Ich bin zur Zeit daran eine eigene Geschichte zu kreieren, welche sie zum Grossteil um eine von der Erdregierung abgespaltenen Kolonie dreht.
Damit das ganze hier irgend wann mal in ferner Zukunft Form annimmt bin ich jedoch auf Input (Kritik, Anregungen, dergleichen) angewiesen.
Die einzelnen Abschnitte, welche ich posten werde, sind noch weder chronologisch geordnet, noch irgendwie fertig. Sie sind eher sozusagen in einer "Beta-Fase" und dieser Thread ist damit sowas wie ein Beta-Test
Insobesondere technische Details und Zahlen jeglicher Art sind noch mit Vorsicht zu geniessen und bestenfalls als provisorisch zu betrachten.
mein längster, und bisher leider einziger postingwürdiger Abschnitt will ich hier gerne mal dem allgemeinen Beschuss aussetzen.
Der Titel (der wie alles andere noch nicht Definitiv ist) lautet:
Die 3. Schlacht um Cimaron
Die betriebsame Ruhe an Bord wurde jäh durch die zwei kurzen, wohl vertrauten Hornstösse unterbrochen. Danach klang ein angenehmer Frauensopran ruhig, aber dennoch eindringlich aus jedem Lautsprecher: “Gefechtsalarm! Klar Schiff zum Gefecht! Alle Mann auf Gefechtsstationen! Ich wiederhole: Klar Schiff zum Gefecht! Alle Mann auf Gefechtsstationen!“
Vice Admiral Jonathan Sanders stand vor dem grossen Bildschirm an der forderen Schottwand seiner Flagbrücke und studierte die farbigen Symbole welche seine Schiffe und die seines Gegners zeigten. Ein seltsames Gefühl machte sich in seiner Magengrube bemerkbar. Keine Angst. Nervosität? Vielleicht, aber primär war es ein Verlangen, einen “Hunger“. Das unbändige Bedürfnis endlich zuzuschlagen.
Seine Augen starrten in den Bildschirm, doch sie hatten ihren Fokus verloren. Vor seinem inneren Auge sah er einen ähnlichen Bildschirm mit einer ähnlichen Situation. Hier in diesem System, nur etwa eine Lichtstunde näher am Sprungpunkt zum Sunset-System (bescheuerter Name für ein Sonnensystem welches aus nichts anderem als zwei sich gegenseitig umkreisenden braunen Zwergen bestand). Sechs Jahre zuvor. Wirklich, war es schon so lange her?
Dreizehn Schlachtkreuzer, zerstört. Acht Schwere Kreuzer, zerstört. Sechs Leichte Kreuzer, zerstört. Einundzwanzig Zerstörer, auch zerstört.
„Aber wir haben gewonnen. Haben wir?“
Ja, gewonnen hatten sie. Zwei ganze Geschwader schwere Kreuzer, alles kampfstarke Broadsword's, komplett vernichtet. Drei Zerstörerflotillien, zerschlagen, versprengt und auf der Flucht.
Von den sechs gewaltigen Schlachtschiffen waren zwei zerstört und die übrigen zu zerschlagenen Krüppeln zusammen geschossen, die keine Chance auf ein Entkommen mehr hatten, ehe sich der ranghöchste überlebende Offizier endlich ergab.
Aber der Preis war furchtbar. Von zweiundzwanzig Schlachtkreuzern, die das Gefecht begonnen hatten, konnten am Ende nur noch vier als gefechtstauglich angesehen werden. Und selbst diese hatten wochenlange Reparaturen vor sich.
Jonathan Sanders, damals Befehlshaber eines der Kreuzergeschwader im Rang eines Commodores, erinnerte sich an den Horror und den Wahnsinn dieser...Schlacht? Abwracken traf es besser. Er erinnerte sich gut wie seine Vercingetorix bockte und bebte unter den Hammerschlägen der feindlichen Geschützen. Das Fauchen der aus den Rissen im Rumpf entweichenden Luft, das Stöhnen der sich unter der Belastung verbiegenden Strukturteile. Die Fähigkeit und die Courage der Schiffsbesatzungen konnte noch so gross sein. Die altmodischen Gladius-Klasse Kreuzer waren den Broadsword's der Terraner hoffnungslos unterlegen.
Sein Flaggschiff endete eingeklemmt auf Kernschussweite zwischen zwei dieser mächtigen Schiffe und er selbst wäre mit ihr gestorben, hätte ihn sein Stabschef nicht k.o. geschlagen und in eine Rettungskapsel geschleift.
Sanders grinste innerlich ob dem Gedanken. Commander Caroline Petrova, jetzt Captain (senior Grade) Caroline Petrova, CO RAS Cimaron, BC-057, teilte nun wieder das Schiff mit ihm. Dieses mal jedoch vom Kommandosessel auf ihrer Brücke. Sie hatte schnelle Karriere gemacht und lief auf der Überholspur zum Commodore.
Es war irgendwie...richtig. Zwei Veteranen der 2. Schlacht um Cimaron führten das in Gedenken an dieses grässliche Ereignis benannte Flaggschiff in eine weitere Schlacht an diesem Ort.
Die Cimaron schloss zusammen mit allen übrigen Schiffen der Flotte langsam von hinten zu den Terranischen Schiffen auf. Dabei bremste sie beständig mit 1460g ab. Sie hätte problemlos 250g mehr machen können, doch die trägen Schlachtschiffe bremsten die Flotte.
Die drei Sprungzonen des Cimaron Systems bildeten ein spitzwinkliges Dreieck, wobei die Sprungzone, welche in die Hyperraum-“Fahrrinne“ zum Argentis System, und damit tiefer ins Herz des von der Republik kontrollierten Gebietes führte die Spitze Ecke und die Zonen Richtung Sunset respektive Lindon System die Basis des Dreiecks bildeten.
Als der Geheimdienst Sanders über die Voraussichtliche Ankunft der Terranischen Flotte informierte, hatte er seine 2. Flotte in dieses System vorgezogen und ungefähr im Flächenzentrum dieses astronomischen Dreiecks positioniert. Die Sprungzonen nach Sunset und Lindon hatte er mit leichten Kräften überwacht.
Also ihm seine Späher die Ankunft der Terraner von Sunset her meldete, hatte er umgehend begonnen einen Abfangvektor zu generieren. Da sich sein Gegner wie erwartet auf einem direkten Kurs auf die Argentis Sprungzone zubewegte, hatte er sich zu einer etwas modifizierten Version der Standart-Liniengefechtsdoktrin entschieden. Die normale Doktrin für ein Gefecht zwischen zwei Schlachtlinien sah vor, dass sich die beiden Flotten im Spitzen Winkel näherten und sich zuerst mit Lenkraketen und später, wenn die Distanz genügend gesunken war, mit Energiewaffen beschossen.
Sanders hatte jedoch nicht vor, sich auf ein Energiewaffengefecht mit einem überlegenen Gegner einzulassen.
Also näherte er sich der Terransichen Flotte nicht im spitzen Winkel sondern auf Paralellkurs von Achtern aufkommend. Er würde auch nur soweit abbremsen um ein längeres Raketengefecht zu ermöglichen, nicht aber die Geschwindigkeit angleichen. Durch seinen höheren Basisvektor konnte ihn sein Gegner nicht zu einem Entscheidungskampf zwingen, selbst wenn er erheblichen Antriebsschaden erlitt. Gleichzeitig erlaubte ihm sein Vektor vor den Terranern in der Sprungzone nach Argentis zu sein.
Sein Blick fokussierte wieder auf den Bildschirm. Es hatte viel mehr rote Sybole als letztes mal. Vor allem doppelt so viele Symbole für Schlachtschiffe. Aber auch die grünen Symbole waren zahlreicher. Die Formation unter seinem Kommando enthielt nur fünf Schlachtschiffe. Dafür glänzten 26 grüne Symbole für Schlachtkreuzer, davon 16 der alten Tigershark's. Als Langstrecken-Schlachtschiffkiller konzipiert waren die ersten jemals gebauten Schlachtkreuzer fast reine Raketenplatformen. Ursprünglich gebaut aus purer Verzweiflung, weil die Republik von Antares einfach nicht über die Industriellen Ressourcen verfügte um Schlachtschiffe in brauchbarer Zahl zu produzieren, hatten sich die schnellen Schlachtkreuzer über jede Erwartung hinaus bewährt.
Die übrigen zehn Schlachtkreuzer waren neue Schiffe der Cimaron Klasse. Mit deutlich weniger Raketenwerfern bestückt als ihre Vorgänger, dafür mit starken Lasergeschützen, leistungsfähigeren Schilden und schwerer Panzerung bestens für den Nahkampf gerüstet sollten sie primär als Eskorte für die Tigershark's und die eigenen Schlachtschiffe dienen.
Sanders' geschultem Auge viel noch ein weiterer markanter Unterschied zwischen den beiden Verbänden auf. Die terranische Schlachtlinie war von einem dichten Schirm aus Zerstörern und einigen Leichten Kreuzern umgeben, während die Schweren Kreuzer sich etwas dahinter hielten.
In der antarischen Formation hielten sich die Schweren Kreuzer dicht an den Schlachtschiffen. Dafür enthielt der Schirm keine Leichten Kreuzer. Diese waren dem Hauptverband in einem breiten Fächer weit voraus geeilt und stellten den Aufklärungsschirm der Flotte. Auf Seiten der Terraner übernahmen die Scout-Fregatten der Stiletto Klasse diese Aufgabe.
Sanders wusste, dass er nicht die Feuerkraft hatte um den Gegner zu vernichten. Aber das brauchte er auch nicht. Er musste ihn nur genug verwunden um ihn zum Rückzug zu zwingen
„Zeit bis Raketenreichweite?“ Fragte Sanders. „Elf Minuten, Sir. Alle Schiffe melden Gefechtsklar. Tac-Net aktiv, Beschiessungspläne geladen.“ Antwortete Captain (junior Grade) Allain Goldstein, sein Stabschef.
„Danke Allain. Lassen Sie die Schlepper auf Gefechtsposition zurück fallen.“ „Aye aye, Sir.“
„Raketenreichweite in fünf Minuten, Sir. Aufklärungsschirm fällt hinter den Verband zurück.“ „Danke, Signalisieren Sie der Flotte die Schubumkehr einzuleiten, Beschleunigung zwölfhundert Ge. Entlassen Sie die SAR-Fregatten auf Bereitschaftspositionen. Signal an alle Schiffe: 'Bereithalten und viel Glück.'“
Sanders zwang sich ruhig zu sitzen. Es war nicht leicht. Noch fünf Minuten, dann würden wieder Raketen fliegen. Auf beiden Seiten würden Schiffe und Menschen verbrennen. Noch fünf Minuten, dann würde die grösste Schlacht, die die Menschheit je gesehen hat beginnen und...
„Raketenstart! Vögel in der Luft! Feind feuert Raketen.“ Sanders zuckte. Wie zur Hölle? Sie waren noch fast eine Lichtminute ausser Reichweite. Wie konnte das sein?
Ganz einfach: Die Terraner hatten ihre Antriebstechnologie weiter entwickelt. Sie hatten einfach einen neuen Typ Raketen gebaut.
„Details?“ Verlangte er mit einer Ruhe die er nicht fühlte. „CIC sagt 180 Vögel. Es ist schwer zu sagen auf diese Distanz, aber es sieht aus als ob sie alle von einem einzelnen Geschwader Schlachtschiffe kommen. Sollen wir das Gefecht abbrechen, Sir?“
„Nein. Wir müssen so viel wie möglich über diese neuen Raketen herausfinden. Und das geht nur, indem wir uns ihrem Feuer aussetzen.“ Mit diesen Worten betätigte er einen Schalter an seinem Kommandosessel und die gepolsterten Metallbügel des Prallkäfigs schlossen sich um seinen Körper. „Signal an die Flotte: 'Beschleunigung auf fünfzehnhundert Ge erhöhen.'“ „Aye Sir. Bestätigte Goldstein mit leicht resignierter Stimme. „Antiraketen feuern, Kontakt in vier, drei, zwei, eins...Kontakt. Flablaser feuern....Raketen im Endanflug, auf Einschlag vorbereiten!“ Nichts geschah. Das Flaggschiff war nicht unter den Zielen der Raketen. „Sie haben sich auf die Defender konzentriert, mindestens sechs Treffer.“ Das war zu erwarten gewesen. Das einzige von der Republik gebaute Schlachtschiff stach aus der Formation heraus wie ein entzündeter Daumen. „Die Gloryous Victory erhielt zwei Treffer. Ebenso der Schlachtkreuzer Swordmaster, die Chevalier hat einen abgekriegt.“ Während dessen donnerte bereits die nächste Salve heran. Diesesmal erlitt nur die Defender zwei Treffer. „Nur zwei Treffer aus 180 Raketen. Das ist nicht gerade viel. Warten Sie mal Sir, ich glaube...“ Goldstein tippte auf seinem Display herum. „CIC bestätigt, Antirakten 7% effektiver als erwartet. Flablaser liegen 5% über der Erwartung“ Er grinste „Das Antriebssystem dieser Raketen muss so gross sein das kein Platz für ein anständiges ECM mehr war.“
„Gut möglich.“ Sanders gab sich einsilbig. Er konnte sich keinen Überschwang leisten. Ohne die Schlachtschiffe und ihre gewaltige Raketenabwehrkapazität würde es wohl übel aussehen. Diese neuen Raketen stellten immer noch eine tödliche Bedrohung für seinen Verband dar. Bis sie in Reichweite seiner gewöhnlichen Raketen war, konnte er nicht zurück feuern. Dieser einseitige Beschuss konnte negative Auswirkungen auf die Moral seiner Besatzungen haben. Nun, da konnte er nichts machen. Zumindest schienen die Terraner noch keine brauchbare Doktrin für ihr neues Spielzeug zu haben, denn sie machten keine Anstalten die Distanz zwischen den beiden Flotten so lange wie möglich offen zu halten. Er selbst hätte versucht dieses unerwiderte Bombardement so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Aber wenn sein Gegner ihm einen Gefallen tat würde er sich wohl kaum beschweren, selbst wenn dieses dilettantische Verhalten seinen Berufsstolz verletzte. Also lehnte sich Jonathan Sanders in seinem Sessel zurück und strahlte zuversichtliche Gelassenheit aus, als die nächste Salve auf sein Kommando nieder ging.
„Noch dreissig Sekunden bis Raketenreichweite, Sir.“ „Danke Allain. Flottenbefehl: Beschleunigung auf zwölfhundert Ge reduzieren.“ Er blickte auf den kleinen Bildschirm bei seinem rechten Knie auf dem das Gesicht von Captain Petrova zu sehen war. „Ok, Caroline, das Flaggschiff gibt das Signal. Feuern Sie nach eigenem Ermessen. Gute Jagd.“ „Da, Admiral. Danke.“
Captain Petrova drückte einen Knopf auf der linken Armlehne ihres eigenen Kommandosessels und blickte ins Aufnahmegerät. „An alle. Hier ist der Captain. Raketenreichweite in zwanzig Sekunden, weitermachen.“
„Und jetzt, Admiral?“ Fragte Goldstein etwas unsicher.
Sanders blickte auf den Bildschirm. Noch zehn Sekunden, dann würden sie nicht mehr länger nur wehrlose Zielscheiben für diese, Gott sei Dank nur mässig effektiven, Langstreckenraketen sein. Und dann würden die Terraner ihre kleine Überraschung bekommen.
Dieser Gedanke lies Sanders tatsächlich lächeln als er seinem Stabschef antwortete. „Jetzt überlassen wir Caroliene das Schiff und sehen wie die Sache läuft.“
Dann zitterte das Deck unter seinen Füssen als die Republic of Antares Ship Cimaron simultan mit allen übrigen Schiffen der 2. Flotte der Republic of Antares Navy, der einzigen Streitkraft die der Terran Space Navy jemals erfolgreich die Stirn geboten hatte, Feuer spie.
Die Terraner waren nicht die einzigen die in letzter Zeit fleissig an der Verbesserung ihrer Raketen gearbeitet hatten. Das Resultat welches die R&D Abteilung der Antarer vorzuweisen hatte war vielleicht nicht ganz so spektakulär wie diese neuen Langstreckenraketen, aber durchaus sehenswert. Anstatt gleich eine neue Rakete zu bauen hatten sich die Antarer damit begnügt ihre bestehenden Vögelchen zu verbessern. Sechs Sekunden höhere Brenndauer mochte sich nicht nach viel anhören, aber es war doch ein beachtlicher Vorteil, und sicherlich genug um dem Gegner einen kleinen Schrecken einzujagen. Aber das war nicht die eigentliche Überraschung.
Sicherlich hatte der Terranische Admiral die neue Klasse Schwerer Kreuzer längst bemerkt, denn ihre Antriebssignatur unterschied sich gewaltig von der der alten Gladius.
Viel Zeit für Spekulationen würde er nicht gehabt haben, aber einige Vermutungen mussten ihm durch den Kopf gegangen sein. Sicher jedoch würde er niemals die Wahrheit vermutet haben.
Die RAS Crossbow und ihre acht Schwesterschiffe waren ausgesprochen hässliche Pötte.
Sie waren aber auch das wohl kompromissloseste Schiffskonzept welches je in echte Hardware umgesetzt wurde. Ein schwerer Kreuzer der Crossbow Klasse hatte nur knapp 2/5 der Masse der Cimaron, aber die selbe Anzahl Raketenwerfer! Das war möglich weil er nebst diesen Werfern keine einzige Offensivwaffe an Bord hatte.
Dieses extreme Design ermöglichte es diesen neun zerbrechlichen Schiffen tatsächlich die selbe Anzahl Raketen auf einmal zu feuern wie ein ganzes Geschwader Schlachtkreuzer der Tigershark Klasse.
Die neun Schiffe feuerten ihre 180 Raketen auf sechs Zerstörer im Schirm der feindlichen Flotte.
Die unglücklichen Opfer dieser Salve waren in einer schlechten Position. Das Tac-Net, eine Abkürzung von Tactical Network, verband alle Schiffe eines Geschwaders, oder einer ganzen Flotte zu einem perfekt koordinierten, Netz aus offensivem und defensivem Feuer. Das Tac-Net konnte die Raketenabwehrkapazitäten aller Schiffe so koordinieren das sie möglichst effektiv zusammenarbeiteten.
Es stellte aber auch die Verteidigung der gesamten Flotte über die Selbstverteidigung der einzelnen Schiffe. Das galt besonders für die Zerstörer und Kreuzer des Schirms. Schliesslich war es ja die Aufgabe dieser Einheiten die Grosskampfschiffe zu schützen. In diesem Falle war diese Zuordnung der Prioritäten tödlich. Die Master-Computer des Tac-Nets erkannten das Ziel dieser 180 Raketen zu spät, und gaben die entsprechenden Schiffe darum zu spät zur Selbstverteidigung frei.
Es war nicht ganz so schlimm wie es aussah. Die Zerstörer waren nicht wirklich alleine. Diese 180 Raketen waren eine Bedrohung für die gesamte Flotte, und so hatten ihre Ziele die gewaltige Raketenabwehrkapazität von zwölf Schlachtschiffen und vier Zerstörerflotillien im Rücken. Es war nicht annähernd genug. “Nur“ zwei der Zerstörer wurden tatsächlich vernichtet. Die anderen vier überlebten. Doch sie waren nur noch zerschlagene, kampfunfähige Hulks, die eine gefährliche Lücke im Abwehrnetz der Flotte hinterliessen. Das Tac-Net konnte die übrigen Zerstörer und Kreuzer neu positionieren um die Lücken zu schliessen. Aber das benötigte Zeit, Zeit die in dem Moment einfach nicht zur Verfügung stand. Denn in dem Moment in dem die sechs Zerstörer aus dem Netz fielen, nutzten Buchstäblich hunderte von Raketen die so entstandene Lücke gnadenlos aus.
Die Schlachtschiffe Caligula und Marc Aurel trugen den Grossteil der Salve.
Sechzehn auf die Caligula gerichtete Raketen wichen allem Abwehrfeuer aus und weigerten sich auf die Teuschkörper hereinzufallen.
10'000 Kilometer vor ihrem Ziel gaben die elektronischen Gehirne der Raketen ein Signal. In der Zeit die die Systeme der Rakete benötigten um das Signal in eine Aktion umzusetzen war die Distanz auf rund 6'000 Kilometer gefallen. Das Signal war ein einfacher Befehl an das Antriebssystem: 'Leite die noch im Speichermodul enthaltene Energie durch die bislang ungenutzte Leitung.' Ein Energieblitz, so stark das keine noch so starke Leitung ihn länger als vier, fünf Millisekunden verkraften konnte jagte nach vorne in eine Reihe von speziell geformten Magnetspulen des Gefechtskopfes. Ein Magnetfeld, so stark das es einen menschlichen Körper innerhalb einer einzigen Millisekunde in seine Atome zerlegt hätte, baute sich auf. Das Feld war stark genug um den in Form von Lithiumdeutrid-Pellets gelagerten schweren Wasserstoff zur Kernfusion anzuregen. Ein kurzlebiges Sonnenfeuer mit der Energie von rund fünfundsechzig Millionen Tonnen TriNitroToluol flackerte auf.
In den letzten Nanosekunden seiner Existenz kanalisierte das Raum und Zeit verzerrende Antriebsfeld der Rakete die gesamte Detonationsenergie aus einer Distanz von nur noch rund 100 Kilometer in einem schmalen Kegel nach vorne dem Ziel entgegen.
Elektromagnetische Schilde flackerten als sie sich gegen den Schmiedehammer aus geladenen Partikeln stemmten. Zwei, drei solcher Schläge konnten sie abfangen, aber nun hämmerten mehr als ein Dutzend thermonukleare Morgensterne gegen sie. Spannungsspitzen bauten sich in den Generatoren auf und überlasteten die Dämpfer, Sicherungen brannten durch und unterbrachen die Stromkreise. Die Schilde starben.
Nun lag es an dem Raum und Zeit verzerrenden Tensing-Hafezi Effekt Kollisionsschild, welcher jedes Raumschiff wie eine Schützende Blase umgab, sich dem Angriff in den Weg zu stellen. Ohne diesen dank einer kleinen Erfindung der genialen Physikerin Amanda Hafezi durch das Antriebsfeld generierten Schutzschild würde ein einzelner Treffer ausreichen um selbst ein Schlachtschiff in ein ausgeglühtes Wrack zu verwandeln.
Dank diesem “TH-Schild“ waren die Auswirkungen der Treffer “nur“ beträchtlich.
Geysiere aus verflüssigter Panzerung spien ins All hinaus. Geschütztürme, Sensoren und andere Rumpfaufbauten blieben als zerschlagene, halb geschmolzene Trümmerhaufen zurück. Wo immer ein Treffer die Panzerung des Rumpfs durchschlug, zerschmetterten die gewaltigen Energien Quartiere, Schottwände, Aggregate und Menschen gleichermassen.
Das Antriebsfeld selbst flackerte als der Feuersturm zwei Antriebsspulen so schwer beschädigte, dass die automatischen Sicherheitssysteme die Stromkreise unterbrachen und sie abschalteten.
Das Schlachtschiff taumelte, verlor etwas an Fahrt, dann fing sie sich wider und hielt grimmig ihre Position innerhalb des Geschwaders. Ein Schweif aus Atemluft, Trümmerteilen und Wasserdampf blieb zurück wie die Blutspur eines harpunieren Wals.
„Admiral, der Feind beginnt den Beschuss zu spüren.“ Nun da die Raketen flogen schien Captain Goldstein seine Unsicherheit endlich vergessen zu haben. Jetzt klang eindeutig Kampfbegeisterung in seiner Stimme mit.
Beide Flotten waren auf einen Parallelkurs eingeschwenkt und beharkten sich mit allem was ihre Werfer hergaben. Seit der Erfindung des Tensing-Feldantriebs war die Startrichtung einer Rakete kaum mehr von Bedeutung. Die Rakete konnte nach dem Start wenden und ein Ziel in der entgegengesetzten Richtung angreifen ohne viel ihrer Reichweite zu opfern.
„Nicht nur er.“ Knurrte Sanders „Com, Formationsshift. Bringen Sie Kreuzergeschwader 09 näher an die Schlachtschiffe heran. Und befehlen Sie der Liberty die Terras Humbling zu decken.“
Die Vier in der letzten Schlacht in diesem System erbeuteten Schlachtschiffe stellten den Kern der 2. Flotte. Leider hatte damals die Propagandaabteilung darauf bestanden die neuen Namen auszusuchen.
Sanders musste sich selbst eingestehen das seine Aversion gegen diese Namen mindestens so viel mit seiner Entscheidung die Cimaron als Flaggschiff zu behalten zu tun hatte wie die Tatsache das der Schlachtkreuzer seit zwei Jahren “sein“ Schiff war und ihm ein perfekt auf einander eingespieltes Kommandoteam zur Verfügung stellte.
Das Schiff erzitterte als zwei Raketen ihre Abwehr durchbrachen.
„Nur Schildtreffer. Keine Schäden.“ Meldete Lieutenant (junior Grade) O'Ruke von ihrer Konsole.
Sanders hätte die Information nicht gebraucht. Hätten die Treffer die Schilde durchdrungen wäre es nicht bei einem Zittern geblieben.
Lieutenant (senior Grade) Alexander Sanders stand der Schweiss auf der Stirn. Sein Mund war ein dünner Strich in einem vor Konzentration gezeichneten Gesicht. Seit über zwanzig Minuten kämpfte er ein immer verzweifelteres Gefecht gegen die feindlichen Raketen. Mit geübten Bewegungen flogen seine Finger über die Tastatur, veränderten die Einstellungen des ECMs und bestätigten die Befehle des Tac-Nets und riefen in regelmässigen Turnus die verschiedenen Untermenüs seiner Systeme ab.
Es war nicht leicht. Das Überleben des Schiffes und seiner Besatzung hing von seiner Arbeit ab, und der Feind hatte die Swordmaster zu einem seiner Hauptziele auserkoren. Schadensalarme gellten nun beinahe dauernd über die Hauptbrücke, sein Körper war übersät mit Prellungen und blauen Flecken. Und jedes mal wenn ein Treffer ihn gegen die gepolsterten Metallbügel seines Prallkäfigs schleuderte kamen ein paar mehr hinzu.
Eine weitere Rakete entging seinen Flablasern und detonierte nur 90 Kilometer unter dem Rumpf des Schlachtkreuzers. Wieder bebte das Deck unter ihm, wieder Kreischten Schadensalarme. Doch dieses mal kam etwas anderes hinzu: Irgendwo im Schiff explodierte etwas. Ein Trümmerstück so gross wie ein Schreibtisch hämmerte sich einen Weg durch drei Schotts bis es seine letzte Energie am gepanzerten Steuerbordschott der Hauptbrücke ausgab. In dem Schott entstand ein Loch von etwa zwei Meter Durchmesser. Splitter von diesem Schott fegten wie Kartätschen über das Deck und töteten vier Besatzungsmitglieder, unter ihnen Lieutenant Commander Lindon, der Taktische Offizier. Sechs weitere Menschen, darunter Captain Welsh, wurden verwundet.
„Captain!“ Schrie Alxander Sanders durch das Gekreische der Sirenen und dem Schreien der Verletzten. „Sind Sie ok?“ „Nein.“ Kam die Antwort vom Kommandosessel. „Aber noch einsatzfähig. Bleiben Sie an Ihrer Konsole, Lieutenant.“ „Aye aye, Skipper.“
Das Überleben eines Schiffes in so einem Gefecht hing stark vom Tac-Net ab. Ohne die präzise Koordination seines Abwehrfeuers mit dem anderer Schiffe würde nicht mal ein Schlachtschiff einem solchen Bombardement standhalten können. Das Tac-Net war aber keine fest verdrahtete Fernsteuerung. Es war mehr wie ein Admiral der seinen Kapitänen Befehle erteilte. Und wie in jeder Befehlskette, kam es auch im Tac-Net hin und wieder zu Befehlsverweigerung.
Die Computer an Bord eines Schiffes kontrollierten jeden Befehl des Tac-Nets darauf, ob er Sinn machte, und ob er tatsächlich aus einer autorisierten Quelle kam. Normalerweise funktionierte dieses System sehr zuverlässig. Erlitt ein Schiff jedoch im Laufe eines Kampfes mehr und mehr Gefechtsschäden konnte es bisweilen zu Komplikationen kommen. Durch beschädigte oder ausgefallene Sensoren konnte sich die Situation auf dem Gefechtsfeld für die Bordcomputer etwas anders darstellen als für das Tac-Net. Beschädigte Kommunitkationssysteme konnten eintreffende Daten korrumpieren, so das die Computer sie nicht mehr als autorisiert erkannten.
Irgend etwas in der Art geschah nun in diesem Moment an Bord der RAS Swordmaster.
Alexander Sanders zuckte zusammen als die Warnung auf seinem Bildschirm aufleuchtete:
„Raketenabwehr-Feuerleitsystem weist Masterlösung zurück, wir sind auf lokaler Kontrolle!“
„Stellen Sie den Link wieder her, sofort!“ Bellte Captain Welsh zurück.
Alexander Sanders' Finger flogen fieberhaft über die Tastatur, doch er wusste, es war zu spät.
In diesem Moment kamen 47 auf die Swordmaster gerichtete Raketen in den Feuerbereich der Antiraketen. Ohne die Koordination des Tac-Nets feuerte die Raketenabwehr des Schlachtkreuzers auf Raketen, die bereits von anderen Schiffen beschossen wurden, während andere unbehelligt blieben. Der unkoordinierte Einsatz der Antiraketen erwischte dreizehn Raketen, einen guten Drittel weniger als es mit intaktem Tac-Net gewesen wären. Elf weitere vielen auf Täuschkörper herein oder verloren durch das elektronische Geheule des ECMs die Aufschaltung und zerstörten sich selber. dreiundzwanzig Schiffskillerraketen gingen in den Endanflug auf das isolierte Schiff über. Die Flablaser stoppten acht. Andere Schiffe erwischten weitere fünf. Zehn detonierten gegen den TH-Schild. Die Feuerstürme ihrer Detonationen schienen das Schiff beinahe einzuhüllen. Die gewaltigen Energien verbogen das Raumverzerrungsfeld des Schildes, drückten es ein und schwächten es kurzzeitig. Die Raketen trafen nicht alle gleichzeitig. Die die später detonierten fanden eine geschwächte Verteidigung vor, durch die sie mehr ihrer Kraft auf das eigentliche Ziel übertragen konnten.
Eine der Detonationen fand einen Schaden in der Rumpfpanzerung und schnitt tief in den Bauch des Schlachtkreuzers. Tief genug um einen Hagel aus weissglühenden Splittern durch die Panzerung von Fusionsreaktor zwei zu jagen. Einige dieser Splitter, manche so gross wie ein Bein und weit über 100m/s schnell, beschädigten die Elektromagnete des Eindämmungsfeldes so schwer, das die automatischen Sicherheitssysteme keine Zeit zum reagieren mehr hatten. Der elektromagnetische Käfig, der das Millionen Kelvin heisse Fusionsplasma im Zaum hielt, zerbrach und Lieutenant Alexander Sanders verdampfte zusammen mit allen übrigen Besatzungsmitgliedern der Swordmaster in einer grellweissen Plasmawolke.
„Admiral, die...“ „Ich habs gesehen.“ gab Jonathan Sanders barsch zur Antwort als er zusah wie das Symbol der Swordmaster auf dem Taktikplott schwarz und rot aufblinkte und dann erlosch. Er brauchte keine visuelle Darstellung um sich den schnell verglimmenden, thermonuklearen Scheiterhaufen seines Sohnes vorzustellen.
Wenigstens war es schnell gegangen. So schnell das es nicht mal für den automatisch gesendeten Omega-Code gereicht hatte.
Die Swordmaster war nicht das erste Opfer dieser Schlacht, sie würde auch nicht das letzte sein.
Von den neun Crossbow's existierten nur noch vier. Drei weitere Kreuzer und fünf Zerstörer waren entweder vernichtet oder kampfunfähig. Zwei Schlachtkreuzer hatten sich mit schweren Schäden aus dem Kampf zurückziehen müssen. Noch immer war die Terras Humbling das Primärziel des Gegners. Doch die starke Raketenabwehr und die massive Panzerung standen dem Schlachtschiff gut an. Mit der Unterstützung ihrer Schwesterschiffen und den Zerstörern und Kreuzer des Schirms hielt sie trotz den brutalen Wunden die ihr zugefügt wurden, tapfer stand. Noch.
Jubel brach auf der Flagbrücke aus. „Da geht ihr erstes Dickschiff, Sir!“ Tatsächlich schor eines der terranischen Schlachtschiffe mit schwerem Antriebsschaden aus der Formation aus. Beiboote und Retungskapseln stoben in alle Richtungen davon. „Das war für die Swordmaster Und der nächste kommt bald.“ Captain Goldstein hatte sichtlich mühe dem allgemeinen Begeisterungssturm stand zu halten.
Die gute Stimmung hielt nicht lange. „Admiral, die Terras Humbling meldet schweren Schaden. Sie haben fast die Hälfte ihrer Raketenwerfer verloren.“
Sanders rief das Schadensdiagram des Schlachtschiffs auf. Erschrocken fragte er sich, wie dieses Wrack überhaupt noch Formation halten konnte. Warum hatte sich Captain Martin nicht zurückgezogen?
„Com, geben Sie mir Admiral Skogen. Jetzt!“ Sein Kommunkationsdisplay erwachte. „Debora, Du musst evak...“ Die Stimme erstarb als er realisierte was er sah. Rear Admiral Debora Skogen, Kommandierender Offizier des 2. Schlachtgeschwaders, war in ihrem Prallkäfig zusammengesunken. Ihr rechter Arm war nur noch eine blutige Masse aus zerfetztem Fleisch und Knochenfragmenten. Ein riesiger Splitter hatte sich in ihren Sessel gebohrt und ragte wie die Klinge eines zerbrochenen Schwertes aus ihrem aufgerissenen Torso. An der Stelle ihres rechten Auges klafte eine hässliche Wunde, die die gesamte Gesichtshälfte zu einer grausamen Maske verzerrte. Das linke Auge starrte geradeaus ins Leere und in ihrem halb geöffneten Mund kochte schaumiges Blut.
Wie bei seinem Sohn konnte sich Sanders keine Zeit der Trauer um seine langjährige Freundin erlauben.
Er drückte ein paar Knöpfe um die Kommandobrücke der Terras Humbling aufzurufen.
Doch das Gesicht unter der verschmierten Visierscheibe eines Helmes war nicht das von Captain Martin.
Die Frau hatte die mandelförmigen Augen und den mokkafarbenen Teint die typisch waren für Familien die ursprünglich aus den ethnischen Schmelztigeln von Alpha Centauri, Sarasota oder Epsilon Indi stammten. Sanders war sich sicher sie bereits einmal gesehen zu haben. Dann erkannte er die Rangabzeichen eines Commanders auf der mit irgend einer dunklen Substanz beschmierten Schulter ihres Skinsuits.
„Admiral, Commander Naomi Kareth, Exec.“ Sie holte einmal tief Luft. „Captain Martin ist tot. Und Admiral Skoden auch. Schon...schon seit etwa zehn Minuten. Ich weiss es selbst erst seit ein paar Sekunden. AuxCon wurde bereits vor etwa dreizehn Minuten durch Gefechtsschaden von allen Systemen getrennt, und wir sind eben erst wieder Online gegangen. EmCon eins hat in der Zwischenzeit übernommen.“
Nun war es an Sanders tief durch zu atmen. Das Schlachtschiff war zehn Minuten unter der Führung eines Notsteuerstandes gefahren, ohne das sein Stab informiert wurde. Der Schaden im Inneren des stählernen Giganten musste immens sein, wenn ihre Kommunikationswege derart gestört waren.
„Commander, Ihr Schiff ist so gut wie kampfunfähig. Ziehen Sie sich sofort aus dem Gefecht zurück und beginnen sie die Evakuierung. Das ist ein Befehl.“ Damit unterbrach er die Verbindung.
„Aye aye Si...“ Commander Kareth lies sich in ihren Sessel zurück sinken. Sie brauchte eine Sekunde um den Befehl zu verdauen. Evakuieren. Das Schiff aufgeben. Nach dem der Skipper und der Admiral auf ihr gestorben waren? Ein Schiff unter ihrem Kommando aufgeben? Sie konnte es nicht. Und doch musste sie. Es war ihre Pflicht der Crew eine Chance zu geben zu überleben.
„Steuermann. Kurswechsel: fünfzig Grad Backbord äusserste Kraft voraus. Geben Sie mir alles was noch da ist.“
„Ruder Backbord 50 äusserste Kraft, aye.“
„Waffen, Feuer einstellen. Melden Sie uns aus dem Tak-net ab.“
„Com, entlassen Sie unsere Begleitzerstörer.“ Zu sich selbst flüsterte sie: „Wo wir hingehen sollen sie uns nicht folgen.“
„Aye Ma'am. Soll ich den Eta-Code senden?“
Commander Kareth schüttelte den Kopf. „Negativ. Wir versuchen sie hier raus zu kriegen.“
Dann aktivierte sie ihr Interkom. Der helle Glockenklang des “An Alle“ Signals klang in jedem Lautsprecher und jedem Funkgerät an Bord. „Achtung, hier spricht der Kommandant.“ Ihr Magen verknotete sich bei dem Wort. „Beginnen Sie die Evakuierung. Alles nicht essentielles Personal von Bord. Die Beibote sind den Verwundete vorbehalten. Commander Morrison, beginnen Sie unverzüglich mit der Evakuierung aller transportfähigen Verwundeten. Weitermachen.“
„Commander!“ meldete Lieutenant Oselis von der taktischen Station. „Die Terraner beschiessen uns weiter.“ “Verstanden Waffen, tun Sie was Sie können.“
112 Raketen gingen in den Anflug auf das weidwunde Schlachtschiff. Keine Zerstörer deckten sie mehr, keine Tac-Net-koordinierte Raketenabwehr eines ganzen Schachtschiffgeschwaders stand ihr zur Seite.
Die Terras Humbling war allein.
“Nicht genug. Nicht genug Zeit.“ Der Gedanke brannte in Naomi Kareth's Verstand wie Lava.
In dieser Kurzen Zeit hatte Suregon Commander Morrison keine zehn Prozent der Verwundeten in die Beiboote schaffen können. Tränen mischten sich mit dem Schweiss auf ihrem Gesicht als die Finger ihrer linken Hand eine durchsichtige Plastikklappe auf ihrer linken Armlehne öffneten und den darunter geschützten kleinen, roten Knopf in die Fassung pressten.
Sirenen heulten aus jedem Lautsprecher und jedem Funkgerät an Bord. Die zwei kurzen, auf- und abschwellenden Hornstösse wurden nie, in keiner auch noch so realistischen Übung verwendet. Wenn sie erklangen wusste jeder ohne den geringsten Zweifel was los war. Und so war die ruhige, angenehme Sopranstimme der Durchsage eigentlich überflüssig. „Schiff räumen! Alle Mann von Bord! Alle Mann von Bord! Ich wiederhole: Schiff...“
Das war keine geordnete, mit militärischer Disziplin ausgeführte Evakuierung mehr. Jetzt hiess es nur noch “rette sich wer kann“. Besatzungsmitglieder überall an Bord hämmerten mit zitternden Händen auf die Öffnungsmechanismen ihrer Prallkäfige und Gurtgeschirre, Schadenskontrollteams liessen ihre Werkzeuge fallen. Alle die konnten rannten um ihr Leben zu der nächsten Rettungskapsel. Wenige, nur so wenige würden sie erreichen.
Die Angehörigen des medizinischen Personals in der Krankenstation, und den verschiedenen Hilfsstellen weigerten sich oft ihre hilflosen Patienten zurück zu lassen und warteten mit ihnen auf das Ende.
Nicht das es in der Regel viel änderte. Die Medizinischen Einrichtungen lagen nach Möglichkeit tief im Innern des Rumpfes. Gut geschützt vor Feindfeuer, aber weit entfernt von den nächsten Rettungskapseln.
Commander Kareth öffneten ihren Prallkäfig und wandte sich an ihren Kommunikationsoffizier. „Com, senden Sie den Omega-Code und dann raus hier!“ Sie hob den Kopf und lies ihren Blick über die verwüstete Hilfsbrücke schweifen. Tote, oder Teile von Toten hingen in zerstörten Sesseln vor ebenso zerstörten Konsolen oder lagen zwischen den Trümmern auf dem Boden herum. Wände und Bildschirme waren mit Panzergel, Blut und anderen Dingen bespritzt.
„Das gilt für Sie alle. Hier können wir nichts mehr tun. Verschwinden wir!“
Sie setzte sich in Richtung der Backbordtür in Bewegung, als sie in den Augenwinkeln sah das einer ihrer Leute noch immer auf seinem Platz war. „Das gilt auch für Sie, Mr. Oselis.“ „Bei allem Respekt, Ma'am,“ antwortete der Lieutenant an der taktischen Konsole abwesend „Befehl verweigert.“
Lieutenant Oseli's Finger flogen mit verzweifelter Präzision über seine Konsole. Er justierte die Einstellungen des ECMs und wies den Flablasern neue Zielprioritäten zu, während seine wenigen Antiraketen bereits auf die entgegenkommenden Raketen zurasten. Er kämpfte um Sekunden, ein paar Sekunden mehr, um mehr Besatzungsmitgliedern Zeit zur Flucht zu geben.
Naomi Kareth wusste es besser als sich in dieser Situation auf irgendwelche Machtkämpfchen einzulassen.
Sie nickte nur resigniert und rannte in den Korridor. Dann ging für sie die Welt unter.
59 Raketen brachen durch Lieutenant Oselis Abwehr. Die Feuerstürme ihrer Detonationen schienen das Schlachtschiff zu verschlingen. Ganze Rumpfsektionen verdampften. Ein gewaltiger Feuerball erruptierte aus dem Bauch des geschundenen Schiffes als ein Direkttreffer in Hangar eins Tanks mit flüssigem Wasserstoff und Sauerstoff zum Platzen brachte. Die nuklearen Feuerzungen rissen überall auf dem vernarbten Rumpf die Panzerung auf, Flammen schlugen aus den Aufgerissenen Abteilungen, wo entweichende Atemluft sie kurzzeitig nährte.
Der Millionen Tonnen Schwere Hulk, welcher einst die RAS Terras Humbling war, taumelte in die kalte Dunkelheit des Alls davon und weniger als zwei Dutzend Rettungskapseln und nur eine einzige Barkasse hatten es rechtzeitig von Bord geschafft.
„Terras Humbling sendet den Omega-Code, Sir.“ Meldete Captain Goldstein überflüssigerweise.
Sanders nickte nur kaum merklich. „Admiral.“ Das war sein Kommunikationsoffizier. „Die Defender meldet schweren Schaden an ihrem Antriebssystem. Captain Gomez sagt, er könne die Verbandsbeschleunigung nicht mehr halten und fällt aus der Formation.“ „Verstanden.“
Damit hatte er schon zwei Schlachtschiffe verloren. Und schlimmer noch: Commodore Vong, der Kommandant von Schlachtschiffdivision 2.2 und Stellvertreter von Rear Admiral Skogen hatte seine Flagge auf der Defender gesetzt. Damit waren beide Flaggoffiziere von Schlachtgeschwader 2 ausser Gefecht.
„Signal an die Liberty: Unterrichten Sie Captain Augsburger davon, dass er jetzt das Kommando über BatRon-null-zwo hat.“ „Aye Aye Sir.“
Es kostete Sanders alle Selbstbeherrschung nicht mit der Faust auf die Armlehne seines Sessels einzuschlagen. Er verlor Schiffe in immer steigender Kadenz, und er wollte gar nicht an die tausenden von Männern und Frauen denken, die bereits unter seinem Kommando gestorben waren.
Nicht das die Terraner nicht ihren Preis für das töten seiner Leute zahlten. Drei Schlachtschiffe waren bereits ausgefallen. Zwei zerstört und eines kampfunfähig. Und wenn er die Schadenseinschätzung der CIC an zwei weiteren richtig beurteilte, dürften die nächsten beiden Abschüsse kurz bevor stehen.
Würde der Verlust von fünf Schlachtschiffen genügen um seinen Gegner zum Aufgeben zu bewegen?
Sanders hoffte es, denn ihm selbst gingen die Munition, und die Schiffe aus.
„Admiral!“ „Ich sehe es Allain.“ Der Hauptbildschirm zeigte eine grobe Übersicht über das Geschehen, keine Details. Dafür waren die Wiederholdisplays seines Kommandosessels da. Auf einem von ihnen hatte er eine Detailansicht der feindlichen Schlachtgeschwader eingestellt. Auf ihm schwärmten mehr als ein Dutzend Beiboote von den beiden schwer angeschlagenen Schlachtschiffen weg.
„Admiral, ich empfange Eta-Codes von den beiden Schlachtschiffen.“ „Verstanden Com. Allain, Geschwaderbefehl: Tango vier und sieben, in Ruhe lassen. Die RAN gewährt Pardon.“
Der Omega-Code war der letzte Funkspruch eines Kriegsschiffes. Eine kurze Zahlenkombination hinten an den Transpondercode angehängt, kündete von der unmittelbar bevorstehenden Zerstörung. Es war der Todesschrei eines verlorenen Schiffes.
Der Eta-Code war etwas anderes, ein Überbleibsel aus zivilisierteren Tagen. Gemäss dem interstellaren Abkommen zur Raumkriegsführung von Epsilon Indi war ein Schiff unter Eta-Code als Nonkombatanten zu betrachten. Es durfte sich nicht mehr am Kampfgeschehen beteiligen, und auch nur noch so viel manövrieren wie nötig war um Beschuss auszuweichen oder eine Kollision zu vermeiden. Im Gegenzug durfte es weder beschossen noch geentert werden. Am Ende des Gefechts würde es samt der noch an Bord befindlichen Besatzung als Beutegut dem Sieger zufallen.
Der Eta-Code war das Flehen eines sterbenden Schiffes um Gnade für seine Crew.
Und allzu oft wurde der Eta-Code von beiden Seiten ignoriert.
„Admiral, der Feind ändert den Generalkurs. Sie öffnen die Distanz und beschleunigen, Sir. Ich...“ Captain Goldstein unterbrach sich und blickte ein, zwei Sekunden ins Leere. „CIC bestätigt, Gegner zieht auf einen Vektor in Richtung der Sprungzone nach Sunset. Sie ziehen sich zurück, Sir! Wir haben sie verjagt!“ Das erklärte das Verhalten der beiden Schlachtschiffe. Sie hatten Antriebsschaden erlitten und konnte nicht mehr mit dem Rest der Flotte mithalten, und da keine Zeit für eine Evakuierung blieb, konnte man sie auch nicht gut sprengen.
„Gut.“ Sanders schloss seine Augen für einen kurzen Moment. Ein Teil seiner selbst dürstete nach weiterem Blut, verlangte Rache für den Tod seines Sohnes. Aber er konnte nicht. Sein eigener Verband war schwer angeschlagen und insbesondere seine Schlachtkreuzer hatten kaum noch Munition.
Und selbst wenn er die taktische Möglichkeit zum fortsetzen der Schlacht gehabt hätte, so hätte diese Entscheidung nur zu weiteren Verlusten auf seiner Seite geführt. Verluste die sich seine Nation nicht leisten konnte. Nein, seine Pflicht war seinen Untergebenen und seiner Nation gegenüber, nicht seinen persönlichen Gefühlen.
Als er seine Augen wieder öffnete, verriet seine Stimme nichts von dem Kampf, der in seinem inneren tobte.
„Geschwaderbefehl: Kurs zwanzig Grad nach Backbord ändern, Beschleunigung beibehalten.“
Sein Stabschef nickte. „Aye, Sir. Soll ich den SAR-Fregatten den Einsatzbefehl geben?“
„Nein.“ antwortete Sanders barsch, und fügte dann auf den verwirrten Gesichtsausdruck Goldstein's hinzu: „Wir lassen niemanden, niemanden, zurück. Aber die SAR-Fregatten stehen nicht unter dem Schutz des Roten Kreuzes, daher lasse ich sie nicht in den Feuerbreich der Terraner.“
Sanders beobachtete den Hauptbildschirm. Die Vorsichtsmassnahme war vermutlich überflüssig. Die Terraner schienen den Schwanz eingezogen zu haben. Sie beschossen ihn nicht mal mit ihren Langstreckenraketen. „Allain, befehlen Sie Kreuzergeschwader sechzehn den Feind bis zum Verlasen des Systems zu beschatten. Aber machen Sie ihnen klar, dass sie sich ausser Reichweite der Langstreckenraketen halten sollen.“
Minuten vergingen ohne das irgend etwas geschah. Die Terranischen Schiffe zogen ausser Reichweite ihrer neuen Waffe und Vice Admiral Sanders suchte den Blickkontakt mit seinem Stabschef. „Allain, Kontaktieren sie die Sempach. Sagen Sie Captain Sewall, er könne die Bergungsoperationen aufnehmen.
Die Flotte trifft sich mit dem Tross zur Aufmunitionierung und Schadensanalyse.“
Vorsichtig, um sich seine Müdigkeit nicht anmerken zu lassen, erhob er sich aus seinem Sessel und machte sich auf in Richtung des Turboliftes. „Ich bin in meinem Quartier. Rufen Sie mich wenn etwas unvorhergesehenes geschehen sollte.“
In seinem Quartier angelangt liess sich Jonathan Sanders auf sein Bett sinken und stützte den Kopf erschöpft in seine behandschuhten Hände. Und dort, in der Abgeschiedenheit seines Quartiers, wo niemand ihn sehen konnte, gestattete er sich endlich um seinen Sohn zu weinen.
Disclaimer
Dies ist ein Werk der Fiktion.
Sämtliche Ähnlichkeiten mit urheberrechtlich geschützten fiktiven und non-fiktiven Werken, natürlichen und/oder juristischen Personen sowie Nationen, politischen Parteien, religiösen Gruppierungen und Volksgruppen sind rein zufällig und nicht gewollt.
Alle Rechte liegen beim Autor.
Damit das ganze hier irgend wann mal in ferner Zukunft Form annimmt bin ich jedoch auf Input (Kritik, Anregungen, dergleichen) angewiesen.
Die einzelnen Abschnitte, welche ich posten werde, sind noch weder chronologisch geordnet, noch irgendwie fertig. Sie sind eher sozusagen in einer "Beta-Fase" und dieser Thread ist damit sowas wie ein Beta-Test
Insobesondere technische Details und Zahlen jeglicher Art sind noch mit Vorsicht zu geniessen und bestenfalls als provisorisch zu betrachten.
mein längster, und bisher leider einziger postingwürdiger Abschnitt will ich hier gerne mal dem allgemeinen Beschuss aussetzen.
Der Titel (der wie alles andere noch nicht Definitiv ist) lautet:
Die 3. Schlacht um Cimaron
Die betriebsame Ruhe an Bord wurde jäh durch die zwei kurzen, wohl vertrauten Hornstösse unterbrochen. Danach klang ein angenehmer Frauensopran ruhig, aber dennoch eindringlich aus jedem Lautsprecher: “Gefechtsalarm! Klar Schiff zum Gefecht! Alle Mann auf Gefechtsstationen! Ich wiederhole: Klar Schiff zum Gefecht! Alle Mann auf Gefechtsstationen!“
Vice Admiral Jonathan Sanders stand vor dem grossen Bildschirm an der forderen Schottwand seiner Flagbrücke und studierte die farbigen Symbole welche seine Schiffe und die seines Gegners zeigten. Ein seltsames Gefühl machte sich in seiner Magengrube bemerkbar. Keine Angst. Nervosität? Vielleicht, aber primär war es ein Verlangen, einen “Hunger“. Das unbändige Bedürfnis endlich zuzuschlagen.
Seine Augen starrten in den Bildschirm, doch sie hatten ihren Fokus verloren. Vor seinem inneren Auge sah er einen ähnlichen Bildschirm mit einer ähnlichen Situation. Hier in diesem System, nur etwa eine Lichtstunde näher am Sprungpunkt zum Sunset-System (bescheuerter Name für ein Sonnensystem welches aus nichts anderem als zwei sich gegenseitig umkreisenden braunen Zwergen bestand). Sechs Jahre zuvor. Wirklich, war es schon so lange her?
Dreizehn Schlachtkreuzer, zerstört. Acht Schwere Kreuzer, zerstört. Sechs Leichte Kreuzer, zerstört. Einundzwanzig Zerstörer, auch zerstört.
„Aber wir haben gewonnen. Haben wir?“
Ja, gewonnen hatten sie. Zwei ganze Geschwader schwere Kreuzer, alles kampfstarke Broadsword's, komplett vernichtet. Drei Zerstörerflotillien, zerschlagen, versprengt und auf der Flucht.
Von den sechs gewaltigen Schlachtschiffen waren zwei zerstört und die übrigen zu zerschlagenen Krüppeln zusammen geschossen, die keine Chance auf ein Entkommen mehr hatten, ehe sich der ranghöchste überlebende Offizier endlich ergab.
Aber der Preis war furchtbar. Von zweiundzwanzig Schlachtkreuzern, die das Gefecht begonnen hatten, konnten am Ende nur noch vier als gefechtstauglich angesehen werden. Und selbst diese hatten wochenlange Reparaturen vor sich.
Jonathan Sanders, damals Befehlshaber eines der Kreuzergeschwader im Rang eines Commodores, erinnerte sich an den Horror und den Wahnsinn dieser...Schlacht? Abwracken traf es besser. Er erinnerte sich gut wie seine Vercingetorix bockte und bebte unter den Hammerschlägen der feindlichen Geschützen. Das Fauchen der aus den Rissen im Rumpf entweichenden Luft, das Stöhnen der sich unter der Belastung verbiegenden Strukturteile. Die Fähigkeit und die Courage der Schiffsbesatzungen konnte noch so gross sein. Die altmodischen Gladius-Klasse Kreuzer waren den Broadsword's der Terraner hoffnungslos unterlegen.
Sein Flaggschiff endete eingeklemmt auf Kernschussweite zwischen zwei dieser mächtigen Schiffe und er selbst wäre mit ihr gestorben, hätte ihn sein Stabschef nicht k.o. geschlagen und in eine Rettungskapsel geschleift.
Sanders grinste innerlich ob dem Gedanken. Commander Caroline Petrova, jetzt Captain (senior Grade) Caroline Petrova, CO RAS Cimaron, BC-057, teilte nun wieder das Schiff mit ihm. Dieses mal jedoch vom Kommandosessel auf ihrer Brücke. Sie hatte schnelle Karriere gemacht und lief auf der Überholspur zum Commodore.
Es war irgendwie...richtig. Zwei Veteranen der 2. Schlacht um Cimaron führten das in Gedenken an dieses grässliche Ereignis benannte Flaggschiff in eine weitere Schlacht an diesem Ort.
Die Cimaron schloss zusammen mit allen übrigen Schiffen der Flotte langsam von hinten zu den Terranischen Schiffen auf. Dabei bremste sie beständig mit 1460g ab. Sie hätte problemlos 250g mehr machen können, doch die trägen Schlachtschiffe bremsten die Flotte.
Die drei Sprungzonen des Cimaron Systems bildeten ein spitzwinkliges Dreieck, wobei die Sprungzone, welche in die Hyperraum-“Fahrrinne“ zum Argentis System, und damit tiefer ins Herz des von der Republik kontrollierten Gebietes führte die Spitze Ecke und die Zonen Richtung Sunset respektive Lindon System die Basis des Dreiecks bildeten.
Als der Geheimdienst Sanders über die Voraussichtliche Ankunft der Terranischen Flotte informierte, hatte er seine 2. Flotte in dieses System vorgezogen und ungefähr im Flächenzentrum dieses astronomischen Dreiecks positioniert. Die Sprungzonen nach Sunset und Lindon hatte er mit leichten Kräften überwacht.
Also ihm seine Späher die Ankunft der Terraner von Sunset her meldete, hatte er umgehend begonnen einen Abfangvektor zu generieren. Da sich sein Gegner wie erwartet auf einem direkten Kurs auf die Argentis Sprungzone zubewegte, hatte er sich zu einer etwas modifizierten Version der Standart-Liniengefechtsdoktrin entschieden. Die normale Doktrin für ein Gefecht zwischen zwei Schlachtlinien sah vor, dass sich die beiden Flotten im Spitzen Winkel näherten und sich zuerst mit Lenkraketen und später, wenn die Distanz genügend gesunken war, mit Energiewaffen beschossen.
Sanders hatte jedoch nicht vor, sich auf ein Energiewaffengefecht mit einem überlegenen Gegner einzulassen.
Also näherte er sich der Terransichen Flotte nicht im spitzen Winkel sondern auf Paralellkurs von Achtern aufkommend. Er würde auch nur soweit abbremsen um ein längeres Raketengefecht zu ermöglichen, nicht aber die Geschwindigkeit angleichen. Durch seinen höheren Basisvektor konnte ihn sein Gegner nicht zu einem Entscheidungskampf zwingen, selbst wenn er erheblichen Antriebsschaden erlitt. Gleichzeitig erlaubte ihm sein Vektor vor den Terranern in der Sprungzone nach Argentis zu sein.
Sein Blick fokussierte wieder auf den Bildschirm. Es hatte viel mehr rote Sybole als letztes mal. Vor allem doppelt so viele Symbole für Schlachtschiffe. Aber auch die grünen Symbole waren zahlreicher. Die Formation unter seinem Kommando enthielt nur fünf Schlachtschiffe. Dafür glänzten 26 grüne Symbole für Schlachtkreuzer, davon 16 der alten Tigershark's. Als Langstrecken-Schlachtschiffkiller konzipiert waren die ersten jemals gebauten Schlachtkreuzer fast reine Raketenplatformen. Ursprünglich gebaut aus purer Verzweiflung, weil die Republik von Antares einfach nicht über die Industriellen Ressourcen verfügte um Schlachtschiffe in brauchbarer Zahl zu produzieren, hatten sich die schnellen Schlachtkreuzer über jede Erwartung hinaus bewährt.
Die übrigen zehn Schlachtkreuzer waren neue Schiffe der Cimaron Klasse. Mit deutlich weniger Raketenwerfern bestückt als ihre Vorgänger, dafür mit starken Lasergeschützen, leistungsfähigeren Schilden und schwerer Panzerung bestens für den Nahkampf gerüstet sollten sie primär als Eskorte für die Tigershark's und die eigenen Schlachtschiffe dienen.
Sanders' geschultem Auge viel noch ein weiterer markanter Unterschied zwischen den beiden Verbänden auf. Die terranische Schlachtlinie war von einem dichten Schirm aus Zerstörern und einigen Leichten Kreuzern umgeben, während die Schweren Kreuzer sich etwas dahinter hielten.
In der antarischen Formation hielten sich die Schweren Kreuzer dicht an den Schlachtschiffen. Dafür enthielt der Schirm keine Leichten Kreuzer. Diese waren dem Hauptverband in einem breiten Fächer weit voraus geeilt und stellten den Aufklärungsschirm der Flotte. Auf Seiten der Terraner übernahmen die Scout-Fregatten der Stiletto Klasse diese Aufgabe.
Sanders wusste, dass er nicht die Feuerkraft hatte um den Gegner zu vernichten. Aber das brauchte er auch nicht. Er musste ihn nur genug verwunden um ihn zum Rückzug zu zwingen
„Zeit bis Raketenreichweite?“ Fragte Sanders. „Elf Minuten, Sir. Alle Schiffe melden Gefechtsklar. Tac-Net aktiv, Beschiessungspläne geladen.“ Antwortete Captain (junior Grade) Allain Goldstein, sein Stabschef.
„Danke Allain. Lassen Sie die Schlepper auf Gefechtsposition zurück fallen.“ „Aye aye, Sir.“
„Raketenreichweite in fünf Minuten, Sir. Aufklärungsschirm fällt hinter den Verband zurück.“ „Danke, Signalisieren Sie der Flotte die Schubumkehr einzuleiten, Beschleunigung zwölfhundert Ge. Entlassen Sie die SAR-Fregatten auf Bereitschaftspositionen. Signal an alle Schiffe: 'Bereithalten und viel Glück.'“
Sanders zwang sich ruhig zu sitzen. Es war nicht leicht. Noch fünf Minuten, dann würden wieder Raketen fliegen. Auf beiden Seiten würden Schiffe und Menschen verbrennen. Noch fünf Minuten, dann würde die grösste Schlacht, die die Menschheit je gesehen hat beginnen und...
„Raketenstart! Vögel in der Luft! Feind feuert Raketen.“ Sanders zuckte. Wie zur Hölle? Sie waren noch fast eine Lichtminute ausser Reichweite. Wie konnte das sein?
Ganz einfach: Die Terraner hatten ihre Antriebstechnologie weiter entwickelt. Sie hatten einfach einen neuen Typ Raketen gebaut.
„Details?“ Verlangte er mit einer Ruhe die er nicht fühlte. „CIC sagt 180 Vögel. Es ist schwer zu sagen auf diese Distanz, aber es sieht aus als ob sie alle von einem einzelnen Geschwader Schlachtschiffe kommen. Sollen wir das Gefecht abbrechen, Sir?“
„Nein. Wir müssen so viel wie möglich über diese neuen Raketen herausfinden. Und das geht nur, indem wir uns ihrem Feuer aussetzen.“ Mit diesen Worten betätigte er einen Schalter an seinem Kommandosessel und die gepolsterten Metallbügel des Prallkäfigs schlossen sich um seinen Körper. „Signal an die Flotte: 'Beschleunigung auf fünfzehnhundert Ge erhöhen.'“ „Aye Sir. Bestätigte Goldstein mit leicht resignierter Stimme. „Antiraketen feuern, Kontakt in vier, drei, zwei, eins...Kontakt. Flablaser feuern....Raketen im Endanflug, auf Einschlag vorbereiten!“ Nichts geschah. Das Flaggschiff war nicht unter den Zielen der Raketen. „Sie haben sich auf die Defender konzentriert, mindestens sechs Treffer.“ Das war zu erwarten gewesen. Das einzige von der Republik gebaute Schlachtschiff stach aus der Formation heraus wie ein entzündeter Daumen. „Die Gloryous Victory erhielt zwei Treffer. Ebenso der Schlachtkreuzer Swordmaster, die Chevalier hat einen abgekriegt.“ Während dessen donnerte bereits die nächste Salve heran. Diesesmal erlitt nur die Defender zwei Treffer. „Nur zwei Treffer aus 180 Raketen. Das ist nicht gerade viel. Warten Sie mal Sir, ich glaube...“ Goldstein tippte auf seinem Display herum. „CIC bestätigt, Antirakten 7% effektiver als erwartet. Flablaser liegen 5% über der Erwartung“ Er grinste „Das Antriebssystem dieser Raketen muss so gross sein das kein Platz für ein anständiges ECM mehr war.“
„Gut möglich.“ Sanders gab sich einsilbig. Er konnte sich keinen Überschwang leisten. Ohne die Schlachtschiffe und ihre gewaltige Raketenabwehrkapazität würde es wohl übel aussehen. Diese neuen Raketen stellten immer noch eine tödliche Bedrohung für seinen Verband dar. Bis sie in Reichweite seiner gewöhnlichen Raketen war, konnte er nicht zurück feuern. Dieser einseitige Beschuss konnte negative Auswirkungen auf die Moral seiner Besatzungen haben. Nun, da konnte er nichts machen. Zumindest schienen die Terraner noch keine brauchbare Doktrin für ihr neues Spielzeug zu haben, denn sie machten keine Anstalten die Distanz zwischen den beiden Flotten so lange wie möglich offen zu halten. Er selbst hätte versucht dieses unerwiderte Bombardement so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Aber wenn sein Gegner ihm einen Gefallen tat würde er sich wohl kaum beschweren, selbst wenn dieses dilettantische Verhalten seinen Berufsstolz verletzte. Also lehnte sich Jonathan Sanders in seinem Sessel zurück und strahlte zuversichtliche Gelassenheit aus, als die nächste Salve auf sein Kommando nieder ging.
„Noch dreissig Sekunden bis Raketenreichweite, Sir.“ „Danke Allain. Flottenbefehl: Beschleunigung auf zwölfhundert Ge reduzieren.“ Er blickte auf den kleinen Bildschirm bei seinem rechten Knie auf dem das Gesicht von Captain Petrova zu sehen war. „Ok, Caroline, das Flaggschiff gibt das Signal. Feuern Sie nach eigenem Ermessen. Gute Jagd.“ „Da, Admiral. Danke.“
Captain Petrova drückte einen Knopf auf der linken Armlehne ihres eigenen Kommandosessels und blickte ins Aufnahmegerät. „An alle. Hier ist der Captain. Raketenreichweite in zwanzig Sekunden, weitermachen.“
„Und jetzt, Admiral?“ Fragte Goldstein etwas unsicher.
Sanders blickte auf den Bildschirm. Noch zehn Sekunden, dann würden sie nicht mehr länger nur wehrlose Zielscheiben für diese, Gott sei Dank nur mässig effektiven, Langstreckenraketen sein. Und dann würden die Terraner ihre kleine Überraschung bekommen.
Dieser Gedanke lies Sanders tatsächlich lächeln als er seinem Stabschef antwortete. „Jetzt überlassen wir Caroliene das Schiff und sehen wie die Sache läuft.“
Dann zitterte das Deck unter seinen Füssen als die Republic of Antares Ship Cimaron simultan mit allen übrigen Schiffen der 2. Flotte der Republic of Antares Navy, der einzigen Streitkraft die der Terran Space Navy jemals erfolgreich die Stirn geboten hatte, Feuer spie.
Die Terraner waren nicht die einzigen die in letzter Zeit fleissig an der Verbesserung ihrer Raketen gearbeitet hatten. Das Resultat welches die R&D Abteilung der Antarer vorzuweisen hatte war vielleicht nicht ganz so spektakulär wie diese neuen Langstreckenraketen, aber durchaus sehenswert. Anstatt gleich eine neue Rakete zu bauen hatten sich die Antarer damit begnügt ihre bestehenden Vögelchen zu verbessern. Sechs Sekunden höhere Brenndauer mochte sich nicht nach viel anhören, aber es war doch ein beachtlicher Vorteil, und sicherlich genug um dem Gegner einen kleinen Schrecken einzujagen. Aber das war nicht die eigentliche Überraschung.
Sicherlich hatte der Terranische Admiral die neue Klasse Schwerer Kreuzer längst bemerkt, denn ihre Antriebssignatur unterschied sich gewaltig von der der alten Gladius.
Viel Zeit für Spekulationen würde er nicht gehabt haben, aber einige Vermutungen mussten ihm durch den Kopf gegangen sein. Sicher jedoch würde er niemals die Wahrheit vermutet haben.
Die RAS Crossbow und ihre acht Schwesterschiffe waren ausgesprochen hässliche Pötte.
Sie waren aber auch das wohl kompromissloseste Schiffskonzept welches je in echte Hardware umgesetzt wurde. Ein schwerer Kreuzer der Crossbow Klasse hatte nur knapp 2/5 der Masse der Cimaron, aber die selbe Anzahl Raketenwerfer! Das war möglich weil er nebst diesen Werfern keine einzige Offensivwaffe an Bord hatte.
Dieses extreme Design ermöglichte es diesen neun zerbrechlichen Schiffen tatsächlich die selbe Anzahl Raketen auf einmal zu feuern wie ein ganzes Geschwader Schlachtkreuzer der Tigershark Klasse.
Die neun Schiffe feuerten ihre 180 Raketen auf sechs Zerstörer im Schirm der feindlichen Flotte.
Die unglücklichen Opfer dieser Salve waren in einer schlechten Position. Das Tac-Net, eine Abkürzung von Tactical Network, verband alle Schiffe eines Geschwaders, oder einer ganzen Flotte zu einem perfekt koordinierten, Netz aus offensivem und defensivem Feuer. Das Tac-Net konnte die Raketenabwehrkapazitäten aller Schiffe so koordinieren das sie möglichst effektiv zusammenarbeiteten.
Es stellte aber auch die Verteidigung der gesamten Flotte über die Selbstverteidigung der einzelnen Schiffe. Das galt besonders für die Zerstörer und Kreuzer des Schirms. Schliesslich war es ja die Aufgabe dieser Einheiten die Grosskampfschiffe zu schützen. In diesem Falle war diese Zuordnung der Prioritäten tödlich. Die Master-Computer des Tac-Nets erkannten das Ziel dieser 180 Raketen zu spät, und gaben die entsprechenden Schiffe darum zu spät zur Selbstverteidigung frei.
Es war nicht ganz so schlimm wie es aussah. Die Zerstörer waren nicht wirklich alleine. Diese 180 Raketen waren eine Bedrohung für die gesamte Flotte, und so hatten ihre Ziele die gewaltige Raketenabwehrkapazität von zwölf Schlachtschiffen und vier Zerstörerflotillien im Rücken. Es war nicht annähernd genug. “Nur“ zwei der Zerstörer wurden tatsächlich vernichtet. Die anderen vier überlebten. Doch sie waren nur noch zerschlagene, kampfunfähige Hulks, die eine gefährliche Lücke im Abwehrnetz der Flotte hinterliessen. Das Tac-Net konnte die übrigen Zerstörer und Kreuzer neu positionieren um die Lücken zu schliessen. Aber das benötigte Zeit, Zeit die in dem Moment einfach nicht zur Verfügung stand. Denn in dem Moment in dem die sechs Zerstörer aus dem Netz fielen, nutzten Buchstäblich hunderte von Raketen die so entstandene Lücke gnadenlos aus.
Die Schlachtschiffe Caligula und Marc Aurel trugen den Grossteil der Salve.
Sechzehn auf die Caligula gerichtete Raketen wichen allem Abwehrfeuer aus und weigerten sich auf die Teuschkörper hereinzufallen.
10'000 Kilometer vor ihrem Ziel gaben die elektronischen Gehirne der Raketen ein Signal. In der Zeit die die Systeme der Rakete benötigten um das Signal in eine Aktion umzusetzen war die Distanz auf rund 6'000 Kilometer gefallen. Das Signal war ein einfacher Befehl an das Antriebssystem: 'Leite die noch im Speichermodul enthaltene Energie durch die bislang ungenutzte Leitung.' Ein Energieblitz, so stark das keine noch so starke Leitung ihn länger als vier, fünf Millisekunden verkraften konnte jagte nach vorne in eine Reihe von speziell geformten Magnetspulen des Gefechtskopfes. Ein Magnetfeld, so stark das es einen menschlichen Körper innerhalb einer einzigen Millisekunde in seine Atome zerlegt hätte, baute sich auf. Das Feld war stark genug um den in Form von Lithiumdeutrid-Pellets gelagerten schweren Wasserstoff zur Kernfusion anzuregen. Ein kurzlebiges Sonnenfeuer mit der Energie von rund fünfundsechzig Millionen Tonnen TriNitroToluol flackerte auf.
In den letzten Nanosekunden seiner Existenz kanalisierte das Raum und Zeit verzerrende Antriebsfeld der Rakete die gesamte Detonationsenergie aus einer Distanz von nur noch rund 100 Kilometer in einem schmalen Kegel nach vorne dem Ziel entgegen.
Elektromagnetische Schilde flackerten als sie sich gegen den Schmiedehammer aus geladenen Partikeln stemmten. Zwei, drei solcher Schläge konnten sie abfangen, aber nun hämmerten mehr als ein Dutzend thermonukleare Morgensterne gegen sie. Spannungsspitzen bauten sich in den Generatoren auf und überlasteten die Dämpfer, Sicherungen brannten durch und unterbrachen die Stromkreise. Die Schilde starben.
Nun lag es an dem Raum und Zeit verzerrenden Tensing-Hafezi Effekt Kollisionsschild, welcher jedes Raumschiff wie eine Schützende Blase umgab, sich dem Angriff in den Weg zu stellen. Ohne diesen dank einer kleinen Erfindung der genialen Physikerin Amanda Hafezi durch das Antriebsfeld generierten Schutzschild würde ein einzelner Treffer ausreichen um selbst ein Schlachtschiff in ein ausgeglühtes Wrack zu verwandeln.
Dank diesem “TH-Schild“ waren die Auswirkungen der Treffer “nur“ beträchtlich.
Geysiere aus verflüssigter Panzerung spien ins All hinaus. Geschütztürme, Sensoren und andere Rumpfaufbauten blieben als zerschlagene, halb geschmolzene Trümmerhaufen zurück. Wo immer ein Treffer die Panzerung des Rumpfs durchschlug, zerschmetterten die gewaltigen Energien Quartiere, Schottwände, Aggregate und Menschen gleichermassen.
Das Antriebsfeld selbst flackerte als der Feuersturm zwei Antriebsspulen so schwer beschädigte, dass die automatischen Sicherheitssysteme die Stromkreise unterbrachen und sie abschalteten.
Das Schlachtschiff taumelte, verlor etwas an Fahrt, dann fing sie sich wider und hielt grimmig ihre Position innerhalb des Geschwaders. Ein Schweif aus Atemluft, Trümmerteilen und Wasserdampf blieb zurück wie die Blutspur eines harpunieren Wals.
„Admiral, der Feind beginnt den Beschuss zu spüren.“ Nun da die Raketen flogen schien Captain Goldstein seine Unsicherheit endlich vergessen zu haben. Jetzt klang eindeutig Kampfbegeisterung in seiner Stimme mit.
Beide Flotten waren auf einen Parallelkurs eingeschwenkt und beharkten sich mit allem was ihre Werfer hergaben. Seit der Erfindung des Tensing-Feldantriebs war die Startrichtung einer Rakete kaum mehr von Bedeutung. Die Rakete konnte nach dem Start wenden und ein Ziel in der entgegengesetzten Richtung angreifen ohne viel ihrer Reichweite zu opfern.
„Nicht nur er.“ Knurrte Sanders „Com, Formationsshift. Bringen Sie Kreuzergeschwader 09 näher an die Schlachtschiffe heran. Und befehlen Sie der Liberty die Terras Humbling zu decken.“
Die Vier in der letzten Schlacht in diesem System erbeuteten Schlachtschiffe stellten den Kern der 2. Flotte. Leider hatte damals die Propagandaabteilung darauf bestanden die neuen Namen auszusuchen.
Sanders musste sich selbst eingestehen das seine Aversion gegen diese Namen mindestens so viel mit seiner Entscheidung die Cimaron als Flaggschiff zu behalten zu tun hatte wie die Tatsache das der Schlachtkreuzer seit zwei Jahren “sein“ Schiff war und ihm ein perfekt auf einander eingespieltes Kommandoteam zur Verfügung stellte.
Das Schiff erzitterte als zwei Raketen ihre Abwehr durchbrachen.
„Nur Schildtreffer. Keine Schäden.“ Meldete Lieutenant (junior Grade) O'Ruke von ihrer Konsole.
Sanders hätte die Information nicht gebraucht. Hätten die Treffer die Schilde durchdrungen wäre es nicht bei einem Zittern geblieben.
Lieutenant (senior Grade) Alexander Sanders stand der Schweiss auf der Stirn. Sein Mund war ein dünner Strich in einem vor Konzentration gezeichneten Gesicht. Seit über zwanzig Minuten kämpfte er ein immer verzweifelteres Gefecht gegen die feindlichen Raketen. Mit geübten Bewegungen flogen seine Finger über die Tastatur, veränderten die Einstellungen des ECMs und bestätigten die Befehle des Tac-Nets und riefen in regelmässigen Turnus die verschiedenen Untermenüs seiner Systeme ab.
Es war nicht leicht. Das Überleben des Schiffes und seiner Besatzung hing von seiner Arbeit ab, und der Feind hatte die Swordmaster zu einem seiner Hauptziele auserkoren. Schadensalarme gellten nun beinahe dauernd über die Hauptbrücke, sein Körper war übersät mit Prellungen und blauen Flecken. Und jedes mal wenn ein Treffer ihn gegen die gepolsterten Metallbügel seines Prallkäfigs schleuderte kamen ein paar mehr hinzu.
Eine weitere Rakete entging seinen Flablasern und detonierte nur 90 Kilometer unter dem Rumpf des Schlachtkreuzers. Wieder bebte das Deck unter ihm, wieder Kreischten Schadensalarme. Doch dieses mal kam etwas anderes hinzu: Irgendwo im Schiff explodierte etwas. Ein Trümmerstück so gross wie ein Schreibtisch hämmerte sich einen Weg durch drei Schotts bis es seine letzte Energie am gepanzerten Steuerbordschott der Hauptbrücke ausgab. In dem Schott entstand ein Loch von etwa zwei Meter Durchmesser. Splitter von diesem Schott fegten wie Kartätschen über das Deck und töteten vier Besatzungsmitglieder, unter ihnen Lieutenant Commander Lindon, der Taktische Offizier. Sechs weitere Menschen, darunter Captain Welsh, wurden verwundet.
„Captain!“ Schrie Alxander Sanders durch das Gekreische der Sirenen und dem Schreien der Verletzten. „Sind Sie ok?“ „Nein.“ Kam die Antwort vom Kommandosessel. „Aber noch einsatzfähig. Bleiben Sie an Ihrer Konsole, Lieutenant.“ „Aye aye, Skipper.“
Das Überleben eines Schiffes in so einem Gefecht hing stark vom Tac-Net ab. Ohne die präzise Koordination seines Abwehrfeuers mit dem anderer Schiffe würde nicht mal ein Schlachtschiff einem solchen Bombardement standhalten können. Das Tac-Net war aber keine fest verdrahtete Fernsteuerung. Es war mehr wie ein Admiral der seinen Kapitänen Befehle erteilte. Und wie in jeder Befehlskette, kam es auch im Tac-Net hin und wieder zu Befehlsverweigerung.
Die Computer an Bord eines Schiffes kontrollierten jeden Befehl des Tac-Nets darauf, ob er Sinn machte, und ob er tatsächlich aus einer autorisierten Quelle kam. Normalerweise funktionierte dieses System sehr zuverlässig. Erlitt ein Schiff jedoch im Laufe eines Kampfes mehr und mehr Gefechtsschäden konnte es bisweilen zu Komplikationen kommen. Durch beschädigte oder ausgefallene Sensoren konnte sich die Situation auf dem Gefechtsfeld für die Bordcomputer etwas anders darstellen als für das Tac-Net. Beschädigte Kommunitkationssysteme konnten eintreffende Daten korrumpieren, so das die Computer sie nicht mehr als autorisiert erkannten.
Irgend etwas in der Art geschah nun in diesem Moment an Bord der RAS Swordmaster.
Alexander Sanders zuckte zusammen als die Warnung auf seinem Bildschirm aufleuchtete:
„Raketenabwehr-Feuerleitsystem weist Masterlösung zurück, wir sind auf lokaler Kontrolle!“
„Stellen Sie den Link wieder her, sofort!“ Bellte Captain Welsh zurück.
Alexander Sanders' Finger flogen fieberhaft über die Tastatur, doch er wusste, es war zu spät.
In diesem Moment kamen 47 auf die Swordmaster gerichtete Raketen in den Feuerbereich der Antiraketen. Ohne die Koordination des Tac-Nets feuerte die Raketenabwehr des Schlachtkreuzers auf Raketen, die bereits von anderen Schiffen beschossen wurden, während andere unbehelligt blieben. Der unkoordinierte Einsatz der Antiraketen erwischte dreizehn Raketen, einen guten Drittel weniger als es mit intaktem Tac-Net gewesen wären. Elf weitere vielen auf Täuschkörper herein oder verloren durch das elektronische Geheule des ECMs die Aufschaltung und zerstörten sich selber. dreiundzwanzig Schiffskillerraketen gingen in den Endanflug auf das isolierte Schiff über. Die Flablaser stoppten acht. Andere Schiffe erwischten weitere fünf. Zehn detonierten gegen den TH-Schild. Die Feuerstürme ihrer Detonationen schienen das Schiff beinahe einzuhüllen. Die gewaltigen Energien verbogen das Raumverzerrungsfeld des Schildes, drückten es ein und schwächten es kurzzeitig. Die Raketen trafen nicht alle gleichzeitig. Die die später detonierten fanden eine geschwächte Verteidigung vor, durch die sie mehr ihrer Kraft auf das eigentliche Ziel übertragen konnten.
Eine der Detonationen fand einen Schaden in der Rumpfpanzerung und schnitt tief in den Bauch des Schlachtkreuzers. Tief genug um einen Hagel aus weissglühenden Splittern durch die Panzerung von Fusionsreaktor zwei zu jagen. Einige dieser Splitter, manche so gross wie ein Bein und weit über 100m/s schnell, beschädigten die Elektromagnete des Eindämmungsfeldes so schwer, das die automatischen Sicherheitssysteme keine Zeit zum reagieren mehr hatten. Der elektromagnetische Käfig, der das Millionen Kelvin heisse Fusionsplasma im Zaum hielt, zerbrach und Lieutenant Alexander Sanders verdampfte zusammen mit allen übrigen Besatzungsmitgliedern der Swordmaster in einer grellweissen Plasmawolke.
„Admiral, die...“ „Ich habs gesehen.“ gab Jonathan Sanders barsch zur Antwort als er zusah wie das Symbol der Swordmaster auf dem Taktikplott schwarz und rot aufblinkte und dann erlosch. Er brauchte keine visuelle Darstellung um sich den schnell verglimmenden, thermonuklearen Scheiterhaufen seines Sohnes vorzustellen.
Wenigstens war es schnell gegangen. So schnell das es nicht mal für den automatisch gesendeten Omega-Code gereicht hatte.
Die Swordmaster war nicht das erste Opfer dieser Schlacht, sie würde auch nicht das letzte sein.
Von den neun Crossbow's existierten nur noch vier. Drei weitere Kreuzer und fünf Zerstörer waren entweder vernichtet oder kampfunfähig. Zwei Schlachtkreuzer hatten sich mit schweren Schäden aus dem Kampf zurückziehen müssen. Noch immer war die Terras Humbling das Primärziel des Gegners. Doch die starke Raketenabwehr und die massive Panzerung standen dem Schlachtschiff gut an. Mit der Unterstützung ihrer Schwesterschiffen und den Zerstörern und Kreuzer des Schirms hielt sie trotz den brutalen Wunden die ihr zugefügt wurden, tapfer stand. Noch.
Jubel brach auf der Flagbrücke aus. „Da geht ihr erstes Dickschiff, Sir!“ Tatsächlich schor eines der terranischen Schlachtschiffe mit schwerem Antriebsschaden aus der Formation aus. Beiboote und Retungskapseln stoben in alle Richtungen davon. „Das war für die Swordmaster Und der nächste kommt bald.“ Captain Goldstein hatte sichtlich mühe dem allgemeinen Begeisterungssturm stand zu halten.
Die gute Stimmung hielt nicht lange. „Admiral, die Terras Humbling meldet schweren Schaden. Sie haben fast die Hälfte ihrer Raketenwerfer verloren.“
Sanders rief das Schadensdiagram des Schlachtschiffs auf. Erschrocken fragte er sich, wie dieses Wrack überhaupt noch Formation halten konnte. Warum hatte sich Captain Martin nicht zurückgezogen?
„Com, geben Sie mir Admiral Skogen. Jetzt!“ Sein Kommunkationsdisplay erwachte. „Debora, Du musst evak...“ Die Stimme erstarb als er realisierte was er sah. Rear Admiral Debora Skogen, Kommandierender Offizier des 2. Schlachtgeschwaders, war in ihrem Prallkäfig zusammengesunken. Ihr rechter Arm war nur noch eine blutige Masse aus zerfetztem Fleisch und Knochenfragmenten. Ein riesiger Splitter hatte sich in ihren Sessel gebohrt und ragte wie die Klinge eines zerbrochenen Schwertes aus ihrem aufgerissenen Torso. An der Stelle ihres rechten Auges klafte eine hässliche Wunde, die die gesamte Gesichtshälfte zu einer grausamen Maske verzerrte. Das linke Auge starrte geradeaus ins Leere und in ihrem halb geöffneten Mund kochte schaumiges Blut.
Wie bei seinem Sohn konnte sich Sanders keine Zeit der Trauer um seine langjährige Freundin erlauben.
Er drückte ein paar Knöpfe um die Kommandobrücke der Terras Humbling aufzurufen.
Doch das Gesicht unter der verschmierten Visierscheibe eines Helmes war nicht das von Captain Martin.
Die Frau hatte die mandelförmigen Augen und den mokkafarbenen Teint die typisch waren für Familien die ursprünglich aus den ethnischen Schmelztigeln von Alpha Centauri, Sarasota oder Epsilon Indi stammten. Sanders war sich sicher sie bereits einmal gesehen zu haben. Dann erkannte er die Rangabzeichen eines Commanders auf der mit irgend einer dunklen Substanz beschmierten Schulter ihres Skinsuits.
„Admiral, Commander Naomi Kareth, Exec.“ Sie holte einmal tief Luft. „Captain Martin ist tot. Und Admiral Skoden auch. Schon...schon seit etwa zehn Minuten. Ich weiss es selbst erst seit ein paar Sekunden. AuxCon wurde bereits vor etwa dreizehn Minuten durch Gefechtsschaden von allen Systemen getrennt, und wir sind eben erst wieder Online gegangen. EmCon eins hat in der Zwischenzeit übernommen.“
Nun war es an Sanders tief durch zu atmen. Das Schlachtschiff war zehn Minuten unter der Führung eines Notsteuerstandes gefahren, ohne das sein Stab informiert wurde. Der Schaden im Inneren des stählernen Giganten musste immens sein, wenn ihre Kommunikationswege derart gestört waren.
„Commander, Ihr Schiff ist so gut wie kampfunfähig. Ziehen Sie sich sofort aus dem Gefecht zurück und beginnen sie die Evakuierung. Das ist ein Befehl.“ Damit unterbrach er die Verbindung.
„Aye aye Si...“ Commander Kareth lies sich in ihren Sessel zurück sinken. Sie brauchte eine Sekunde um den Befehl zu verdauen. Evakuieren. Das Schiff aufgeben. Nach dem der Skipper und der Admiral auf ihr gestorben waren? Ein Schiff unter ihrem Kommando aufgeben? Sie konnte es nicht. Und doch musste sie. Es war ihre Pflicht der Crew eine Chance zu geben zu überleben.
„Steuermann. Kurswechsel: fünfzig Grad Backbord äusserste Kraft voraus. Geben Sie mir alles was noch da ist.“
„Ruder Backbord 50 äusserste Kraft, aye.“
„Waffen, Feuer einstellen. Melden Sie uns aus dem Tak-net ab.“
„Com, entlassen Sie unsere Begleitzerstörer.“ Zu sich selbst flüsterte sie: „Wo wir hingehen sollen sie uns nicht folgen.“
„Aye Ma'am. Soll ich den Eta-Code senden?“
Commander Kareth schüttelte den Kopf. „Negativ. Wir versuchen sie hier raus zu kriegen.“
Dann aktivierte sie ihr Interkom. Der helle Glockenklang des “An Alle“ Signals klang in jedem Lautsprecher und jedem Funkgerät an Bord. „Achtung, hier spricht der Kommandant.“ Ihr Magen verknotete sich bei dem Wort. „Beginnen Sie die Evakuierung. Alles nicht essentielles Personal von Bord. Die Beibote sind den Verwundete vorbehalten. Commander Morrison, beginnen Sie unverzüglich mit der Evakuierung aller transportfähigen Verwundeten. Weitermachen.“
„Commander!“ meldete Lieutenant Oselis von der taktischen Station. „Die Terraner beschiessen uns weiter.“ “Verstanden Waffen, tun Sie was Sie können.“
112 Raketen gingen in den Anflug auf das weidwunde Schlachtschiff. Keine Zerstörer deckten sie mehr, keine Tac-Net-koordinierte Raketenabwehr eines ganzen Schachtschiffgeschwaders stand ihr zur Seite.
Die Terras Humbling war allein.
“Nicht genug. Nicht genug Zeit.“ Der Gedanke brannte in Naomi Kareth's Verstand wie Lava.
In dieser Kurzen Zeit hatte Suregon Commander Morrison keine zehn Prozent der Verwundeten in die Beiboote schaffen können. Tränen mischten sich mit dem Schweiss auf ihrem Gesicht als die Finger ihrer linken Hand eine durchsichtige Plastikklappe auf ihrer linken Armlehne öffneten und den darunter geschützten kleinen, roten Knopf in die Fassung pressten.
Sirenen heulten aus jedem Lautsprecher und jedem Funkgerät an Bord. Die zwei kurzen, auf- und abschwellenden Hornstösse wurden nie, in keiner auch noch so realistischen Übung verwendet. Wenn sie erklangen wusste jeder ohne den geringsten Zweifel was los war. Und so war die ruhige, angenehme Sopranstimme der Durchsage eigentlich überflüssig. „Schiff räumen! Alle Mann von Bord! Alle Mann von Bord! Ich wiederhole: Schiff...“
Das war keine geordnete, mit militärischer Disziplin ausgeführte Evakuierung mehr. Jetzt hiess es nur noch “rette sich wer kann“. Besatzungsmitglieder überall an Bord hämmerten mit zitternden Händen auf die Öffnungsmechanismen ihrer Prallkäfige und Gurtgeschirre, Schadenskontrollteams liessen ihre Werkzeuge fallen. Alle die konnten rannten um ihr Leben zu der nächsten Rettungskapsel. Wenige, nur so wenige würden sie erreichen.
Die Angehörigen des medizinischen Personals in der Krankenstation, und den verschiedenen Hilfsstellen weigerten sich oft ihre hilflosen Patienten zurück zu lassen und warteten mit ihnen auf das Ende.
Nicht das es in der Regel viel änderte. Die Medizinischen Einrichtungen lagen nach Möglichkeit tief im Innern des Rumpfes. Gut geschützt vor Feindfeuer, aber weit entfernt von den nächsten Rettungskapseln.
Commander Kareth öffneten ihren Prallkäfig und wandte sich an ihren Kommunikationsoffizier. „Com, senden Sie den Omega-Code und dann raus hier!“ Sie hob den Kopf und lies ihren Blick über die verwüstete Hilfsbrücke schweifen. Tote, oder Teile von Toten hingen in zerstörten Sesseln vor ebenso zerstörten Konsolen oder lagen zwischen den Trümmern auf dem Boden herum. Wände und Bildschirme waren mit Panzergel, Blut und anderen Dingen bespritzt.
„Das gilt für Sie alle. Hier können wir nichts mehr tun. Verschwinden wir!“
Sie setzte sich in Richtung der Backbordtür in Bewegung, als sie in den Augenwinkeln sah das einer ihrer Leute noch immer auf seinem Platz war. „Das gilt auch für Sie, Mr. Oselis.“ „Bei allem Respekt, Ma'am,“ antwortete der Lieutenant an der taktischen Konsole abwesend „Befehl verweigert.“
Lieutenant Oseli's Finger flogen mit verzweifelter Präzision über seine Konsole. Er justierte die Einstellungen des ECMs und wies den Flablasern neue Zielprioritäten zu, während seine wenigen Antiraketen bereits auf die entgegenkommenden Raketen zurasten. Er kämpfte um Sekunden, ein paar Sekunden mehr, um mehr Besatzungsmitgliedern Zeit zur Flucht zu geben.
Naomi Kareth wusste es besser als sich in dieser Situation auf irgendwelche Machtkämpfchen einzulassen.
Sie nickte nur resigniert und rannte in den Korridor. Dann ging für sie die Welt unter.
59 Raketen brachen durch Lieutenant Oselis Abwehr. Die Feuerstürme ihrer Detonationen schienen das Schlachtschiff zu verschlingen. Ganze Rumpfsektionen verdampften. Ein gewaltiger Feuerball erruptierte aus dem Bauch des geschundenen Schiffes als ein Direkttreffer in Hangar eins Tanks mit flüssigem Wasserstoff und Sauerstoff zum Platzen brachte. Die nuklearen Feuerzungen rissen überall auf dem vernarbten Rumpf die Panzerung auf, Flammen schlugen aus den Aufgerissenen Abteilungen, wo entweichende Atemluft sie kurzzeitig nährte.
Der Millionen Tonnen Schwere Hulk, welcher einst die RAS Terras Humbling war, taumelte in die kalte Dunkelheit des Alls davon und weniger als zwei Dutzend Rettungskapseln und nur eine einzige Barkasse hatten es rechtzeitig von Bord geschafft.
„Terras Humbling sendet den Omega-Code, Sir.“ Meldete Captain Goldstein überflüssigerweise.
Sanders nickte nur kaum merklich. „Admiral.“ Das war sein Kommunikationsoffizier. „Die Defender meldet schweren Schaden an ihrem Antriebssystem. Captain Gomez sagt, er könne die Verbandsbeschleunigung nicht mehr halten und fällt aus der Formation.“ „Verstanden.“
Damit hatte er schon zwei Schlachtschiffe verloren. Und schlimmer noch: Commodore Vong, der Kommandant von Schlachtschiffdivision 2.2 und Stellvertreter von Rear Admiral Skogen hatte seine Flagge auf der Defender gesetzt. Damit waren beide Flaggoffiziere von Schlachtgeschwader 2 ausser Gefecht.
„Signal an die Liberty: Unterrichten Sie Captain Augsburger davon, dass er jetzt das Kommando über BatRon-null-zwo hat.“ „Aye Aye Sir.“
Es kostete Sanders alle Selbstbeherrschung nicht mit der Faust auf die Armlehne seines Sessels einzuschlagen. Er verlor Schiffe in immer steigender Kadenz, und er wollte gar nicht an die tausenden von Männern und Frauen denken, die bereits unter seinem Kommando gestorben waren.
Nicht das die Terraner nicht ihren Preis für das töten seiner Leute zahlten. Drei Schlachtschiffe waren bereits ausgefallen. Zwei zerstört und eines kampfunfähig. Und wenn er die Schadenseinschätzung der CIC an zwei weiteren richtig beurteilte, dürften die nächsten beiden Abschüsse kurz bevor stehen.
Würde der Verlust von fünf Schlachtschiffen genügen um seinen Gegner zum Aufgeben zu bewegen?
Sanders hoffte es, denn ihm selbst gingen die Munition, und die Schiffe aus.
„Admiral!“ „Ich sehe es Allain.“ Der Hauptbildschirm zeigte eine grobe Übersicht über das Geschehen, keine Details. Dafür waren die Wiederholdisplays seines Kommandosessels da. Auf einem von ihnen hatte er eine Detailansicht der feindlichen Schlachtgeschwader eingestellt. Auf ihm schwärmten mehr als ein Dutzend Beiboote von den beiden schwer angeschlagenen Schlachtschiffen weg.
„Admiral, ich empfange Eta-Codes von den beiden Schlachtschiffen.“ „Verstanden Com. Allain, Geschwaderbefehl: Tango vier und sieben, in Ruhe lassen. Die RAN gewährt Pardon.“
Der Omega-Code war der letzte Funkspruch eines Kriegsschiffes. Eine kurze Zahlenkombination hinten an den Transpondercode angehängt, kündete von der unmittelbar bevorstehenden Zerstörung. Es war der Todesschrei eines verlorenen Schiffes.
Der Eta-Code war etwas anderes, ein Überbleibsel aus zivilisierteren Tagen. Gemäss dem interstellaren Abkommen zur Raumkriegsführung von Epsilon Indi war ein Schiff unter Eta-Code als Nonkombatanten zu betrachten. Es durfte sich nicht mehr am Kampfgeschehen beteiligen, und auch nur noch so viel manövrieren wie nötig war um Beschuss auszuweichen oder eine Kollision zu vermeiden. Im Gegenzug durfte es weder beschossen noch geentert werden. Am Ende des Gefechts würde es samt der noch an Bord befindlichen Besatzung als Beutegut dem Sieger zufallen.
Der Eta-Code war das Flehen eines sterbenden Schiffes um Gnade für seine Crew.
Und allzu oft wurde der Eta-Code von beiden Seiten ignoriert.
„Admiral, der Feind ändert den Generalkurs. Sie öffnen die Distanz und beschleunigen, Sir. Ich...“ Captain Goldstein unterbrach sich und blickte ein, zwei Sekunden ins Leere. „CIC bestätigt, Gegner zieht auf einen Vektor in Richtung der Sprungzone nach Sunset. Sie ziehen sich zurück, Sir! Wir haben sie verjagt!“ Das erklärte das Verhalten der beiden Schlachtschiffe. Sie hatten Antriebsschaden erlitten und konnte nicht mehr mit dem Rest der Flotte mithalten, und da keine Zeit für eine Evakuierung blieb, konnte man sie auch nicht gut sprengen.
„Gut.“ Sanders schloss seine Augen für einen kurzen Moment. Ein Teil seiner selbst dürstete nach weiterem Blut, verlangte Rache für den Tod seines Sohnes. Aber er konnte nicht. Sein eigener Verband war schwer angeschlagen und insbesondere seine Schlachtkreuzer hatten kaum noch Munition.
Und selbst wenn er die taktische Möglichkeit zum fortsetzen der Schlacht gehabt hätte, so hätte diese Entscheidung nur zu weiteren Verlusten auf seiner Seite geführt. Verluste die sich seine Nation nicht leisten konnte. Nein, seine Pflicht war seinen Untergebenen und seiner Nation gegenüber, nicht seinen persönlichen Gefühlen.
Als er seine Augen wieder öffnete, verriet seine Stimme nichts von dem Kampf, der in seinem inneren tobte.
„Geschwaderbefehl: Kurs zwanzig Grad nach Backbord ändern, Beschleunigung beibehalten.“
Sein Stabschef nickte. „Aye, Sir. Soll ich den SAR-Fregatten den Einsatzbefehl geben?“
„Nein.“ antwortete Sanders barsch, und fügte dann auf den verwirrten Gesichtsausdruck Goldstein's hinzu: „Wir lassen niemanden, niemanden, zurück. Aber die SAR-Fregatten stehen nicht unter dem Schutz des Roten Kreuzes, daher lasse ich sie nicht in den Feuerbreich der Terraner.“
Sanders beobachtete den Hauptbildschirm. Die Vorsichtsmassnahme war vermutlich überflüssig. Die Terraner schienen den Schwanz eingezogen zu haben. Sie beschossen ihn nicht mal mit ihren Langstreckenraketen. „Allain, befehlen Sie Kreuzergeschwader sechzehn den Feind bis zum Verlasen des Systems zu beschatten. Aber machen Sie ihnen klar, dass sie sich ausser Reichweite der Langstreckenraketen halten sollen.“
Minuten vergingen ohne das irgend etwas geschah. Die Terranischen Schiffe zogen ausser Reichweite ihrer neuen Waffe und Vice Admiral Sanders suchte den Blickkontakt mit seinem Stabschef. „Allain, Kontaktieren sie die Sempach. Sagen Sie Captain Sewall, er könne die Bergungsoperationen aufnehmen.
Die Flotte trifft sich mit dem Tross zur Aufmunitionierung und Schadensanalyse.“
Vorsichtig, um sich seine Müdigkeit nicht anmerken zu lassen, erhob er sich aus seinem Sessel und machte sich auf in Richtung des Turboliftes. „Ich bin in meinem Quartier. Rufen Sie mich wenn etwas unvorhergesehenes geschehen sollte.“
In seinem Quartier angelangt liess sich Jonathan Sanders auf sein Bett sinken und stützte den Kopf erschöpft in seine behandschuhten Hände. Und dort, in der Abgeschiedenheit seines Quartiers, wo niemand ihn sehen konnte, gestattete er sich endlich um seinen Sohn zu weinen.
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Dies ist ein Werk der Fiktion.
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