys, die noch nach Severus den Saal betreten hatten. Alle beobachteten, wie die alte Frau in die Knie ging und sich wandte, bis sie auf einmal ganz ruhig wurde und ein wenig erschöpft am Boden kauerte.
„Madam Therese?“, fragte der junge Pfleger vorsichtig.
„Nein“, sagte eine Stimme, die Harry irgendwie bekannt vorkam. Die „Dame“ sprang vom Boden auf und zum Vorschein kam eine sehr bekannte Person.
„Gilderoy Lockhart?“ An Rons Stimme konnte man erkennen, dass besonders er nicht sehr begeistert von dem neuen Gast war – im Gegensatz zu seiner Mutter, bei der man bereits einen verklärten Blick ausmachen konnte.
Minerva war außer sich. „Was haben Sie hier zu suchen?“, schimpfte sie.
„Ich wollte ein wenig Urlaub machen“, erwiderte Gilderoy breit lächelnd, so dass seine strahlendweißen Zähne aufblitzten. „Und außerdem wollte ich mich endlich mal wieder unter die Leute mischen. Auf jemanden wie mich kann man doch nicht ewig verzichten.“
Endlich sagte der Pfleger als Verantwortlicher des Patienten auch etwas dazu und er klang sehr enttäuscht. „Mr. Lockhart, das war sehr dumm von Ihnen!“
„Dumm ist der, der Dummes tut. Ich hingegen finde es sehr klug, dass ich mich aufs Neue meiner Karriere widmen möchte, um der Regierung nicht länger als Insasse des Krankenhauses auf der Tasche zu liegen.“
Gilderoy warf sein charmantes Lächeln in die Menge und aus einer undefinierbaren Ecke hörte man ein weibliches Wesen seufzen.
„Und dumm kann man mich schon deswegen nicht nennen, weil ich natürlich vorbereitet auf Reisen gegangen bin!“ Gilderoy stürmte auf einen freien Tisch zu. Er leerte in Windeseile seine Jackentaschen, breitete viele kleine Gegenstände auf ihm aus und wutschte einmal mit seinem Zauberstab, so dass sie ihre normale Größe zurückerhielten. „Sehen Sie, meinen verehrten Damen?“ Er deutete auf die Exemplare seiner verschiedenen Bücher. „Oh, die Herren möchte ich natürlich nicht vergessen, verzeihen Sie mir.“
Mit viel Elan schwang er sich auf den Stuhl hinter seinen Tisch, zückte noch Tintenfass und Feder, die er ebenfalls wieder vergrößert hatte und wartete auf den ersten Autogrammjäger.
„Das kann nicht wahr sein oder?“, flüsterte Ron Harry ins Ohr. „Der ist schlimmer als beide Malfoys zusammen!“
„DAS habe ich gehört“, zischte Draco ihn böse an.
„Severus“, hörte Draco seinen Vater sagen und er wandte sich um.
Lucius ging auf den Tränkemeister zu und hielt in überraschter und gleichzeitig willkommener Geste die Arme ausgestreckt, bevor er mit schmieriger Stimme sagte: „Mein guter Freund aus vergangenen Tagen!“
Kühl konterte Severus: „’Ein vergangener Freund aus guten Tagen’ träfe es wohl eher, nicht wahr? Bleib mir vom Leib, Lucius!“
Ohne Lucius weitere Beachtung zu schenken näherte Severus sich dem Gastgeber und als er sich vor Harry einschüchternd aufzutürmen versuchte, da bemerkte er, dass sein ehemaliger Schüler in den letzten Jahren leider einen nicht unerheblichen Wachstumsschub gehabt haben musste, denn sie waren jetzt gleich groß.
„Minerva hat mich darüber unterrichtet, dass die Kontrolle über dieses Schiff bei Ihnen liegt“, sagte Snape durch zusammengebissene Zähne.
„Nicht ganz, die Kontrolle liegt natürlich beim Kapitän, aber was das Anlaufen an einen Hafen betrifft…“
Snape unterbrach ihn und betonte seine Bitte als Forderung: „Dann bitte ich Sie inständig, mich sofort vom Schiff zu lassen!“
Mit dem Kopf schüttelnd widersprach Harry: „Geht nicht! Seien Sie die nächsten Wochen mein Gast.“
„Wochen?“, wiederholte Snape verdattert. „Ich will nicht mal eine weitere Minute an Bord verbringen! Ich verlange…“
„Nein, tut mir Leid, Snape… ähm, Professor Snape oder Mister? Wie wär’s mit Severus? Wie darf ich Sie nennen?“
Durch finstere Augen blickte Snape ihn an. Er zählte die einzelnen Fakten auf, die er bisher erfahren hatte: „Sie lassen mich nicht gehen.“ Harry schüttelte den Kopf. „Und ich werde hier bleiben müssen, weil Sie es so wünschen.“ Harry nickte und Snape schloss die Augen, als müsste er sich arg zusammennehmen.
„Also, wie darf ich Sie nennen?“, fragte Harry nochmals.
„Offen gesagt ist mir das gleichgültig. Und wissen Sie auch, warum?“ Wieder schüttelte Harry den Kopf, so dass Snape tief Luft holte und mit einem fiesen Grinsen antwortete: „Weil man mich ausschließlich an der Bar finden wird, wo ich mir eine Flasche Feuerwhiskey nach der anderen… Nein, Moment: Ich bin Ihr Gast, richtig?“
„Ja“, sagte Harry ein wenig verunsichert.
„Dann werde ich Ihnen den Spaß, mich gegen meinen Willen auf diesem Kahn mit all den ach so fröhlichen Menschen festhalten zu wollen, so viel kosten lassen wie nur möglich.“ Snape drehte sich zum Barkeeper und verlangte laut: „Champagner! Den teuersten, den Sie haben.“
„Oh, habe ich da eben Champagner gehört?“, fragte Gilderoy und sprang voller Vorfreude von seinem Stuhl, um sich beschwingt dem Zaubertränkemeister zu nähern.
Snape rollte mit den Augen, als er seinen einstigen Kollegen auf sich zukommen sah. Ohne Berührungsängste schlug Gilderoy dem dunkel gekleideten Mann kumpelhaft auf den Rücken, was man selbst in Harrys Augen als Anzeichen für akute Selbstmordabsichten betrachten könnte, denn nicht einmal er würde den kontaktscheuen Mann so aufdringlich begrüßen.
„Nein, nicht Sie…“, winselte Snape.
„Was denn? Kennen wir uns etwa? Sind Sie ein Bewunderer von mir?“, fragte Gilderoy sehr interessiert.
„Ja, sicher.“ Für Harry war deutlich, dass Snape ihn veralberte, aber Gilderoy war nie der Hellste gewesen.
„Das ist ja großartig!“, freute sich der Autor, bevor er Snape, der resigniert hatte und sich nicht mehr zur Wehr setzte, zur Bar führte und den Namen seines Fans erfragte.
„Das erste Treffen ist doch ganz gut gelaufen“, sagte Ginny ermutigend, als sie Harry zu sich an den Tisch zog, damit er sich wieder neben sie setzen würde.
„Findest du?“ Er blickte zur Bar hinüber, an der Severus und Gilderoy sich ein Glas Champagner gönnten. „Es ist gerade mal kurz vor zehn Uhr und er fängt bereits an sich zu betrinken.“ Er seufzte. „Ist es wirklich so schlimm, ein paar Worte mit mir zu wechseln?“
Hermine beschwichtigte ihn: „Du hast doch die ganzen Ferien Zeit, Harry. Du wirst schon die Gelegenheit finden, ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Ich kann nachher gern mal ein wenig bei ihm vorfühlen, wenn du möchtest, aber jetzt gönn’ ihm etwas Ruhe – es ist ja heute der erste Tag.“
Erneut schaute Harry zur Bar, an welcher Severus bereits das zweite Glas in Empfang nahm, bevor er sagte: „Wenn er weiter so viel trinkt, wird er bis spätestens übermorgen tot sein.“
Einen Tisch weiter saßen die beiden Malfoys ganz allein. Lucius blickte mit Neid in den Augen zu dem Tisch hinüber, an dem die ganzen Weasleys saßen, bevor er zu Draco sagte: „Komm, wir setzen uns hinüber.“
„Aber Vater, der Tisch ist voller Wiesel!“
„Es ist aber der Kapitänstisch und Menschen von unserem Stand haben dort zu sitzen! Ich lege dir nahe, dich zu benehmen, Sohn. Unser Auftreten in der Gesellschaft ist äußerst wichtig für den Ruf unserer Familie. Keine Zankereien!“, befahl sein Vater.
Am anderen Tisch konnten die beiden nicht zusammensitzen. Nur ein Stuhl neben dem Kapitän war noch frei und den nahm sich sein Vater, so dass Draco gezwungenermaßen neben Ron Platz nehmen musste.
„Was wird denn das, wenn es fertig ist?“, fragte Ron verdutzt, nachdem Draco sich neben ihn gesetzt hatte.
„Der Stuhl war nicht besetzt“, erwiderte der Blonde arrogant.
„Ich dachte immer, das Personal isst in der Küche!“
Draco erstarrte für einen Moment und zählte anscheinend in Gedanken bis zehn, bevor er höflich klingend erwiderte: „Wenn man sich in einer Besenkammer aufhält, bedeutet das noch lange nicht, dass man einen Bediensteten darstellt. Genauso wenig zeugt es von hohem, gesellschaftlichem Status, nur weil man am Tisch des Kapitäns sitzt.“
Ron runzelte die Stirn, bevor er gereizt fragte: „Hast du mich eben beleidigt?“
„Ron“, sagte Hermine ruhig, damit Ron sich nicht weiter provozieren ließ.
An der Bar ließ Severus das Geseier Gilderoys über sich ergehen und mit jedem Schluck Alkohol wurde die Situation erschreckender Weise erträglicher für ihn.
„Wussten Sie, dass ich fünf Mal hintereinander die Auszeichnung der Hexenwoche für das charmanteste Lächeln gewonnen habe?“ Gilderoy unterstrich seine Aussage mit einer Kostprobe seines Könnens, woraufhin sich bei Severus sämtlich Nackenhaare aufrichteten. Anstatt zu antworten trank er noch einen Schluck Champagner und ließ Gilderoy weiterhin schwadronieren.
„Nachdem ich mein Gedächtnis verloren hatte, bin ich aus allen Wolken gefallen, als man mir mitteilte, dass ich ein bekannter Autor wäre“, erzählte Gilderoy stolz. „Daraufhin musste ich unbedingt all meine Bücher lesen und ich fand sie einfach umwerfend. Ich bin schon ein sehr talentierter Künstler, finden Sie nicht?“
„Sicher“, murmelte Severus in sein Glas.
„Ah“, machte Gilderoy. „Es ist so gut, dass mich jemand versteht.“ Er beugte sich zu Severus und flüsterte: „Ich kenne sogar eine der Personen in diesem Raum!“ Zu Ron hinübernickend erklärte er: „Den Rothaarigen dort, direkt neben dem Blonden, den kenne ich. Der wohnt in einer schmutzigen Höhle unter der Erde; ist das zu fassen?“
Verwundert blickte Severus zu dem Tisch hinüber und er erkannte Ronald Weasley, durch dessen geknickten Zauberstab Gilderoy damals sein Gedächtnis verloren hatte. Gleich darauf fiel sein Blick auf Hermine Granger, die ihm direkt in die Augen schaute und auch noch so dreist war, ihm ein freundliches Lächeln zu schenken. Er verzog angewidert das Gesicht und wandte sich wieder seinem Glas zu.
„Es war so langweilig im Krankenhaus“, beschwerte sich Gilderoy, „und außerdem hat dort jeder schon mein Autogramm. Madam Therese hat mir von dieser kurzfristigen Reise erzählt und da dachte ich, dass ich mein Glück mal außerhalb dieser sterilen Wände suchen sollte.“ Er seufzte. „Aber es scheint so, als wollte man hier auch kein Autogramm von mir haben.“
Durch vom Alkohol schon etwas schwere Lider blickte Severus den eingebildeten Schriftsteller an. Seine Augen wurden wie von einem Magnet von dessen leuchtend blonder Haarpracht angezogen, die äußerst vollendet schien. Jedes einzelne, leicht gelockte Haar saß perfekt.
Den Blick seines Gegenübers bemerkte Gilderoy und er fragte erschrocken: „Oh mein Gott, es ist doch nichts mit meiner Frisur oder? Kein Wunder, dass die Damenwelt mir nicht zu Füßen liegt.“ Verzweifelt knabberte er am Fingernagel seines Daumens, bevor er zu sich selbst sagte: „Es gibt an Bord bestimmt einen Frisör! Es muss einen geben. Ich werde einfach mal schauen…“
Innerlich atmete Severus auf, Gilderoy nun endlich los zu sein und als er ihm hinterherblickte, da bemerkte er etwas weiter rechts, wie Miss Granger mit breitem Lächeln und selbstsicherem Auftreten sich ihm näherte. Ihrer hartnäckigen Fragerei würde er in seinem angetrunkenen Zustand nicht standhalten können, so dass er rief: „Lockhart, warten Sie.“ Er griff sich die angebrochene Flasche Champagner und folgte dem an seiner Haarpracht zweifelnden Mann, während er sich darüber amüsierte, dass Miss Granger wie ein begossener Pudel dastand.
Nach ein paar Wegbeschreibungen von netten Stewarts fanden Gilderoy und Severus tatsächlich den Frisörsalon und der war, weil sich alle anderen noch im Speisesaal aufhielten, menschenleer.
„Hach, hab ich ein Glück!“, stieß Gilderoy erleichtert aus, während er sich bereits auf den Stuhl begab.
„Was darf es sein, Sir?“, fragte der feminin wirkende Haarkünstler.
„So etwas Ähnliches wie ich es bereits trage, nur um einiges atemberaubender; vielleicht etwas fluffiger!“
Sich auf einen der Stühle im Wartebereich setzend fragte sich Severus, was nun schlimmer sein würde: Dem Frisörbesuch seines aufdringlichen Ex-Kollegen beizuwohnen oder sich von Miss Neunmalklug ins Kreuzverhör nehmen zu lassen.
„Mr. Snape, was denken Sie? Die Farbe kann so bleiben oder?“, wollte Gilderoy wissen. „Oder noch etwas goldiger? Ich bin mir da immer nicht so sicher…“
„Ich mag die Farbe Gold…“, sagte Severus. In Gedanken vollendete er den Satz: ’…bei einem Goldbarren.’
„Endlich mal jemand, der mir seine ehrliche Meinung sagt! Danke, Mr. Snape.“ An den Frisör gerichtet sagte er mit theatralisch untermalender Handbewegung: „Sie haben es gehört: Etwas Schwung in die Haare und mehr Gold auf mein Haupt!“
Severus musste leise aufstoßen, doch er konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob das vom Alkohol herrührte.
Gelangweilt saß er auf seinem Stuhl, blätterte bereits in einer Zeitung für Frisuren und sagte ab und an „Ja“, „Ganz recht“ oder „Völlig Ihrer Meinung“ und er wunderte sich darüber, dass er mit seinen monotonen Antworten nicht aufzufallen schien. Gilderoy war ganz offensichtlich jemand, der nur Selbstbestätigung suchte, denn sonst würden solche Antworten nicht auf jede einzelne Frage wie die Faust aufs Auge passen.
Nach einer ganzen Weile – Severus war das Gesäß eingeschlafen und er wusste nicht einmal, dass das überhaupt möglich war - hörte er Gilderoy triumphierend sagen: „Es ist vollbracht!“
Neugierig blickte Severus auf und es verschlug ihm glatt die Sprache, als er das goldfarbene, locker gewellte Haar erblickte.
Ungläubig und mit gerümpfter Hakennase fragte Severus: „Ist das Goldglitter?“
„Oh, ich wusste, dass das zu viel des Guten ist! Machen Sie es raus“, bat Gilderoy den Frisör eindringlich, der daraufhin einmal seinen Stab wutschte und den überflüssigen Schnickschnack entfernte. „Besser“, sagte Gilderoy nach einem Blick in den kleinen Spiegel vor sich, bevor er sich vom Stuhl erhob.
Er stellte sich direkt vor einen der großen Spiegel im Raum und betrachtete sich; nicht nur die Frisur, denn die war ja nur Teil des Ganzen. Das gesamte äußere Erscheinungsbild musste vollendet aufeinander abgestimmt sein.
Gilderoy drehte und wendete seinen Kopf und musterte ihn von allen Seiten, bevor er es wagte, sein Haar vorsichtig mit der flachen Hand zu berühren, als wäre es ein zerbrechliches Kunstwerk, was es in gewisser Weise auch war.
Preisverdächtig lächelnd zwinkerte er seinem eigenen Spiegelbild liebäugelnd zu und lobte den Haarkünstler: „Das ist die perfekte Welle!“
Erneut musste Severus aufstoßen.
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Im Speisesaal blickten Harry und Hermine gleichermaßen entgeistert zu Oliver, Draco und Ron hinüber, die sich alle drei enger zusammengesetzt hatten, um sich über Quidditch zu unterhalten.
„Was ist mir dir, Malfoy? Du warst in der Schule doch ein guter Sucher, warum versuchst du es nicht mal beruflich?“, fragte Ron.
„Ich weiß nicht, ob es sich für eine Person meines gesellschaftlichen…“
Oliver hielt ihm vor Augen: „Jetzt vergiss mal deinen Status und stell dir vor, als Sucher für Eintracht Pfützensee bei der Weltmeisterschaft zu fliegen! Wäre das nicht was für dich? Hat doch auch mit Ruhm und Berühmtheit zu tun.“ Draco schien tatsächlich Geschmack daran zu finden, doch auf der anderen Seite glaubte er, die beiden würden ihn nur auf den Arm nehmen.
Ron schlug ihm auf denselben und sagte: „Es ist ein harter Sport; vielleicht ist es doch nichts für dich.“
„Was willst du damit sagen? Dass ich ein Weichei bin?“
„Nein, so war das nicht gemeint. Ich spiele seit Jahren professionell und ich weiß, dass es manchmal übel zugehen kann. Da oben hat man keine Zeit zum denken. Wenn man denkt, ist man tot.“ Ron hatte am Ende sehr philosophierend geklungen.
Draco schnaufte verachtend, weil er sich nun tatsächlich veralbert vorkam, so dass er schnippisch erwiderte: „Dann ist das ja offensichtlich genau der richtige Sport für dich!“
„Ich habe langsam begriffen, Malfoy, dass du mich für einen Dummkopf hältst. Ich habe keine Lust mehr auf solche Gespräche, wenn du ständig…“
„IHR habt doch MICH auf den Arm genommen!“, warf Draco den beiden gereizt vor. „Als ob ihr mich tatsächlich zu Profispieler machen wolltet – dass ich nicht lache.“
Beleidigt stand Draco auf und verließ den Speisesaal, während sein Vater sich weiterhin köstlich mit dem Kapitän amüsierte.
„Was hat der denn?“, fragte Ron voller Unverständnis.
Hermine versuchte zu erklären: „Ihr seid früher nicht gerade gut miteinander ausgekommen und jetzt wollt ihr ihn als Sucher für euer Team gewinnen? Selbst ich kann das nicht ganz glauben.“
„Mine, das ist was völlig anderes. Das ist Profiquidditch! Da gibt es keine Todesser und keine Feinde, es gibt nur gute Spieler und manchmal auch bessere, aber Harry will ja nicht…“ Ron warf Harry einen enttäuschten Blick zu, obwohl sie vor Jahren längst geklärt hatten, dass Harry nicht professionell Quidditch spielen wollte. „Draco war früher schon gut und er ist noch immer sehr fit. Hast du dir mal angesehen, wie durchtrainiert er ist?“
„Du achtest auf den Körperbau von Männern?“, fragte Hermine entgeistert.
Oliver verteidigte Rons Ansicht und erklärte: „Aus sportlicher Sicht! Kingsley hat auch einen super Körper, aber als Sucher wäre er viel zu groß und schwer. Draco ist schlank und drahtig – genau so einen suchen wir!“
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Im Frisörsalon sträubte sich Severus dagegen, ebenfalls auf dem Stuhl des Haarkünstlers Platz zu nehmen.
„Zieren Sie sich nicht, Mr. Snape. Sie haben mir vorhin doch zugestimmt, dass Ihr Haar grauenvoll schwunglos, ekelhaft fettig und geradezu ohne jeglichen Schnitt ist“, sagte Gilderoy.
„Habe ich das?“
„Ja, Sie erwiderten daraufhin ’Völlig Ihrer Meinung’ und als ich fragte, ob Sie ich nicht recht damit hätte, dass Sie sich darum kümmern müssten, da antworteten Sie ’Ganz recht’. Auf mein Angebot, gleich nach mir Ihr ’kleines’ Haarproblem in den Griff zu bekommen, hatten Sie klipp und klar mit ’Ja’ geantwortet – ich habe Zeugen!“ Gilderoy blickte zu dem Frisör hinüber, während der bereits mit Horror in den Augen die schwarzen Haare des grantigen Kunden betrachtete.
Severus stöhnte, doch letztendlich sagte er: „Wie Sie meinen.“ Er setzte sich freiwillig in den Stuhl und murmelte: „Schlimmer kann der heutige Tag sowieso nicht werden…“
„Gleich danach besuchen wir übrigens ein paar Boutiquen, Mr. Snape, denn Sie hatten mir ja zugestimmt, dass Schwarz absolut nicht Ihre Farbe ist!“
In diesem Moment sehnte sich Severus nach dem dummen Geschwätz von Weasley, den Frechheiten von Potter und der hartnäckigen Fragerei von Miss Granger.
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Eine Woche später…
Die ganze Zeit über hatte Severus es bewerkstelligen können, Potter und seinen Freunden aus dem Weg zu gehen, indem er sich einfach Gilderoy angeschlossen hatte, denn wo der war, wollte niemand anderes sein. Allerdings hatte der von sich selbst sehr überzeugte Autor eine so unangenehme lästige und arrogante Art an sich, dass es Severus immer schwerer fiel, ihn ohne Alkohol zu ertragen. Seltsamerweise bekam er an der Bar nicht mehr so viel, wie er bestellte und er ahnte, dass Potter seine Finger im Spiel haben musste.
„Sie sehen verkrampft aus, Severus“, hatte Gilderoy gesagt, der sich bereits am zweiten Tage die Freiheit herausgenommen hatte, ihn unaufgefordert mit Vornamen anzusprechen.
Ein Kellner unterbrach kurz und lieferte das bestellte Menü, bevor er gleich darauf wieder verschwand.
Sich die Stoffserviette mit einer geschmeidigen Bewegung aus dem Handgelenk heraus über den Schoß werfend sagte Gilderoy zu seinem Gegenüber: „Ich weiß, was sie aufmuntern würde. Wie wäre es mit einer Massage?“
Mit zusammengekniffenen Augen blickte Severus seinen Tischnachbarn an, bevor er skeptisch fragte: „Von wem?“
„Na, es gibt doch an Bord dieses Wellness-Angebot. Ich denke, ich werde es in Anspruch nehmen und Sie sollte das auch! Einige von den Masseuren habe ich bereits gesehen und die haben sehr“, er machte zweimal eine greifende Bewegung, „kräftige Hände.“
Eine einzige Augenbraue wanderte nach oben, bevor Severus antworten konnte: „Das war’s! Ich werde mich lieber meinem Schicksal ergeben und mich zu einem Gespräch mit Potter bereit erklären, bevor Sie sich weiterhin erdreisten, in meine Freizeitgestaltung einzugreifen; mich zum Barbier zu schleifen und mir ihren grässlichen Geschmack in punkto Kleidung aufdrängen zu wollen.“
Severus erhob sich, aber Gilderoy setzte seinen Hundeblick auf und fragte mitleidig: „Sie haben mich nur ’ertragen’, weil Sie sich vor Potter zurückgezogen haben?“ Die großen blauen Augen blinzelten ungläubig und ein Hauch Enttäuschung war in ihnen zu sehen, bevor er noch leise anfügte: „Ich dachte, Sie würden meine Gesellschaft schätzen, wie ich auch die Ihre…“ Gekränkt verstummte er und blickte auf den Teller vor sich, rührte jedoch nichts an.
Einen Moment lang zögerte Severus, den Mann allein am Tisch zurückzulassen. Wie sich herausstellte, zögerte er zu lange, denn unerwartet hatte sich Potter zu ihm an den Tisch gesellt und sich ungefragt gesetzt. Natürlich waren seine Leibeigenen, Granger und Weasley, ebenfalls aufgetaucht und es war sehr deutlich zu spüren, dass die drei ihn nicht fortgehen lassen würden. Es gab kein Entkommen.
„Mr. Potter, was für ein Zufall. Ich wollte mich gerade auf den Weg zu Ihnen machen“, sagte Severus mit bedrohlich säuselnder Stimme.
„Na prima, dann können wir endlich über Albus reden. Wissen Sie eigentlich, dass ich dabei gewesen war, als Sie ihn mit einem Avada ermordet haben?“, fragte Harry ernsthaft.
Hier spitzte Gilderoy die Ohren. Er verhielt sich das erste Mal in seinem Leben ruhig und ließ andere reden. Niemand am Tisch schien ihm noch Beachtung zu schenken und so blieb er die ganze Zeit sitzen, um der interessanten Unterhaltung zu lauschen, die so viele Neuigkeiten beinhaltete, von denen die Öffentlichkeit noch nie etwas erfahren hatte.
Die Journalisten des Tagespropheten würden sich gegenseitig umbringen, um auch nur für fünf Minuten dem ernsten Gespräch zwischen Harry Potter und Severus Snape beiwohnen zu dürfen; dessen war sich Gilderoy bewusst. Die Themen, über die gesprochen wurden, ließen das Herz eines jeden Schriftstellers höher schlagen: Horkruxe, fluchgeschwärzte Gliedmaßen, Unbrechbare Schwüre, geplanter Mord.
Die ganze Nacht über hörte sich Gilderoy die Dinge an, die Harry Potter belasteten, die Erklärungen, die Severus Snape gab, die Einwürfe, die Miss Granger zum besseren Verständnis einzelner Aspekte machte – wofür er besonders dankbar war – und das Geschmatze von dem Rothaarigen, den er einst in einer Höhle getroffen hatte und der unentwegt zu essen schien.
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„Es war gut“, begann Harry, „dass wir mal drüber gesprochen haben.“ Er wirkte sehr besonnen und zufrieden.
Erleichtert atmete Severus aus, bevor er ihm wortlos zustimmte. Es war gar nicht so schlimm gewesen, dachte er sich. Das Gespräch war ruhig verlaufen und es hatte auf beiden Seiten nicht nur Klarheit gebracht, sondern auch Verständnis für den jeweils anderen.
Auf die Uhr blickend informierte Harry die Anwesenden: „Doch schon so ’spät’, dann gibt’s jetzt wohl gleich Frühstück.“
„Das wir gern zusammen einnehmen können“, schlug Severus unerwartet vor, was alle erstaunte, denn selbst Gilderoy war dazu eingeladen.
Später gesellte sich Minerva noch an den Tisch. Nach einer eher belanglosen Plauderei fragte sie plötzlich: „Severus, was halten Sie von einer Stelle als Zaubertränkelehrer in Hogwarts?“
„Bedaure, Minerva.“ Er blickte sie an und erklärte: „Ich werde zunächst die Ferien genießen und natürlich die für heute angesagte Hochzeitsfeier.“
Gilderoys Augen glänzten, als er mit begeistertem Gesichtsausdruck seinem Tischnachbarn eine Hand auf den Unterarm legte und voller Vorfreude zu Ron sagte: "Eine Hochzeit? Ich liebe Hochzeiten! Drinks für alle!"
Verlegen lächelte Ron, bevor er seinen Arm unbemerkt unter Gilderoys Hand wegzog und Snape noch sagen hörte: „Vielleicht mache ich mir während der Sommerferien sogar Gedanken über meine Zukunft.“
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Rückblickend betrachtet bezeichnete Harry die vergangenen Sommerferien als seine schönsten, aber vielleicht empfand er das auch nur so, weil es nach langer Zeit die ersten Ferien in Friedenszeiten gewesen waren. Keine Dursleys weit und breit, keine Anfeindungen mit seinem ehemaligen Zaubertränkelehrer, aber vor allem hatte er endlich die Frau seiner Träume ehelichen können und zwar im Beisein all seiner Freunde.
In ihrem neuen Haus am Frühstückstisch sitzend reichte Ginny ihm eine Tasse Tee, bevor sie ihm schelmisch grinsend den Tagespropheten unter die Nase hielt. Die Schlagzeile lautete:
„Neuer Sucher bei Eintracht Pfützensee – Draco Malfoy fängt jeden Schnatz!“
„Hat er es doch gemacht“, sagte Harry lächelnd, während er sich den Artikel durchlas.
„Lies mal Seite sieben“, empfahl Ginny im Anschluss.
Auf entsprechender Seite fand er einen kurzen Artikel, der ihn ein wenig überraschte, denn dort war zu lesen: „Als finanzieller Retter der ortsansässigen Reederei ’Apparation Tours’ entpuppte sich Lucius Malfoy, der nicht nur mit einer Spende das Unternehmen vor dem Konkurs bewahrte, sondern in Zukunft auch einen aktiven Part übernehmen will.“
Harry musste schmunzeln, bevor er amüsiert fragte: „Er wird doch wohl nicht putzen?“
„Und jetzt noch auf Seite elf – die Bestsellerlisten, Harry.“ Ginny lehnte sich mit einem Lächeln auf den Lippen zurück und beobachtete Harrys Gesicht, als der Seite elf aufgeschlagen hatte.
„Platz eins“, las er laut, „wird seit mehreren Wochen von Gilderoy Lockhart ungeschlagen gehalten. Mit dem aufschlussreichen Werk, mit dem das einstige Opfer eines fehlgeschlagenen Obliviate-Zaubers ein glänzendes Comeback feiern konnte, bekommt der Ottonormalzauberer endlich einen klaren Einblick in die Kriegsgeschehnisse. Die Identität des mysteriösen Co-Autors, dem Lockhart in der Widmung seinen tiefsten Dank ausgesprochen hatte, bleibt weiterhin ein Rätsel. Lesen Sie mehr über den Bestseller ’Konspiration und Krieg’ in der morgigen Sonntagsausgabe.“
„Mmmh“, machte Ginny. „Wer mag wohl dieser ’mysteriöse Co-Autor’ sein?“ Beide grinsten verstohlen.
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„Mach endlich, Severus, wir haben einen Termin und ich möchte nicht zu spät kommen!“
Gilderoy drängelte und zwar schon seit zwei Stunden, weil er wusste, dass Severus sich nicht so leicht von seinen Reagenzgläsern und Kesseln losreißen konnte.
„Was für einen Termin? Ich habe gesagt, ich möchte nicht als Co-Autor in Erscheinung…“
„Nein, ein anderer Termin und jetzt mach. In fünf Minuten…“
„Ja, ja“, blaffte Severus ihn an, „hetz mich nicht.“
Ohne das Ziel zu kennen ließ sich Severus von Gilderoy per Apparation mitnehmen.
In einer vornehmen Gegend angekommen wies Gilderoy den Weg, bevor er schwärmte: „Die Ferien waren einfach wundervoll; die Reise war voller Inspiration! Die Muse hat mich geküsst.“ Severus rollte mit den Augen. „Ich kann dir gar nicht oft genug…“
„Dann höre auf mir zu danken, es ermüdet mich langsam. Wo gehen wir eigentlich hin?“, fragte Severus skeptisch. Er hatte selten die Räume seines neuen Hauses verlassen und wenn doch, dann nur, weil Gilderoy ihm mit irgendwelchen Albernheiten etwas Abwechslung verschaffen wollte. „Ist das wieder eine von deinen unangenehmen Überraschungen?“
„Ach was“, erwiderte Gilderoy erbost. „Von wegen unangenehm.“
Er führte Severus in ein edles Gebäude, in welchem eine entspannte Stimmung herrschte. Leise Musik war zu hören, der Raum war mit vielen Pflanzen dekoriert und irgendwo rauschte Wasser.
„Ah, Mr. Lockhart“, sagte ein sehr durchtrainierter Herr, der hinter einem Tresen stand. „Alexej wartet schon. Sie kennen ja den Weg.“
Als Gilderoy ihn einen der hellen Gänge entlangschob, ahnte Severus Böses.
„Wo sind wir?“, wollte er wissen.
Anstatt zu antworten öffnete Gilderoy eine Tür und nachdem er sie wieder geschlossen hatte, zückte er seinen Stab. Ohne Vorwarnung sprach er einen Zauber, der beide Männer ihrer Kleidung entledigte; nur noch ein Handtuch um die Hüften bedeckte schamhafte Körperstellen.
Bevor Severus fragen konnte, was hier vor sich gehen würde, materialisierten sich in dem Raum zwei Liegen und gleich darauf betraten ein sehr kräftiger Herr und eine zierliche Dame mit asiatischem Anmut den Raum.
„Was…?“
Gilderoy fuhr ihm über den Mund und sagte lächelnd: „Entspann dich!“ Er blickte zu der Dame und dem Herrn hinüber, bevor er an Severus gewandt verbesserte: „Ach nein, nicht du musst dich entspannen – die beiden werden das für uns besorgen. Während der Kreuzfahrt warst du ja nicht zu überreden, also versuchen wir es hier.“
„Aber…“ Severus war völlig entgeistert.
Die zierliche Asiatin mit dem angenehm milden Dauerlächeln auf den Lippen kam auf Severus zu. Sie ergriff ihn ohne Scheu am Unterarm und führte ihn zur Liege, auf die er sich bäuchlings legen sollte.
„Wunderbar! Zumindest liegst du schon einmal. Ich hätte nicht geglaubt, dass ich dich tatsächlich dazu bringen könnte“, sagte Gilderoy triumphierend, bevor er selbst auf die andere Liege hüpfte, an welcher der muskelbepackte Alexej wartete.
Neugierig blickte Severus hinüber und beobachtete, wie Gilderoy sich bereits die Schultern durchkneten ließ. Jetzt verstand er auch, warum sein Freund große Hände an einem Masseur so schätzte. Fraglich war, ob die kleine Asiatin mit ihren schlanken und beinahe schon zerbrechlich wirkenden Händen…
Severus wurde aus seinen Gedanken gerissen, als die hübsche Frau unerwartet auf die Liege kletterte. Mit einem Male fühlte er ein erträgliches Gewicht auf sich und er spürte die zarten Sohlen ihrer schmalen, nach Rosenwasser duftenden Füße auf seinem Rücken.
„Oh Merlin…“, brachte Severus heraus, als ihm die Luft durch den leichten Druck auf den Brustkorb entwich.
Mit einem niedlichen Akzent und hörbarem Lächeln in der wohligen Frauenstimme hörte er sie über sich sagen: „Relax, Take it easy.“