16. Die Macht der Gefühle
Die nächsten Tage sollten nicht so schlimm werden, wie sie es sich vorgestellt hatten. Jonathan gab sich nicht als der vermutete Professor Allwissend, den Hermine erwartet hatte. Vermutlich auch deshalb nicht, weil sie sich zuvor schon einmal auf einer rein geistigen Ebene begegnet waren. Er hatte schnell erkannt, dass sie mit der plötzlichen Macht der Gefühle schlichtweg ein wenig überfordert waren. Theoretisch hätten sich die vier Freunde immer gegenseitig sehen können und zwar weiter, als das Auge dazu jemals in der Lage wäre. Dies ging aufgrund einer Teilentwicklung zum Glück noch nicht, ansonsten hätte es unter den vieren vermutlich schon Mord und Totschlag gegeben. Hermine wusste bereits instinktiv, wie man sich erfolgreich abschottete. Und so vergingen die ersten Tage damit, dass er ihnen erläuterte, wer er war, warum er gekommen war und was er erwartete.
„Ich fühle, dass ihr uneins seid. Bevor wir beginnen können, müssen wir eure Einigkeit wiederherstellen, ansonsten kann ich euch nichts lehren und ihr könnt nichts lernen“, sagte er und setzte sich in einer Ecke auf den Boden. „Klärt eure Wege. Klärt sie mit euren Herzen und eurem Nächsten. Wenn ihr dort die Ordnung geschaffen habt, werden die Wege sich von allein offenbaren und wir können beginnen. Ich werde in dieser Zeit etwas ruhen“, sagte er und schloss die Augen.
Wenn Harry der Meinung war, Dumbledores Aussagen waren schon kryptisch gewesen, konnte er sich jetzt eines Besseren belehren lassen. Sie versuchten, Jonathan anzusprechen, doch dieser reagierte nicht. Nach zwei Tagen kamen die vier zurück, doch er schickte sie wieder unverrichteter Dinge weg. Erst am fünften Tag erkannte er einen Funken Verständnis und gab nach, als sie wie jeden Abend in den siebten Stock stiegen und ihm im Raum der Wünsche begegneten.
„Was hat die Begeisterung geschürt, das Rätsel unbedingt lösen zu wollen?“, fragte er in den Raum.
Hermine antwortete sofort: “Hingabe und Disziplin!“
Jetzt nickte Jonathan bejahend und sagte: „Du hast deinen Weg vor dir gesehen und nicht gescheut, ihn zu gehen. Du warst deiner sicher. So sicher, wie nie zuvor.“ Es war keine Frage gewesen. Er stellte fest, was sie in Padua gefühlt hatte. „Jeder von euch hat es schon einmal erlebt: den Moment, als es Zeit war zu handeln und den Moment, das Unvermeidliche hinnehmen zu müssen. Aber vor allem, den Unterschied zu erkennen!“
Sie hatten sich jetzt im Halbkreis zu ihm gesetzt und lauschten seinen Worten. Jeder für sich erkannte eine Situation in seinem Leben, an dem er sich die eine oder andere Tat vor Augen führte und sie sich als richtig erwiesen hatte. Bei Ginny war es der Moment gewesen, als sie hingenommen hatte, dass Harry sich von ihr um ihretwillen trennen musste. Ron erinnerte sich daran, wie er in der Schachpartie den entscheidenden Zug unternommen hatte, der seinen Partnern das Weiterkommen ermöglicht hatte. Hermine war jetzt diejenige, die im Ministerium die Türen schloss und kennzeichnete, somit den anderen den richtigen Weg wies. Und schließlich Harry, der den dunkelsten aller Zauberer vernichtete und dadurch seine Zauberkraft einbußen musste. Er ahnte es und tat es dennoch, denn es war unabdingbar gewesen.
„Eure Stärke liegt darin, dass ihr in der Lage seid, einander zu helfen, nicht euch gegenseitig zu verurteilen… und jetzt zu uns. Wer die Macht der Gefühle nutzen will, muss begreifen, dass nichts nur gut und nichts nur böse ist. Es kein hell und dunkel gibt und Schwarz und Weiß einen Zwischenraum hat. Ruhe, wenn es an der Zeit ist zu ruhen. Wachsamkeit, wenn es an der Zeit ist, wachsam zu sein.“ Harry musste unwillkürlich an Mad-Eye Moody und seinen Wahlspruch “Immer wachsam“ denken. „Selbst das fernste Ding offenbart sich seiner unmittelbaren Umgebung. Wenn wir mal die ganzen Zauber weglassen und die Magie auf das Wesendliche herunter dividieren, was bleibt noch übrig?“, wollte er wissen und erntete einiges an Achselzucken. „Nein?“, fragte er und erwartete eine Antwort. „Können einfache Gefühle Magie sein? Kann Magie zwischen uns, dem Schrank oder dem Teppich sein? Ist es die gleiche wie die, welche zwischen Bäumen und Steinen herrscht? Kannst du sie in einem Baum fühlen? Kannst du fühlen, was er seit Jahrhunderten fühlt? Kannst du im Wachen fallen und doch mit der Magie handeln? Fühlen, was dein Gegner denkt und seinem Handeln zuvorkommen? Wie schwer ist das Bücherregal? Ist es magisch schwerer, ein einzelnes Buch zu heben oder ist es gleich, ob Buch oder Regal?“, fragte er unablässig weiter.
„Sie ist ein Stoff, nicht wahr?“, fragte Ginny nun zurück und Jonathan lächelte.
„Ja, wenn du so willst, ist sie ein Stoff. Nicht fest und nicht weich, aber immer vorhanden. Auch in der Muggelwelt.“
„Und du meinst, ich könnte auf ihr schweben?“, fragte sie mit großen Augen.
„Ja, du könntest mit ihr dahingleiten“, antwortete Jonathan.
„Sehen? Kämpfen, wenn es denn sein muss?“, sprudelte es aus ihr heraus.
„Laufen, sehr weit springen und schnell sein. Ja, das bewirkt sie, aber nur dem, der sie zu nutzen vermag“, erklärte er. Jetzt richtete er sich auf und strich die Kleider glatt. „Nun… das war sehr viel für einen einzelnen Abend. Ich schlage vor, wir machen erst in drei Tagen weiter. Bis dahin sollte jeder in Lage sein, einen einzigen Punkt umsetzen zu können“, meinte er und wünschte den Anwesenden eine gute Nacht.
Harry glaubte, nur Snapes Okklumentik-Übungen mehr gehasst zu haben und dennoch fühlten sie sich, obwohl Jonathan dies nicht beabsichtigte, wie Kinder – wie Erstklässler. Und Hermine begann sich zu fragen, wie es wohl in seiner letzten Klasse sein würde. Was würden da noch für Dinge auf sie warten?
Ginny konnte ihre Dienste so vereinbaren, dass sie immer ein paar Stunden vorher Schluss machen konnte, um sich Zuhause, noch bevor sie an den Abenden nach Hogwarts zurück gehen würde, noch mit den Aufgaben beschäftigten konnte, die ihnen Jonathan gestellt hatte. Ron hatte da nicht so viel Glück, denn sein Training nahm jetzt wieder zu und er hatte seine Entscheidung getroffen. Quidditch ging in diesem Falle vor und Harry schien dies, zumindest im Augenblick, zu akzeptieren, auch wenn er bereits fühlen konnte, dass er Widerstände aufbaute. Doch am Ende setzte auch er nur um, was Jonathan ihnen versuchte beizubringen. Er würde nicht versuchen, eine Rolle zu spielen, die Harry für ihn ausgesucht hatte. Er würde seinen eigenen Weg gehen. Bis zum Schluss. Harry schloss sich über den Tag ein paar Stunden im Astronomieturm ein und versuchte, seine Gefühle zu kanalisieren, um in den von Jonathan beschriebenen Freifall-Zustand zu erreichen. Manchmal hatte für wenige Augenblicke auch den Eindruck, als gelinge es ihm, doch er kehrte immer zu schnell in das zurück, was er als seine Wirklichkeit bezeichnete. Hermine hingegen konnte immer schneller jenen Wachtraumzustand erreichen, wie sie ihn an jenem Abend gespürt hatte und auch nach Wunsch wieder beenden. Sie versuchte ein schnelles hin- und herschalten zu üben und bekam das mittlerweile auch ganz gut hin. Doch wie würden sie reagieren, wenn ihnen Jonathan wirklich mal eine Aufgabe stellte, die das erforderte?
Wie auch an den Abenden zuvor warteten die vier Freunde im Raum der Wünsche auf ihren Lehrer, während sie weiterhin die Übungen machten, die er ihnen aufgetragen hatte.
Harry und Ron fluchten leise vor sich hin und bemerkten, dass Ginny immer unruhiger wurde und in dem weichen Sessel hin und her rutschte.
"Stimmt was nicht?", wollte ihr Bruder wissen, doch sie schüttelte nur den Kopf und sprang dann plötzlich wie von Peeves erschreckt auf. Sie riss die Tür auf und starrte in das Dämmerlicht. Ihr war, als zerspringe ihr Kopf, als tausend Stimmen schrieen, doch zwei hörte sie ganz genau.
"Guten Abend, Professor Jonathan!", sagte der Zaubertranklehrer.
Jonathan berührte ihn leicht. "Guten Abend, Professor Schniefelus", antwortete Jonathan leise und wappnete sich für den Angriff, den er mit dieser Äußerung hatte provozieren wollen.
Ginny hatte den Eindruck, als würde ihr Sichtfeld verschwimmen, doch es war ihre Wahrnehmung, die sich geändert hatte. Sie sah, wie die Magie in allem zu pulsieren schien. Ihr Atem ging schneller, doch sie versuchte, sich zu innerer Ruhe zu zwingen, während die Gestalten sich in Zeitlupe bewegten. Ihr blieb keine Zeit mehr, wenn sie verhindern wollte, dass Snape ihn umbrachte.
Er blieb stehen, als überlegte er sich seine nächste Handlung, doch dann hatte Snape seinen Zauberstab bereits in der Hand und beide wirbelten herum.
"SECTUMSEMPRA!!"
Ihre Sinne waren bis zum Äußersten gespannt, als sie mit einem kurzen Anlauf über das Geländer im siebenten Stock sprang, sich an den Wänden und Treppen abstieß, um nach einem dreißig Meter Satz in die Tiefe katzengleich hinter den Kontrahenten zu landen. Als Ginny den Kopf hob, war es schon vorbei. Im nächsten Moment huschte ein Schatten über ihren Kopf und es tauchte Hermine neben ihr auf. Jonathan legte scheinbar sanft seine Hand auf Snapes Schulter und ging fast achtlos an ihm vorbei.
"Es ist also nicht nur in unserem Land so, das die Mädchen schneller sind", bemerkte er mit einem Strahlen in den Augen, als er den Damen die Hand reichte, um ihnen beim Aufstehen behilflich zu sein.
„Und wie kommen wir jetzt wieder hoch?“, fragten beide fast gleichzeitig.
„Nicht so, wie ihr heruntergekommen seid?“, stellte er ironisch die Gegenfrage und die beiden Frauen giggelten daraufhin, doch Hermine schloss bereits die Augen, verfiel dem, was sie ihren Wachtraumzauber nannte, holte tief Luft und sprang von der Magie beflügelt über Wände und Treppen wieder nach oben. Ginny brauchte einen Moment länger, konnte ihrer Freundin jedoch kurze Zeit später folgen.
Ron und Harry stand der Mund offen. „Wie… wie habt ihr das gemacht?“, wollten sie wissen.
Ginny gab ihnen Antwort: „Wir haben der Magie vertraut und uns ihr vollständig hingegeben.“ Harry rollte mit den Augen. Noch mehr kryptische Antworten.
Jonathan nahm den normalen Weg und kam über die Treppen. Vermutlich eher, um ihnen einen Moment Zeit zu geben.
„Ich denke, es ist an der Zeit, dass ihr jetzt einander helft. Ginny, bitte helfen sie ihrem Bruder und Hermine hilft Harry. Ich werde das beobachten“, schloss er und war wieder auf den Weg in die Ecke, um es sich in ihr bequem zu machen, als Hermine ihn jetzt noch etwas fragen wollte.
„Wenn ich das durch das Vertrauen in meine Gefühle erreicht habe, wäre es auch möglich, nur rein theoretisch meine ich“, sie dachte an ihren spektakulären Auftritt im Zauber-Gamot, “mit den Gefühlen und etwas Magie einer ganzen Gemeinschaft von Menschen meinen Willen aufzuzwingen? Und zwar so, dass jeder von ihnen für immer der Meinung sein wird, dass er selbst alles so gewollt hat?“
Jetzt wandte er sich ihr zu und schloss seine Augen, als ob er seine nächste Antwort sehr bedacht wählen würde. „Nur mal rein theoretisch, aber wirklich rein theoretisch, wäre das bei einem gewissen Potenzial möglich. Allerdings, und da nehme ich auch meine Schwester nicht aus, habe ich noch niemanden getroffen, der so stark war, dieses Kunststück zu bewerkstelligen. Und meine Schwester ist um einiges stärker als ich!“, erwiderte Jonathan und ließ seinen Blick über die drei anderen schweifen. „Aber Sie werden wohl nicht ohne Grund gefragt haben…“, fügte er jetzt hinzu. Hermine schüttelte den Kopf. „Wir sollten es für heute gut sein lassen und Morgen weitermachen“, sagte er zu den anderen und wie erwartet winkten sie kurz und gingen anschließend zur Tür hinaus.
„Mine, kommst du?“, fragte Ron seine Frau.
„Geh schon mal vor. Ich hab da noch zwei oder drei Fragen…“, gab sie zur Antwort und winkte zurück. Ron grinste, während Ginny und Harry die Augen verdrehten. Sie wussten, dass das die ganze Nacht dauern konnte.
Als die Tür zufiel und sie mit Jonathan alleine war, zauberte sie ein Kissen herbei und ließ sich ihm gegenüber nieder. „Ich darf annehmen, Sie spielen auf ein aktuelles Ereignis an?“, fragte Jonathan. Wieder nickte Hermine. „Nun, sehen Sie, Hermine, um so etwas bewusst erreichen zu können, müsste man seine ganzen Gefühle quasi positiv auf hundertachtzig bringen und gleichzeitig eine negative Beeinflussung hervorrufen. Unterbewusst ist es vorstellbar. Dass Sie das jedoch noch einmal wiederholen können, halte ich jedoch für unwahrscheinlich“, und weil er sie nicht verletzen wollte, sagte er noch, “obwohl ich weiß, dass Sie über immenses Potential verfügen. Möchten Sie mir mehr von Ihrem Erlebnis erzählen?“
Hermine lehnte sich zurück und Jonathan lauschte ihren leisen Worten. Sie sagte, dass sie sich nach Padua und den beiden Wochen mit Ron noch nie so gut gefühlt hatte. Als wäre sie neu geboren worden, aber es fühlte sich anders an. Sie spürte etwas, dass sie noch nie zuvor so intensiv gefühlt hatte: Überlegenheit und Macht. Mit diesen beiden Gefühlen und ihrem Willen sei sie völlig furchtlos vor das Zauberer-Gamot getreten und hatte eigentlich mit ihrem Job schon in Gedanken abgeschlossen. Doch im Gegensatz zu den schwarzen Magiern, die solche Fähigkeiten nur zu ihren eigenen, dunklen Zwecken herbeigerufen hatten, habe sie alle Zweifel zerstreuen können und den Frieden in der Gemeinschaft wiederhergestellt. Erst ein paar Tage später hatte sie begonnen, das Ereignis für sich selbst noch einmal zu reflektieren und kam zu Schlüssen, die ihr Angst machten.
„Sie ahnen, was Sie sind… oder?“, bemerkte er leicht zweideutig.
„Ein Monster!“, sagte sie matt.
„Nein, Hermine! Alles andere, aber kein Monster. Wie nennen Sie im Ministerium Ihre Verbündeten? Sie nennen sie…“ An dieser Stelle unterbrach sie ihn und beendete den Satz: “Ich nenne sie meine ’Krieger des Lichts’.“
„Und das sind Sie, Hermine. Eine Kriegerin des Lichts! Nicht hell, nicht dunkel, aber immer dem Licht verbunden. Schatten zwischen Licht und Dunkelheit.“
Doch eine Frage quälte noch ihren Geist. Was war, wenn einer von ihnen den Schattenpfad verlassen und einen der beiden Wege wählen würde. Was war dann? Sie musste die Frage stellen, obgleich sie die Antwort kannte.
„Sterben“, sagte Jonathan.
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Jonathan führte aus, dass die magisch Begabten in seinem Land die Möglichkeit einer Wahl nicht hätten. Sie wurden praktisch in den Schattenpfad hineingeboren und lernten automatisch die Symbiose aus beidem. Folglich stellte sich die Frage nicht oder nur ganz selten. Andere hingegen, die versucht hatten, ihn zu beschwören und dabei gescheitert waren, verfielen zum Schutz dem Wahnsinn.
„Wie weit sind die anderen gekommen?“, fragte sie und wusste nicht genau, was sie mit ihrer Frage wirklich bezwecken wollte.
„Ich kann euch natürlich nur sagen, wie weit jene kamen, die es nicht versuchten. Albus und Severus haben es nicht getan, weil sie es nicht mehr konnten. Sie wussten um den Umstand des Wie, ahnten aber, dass sie ihre Chance bereits vertan hatten. An beiden Händen klebt Blut. Nur Nicholas wäre es gelungen, wäre er ein Zauberer gewesen, was er nicht war. Er war ein Alchimist und ein großer noch dazu. Und seine Eigenschaft, die ihn auszeichnete: Wahrhaftigkeit. Die Entdeckung, die er gemacht hatte, hat er nicht um seiner selbst Willen gemacht. Und eure Entdeckung habt ihr auch nicht um eurer selbst Willen gemacht, sondern für Harry. Deshalb ist ihm gelungen, den Stein der Weisen herzustellen und Ihnen, Hermine, Ihren Freund zu erlösen. Er hat seine Fähigkeiten zuerst in den Dienst der Welt gestellt und das macht ihr auch, wenn ich mich nicht irre, Hermine. Verstehen Sie? Sie und Nicholas wollten es beide nicht für sich selbst! Im entscheiden Zeitpunkt haben Sie erkannt, dass es nur eine wirkliche Macht gibt: Liebe.“
„Was ist aber mit den negativen Gefühlen? Rachegelüste, Zorn, Furcht?“, fragte sie neugierig.
„Für uns ist Rache kein Problem, denn sie ist ein Teil des Schattenpfades. Für euch ist Rache wie ein Gift, denn bevor du dich umsiehst, verwandelt sie dich in etwas Hässliches. Der Weg ist noch verschlungen. Ich bin hier, um den Weg zu lehren. Wählen jedoch werdet ihr selbst müssen. Außer einer, für den werden Sie wählen. Eines Tages“, antwortete Jonathan.
„Jonathan, was werden wir sein?“, fragte sie jetzt scheuer als zuvor.
„Der Neubeginn, Ende und Anfang. Das Schwert, welches die Dunkelheit teilt und in beiden Welten bestehen bleibt!“, sagte er, aber er machte keine Anstallten, dies weiter auszuführen. Hermine stand nun auf und verabschiedete sich von ihm. Er hatte das offensichtlich auch erwartet.
Nie im Leben hätte sie gedacht, dass sie von Jonathan auch Antworten bekommen würde, mit denen sie etwas anfangen konnte. Er hatte all ihre Fragen zufriedenstellend lösen können. Hermine war sich ganz sicher, dass sie diese Unterhaltung zu einem anderen Zeitpunkt weiterführen würden, doch für heute hatte sie bekommen, was sie wollte: Antworten.
In der nächsten Zeit wurde Hermine zu dem, was sie eh’ schon war – zu einer Lehrerin für die drei anderen. Was früher Harry in der DA gemacht hatte, war nun ihre Aufgabe. Alle vier lernten immer zusammen vor und Hermine wiederholte hinterher noch einmal den Stoff und – viel wichtiger – die ganzen Übungen. Ron musste sich mit voranschreitender Zeit öfter mal zurückziehen, kehrte aber bald nach den Trainings nach Hogwarts zurück. Auch das Verhältnis der vier untereinander besserte sich zusehends, was auch den Konzentrationsübungen geschuldet war.
Vier Eulen mit roten Briefen im Schnabel näherten sich dem Frühstückstisch der vier Freunde. Hermine bemerkte noch andere Eulen, die ebenfalls am Frühstückstisch der Lehrer, aber auch an einigen der Schüler ihre Heuler abwarfen. Alle hatten den gleichen Absender. Und da alle auch fast gleichzeitig losgingen, verstand niemand ein Wort, aber lustig war es allemal, denn der Heuler endete mit einem echten Lachen.
Jetzt flogen weitere Eulen herein, die Pergamente um ihre Beinchen trugen und jeder, der zuvor einen Heuler bekommen hatte, erhielt nun einen richtigen Brief.
Liebe Ginny,
da wir beschlossen haben, unser Leben nunmehr zu viert fortzusetzen, möchten wir vier Dich zu unserer Hochzeit einladen und Dich bitten, unsere Trauzeugin zu sein. Genau wie Ron, Mine und Harry.
Wir freuen uns auf Euch und eine unvergessliche Party.
Maria und Marion noch de La Vega
Fred und George noch Weasley
Die anderen drei bekamen einen mit einem jeweils ähnlichen Inhalt. Ginny fragte noch kurz, was das denn mit dem “noch“ auf sich haben würde, doch nachdem Harry es ihr erklärt hatte, setzte sie eine finstere Mine auf und meinte nur, dass Mum hochgehen würde. Harry verstand es allerdings, sie in diesem Punkt zu beruhigen. Vermutlich hatte er schon eine Idee, Molly zu besänftigen, sollte das von Nöten sein. Ron bemerkte, dass die Hochzeit noch vor dem Halbfinalspiel stattfinden sollte, doch er zuckte nur mit den Schultern. Immerhin konnten sie noch Weihnachten zusammen in Hogwarts feiern, was immer ein besonderes Erlebnis war. Ihr Gast, der noch immer zum Ausruhen in den Wald ging, wenn sie fertig waren, schloss sich ihnen gern zum feiern an. Harry konnte ein, zwei Mal beobachten, wie sich Jonathan auch mit den anderen Lehrern und selbst mit Snape sehr angeregt unterhielt. Später nahmen ihn die Kinder in Beschlag und erkoren ihn zu ihrem neuen Spielkameraden, der bereitwillig alles mitzumachen schien, was die Kleinen ausheckten. Zwischendrin setzte er sich auch abwechselnd zu den vieren an den Tisch und verkündete, dass sie vielleicht auch etwas Ferien machen sollten, um das Ganze sacken zu lassen, wie sich Jonathan auszudrücken pflegte. Die vier nickten zustimmend und man beschloss, nach dem Halbfinalspiel von Ron und seiner Mannschaft wieder weiterzumachen.
„Jonathan warte…“, holte ihn Hermine zurück an den Tisch, “bei uns Menschen und Zauberern ist es Sitte, zum Weihnachtsfest etwas zu verschenken.“ Sie bedeutete Ron, ihr das kleine Päckchen zu geben, welches sie an Jonathan weiterreichte. Er nahm das viereckige, blaue Geschenk an sich, drehte es in der Hand und sah es verwundert an. „Du musst es auspacken!“, meinte Hermine und blickte ihn erwartungsvoll an, während er begann, die kleinen, hellblauen Schleifchen zu lösen und das Papier vorsichtig auseinander zu falten. Ein kleiner Bilderrahmen mit einem Zauberbild, welches die vier Freunde zeigte, kam zum Vorschein. Sichtlich gerührt bewegte Jonathan es langsam hin und her.
„Wir wissen, dass du irgendwann wieder in dein Land gehen musst. Wo immer das auch sein mag möchten wir, dass du uns nicht vergisst und das Bild soll dich an uns erinnern. Bei all deinen Reisen“, sagte Hermine ehrlich.
Wenn Jonathan zuvor noch glaubte, Ollivander nicht verstehen zu können, warum er getan hatte, was er getan hatte – in diesem Augenblick konnte er es nachvollziehen.
„Aber ich hab nichts für euch…“, sagte er jetzt. Ginny beugte sich sanft protestierend über den Tisch.
„Das ist nicht wahr“, sagte sie leise. Dann zeigte sie auf sein Herz: “Was du für uns hast, dass ist da drin.“
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