Sodala. Ich hab ja vor einigen Monaten (oder sinds schon Jahre? ich weiß et nischt mehr ) die Pilotfolge von STAR TREK: Ares hier ins Netz gestellt. Geantwortet hat zwar keiner, aber da es oft geklickt wurde gehe ich mal davon aus, dass es uU doch der ein oder andere gelesen hat
Daher hab ich damals einfach weiter geschrieben und präsentiere hier die Folgen 1 bis 5 einhalb. Kapitel 5 wird noch fertig geschrieben, danach folgt ein sechstes Kapitel, das die erste Staffel mit Pauken, Trompeten und einem fiesen Cliffhanger beendet wird.
Ich hoffe, irgendwer interessiert sich dafür. Falls ja wäre ich von konstruktiver Kritik sehr angetan. Ich möchte allerdings betonen, dass die ganze Sache A) alles andere als fertig ist (bin bisher noch nicht mal zur Rechtschreibüberprüfung gekommen, sorry) und B) hab ich von diversesten technischen Aspekten keine Ahnung. Es gibt eine völlig neue Warpskala in Ares - biddebidde, nehmt sie hin! Ares ist Hirn-raus-Unterhaltung. Mir hilft kein technisches Beraterteam dabei auszurechnen, wie lang die Ares bei Warp 0,6 NWskala von der Erde nach Meridian 3 benötigt... Hoffentlich hat wer Spaß dabei. Und hoffentlich klappt die Sache mit den Anhängen von Dateien so wie ich mir das vorstell
edit: ich muss mich für die beschissene Formatierung hier entschuldigen. Aber beim Hochladen hatte ich das Problem mit den über 900 KB, aus denen die ganze Sache besteht und fünf Posts (1 pro Kapitel) kommt meiner meinung nach Spam ziemlich nahe. Falls ein Moderator was gegen die Länge oder so einzuwenden hat einfach sagen oder löschen, da bin ich nicht so pingelig Viel Spaß halt
STAR TREK
Ares
Kapitel 1
Pilot
Lieutenant Commander Bador war auf Vordia aufgewachsen. Vordia war der Name einer bolianischen Sagengestalt, die wohl am ehesten mit dem irdischen Sissiphus zu vergleichen ist. In Schuhen aus brennendem Eisen wurde Vordia gezwungen, ihren zu Stein gewordenen Vater durch eine Wüste zu rollen, um ihn zum Seher Ekelies zu bringen, der ihr sagen sollte, ob es noch Hoffnung für ihren Vater gäbe. Doch Vordia verstarb auf dieser Reise. Der anklagende Geist ihres Vaters verbannte seine Tochter in die Wüste und verdammte sie dazu, auf ewig ihr eigenes steinernes Ebenbild im Kreis zu rollen. Vordia war eine unwirtliche Welt. Heute weiß niemand mehr, wieso sich die Bolianer auf diesem öden, trockenen Steinklumpen niederließen. Vielleicht waren die ehemals ausgedehnten Regenwälder der Grund; so ziemlich die einzige Abwechslung, die es in Vordias Wildnis gab. Badors Vater war Ingenieur gewesen und hatte versucht, eine Wetterkontrolltechnik zu entwickeln, die das Verenden der Go'chatkabäume verhindern konnte. Er hatte sein Werk nie vollenden können. Dafür war er zu früh gestorben. Bador erinnerte sich nur noch vage an den starken Mann, der eines Tages nicht mehr von der Arbeit nach Hause kam und drei Tage später verstümmelt aufgefunden wurde. Piraten. Er blieb nicht das einzige Opfer. Bador hatte früh beschlossen, Techniker zu werden. Er hatte eine Vorliebe für komplizierte technische Probleme, aber auch für die Kunst. Bis vor wenigen Monaten war er ein Künstler gewesen, sogar ein außerordentlich begabter, wie ihm Freunde wie völlig Fremde gleichermaßen bestätigten. Er töpferte am liebsten im Beisein seines spielenden Sohnes, seiner dichtenden Tochter oder seiner musizierenden Gattin. Am Kamin war er besonders kreativ; eine seiner frühesten Erinnerungen ist das stolze Betrachten des fertiggestellten Kachelwerkes, das er mit seinem Vater gebaut hatte.
An diesen behaglichen Ort wünschten sich Bador zurück, als er vor dem technischen Holographischen Notfallprogramm der Föderationsraumstation Hamlet stramm stehen und sich eine Standpauke anhören musste. Das THN, das allgemein nur als "Der Commander" bekannt war, weckte etwa so viel Nächstenliebe wie ein schlecht gelaunter Nausicaaner.
"Lieutenant Commander, ich hoffe, Ihnen ist bewusst, dass ich unter diesen Umständen nicht arbeiten kann!" Das THN deutete mit seinem Daumen hinter seine Schulter. Man hatte ihm nur einen gewöhnlichen orangenen Overall zugestanden; mehr Design war nicht drin gewesen. Hinter ihm versuchten mehrere Starfleet-Angehörige, ein Schott auseinander zu bekommen welches sich bei einer kleinen Explosion der Gasleitungen verkeilt hatte.
"Ich verlange doch hoffentlich nicht zu viel wenn ich mir ein Kategorie B-Duranium verlange, oder?", fragte er. Ein Mensch wäre errötet, doch die dunkle Haut des THNs blieb unverändert. Lediglich seine Augen glotzten Bador wütend an und verrieten dem versierten Techniker, dass es sich nicht um ein lediglich lebend aussehendes Subjekt handelte.
"Ich habe Ihnen doch bereits dargelegt, dass es einen Lieferengpass gibt.", versuchte sich Bador zu rechtfertigen. Er wollte seine Manieren nicht überstrapazieren - oder seine Nerven, was das betraf. "Ich werde sehen, was ich tun kann. Noch etwas?"
Das THN verschränkte zufrieden die Arme vor dem Brustkorb, als hätte es einen glorreichen Sieg errungen. "Nein, Lieutenant Commander, das wäre alles..." Neben dem THN fiel ein Schott aus der Halterung und flog durch die holographische Projektion. "...im Moment. Wegtreten!"
Bador floh, solange er noch konnte. Sein Dienstplan ließ ihm keine Zeit für Diskussionen mit Notfallhologrammen, denen man sowieso nie die Befehlsgewalt übertragen durfte. Aber Commander Eberdinger war der Meinung, dass das THN ein geeigneter Stellvertreter für die Nachtschicht war. Starfleet machte Druck. Gestern war die Enterprise-G von den diplomatischen Gesprächen zurückgekehrt. Bador hatte zwar das Offizielle gehört, aber er hatte auch seine eigenen Quellen. Und die waren um einiges pessimistischer als Captain Jordans öffentlicher Bericht. Gerüchte sprachen gar von einer Fast-Schießerei. Bador wusste nicht, wie viel davon der Wahrheit entsprach, aber er kannte die Romulaner. Die Führungsriege konnte sich jederzeit ändern - und nicht immer wurde das laut ins All hinausposaunt. Nicht mehr, seit Hochimperator Otal am "Morgen danach" nach seiner pompösen Machtübernahme sein Schlafzimmer mit den Füßen voran verlassen musste.
Bador betrat Turbolift A, der durch alle Sektionen des Schiffsrumpfes führte. Genauer gesagt bestand Lift A im Moment nur aus dem Boden, ein paar Streben, einem Bedienelement, der Decke und ein paar Kraftfeldern. Viel beeindruckender jedoch war die Linie, die der Lift abfuhr. Die Röhre war bereits angelegt und führte durch die Antriebssektion des Schiffes, genauer gesagt an der Außenseite des Rumpfes herum. An vielen Stellen gab es noch keine Hülle, und so hatte man einen grandiosen Ausblick auf die anderen Schiffe der Dockingstation. Bador konnte die Oberth sehen, die Rhino und einen Großteil der Goliath. Von der Steuerbord Warpgondel A verdeckt hing die Halo in ihrem Stahlgerüst und wurde aufgerüstet. Bador hatte das Schiff oft im Blick, denn er arbeitete zur Zeit in Sektor Delta und rüstete den Hangar aus. Während seiner Schicht unterhielt er sich regelmäßig mit Johnson, der früher auf der Halo gedient hatte, kurz bevor sie in den Gamma Quadranten aufgebrochen war. Bador selbst hatte nie auf einem Schiff der Halo-Klasse gedient und wollte es auch nie tun. Er bewunderte die schlichte Eleganz der schlanken Schiffe, hätte sich auf einem Kriegsschiff aber nie so recht wohl gefühlt. Dass er nun wahrscheinlich auf der Ares bleiben würde, erschien ihm immer noch falsch. Aber hier konnte er etwas leisten. Daheim konnte er töpfern. An der Front würde er Leben retten - sie im Maschinenraum aber nicht aktiv vernichten. Krieg war hässlich.
Bador erreichte sein Ziel, Hangar A, nach kurzer Fahrt. Vor ihm tat sich das großteils unverkleidete Hangar-Deck Fünfzehn auf. Es war der größte Raum des Schiffes nach dem Shuttlehangar B und dem Maschinenraum. Und das Hangar-Deck nahm viel Platz ein. Bador würde sich vermutlich nie oder nur selten um die Kampfshuttles kümmern müssen, und er beneidete die Ingenieure, die dafür an Bord kommen würden, auch nicht sonderlich. Obwohl die Ares ein Kriegsschiff war, hielt Starfleet die Ressourcen für zusätzliche Waffensysteme niedrig. Man war in erster Linie Forscher. Erst im Notfall ließ man die Waffen sprechen. Und im Moment sprach sowieso eher Badors Magen. Zielstrebig steuerte der Ingenieur das Pilotenkasino an; "Besitzer" eines der wenigen bereits funktionierenden Replikatoren auf dem Schiff. Bador wollte sich für einen kleinen Snack vor der Arbeit nicht extra auf die Hamlet rüberbeamen lassen. Johnson saß bereits auf einer der Couches und starrte die Steuerbordwand an, die durchsichtig war und freien Blick ins All gewährt hätte, hätte sich das Schiff nicht im Dock befunden. Er aß ein Truthahnsandwich, Bador konnte es riechen. Neben dem Mensch lag ein bolianisches Äquivalent des Fast Foods: eine (replizierte) Seeschlange im Brotmantel, gute zwanzig Zentimeter lang.
"Sie kommen spät", sagte er und kaute kräftig auf einem Stück Huhn. "Hat schon aufgehört, sich zu bewegen."
"Schade."
Bador bedankte sich, schnappte sich das Brötchen und biss hinein.
Johnson musste fast heulen vor lachen.
"Also, dass hätten Sie mir sagen können!", rief Bador wütend und warf das ekelhafte Erzeugnis in den Mülleimer. Er nahm sich vor, am nächsten Tag die Replikatoren überprüfen zu lassen. Und Johnson dazu einzuteilen.
Drei Monate später waren die Arbeiten am Hangardeck der Ares fast abgeschlossen, als die Nachricht eintraf. Bador befand sich in einer Jeffreysröhre unter Deck Siebzehn und nahm eine letzte Diagnose am Energierelay vor. Das Ding weigerte sich seit Tagen beharrlich, die Shuttleklammern mit Energie zu versorgen. Letzte Woche waren die ersten vier Kampfeinheiten an Bord gekommen. Um Energie zu sparen hatte Bador sie mit Gurten und Seilen festgezurrt. Bador suchte gerade seinen Tricorder, als das Interkom ansprang.
"Roter Alarm! Alle Mann auf Gefechtsstationen! Die Hamlet wird angegriffen! Dies ist keine Übung! Ich wiederhole: Dies ist keine Übung!"
Bador geriet natürlich nicht in Panik. Vor Jahren hatte er ein Raumschiff befehligt und sich eine gewissen Ruhe beim Rotalarm angewöhnt. Doch er hatte sein Kommando besonders aus einem Grund aufgegeben und sich für ein Leben als Familienvater entschieden: ein Rotalarm konnte schlecht ausgehen. Besonders, wenn das Raumschiff, auf dem man sich gegenwärtig befand, nicht einmal eine vollständige Hülle vorweisen konnte. Bador ließ seine Tasche an Ort und Stelle und kroch rückwärts aus der Jeffreysröhre. Er landete im Knotenpunkt 117. Er sprang durch die Öffnung, die früher oder später mit einem Schott versehen werden würde, und suchte sich den nächsten Infoscreen. Er fand ihn nur zehn Meter weiter. Wie viele der Systeme an Bord war auch dieses ohne Energie. Bador stieß einen deftigen bolianischen Fluch aus, der sich insbesondere auf das THN bezog, welches sich mehr um seine Holoemitter als um Sicherheitssysteme oder Infoscreens sorgte. Bador eilte zu Turbolift C. Er war besetzt. Bador wartete - ein Umweg über die Jeffreysröhren hätte mehr Zeit gekostet als zu warten. Schon nach zwanzig Sekunden teilten sich die Schotts. Bador machte Lieutenant Gomorra Platz und betrat selbst den Lift. Johnson eilte um die Ecke; Bador hielt die Türen auf, und Johnson sprang so heftig in den Lift, dass er auf die der Tür gegenüberliegenden Wand knallte. "Hauptmaschinenraum!", brüllte er. Bador half ihm hoch. "Was ist denn los?"
"Wir werden angegriffen! Ich hab's grade von Commander Admon erfahren - drei romulanische Slaybirds in direktem Anflug!"
Bador runzelte verwirrt die Stirn. "Ungetarnt? Seit wann das?"
Johnson zuckte die Schultern. "Keine Ahnung. Aber sie antworten nicht auf unsere Rufe!" Das Interkom meldete sich wieder. Es forderte erneut zum Besetzen der Kampfstationen auf. Die Ares betraf das nur sehr eingeschränkt. Die Hamlet war eine Station, in der hauptsächlich ältere Raumschiffe umgerüstet wurden. In dieser Zeit waren sie zwar verwundbarer als sonst, aber trotzdem beschränkt einsatzfähig. Die Ares hingegen war ein brandneues Schiff, welches erst hier montiert wurde. Gleichzeitig suchte man nach den geeignetsten Möglichkeiten, experimentelle Systeme zu integrieren. Shuttlehangar A zum Beispiel war eine Neuerung. Obwohl Starfleet schon länger spezielle Kampfshuttles einsetzte um die größeren Raumschiffe (bei denen es sich trotz aller Konflikte im letzten Jahrhundert noch immer hauptsächlich um Forschungsschiffe handelte) zu schützen. Die Ares war jedoch das erste Schiff der Sternenflotte, welches keine Jäger statt der regulären Shuttleflotte unterhielt, sondern zusätzlich. Die Kampfjäger, der Stardancer-Klasse zugehörig, hatten einen eigenen Shuttlehanger (Hangar A), welcher schnelles Starten ermöglichte. Dafür hatte man jedoch umfassende Änderungen in der Antriebssektion vornehmen müssen. Unter anderem ließ es sich nicht vermeiden, die beiden unteren Warpgondeln zu demontieren und in größerem Abstand vom Hauptschott des Hangars wieder anzubringen. Das hatte viel Zeit, Nerven und ein paar Ingenieuren den Job gekostet. Überhaupt hatte man riesige Teile des damals fast fertigen Schiffes abtragen müssen. Die Ares war, im Gegensatz zu vielen anderen Schiffen im Dock, nicht nur kampfunfähig. Es funktionierten nicht einmal die Impulstriebwerke. Die Torbedokatapulte waren zwar montiert, aber ohne Energie und Bewaffnung. Die Phaserbänke streikten schon seit Wochen. Weder die regulären Deflektorschilde noch der neuartige Warp-Deflektorgenerator zeigten gesteigertes Interesse daran, das Schiff zu schützen. Nicht einmal die Lebenserhaltungssysteme waren in Betrieb genommen worden; die Ares hing buchstäblich an der Nabelschnur. Und im Moment wurde dieses hilflose sechshundert Meter "Baby" von drei romulanischen Slaybirds angegriffen.
Die Transportkapsel geriet ins Stocken. Sie hielt abrupt an und fuhr zurück zur nächsten Warteposition. Diese war ebenfalls noch nicht verhüllt - ein Umstand, der Bador sonst nicht so nervös machte wie jetzt. Der Lift verharrte an seiner Position. Die beiden Techniker sahen der Goliath zu, wie das schwerfällige Raumschiff sich von seiner Halteklammer löste. Sie gehörte zur Excelsior-Klasse; ein uraltes Relikt aus dem dreiundzwanzigsten Jahrhundert, welches gerade aufgerüstet wurde. Ohne den Everdine Konflikt wäre es wohl schon längst auf dem Schiffsfriedhof von Stardust 3 gelandet; trotzdem spürte Bador, dass es wohl die letzte Umrüstung sein würde. Er hatte ein Gespür für solche Tatsachen; das hatte er von seinem Vater gelernt.
Johnson betrachtete ebenfalls die Goliath. Das Excelsior-Klassenschiff tauchte unter der Halo hinweg und reihte sich in die kurze Reihe der Raumschiffe ein, die sich durch das Eingangstor der Hamlet zwängen würden. Es waren, mit der Goliath, fünf Schiffe: die Oberth, die Fox, die Rhino und die Telos. Mehrere andere Schiffe, wie die Halo, waren zwar beschränkt einsatzfähig, jedoch unbemannt - auf der Odeuvre beispielsweise hielt sich zur Zeit nur eine Rumpfcrew von zehn Technikern auf. Es gab noch weitere Schiffe innerhalb der Hamlet-Station, die sich jedoch in einem ähnlichen Zustand befanden wie die Ares. Nur dass sie von Romulanern zu Schrott geschossen worden waren.
Gerade als die Oberth ihre Warpgondeln an den sich noch immer weitenden Schotts vorbei zwängte, passierte eine weitere Turboliftkapsel das Exemplar der beiden Ingenieure.
Das Exemplar war teilweise mit Metall verkleidet worden. Trotzdem erhaschte Bador einen kurzen Blick auf schwarze Panzerplatten. Konnte das sein?
"Johnson, befinden sich zur Zeit irgendwelche Angehörigen der Kampfstaffeln an Bord?", fragte er seinen Kollegen. Einen Augenblick später setzte sich die Kapsel erneut in Bewegung und fuhr Richtung Maschinenraum.
"Auf der Hamlet sind nur ein paar stationiert. Die würden sicher keine von unseren Einheiten benutzen." Er kratzte sich am Kopf. "Die Meridian verfügt über ihre Standardbesatzung..."
"Aber über keine Jäger mehr!", vollendete Bador den Satz. Vermutlich waren die Piloten von der Halo hinübergebeamt. Bei all den Baumaterialien, die teilweise frei im Raum schwebten, wunderte es ihn nicht, dass die Piloten eher in einem fertigen Teil des Schiffes als im nicht mal überdachten Hangardeck A materialisieren wollten.
Die Kabine erreichte ihr Ziel auf Deck Fünfzehn, Sektion Gamma, Abschnitt E. Der Hauptmaschinenraum. Der zweitgrößte Raum des Schiffes nach dem Shuttlehangar B. Vier Decks hoch. Ein gigantischer Warpkern. Gleichzeitig ein neuartiger Deflektor. Ein Fünfzehn Meter langes Forschungsabfallprodukt, wie Bador es sah. Es gab nicht einen einzigen Test, der ein Funktionieren des Def.-Warpskerns bestätigen konnte. Was die Ingenieure allerdings durchaus aufweisen konnten waren tausende Simulationen, wobei in fünfzig Prozent der Fälle das halbe simulierte Schiff in die Luft flog. Der Prototyp des DWK hatte übrigens die USS Lake Taro zerfetzt; dies war der einzige Feldtest des Systems gewesen. Um ganz ehrlich zu sein: Die Ares war viel zu früh gebaut worden. Mehrmals während der Konstruktion hatte sich das Design verändern müssen, um die vielen experimentellen Waffensysteme installieren zu können. Module mussten erneuert, nicht funktionierende Systeme entfernt werden. Die klingonischen Disruptoren an der Unterseite des Diskusssegments hatten eine Affinität zum unerklärlichen Energieabfall. Die Schildsystem ließen sich immer noch nicht hochfahren - die Techniker konnten froh sein, dass wenigstens die Kraftfelder hielten, die alle ungeschützten Bereiche wie den Jägerhangar vor Dekompression schützten.
Der Maschinenraum war in etwa kreisrund. In der Mitte ragte der Warpkern auf, welcher oben und unten noch jeweils etwa ein halbes Deck weiter verlief. Vier Kühltanks schlängelten sich das Machwerk hinauf und sorgten für eine angenehme Temperatur in der Nähe des Generators, der an sonsten glühend heiß gewesen wäre. Bador hatte sich für ein narrensicheres System zum Absprengen des Warpkerns eingesetzt. Jetzt konnte er an vielen Stellen kleine Notfallschalter erkennen, die bei entsprechender Autorisierung den DWK entweder abstießen oder explodieren ließen. Der Bolianer zwängte sich an Johnson vorbei. Der Zugang zum Turbolift lag achtern, direkt neben dem Hauptschott und einem Zugang zu Jeffreysröhre 434. Gegenüber war eine Öffnung für das Schott zum Büro des Chefingenieurs in die Wand eingelassen; die entsprechenden Teile waren zwar vorhanden, ließen sich aber noch nicht schließen. Bador und Johnson huschten an den vielen Stationen vorbei, an denen Techniker in den typischen orangen Overalls hektisch ihren Dienst taten. Das Büro des Chefingenieurs war noch sehr spartanisch eingerichtet. Es bestand nur aus einem technischen Pult, das die ganze Wand unter einem riesigen Fenster mit Blick auf den Warpkern einnahm. Die Rückseite zeigte ein Diagramm der Ares mit erschreckend vielen rot markierten Bereichen, die unfertige Systeme kennzeichneten. Bador war trotzdem überrascht; er hatte den Überblick verloren und war sich nicht bewusst gewesen, dass zum Beispiel das Lebenserhaltungssystem schon vollständig installiert war. Auch Johnson schien dies neu zu sein. Der wandte sich nämlich an die einzige Person im Raum: das THN.
"Commander, ist diese Darstellung richtig?", fragte er und trat näher heran. Im selben Augenblick wechselte die farbliche Markierung der Torbedobänke von blau (inaktiv, aber funktionsfähig) in grün (geladen und bereit).
Das THN war zu beschäftigt, um ihnen ausladend zu antworten. Statt dessen verwies es die beiden verdutzten Techniker an Lieutenant Portanzer. Die nervöse junge Dame koordinierte gerade den Zusammenschluss diverser EPS-Leitungen, als Johnson ihr zurief und sie nach der Lage fragte.
"Wir werden angegriffen!"
"Ja, das wissen wir bereits, Lieutenant.", meinte Bador. Er machte einem Techniker Platz, der sich an ihm vorbeidrängte.
"Wir haben neue Befehle, Sir! Gefechtsbereitschaft."
Johnson klappte die Kinnlade herunter. "Gefechtsbereitschaft?", fragte er ungläubig. "Wir haben nicht mal Schutzschilde, geschweige denn eine kampferfahrene Crew!"
"Beruhigen Sie sich. Lieutenant, weiß der Commodore von unserer Lage?"
"Er weiß es, Sir, und er tut alles, um unseren Einsatz hinauszuzögern. Vor ein paar Minuten haben wir mehrere getarnte Signale am äußeren Rand des Systems gefunden. Unidentifizierbare Einheiten, auf jeden Fall aber größer als Slaybirds. Der Commodore hat alle verfügbaren Einheiten im Sektor herbeordert, aber die ersten Schiffe treffen in frühestens einer Stunde ein."
Johnson hatte sich über ein taktisches Display gebeugt. Er kratzte sich nervös am Kopf. "Das wird zu spät sein. Ich kenne mich nicht sehr gut mit taktischen Systemen aus, aber diese Slaybirds sind ziemlich schnell..."
Bador warf einen Blick auf den Bildschirm. "Sie haben Recht. Laut dieser Anzeige sind sie in weniger als neun Minuten in Waffenreichweite."
Er wandte sich an Lieutenant Portanzer. "Wo befinden sich Commander Takeruci im Moment?"
Die junge Lieutenant warf einen Blick auf ihren PDA. "Ah, er ist auf dem Weg zu Fährenhanger H35. Er wird wohl in etwa fünf Minuten auf der Kampfbrücke eintreffen. Hoffe ich!"
"Bador, wir sind Techniker, keine Kämpfer! Wir sollten das Schiff verlassen und die Sache aussitzen!"
"Sie mussten vielleicht noch nie kämpfen, Johnson. Ich aber schon. Sie kommen mit!"
Bador machte kehrt und hielt auf den Turbolift zu, einen verdutzten Johnson im Schlepptau. "Wohin?" "Kampfbrücke. Deck 5."
Commodore Willson stand vor dem Hauptbildschirm des Kommandozentrums und raufte sich den Vollbart. Die Scannsignale waren inzwischen von der Oberth bestätigt worden. Mindestens zwölf weitere kapitale Raumschiffe, die allesamt am Rande des Scanbereichs ihre Stellung hielten. Die USS Jolly Jumper würde in fünfundvierzig Minuten eintreffen und bei dieser Aktion wahrscheinlich ihren Warpkern grillen. Die drei Slaybirds waren in sieben Minuten in Gefechtsreichweite. Die Hamlet war nur leicht bewaffnet, kaum einem Gegner gewachsen. Die wenigen Schiffe, die sich in einer Verteidigungslinie den Romulanern gegenüberstellten, waren nur teilweise einsatzbereit. Mit den drei ungetarnten Schiffen würden sie fertig werden. Die restliche Flotte war das eigentliche Problem. Insgeheim hoffte Willson immer noch, dass die ungetarnten Schiffe eine diplomatische Mission hatten. Das war für ihn der einzig denkbare Grund, weshalb sie sich nicht heimlich näherten.
"Ares an Commodore Willson."
"Hier Willson. Sprechen Sie, aber fassen Sie sich kurz!"
"Sir, hier spricht Lieutenant Commander Bador. Ich befinde mich auf dem Weg zur Kampfbrücke."
"Das ist hochinteressant, Commander, aber ich habe viel zu tun."
"Das weiß ich, Sir. Ich möchte das Kommando über das Schiff übernehmen."
"Machen Sie sich das mit Commander Takeruci aus, Commander. Ich...."
"Bei allem Respekt, Sir, der Commander hat weder die nötige Kampferfahrung noch befindet er sich derzeit an Bord. Ich beabsichtige, die Ares schnellstmöglich ins freie All zu bringen und unsere volle Torpedokapazität zu nutzen, solange die Slaybirds noch zu weit entfernt für ihre Disruptoren sind."
"Commander, ich habe keine Zeit für Sie. Es tut mir leid. Warten Sie auf Commander Takeruci und befolgen Sie seine Befehle..."
"Aber Sir, er..."
"Willson Ende!"
Der Schiffscomputer gab eine Meldung durch: nur noch fünf Minuten bis Waffenreichweite. Noch immer keine Energie auf den gegnerischen Waffensystemen. Auch keine Schildenergie war zu verzeichnen. Die drei Schiffe hielten mit Maximaler Sublichtgeschwindigkeit auf das Raumdock zu. Commodore Willson griff mit zittrigen Fingern nach seinem Cappuccino. Er nahm einen kräftigen Schluck. Mit geschlossenen Augen versuchte er, die Situation in den Griff zu bekommen. Es ergab keinen Sinn. "Commodore, eine Nachricht von der Oberth!"
"Auf den Schirm."
Der Hauptbildschirm teilte sich. Die eine Hälfte zeigte einen verkleinerte Version des Taktikhologramms. Die andere wurde von einer Darstellung der Brücke des Raumschiffs Oberth eingenommen. Sie war ein Schiff der Souvereign-Klasse, maßlos veraltet und in einem Gefecht schwer beschädigt worden. Allerdings war sie von allen Einheiten im Dock mit Abstand im besten Zustand.
"Captain Michaelson", begrüßte Willson sein Gegenüber.
Michaelson war ein untersetzter Mann mittleren Alters, den man überall, nur nicht im Kapitänssitz eines Raumschiffs erwartet hätte. Er kaute an seinen Nägeln und hatte ein leichtes Problem mit trockener Haut. "Commodore, die Romulaner antworten weiterhin auf keinen unserer Rufe."
Willson überprüfte die Anzeigen. Föderationsschiffe hatten eine größere Waffenreichweite als Romulanische Slaybirds. Die Gegner waren ungetarnt und ungeschützt. Ein Nichtreagieren von Komsignalen war bei Romulanern immer ein Vorzeichen für folgenschwere Ereignisse...
"Danke, Captain, Sie werden ihre Befehle erhalten. Bis dahin versuchen Sie es weiter. Willson Ende."
Er ließ sich in seinen Kommandostuhl nieder, atmete durch und öffnete einen offenen Kanal. "Hier spricht Commodore Willson von der Föderationsraumstation Hamlet! Ich rufe die Romulanischen Slaybirds die sich uns nähern, sowie die getarnten Einheiten, die glauben, sich vor unseren Sensoren verstecken zu können. Sie haben auf keinen unserer Kommunikationsversuche geantwortet. Unsere Sensoren können keine Beschädigungen an ihren Systemen feststellen, die sie daran hindern können. Meine Schiffe haben den Befehl, sofort das Feuer zu eröffnen, wenn Sie nicht auf diesen Ruf antworten. Nennen Sie den Grund Ihres Aufenthalts in diesem System und reduzieren Sie Ihre Geschwindigkeit. Sie haben eine Minute."
Bador erreichte die Kampfbrücke der Ares kurz nach seinem Gespräch mit Commodore Willson. Der Raum war klein, dunkel und spartanisch ausgerüstet. Die einzigen Zugeständnisse an das leibliche Wohl der Offiziere stellten bequeme Stühle sowie eine Toilette in einem Nebenraum dar. Dafür fehlte zum Beispiel der Replikator, und es gab auch nicht für jede Station einen Stuhl. Bereits anwesend war eine junge Lieutenant, die sich an der Taktikstation zu schaffen machte. "Lieutenant", machte Bador sich bemerkbar und ließ sich im Kommandosessel nieder. Dabei wäre er fast zu Boden gefallen, weil der Stuhl nicht fest im Deckboden verankert war. "Lieutenant! Statusbericht!", rief Bador, da die Lieutenant noch nicht unter ihrem Pult hervorgekommen war. Bador versuchte, sein kleines Pult in Betrieb zu nehmen und gab Johnson mit einem Zeichen zu verstehen, den Offizier hervorzuholen.
Johnson beugte sich hinab und tippte dem Lieutenant auf das Knie. Die Haut schien ungewöhnlich hart zu sein. Das Knie zuckte. Der Offizier fuhr verschreckt zusammen und knallte mit dem Kopf gegen das Pult. Vor Schmerz stöhnend krabbelte sie hervor. Johnson wäre fast einen Meter zurückgesprungen, als er der Reptilianerin ins schuppige Gesicht sah.
"Äh, Sir, ich äh, ich...."
Johnson hob abwehrend die Hände und verwies an Bador. Er selbst stellte sich an die Taktikstation und grübelte darüber nach, was die Lieutenant gerade damit angestellt hatte.
"Sir!", meldete sie sich und nahm vor Bador Haltung an.
"Stehen Sie bequem, Lieutenant..."
"J'Kolan, Sir. Dienstnummer..."
"Im Moment uninteressant, Lieutenant, sagen Sie mir lieber, was genau hier funktioniert. Mit den Sektionen Alpha und Beta bin ich nicht sehr vertraut."
"Sir! Navigation und Gefechtsdüsen einsatzbereit. Taktische Station standardisiert einsatzbereit. Ich bin gerade dabei, sie an die verbesserten taktischen Sensoren anzuschließen. Technikstation einsatzbereit, ebenso Statusbildschirme für alle Bereiche außer der Krankenstation. Sir", fragte sie vorsichtig, "haben Sie jetzt das Kommando?"
"Leider nicht. Sorgen Sie dafür, dass die Manöverdüsen einsatzbereit sind. Wir laufen aus, sobald Commander Takeruci an Bord ist."
Sichtlich erleichtert verließ J'Kolan die Kommandobrücke, um den Jungs von Deck Fünf Feuer unter ihren Ärschen zu machen.
"Ich wusste gar nicht, dass Xindi auf der Hamlet stationiert sind.", bemerkte Johnson. Er schüttelte sich und kratzte sich am Kopf.
"Sind auch keine. Meines Wissens nach gehört J'Kolan zur Stammbesatzung der Ares. Hat irgendetwas mit den Sensoren zu schaffen, die wir letzten Monat integriert haben." Bador fragte wie beiläufig: "Haben Sie etwas gegen Xindi, Lieutenant?"
"Nein, wie kommen Sie darauf?"
"Nun, Sie haben sich am Kopf gekratzt. Das machen Sie immer, wenn Sie nervös oder verärgert sind."
"Bador, wir werden angegriffen!"
"Ja. Das stimmt." Bador starrte grimmig auf den Hauptbildschirm, den noch niemand aktiviert hatte.
Commander Yoshiki Takeruci war nicht erfreut über den Versuch Badors, das Kommando über sein Schiff zu übernehmen. Takeruci hatte die letzten dreiundsechzig Monate an Bord der Ares verbracht. Er hatte in einem Quartier geschlafen das nur zwei Wände hatte und dessen Kraftfelder jederzeit versagen konnten. Er war neben dem Schiffscomputer überhaupt der einzige, der eine ungefähre Ahnung davon hatte, welche Systeme gefahrlos hochgefahren werden konnten und welche das Schiff in die Luft jagen würden. Gereizt erschien er auf der Kampfbrücke. Er hatte von Anfang an klar dargelegt, dass dieser Bereich als einer der ersten zu funktionieren hatte. Dass Lieutenant Johnson gerade das Taktikpult auseinander nahm passte ihm gar nicht. Immerhin war Bador, der gerade aufgestanden war und Haltung angenommen hatte, geistesgegenwärtig genug gewesen, dem Steuermann den Befehl zum Auslaufen zu geben, als Takeruci sich an Bord gemeldet hatte.
"Commander an Deck!", brüllte er. Etwas aggressiv für einen Bolianer, dachte Takeruci. Bador trat beiseite und ließ Takeruci zu seinem Stuhl. Dieser setzte sich demonstrativ langsam hinein, verdeutlichte damit, wem dieser Platz gebührte.
"Commander, wie ist unser Status?"
"Manöverdüsen im Einsatz, Sir! Wir passieren soeben Sektion 1 der Hamlet. Geschätzte Zeit bis zum offenen Raum etwa fünfzig Sekunden. Die Torpedorampen Zwei und Drei sind aktiviert und werden geladen. Torpedorampe Eins ist mit Photonentorpedos geladen und bereit. Wir haben keine Schilde und keine Phaser, außerdem ist das Lebenserhaltungssystem auf den Decks Zehn bis Siebzehn inaktiv. Die Atmosphäre wird etwa drei Stunden lang atembar sein, aber bis sie toxisch wird haben wir die Systeme sicher einsatzbereit. Wir sollten den Romulanern lieber nicht unser Heck zeigen, Sir. Ein gezielter Disruptortreffer in den Jägerhangar könnte bis zum Warpkern vorstoßen."
Takeruci hörte sich den Bericht schweigend und aufmerksam an.
"Gut", sagte er dann. "Steuermann, bringen Sie uns an Position 33A. Drei Kilometer Steuerbord von der Rhino."
Der Steuermann, ein junger Tellarit, bestätigte den Befehl und richtete den Kurs ein. Schwerfällig bewegte sich die Ares fort. Das Schiff hatte sich überhaupt noch nie selbstständig bewegt. Die Techniker hatten Takeruci und den Commodore eindringlich davor gewarnt, dass die Strukturelle Integrität einer solchen Belastung nicht standhalten könnte. Commodore Willson hielt das Risiko für akzeptabel. Takeruci teilte diese Meinung nicht, doch er respektierte die Kommandokette.
"Commander", meldete sich Lieutenant Johnson von der Taktik, "Meine Konsole ist einsatzbereit. Ich erhalte Meldung, dass die Slaybirds in Waffenreichweite der Oberth sind."
"Auf den Schirm!", befahl Takeruci. Der Hauptbildschirm erwachte zum Leben. Summend nahm er den Betrieb auf und generierte die Standartansicht, den Blick direkt nach Vorne. Nur etwa eine Sekunde lang, vielleicht zwei, war die Steuerbordwarpgondel der Rhino zu sehen. Dann wechselte die Darstellung, zeigte die schlanke Oberth, der sich drei gut erkennbare Slaybirds näherten. Die romulanischen Schiffe waren groß, wirkten aber geschmeidig mit ihren sechs Schwingen. Die federartigen Strukturen, welche die gefährlichen Disruptoren beherbergten und sonst hell erleuchtet waren, zeigten völlige Dunkelheit. Ebenso wenig waren die Fenster der Bugsektion erleuchtet, jener Schnabelförmigen Konstruktion die einen Slaybird ausmachte. Sie kamen rasch näher. Die Oberth zögerte noch ein paar Sekunden. Dann eröffnete sie das Feuer.
Später als befohlen schoßen die beiden vordersten Schiffe den Romulanern vor den Bug. Die Oberth setzte ihre neuen Langstreckenphaser ein und zog einen Krater durch den riesigen Schnabel des Backbord-Slaybirds. Die Telos setzte eine Salve Photonentorpedos frei, die vor den Romulanern detonierten. Ein Warnschuss, wie Commodore Willson verärgert erkannte. Seine Befehle wurden konsequent nach eigenem Gutdünken umformuliert. Er konnte keine Kapitäne gebrauchen, die bei der Verteidigung von Föderationsmitgliedern zögerten. Doch die Romulaner zeigten kein gesteigertes Interesse daran, das Zaudern der Starfleetangehörigen auszunutzen. Sie flogen einfach mit Maximalem Sublichtantrieb weiter. Willson starrte auf den Hauptschirm. Ihm kam ein beunruhigender Gedanke.
"Lieutenant Vika! Projizieren Sie den Kurs der Romulaner bei gleichbleibender Geschwindigkeit!"
Der Gordonianer kam der Aufforderung sofort nach. Er rief die Darstellung zuerst auf seinem Bildschirm ab. Hörbar keuchend leitete er sie an den Taktischen Hauptschirm weiter.
"Verflucht", rief jemand. "Das ist ein Kollisionskurs!"
Commodore Willson gab die Information an die Captains weiter und befahl den Einsatz der Jägerstaffeln. Sekunden später starteten die ersten Piloten von der Rhino, gleich darauf von der Oberth. Sie gesellten sich zu den beiden Staffeln der Hamlet, die sich mit Höchstgeschwindigkeit dem Kampfgebiet näherten. Der Taktikschirm zeigte nur eine grafische Darstellung mit roten, blauen und gelben Kugeln, doch das genügte. Willson sah, Willson erkannte, Willson verzweifelte. Die Slaybirds waren nicht auf einen Angriff aus. Dies war eine Selbstmordmission. Und die Starfleetschiffe würden die Antriebssysteme nicht ausschalten können, bis sich die Slaybirds in die Eingeweide der Hamlet gebohrt hatten. Er gab den Befehl zur Evakuierung.
Takeruci gab den Feuerbefehl. Die Ares feuerte langsam. Die Magazine waren nicht gefüllt, und so mussten die Geschosse manuell nachgeladen werden. Bador hatte die Taktik übernommen und Johnson in den Maschinenraum geschickt, damit er den Schildtechnikern half. Er nahm sich viel Zeit beim Zielen, doch immerhin musste Takeruci anerkennen, dass der Bolianer empfindliche Systeme der Slaybirds traf. Die Ares konzentrierte sich zusammen mit der Rhino und der Telos auf den Backbordslaybird. Tatsächlich wurde das Schiff langsamer, doch es bewegte sich noch immer mit seiner Flotte auf die Hamlet zu. Und inzwischen waren sie nicht mehr weit entfernt. In weniger als zwei Minuten würden die mächtigen Langstreckenphaserbänke der Station das Feuer eröffnen. Takerucis kleiner Bildschirm, der auf einem schmalen Podest rechterhand seines Stuhls angebracht war, zeigte Dutzende Rettungskapseln, die von der Scheibensektion der Dockingstation aufstiegen.
"Die Romulaner passieren unsere Position", meldete der Steuermann, der sonst auf der Hamlet seinen Dienst tat. "Drehe bei. Weiterhin freies Schussfeld."
Der Schirm zeigte nun die Darstellung von mehreren Schiffen, die es der Ares gleich taten. Die Fox neigte ein wenig ihren Rumpf.
"Commander, wissen Sie, wer zur Zeit das Kommando über die Fox hat?", fragte Bador und nahm den Slaybird ein weiteres Mal ins Visier, diesmal auf die Hauptbrücke zielend.
"Irgendjemand von der technischen Abteilung", antwortete Takeruci geistesabwesend und kontrollierte den Kurs. "Steuermann, drei Grad Backbord!"
"Aye, Sir, drei Grad Back...."
Der Steuermann brach mitten im Satz ab als die Fox ihr Diskussegment in den "Hals" des führenden Slaybirds bohrte. Der Kopf des Romulanerschiffes und seine Antriebssektion sagten sich Lebewohl, als der Diskus der Fox das ungeschützte Material wie Butter durchschnitt und ihre Warpgondeln an den zerfetzten Rändern des Slaybirds aufgerissen wurden. Die Fox war an ihrem Bug schwerstens beschädigt und bis zur Mitte des Diskusssegments gespalten. Zusammen mit den Teilen des Slaybirds trieb sie weiter, bis der Antrieb des vom Kurs abgebrachten Angreifers explodierte und die Fox mit ins Verderben riss.
Die beiden anderen Slaybirds ließen sich nicht beirren und flogen weiter. Sie gerieten in die Todeszone der Hamlet-Phaser. Die Crewmitglieder der Station feuerten ebenso verzweifelt wie die Offiziere an Bord der Raumschiffe. Doch alle Bemühungen halfen nichts. Der eine Slaybird hatte seine Geschwindigkeit verringert, doch der andere flog weiterhin mit Maximum Sublichtantrieb. Die Telos versuchte, sich zwischen die Hamlet und den Kamikazeamgreifer zu stellen, doch das Schiff war zu langsam. Das romulanische Schlachtschiff verging in einem gigantischen Feuerball und schlug einen beträchtlichen Krater in den Wohnungsbereich der Hamlet, tief unten am Stumpf der Station. Noch auf Deck Eins in der Kommandozentrale war die Erschütterung zu spüren und so stark, dass allein dadurch mehrere Bildschirme beschädigte wurden.
Der zweite Slaybird war zwar langsamer geworden. Aber das hatte nur mit gezielten Torpedotreffern zu tun. Auch er hielt weiterhin zielstrebig auf die Hamlet zu. Die Jägerstaffeln schafften es zwar, eine Überlastung des Antriebs herbeizuführen, doch es war zu spät. Der Slaybird explodierte; DIE Schockwelle traf die Hamlet aus nur wenigen hundert Metern Entfernung. Der untere Teil der Station wurde regelrecht weggerissen und trieb ins offene All hinaus. Auf Deck Eins war man sich relativ sicher, dass die menschlichen Verluste nur gering waren. Doch die Station war aus der Umlaufbahn geworfen worden. Commodore Willson entschied, vom Kommandodeck aus die Evakuierung der letzten Starfleetangehörigen zu koordinieren und so lange an Bord zu bleiben, bis jeder Überlebende an Bord eines der Schiffe im offenen Raum war. Es dauerte zu lange. Die Station schlingerte dem Planeten entgegen und geriet in dessen Gravitationsfeld. Die Oberth mühte sich nach Kräften ab, die Hamlet mit ihren Traktorstrahlen zu erfassen. Doch es gab zu viele Trümmerteile im Weg, die diese Bemühungen behinderten. Die regenschirmartige Konstruktion neigte sich immer mehr Abrock 3, dem Planeten unter sich, zu. Die äußeren Randbereiche begannen als Erste zu glühen und lösten sich auf wie Wachs. Rettungskapseln starteten, aber nicht wenige von ihnen kollidierten mit Trümmern. Die gigantische Diskussektion ließ die Atmosphäre hinter sich; als eine solche zu erkennen war der undifferenzierte, geschmolzene Klumpen, der die innersten Bereiche darstellte, nicht mehr. Das Kommandodeck hatte den Eintritt nicht überstanden. Willson verbrannte mit Dutzenden Kollegen in der Atmosphäre von Abrock 3.
"Commander, die getarnten Raumschiffe ziehen sich zurück."
"Wie?", fragte Takeruci. Er hatte Bador nicht zugehört und statt dessen dem Untergang der Hamlet-Station zugeschaut. Sie war lange seine Heimat gewesen, bevor er sich auf der Ares einquartiert hatte. Sein ehemaliges Quartier hatte er schon lange nicht mehr in Anspruch genommen, jedoch trotzdem behalten. Doch das war nebensächlich. Es war schon in der oberen Stratosphäre Opfer der Reibung geworden.
"Sir", wiederholte Bador, "die getarnten Schiffe am Rande des Systems haben gerade einen Kurs gesetzt und sind auf Warp gegangen."
"Wissen Sie auch wohin?"
"Nein, Sir. Nur ungefähr. Vielleicht können wir das herausfinden, wenn wir unsere Daten mit denen der anderen Schiffe vergleichen. Ich kann nur sagen, dass sie auf jeden Fall in Richtung der Romulanischen Grenzgebiete unterwegs sind. Irgendwo in den Sektoren R243 Alpha, Beta und Gamma, R244 Epsilon oder R245 Beta."
"Gut", meinte Takeruci. "Roten Alarm beenden. Wir warten auf Captain Michaelsons Befehle, bis dahin gehen wir auf Gelben Alarm. Ich danke Ihnen, meine Herren. Sie haben hervorragende Arbeit geleistet."
Der Steuermann und zwei der anwesenden Techniker verließen den Raum. Bador wollte ihnen folgen.
"Ich muss mit Ihnen sprechen, Bador."
"Natürlich, Commander. Worum geht es?"
Takeruci stand langsam auf. Er baute sich vor Bador auf. Er versuchte womöglich, den Bolianer einzuschüchtern, doch der war einen halben Kopf größer als Takeruci, und so beließ der Commander es dabei, den Techniker böse anzublicken.
"Es gibt gewisse Regeln in der Sternenflotte, die wir alle respektieren müssen. Die Kommandokette ist eine davon. Ich lege großen Wert auf ihre Einhaltung. Daher kann ich es nicht gutheißen, wenn ein unerfahrener Offizier versucht, das Kommando über mein Schiff zu übernehmen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt, Lieutenant Commander?"
Bador blinzelte verwirrt.
"Sir, ich hielt meine Handlungsweise für angemessen. Im Falle eines Kampfes übernimmt der dienstälteste Offizier mit der meisten praktischen Kampferfahrung an Bord das Kommando. Sie waren nicht an Bord der Ares. Und wenn Sie in einen Blick in meine Akte werfen werden Sie feststellen, dass ich drei Jahre lang Kommandant eines Raumschiffes war, bevor ich freiwillig den Dienst quittierte. Verstehen Sie mich nicht falsch, Commander. Ich mag es nicht, Verantwortung für intelligentes Leben zu übernehmen. Aber zur Zeit bin ich der einzige höhere Offizier mit Kampferfahrung an Bord. Sie eingeschlossen. Ich hielt es nicht für richtig, einen unerfahrenen Offizier als Leiter einer Verteidigungsaktion einzusetzen. Sir."
Takeruci wölbte die Braue. Er wusste, dass er nicht gerade schnell die Karriereleiter emporgeklettert war, doch das überraschte ihn doch. Bador schien nicht älter als er selbst zu sein, obwohl Takeruci sich nicht gut mit der bolianischen Physiognomie auskannte. Die meisten seiner ehemaligen Studienkammeraden hatten entweder schon ein eigenes Kommando oder verschimmelten hinter Schreibtischen. Takeruci wollte diesem Schicksal entgehen. Er rechnete fest damit, das Kommando über die Ares zu erhalten, sobald sie einsatzfähig war. Er war jedoch nicht gewillt, einen Offizier wie Bador an Bord seines Schiffes zu dulden.
"Commander, Ihre Bedenken wurden zur Kenntnis genommen. Wegtreten."
Bador verließ die Kampfbrücke. Takeruci blieb und strich mit seinen Fingerkuppen geistesabwesend über die Stuhllehne.
23. September 2426
Deep Space One Raumstation
Nahe der Romulanischen Grenze
Deep Space One war eine uralte Raumstation der Klasse Drei. Takeruci sah die Ähnlichkeit zur Hamlet-Station, jedoch war dieses alte Modell wesentlich kleiner als die Hamlet.
Der Offizier stand auf dem Ausblicksdeck der Ares auf Deck Drei. Seine Hand hatte sich im Geländer verkrampft. Er hatte vor zwei Tagen die Mitteilung erhalten, dass das Kommando über die Ares nicht an ihn übergeben wurde. Er hatte - wie jeder an Bord - angenommen, an Bord von Deep Space One in den Rang des Captains befördert zu werden. Statt dessen hatte er Befehl, die Ares bei Deep Space One zu übergeben. Offenbar war Starfleet der Meinung, dass Takeruci praktische Erfahrung benötigte, bevor man ihm die Leitung über ein Raumschiff anvertraute. Man munkelte von einem Jahr Bewährung, vielleicht weniger, wenn er sich als fähig erwies. Es ärgerte ihn. Aber ein Befehl hatte die Angewohnheit, nun einmal ein Befehl zu sein. Und Takeruci fügte sich.
Um 23.45 Uhr Bordzeit der Station Deep Space One dockte die Ares an. Das Schiff war fertig verkleidet und größtenteils einsatzfähig. Lediglich die Experimentalwaffen sowie der Warpdeflektor waren noch nicht getestet worden. Ein paar unwichtige Systeme wie die Türveriegelungen auf dem Frachtdeck waren außer Funktion, und es gab geringfügige Normabweichungen in der linken unteren Warpgondel.
Die Ares war eine stark modifizierte Version der Raumschiffklasse, deren erstes Schiff sie ironischerweise selbst gewesen war. Das Schiff bestand aus einem leicht in die Breite gezogenem Diskussegment welches mit einem kurzen Stutzen mit der Antriebssektion unter dem Diskus verbunden war. Von dort erstreckten sich die oberen und unteren Warpgondeln; insgesamt gab es vier davon, wobei die unteren Pylonen länger waren als die oberen und in einem flacherem Winkel abstanden. Die Ares war ein gedrungenes Schiff. Das Heck war ausgehöhlt worden um dem Jägerhangar Platz zu schaffen. Das Diskussegment erinnerte in seinem Aussehen sehr an die Einheiten, die für die Galaxy- und Nebulaklasse benutzt worden waren; natürlich war es auf dem neuesten Stand der Technik.
Die Ares dockte also an. Commander Takeruci hatte sich auf der Hauptbrücke in seinem komfortablen Kommandosessel niedergelassen - wissend, dass er nicht mehr lange sein Stuhl sein würde.
"Ares, Andockvorgang beendet. Willkommen auf Deep Space One."
Takeruci schloss den Kanal, ohne dem Stationskoordinator geantwortet zu haben. Außer ihm befanden sich nur zwei Techniker für die Sensoren auf der Brücke, außerdem der Navigator Lieutenant Etkins. Ein merkwürdiger Kerl, von dem Takeruci nur wusste, dass er von Lorna stammte, einem ehemaligen Gefängnisplanet im Gamma Quadranten. Etkins wies Merkmale verschiedener Völker auf, doch er benahm sich im Prinzip wie ein Mensch. Außerdem befolgte er Befehle und legte Wert auf Einhaltung der Protokolle, was ihn für Takeruci sehr sympathisch machte. An sonsten war die Hauptbrücke leer. Etkins schien Düsternis vorzuziehen, und so hatte er vor einiger Zeit die Beleuchtung heruntergesetzt. Takeruci hatte keine Einwände erhoben. Hier und da klickte und piepste es; ab und zu wurden Durchsagen und Anforderungen durchgegeben. Trotzdem kam Takeruci das Kommandozentrum merkwürdig leer vor.
Die Ares würde einen Tag lang angedockt bleiben und dann ihre erste Mission angehen. Takeruci wusste nichts genaues, nur, dass das Schiff mit dem Flaggschiff der Flotte zusammenarbeiten würde. Die Enterprise-G besaß keinen ganz so fortschrittlichen Warpantrieb wie die Ares und würde erst in ein paar Stunden eintreffen; bis dahin erwartete man, dass das restliche Personal an Bord gegangen wäre. Takeruci erhob sich wenig erfreut aus seinem Stuhl. Der neue Captain hatte sich für Punkt Null Uhr für Transporterraum Eins angekündigt. Er machte sich auf den Weg zu Deck Fünf, um seinen neuen Kommandanten - zähneknirschend - zu begrüßen.
24. September 2426
USS Ares, NCC 100431
Nahe der Romulanischen Grenze
Um Null Uhr endete Lieutenant Etkins Schicht. Er hatte seinem Großvater eine Lichtüberempfindlichkeit zu verdanken, die er alle paar Tage mit Medikamenten zu behandeln hatte. Den Bordarzt hatte er bislang nicht aufgesucht. Zu sehr hatte er versucht, sich innerhalb weniger Schichten mit den ungewöhnlichen Kontrollen der Ares vertraut zu machen. Die Eigenarten des Schiffes würden wohl noch einige Zeit geringfügige Fehlerkorrekturen notwendig machen. Etkins hatte sich jedoch fest vorgenommen, die Krankenstation nach Beendigung seiner Schicht aufzusuchen. Als es soweit war ließ er sich von Fähnrich Valeria ablösen und betrat den Turbolift. Das Licht in der Kapsel war heller als das auf der Brücke. Es stach in seinen Augen. Normalerweise empfand er gerade die Turboliftpanele als angenehm. Er hoffte, nicht zu spät gehandelt zu haben.
Der Computer fragte ihn nach seinem Zielort. Er nannte ihn: Krankenstation A auf Deck Sechs. Der Lift setzte sich in Bewegung. Es waren schnelle Modelle. Besonders Turbolift A, der unter anderem die Quartiere mit dem Jägerhangar verband, war für hohe Geschwindigkeiten konzipiert und hatte Vorrang vor allen anderen Kapseln. Innerhalb von nicht einmal zehn Sekunden öffneten sich die Türen wieder. Das Schott in diesem Bereich befand sich auf der gegenüberliegenden Seite von dem, welches zur Hauptkrankenstation führte. Diese bestand im wesentlichen aus Liegeraum, Operationssaal, Labor und Büro des Chefarztes. Das Labor war, soweit Etkins wusste, noch nicht in Betrieb, der Liegeraum wurde nicht gebraucht. Der Operationssaal, in dem die meisten Behandlungen vorgenommen wurden, war ebenso verwaist. Etkins wollte gerade den Weg zur Krankenstation B antreten, als er Geräusche aus dem Büro des Chefarztes hörte. Zufrieden einen Mediziner gefunden zu haben schritt er auf die Türe zu, die den öffentlichen Raum vom Büro abtrennte.
Das Büro des Obersten Medizinischen Offiziers war ein kleiner, aber einladender Raum. Der Arzt saß hinter seinem Schreibtisch und hatte Blick auf den Operationsraum, um im Notfall jederzeit eingreifen zu können. Auf dem Tisch thronte ein Standartbildschirm, daneben stand ein Becher mit dampfenden Inhalt. Der Arzt griff danach und führte das Gefäß zu seinen trockenen Lippen, während er einen Bericht las, vermutlich über den Status des Sickbay-Equipments. Aus den Augenwinkeln bemerkte er Etkins, der sich trotz der für ihn angenehmen Beleuchtung unwohl fühlte. Er hatte noch nie mit Waraki zu tun gehabt.
"Ja?", fragte der Doktor und legte den Bericht bei Seite. "Kann ich Ihnen helfen, Lieutenant?"
"In der Tat, Doktor..."
"Metek Rotal.", half der Waraki und verneigte sich leicht.
"Ja, also, ich habe da diese Lichtempfindlichkeit, Sie finden Sie in meiner Akte."
Doktor Rotal suchte Etkins Datei heraus. Währenddessen versuchte Etkins, den Waraki unauffällig zu mustern. Die schuppige Haut und der Ansatz einer Schnauze waren nicht zu übersehen. Über der Augenpartie wölbten sich zwei große Wülste, die sich gerade über die Stirn bis zum Hinterkopf zogen und sich dort verflüchtigen. Sie waren gerade noch leicht bräunlich gewesen. Doch jetzt änderte sich die Farbe und wurde zu einem intensiven Rosa. Rotal sah nicht auf.
"Sie scheinen sich für Waraki zu interessieren, Lieutenant, oder verstehe ich da etwas falsch?", fragte er. Im selben Augenblick erhob sich hinter seinem Rücken ein bedrohliches Tentakel. Es glitt geschmeidig durch die Luft und wand sein Ende um den Henkel des Teebechers. Es war Rotals Schweif, der die Teetasse zu seinem Mund führte. Er nahm einen kräftigen Schluck.
"Schmeckt ausgezeichnet", kommentierte er mit seiner tiefen Stimme und wühlte weiter in den Dateien herum. "Ich würde Ihnen ja etwas davon anbieten, aber Sie würden sich nicht über die körperlichen Folgen freuen... Ah, da haben wir Sie ja. Luxsupersensorik. Ist ziemlich selten in der Föderation." Er wandte sich vom Bildschirm ab. Sein Schweif gab dem Befehlselement des Replikators einen bestimmten Befehl. Sogleich erschien eine Ampulle, die der Schweif in Rotals Hand übergab. "Woher kommen Sie?"
"Von Lorna. Mein Vater war Mensch. Meine Mutter ein Ergebnis Generationen von Interspeziesbeziehungen. Von meinem Großvater habe ich die Lichtüberempfindlichkeit. Er bezeichnete sich als ein Rege'dor."
Rotals Augen weiteten sich, die Augenkämme färbten sich purpurn. "Habe ich noch nie gehört."
"Mehr weiß ich leider auch nicht."
"Nun, weitere Informationen sind ja auch nicht notwendig." Der Waraki stand auf. Etkins tat es ihm gleich. Der Reptiloid war einen guten Kopf größer als er. Rotal presste das Hypospray an Etkins Hals. Es zischte. Schon Sekunden später hatte der Navigator den Eindruck, wieder normal sehen zu können. "Kommen Sie morgen noch mal vorbei, dann überprüfe ich Ihre Werte, Lieutenant. Mit ein Bisschen Glück können wir Ihre Beschwerden dauerhaft kurieren."
"Die Ärzte an der Akademie sagten, das sei unmöglich."
"Die Ärzte an der Akademie hatten auch fest darauf bestanden, dass Waraki nur ein Ellenbogengelenk besitzen. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich muss noch ein paar Inventarberichte durchgehen."
Damit fühlte Etkins sich entlassen. Er stolperte beinahe aus dem Büro. Reptiloide Wesen bereiteten vielen anderen Spezies ein unruhiges Gefühl in der Magengegend. Vielleicht war dies auf evolutionäre Gründe zurückzuführen, vielleicht lag es an ihrem oft aggressiven Verhalten. Man wusste es nicht genau. Etkins selbst hatte nur wenig mit Reptilien verkehrt, was aber vor allem daran lag, dass nicht sonderlich viele in der Sternenflotte lebten. Auf Lorna hatte es zwar durchaus Dutzende gegeben, doch da war Etkins noch ein kleiner Junge gewesen, und auf Bajor, wo er wenige Jahre gelebt hatte, nachdem die Föderation ihn befreit hatte, waren sie wegen der besonderen Beziehung zu den Cardassianern nicht gern gesehen. Obwohl Etkins wegen seiner eigenen Herkunft Mitgefühl für den Waraki empfand - er würde auf dem Schiff nicht viele Freunde finden - empfand er es als im höchsten Grade erleichternd, als er den Turbolift betrat und in sein Quartier zurückkehrte.
Auf Deck Fünf befanden sich einige wichtige Anlagen. Darunter zwei Torpedolagerstätten, die Astrometrie oder das Warpkernlager. Auch Transporterraum Eins lag auf diesem Deck. Takeruci hatte sich bereits eingefunden und stand zusammen mit dem Taktikoffizier Commander Lucia Seth und einem Ehrenwächter vor der Konsole, hinter der Chief Bador die Kontrollen bediente. Die Schiffsuhr gab ihren sanften Ton von sich und wies auf den Korridoren und allen größeren Räumen auf das Ende der aktuellen Schicht hin. Fast gleichzeitig piepste es an der Konsole. "Deep Space One meldet Bereitschaft, Sir."
"Energie."
Bador griff nach den Reglern und begann sie zu verschieben. Auf der Transportfläche glühten Bodenelemente. Die übermittelten Materieteilchen setzten sich wieder in ihrer Originalkonstellation zusammen. Nach fünf Sekunden war der Beamvorgang beendet.
Die Ehrenwache pfiff in eine Bordpfeife und nahm Haltung an.
"Bitte Erlaubnis an Bord kommen zu dürfen, Commander."
"Erlaubnis erteilt, Captain. Willkommen auf der Ares."
Takeruci streckte die Hand aus. Die Captain ergriff sie und schüttelte sie knapp, nickte Commander Seth zu und blickte dann zu Bador.
"Captain Sarah Trat. Ich werde dich wohl nie los."
"Das haben Freunde an sich, Bador. Sie sind immer und überall."
Bador kam hinter seiner Konsole hervor und umarmte Captain Trat.
"Wie lange ist es jetzt her?", fragte sie. Mit einem weiteren Nicken entließ sie Takeruci und Seth nebst dem Sicherheitswächter. Der Meinung, ihre Zeit verschwendet zu haben, verließen die ersten beiden den Transporterraum. Der Wächter folgte, schien aber sichtlich erleichtert zu sein, alles richtig gemacht zu haben.
"Dein letzter Besuch auf Vordia liegt fünf Jahre zurück."
Die Captain und der Chief traten zusammen aus dem T-Room und schlenderten den Korridors 5-A-32 entlang, in Richtung des Aussichtsdecks "Bug Fünf", einer Art Bar, die an die alten "Zehn Vorne" - Etablissements der Galaxy- und Nebula-Klassen angelehnt waren, um der Crew einen halbwegs legeren Gesellschaftsort zu bieten . Auf der Ares gab es nicht viele Zivilisten; nur wenige Crewmitglieder hatten ihre Familien an Bord geholt. Aber im Laufe der nächsten Stunden würden auch sie das Schiff verlassen, um bei der gefährlichen Mission nicht umzukommen.
"Fünf Jahre. Eine lange Zeit. Ist Telus immer noch mit Meklath zusammen?"
"Ja. Aber von Kert hat sie sich getrennt."
"Kert? Aber wieso? Er ist der perfekte Schwiegersohn!"
"Unglücklicherweise scheint er nicht der perfekte Ehemann zu sein."
"Ich mochte ihn. Er erinnerte mich immer an Tommiboy."
"War das nicht dein Hund?
"Ja, als ich sieben war."
"Wusstest du, das Hund angeblich wie Jakitalobst schmeckt?"
"Hör doch auf."
Sie lachten und wanderten weiter.
Sie betraten die Bar "Bug Fünf". Es war ein dunkel gehaltener Ort. Die Wände waren mit Samt eingehüllt und leicht gepolstert. Es gab eine erhöhte Sitzecke und mehrere Tische samt integriertem Replikator. Badors und Trats Ziel war aber die Theke, von der aus meinen grandiosen Ausblick auf das freie All gehabt hätte, wenn die Ares nicht gerade angedockt gewesen wäre. Sie setzten sich. Der Barkeeper beendete seine Tätigkeit - er hatte gerade eine Bestandsliste durchgesehen - und gesellte sich zu seinen Kunden. Er war ein Hologramm, äußerlich einem jungen männlichen Mensch nachempfunden, der längliche, braun-graue Haarsträhnen sein Eigen nannte. Er steckte in einer Variation der Offiziersuniform ohne Abzeichen und Bereichsfarbe. Er stützte sich einladend grinsend auf seine Theke. "Guten Morgen, meine Dame - der Herr!", begrüßte er, beiden zunickend. "Wie kann ich Ihnen bedienlich sein?"
Trat ließ ihren Blick über das Auswahldisplay wandern. Sie wurde nicht fündig. "Sie kennen nicht zufällig den Olympus Mons Spezial?"
"Nach marsianischer oder rigelianischer Art?", fragte der Barkeeper spitzbübisch. Trat wählte die Mars-Variante. "Und was darf's für den Herr sein?", wandte sich das Hologramm an Bador, während er, ohne hinzusehen, ein paar Flaschen aus Fächern unter der Theke holte.
"Ich nehme einen Vordia Sunrise."
"Eine ausgezeichnete Wahl, mein Herr!"
"Immer noch zuckersüchtig, was?" Trat lächelte und nahm einen Schluck von ihrem Drink. Sie wandten sich dem Fenster zu, das die gesamte Wand hinter dem Barkeeper einnahm, die Frontseite also.
"Sarah, was kannst du mir über unsere Mission sagen?"
"Nur das Offizielle. Die Föderation setzte weiterhin auf Verhandlungen."
"Komm schon, Sarah, es ist keiner da außer uns und diesem Barkeeper, den unsere Konversation nicht interessieren wird. Wa..."
"Wenn ich mich einmischen dürfte", unterbrach das Hologramm und gesellte sich wieder zu den Beiden, "da muss ich Sie enttäuschen. Ich bin mehr als neugierig. Das muss ich sein. Ich bin so etwas wie der zweite Schiffscounselor. Streng genommen bin ich der erste Schiffscounsellor, weil Commander Sip noch an Bord der Enterprise ist, aber Sie wissen sicher, was ich meine..."
"Nein.", antwortete Bador
"Durchaus nicht.", fügte Trat hinzu. "Ich wusste nicht, dass wir außer den Primärnotfallhologrammen noch andere an Bord haben."
"Ah, vermutlich hat sich Johnson die Freiheit genommen, stimmt's?"
"Sie haben's erfasst. Im Sinne der Geheimhaltung sollte ich hinzufügen, dass ich ausgesprochen geschwätzig bin. Sie sollten mich deaktivieren, bevor Sie über Geheimes sprechen." Er breitete grinsend die Arme aus, ganz unschuldig. "Aber ich bin nur ein einfacher Barkeeper." Damit schaltete er sich selbst aus. Leicht verwirrt blieben die beiden realen Offiziere zurück.
"Was ich eigentlich fragen wollte: ich kenne Captain Jordan. Sie war erst vor ein paar Monaten im romulanischen Raum. Was soll sich denn bitte in der kurzen Zeit geändert haben?"
"Nun, ich schätze mal, bis du Ruhe gibst haben wir längst die erste Einsatzbesprechung hinter uns. Der Geheimdienst munkelt, dass es erneut einen Staatsstreich gegeben hat."
"Das wäre dann schon der dritte dieses Jahr!"
"Stimmt. Aber diesmal ist es kein Politiker wie beiden letzten beiden. Die Romulanischen Bürger scheinen den Krieg satt und sich selbst organisiert zu haben. Angeblich denkt man auch darüber nach, die Macht wieder dem Militär zurückzugeben."
"Das... das wäre fantastisch! Aber... was genau machen wir dann beim Vulkan?"
"Wir sollen erst einmal die Lage auskundschaften." Sie wandte sich nach allen Seiten um. Sie wusste, dass keiner mehr im Raum war, aber sie hielt es nicht für ausgeschlossen, dass der neugierige Barkeeper irgendwo still und heimlich wieder aufgetaucht war und mithörte. Dem war aber nicht so. "Gerüchteweise ist der Zivilrat der Meinung, man sollte das Reich wieder verkleinern. Bador, Ihre Flotte mag nicht so schlimm dran sein wie unsere, aber auch die Romulaner mussten schwere Verluste einstecken. Sie können zwar die Grenzen verteidigen, aber im Reich selbst sind kaum noch Kriegsschiffe anzutreffen." Sie grinste. "Einem Agenten zufolge wäre eine Einladung nach Romulus nicht undenkbar."
Bador musste das erst einmal verdauen. "Verstehe ich das richtig? Wir könnten den Krieg beenden?"
Trat nickte. Sie hielt Bador ihren Drink zum Anstoßen hin. Bador ließ sein Glas an das ihre stoßen. "Einige Leute werden den Romulanern nicht so schnell verzeihen."
"Du spielst auf Abrock 3 an, stimmt's"
"Stimmt. Es ergibt einfach keinen Sinn. Ich frage mich immer noch, was sie damit bezwecken wollten."
"Denk nicht weiter darüber nach, Bador. Mit etwas Glück gehört das bald der Vergangenheit an. Die Opfer sind schon tot. Wir sollten sie ehren und betrauern. Aber es wäre falsch, nicht an die Lebenden zu denken. Wir können diesen Krieg beenden. Tausende Leben retten." Sie leerte ihr Glas mit einem Zug und knallte es auf die Theke. "Gute Nacht, Bador. Morgen Früh erwarte ich eine Führung, bevor wir ablegen." Trat legte ihm kurz die Hand auf die Schulter und verließ Bug Fünf dann. Bador, der seinen Drink bereits fast vollständig ausgetrunken hatte, nahm einen letzten, kräftigen Schluck und wandte sich dann ebenfalls zum gehen. Er dachte kurz an Johnson mit seinem Hang zu merkwürdigen technischen Spielereien und vermisste ihn ein wenig. Er war nicht auf der Ares geblieben, hatte sich statt dessen nach Deep Space Eleven versetzen lassen. Dann verließ auch er grinsenderweise die Bar. Zurück blieb das Barkeeperhologramm, welches sich hinter der Theke hochrappelte und sich den Staub von der Kleidung rieb. Lächelnd ließ er sich ein holographisches Gläschen Champagner munden. Den Lagerbericht ließ er links liegen. Er war noch nicht lange am "Leben", aber er hatte Zugriff auf die meisten Datenbanken der Ares die nicht als geheim eingestuft waren. Ins Leere starrend wünschte er sich das Ende des Krieges - und natürlich die fröhlichen Gesichter in seiner Bar. Er prostete der Eingangstür zu, nahm einen Schluck, freute sich über die moderne Holotechnologie und wandte sich wieder seinem Bericht zu.
"Ich danke Ihnen Allen, dass Sie so kurzfristig Zeit gefunden haben. Ich weiß, es ist für eine Besprechung noch recht früh, aber die Mission wird früher als geplant starten."
Ein paar Gesichter am Tisch hellten sich auf. Links von Captain Trat saß Commander Takeruci, der mit einem Ohr der Begrüßung zuhörte und mit der anderen die letzten Berichte bezüglich der Munitionsbestückung durchlas. Neben ihm stand Metek Rotal. Es hatte sich noch nicht überall herumgesprochen, dass der Waraki eine spezielle modifizierte Stuhlart benötigte, um sich setzen zu können. An dessen rechten Seite hörte Lieutenant J'Kolan aufmerksam zu. Auf der gegenüberliegenden Seite des leicht gebogenen Konferenztisches gähnte Bador, der sich gerade schlafen gelegt hatte,
trommelte Lucia Seth mit den Fingern auf die Tischplatte und grinste Etkins in der Gegend herum. Er tendierte zu leichtem Aufgekratztsein, wenn man ihn aus dem Schlaf holte. Es war Fünf Uhr morgens. Die Zweite Schicht, die Hauptschicht also, begann eigentlich erst um Acht Uhr.
"Ich wurde ebenso unsanft geweckt wie Sie, meine Damen und Herren."
Sie gab einen knappen Befehl in die Tischkontrollen ein. Irritiert gab sie den Befehl erneut ein. Bador, der gleich neben ihr saß, ließ die Faust auf die Tischplatte knallen. Sofort akzeptierte der Computer den Befehl und Bador hüstelte verlegen. "Sie wollen mir doch nicht sagen dass dieses Schiff nicht einsatzbereit ist, Chief?", fragte Trat. Als einer ihrer ältesten Freunde und Kollegen wurde Bador schlagartig hellwach. Wenn Sarah zum Sie überging war die Kacke nicht erst am Dampfen; sie kochte, sprudelte und warf Blasen, ganz ähnlich der Spaghettisauce, die Trat so gerne aß (und Bador unangenehme Magenkrämpfe bereitete).
Über dem Tisch erschien das Hologramm eines Mannes in Starfleetuniform. Der Mann war mindestens Lieutenant Commander, doch die Rangstreifen auf dem Abzeichen waren in der oberen Hälfte verkohlt. Es schien sich um einen Vulkanier zu handeln, der in mitten einer verwüsteten Brücke stand. Bador sah fast nur völlige Zerstörung, trotzdem erkannte er einige markante Merkmale. Es handelte sich vermutlich um ein Klasse CC21-Brückenmodul. Das Schiff war also höchstwahrscheinlich der Akira-Klasse zugehörig. Der Vulkanier sprach irgendetwas, doch mehr als Rauschen war nicht zu hören. "Diese Übertragung das Sternenflottenkommando vor weniger als einer Stunde. Es scheint ein Notruf zu sein. Zumindest wäre das logisch."
"Woher kommt er?", fragte Takeruci, der seinen Bericht komplett vergessen hatte.
"Vom Vulkan. Es handelt sich um die Perikles. Wir wissen nicht, warum sie in romulanischem Gebiet ist, aber aus den angehängten Sensordateien geht hervor, dass sie nicht gegen Romulaner kämpfe. Die Daten sind bruchstückhaft und teilweise widersprüchlich, aber wir sind ziemlich sicher, dass sie gegen eine große Anzahl feindlicher Schiffe kämpft. Im Übrigen wurde der Notruf in alle Richtungen gesendet. Die Enterprise hat ihren Kurs geändert und ist bereits unterwegs. Wir treffen uns dort. Wahrscheinlich ist die Ares schneller als Captain Jordan, aber mit etwas Glück werden wir nicht lange allein sein."
Takeruci warf eine Frage ein. "Was sagen die Romulaner dazu, Captain?"
"Gar nichts. Sie antworten nicht. Meine Damen und Herren, ursprünglich war unsere Mission diplomatischer Natur. Vor wenigen Tagen scheint es einen Putsch der Zivilisten gegeben zu haben. Unter Umständen hat sich wieder ein Politiker die Macht unter den Nagel gerissen; wir wissen es nicht. Unser neues Missionsziel lautet herauszufinden, was die Perikles in romulanischen Gebiet zu suchen hatte, wer die Angreifer sind und, wenn möglich, herauszufinden, was genau im Reich vor sich geht."
Lucia Seth meldete sich zu Wort. Ihre kurzen Haare, die sie rot gefärbt und in Strähnen trug, musste sie sich immer wieder aus dem Gesicht streichen. "Sir, wir sind doch nicht die einzigen Schiffe, die auf den Notruf reagieren? Auf Selbstverteidigung sind wir zwar vorberreitet, aber nicht auf einen kleinen Krieg."
"Das weiß ich. Aber wir haben immerhin unsere Jägerstaffeln."
"Wo wir gerade davon sprechen, Sarah, wo ist unser Jägerkommandant?", fragte Bador und nickte dem leeren Stuhl am Ende des Tisches zu.
"Unglücklicherweise ist Commander Steege noch an Bord der Enterprise, zusammen mit dem Rest seiner Staffel. Wir werden vorerst mit Staffel H auskommen müssen. Um auf Ihre Frage zu antworten: eine Eingreifflotte wird gerade zusammengestellt. Aufgrund der prekären Lage an der Grenze sind aber leider nicht viele unserer Schiffe in Reichweite. Wir müssen uns auf uns selbst verlassen..."
"Adams an Captain Trat."
Takeruci öffnete verärgert eine eigene Kommverbindung. "Chief, der Captain befinden sich mitten in einer Besprechung."
"Ja, Sir, aber der Captain hat ausdrücklich befohlen, sofort unterrichtet zu werden, wenn unser Munitionslager voll ist. Captain, wir sind nun vollständig bestückt."
"Vielen Dank, Chief. Trat Ende", antwortete Trat und lehnte sich zurück. Sie warf Takeruci einen missgünstigen Blick zu und betätigte ihren eigenen Kommunikator.
"Trat an Brücke."
"Hier Brücke, Captain."
"Sorgen Sie für grünes Licht. Wir legen ab, sobald wir die Startfreigabe haben."
"Aye, Captain! Brücke Ende."
"Da das geregelt wäre wüsste ich nun gerne, was genau", und dabei warf sie dem Kontrollelement auf dem Tisch vor sich einen missgünstigen Blick zu, "auf diesem Schiff funktioniert."
Bador meldete sich zu Wort. "Immerhin das meiste. Auf Deck Siebzehn haben wir ein paar Probleme mit der künstlichen Gravitation, aber nichts ernstes. Der Deflektorwarpkern arbeitet einwandfrei, sofern man das ohne Testlauf sagen kann, und die Ungleichgewichte in den Warpgondeln sind behoben. Ein paar, ähm, kleine Programmierfehler finden sich in bestimmten Kontrollen, allerdings sind die meisten davon im Begriff behoben zu werden. Meine Crew kümmert sich schon seit Tagen darum."
"Wenn ich mich einmischen dürfte: meine Krankenstation hat kein Licht."#"Sie sind... Doktor Rotal, richtig?"
"Ja." Rotal deutete eine Verbeugung an. Sein Schweif zuckelte unruhig in der Luft. "Chief, ich weiß Ihre Bemühungen zu schätzen, aber die Illuminatoren sind schon wieder ausgefallen. Meine Patienten säßen im Dunkeln, wenn ich welche hätte."
"Das ist doch völlig unmöglich. Ich habe die Dinger erst gestern ausgewechselt."
"Ja, aber sie sind wieder ausgefallen!"
Bador lief leicht rosa an. Ein aufmerksamer Mensch wusste nun: der Mann war leicht verärgert. Was bei Bolianern überaus selten vorkam.
"Ich werde mich darum kümmern.", versprach er.
Trat konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. "Wie sieht es mit den Waffensystemen aus, Commander?", wandte sie sich an Seth.
"*Räusper* Die Phaserbänke Eins bis Sieben sind in Bereitschaft, Captain, lediglich Nummer Acht hat noch Probleme mit der Justierung. Die Torpedokatapulte Eins bis Drei sind mit Quantentorpedos geladen und einsatzbereit. Die Disruptoren A, B und C wollen aber unsere Energie nicht übernehmen. Vermutlich hat der Konverter wieder eine Fehlfunktion. Ich habe Commaner Takeruci gesagt, dass man sich auf klingonische Ingenieure nicht verlassen kann, aber er hat nicht auf mich hören wollen."
"Weil wir keine andere Wahl hatten, Lieutenant Commander. Wir hätten sie sonst überhaupt nicht behalten dürfen."
"Was vielleicht besser gewesen wäre. Captain, die Disruptoren speichern die Energie, ohne sie zu nutzen. Ich schlage vor, sie vorübergehend abzuschalten."
"Einverstanden. Stellen Sie ein Team zusammen, dass sich darum kümmert. Ich will, dass sie so schnell wie möglich einsatzbereit sind. Wie steht es um die Experimentalwaffen?"
"Katastrophal."
Stille.
"Brücke an Captain. Wir haben Starterlaubnis."
"Sehr gut, Fähnrich. Bringen Sie uns raus.", sprach die Captain. "Lieutenant Tsch... J'.... Verzeihen Sie, wie spricht man das aus?"
Schüchtern versuchte die Xindi-Reptilianerin J'Kolan, trotz der Blicke, die auf sie gerichtet waren, unsichtbar zu werden. Leider hatten die Reptilianer die Fähigkeit ihre Hautpikmente zu verändern im Laufe der Evolution verloren. "{Dsche-Koolahn}, Captain. Sie, äh, können mich auch Jay nennen..."
"Ich glaube, J'Kolan reicht.", sagte sie lächelnd. "Wie ist der Status unserer Sensoren?"
"Die neuen Systeme konnten mit den Originalsystemen gekoppelt werden. Ich habe mir erlaubt, ein paar Änderungen theoretisch zu behandeln, und äh, ich, nun, wie soll ich sagen, ich glaube, ich kann die Effizienz um zehn Prozent verbessern. Äh, Sir, M'am... äh..."
"Captain ist in Ordnung, Lieutenant. Geben Sie Ihre Modifikationen einfach an Chief Bador weiter."
Captain Trat ließ sich noch ein paar Minuten lang den Status des Schiffes beschreiben. Dann verließ die Führungscrew den spartanischen Besprechungsraum. Bador kehrte in seinen Maschinenraum zurück, um zunächst die Inbetriebnahme des Deflektorwarpkerns zu überwachen und sich später um die Sensoren zu kümmern. Metek Rotal, der in der Krankenstation momentan nicht viel zu tun hatte, blieb auf der Brücke und nahm den Platz zur linken von Captain Trat ein. Der Stuhl war eigentlich eine Art Hocker ohne Rücklehne und damit geeignet, Rotal darauf Platz nehmen zu lassen. Es war nicht sonderlich bequem, aber glücklicherweise waren Waraki nicht sonderlich schmerzempfindlich. Rechterhand der Captain ließ sich Commander Takeruci in den Stuhl des Ersten Offiziers sinken, der um einiges komfortabler war als Rotals Schemel. Er war leicht verärgert. Irgendwie hatte er das Gefühl, jeder an Bord würde sein eigenes Süppchen kochen und ihn nicht zum Essen einladen. Immerhin - J'Kolan hatte die Sensoren nur theoretisch verändert. Im letzten Bericht hatte man ihn über die manipulierten Hologramme an Bord aufgeklärt. Er war fest entschlossen, Johnson degradieren zu lassen, wenn er irgendwann Captain war.
Etkins und J'Kolan hielten zielstrebig auf die beiden vorderen Stationen zu. Man war vor ein paar Jahren zum traditionelle Brückenstil zurückgekehrt, bei dem zwei Offiziere zwischen dem Hauptschirm und dem Platz des Captains saßen. Das hatte auch damit zu tun, dass im Krieg alte Schiffe ausgeschlachtet und die Brückenmodule modernisiert worden waren. Heute fand man kaum noch Schiffe, bei denen der Pilot isoliert und einsam in der Gegend herumsaß.
Von Captain Trat aus gesehen saß Etkins als Pilot auf der linken Seite, daneben auf der rechten Seite nahm J'Kolan die primäre Wissenschaftsstation ein. Beide Konsolen besaßen einen eigenen kleinen Bildschirm in der Mitte. Für Notfälle gab es einen kleinen Joystick für den Piloten. Etkins wusste zwar recht gut damit umzugehen, so wirklich hatte er sich damit aber nie anfreunden können. Er empfand den Steuerknüppel als zu ungenau.
J'Kolans Konsole konnte bei Bedarf zusätzliche holographische Diagramme und Sensordaten aufrufen, ganz ähnlich dem frei schwenkbaren Taktikbildschirm, der im Kampffall in einen Bereich über den Boden projiziert wurde, gleich vor dem Hauptschirm.
Lucia Seth bemannte eine Konsole in ähnlichem Stil welche sich an der Wand, rechterhand hinter dem Captains Chair befand. Hier waren die Holobildschirme jedoch permanent aktiviert und zeigten die Umgebung des Schiffes. Im Gegensatz zu den meisten anderen Brückenversionen war die Taktikstation mit einem Stuhl ausgerüstet, den Seth dankbar in Anspruch nahm. Sie war erst vor wenigen Tagen von der ausrangierten Picard auf die Ares gewechselt. Die Picard war ein wahres Relikt gewesen: ein Schiff der Miranda-Klasse. Diese Schiffe waren früher allgegenwärtig gewesen und hatten praktisch das Rückrat der Flotte gebildet, wenn wieder einmal ein Krieg am Laufen war. Irgendwann hatte man sich entschlossen, die Schiffe ein letztes Mal aufzurüsten und regulär wieder in Dienst zu stellen, nachdem sie 2390 eigentlich eingemottet wurden. Nur wenige Exemplare hatten die Ausschlachtorgie überlebt, und diese litten und Altersgebrechlichkeit. Ihre uralte Technik war einfach nicht mehr kompatibel. Die Picard, seit 2411 im Einsatz gewesen, war das letzte Miranda-Schiff überhaupt gewesen. Das ursprüngliche Schiff stammte noch aus dem Zweiundzwanzigsten Jahrhundert, doch im Laufe der Zeit hatte es bei vielen wichtigen Schlachten gekämpft und mit so vielen Teilen anderer Exemplaren ausgebessert worden, dass man nicht mehr nur von einem Schiff sprechen konnte. Daher hatte man ihm einen neuen Namen samt eigener Registrierungsnummer gegeben; die Picard bestand aus den Modulen von nicht weniger als einem Dutzend Miranda-Schiffen. Viele davon waren nach dem Dominionkrieg ausgeschlachtet worden. Lucia Seth war immer stolz auf die Picard gewesen, auf der sie immerhin fünfzehn Jahre lang seit ihrem Abschluss an der Akademie gedient hatte, aber sie verstand die Notwendigkeit, alte Schiffe durch modernere zu ersetzen. Und die Ares war modern. Sie strotzte vor Kraft - und das, obwohl viele Waffen noch gar nicht einsatzfähig waren.
Seth riss ihre Gedanken von der Picard los. Sie dachte viel lieber an ihre Familie. Nach dieser Mission wollte sie unbedingt ein paar Wochen Urlaub nehmen und ihren Mann Peter samt ihrem Sohn Zack auf Seneca III besuchen. Wenn diese Sache vorbei war. Die neuesten Entwicklungen machten sie weniger ängstlich als dass sie sie nachdenklich stimmten, aber Seth war schon immer davon ausgegangen, dass die Föderation am Ende gut davonkommen würde. Das war sie immer. Das würde sie immer.
Man kann nur hoffen, dass Lucia Seth recht behält.
"Kurs nach Vulkan gesetzt, Captain.", bestätigte Etkins. Sein Finger schwebte über dem Kontrollelement für den Warpdrive. Die andere Hand verkrampfte sich in der Armlehne. Er kannte die Systeme der Ares mittlerweile ganz gut. Eigentlich war er zuversichtlich. Er vertraute Chief Bador und seiner Crew. Aber wie jeder andere an Bord kannte er die Geschichte des Deflektorwarpkerns. Viele Crewmitglieder, besonders in den Reihen der Techniker, hatten die Aufnahmen des Feldtests gesehen, bei dem der (offensichtlich) falsch ausgerichtet DWK, der effektivere Schilde durch direkte Energieversorgung durch den Kern erzeugen sollte, das Deflektorfeld nicht um das Experimentalschiff generierte, sondern es von Innen nach Außen sich ausweiten ließ, etwa wie eine Seifenblase entsteht. Dabei war vom Prototypschiff, der Leatherskin, nicht viel mehr übrig geblieben als der DWK selbst. Dafür hatte sich das Deflektorfeld selbst weiter ausgedehnt als vorgesehen und tiefe Wunden in das Begleitschiff Lake Taro gefressen, bevor es sich aus Energiemangel verflüchtigt hatte. Immerhin hatte dieser Versuch zur Entwicklung des Deflektortorpedos geführt, einer zerstörerischen Waffe, die eingesetzt werden konnte, um ein großes Gebiet nach getarnten Schiffen abzusuchen. Alternativ bohrten sie sich tief in ein gegnerisches, sichtbares Schiff und tat erst kurz nach dem Aufprall ihr zerstörerisches Werk. Man bezeichnete sie auch gerne als Radiergummis gigantischen Ausmaßes.
Verständlicherweise war die Angst groß, auf der Ares könnte das Selbe passieren. Doch der DWK war umfassend modifiziert worden. Und so passierte nichts, als Captain Sarah Trat den Befehl für maximale Warpgeschwindigkeit Richtung Vulkan gab. Nichts außer der Tatsache, dass die Ares mit Zweihunderttausendfacher Lichtgeschwindigkeit Kurs auf Vulkan nahm.
Deep Space One war eine recht junge Raumstation. Man hatte sie dort platziert, wo man vor Jahrhunderten die erste Deep Space-Einheit in Betrieb genommen hatte. In ihrer Anfangszeit benötigten Sternenflottenschiffe einen Monat, um von der Erde zu DSO zu gelangen. Reguläre Einheiten bewerkstelligten dies heute - bei Maximalwarp - in fünf Tagen. Die Ares schaffte das in zwei. Der Flug zur Romulanischen Grenze dauerte einen halben Tag. Während dieser Zeit rekonfigurierten Bador und sein Team die Sensoren. J'Kolans Berechnungen waren einwandfrei. Lucia Seth brütete weiterhin über den Experimentalwaffen. Doktor Rotal langweilte sich in seiner Krankenstation. Und Sarah Trat trommelte sieben Stunden lang nervös auf ihre Armlehne ein, bis Takeruci ihr vorschlug, sie solle sich doch ein paar Stunden hinlegen. Sie tat wie geheißen und begab sich in den Bereitschaftsraum des Captains.
Sie hatte ihn nicht eingerichtet. Sie würde das auch nicht tun. Sie war der Meinung, der Bereitschaftsraum wäre eben genau das - und kein Ersatzwohnzimmer. Lediglich ein Raumschiffmodell hatte sie auf ihren Tisch gestellt. Es stellte die USS Ironheart dar, jenes Schiff der Defiant-Klasse, auf dem sie jahrelang gedient und Bador kennen gelernt hatte. Obwohl es sich um die aufgerüstete Version gehandelt hatte, die zwei Decks mehr besaß als das Original und überhaupt ein wenig größer war, geschah es auf so kleinen Schiffen zwangsläufig, dass sich lebenslange Freundschaften bildeten.
Das einzig andere Zugeständnis, dass sie sich selbst machte, war ein Bild. Ein eingerahmtes Foto. Kein Hologramm. Ihr Hochzeitsfoto. Mit ihr und ihrem verstorbenen Ehemann Ferok drauf. Wobei "verstorben" ein sehr diplomatischer Ausdruck war. Ferok Ogan, seines Zeichens vulkanischer Botschafter auf Sternenbasis 21, die Trat während ihres ersten Kommandos befehligte, starb, als die Romulaner die Station nahe Vulkan im Zuge des Everdine-Zwischenfalls angriffen und vernichteten.
In ihrem Bereitschaftsraum gab es eine Standartcouch. Sie wurde normalerweise vom Kommandant gegen ein bequemeres Gegenstück ausgewechselt, doch Sarah Trat genügte sie, um ein paar Stunden vor sich hinzudösen. Doch schon bald wurde sie von der Brücke geweckt.
"Captain, wir empfangen ein Komsignal. Es ist Captain Jordan."
Müde raffte Trat sich auf, setzte sich hinter ihren Schreibtisch und aktivierte den Bildschirm. Das Starfleetsymbol wich einem Abbild von Captain Ariola Jordan. Sie saß ebenfalls in ihrem Büro, hatte es jedoch mit allerlei Geschenken eingerichtet. Sie hatte die Föderation bei nicht weniger als fünfunddreißig Erstkontakten vertreten. Sie war auch nicht mehr die allerjüngste. Tiefe Falten hatten sich in ihr weises Gesicht getragen. Sie hatte die Beförderung zum Admiral mehrfach abgelehnt, um nicht hinter einem Schreibtisch zu landen. Ihr Platz war auf der Brücke der Enterprise-G, ihrem ersten Kommando. Das Flaggschiff war ebenfalls nicht mehr so ganz aktuell und gehörte zur Halo-Klasse. Das waren elegante Schiff mit langgezogener Form und weit abstehenden Warpgondeln, die im Trockendock eingezogen werden konnten. Jordan begrüßte Trat lächelnd.
"Guten Morgen. Ich hoffe ich störe nicht?"
"Keineswegs, Captain. Kann ich Ihnen helfen?"
"Ich wollte mich einfach ein wenig mit Ihnen unterhalten, Captain."
"Gerne. Wie ist das Wetter bei Ihnen?"
"Leicht stürmisch, danke der Nachfrage. Wir haben ein Teile unserer Langstreckensonden im Romulanischen Grenzgebiet geborgen. Sie registrierten große Flottenbewegungen. Wir konnten mindestens dreizehn Schiffsverbände lokalisieren. Merkwürdigerweise bewegt sich die Hälfte weg von der Grenze. Allein vier sind unterwegs zu deren Heimatsystem."
"Die igeln sich also ein."
"Offensichtlich. Vielleicht erwarten sie einen Großangriff. Die Enterprise müsste seit Stunden im Wirkungsbereich ihrer Langstreckensensoren sein."
"Und die Ares ist es seit zwei Minuten", meinte Trat mit einem Blick auf den Statusschirm an der Wand. Die Ares würde die Enterprise in gut zwei Stunden überholt haben.
"Captain Trat, wenn Sie ankommen sollten Sie als erstes deutlich machen, dass Sie nicht in feindlicher Absicht kommen."
"Ich werde eine entsprechende Botschaft vorausschicken."
"Das meinte ich nicht. Ich empfehle Ihnen, Ihre Schilde zu deaktivieren. Das bringt Ihnen immer ein paar Pluspunkte ein."
"Captain Jordan, ich weiß Ihren Ratschlag zu schätzen, aber ich werde nicht ohne Schutzschilde in ein potentielles Kriegsgebiet fliegen."
"Es war nur ein Vorschlag. Romulanern können schwierig sein, wie Sie vielleicht wissen."
"Sie haben meinen Ehemann ermordet, Captain. Ich weiß durchaus, wie gefährlich sie sein können."
"Es klingt vielleicht herzlos, aber das sollten Sie während Ihrer Verhandlungen besser unerwähnt lassen."
"Wenn es zu Verhandlungen mit den Romulanern kommt, Captain Jordan, dann werde ich sie von Ihnen führen lassen. War das alles?"
"Für den Augenblick."
Captain Jordan schien einen neuen Bericht bekommen zu haben. Sie nickte Trat zu und schloss die Verbindung.
25. September 2426
USS Ares NCC 100431
Eintritt ins Vulkanische Heimatsystem
Auf der Hauptbrücke der Ares herrschte Totenstille. Man wagte kaum zu atmen. Alles starrte auf den Hauptbildschirm, der vor nicht ganz einer Minute aktiviert worden war. Captain Trat stand dicht davor und konnte nicht glauben, was sie sah. Die Reptilianerin J'Kolan war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, die Umgebung genauer zu scannen oder sich in einer Höhle zu verstecken. Takeruci war sein allgegenwärtiges PAD aus der Hand gefallen. Lieutenant Etkins war der einzige Offizier auf der Hauptbrücke, der sich auf seine Arbeit konzentrieren musste. Immerhin musste er die Ares heil durch ein Trümmerfeld gigantischen Ausmaßes fliegen.
Von Vulkans Oberfläche war nicht viel übrig geblieben. Irgendjemand hatte vermutlich stundenlang mit leistungsstarken Phasern auf den Planeten gefeuert und ersten Schätzungen zufolge drei Viertel der Oberfläche unbewohnbar gemacht - und alles Leben in den betroffenen Gebieten ausgelöscht. Im Orbit hatte sich indes eine Trümmerwolke ausgedehnt. Die Perikles trieb an deren Rand. Kein Crewmitglied hatte überlebt; immerhin konnte das Logbuch geborgen werden. Das Schiff hatte auf einen Notruf geantwortet, der von den Romulanern ausgesandt worden war. Jedoch hatte man das Föderationsschiff schon kampfunfähig geschossen, bevor es den Kampfort überhaupt erreicht hatte.
Auch sonst lebte in den Wracks niemand mehr. Es war auffällig, dass es ausschließlich romulanische Schiffe in Vulkans Umlaufbahn gab. Viele gehörten den modernen Klassen an, also Slaybirds und Komporkas, aber hier und da zeigten die Scanner auch Überreste von uralten Schiffen. Sogar einen antiken D7 hatte der Computer aufgespürt. Alle Schiffswracks waren systematisch beschossen worden. Niemand sprach es aus, aber jeder dachte an einen Bürgerkrieg.
"Ich empfange Lebenszeichen von der Oberfläche.", verkündete J'Kolan. Sie überprüfte die Ergebnisse noch einmal und fügte hinzu: "Es sind. äh, mehrere hundert Personen, zum größten Teil Vulkanier, die sich in unterirdische Höhlen geflüchtet haben."
"Tiefe?", fragte Captain Trat und stellte sich hinter J'Kolans Stuhl, um einen besseren Blick auf die Holodisplays zu erhaschen.
"Äh, ziemlich genau zwölf Kilometer unter der Oberfläche. Es könnte ein Bergbauunternehmen sein."
"Auf Vulkan wird viel Decarit abgebaut", warf Takeruci ein.
"Ja. Das wird unsere Transporter behindern.", murmelte Trat. Sie begab sich wieder zurück zum Captain's Chair. "Brücke an Maschinenraum. Bador, wir brauchen die Transporter. Sind alle einsatzbereit?"
"Aye, Captain. Ich habe mir erlaubt mitzuhören, Sarah. Das Decarit ist kein so großes Problem, aber der Transporttunnel wird nicht funktionieren. Wir werden unsere Schilde senken müssen."
"Schade. Danke Maschinenraum, das wäre soweit alles. Brücke Ende."
Captain Trat wandte sich wieder dem Hauptschirm zu. "Mister Etkins, wir gehen auf Transporterreichweite. Halber Impuls."
"Aye Sir."
"Commander, Sie übernehmen es, den Überlebenden eine Botschaft zu schicken. Sie sollen Musterverstärker einsetzen, wenn sie welche haben."
"Sofort."
"Lieutenant J'Kolan, scannen Sie weiter nach Überlebenden."
"Jawohl, Captain."
"Brücke an Jägerhangar."
"Brücke an Jägerhangar."
Das Technische Holographische Notfallprogramm der Ares nahm gerade einen Check Up vor, als Captain Trat den Jägerhangar rief. Sofort ließ der stets übel gelaunte "Commander" seine Arbeit links liegen und antwortete.
"Was!?"
"Wir werden in Kürze unsere Schilde senken. Ich will Jägerunterstützung. Es könnten sich getarnte Schiffe in der Nähe aufhalten."
"Die Staffel startet sofort. War's das?"
"Ja. Brücke Ende."
"Wir müssen etwas mit seinen Verhaltensalgorythmen machen. Auf diesem Schiff herrscht Disziplin.", forderte Takeruci und machte eine entsprechende Notiz.
"Commander, in erster Linie herrscht auf diesem Schiff immer noch Ich, und im Moment haben wir andere Sorgen als ein unhöfliches Hologramm. Wenn er seine Arbeit tut, dann soll's mir recht sein."
Takeruci löschte die Notiz wieder. Auch wenn er keinen direkten Befehl erhalten hatte, so verstand er doch die Drohung, die in Captain Jordans Stimme lag.
Die Ares indes interessierte sich nicht für ihren beleidigten Ersten Offizier. Sie glitt an großen Trümmern vorbei und umflog kleinere Teilchencluster. Etkins gab sich Mühe, das Schiff aus der Trümmerwolke heraus zu halten, aber das gestaltete sich als recht schwer da der Planet von Trümmern umgeben war wie ein Apfel von seiner Schale. Der Computer schätzte, dass etwas mehr als tausendfünfhundert Schiffe bei dem Kampf zerstört wurden. Captain Trat traute dieser Zahl nicht ganz, denn so viele Schiffe hatte das Reich vermutlich gar nicht in diesem Sektor. Es gab genau zwei Möglichkeiten: die Sieger hatten sich zufrieden gegeben und waren davongeflogen - oder sie warteten getarnt darauf herauszufinden, was die Ares hier zu suchen hätte. Beide Alternativen gefielen Trat nicht sonderlich.
"Wir sind gleich in Transporterreichweite", meldete Etkins und manövrierte das Schiff in den "Schatten" eines großen Wracks, das man nur wenig ramponiert nahe dem Planeten gelassen hatte. Es handelte sich um einen Warbird aus dem letzten Jahrhundert ohne Lebenszeichen. Gleich darauf startete Jägerstaffel B. Die Kampfjäger der Sternenflotte waren eher stark gepanzerte und wendigere Shuttles als echte Kampfmaschinen. Aber sie waren stark bewaffnet. In ihrer Grundstruktur einem langgezogenen Ellipsoid ähnelnd wiesen die abgeflachten Flanken auf jeder Seite ein Manövertriebwerk auf, an dessen äußersten Rand Phaserstreifen montiert waren. Der "Bauch" der Stardancer-Einheiten beherbergte ein Torpedokatapult für ein Magazin, das entsprach sechs Photonen- und zwei Quantentorpedos. Sie besaßen einen starken Deflektorschild, eine dicke Panzerung und einen Warpkern; der jedoch diente lediglich zur Energiegewinnung für Kampfsysteme. Warpfähig waren sie nicht. Dafür waren sie im Sublichtbereich erheblich schneller als die meisten der großen Föderationsschiffe. Im Cockpit hatten zwei Personen Platz, wobei meistens nur ein Pilot das Schiff flog. Manchmal übernahm ein Copilot das Reparieren von ausgefallenen Systemen oder koordinierte mit anderen CPs den Geschwaderkampf. Der CP war normalerweise das ins System integrierte Bordhologramm. Diese Holopiloten waren jedoch auch in der Lage, den Jäger selbst zu fliegen und erzielten dabei recht gute Ergebnisse, auch wenn viele es nicht mit der Intuition und Erfahrung von erfahrenen Kampfpiloten aufnehmen konnten. Doch die Jägercrew der Ares war noch nicht eingetroffen und verweilte noch immer an Bord der Enterprise. So musste man mit den Holofliegern zurande kommen. Captain Trat hätte sich reale Piloten gewünscht - oder zumindest erfahrenere Hologramme . Aber sie musste nehmen, was sie hatte.
"Staffelführer an Ares-Hauptbrücke. Die Adlerjungen haben den Horst verlassen. Ich wiederhole: die Adlerjungen haben den Horst verlassen. Gehen auf Patroillenflug. Staffelführer Ende."
Captain Trat konnte sich ein Schmunzeln nicht ganz verkneifen. Wohl noch eins von Mister Johnsons speziellen Persönlichkeitsprogrammen. Der kleine Taktikschirm neben dem Hauptbildschirm schaltete auf eine Darstellung der Ares und den Stardancern, die sie umkreisten. Es waren zwölf Einheiten, also eine Staffel, die sich in vier Rotten zu je drei Jägern aufgeteilt hatten und die Umgebung durchstreiften. Trat fiel der anfänglich völlig unterschiedliche Flugstil der Hologramme auf. Der Staffelführer stellte sich noch am geschicktesten an, und nach zwei Minuten nahmen auch die anderen Piloten seine Bewegungsmuster an.
"Mister Etkins, können wir loslegen?"
"Alles bereit, Captain. Wir sind in Reichweite."
"Sehr gut. Commander Seth, senken Sie unsere Schilde."
Lucia Seth nahm die entsprechenden Einstellungen vor, zögerte aber. Als Sicherheitschefin behagte es ihr verständlicherweise nicht, bei ungewissem Missionsstatus das Schiff feindlichem Bombardement preiszugeben.
"Captain, ich empfehle dringend auf die Enterprise zu warten. Deren Transporter sind präziser als die unserer."
"Das ist mir klar, Commander. Führen Sie meinen Befehl trotzdem aus."#Es piepte, und Takeruci bekam seinen Bericht. "Die Überlebenden haben geantwortet. Sie haben kein Problem mit der Lebenserhaltung, aber auch keine Musterverstärker. Dafür sind viele Verwundete dort unten. Ich schließe mich Commander Seths Empfehlung, Captain. Die Schwerverwundeten können mit der Darwin an Bord geholt werden."
Trat schüttelte den Kopf. Es gefiel ihr nicht. "Die müsste zu nahe an den Planeten heran. Sie haben Ihre Befehle, Commander."
"Aye, Sir." Seth war nicht begeistert. Auch Commander Takeruci wünschte sich nichts sehnlicher als das Kommando oder zumindest einen persönlichen Schutzschild. Nie war ein Borg zur Stelle, wenn er mal wirklich nützlich hätte sein können.
Lucia Seth bestätigte den Befehl. Ein kleines Signalpiepen ertönte. Die Schilde waren unten. Kein Beschuss. "Brücke an alle Transporterräume. Energie!"
Bestätigungen kamen aus allen T-Rooms. Nach und nach wurden die Überlebenden an Bord geholt. Die Transporter liefen heiß, die Einheit in Transporterraum Eins fiel gar ganz aus. Captain Trat hoffte nur, dass die Enterprise bald eintreffen würde. Die Transporterchiefs wussten schon nicht mehr wohin mit den Geretteten. Sie schickten sie bereits in die Shuttlehangars. Die Stardancers würden nicht ewig im All bleiben können. Und es handelte sich hier nur um eine Rettungsaktion. Mittlerweile hatte J'Kolan noch zwei weitere Höhlensysteme mit zusammen etwas weniger als dreihundert Sternenflottenangehörigen. Sie hatten sich von Sternenbasis 435 gebeamt, bevor sie von unbekannten Aggressoren ohne Vorwarnung angegriffen wurde. Die Übertragungen vom Planeten waren schwer zu verstehen, aber es wurde immer wahrscheinlicher, dass die Romluaner keinen Bürgerkrieg führten. Es stellte sich die Frage, wer hier denn dann sein Werk getan hatte.
"Transporterraum Drei an Hauptbrücke. Wir haben alle an Bord und richten die Transporter jetzt auf Standort zwei aus."
"Tun Sie das. Brücke Ende."
Der Jäger Aeneas flog mit seinen Flügelmännern Jean D'Arc und Gabriell über den Rand des Trümmerfelds hinweg. Am Steuer saß Hologramm ASP 09, auch unter dem Fliegernamen Mezger bekannt. Mezger führte Rotte Zwei an, flog folgerichtig in der Mitte des Dreierteams und war der erste, der sie entdeckte.
"Pilot 9 an Staffelführer. Hören Sie mich Lancelot?"
"Höre Sie klar und deutlich Aeneas. Was entdeckt?"
"Vermutlich. Meine Sensoren orten unidentifizierte Objekte am Rand des Vulkansystems. Schlecht getarnte Raumschiffe würde ich meinen. Können Sie unsere Scanns bestätigen?"
"Bitte warten - bestätige unidentifizierte Objekte. Ich informiere das Mutterschiff. Gut gemacht Mezger. Lancelot Ende."
"Staffelführer an Ares. Unsere Sensoren haben mehrere getarnte Raumschiffe am Rande des Vulkansystems geortet. Anzahl und Typ unbekannt. Die Flotte bewegt sich auf Sie zu."
"Unsere Sensoren haben nichts entdeckt, Commander.", antwortete Trat und überprüfte noch einmal die Sensorlogbücher. Nichts.
"Sie versteckten sich wahrscheinlich hinter dem Planeten. Sie dürften wissen, dass ihre Tarnung nicht perfekt ist."
"Aber gut genug, um sich in diesem Trümmerfeld zu verstecken, Captain", warf Takeruci ein.
"Nun gut. Vielen Dank, Commander. Halten Sie sich und ihre Staffel zum Kampf bereit. Ares Ende."
Trat trat an J'Kolan heran. Sie beugte sich über deren Schulter. Die Reptilianerin war es nicht gewohnt, so nahe an Menschen zu kommen. Trat war überhaupt der erste Mensch, der keine Scheu vor ihr zu haben schien.
"Lieutenant, ich möchte diese Schiffe genauer sehen. Können Sie sie orten?"
Sie versuchte es.
"Ich kann sie nicht sehen!"
Sie wusste, dass da draußen etwas war - die Piloten hatten keinen Grund zum Lügen - aber die Wrackteile und der sonstige Schrott behinderten die Scanns.
"Versuchen Sie es weiter, Lieutenant. Brücke an Maschinenraum. Wie ist der Status?"
"Bador hier. Im Prinzip ganz gut, nur die Transporter bringen uns ganz schön ins Schwitzen! Gerade haben wir Nummer Zwei und Drei verloren. Der Frachttransporter macht's auch nicht mehr lange."
"Dann haben wir keine Wahl. Mister Etkins, starten Sie die Darwin. Eine Rotte soll sie begleiten. Bador, komm nach oben, ich hab was für dich zu tun."
"Bin unterwegs."
"Danke Bador. Yoshiki, Sie könnte ich auch brauchen."
Etkins nickte knapp und begab sich zu einem der Turbolifte.
"Mister Etkins!"
"Captain?" Er hielt inne.
"Wenn die Darwin Probleme macht brechen Sie ab und kommen zur Ares zurück. Das ist ein Befehl. Die Überlebenden können auf die Enterprise warten."
"Aye aye Sir!" Damit schloss er die Lifttüren und fuhr zu Hangardeck A.
Takeruci indes löste sich von seinem geliebten PAD und gesellte sich an J'Kolans Seite. Der Xindi wurde immer unwohler in ihrer schuppigen Haut.
"Ich möchte so schnell wie möglich diese Tarnung durchdringen. Nennen Sie mich paranoid, aber ich glaube das sind die selben Schiffe wie die, welche die erste Abrock 3-Station zerstört haben. Nutzen Sie alles, woran Sie sich erinnern können. Bador wird Ihnen helfen, die Sensorlogbücher zu rekonstruieren. Das sollte nicht länger als zwei Minuten dauern."
Takeruci war nicht überzeugt. Die Sternenflotte versucht bereits seit Wochen, diese Tarnung zu verstehen. Sie war nicht perfekt, aber sie zerstreute die Muster. Ein Schiff hätte Steuerbord an der Ares vorbeifliegen können und wäre Backbord angezeigt worden. Dieses System war den aktuellen Einheiten meilenweit unterlegen, aber man fühlte sich trotzdem leicht verarscht.
Denn es war nicht bei diesem einen Überfall geblieben. Die Geisterflotte, wie sie mittlerweile genannt wurde, war nur wenige Stunden nach Abrock 3 im Galvionsystem aufgetaucht - direkt hinein in einen Kampfverband der Sternenflotte. Die Föderationsschiffe trafen nicht ein einziges Ziel.
Takeruci war auch nicht begeistert, dass er mit Bador zusammenarbeiten musste. Er mochte den Bolianer nicht. Auch andere Crewmitglieder behagten ihm nicht. Er hatte sich den Betrieb an Bord eines Raumschiffes auf Mission anders vorgestellt - seit dem Verlassen der Sternenflotte hatte er immer nur Bürojobs in geregelter Atmosphäre bekommen. Langsam begann Yoshiki an seinem Wunsch auf ein eigenes Kommando zu zweifeln.
"Aye, Sir.", war sein einziger Kommentar.
Rotte Zwei positionierte sich direkt über Rotte Eins. Die beiden anderen Verbände hatten höhenmäßig leicht versetzt Backbord und Steuerbord Stellung bezogen. Sie bildeten eine Kreuzformation und erwarteten die Geisterflotte am Rande des Trümmerfelds.
"Staffelführer an Rotte Vier. Begebt euch zurück zum Mutterschiff und passt auf das Frachtshuttle auf. An alle anderen Piloten: feuert nicht nach der Zielerfassung. Die wird euch nur irreführen. Konzentriert euch auf verschwommene Bereiche im All. Viel Erfolg. Lancelot aus."
"Ich hab's!"
Die Brückenoffiziere sahen sich verschreckt nach J'Kolan um. Ein Mensch wäre daraufhin errötet, J'Kolan wünschte sich einfach wieder in eine Höhle. Aber dafür hatte sie keine Zeit. Und keine Höhle, aber das war Nebensache.
"Was haben Sie, Lieutenant?", fragte Takeruci mit bösem Blick und sah Badors letzte Berechnungen durch. Der Bolianer indes kam unter seiner Station hervor. Er hatte sich unter die technische Sekundärstation verzogen und nach den eigentlich gelöschten Daten aus der Zeit vor dem Stapellauf gesucht.
"Diese Tarnung basiert auf uralten Modellen. Sind schon seit Jahrhunderten nicht mehr im Einsatz. Aber sie sind stark modifiziert worden."
"Gut gemacht, Lieutenant. Wie umgehen wir sie?"
"Wenn wir einen modulierten Tachyonenstrahl aussenden, der auf die Frequenz der Tarnung eingestellt ist, dann sollten wir eine Grenze schaffen können, die sie nicht durchdringen können, ohne sich automatisch zu enttarnen."
"Sehr gut, Lieutenant. Bador, leiten sie alles notwendige ein."
Der Bolianer ging das bereits im Kopf durch und machte keinen zuversichtlichen Eindruck. An ihrer Station überprüfte Lucia Seth die Jägerstaffel.
"Sarah, das dauert Stunden. Und funktioniert auch nur dann, wenn wir die richtige Frequenz erw..."
"Captain!", rief Seth von der Taktikkonsole. "Die Jäger werden angegriffen."
Die Tarnungsschatten waren noch weit von der Todeszone entfernt als die Flotte das Feuer eröffnete. Getarnt. Die Jäger Lancelot, Odysseus und Nicholas waren die ersten Opfer. Sie vergingen in ungezielten, aber starken Disruptorenstrahlen. Die
Kahles flog direkt in eines der getarnten Schiffen, als sie versuchten, einer weiteren Salve auszuweichen. Der Rest der Staffel konnte sich reorganisieren und spaltete sich auf. Die Waffen der Angreifer waren träge und ungenau. Die Stardancers schossen praktisch blind in den leeren Raum.
Doch so leer, wie er aussah, war er nicht. Zur Überraschung aller Piloten war fast jeder Schuss ein Treffer. Offensichtlich handelte es sich um dicht gedrängte Flotte. Ein paar der Gegner enttarnten sich - wohl nicht ganz freiwillig. Die frei sichtbaren Schiffe scherten aus der Formation aus, wie um zu verhindern, dass die Starfleetfighter ein Muster erkennen konnten.
Mezgers steuerte seinen Jäger, die Aeneas, zusammen mit der Jean D'Arc und der Gabriell in einen Bereich des Raums, in dem keine Störungen des Alls zu orten waren. Die Jean D'Arc geriet in ein Triebwerk und zerbarst.
"Mezger an Staffel. Greifen Sie nicht die enttarnten Schiffe an. Feuern Sie weiter auf die Tarnschatten. Torpedos sind freigegeben. Waldmanns Heil, Meine Herren!"
"Waldmanns Dank! Ich bleibe an Ihrem Flügel, Aeneas. Ich glaube ein Muster erkannt zu haben. Ich gebe die Daten an alle Jäger weiter."
"Positiv, Sinus. Immer noch besser als ins Blaue zu schießen!"
Etkins' Turbolift erreichte den Shuttlehangar nach wenigen Sekunden. Maximale Beschleunigung. Ein unangenehmes Gefühl. Seine abstehenden Ohren klingelten und protestierten.
Die Darwin war bereits aus ihrer Andockbucht gehoben worden und wurde vom THN untersucht.
"Commander, wie ist der Status?"
"Wie üblich: leichter Kopfschmerz und Hass auf die Welt. Das Frachtshuttle ist so weit einsatzbereit. Sie Sie alleine?", fragte er dann.
"Ja." Etkins betrat bereits die Laderampe. Die Darwin gehörte zur größten Shuttleklasse überhaupt. Sie füllte den Hangar komplett aus und passte gerade so durch das riesige Kraftfeld. Die gesamte Wand musste dafür entfernt werden. Der Commander hatte sich damals fürchterlich darüber aufgeregt. Und sie war nicht für Einzelsteuerung konzipiert worden.
"Das ist inakzeptabel. Ich begleite Sie."
"Von mir aus." Etkins hatte nichts dagegen einzuwenden. Es war ihm ganz recht, dass das Hologramm die Transporter übernehmen konnte. Die Darwin verfügte über wesentlich leistungsfähigere Transporter als die Ares und würde als Relay dienen, um die überlebenden Vulkanier aufs Schiff zu beamen. Mittlerweile waren auch die letzten schiffsinternen Exemplare ausgefallen. Sie waren auf eine derartige Dauerbelastung nicht ausgelegt. Die Ares war kein Rettungsschiff.
Etkins nahm keinen Check Up vor. Die Maschinen erbebten als sich das Raumschiff über den Boden erhob. "Verlassen Shuttlerampe.", meldete das THN, das ohne Vorwarnung im Sitz des Copiloten erschienen war. Die Darwin besaß eigene Holoemmitter.
Das Shuttle umrundete die Ares und näherte sich Vulkan. Aus der Nähe betrachtet sah die Zerstörung noch schlimmer aus als auf dem Hauptschirm. Die Oberfläche des Planeten schwelte und kochte. Am nördlichen Pol gab es noch normale Flecken. Zu einem der größeren davon war die Darwin unterwegs. "Von Backbord nähern sich drei Jäger."
"Hier spricht Berkley vom Jäger Sisko. Wir sind Ihr Begleitservice für heute Abend."
Die Jäger der Hauptstaffel schossen unentwegt in den Raum. Alle paar Sekunden wurde ein weiterer Gegner seiner Tarnung beraubt. Die Flotte war ein Kuriosum. Sie bestand vorwiegend aus älteren Kampfschiffen der Romulaner, am meisten alte Warbirds. Aber auch das eine oder andere Schiff der Sternenflotte war, in stark modifizierter Form, vertreten.
Mezgers Phaserenergie war erschöpft. Er schaltete auf seine Torpedos um. Mit ihnen traf er weniger Schiffe. Dafür wurde er selbst getroffen. Da er keine Nerven besaß spürte er die Erschütterung kaum. Hinter ihm explodierte eine Kontrolleinheit und ließ Funken regnen. Seine Stabilisatoren waren ausgefallen. Er war nur noch eingeschränkt manövrierfähig.
"Aeneas an Staffel: bin beschädigt und ziehe mich zurück!"
"David an Aeneas. Positiv. Bin ebenfalls getroffen und schließe mich dir an!"
Die beiden Stardancer gesellten sich zu einander. Goons David war schwerer in Mittleidenschaft gezogen worden als Mezgers Schiff. Die Steuerbordhülle fehlte zum großen Teil. Mezger ging sicherheitshalber auf einen Sicherheitsabstand. Obwohl aus den beschädigten Teilen der David Funken sprühten und der Jäger heftig schlingerte schafften es beide zurück aufs Landedeck der Ares. Minuten später trafen drei weitere Einheiten ein. Rotte Vier, welche die Darwin beschützt hatte. Das riesige Frachtshuttle hatte seine Mission ungestört abgeschlossen. Kurz darauf raste die Gabriell in den Hangar und bohrte sich ohne zu bremsen in die verwaisten Jäger der Staffel A. Sinus hatte es als einziger vom Rest der Staffel B geschafft, den Weg nach Hause anzutreten.
"Gute Arbeit, Mister Etkins", lobte Trat als der Navigator die Hauptbrücke betrat. Er sah Beine, die unter der Technischen Sekundärkonsole hervorlugten. Er tippte auf Commander Bador. Er nahm seinen Platz am Steuer wieder ein.
"Lieutenant, haben wir jetzt alle?", fragte Trat.
"Äh, auf der gegenüberliegenden Seite des Planeten gibt es noch fünf weitere Höhlensysteme, alle mit ähnlicher Personenanzahl."
"Captain", meldete sich Lucia Seth von ihrer Konsole, "wir können nicht noch mehr Zivilisten an Bord nehmen. Wir sind bereits jetzt überlastet. Die Enterprise sollte sich dieser Personen annehmen."
"Alles zu seiner Zeit. Wir sollten jetzt erst einmal aus diesem System heraus."
"Und die Überlebenden sich selbst überlassen?!", rief Takeruci.
"Ja. Wir sind nicht auf einen solchen Kampf ausgerüstet."
"Vielleicht doch."
Alle drehten sich zu J'Kolan um. Sie rief eine Torpedodarstellung auf den Taktischen Schirm auf.
"Deflektortorpedos könnten uns ihre Stellungen verraten."
"Ein gutes Vorschlag Lieutenant, wenn Sie uns gleich mit in die Luft jagen wollen."
"Das lassen Sie mal meine Sorge sein, Misses Seth. Mister Etkins, können wir irgendwie auf eine sichere Distanz gehen?"
"Nicht in diesem Chaos hier. Wir müssten zuerst aus dem Trümmerfeld raus."
"Captain." Takeruci hatte sich wieder erhoben und war an Trats Seite getreten. Sein Gesicht gab seine Gedanken preis: der sonst so hochmütige Commander hatte Riesenschiss, schon während seines zweiten echten Raumkampf zu sterben. "Wir sollten auf die Enterprise warten."
"Das wäre vielleicht unklug", gab Seth zu bedenken. Einen Augenblick später wurde die Ares erschüttert. Es gab einen Knall, als eine Konsole im Achternbereich Funken von sich gab. Sie war unbemannt. Das Licht flackerte. Der Hauptbildschirm zeigte Schneerauschen. Dann wurde die Sicht wieder klar. Die Wracks waren in Bewegung. Einige detonierten. Andere verhakten sich und rissen sich gegenseitig in Stücke.
"Sie beschießen das Trümmerfeld."
"Energie in die Schilde umleiten! Commander Seth, bereiten Sie einen Deflektortorpedo vor. Mister Etkins, ich will aus diesem Feld raus und auf Sicherheitsabstand. Schaffen Sie das, ohne dass wir getroffen werden?"
"Wahrscheinlich, Sir. Gehe auf halben Impuls."
Die Ares bewegte sich aus ihrem Versteck, in dem sie offensichtlich nicht mehr sicher war. Schüsse trommelten an ihnen vorbei. Der sie umgebende Schrott störte die feindlichen Sensoren, blockierte sie aber nicht. Wahrscheinlich hatten sie die flüchtenden Jäger beobachtet. Etkins manövrierte das Schiff um die größten Wracks herum. Manche waren wesentlich größer als das Föderationsschiff und bestanden aus verkeilten Schiffen. Hier und da ignorierte der Pilot kleinere Schrottcluster auch völlig und flog mitten hindurch. Das verwirrte die feindliche Zielerfassung. Die Romulaner trafen die Ares nie genau.
Ein Problem stellten die Warpgondeln dar. Die beiden oberen Exemplare weniger als die unteren zwei. Diese standen in einem sehr flachen Winkel ab, waren länger und besaßen auch längere Verbindungsstutzen. Mit ihnen eckte Etkins immer wieder an. Die Untere Steuerbord Warpgondel musste er deaktivieren um ein Entzünden der Antimaterie zu verhindern, die in den Bussardkollektoren gesammelt wurde.
Während die Ares durch die Trümmerwolke flog scannte J'Kolan die Flotte. Die meisten Schiffe, die sich notgedrungen enttarnt hatten, gehörten zu ausgemusterten romulanischen Klassen. An sonsten handelte es sich um eine bunt zusammengewürfelte Ansammlung. Und sie folgten der Ares.
"Wir treten in dreißig Sekunden aus dem Feld aus, Captain!", verkündete Etkins. Lucia Seths Finger hing drohend über dem Feuerknopf. Das Katapult C war auf die Mitte der sichtbaren Gegner gerichtet. Sie konnte nur hoffen, dass der Torpedo nicht vorher auf ein getarntes Schiff traf. Etkins hatte das Schiff lediglich an den äußersten Rand der Todeszone bringen können.
"Sind außer Reichweite."
Trat wartete noch ein paar Sekunden. Kein Komsignal. Kein Deaktivieren der feindlichen Waffensysteme. Kein Grund.
"Feuer."
Der Deflektortorpedo raste durch den Katapultschacht. Mit voller Impulsgeschwindigkeit wurde er aus der Achtern gelegenen Luke C geschleudert. Dann beschleunigte er aus eigener Kraft auf Warp 1. Die Flotte versuchte nicht, das Geschoss abzuschießen. Entweder wussten sie nicht, wie gefährlich es war, oder sie waren sich darüber im Klaren, dass ihre ungenauen Schüsse es nicht treffen konnten. So oder so - sie versuchten zunächst gar nichts. Der Torpedo erreichte sein Ziel und bremste ab. Dann trieb er drei Sekunden nur vor sich hin. Ein paar Gegner begannen zögerlich zu zielten. Dann aktivierte der Torpedo seinen Deflektor.
Auf dem Schirm der Ares breitete sich die farbenfrohe Schildblase aus. Immer weiter dehnte sie sich. Nach und nach enttarnten sich leicht angekokelte Raumschiffe. Die Blase dehnte sich bis knapp hinter der Ares aus. Ein beträchtlicher Teil des Schrotts um Vulkan wurde pulverisiert, was auch einigen der bereits vorher enttarnten Schiffe widerfuhr. Als der Torpedo sein Werk getan hatte detonierte er, was einen weiteren uralten romulanischen Kreuzer ins Verderben stürzte. Captain Trat hatte nicht erwartet, dass ihre Kontrahenten derart schwache Schilde besaßen.
"Captain", vernahm man es von der Taktikstation, "Man wird gesprächig. Nur Audioübertragung."
"Ursprung?"
"Ein Romulanischer Warbird. D'Dederidex-Klasse. Es ist das Schiff in der Mitte der Flotte." Seth grinste hämisch. "Sie haben kaum Energie und ihre Lebenserhaltungssysteme versagen."
"Kanal öffnen."
Zischen und Quietschen drang urplötzlich durch die Lautsprecher. Stimmen schrieen durch einander und gaben Befehle. Einige stöhnten vor Schmerzen. Irgendetwas explodierte. Im gleichen Augenblick zeigte der Bildschirm winzige Explosionen auf der Hülle des Warbirds. Endlich begann jemand zu sprechen. Die Stimme war tief und klang gefährlich.
"Hier spricht High General Jebek von der ZBC Liberator. Wir fordern Sie auf sich sofort zu ergeben. Im Gegenzug versprechen wir Ihnen und Ihrer Crew freies Geleit zum Vulkanischen Heimatplaneten."
Captain Trat ließ sich in ihrem Stuhl nieder. Sie lächelte. Sie vermutete immer noch Romulaner an Bord der Liberator und wertete diesen Vorschlag als verzweifelten Versuch, der Situation Herr zu werden.
Trotzdem unterdrückte sie kurz die Komverbindung.
"Misses Seth, können die uns noch gefährlich werden?"
"Ich überprüfe es gerade. Ihre Flotte besteht noch aus dreizehn Schiffen. Davon werden fünf gerade evakuiert. Zwei haben schwere Schäden an ihren Maschinen erlitten, eins ist leicht beschädigt. Der Rest ist größtenteils unbeschädigt. Allerdings können wir sie jetzt sehen und ihren Disruptoren ausweichen. Ich würde sagen, dass sie keine Gefahr mehr darstellen."
"Gut. Kanal wieder öffnen. General, hier spricht Captain Sarah Trat vom Föderationsschiff Ares. Ich habe einen Gegenvorschlag für sie: Sie ergeben sich und wir versprechen Ihnen, Ihr Schiff nicht zu vernichten. Sie sind nicht in der Position, Bedingungen zu stellen."
"Dann machen Sie sich auf Ihre Zerstörung gefasst."
"Die Schiffe nehmen Kurs auf uns, Captain. Sie laden ihre Waffen. Soll ich Staffel A starten lassen?"
"Nein. Die richten nichts aus gegen solche Gegner. Misses Seth, mache Sie eine Salve Photonentorpedos bereit. Ich will einen netten Warnschuss sehen. Feuern wenn bereit."
Seth startete die drei Geschosse. Alle drei detonierten kurz vor den beiden Führungsschiffen. Daraufhin drehten beide ab.
"Schwere Schäden an den feindlichen Maschinen, Sir. Sie rufen uns erneut."
"Hören wir's uns mal an."
"Föderationsschiff! Dies ist Ihre letzte Chance auf Kapitulation. Ich..."
Trat hatte den Kanal geschlossen. Offensichtlich hatte jeder weitere Kontakt mit High General Jebek keinen Sinn und würde die Beziehungen nur verschlechtern.
"Mister Etkins, wir..."
Die Ares wurde von einem Disruptorstrahl getroffen. Er kam von der Liberator und war ausgesprochen genau. Er traf direkt den Hauptdeflektor unter der Diskussektion des Schiffes.
"Bericht!", rief Takeruci und rappelte sich vom Boden auf. Irgendwo strömte Gas aus. Die Eindemmungsfelder reagierten träge, aber doch.
"Schilde halten bei Fünfundneunzig Prozent. Das war kein Zufallstreffer."
"Misses Seth, machen Sie einen weiteren Deflektortorpedo klar."#"Captain, ich darf Sie daran erinnern, dass wir nur drei Einheiten an Bord genommen haben?"
"Dürfen Sie. Im Augenblick erscheint es mir aber notwendig. Führen Sie meinen Befehl aus. Mister Etkins, ich will nicht noch einmal getroffen werden."
"Ich werde in meinen Maschinenraum zurückkehren", verkündete Bador und verschwand im Turbolift A.
Die Ares setzte sich wieder in Bewegung. Etkins programmierte einen Schleifenkurs, der, leicht schlingernd, die gegnerische Flotte umrundete.
"Rufen Sie die Liberator."
"Kanal geöffnet."
"General, Ihre Flotte befindet sich nicht im Zustand, um einen Kampf zu gewinnen. Ich würde eine friedliche Lösung vorschlagen. Ich gebe Ihnen eine Minute Bedenkzeit. Dann werde ich einen weiteren meiner Torpedos gegen Sie einsetzen."
Sie schloss den Kanal wieder. Der Deflektortorpedo war geladen, bereit und auf die Liberator gerichtet. Die Minute verstrich, und nach sechzig Sekunden hatte sich Nehs nicht gemeldet. Aber seine Schiffe hatten nicht noch einmal geschossen. Dann meldete sich J'Kolan.
"Ich registriere Fluktuationen in Jebeks Energienetz. Seine Systeme fallen aus."
"Liberator an Föderationsschiff", meldete sich endlich General Nehs. "Ich... Ich biete Ihnen einen vorübergehenden Waffenstillstand an."
"Das freut mich zu hören. In Kürze wird ein weiteres Schiff der Föderation hier eintreffen. Ich hoffe, wir können klären, wie genau die Föderation das Romulanische Reich zu diesem Angriff auf Föderationsbürger provoziert hat."
Von der anderen Seite des Kanals kam ein verächtliches Schnauben.
"Sie sprechen keineswegs mit einem Mitglied des Romulanischen Reichs, Föderationsschiff."
"Wir bekommen visuelle Darstellung, Captain.", meldete Takeruci. Er wartete nicht auf die Bestätigung der Captain und schaltete High General Jebek auf den Schirm. Er war kein Romulaner.
Seine Gestalt war von menschlicher Statur. Die Haut schimmerte in einem kräftigen Grau. Die Haare, lang und schwarz, verliefen bis über die Schultern. Hätten sich unter seiner ebenso schwarzen Lederuniform mit den vielen Dornen, die aus seiner Haut zu ragen schienen, nicht etliche Muskeln gespannt hätte man ihn für einen alten, gebrechlichen Mann halten können. Es sei denn, man hätte ihm in die Augen gestarrt.
Es war Reptilaugen. Grellgelb. Mit roten Phasern und sichelförmiger Iris.
"Ich bin der Vierte Hochkommandant der Z'Sordo Befreiungsarmee. Dieser Waffenstillstand gilt lediglich Ihrem Schiff. Nicht der gesamten Föderation. Wenn Sie sich meiner Flotte auch nur einen Korint näher kommen werden Einheiten das Feuer eröffnen."
Damit kappte er die Verbindung. Die Verwirrung auf der Brücke war groß.
Auf dem Kampfdeck des Befreiungsschiffes Liberator herrschte das blanke Chaos. Offiziere lagen herum, teilweise tot, teilweise lebendig, andere einfach nur teilweise; der Torso hier, die Beine dort. Die meisten Systeme waren ausgefallen oder arbeiteten nicht richtig. Es lag Rauch in der Luft. Er stach beim Atmen. Der jaka-inische Söldner war daran erstickt. Jebek saß in seinem Kommandosessel und koordinierte an der letzten funktionierenden Konsole die Reparaturarbeiten.
Im Zugangstunnel arbeitete sich Marschall Dang an den Trümmerteilen vorbei, in der Hand einen Statusbericht. Neben dem General stellte er sich in Habachtstellung auf und wartete.
Jebek ließ ihn eine Minute zappeln, dann streckte er die Hand aus.
"Bericht", verlangte er.
"Mein Lord! Die Juvel of Sord musste evakuiert werden. Die Basilisk und der Chimäre sind auf Position."
"Wie ist der Status des Schiffes, Marschall?", verlangte Jebek zu wissen. Über ihm stoben Funken aus einem Illuminator. Des Generals Kommandobereicht wurde jetzt nur noch von den glühenden Schriftzeichen auf den Konsolen erleuchtet.
"Das Lebenserhaltungssystem wurde reinitialisiert. Waffensysteme einsatzbereit. Unsere Deflektorschilde sind außer Funktion. Mein Lord. Die Stimmung an Bord ist schlecht. Ein Waffenstillstand passt nicht in die Politik der Befreiungsarmee."
Jebek fuhr hoch und versetzte Dang einen Kinnhaken. Der Marschall flog zu Boden. Blut spritzte aufs Deck. Die Technikercrew hielt inne, arbeitete dann jedoch schnell wieder weiter. Man fürchtete eine ähnliche Behandlung.
"Die Politik der Befreiungsarmee ist die Sache der Befreiungsarmee. Sie haben darüber nicht zu entscheiden. Wegtreten!"
"Es ist immer schön die Wahl zu haben", kommentierte Subcommander Tekittof und trat aus den Schatten mit denen er sich so gerne umgab. "Ich frage mich ebenfalls, wieso wir uns vor einem einzelnen Föderationsschiff erniedrigen müssen."
Jebek setzte sich wieder. Seine Dornen bebten vor Wut.
"Ich trage eine gewisse Verantwortung, Leyk. Bevor wir Vulkan angegriffen haben bestand die Vierte Flotte aus hundertvierundreißig Schiffen. Jetzt haben wir genau ein Dutzend Schiffe, Leyk, ein Dutzend
Kampfschiffe mit katastrophalen Schäden. Wegen einer Föderationswelt."
"Das hat nichts mit dem Schiff da draußen zu tun."
"Es geht hier ums Prinzip! Ich werde keinen Offizier mehr opfern, wenn ich nicht den direkten Befehl dazu erhalte!"
"Unsere Befehle lauten alle Föderationsraumschiffe in Waffenreichweite anzugreifen."
"Ich habe diesen Befehl beachtet. Im Augenblick befindet sich der Föderationsbalg außerhalb unserer Waffenreichweite."
Leyk Tekittofs Gesicht verfinsterte sich. "Sie dürfen Ihre Befehle nicht nach Belieben beugen, Mein Lord."
"Ich tue, was ich für meine Pflicht erachte. Und in meinen Augen bedeutet das meine Männer in den Kampf gegen die Romulaner zu schicken. Und nicht gegen die Föderation."
Tekittof verneigte den Kopf und zog sich zurück. Jebek überkam ein ungutes Gefühl. Er kannte Tekittof seit den Tagen der Rebellion.
Er hatte Leyk viele Kammeraden aus geringeren Gründen als Befehlsverweigerung töten sehen.
Captain Trat versuchte in der nächsten Stunde mehrmals, in Kontakt mit der Liberator zu treten und Hilfe anzubieten. Die Crew wusste, dass die Schiffe ihre Botschaften empfingen, doch sie antworteten nicht.
25. September 2426
USS Ares NCC 100431
Vulkanisches System
Im Besprechungsraum war der Tisch eingebrochen; einer der größeren Schäden, die der kurze Kampf gefordert hatte. Mittlerweile hatte Lieutenant J'Kolan wenige spärliche Informationen über die Z'Sordo herausgesucht. Was Captain Trat hören musste war nicht sonderlich ermutigend.
"Die Z'Sordo sind ein Volk aus dem Übergangsbereich vom Beta- zum Deltaquadranten. Sie sind technologisch wenig entwickelt. Soweit wir wissen besitzen sie nur zivile Raumfahrt und benutzen ähm, übergroße Generationenschiffe ohne nennenswerte Bewaffnung. Sie werden seit Jahrhunderten vom Romulanischen Sternenimperium unterjocht. Äh, Commander Seth?"#"Offensichtlich haben Sie sich Raumschiffe gestohlen und eine Revolution angezettelt."#"Doktor Rotal", fragte Trat und blickte zum stehenden Waraki hoch - er hatte immer noch keinen Stuhl erhalten, der seinen Schweif komfortabel behandelt hätte. "Wie geht es unseren Passagieren?"
Der Waraki legte die Fingerkuppen an einander. Er bleckte Fangzähne von beachtlicher Größe.
"Wir haben viele Verwundete. Ich musste die Shuttlehangare in Krankenlager umfunktionieren, außerdem die Lagerhallen A und B. Die meisten Verletzungen lassen sich behandeln, aber mir fehlt das Personal. Und das MHN ist unfähig. Commander Bador wird es erklären."
"Ja. *Räusper* Als Johnson unsere Hologramme mit neuen Persönlichkeitssubroutinen versah konnte er nicht wissen, dass die Notfallhologramme davon ebenfalls betroffen sind. Mir ist das schon beim Technischen Notfallhologramm aufgefallen, aber hier betraf es nur die Persönlichkeit."
"Das kann ich bestätigen", rief Etkins dazwischen. "Der Commander ist launisch und rechthaberisch."
"Unglücklicherweise ist beim MHN auch die Reaktionszeit und diverse Logikkomponente betroffen. Ich hab den Fehler behoben, aber auf unerwartete Situationen reagiert er sehr verwirrt."
"Ich kann diesen Kerl nicht auf meiner Sickbay gebrauchen. Ich benötige weiteres medizinisches Personal."
"Ich stimme Ihnen zu. Yoshiki, fragen Sie ein bisschen herum. Ein paar unserer Gäste sind von Starfleet, vielleicht findet sich jemand."
"Aye Captain. Ich werde auch bei den Vulkaniern anfragen."
"Eine gute Idee Commander."
"Captain", fragte J'Kolan zögerlich, "wie sieht unser weiteres Vorgehen aus?"
"Ausgesprochen schwer. Wir warten. Haben wir schon Nachricht von der Enterprise?"
"Negativ Captain."
"Ich frage mich ob sie angegriffen wurden", mutmaßte Takeruci.
"Dann hätten wir einen Notruf empfangen."
"Wir gehen trotzdem wieder auf Roten Alarm.", entgegnete Trat, die erst vor einer halben Stunde auf Gelbalarm gehen ließ. Sicher war sicher.
"Brücke an Captain Trat. Die Liberator nimmt Fahrt auf!"
Die Führungsoffiziere schoßen von ihren Stühlen hoch und verließen schnellstens den Besprechungsraum. Auf dem Taktikschirm war bereits eine Projektion der Z'Sodro-Flotte zu sehen, die sich in Dreiecksformation der Ares näherte.
"Ares an Liberator. Erklären Sie Ihre Handlungsweise!"
Die Antwort fiel knapp aus: ein Disruptorstrahl wurde auf die Schilde abgegeben.
"Föderationsschiff! Ich bin Subcommander Tekittof vom Befreiungsschiff Liberator. Ihr Eindringen in unseren Raum stellt für uns eine Kriegserklärung dar. Bereiten Sie sich auf Ihre Zerstörung vor."
Weitere Treffer schüttelten die Hauptbrücke durch. Rotal und Bador verschwanden im Turbolift und kehrten auf ihre Stationen zurück. Takeruci kam mit ihnen, um nach weiteren Ärzten zu suchen.
Etkins übernahm wieder die Navigation und führte als erstes ein Ausweichmanöver aus. Ein Disruptorstrahl, der sonst ein direkter Treffer der Brückenkuppel gewesen wäre, verfehlte sie nur knapp und verteilte sich im All.
"Meldung!", verlangte Trat.
"Die Schilde sind auf fünfundachtzig Prozent gefallen, Captain. Sie verwenden andere Disruptoren als vorher."
"Muss wohl eine Art Führungswechsel sein.", spekulierte Trat.
"Wohl eher ein handfester Putsch." warf Seth ein.
"Wie auch immer, wir können uns nicht weiter beschießen lassen. Misses Seth, ich will meinen Deflektortorpedo im All wissen. Feuern Sie wenn Sie bereit sind."#"Aye aye Captain. Geladen, bereit und ... abgefeuert!"
Dieses Mal zögerten die Z'Sordo nicht. Der Torpedo wurde mehrfach unter Beschuss genommen. Ein Zufallstreffer zerstörte das kleine Geschoss.
"Der Deflektortorpedo... wurde vernichtet, Captain." meldete Commander Seth.
Ein neuerlicher Volltreffer rüttelte an der strukturellen Integrität der Ares. Eine Konsole sprühte Funken.
"Bericht!"
"Schilde auf sechzig Prozent gefallen."
"Auf Hilfssysteme schalten."
"Aye aye Captain."
"Mister Etkins, ich mag es nicht beschossen zu werden! Bringen Sie uns hier raus, Warp Zehn wenn wir außerhalb des Gravitationsschattens sind!"
"Captain, die Z'Sordo stellen sich uns in den Weg."#"Ausweichen." Trat ließ sich die Feuerleitkontrolle auf ihre kleine Konsole legen und übernahm das Katapult A persönlich. Sie zielte und traf das Schiff, das sie für die Liberator hielt.
"Wir haben ein neues Problem!", verkündete Lucia Seth und starrte auf ihre Anzeigen.
"Eine Flotte romulanischer Kriegsschiffe geht unter Warp."
"Z'Sordo?"
"Nein. ..." Seth atmete hörbar ein. Es klang nicht gut. "Es sind Slaybirds. Zehn Schiffe. Sie fliegen direkt auf uns zu..." Die Ares wurde wieder getroffen. "...und beschießen uns!"
"Das scheint heute nicht unser Tag zu sein. Computer, Komverbindung mit dem führenden Slaybird!"
< Warnung: Die Kommunikationssysteme sind derzeit außer Betrieb. Bitte versuchen Sie es später noch einmal. >
"Das ist doch nicht zu fassen!", klagte Bador, als er sich aus dem Turbolift zwängte. "Sarah, der letzte-" Er taumelte, als die Ares schaukelte "der vorletzte Treffer hat uns einige Systeme gekostet. Die Deflektoren sind hin."
"Bador, ich brauche das Komm-System."
"Im Prinzip kein Problem, aber das könnte dauern."
"Nimm dir Zeit, nicht das Leben."
Der Bildschirm ging zwar immer wieder in weißes Rauschen über, doch er blieb einigermaßen konstant. Die Romulaner ließen vom Föderationsschiff ab, zumindest die meisten. Manche feuerten immer noch aus Heckkannonen. Doch hauptsächlich gingen sie den Z'Sordo an die Kehle. Und die wehrten sich. Innerhalb einer halben Minute vermischten sich die beiden Flotten, und der erste Slaybird fiel einer internen Explosion zum Opfer. Die Ares wurde von der Druckwelle erschüttert. Schnell stellte sich eines heraus: die Z'Sordo nutzten völlig veraltete Raumschiffe und wären technisch völlig unterlegen gewesen.
Hätten sie nicht ihre Waffen gehabt. Es handelte sich bei den meisten um Sordo-Waffen, nicht um romulanische Modelle. Sie hatten eine weitaus höhere Reichweite und waren stärker. Das schlimmste: die Z'Sordo kannten der Romulaner Schildfrequenzen. Vielleicht hatten sie diese aus den zerstörten Wracks der Besatzer Vulkans geborgen, vielleicht waren sie gut im Raten. Trotzdem waren ihre Raumschiffe den - im Vergleich schwächeren - Disruptoren der Romulanischen Eingreiftruppe nicht gewachsen. Die Schilde waren ausgefallen, ihre Hüllen dünner als die moderner Kriegsschiffe. Nach drei Minuten Kampf waren nur noch fünf Schiffe der Invasoren übrig. Von diesen stellten sich vier zwischen die Liberator, die schwer beschädigt flüchtete, und die Romulaner, die immerhin noch sechs Schiffe besaßen. Die vier Fluchthelfer waren, wie Scanns. der Ares bestätigten, leere Hüllen und hielten die Romulaner nicht lange auf.
Sie folgten der Liberator und schossen unentwegt auf sie. Etkins stellte schnell fest, dass das Flaggschiff sich auf Kollisionskurs befand und versuchte ein Ausweichmanöver. Es gelang. Die Liberator schoß an der Ares vorbei und ging auf Überlichtgeschwindigkeit. Neidisch musste Etkins feststellen, dass sie eine Art Hyperraumantrieb verwendeten und nicht auf gravitationsfreien Raum angewiesen waren.
"Zeit bis Warp?"
"Vierzig Sekunden Captain! Ich gebe mein Bestes, aber..." Funken; die tertiäre Wissenschaftsstation fiel aus. "Aber die Triebwerke spielen nicht mit. Das Impulssystem hat einen Defekt."
"Bador, scheiß auf die Kommunikation. Kümmer dich um den Impulsantrieb."
"Ich will mich nicht über den Sinn und Unsinn deiner Befehle streiten Sarah. Aber bitte erkläre das der Ares!"
"Ein Schiff nähert sich!", rief Lucia Seth.
"Romulaner?"
"Negativ! Es ist die Enterprise! ... Verflucht!"
"Bericht, Commander!"
"Die Enterprise!", rief Seth und rief die Darstellung auf dem Hauptschirm ab. Er flackerte. Und schlierte. Und war unerfreulich. "Sie flieht - vor einer riesigen Flotte uralter Romulanerschiffen!"
Kapitel 2
Windes Saat
Der Vulkan hing glühend und verdorben in seiner Umlaufbahn. Seine Oberfläche brannte, die Luft war aufgeheizt. Leben existierte nur noch in unterirdischen Höhlensystemen, wohin sich wenige Vulkanier sowie spärlich gesätes Starfleetpersonal retten konnten. Um ihn herum hingen die Überreste einer gigantischen Schlacht. Gekämpft hatte die riesige romulanische Besatzungsmacht gegen eine Übermacht: die Z'Sordo Befreiungsarmee, bestehend aus älteren gekaperten, jedoch stark aufgerüsteten Schiffen. Und die jagten mit vollem Impuls dem Föderationsraumschiff Ares hinterher, das einem Notruf geantwortet hatte.
"Zeit bis Warp?", rief Captain Sarah Trat ihrem Piloten Lieutenant Etkins zu.
"Vierzig Sekunden Captain! Ich gebe mein Bestes, aber die Triebwerke spielen nicht mit. Das Impulssystem hat einen Defekt."
Etkins flog ein weiteres Ausweichmanöver. Das Disruptorfeuer war unglaublich genau geworden.
"Bador, scheiß auf die Kommunikation.", befahl Trat und klammerte sich an ihrer Armlehne fest. "Kümmer dich um den Impulsantrieb."
Der bolianische Chefingenieur Bador streckte seinen blauhäutigen Kopf unter der technischen Station hervor. Ruß setzte sich deutlich von der hellen Haut ab.
"Ich will mich nicht über den Sinn und Unsinn deiner Befehle streiten, Sarah. Aber bitte erkläre das der Ares!" Er griff nach einem Werkzeug aus seinem Gürtel und verlor es bei einem weiteren Treffer.
"Ein Schiff nähert sich!", rief Sicherheitschefin Lucia Seth von ihrer isolierten Station aus.
"Romulaner?", fragte Trat. Sie richtete bereits das Torpedokatapult aus, dessen Zielsysteme sie persönlich steuerte.
"Negativ!", entgegnete Seth. "Es ist die Enterprise! ... Verflucht!"
"Bericht, Commander."
"Die Enterprise.", rief Seth und rief die Darstellung auf dem Hauptschirm ab. Er flackerte. Und schlierte. Und war unerfreulich. "Sie flieht - vor einer riesigen Flotte uralter Romulanerschiffen!"
25. September 2426
USS Ares NCC 100431
Vulkanischer Heimatplanet
"Die Enterprise ruft uns, Captain.", verkündete Lucia Seth. Sie feuerte eine weitere Torpedosalve aus dem Achterngeschütz und traf das führende Schiff der Romulanischen Verfolger hinter ihnen. Vor dem Bug der Ares hetzte sich die Enterprise ab um einer Z'Sordo-Streitmacht zu entkommen. Die beiden Föderationsschiffe waren mitten in einen handfesten Bürgerkrieg geraten.
"Auf den Schirm", befahl Captain Trat.
Obwohl der Hauptbildschirm nicht hundert prozentig funktionierte war deutlich sichtbar, dass auf der Brücke des Starfleet Flaggschiffes die Hölle los war. Captain Jordan saß auf ihrem Kommandostuhl und befehligte eine leergefegte Kampfbrücke. Einem großen Teil des über die Kamera angezeigten Bereichs nahm das tote Gesicht eines Andorianers ein.
"Captain Trat, ich habe es mit den deaktivierten Schilden versucht." Sie lächelte. Aber kein Humor lag in diesem Lächeln. "Der erste Schuss traf unsere Schildgeneratoren. Bitte sagen Sie mir, dass diese Romulaner hinter Ihnen uns helfen wollen."
"Leider nicht." Die Ares wurde wieder getroffen. Das Licht flackerte, dann fiel der Hauptschirm aus. "Enterprise?"
"Wir sind noch da. Mein THN gibt sich Mühe, aber unsere Strukturelle Integrität ist schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Wir..." Dann rauschte es nur noch. Der Taktikschirm zeigte ein Schlingern in der Flugbahn des Flaggschiffs an.
"Ares an Enterprise!", versuchte es Seth noch einmal. Trat sah sich zu ihr um. Die Sicherheitschefin schüttelte nur den Kopf.
"Brücke an alle Stationen: Vorbereiten auf Rettungsmaßnahmen! Mister Etkins, Kurswechsel zur Enterprise. Gehen Sie auf..."
Trat wurde von einer weiteren Erschütterung unterbrochen. Sie war stark und kam vom Inneren des Schiffes.
"Bador, Bericht!"#"Sarah... Der Jägerhangar wurde getroffen."
"Gibt es Überlebende?", fragte Trat bestürzt. Bestürzt verneinte Bador es.
"Na schön. Die kaufen wir uns. Pilot, wir..."
J'Kolan registrierte den Energieausstoss als Erste.
"Captain, ähm, die Enterprise... Sie überlädt ihren Warpkern! Sie gehen auf Kollisionskurs mit dem Romulanischen Führungsschiff."#"Ausweichmanöver. Mister Etkins, bringen Sie uns raus aus dem System."
"Aber Captain, die Enterprise..."
"Opfert sich. Wenn wir bleiben ist es umsonst. Wir haben immer noch hunderte Zivilisten an Bord. Wir dürfen nicht riskieren, sie ebenfalls zu verlieren. Voller Impuls, Mister Etkins."
Nicht alle Schiffe nahmen die Enterprise unter Beschuss. Aber viele. Etkins hatte jetzt mehr Raum zum Manövrieren. Als die Enterprise in den führenden Slaybird krachte war die Ares bereits knapp außerhalb des Gravitationsfelds Vulkans. Als sie detonierte - und die Romulaner ins Verderben riss - ging die Ares endlich in den Warpflug über.
Auf der Brücke war es still geworden. So manche Energieleitung zischte und surrte. Das Interkom hatte Fehlfunktionen und gab keine Kommkontakte mehr weiter. Ein kleines Feuer knisterte im Replikator. An sonsten herrschte Schweigen. Kein Offizier wagte es, das Opfer der Enterprise anzusprechen. Erst nach ein paar Minuten meldete sich Bador zu Wort. Er war auf dem Weg zum Turbolift als er bei Trat innehielt und ihr die Hand auf die Schulter legte.
"Ich weiß nicht ob es dir hilft. Aber meinen Scanns zufolge hätte ihr Eindämmungsfeld so oder so versagt... Ich bin im Maschinenraum." Daraufhin verließ er die Brücke.
Eine Stunde später war das Ausmaß des Schadens ersichtlich geworden. Was Yoshiki Takeruci auf seinem PAD lesen musste begeisterte ihn nicht sehr. Das Kommsystem arbeitete wieder. Dafür hatte auf Deck Siebzehn die Lebenserhaltung ausgesetzt. Der Warpantrieb musste deaktiviert werden um einer Überlastung vorzubeugen. Das Schiff flog nur noch mit halbem Impuls und befand sich auf dem Weg zu einem Randevouzpunkt, wo sie sich mit der USS Lucky Bastard traf. Dieses Schiff der Gate-Klasse war das nächste Föderationsschiff ohne Kampfautrag und fungierte als Notfalltransporter. Kommandiert wurde sie von Commodore Luzer Nicholaz. Der hatte sich vor ein paar Minuten mit Captain Trat unterhalten und versprochen, in spätestens zwei Tagen anzukommen. Takeruci konnte nur hoffen, dass das alte Schiff sich dabei nicht zu großer Überbeanspruchung stellen musste.
Das war eine gute Nachricht, sofern nichts Unerwartetes geschah. Bislang konnten die Sensoren kein Schiff auf Verfolgungskurs orten. Doch das hatte nichts zu sagen. Auch die Scanner waren bei der Flucht aus dem Vulkan-System in Mitleidenschaft gezogen worden. Momentan umschwirrten drei Stardancers die Ares und sammelten zusätzliche Daten.
Immerhin eine erfreuliche Nachricht gab es: Lucia Seth hatte es endlich geschafft, die Disruptoren ans Energienetz anzuschließen. Möglich wurde dies durch die Entdeckung eines Programmierfehlers für den die Klingonen verantwortlich waren. Die Sicherheitschefin hatte also Recht behalten - sie waren unfähig. Takeruci legte diese Daten gerade Captain Trat in ihrem Besprechungsraum vor als Doktor Rotal das kleine Zimmer betrat. Die Schädelwülste des Waraki waren hellgrau angelaufen und zeigten damit tiefe Trauer an. Sein Schweif presste sich eingerollt an seinen Rücken. Er ging zusammengekauert und schien im Moment nicht einmal so groß wie Yoshiki zu sein.
"Captain, Commander...", begrüßte er die beiden. Trat bedeutete ihm Platz zu nehmen. Er hockte sich auf einen der beiden Stühle - ein Trägerelement war auf ihnen gelandet und hatte die Rückenlehnen abgerissen. Er stützte sich auf die intakte Tischplatte und begann mit seinem Bericht.
"Als der Jägerhangar getroffen wurde befanden sich dort zweihundertfünfundsiebzig Zivilisten."
"Wie viele haben überlebt?", fragte Takeruci. Trat glaubte, ein Stocken in seiner Stimme gehört zu haben.
"Tausenddreihundertundzwei. Davon sind mehr als die Hälfte schwer verletzt. Mehrere Dutzend werden es nicht schaffen."
"Wie sieht es mit dem geretteten Starfleetpersonal aus?", verlangte Trat zu wissen. Auch sie war nicht unberührt vom Verlust derart vieler Leben.
"Wir konnten dreihundertfünfunddreißig Sternenflottenangehörige evakuieren. Viele waren im Jägerhangar und halfen bei der... der... bei der Behandlung der Verletzten. Die genaue Anzahl der Überlebenden kenne ich noch nicht. Ich - ich würde mich gerne für ein paar Stunden zurückziehen, Captain."
"Sicher. Wegtreten."
Der Offiziere ließ Sarah Trat allein. Sie warf Commander Takeruci einen viel sagenden Blick zu. Yoshiki musste nicht erst nachfragen. Probeweise schüttelte er zögerlich den Kopf. Trat nickte bestimmend. Damit war Takeruci entlassen. Hängender Schulter verließ er den Bereitschaftsraum.
Sarah Trats Augen hefteten sich an dem Bericht, doch sie las ihn nicht. In ihrem Inneren betrachtete sie das Bild ihres verstorbenen Gatten Ferok. Das Glas des Rahmens war zersplittert. Das Bild zerkratzt. Sie hatte sich nie überwinden können, eine Kopie ziehen zu lassen. Von Holodateien abgesehen war das letzte Bild Feroks in ihrer Nähe unkenntlich geworden.
Captain Trat überwand sich, den Bericht fertig zu lesen, und beschloss, sich danach ein paar Minuten Ruhe zu gönnen. Und in Erinnerungen zu schwelgen.
Im Turbolift ließ Rotal seinen Kopf schwer gegen die Wand knallen. Er wollte sich eigentlich nur noch in sein Quartier zurückziehen und die nächsten Stunden verschlafen. Waraki waren in der Lage, sich selbst für eine kurze Zeit selbst einzuschläfern. Rotal fand dieses Vorgehen im Anbetracht der Lage für durchaus passend.
Takeruci hielt die Schotts auf und trat zu Rotal in die Kabine. "Deck Fünf. Kampfbrücke.", befahl er. Rotal richtete sich auf und hielt respektvollen Abstand - soweit es in der Enge der Kabine möglich war.
"Turbolift stoppen", befahl Takeruci dann.
"Commander?", fragte Rotal nicht ohne ein schlechtes Gefühl in der Magengegend.
"Doktor?" Takeruci sah dem Waraki direkt in die Augen. Was nicht viele Menschen wagten. "Ist Ihnen nicht wohl?", fragte er dann.
"Sir, nein, Sir."
"Doktor, ich weiß wir haben keinen Counselor an Bord. Haben Sie irgendetwas auf dem Herzen?"
"Ich glaube nicht, dass ich meine persönlichen Probleme mit dem Ersten Offizier bereden soll. Oder will."
Takeruci fühlte sich sichtlich nicht wohl in seiner Haut, das bemerkte sogar Rotal, der zwar mit der menschlichen Anatomie vertraut war, jedoch nicht allzugut mit der terranischen Mimik.
Es lag aber nicht primär an Rotal selbst. Es war die groteske Situation, in die Takeruci gebracht worden war. Er fühlte sich nie wohl, mit anderen Menschen über Dinge wie Gefühle zu sprechen. Dabei war es ihm egal, ob es sich dabei wirklich um Menschen oder andere Wesen handelte (im Gegensatz zu vielen Primatischen hatte Takeruci nichts gegen Reptiloide) - er tat es generell nicht gerne.
"Mir geht es ebenso. Trotzdem. Wenn Sie reden wollen..."
Er befahl dem Turbolift weiterzufahren. Deck Fünf lag nicht weit entfernt. Trotzdem schien sich die Fahrt ewig hinzuziehen.
"Mein Bruder war in Hangar A.", murmelte Rotal.
"Turbolift stop! Sagten Sie er war im Jägerhangar?"
"Ja."
"Das... tut mir leid."
"Mir auch. Er hieß Metek Mikt'haal. Er war bei einem medizinischen Seminar auf Vulkan." Er bleckte die Zähne, ein erbittertes Lächeln, wie Takeruci vermutete. "Er wollte mir nacheifern. Arzt werden... Einer seiner Freunde hat sich bei mir gemeldet."
Rotal drückte auf ein Kontrollelement. Binnen Sekunden erreichte die Kabine das nächste Deck und öffnete ihre Schotts. "Wenn Sie mich entschuldigen würden, Commander?"
Rotal ließ Takeruci allein im Turbolift zurück. Der Erste Offizier hatte nichts so Gravierendes erwartet. Die Ares hatte zu viele medizinische Notfälle, um den Chefarzt auch nur ein paar wenige Stunden zu entbehren - doch Takeruci hatte der Captain nicht widersprechen wollen. Aber es war eine andere Sache, wenn die Arbeit eben dieses Chefarztes möglicherweise durch persönliche Probleme beeinträchtigt wurde. In der Hoffnung, bald einen Schiffscounselor an Bord begrüßen zu dürfen, vermerkte Yoshiki in seinem Kopf einen entsprechenden Vermerk zum Thema "Schnellstmöglich anfordern!". Denn er war nicht willens, für jeden Hinz und Kunz an Bord den Kummeropa zu spielen.
Lieutenant Commander Lucia Seth lag schon seit einer Stunde unter den Energieleitungen des Torpedokatapultes D auf Deck Drei. Es war größer als die anderen drei Einheiten und gehörte keinem speziellen Typ an. Es war installiert worden um die vielen experimentellen Waffen einzusetzen die von der Ares mitgeführt wurden. Ihr Rücken schmerzte trotz des eigentlich bequemen Repulsorkissen, auf dem sie lag. Ihre roten Haare hatte sie sich in ihrer spärlichen Freizeit ein wenig gekürzt, so dass sie nicht mehr in den Augen stachen, wenn sie ungekämmt ins Gesicht hingen. Seth hielt nicht fiel von aufgebrezelten Girlies. Lediglich für ihren Mann wäre sie unter Umständen bereit gewesen, Make Up oder Kleider (sick!) anzuziehen - doch ihrem Gatten Peter war sie ganz natürlich am liebsten.
Sie schob den Gedanken beiseite und führte den Scanner ein weiteres Mal an die Rohre heran. Keine Unregelmäßigkeiten. Trotzdem wusste sie, dass die Abschussvorrichtung nicht funktionierte. Keiner der Probedurchgänge war von Erfolg gekrönt gewesen. Langsam kam ihr der Gedanke, das Schiff hätte sich gegen seine Crew - im Allgemeinen - und gegen sie - im Besonderen - gewandt.
"Ich hoffe wirklich, dass es wichtig ist, Commander."
Chefingenieur Bador zwängte sich durch den engen Zugangstunnel. Einen Werkzeugkoffer hatte er sich an den Bauch geschnallt um damit nicht an die entsetzlich niedrige Decke zu stoßen.
"Ich habe dieser Tage viel zu tun."
"Ich will Sie nicht lange stören Commander. Aber der Captain verlangt volle Gefechtsbereitschaft. Katapult D konnte bislang nicht aktiviert werden."
Bador legte sich neben sie und zog seinen Tricorder hervor. Das Gerät piepte wie verrückt.
Stirnrunzelnd wechselte er zu einem anderen Gerät. Auch dieses beschwerte sich lautstark.
"Sagen Sie, Commander... Welche Feldstärke verwenden Sie?"
"Drei Komma Fünf, Standardeinstellung."
"Da haben wir's." Bador reichte den Tricorder an Seth weiter. Sie warf einen kurzen Blick auf das Display und schüttelte dann den Kopf.
"Diese Anzeige ist völlig unmöglich. Ich habe den Elektronenfluß in der letzten Stunde drei Mal überprüft. Eine Abweichung von eins Komma zwei ist völlig unmöglich."
Bador krallte sich verärgert Seths Scanner. "Ich habe für so etwas nun wirklich keine Zeit, Commander. Wenn Sie das nächste Mal ein Energiefeld messen wollen sollten Sie keinen Quantenscanner benutzen. Hier." Er warf ihr einen Stromregler zu. "Damit sollten Sie die Stromstärke nach Ihren Vorgaben verändern können."
Verstimmt kroch Bador den unbequemen Weg wieder zurück. Lucia Seth kam sich einerseits wie ein zusammengeschissener Kadett im ersten Jahr vor. Andererseits wusste sie, dass das von ihr gewählte Werkzeug das richtige war. Ihr Vater gab ihr Lektionen, wann immer sie ihn traf. Leider war er schon länger nicht mehr im aktiven Dienst und ließ es sich seit dem Tod seiner zweiten Frau auf Geriatrix III gut gehen. In seinen Glanzzeiten war er der Chefingenieur auf der unglücklichen Enterprise-F gewesen. Leider waren diese Glanzzeiten schon lange vorbei.
Trotzdem benutzte Seth dann doch den Stromregler. Bador würde es schon wissen. Immerhin war er der Chefingenieur und sie "nur" der Sicherheitschef. Wahrscheinlich stand sie einfach nur unter Stress und machte Flüchtigkeitsfehler. Dachte sie zumindest. Was sie nicht wusste: Die Unregelmäßigkeiten im Torpedokatapult hatten nichts mit der Energiestärke zu tun. Außerdem war es Bador, dessen Leistung unter seinem Stress litt. Denn als Lucia Seth den Stromregler schon aktiviert und auf die Energieleitungen gerichtet hatte, da bemerkte sie ein merkwürdiges Geräusch. Und ihr Blick fiel auf die Bezeichnung des Gerätes.
"Schweißbrenner-Einheit Ar106".
Auf der Brücke wurde es schlagartig dunkel. Die Lichter schalteten sich einfach aus. Die Notbeleuchtung setzte erst nach ein paar Sekunden ein und hüllte das Kommandodeck in gespenstisches Licht. Nach einer halben Minute - Captain Trat stemmte schon die Schotts ihres Bereitschaftsraums auf, wobei ihr Lieutenant Etkins half - flackerten die Kontrollsysteme wieder auf. Ein Zischen wies darauf hin, dass das Lebenserhaltungssystem wieder angesprungen war. Niemand hatte bemerkt, dass es überhaupt ausgefallen war.
"Lieutenant'", fragte Trat und wäre bei dem Vorhaben, sich neben J'Kolans Navigationsstation zu stellen, beinahe über Etkins kurzzeitig verwaisten Stuhl gestolpert.
"Äh, irgend etwas mit den Energieleitungen auf Deck Drei. Oberhalb davon ist die Hauptenergie ausgefallen."
"Finden Sie heraus wo das Problem liegt, Lieutenant."
J'Kolan nickte unsicher und lief zum Turbolift. Fast hätte sie sich den Kopf gestoßen. Die Schotts bewegten sich nämlich nicht.
"Äh, Captain..."
"Nehmen Sie die Jeffreysröhre. Mister Etkins, Sie begleiten sie."
"Aye Sir."
Zwei andere Offizier nahmen ihre Plätze ein. Fähnrich Valeria belegte den Sitz des Piloten.
"Captain", sagte Lieutenant Grey von der Taktischen, "Die Phaserbänke sind ohne Energie. Die Torpedowerfer ebenso."
"Ich habe noch mehr schlechte Nachrichten, Captain."
Valeria betätigte ein paar Schaltelemente. Der Hauptbildschirm aktivierte sich widerstrebend und wechselte vom Starfleet-Zeichen zu einer grieselnden Heckansicht. Linkerhand der oberen Backbordwarpgondel krümmte sich der Weltraum ein wenig.
"Sie sind gerade in Scannerreichweite gekommen. Anweisungen?", fragte sie.
"Roter Alarm. Staffel B soll sich einsatzbereit halten."
"Captain... Staffel B besteht nur noch aus sechs Schiffen mit teilweise starker Beschädigung."
"Das weiß ich, Mister Grey, aber im Moment sind wir wehrlos. Die Hologramme haben Startfreigabe sobald sie bereit sind." Captain Trat ließ sich in den Captain's Chair fallen. Nach kurzer Überlegung drückte sie auf den Blauen Knopf. Sofort fuhren Gurte aus der Lehne. Einige Offiziere auf der Brücke taten es ihr gleich. Lediglich Lieutenant Grey verzichtete darauf. In einer Kampfsituation zog er es vor, beweglich zu bleiben.
Auf dem Hauptbildschirm schossen drei Stardancers aus dem Hangar und gesellten sich zu den drei Einheiten, die sich schon im All befanden und die Sensoren unterstützten.
Vorsichtig umflogen sie die gekrümmte Stelle im Raum. Die Piloten waren sich nur zu gut bewusst, dass die Raumanomalien dieser primitiven Tarnvorrichtungen trügerische optische Schatten warfen.
Das fremde Schiff enttarnte sich weit von der vermuteten Stelle entfernt. Wie erwartet handelte es sich um ein altes Schiff klingonischer Bauart. Um ein einziges, wirklich uraltes Schiff, ein D7, wie er bei den Romulanern nach einem kurzzeitigen Technologieaustausch im 22. Jahrhundert mit den Klingonen gesichtet wurde.
"Mister Grey, ist das eine Falle?"
"Ich kann keine anderen Schiffe im Erfassungsbereich unserer Langstreckensensoren finden. Dieser D7 da draußen ist alles."
"Faszinierend. Computer, Kanal zum Romulanischen Raumschiff öffnen."
<Kanal geöffnet.>
"Hier spricht Captain Sarah Trat vom Föderationsraumschiff Ares. Nennen Sie Ihre Absichten."
Ein Blick zum kopfschüttelnden Grey genügte. Sie gab den Z'Sordo ein paar Sekunden Zeit. Immer noch keine Antwort.
"Ares an das Z'Sordo-Schiff. Sie sind uns nicht gewachsen. Wenn Sie nicht antworten haben meine Jäger den Befehl, sofort anzugreifen."
Darauf antwortete der D7. Mit einem Disruptorstrahl.
"Ares an Staffelführer."
"Hier Mezger vom Jäger Aeneas."
"Aeneas, ich will einen Warnschuss auf seinen Bug sehen. Er soll merken, dass wir es ernst meinen."
"Aye, aye, Ares. Aeneas Ende."
Auf dem Hauptbildschirm entstanden an den Aufbauten des führenden Stardancers zwei dünne Phaserstrahlen. Die fokussierte Energie schoß durch den Raum und traf den Bug des D7s. Die feindlichen Schilde hielten mit leichten Schäden.
"Das", murmelte Grey eigentlich mehr zu sich selbst, "gefällt mir nicht."
"Mir auch nicht. Kanal öffnen. Unidentifiziertes Raumschiff, hier spricht Captain Trat von der Ares. Dies ist die allerletzte Warnung. Nennen Sie..."
"Sie rufen uns."
"Na endlich. Auf den Schirm."
Der Bildschirm flackerte, als wollte er sich wehren, dann erschien ein Z'Sordo auf dem Sichtschirm.
Man sah sofort, dass es sich um ein schlecht programmiertes Hologramm handelte. Es war durchsichtig und flackerte, und als es sprach klang seine Stimme, als käme sie aus einem tiefen Bleibrunnen.
"Kommandants Ersatz Hologramm 8652 vom ZHSA Dignity ruft das Föderationsbalg. Ich gebe Ihnen genau zehn Sekunden Zeit um ihre Jäger zurückzurufen. Dann wird das Kommandants Ersatz Hologramm 8652 erneut das Feuer eröffnen."
"Das Schiff hat die Verbindung gekappt", verkündete Grey. Im selben Moment meldete sich Commander Takeruci von der Kampfbrücke.
"Captain, das ist mit Sicherheit eine Falle. Ich empfehle sofort auf Warp zu gehen!"
"Liebend gerne, sobald der verfluchte Warpkern wieder funktioniert. Entschuldigen Sie mich."
Damit warf sie Takeruci aus der Leitung und rief wieder die Stardancers.
"Manche Leute lernen es nie. Meine Herren, wenn der D7 uns angreift haben Sie Befehl, das Schiff kampfunfähig zu schießen."
"Wir freuen uns schon darauf. Staffel Ende."
"Ich persönlich würde auch lieber versuchen zu flüchten, Captain", kommentierte Grey.
"Verstehen Sie, ich..." Die Brücke erzitterte unter dem Einschlag eines Torpedos.
"Das war ein Quantentorpedo, Captain. Das Schiff wurde massiv aufgerüstet."
Der Bildschirm zeigte es ebenfalls mehr als deutlich. In der Vergrößerung waren Disruptoren an dafür nicht vorgesehenen Stellen erkennbar. Und es waren viele. Ein Jäger der Ares trudelte, nach einem Volltreffer außer Kontrolle geraten, davon und detonierte lautlos im All. Dann endlich gaben die feindlichen Schilde nach und die Holopiloten wechselten zu Photonentorpedos. Zu ihren ersten Zielen erklärten sie die Disruptoren. Als der D7 größtenteils kampfunfähig war nahmen sie sich der Warpgondeln an.
"Der Feind geht auf Kollisionskurs", meldete Fähnrich Valeria. Aus dem Torpedorohr am Bug flimmerte ihnen ein Geschoss entgegen.
"Auf Einschlag vorbereiten!", warnte Grey. Wie alle anderen Brückenoffiziere klammerte er sich an den Haltegriffen fest, die einen an Bord der Ares förmlich verfolgten.
Der Torpedo traf die Schilde. Sie hielten bei fünfzig Prozent. Auf der Brücke kam es trotzdem zu ein paar heftigen Energieentladungen. Die Notbeleuchtung fiel aus. Der Bildschirm deaktivierte sich. Und dann setzte auch noch die Lüftung aus.
"Captain Trat an Kampfbrücke."
Stille. Dann rumpelte es wieder, und unter Trats Füßen hüpfte das Deck um einen halben Meter weg. Sie landete unsanft auf ihrem Ellenbogen.
"Mister Grey, nehmen Sie die Jeffreysröhre und..."
"Captain", sagte jemand im Achternbereich der Brücke. Lieutenant Grey lag über seiner Konsole. Die Station war, soweit sichtbar, geschwärzt und durchgebrannt. Ebenso sah Grey aus.
"Brücke räumen."
"Trat an Kampfbrücke."
"Takeruci hier."
"Der letzte Treffer hat die Systeme der Hauptbrücke lahmgelegt. Ab hier übernimmt die Kampfbrücke. Ich bin ich ein paar Minuten bei Ihnen."
"Verstanden."
Takeruci saß im Sitz des diensthabenden Offiziers der Kampfbrücke. Er überprüfte gerade die dortigen Schäden als der Kampf begonnen hatte. Schnell hatte er sich eine Rumpfbesatzung zusammengesucht. Für genau solche Fälle hielt Takeruci es für angebracht, die Kampfbrücke ständig zu bemannen. Doch bei Trat war dieser Vorschlag auf taube Ohren gestoßen. Sie fand es unpassend für ein Schiff der Sternenflotte, ständig die Finger über dem Feuerknopf zu halten.
Der Hauptbildschirm der Kampfbrücke war kleiner als die Einheit auf der Hauptbrücke und zeigte standardmäßig eine kleine taktische Darstellung in der rechten oberen Ecke.
"Fähnrich, wir gehen auf einen Abstand von fünfzigtausend Kilometern."
"Aye Commander.", bestätigte Fähnrich Nefington. Seine Konsole war geschwärzt von einem Energieausbruch, der aber glücklicherweise den Offizier nicht getroffen hatte. Interessanterweise funktionierten die Kontrollen noch.
Die Ares ging auf Abstand. Takeruci wollte sich nicht zu weit entfernen - die Jäger konnten jederzeit Probleme bekommen und mussten schnell zurückkehren müssen. Aber auf eine größere Entfernung war es einfacher, Geschossen auszuweichen.
Zwei Minuten lang wich Nefington gekonnt einem halben Dutzend Quantentorpedos aus. Eine gewaltige Leistung, auch bei dieser Entfernung. Denn die Ares war zwar im Warpbereich mit (gewaltigem) Abstand das schnellste Schiff der Raumflotte - zumindest im Moment - doch ihr Sublichtantrieb war nicht sehr ausgeprägt. Das Schiff war einfach zu schwerfällig für schnelle Wendemanöver. Nefington arbeitete viel mit Rotationen, wie Takeruci auffiel. Dann endlich zischte das Schott und Captain Sarah Trat betrat die Kampfbrücke. Ihre ehemals weiße Uniformsjacke war rußig und schmutzig.
"Wir mussten die Jeffreyröhren benutzen", erklärte sie und versuchte erfolglos, eine Brandstelle zu reinigen. Sie presste den linken Arm an ihren Körper. Yoshiki Takeruci stand auf und überließ Trat den Captain's Chair.
"Status?", verlangte sie.
"Wir weichen weiterhin aus. Der Feind hat ein paar seiner Disruptoren repariert."
"Das muss ein Ende haben. Trat an Hangar A."
"Hangar hier, Captain."
"Starten Sie alles, was unsere Staffel noch zu bieten hat."
"Captain, die Holopiloten der Staffel A sind... ähm... nicht einsatzfähig."
"Wie soll ich denn das bitte verstehen?", fragte Trat verwirrt.
"Nun... sie verkleiden sich als Piraten und tanzen Tango. Commander Takeruci gab mir bereits vor ein paar Minuten einen entsprechenden Befehl, aber die Piloten wollen nicht hören."
"Das ist... schade. Suchen Sie ein paar..."
Bevor Trat ihren Befehl beenden konnte gab es auf dem Hauptschirm eine grelle Explosion. Der feindliche D7 neigte sich zur Seite und begann zu rotieren. Der Hals, der die Brückensektion mit dem Antriebssegment verband, war in der Mitte gebrochen. Die Randstellen glühten und spiehen Schrott ins All. Kleinere Trümmerteile strömten der Ares entgegen. Nefington wich ihnen mehr schlecht als recht aus.
"Captain, der D7 ist manövrierunfähig. Man ruft uns."
"Auf den Schirm."
"ZHSA Dignity ruft das Föderationsbalg. Stellen Sie das Feuer ein!"
Das Z'Sordohologramm saß nun in einem Kommandosessel und gab Befehle in eine Konsole ein. Sie schien nicht zu reagieren. Rauch hing im Raum. Werkzeug flog durch den Raum. Ein Gerät, das ein PAD sein mochte, schwebte vor die Kamera und wurde vom Hologramm wütend beiseite gefegt.
"Was habe ich davon?", wollte Trat wissen. Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück und genoss es sichtlich, den Feind leiden zu sehen, zumal sie ihn zappeln lassen konnte, ohne ein Lebewesen an Bord zu gefährden. Es wurden keine an Bord des D7s angezeigt,
"Das Kommandants Ersatz Hologramm 8652 wird Sie dann nicht zerstören."
"Sie sind wohl kaum noch in der Lage, irgendetwas zu zerstören."
"Die Z'Sordo Befreiungsarmee ist Ihnen gefolgt. Eine Eingreifflotte wird bald eintreffen. Ergeben Sie sich, dann wird Ihnen nichts geschehen."
"Ich mache Ihnen einen Gegenvorschlag."
Trat erhob sich aus ihrem Sessel und trat selbstbewusst an den Wandschirm heran.
"Wir registrieren keine Lebenszeichen an Bord Ihres Schiffes. Ich bin neugierig. Haben Sie Hologramme unter Ihrem Kommando?"
Auf dem Schirm zuckte das Kommandants Ersatz Hologramm sichtbar zusammen. Es war offenbar sehr emotional programmiert worden. Hat er Angst?, dachte sich Trat. Außerhalb des Erfassungsbereichs der Wandkamera zog Takeruci indes die Brauen hoch. Trat ahnte es schon; er wusste, was sie vorschlagen würde, und er war damit nicht einverstanden. Dann entschloss sich das Hologramm zu antworten.
"Nein. Das Kommandants Ersatz Hologramm 8652 repariert hier alles selbst."
"Ist das nicht sehr anstrengend?", bohrte Trat nach. Der Taktikschirm neben dem Z'Sordoabbild teilte sich in zwei Abschnitte. Bei einem handelte es sich um die Ergebnisse eines strategischen Langstreckenscanns. Der andere war eine Textkolonne. Trat überflog sie und lächelte innerlich. So gut konnte man keinen D7 aufrüsten.
"Das Kommandants Ersatz Hologramm 8652 kann damit leben." 8652 fuchtelte drohend mit einem antiquierten Schraubenschlüssel herum. Nefington schnappte hörbar nach Luft, und auch Trat war nicht entgangen, dass es sich dabei um ein Starfleetmodell handelte, vielleicht sogar bewusst ausgewählt.
"Kommen Sie zur Sache, Föderationsbalg. Machen Sie Ihr Angebot."
"Nun, innerhalb unseres Scannradius' befinden sich keine Raumschiffe, weder getarnt noch versteckt."
"Woher wollen Sie das wissen?! Eine Tarnung versteckt ein Schiff."
"Ihre Version aber nicht. Wir haben Ihren Bluff durchschaut, Dignity. Innerhalb der nächsten Stunden sind keine ankommenden Raumschiffe zu erwarten. Unsere Sensoren sind überaus fortschrittlich."
Trat trat so nahe an den Schirm heran, dass ihre Nasenspitze fast die Projektion berührte. 8652 sah aus wie ein in die Enge getriebener rigellianischer Gopsch. Verzweifelt und zu allem bereit.
"Wir bieten Ihnen Hilfe bei der Reparatur an.", erklärte sie dann, machte kehrt und setzte sich wieder in ihren Stuhl. Ihre linke Hand war indes blau angelaufen und begann langsam zu schmerzen.
"Wieso sollte das Kommandants Ersatz Hologramm 8652 dies annehmen?"
"Weil unsere Sensoren melden, dass Ihre Holomatrix sich destabilisiert, mein Freund. Sehen Sie es als Deal. Wir helfen Ihnen zu überleben. Dafür lassen Sie uns in Ruhe."
"Sie sind nicht in der Position, eine solche Forderung zu stellen", merkte das Hologramm an. Aber Trat sah, dass er zappelte. Seine Haut wurde immer durchsichtiger.
"Das sehe ich anders. Gehen Sie darauf ein oder nicht?"
"Was wenn ich es nicht tue?" Es klang wie die Frage eines zum Tode verurteilten, ob er sich seine Todesart aussuchen dürfte. Trat hätte fast nicht bemerkt, dass er die Erste Person verwendet hatte. Sie fühlte sich unerwartet an ihre merkwürdige Begegnung mit dem Borg Kollektiv vor knapp zehn Jahren erinnert.
"Dann gehen wir auf Impulsgeschwindigkeit, reparieren unseren Warpantrieb und lassen Sie hier alleine bis sich ihre Matrix aufgelöst hat."
8652 schwieg ein paar Sekunden lang. Er hätte vielleicht weiter geschwiegen. Aber eine Funkenentladung der Station hinter ihm lockerte seine Zunge.
"Dann... habe ich wohl keine andere Wahl. Wir haben einen <Deal>. Dignity Ende."
Captain Trat betrat die Krankenstation. Der ehemals weiße, sterile Raum hatte sich in ein übervolles Hospital gewandelt. Verletzte lagen auf allen verfügbaren Betten und am Boden. Der Geruch von Blut lag in der Luft.
Sie hatte jegliches Gefühl im linken Arm verloren, dafür schmerzte die dazu gehörende Hand. Sie hatte den Ärmel betastet und ein paar tiefe Wunden an ihrem Ellenbogen gefunden. Zu ihrem Glück war auch dort kein Empfinden möglich. Sie hoffte nur, dass dies nicht Folgen haben würde.
Sarah watete durch das Meer von Körpern. Die meisten Patienten waren vulkanische Zivilisten. Sie saßen oder standen, je nach Art ihrer Verletzungen, erläuterten nüchtern ihre Symptome oder überließen schwerer verwundeten die wenigen Biobetten. Doch es gab auch Personen ohne der berühmten vulkanischen Logik und Emotionslosigkeit. Trat sah einen Vulkanischen Sternenflottenoffizier, der trotz eines offenen Brustkorbs samt enormen Blutverlust fast ausdruckslos auf einem Bett lag und an die Decke starrte. Er saß ziemlich am Rand um einem bolianischen Kleinkind Platz zu machen. Der Knabe war wohl um die acht Jahre alt und schrie wie ein am Spieß gebratenes Meerschweinchen, als ein medizinischer Crewman ihm vorsichtig einen Stahlsplitter aus dem Hals zog. Der Ausdruck des Starfleetangehörigen sagte alles. Der Junge würde vielleicht nicht überleben. Das Problem bestand im Blut. Die Medizinischen Replikatoren waren unabhängig von der regulären Energieversorgung und waren durchaus in der Lage, das Blut der meisten Lebensformen so nachzuahmen, dass die betreffenden Patienten längere Zeit ohne echtes Blut auskommen konnten. Doch leider gehörte der Lebenssaft der Bolianer nicht dazu. Vor vielen Jahren wäre ein erschöpfter Vorrat an Transfusionsblut Bador fast zum Verhängnis geworden. Trat wandte ihren Blick ab.
Sie versuchte sich in der Krankenstation zurechtzufinden. Sie war nicht viel größer als die anderer Raumschiffe, doch sie hatte zwei Jahre lang eine Sternenbasis kommandiert und war immer noch an die weitläufigen Sanitätsanlagen von Starbase 21 gewöhnt.
Sie entdeckte einen großen Rel'Tak, der in einer blutgetränkten Medo-Uniform gerade eine Todesurkunde unterschrieb. Der Leichnam wurde gerade von zwei Crewmen der technischen Abteilung weggetragen. Der Rel'Tak, ein Lieutenant Senior Class, bemerkte sie und nahm Haltung an. "Captain an Deck!", rief er, und ein paar wenige Personen nahmen Haltung an.
"Rühren Lieutenant. Haben Sie das Kommando?"
"Jawohl Captain."
"Gut. Wie ist die Lage?"
"Sir! Wir haben mehrere Patienten verloren. Die stabilisierten Personen haben wir in Shuttlehangar C untergebracht, aber ich fürchte dass wir dort nicht mehr als achtzig bis neunzig unterbringen können."
Das sah Trat natürlich ein. Shuttlehangar C war nur für den Notfall gedacht und gerade groß genug, um darin Reparaturen an einem Stardancer durchzuführen. Der verhältnismäßig winzige Raum war von vornherein als Notfalllager oder -Aufenthaltsraum konzipiert worden. Nun war Sarah froh, dass dort zur Zeit kein Jäger stationiert war.
"Gut. Haben Sie genügend Personal?", fragte sie dann. Der Rek'Tal versteifte sich ein wenig. Dass Blut auf den Boden tropfte bemerkte er kaum. Trat schätzte ihn auf etwa fünfzehn bis sechzehn Jahre alt. Vielleicht litt er schon an Derepsie, einer altersbedingten Krankheit die bei Rek'Talanern zu Anspannung und Gelenksschmerzen führen konnte.
"Ich persönlich bin nicht glücklich darüber, dass sich Doktor Rotal frei genommen hat."
"Er hat persönliche Gründe, Lieutenant, und das sollten wir alle respektieren."
"Ja, Sir, das tue ich ja auch. Nur... das MHN ist... wie soll ich es ausdrücken... inkompetent."
Wie auf's Stichwort stampfte ein Hologramm aus dem OP in den Hauptraum.
Sarah Trat traute ihren entsetzt aufgerissenen Augen nicht. Das Medizinische Holographische Notfallprogramm trug vorschriftsgemäß einen Arztkittel. Sonst aber nichts. Johnsons neue Routinen, die anfangs noch recht amüsant anzusehen waren, erwiesen sich in den letzten Stunden immer öfter als Ärgernis. Sie wusste, dass einige der holographischen Programme an Bord Probleme machten, aber dieses MHN war lebensgefährlich. Das MHN warf ein blutiges Laserskalpell unachtsam von sich und stolzierte auf den nächstliegenden Vulkanier zu. "Operation gelungen. Patient tot!"
Der Tel'Rak-Lieutenant stürzte sofort in den OP und überzeugte sich davon, dass das MHN sich nur einen makaberen Scherze erlaubt hatte.
"Doktor!", schnauzte Trat das Hologramm an. Dieses drehte sich zu ihr um, nachdem er ihr sein Hinterteil gezeigt hatte. Gnädigerweise schien das MHN anatomisch nur in den normalerweise verhüllten Grundzügen korrekt zu sein.
"Jaaaaaa?", fragte der Doktor und schüttelte sein volles Haar. Trat bemerkte erst jetzt die spitzen Ohren. Der Programmierer kam wohl von Vulkan. Unter (ganz) anderen Umständen hätte sie diese Situation durchaus amüsiert.
"Reißen Sie sich zusammen. Hier stehen Leben auf dem Spiel!"
"Sie meinen das Spiel des Lebens?", fragte der Holodoc und gab dem verbrannten Ohr des neben ihm sitzenden Patienten einen Klapps. "Das haben wir gleich wieder." Dann führte er beiläufig einen Hautregenerator an die Wunden heran.
"Ja, genau das. Tun Sie Ihre Arbeit oder ich lasse Ihre Matrix reinitialisieren!"
Das saß. Mit hoch gezogenen Augenbrauen schreckte das MHN zurück und wechselte von einem breiten Grinsen zu einem Schlechte-Laune-Gesicht, wie es Kinder zeigen, denen man das Spielen untersagt hat. "Wie Sie wünschen." Daraufhin verschwand sein Kittel und wurde (einige Sekunden später) von einer Standarduniform mit den Rangabzeichen eines Commanders ersetzt. Notfallprogramme waren normalerweise die ranghöchsten Offiziere an Deck da sie nur eingesetzt wurden, wenn der Chef der Abteilung außer Dienst war oder die Hologramme nur als Hilfskräfte gebraucht wurden.
Der Doktor packte unsanft Trats linken Arm. Die letzte Version des MHNs, die schon bald durch eine neue ersetzt werden sollte, war die erste, die keinen Tricorder benötigte um die Leiden der Kranken zu bestimmen. Der Doktor war ständig mit den Sensoren der Krankenstation verbunden. Trat wollte lautstark protestieren, doch aufgrund des Schmerzes, den sie in der Hand verspürte, wurde eher ein wütendes Grunzen daraus. Nach einer kurzen Begutachtung seitens des Arztes presste das MHN der Captain ein Hypospray an die Schulter und ließ den Hautregenerator über die verletzten Stellen wandern. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab - beleidigt, wie es schien - und suchte sich ein neues Opfer aus.
Der Rek'Tal-Lieutenant von vorhin drängte sich wortlos an ihr vorbei. Er half einem Crewman der Technischen dabei, ein totes Crewmitglied aus dem Operationssaal zu tragen. Der Techniker am Kopfende der Bahre war der selbe wie der, welcher vorhin einem seiner Kollegen bei der selben Tätigkeit geholfen hatte. Der arme Mann war zum Leichentrage abkommandiert worden.
Sich wünschend, auf Deep Space One einen Counselor angefordert zu haben, verließ Captain Trat die Hauptkrankenstation. Im Turbolift gab sie ihr Ziel, den Shuttlehangar A, an, und während der Fahrt massierte sie ihren Arm. Wie üblich hinterließ der Einsatz eines Hautregenerators ein unangenehmes Kribbeln. Die Situation auf der Krankenstation - auf jeder der Krankenstationen - war schlechter als sie es erwartet hatte. Mittlerweile stellte sie ihren eigenen Entschluss in Frage, dem Chefarzt leichtfertig frei gegeben zu haben. Sie hatte Metek Rotal nur einmal auf einer Tagung auf Helia getroffen. Damals waren und sie ihre Schwester in privater Sache dorthin gereist. Sarah kannte den Arzt also nicht persönlich, und darum fiel es ihr ein wenig leichter ihn zu rufen.
"Trat an Doktor Rotal."
Der Turbolift kam an seinem Ziel an. Vor Trat erstreckte sich ein langer Gang mit ein paar wenigen Türen auf der rechten Seite und vielen Panoramafenstern auf der linken. Geradeaus befand sich in einiger Entfernung ein Schott mit gelben Warnmarkierungen. Dahinter lag der luftleere Hangar A. Dort wurde zur Zeit fieberhaft an der Wiederherstellung der Atmosphäre gearbeitet.
Die Captain trat aus der Kabine. Rotal hatte sich nicht gemeldet.
"Captain Trat an Metek Rotal", versuchte sie es genauer. Gut möglich, dass das Komm-System schon wieder ausgefallen war.
"Rotal hier.", meldete sich dann eine müde klingende Stimme. "Was kann ich für Sie tun?"
"Es tut mir leid Sie zu belästigen. Aber Sie werden auf der Krankenstation gebraucht."
"Verstanden.", sagte der Waraki nach einigem Zögern. "Ich werde bald dort eintreffen. Rotal Ende."
Lieutenant Etkins brütete über seinen Kontrollen. Die Hauptbrücke war immer noch in absolute Dunkelheit getaucht, wenig erleuchtet lediglich von seiner Helmlampe. Die dicke Handschuhe seines Raumanzugs waren denkbar ungeeignet, um derart filigrane Arbeiten durchzuführen wie das Reparieren einer durchgebrannten Energieleitung. Aber Bador hatte den Großteil der verfügbaren Techniker auf die Dignity geschickt. Die Brückenoffiziere mussten die Systeme selbst wieder in Stand setzen.
Irgendwo hinter ihm fluchte jemand. Sie vermutete, dass es Commander Seth war, denn außer ihm selbst war nur noch die Sicherheitsoffizierin und Lieutenant J'Kolan zugegen. Und letztere saß neben ihm an ihrer Wissenschaftskonsole, vertieft in eine Analyse ihrer Systeme.
Etkins drehte sich langsam zu Seth um. Der Anzug war unbequem und ziemlich starr. Schnelle Bewegungen waren kaum möglich, zumal nach vor kurzem die künstliche Gravitation ausgefallen war. Ein schweres Problem für die tertiäre Pädiatrie auf Deck Zwei. Es kam aber zu keinen Opfern. Zum Glück für Seth. Mittlerweile war bekannt, was passiert war: Chief Bador hatte ihr ein falsches Werkzeug in die Hand gedrückt. Seth hatte unbeabsichtigt die Hauptenergieleitung lahmgelegt.
Die selbe Seth hielt sich nun an Haltegriffen in der Decke fest und langte nach einem Schraubenschlüssel der von ihr wegtrieb.
Etkins benötigte den seinen im Moment nicht und gab ihm einen Schubs in Richtung der unflätig fluchenden Sicherheitschefin.
"Alles Gute kommt von unten", kommentierte er und grinste trotz der prekären Lage.
"Danke Lieutenant" war alles, was von oben kam.
Eine Weile war es wieder ruhig im Kommkanal. J'Kolan beendete ihre Arbeit und betätigte dann probeweise ein Schaltelement. Es blieb dunkel. Etkins erhob sich aus seinem Stuhl und wanderte zur nahen Wissenschaftsstation. Dort angekommen bäugte er sich über die Schulter der Xindi und sah eine Weile ihren Bemühungen zu. Dann bemerkte sie ihn und ließ vor Schreck ihr PAD fallen.
"Darf ich mal?", fragte Etkins. J'Kolan beruhigte sich schnell und nickte knapp. Vorsichtshalber stand sie auf und entfernte sich ein wenig von ihrem Sitz. Etkins besah sich die dunklen Kontrollen. Dann schüttelte er den Kopf, zuckte mit den Schultern und trat so fest es der Anzug erlaubte gegen die Verkleidung. Bevor J'Kolan protestieren konnte sprangen die Lichter und Holobildschirme im vorderen Bereich der Hauptbrücke wieder an.
J'Kolan gab einen kurzen Jubel von sich, beendete ihn aber schnell wieder als sie feststellte, dass keiner mit jubelte. Es war nur ein kleiner Fortschritt.
"Maschinenraum an Brücke. Bereiten Sie sich auf Schwerkraft vor."
"Verstanden.", antwortete Seth. Als ranghöchster Offizier hatte sie das Kommando der Reparaturarbeiten der Brückensysteme. Sie magnetisierte ihre Stiefel und machte sich bereit dafür, plötzlich nicht mehr gefahrlos an der Decke herumschweben zu können. Beiläufig wünschte sie sich eine jener kleinen Antigravplattformen, doch die wurden für die Verwundeten gebraucht.
Die Gravitation setzte langsam wieder ein. Sie begann an Seths Körper zu zerren. Sie hatte vergessen ihre Werkzeuge in die Halterungen an ihrem Gürtel zu stecken. Jetzt glitten sie sanft dem Deckboden entgegen. Doch das war unerheblich. Ihre Arbeiten an den Energieleitungen der Lebenserhaltung waren sowieso abgeschlossen. Glücklicherweise hatte Badors Fehler nur zu einer Überlastung geführt. Genauso gut hätte jedes einzelne Relay an Bord explodieren können. Nun, in dem Fall hätte sich zumindest der Stress mit der Reparatur in Wohlgefallen aufgelöst.
Während die Sicherheitschefin die Decke entlang krabbelte, um die Leiter an Steuerbord zu erreichen, zischte die Ventilation und versorgte den Raum wieder mit atembarer Atmosphäre. Dankbar nahm Etkins den Helm ab. Er hasste Raumanzüge. Er hatte einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Kindheit darin verbringen müssen. Lorna besaß keine Atmosphäre; wer außerhalb der Sklavenkolonie arbeiten musste hatte eben Pech gehabt.
"Ah, endlich frische Luft!", rief J'Kolan. Auch sie schien nicht viel von Raumanzügen zu halten. Etkins fühlte sich nicht ganz wohl in ihrer Nähe. Immer, wenn er schuppige Haut und geschlitzte Pupillen sah, kamen schlimme Erinnerungen hoch. Aber J'Kolan schien nicht der typische Reptilianer zu sein. Sie war leicht hyperatkiv und irgendwie immerzu nervös. Etkins war sich durchaus bewusst, dass sein Unbehagen ihr gegenüber genauso unbegründet war wie das, welches er dem warakischen Chefarzt entgegenbrachte. Bei J'Kolan kam hinzu dass sie wohl nicht einmal einer Fliege etwas zuleide tat. Vielleicht hätte sie mehr Angst vor der Fliege gehabt als umgekehrt.
Lucia Seth, am Boden der Tatsachen angekommen, entfernte ebenfalls ihren Helm. Im selben Moment öffnete sich die Turbolifttür. Überrascht wandten sich die drei anwesenden Offiziere um. Die Kabinen funktionierten momentan nicht.
Die Schotts wurden beiseite geschoben und verblieben aufgrund einer magnetischen Notfallsicherung in den Vertiefungen. Commander Takeruci klammerte sich an der Wartungsleiter fest und wünschte sich sichtlich an jeden anderen Ort im Multiversum. Er steckte in einem Raumanzug - deswegen hatte er wohl die engen Jeffreysröhren gemieden - und krabbelte auf die Brücke. Als er sah, dass die Brückenoffiziere keine Helme trugen nahm er den seinen ebenfalls ab. Nicht ohne sich verarscht zu fühlen.
"Meine Herrschaften, ich muss Ihnen mitteilen, dass Sie alle an Bord der Dignity gebraucht werden."
"Aber Sir, wir sind hier oben noch nicht fertig!", protestierte Commander Seth.
"Ich muss Misses Seth recht geben, Commander. Wir haben..."
Takeruci hob abwehrend die Hand.
"Mir ist bekannt, dass wir hier oben eine Menge Arbeit haben. Aber wir dürfen uns die Chance, ein Z'Sordo Schiff von innen zu begutachten, nicht durch die Lappen gehen lassen. Commander Seth, Sie werden die Waffensysteme in Augenschein nehmen. Mister Etkins, Sie versuchen mehr über die Tarnung herauszubekommen. Ich weiß, das ist nicht Ihr Aufgabenbereich, aber ich kann nicht noch mehr Leute von der Technischen abziehen. Und Sie", und dabei zeigte er auf J'Kolan, die instinktiv zusammenzuckte und einen Meter unscheinbarer geworden zu sein schien, "Für Sie hat der Captain einen ganz besonderen Auftrag."
Der D7 Kampfkreuzer Dignity der Z'Sordo Befreiungsarmee war ein fliegendes Wrack. Das hatten die Sensoren der Ares schon nach dem Ausfall der gegnerischen Schilde ergeben, doch der Anblick, der sich Lieutenant Commander Bador nach seiner Materialisierung darbot, war schlichtweg katastrophal. Vielleicht nehmen wir unsere Technik als zu selbstverständlich. Nein. Das war falsch. Bador hielt prinzipiell überhaupt nichts für selbstverständlich. Und er hatte Hochachtung vor jeden Ingenieur, der gut und schnell arbeitete. Seine Leute hatten in wenigen Stunden alle Transporter wieder einsatzbereit gemacht.
Nun, ihm standen ja auch Dutzende von Untergebenen zur Verfügung. Das Kommandants Ersatz Hologramm 8652 erledigte hier alles selbst.
Eben dieses Hologramm saß in einer Ecke und überprüfte Berichte auf Starfleet PADs. Er sah aus wie ein in die Ecke getriebenes Tier das darauf wartete, entweder vom Jäger oder seinen Artgenossen getötet zu werden. Ob seine Leute das wohl verstehen werden? Wohl eher nicht. Hologramme wurden üblicherweise nicht wie organische Lebewesen behandelt, obwohl sie laut der Charta der Föderation mittlerweile - sofern sie Intelligent waren und nicht nur Holodecksimulationen - die selben Rechte hatten wie alle anderen Bürger der Föderation. Dieses Z'Sordo Äquivalent eines THN erwartete vermutlich die Reinitialisierung. Im besten Fall.
"Mein Name ist Bador.", stellte sich Bador vor und reichte 8652 seine Hand nach Art der Menschen. Bolianer zogen eine herzliche Umarmung als Begrüßung vor, doch er hatte die Erfahrung gemacht, dass viele Spezies den Brauch der Terraner teilten, sich zum Gruß die Hand zu schütteln.
Das Hologramm hingegen ging nicht darauf ein. Es sah schon viel gesünder aus - Torik hatte sich als Erstes um seine Holoemmitter gekümmert. Dabei hatte sich 8652 deaktivieren müssen - mürrischerweise, wie man Bador mitgeteilt hatte, und das zu Recht. Denn nachdem er fort war und Torik nach den fehlerhaften Schaltkreisen und Prozessoren suchte durchkreuzten zehn Sicherheitsteams das Schiff und suchten nach versteckten Soldaten und geheimen Waffensystemen. Erstere fanden sich gar nicht, zweitere im infunktionellen Zustand. Manche davon waren klingonischer Natur und waren Jahrhunderte alt. Bador kramte in seinem Gedächtnis nach den Daten über die verschiedenen D7-Versionen. Den Markierungen zufolge stammte das Schiff noch aus der Zeit vor dem großen Romulanisch-Klingonischen Technologieaustauschprogramm im 22. Jahrhundert. Der Bolianer wollte lieber nicht wissen, gegen wie viele Föderationsschiffe es schon gekämpft hatte.
Er stellte fröstelnd seinen Koffer ab und sah sich noch einmal genauer um. Die künstliche Gravitation war offensichtlich wieder hergestellt. Auch die Lebenserhaltungsprogramme arbeiteten wieder. Doch die Luft roch muffig und alt. Sie war nie geatmet und deshalb selten aufbereitet worden. Ein merkwürdiger Geruch stach ihm in die Nase. Er schnüffelte kurz, wie er hoffte, sehr diskret. Dann sog er tief die Luft ein, probeweise. Er musste husten, und seine Gesichtsmuskulatur lief Amok.
"Sie haben recht, hier riecht es tatsächlich nach Kühlmittel. Ich arbeite seit Monaten daran, aber es schadet mir nicht und hat daher mindere Priorität.", sprach das Hologramm 8652 und grinste wölfisch. Es schien sich nicht daran zu stören, dass niemand den Chefingenieur vor möglicherweise toxischen Stoffen gewarnt hatte. Viele Menschen wussten gar nicht, dass Bolianer ausgesprochen feine Nasen hatten, ganz im Gegenteil zum Geschmacksinn, der recht unterentwickelt war. Im Übrigen teilte Bador die Vorliebe vieler seiner Artgenossen für verwesendes Fleisch nicht. Einer seiner Vorfahren war kein Bolianer gewesen. Bador wusste nicht, wann sein artfremder Ahn gelebt hatte, aber es lag weit zurück. Seine Gene waren mittlerweile inaktiv, doch ein paar wenige Eigenheiten hatten sich in Badors Familie eingeschlichen, zum Beispiel eben diese Abneigung gegen Gammelfleisch. (Seine Frau InXya hingegen war ganz wild darauf.)
"Ist es gefährlich?", fragte Bador und zog seinen Tricorder. Zum Glück zeigte das Gerät einen unwesentlichen toxischen Anteil an - das Hologramm antwortete nicht, spielte statt dessen wieder an seinen Kontrollen herum. Bador fragte sich, ob 8652 ihn einfach ignorierte oder ob die Arbeiten der Starfleet Ingeneure überprüfte. Umgekehrt hätte der Bolianer es ebenso gehandhabt - ein fremder Techniker hätte nicht unbemerkt in seinem Maschinenraum herumgepfuscht.
"Ich hörte, dass Sie Probleme mit den Bug Kompensatoren haben?", meinte Bador.
Wütend schleuderte das Hologramm sein PAD fort und stand auf. Überrascht stellte Bador fest, dass es größer als er selbst war - und für bolianische Verhältnisse war Bador extrem groß.
"Darauf können Sie sich verlassen, Kohlenstoffmann! Immerhin haben Sie mir meinen Bug weggeschossen!"
"Weil Sie uns angegriffen haben.", entgegnete bador ruhig.
"Ich gab Ihnen mehrfach die Möglichkeit zur Kapitulation", konterte 8652. Bador fragte sich, ob das Hologramm in irgendeiner Form des Kriegsmodus' war und seine Befehle für wichtiger als Logik hielt. Vielleicht lag aber auch nur eine Überlastung vor. Viele primitive Holoprogramme tendierten nach einem längeren Ausbleiben von Wartung (bei langer Benutzungsdauer) dazu, nicht einwandfrei zu funktionieren. Ihm wurde übel bei dem Gedanken, seine Freizeit zu opfern um die Notfallprogramme der Ares wieder instand zu setzen. Johnsons Späßchen waren diesmal eindeutig zu weit gegangen.
"Aber das ist jetzt nicht mehr so wichtig", ließ 8652 überraschend vom Thema ab. "Es geht jetzt nur noch darum, mein Schiff wieder zu reparieren."
"Und diplomatische Kontakte zu knüpfen.", fügte Bador hinzu. "Wo kann ich anfangen?"
26. September 2426
ZHSA Dignity
Sektor Drei Drei Fünf
Bador hatte sich die Systeme des Schiffes nicht so kompliziert vorgestellt. Das lag paradoxerweise am klingonischen Hang zum Primitiven. Die Starfleet Leitungsknoten waren zwar, auf dem ersten Blick, kompliziert aufgebaut, doch sie waren logisch angeordnet, und wer wusste, wonach er Ausschau zu halten hatte, konnte sich wunderbar orientieren. Auf Vordia lernten Teenager so etwas auf der Hohen Technischen Fakultät, sofern sie ein entsprechendes Fach belegten.
Klingonen hingegen hatten eine Vorliebe dafür, möglichst viele Kabel in einen Gummiüberzug zu stecken und darauf zu vertrauen, sich nie mehr damit beschäftigen zu müssen. Bador musste jetzt erst einmal jeden Strang einzeln scannen um überhaupt herauszufinden, wobei es sich dabei jeweils handlte.
Das Kommandantsersatzhologramm 8652 stand mit verschränkten Armen hinter ihm und überwachte jeden seiner Handgriffe.
Nach drei Stunden war er mit dem ersten Durchgang fertig und kramte dann in seinem Koffer nach einem Energiekonverter. In seinem Hinterkopf brodelte Ärger, denn in dieser langen Zeit hatte er lediglich eine Konsole entschlüsselt. Immerhin konnte er einzelen Stränge später vielleicht identifizieren und ein wenig Zeit einsparen. Aber es gab noch etwas anderes, das ihn beinahe wütend machte.
"Und? Wieso?", fragte Bador als er sich nicht mehr zurückhalten konnte.
"Und wieso was?", fragte 8652 und schien sich nichts weiter zu denken.
"Wieso haben Sie Vulkan angegriffen?"
"Das hat Sie nicht zu interessieren."
"Das hat es sehr wohl!" Bador wandte sich von seiner Arbeit ab und setzte sich mit dem Rücken zur Wand auf den Boden. "Vulkan ist... war ein Mitglied der Föderation. Wir haben Sie nicht zu diesem Angriff provoziert."
"Mein Volk wurde über Generationen hinweg von den Romulanern unterjocht.", fuhr das Hologramm hoch. Es erschien ihm ein logischer Zusammenhang zu sein.
"Aber die Romulaner... Die Föderation ist nicht das Romulanische Imperium!"
Bador glaubte nicht, was er da hörte. Basierte die Vernichtung des Vulkans auf einem fatalen Missverständnis?
Offenbar nicht.
"Die Föderation hat sich nie darum geschert, wie es den Z'Sordo ergangen ist. Ich bin mit der Geschichte vertraut, Kohlenstoffmann. Die Föderation ist im Dominion Krieg eine Allianz mit den Spitzohren eingegangen! Sie haben einem diktatorischen System geholfen! War Ihnen das nicht klar?"
"Aber das liegt lange zurück."
"Mord verjährt nicht. Diesen Satz habe ich aus einer Ihrer Datenbanken." Das Hologramm kam drohend näher. Bador fragte sich, wie physich stark es programmiert worden war. Wenn es handgreiflich wurde war der Bolianer vielleicht nicht stark genug, um sich gegen die das Licht zusammenhaltenden Kraftfelder zur Wehr zu setzen.
"Die Föderation hat dabei zugesehen wie sich die Romulaner im ganzen Beta Quadranten ausgebreitet haben. Was haben Sie getan, um den anektierten Planeten zu helfen? Nichts! Mein Volk wird seit weit mehr als fünfhundert Ihrer Jahre versklavt und zum Bau von Kriegsschiffen gezwungen." Grinsend wandte sich 8652 um und stolzierte davon. "Wir holen uns lediglich zurück was uns gehört. Sie haben nichts getan, um meinem Volk zu helfen. Wieso hätten wir auf Föderationsbürger achten sollen?"
Damit verschwand 8652 in einem Korridor und hinterließ einen nachdenklichen Bador. Wir stecken tiefer in der Scheiße als wir dachten.
Bador wollte sich wieder seiner Arbeit zuwenden. Es war ihm unklug erschienen, seine Abneigung gegen diese Tätigkeit dem Hologramm gegenüber zu erwähnen. Aber er wäre wirklich lieber an Bord der Ares geblieben und hätte dort die Reparaturen überwacht. Aber Sarah Trat hatte den Arbeiten am D7 größere Priorität eingeräumt - der diplomatischen Grundlage wegen. Nachdem der erste trupp die tatsächlichen Schäden gemeldet hatte entschloss sich Bador dafür, fast seine ganze Technikercrew hinüberzuschicken, um die ihm gestellte Aufgabe möglichst schnell zu lösen.
Allerdings unterliefen ihm in letzter Zeit immer wieder kleinere Fehler. Nun, die meisten waren eher unbedeutend - doch das Ausfallen das Waffensysteme konnte nicht wirklich als harmlos bezeichnet werden. Bador rieb sich seine schmerzenden Augen. Wie lange hatte er nicht geschlafen? Zwanzig Stunden mindestens, dachte er bei sich und zog eine Karaffe Kaffee aus seinem Koffer. Auf seinen Metabolismus wirkte das Gebräu wesentlich stärker als auf den der Menschen, weshalb er es eher selten zu sich nahm.
Er nahm einen Schluck und schloss zufrieden die Augen. Er dachte an zuhause und musste lachen bei dem Gedanken, dass InXya Kaffee nicht leiden konnte.
Als er das vertraute Geräusch eines Beamvorgangs hörte öffnete er die Augen wieder.
Vor ihm materialisierte Commander Takeruci in einer frischen, sauberen Offiziersuniform. Die Jacke war reinweiß und wieß sogar einen Orden auf der linken Brust auf. Bador wusste weder, was der zu bedeuten hatte, noch interessierte es ihn. Der Vorschriften halber stieß er sich von der Wand ab und nahm Haltung an. Er trug lediglich einen orangen Overall mit grauen Schulterpolstern, die ihn als Offizier auszeichneten. Die reguläre Uniform war ihm oft zu unbequehm, daher legte er sie nur selten an.
"Commander Bador?", fragte der Erste Offizier ungläubig und starrte den Bolianer an, als habe er noch nie einen gesehen. "Hat Ihnen der Captain nicht zwölf Stunden Erholung befohlen?"
"Sie hat es mir nahegelegt", versuchte Bador sich herauszureden. Er wollte keine Konfrontation mit Yoshiki riskieren - der Mann mochte ihn so schon wenig genug.
"Für mich klang es eher nach einem Befehl.", kommentierte Takeruci in bestimmenden Tonfall. "Sie kehren sofort auf die Ares zurück. Wenn ich Sie vor morgen..." Er checkte seinen Handgelenks-Chronometer, "Vor heute Nachmittag, Vierzehn Uhr, wieder im Dienst sehe stecke ich wegen Befgehlsverweigerung in den Arrest."
"Aye, Sir!", bestätigte Bador und sammelte sein Werkzeug ein. Es gefiehl ihm gar nicht, seine Arbeit unterbrechen zu müssen. Er wollte mit Sarah darüber sprechen, sobald er sie gefunden hatte - sie war wohl immer noch auf ihrer Inspektionstour. Aber innerlich meldete ihm sein Körper, dass er das nicht tun würde. Er würde sich in sein Bett legen und zwölf Stunden durchschlafen. Er teilte Transporterraum Zwei seine Ankunft mit und war erschöpft, aber irgendwie auch froh, als er in sein Bett fiel und von seiner Familie träumte.
Yoshiki Takeruci war stinkauer ob dieser Mißachtung von direkten Befehlen. Wieso, fragte er sich zum wiederholten Male, nimmt sich dieser Kerl immer das Recht heraus, Befehle einfach zu umgehen? Nur weil er mal Captain war? Dann hätte er es eben bleiben sollen! Und eine engere Freundschaft mit dem Kapitän ist ebensowenig ein Grund für Revolution.
Takeruci machte sich eine mentale Notiz zum Thema "Bador-Tadeln" und fuhr sich mit der Hand durch die kurzen schwarzen Haare. Wie immer bemerkte er, dass sich ein paar graue Haare zwischen den Fingern verfangen hatten. Himmel, ich werde langsam zu alt für solchen Unsinn.
Kopfschüttelnd begab er sich auf die Suche nach Lieutenant J'Kolan. Sie erledigte irgendwo in der Antriebssektion des D7s ihren Spezialauftrag. Yoshiki hoffte inständig auf einen Erfolg, denn dieses Schiff verriet praktisch keine neuen Informationen über die Z'Sordo-Technik. Vielleicht war es deswegen für die Verfolgung ausgesandt worden. Immerhin hatte Mister Etkins schnell gearbeitet und innerhalb weniger Stunden die Funktionsweise der z'sordianischen Tarnvorrichtung entschlüsselt. In Hinkunft würden die Sensoren in der Lage sein, getarnte Schiffe des Feindes genau orten zu können.
Vielleicht.
Auf seiner Suche nach der Xindi Reptilianerin durchquehrte er fast die Hälfte des übrig gebliebenen Rumpfes. Das Schiff war übel zugerichtet worden, woran die Zeit sicher nicht unschuldig war. Das Hologramm der Z'Sordo führte kein Logbuch, doch der Hauptcomputer aktualisierte ständig eine Datei mit den Schiffsoperationen. Offenbar hatte sich auf der Dignity seit Jahren kein lebendes Wesen mehr blicken lassen.
Immer wieder kam Yoshiki an Crewmitgliedern der Ares vorbei. Manche steckten zur Hälfte in Wartungsschächten und bemerkten ihn gar nicht, andere nahmen Haltung an. Takeruci grüßte knapp und schritt schnell voran, immer sein Ziel vor Augen: den Maschinenraum. Entweder war J'Kolan ebenfalls dort oder Yoshiki fand dort einen Crewman der wusste, wo sich die schuppige Lieutenant versteckt hielt. Nachdem der Erste Offizier eine halbe Stunde durch die Gänge geirrt war - er hatte sich wohl nur eingebildet, sich den Weg aus den Schemata gemerkt zu haben - bereute er es, J'Kolan befohlen zu haben sich ein gutes Versteck zu suchen. Ein stilles Plätzchen.
Nachdem weitere zehn Minuten vergangen war wurde Takeruci ungeduldig und klopfte auf seinen Kommunikator. "Takeruci an Lieutenant J'Kolan."
"Ich bin über Ihnen, Commander!", rief eine Stimme von oben. Augenblicklich hob Yoshiki den Kopf und erspähte ein Lüftungsgitter in der Decke. Dahinter lag die reptiloide Wissenschaftsoffizieren auf dem Rücken und hantierte offenbar mit unsichtbaren Werkzeugen. "Ich wollte Sie schon viel früher rufen, Commander. Ich, äh, mein Auftrag ist ziemlich erledigt... Ich glaube nicht, dass das Hologramm etwas bemerkt hat."
"Sehr gut, Lieutenant. Wenn ich mir die indiskrete Frage erlauben darf: wie sind Sie da hinauf gekommen?"
"Naja, ich wurde... heraufgebeamt. Sie wollten doch keine sichtbaren Eingriffe, Commander... Ausserdem passe ich mit meinen, äh, Haardornen nicht durch die Zugangstunnel.... Wenn Sie schon da sind, Commander... Meine Kommuniaktor ist ausgefallen, äh, ich meine, ähhhm, hinuntergefallen...."
Takeruci senkte den Blick und sah ein Starfleetabzeichen mit einem goldenem und einem schwarzen Balken am Boden liegen - das Rangabzeichen eines Junior Lieutenants. Der Erste Offizier fragte erst gar nicht, wie das Ding nach unten gelangt war - die Maschen des Lüftungsgitters waren ziemlich klein. Mit wenigen Worten veranlasste er, dass Fähnrich Brix'hx in Transportraum Zwei die Xindi wieder an Bord der Ares zu beamen. Damit war der wichtigste Auftrag des Tages erledigt.
Der Commander suchte noch ein halbes Dutzend Techniker auf und erkundigte sich nach deren Fortschritten. Bald darauf verließ er die Dignity mit dem Wissen, dass das Schiff in weniger als einem Tag flugtauglich war. Damit hatte die Ares ihren Teil der Vereinbarung eingehalten. Jetzt lag es an Captain Trat, das Hologramm dazu zu bringen, das selbe zu tun.
Es war fünfzehn Uhr Bordzeit. Kommandantsersatzhologramm 8652 fand sich nach seiner abenteuerlichen Reise durch die Systeme des Föderationsbalgs, der USS Ares, im Raum des Captains ein. Die Frau war menschlich und wäre auf Sord sicherlich sehr aufgefallen. Im Vergleich mit Z'Sordo wirkten die Menschen schmächtig, beinahe zerbrechlich, obwohl die beiden Spezies sich äusserlich nur in Details unterschieden. Den Terranern fehlten die Horndornen, die fast den gesamten Körper eines jeden Z'Sordo zierten, und ihre Pupillen waren irritierend rund. Am schlimmsten aber war ihre Haut. Trat zum Beispiel hatte eine kränkliche helle Hautfarbe, der Pilot Etkins, der unverschämterweise die Z'Sordo Tarnvorrichtung gescannt hatte, war recht dunkel. Bei den Z'Sordo waren alle grau.
Überhaupt schien diese Sarah Trat ein merkwürdiges Wesen zu sein. Eine Frau als Kommandantin war nicht ungewöhnlich. Aber 8652 fragte sich ernsthaft ob eine so friedliche Person an Bord eines Kampfschiffes die richtige Wahl war. Zugegeben - sie hatte die Dignity zu Schrott geschossen. Und dabei die Kommandobrücke vaporisiert, in dem sich das einzige andere Hologramm des Schiffes, Kommandantsersatzhologramm 7334, befunden hatte. Aber 8652 bezweifelte nicht eine Sekunde, dass ein jeder X-beliebiger Kommandant der Befreiungsarmee die Ares in der umgekehrten Situation sofort zerstört hätte. Vom Weichei, dem ehemaligen Highgeneral Jebek, einmal abgesehen.
Trotzdem blieb 8652 bei seiner anfänglichen Meinung über die Menschheit: dass sie primitive, hinterlistige Sklaventreiber waren die sich einen Dreck um das Wohl anderer scherten. Daran war seine Programmierung nicht unschuldig. Aber auch 7334s Tod hatte seinen Beitrag geleistet.
"Willkommen an Bord der Ares.", begrüßte ihn Captain Trat und riss ihn aus seinen Gedanken.
"Wie Sie sicherlich bemerkt haben ist unser Schiff mit Holoemmitern ausgestattet. Sie können überall existieren, aber Ihr Zugang wird auf die Decks Eins, Zwei und Drei beschränkt sein solange Sie unser Gast sind."
Trat betonte das Wort "Gast" und meinte damit Gefangener, so schien es 8652. Er hatte sich nicht freiwillig an Bord begeben und war von der Captain fast dazu genötigt worden. Mit Unbehagen hatte er festgestellt, dass die Ares ihre Waffensysteme aktiviert und auf die Dignity gerichtet hatte, sobald die Starfleet Techniker sie verlassen hatten.
"Ich fühle mich nicht wohl", beschwerte er sich und sprach die Wahrheit. "Ihre Emmitter sind falsch eingestellt."
"Unsere Emmitter sind nicht korrekt ausgerichtet, das stimmt. Ihre Matrix ist leider nicht komplett mit der unseren kompatibel. Mein Chefingeneur hat sich Mühe gegeben, die Diskrepanzen zu verkleinern, und ich bin sicher, dass wir Ihnen bald einen mobilen Emmitter replizieren können. Den dürfen Sie dann nach Belieben modifizieren. Aber wir wollen zur Sache kommen."
Trat betätigte ein paar Bedienelemente. Hinter ihr, leicht nach links versetzt, erwachte ein Bildschirm zum Leben und stellte für einen kurzen Augenblick das Föderationsemblem dar. Nur zwei Sekunden später wechselte das Bild und zeigte den Vulkan samt seines Schrottmantels. Es war eine Realzeitübertragung, vielleicht von einer Sonda übermittelt, auch wenn 8652 nicht mitbekommen hatte, ob die Ares eine gestartet hatte oder nicht. Ganz offensichtlich waren viele Wracks schon der Gravitation des Vulkans zum Opfer gefallen und auf dessen Oberfläche gekracht. Die Wolke aus Metall und toten Körpern war weit weniger dicht als am gestrigen Tag.
"Sie wissen, was das ist", sagte Trat; es war keine Frage. Ihre Stimme beinhaltete einen scharfen und befehlshaberischen Ton sowie eine leichte Drohung. Vielleicht war 8652s Einschätzung, Trat wäre friedlich, ein wenig verfrüht gewesen.
"Ich weiß was das ist.", antwortete das Hologramm trotzig und versteifte sich. Emotionen kochten und drangen an die Oberfläche. Doch 8652 wollte nicht riskieren, das Oberhaupt seiner Feinde zu provozieren - zu sehr hing seine Existenz im Moment von ihrem Wohlwollen ab.
"Und ich bereue nichts", fügte er hinzu und schob das Kinn vor. Man hatte ihn ein relativ schmächtiges Erscheinungsbild verpasst, doch er war sehr kräftig. Dummerweise wussten die Föderierten das nun.
"Ich habe mit meinem Chefingeneur gesprochen. Er berichtete mir, dass Sie die Föderation als Feinde ansehen. Ich würde gerne eine Erklärung aus Ihrem Munde anhören."
"Mein Volk und ich sind Ihnen keine Erklärung schuldig, Kohlenstofffrau."
"Dann haben wir beide wohl eine sehr unterschiedliche Auffassung von Recht und Unrecht. Auf Vulkan starben mehr als drei Milliarden unschuldige Vulkanier und hunderte andere Föderationsbürger - von den geschätzten zwei Millionen Romulanischen Soldaten und Siedlern will ich noch gar nicht sprechen! Ich denke schon, dass Sie sich verdammt noch mal zu rechtfertigen haben für diesen unprovozierten Angriff auf Föderationsbürger, mit denen Sie sich nicht im Krieg befanden!"
"Wir befinden uns bereits mit Ihnen im Krieg, Captain. Sie wurden in dem Moment zu unseren Feinden, als Sie beschlossen, den Romulanern dabei zuzusehen wie sie ein diktatorisches Regime aufbauten und eine Welt nach der anderen unterjochten! Geben Sie es zu, Captain. Wäre Vulkan nicht ein Mitglied Ihrer ach so großartigen Föderation würden Ihre Spinnen nicht danach greifen."
"Sie wissen ebensogut wie ich, dass die Aussenpolitik der Föderation vorsieht..."
"Ihre Aussenpolitik hat sich nicht um uns gekümmert, Kohlenstofffrau. So einfach ist das. Ihr Feindstatus wurde spätestens mit Ihrem Bündnis während des Dominion Krieges bestätigt."
"Der Dominion Krieg liegt ein halbes Jahrhundert zurück!"
"Angenommen, die Borg würden zehn Jahre lang auf Angriffe verzichten - würden Sie mit Ihnen Tee trinken gehen?", konterte 8652.
"Nein, ich mag nämlich keinen Tee. Ausserdem ist das ein sehr merkwürdiges Gleichnis. Wir sind nicht die Borg. Wir sind auch nicht die Romulaner."
"Nein. Nein, das sind Sie tatsächlich nicht. Aber Sie sind Mittäter. Ich habe auf dem Weg zu Ihrem Büro Ihre Datenbank heruntergeladen - immerhin haben Sie mein Schiff ebenso auf den Kopf gestellt. Ihr Rechtssystem sieht eine Bestrafung für Mittäterschaft vor."
"Wir sehen einen Angeklagten auch so lange als unschuldig an, bis seine Schuld bewiesen wurde.", gab Trat zu bedenken.
"Verstehen Sie doch, Kohlenstofffrau: Sie sind keine Angeklagten - Sie wurden bereits für schuldig befunden und verurteilt. Die Strafe ist auf dem Weg hierher."
Das entsprach leider der Wahrheit. Die von J'Kolan empfohlenen Sensorverbesserungen waren vor kurzem aktiviert worden und hatten drei Schiffe alter romulanischer Bauart - Z'Sordo-Kampfschiffe - am äussersten Rand des Scanradius' entdeckt. Sie flogen ungetarnt - entweder waren sie beschädigt oder wussten, dass ihre Tarnung aufgeflogen war. Wie auch immer - bei gleich bleibender Geschwindigkeit waren sie in zwei Stunden in Waffenreichweite.
"Wir werden damit fertig", erklärte Trat. Sie war sich dessen nicht ganz sicher, doch das musste sie dem Hologramm ja nicht auf die aus Licht bestehende Nase binden. Zu den Schiffssystemen hatte er keinen Zugang gehabt. Zumindest soweit Bador das feststellen konnte. "Ausserdem befinden wir uns im Waffenstillstand", erinnerte sie.
"Wir befinden uns im Waffenstillstand. Das gilt nicht für die drei Befreiungsschiffe, die sofort angreifen werden sobald Sie geortet wurden."#"Zweifellos. Jedoch wird bis dahin unser Warpkern einsatzbereit sein. Wenn Sie sich Ihrer Flotte wieder anschließen sind wir schon über alle Berge. Es sei denn", und jetzt beugte Sie sich in ihrem Lehnsessel vor, "Es sei denn, Sie verschaffen mir eine Verbindung zu einem Ihrer Diplomaten."
"Ich bin nur ein einfaches Hologramm, Kohlenstofffrau."
"Aber Sie könnten es versuchen. Immerhin haben Sie von uns Gnade erfahren."
"Das ändert leider nichts an der Tatsache, dass die Romulaner alle unsere Dilpomaten umgebracht haben. Heutzutage traut sich keiner mehr, dieses Fach an der Universität zu belegen. Was vielleicht auch mit dem ruinösen Zustand dieser Fakultät zu tun hat. Sehen Sie, Captain... ich mag Sie nicht. Mein Oberkommando mag Sie nicht. Mein holografischer Arsch mag Sie nicht. Sie sind Föderation. Sie sind Feind. Der einzige Grund für mich, Ihr Schiff nicht anzugreifen, ist Selbstschutz."
"Ich bewundere Ihre Ehrlichkeit, auch wenn Ihre Ausdrucksweise im Moment nicht angebracht ist."
"Sie haben mich nicht zu bewundern. Ich habe Ihnen jedenfalls nicht mehr zu sagen. Ich sehe mich nicht gezwungen, mich weiter zu rechtfertigen. Das Kommandantsersatzhologramm 8652 hat den Standpunkt der Befreiungsarmee klar dargestellt. Ob Sie es wollen oder nicht - wir befinden uns im Krieg."
"Wenn Sie es so sehen wollen..." Trat betätigte einen Schalter unter der Tischplatte. Hinter 8652 teilten sich die Schotts der Tür zur Brücke. Dahinter warteten zwei Angehörigen der Sicherheit. Mit erhobenem Datapad trat ein Techniker zwischen den beiden hühnenhaften Männern hervor und richtete das Gerät auf 8652. Sofort begannen seine Gliedmaßen zu kribbeln. Das Hologramm konnte sich auf einmal nicht mehr bewegen und sah sich auch ausserstande, sich an einen anderen Ort zu transferieren. Der Techniker versuchte ausserdem in seine gesicherten Subroutinen einzudringen. Wenn der Flottenführer davon Wind bekam, dass 8652 sich sezieren ließ - High Captain Tekittof war nicht für seine Gutmütigkeit bekannt. Auch nicht für Gerechtigkeit. 8652 woltle sich gar nicht ausmalen, was man ihm wohl antat, wenn sein Programm militärische Geheimnisse verriet.
"Warten Sie!", rief er, als er bemerkte, dass der Techniker seine Sprachroutinen funktionsfähig belassen hatte. Ärgerlich wurde er sich bewusst, dass Trat vermutlich eine solche Reaktion erhofft hatte.
"Ich bin... vielleicht.... in der Lage, ein Treffen mit der Regierung zu arrangieren. Ich kann aber nichts versprechen. Zunächst müsste für Sie ich ein gutes Wort bei High Captain Tekittof einlegen. Ohne das wird er Sie vaporisieren, bevor Sie Ihr weichliches Friedensangebot überhaupt aussprechen können."
Trat schien sichtlich zufrieden zu sein und auf seine Worte hereinzufallen. Sie lehnte sich zurück, machte eine Handbewegung die 8652 nicht deuten konnte, und die drei Starfleet-Lakaien trollten sich. "In der Tat ist ein Versuch alles, wonach ich verlange."
Augenblicklich konnte sich 8652 wieder bewegen. Er empfand es als ausgesprochen unangenehm, vom Feind jederzeit ausser Gefecht gesetzt werden zu können. Immerhin - er hatte sich aus dieser prekären Lage wieder befreit. Der Techniker wusste wahrscheinlich gar nicht, wie nahe er seinem Ziel, den Kommandosubroutinen samt eingelagerter Sicherheitsprotokolle, gewesen war. Der Transfer zur Ares hatte seine Sperren teilweise aufgehoben. Die unpassenden Holoemmitter des Föderationsbalgs taten ihr übriges. Alles was er jetzt noch wollte...
"Ich wünsche nun zu meinem Schiff zurückzukehren.", verlangte er.
"Sie versprechen mir einen Versuch?"
"Ich werde mich persönlich an meine Regierung wenden!", brüstete sich 8652 und schob die Brust vor. "Das hoffe ich doch", entgegnete Trat. Sie meinte es ernst - vielleicht lag ihr wirklich etwas an Frieden. Aber nein.... das war reiner Selbstschutz. Die Föderation war schuldig, daran war nicht zu rütteln.
"Trat an Bador."
"Ich höre, Sarah."
"Du kannst unseren Gast wieder auf sein Schiff transferieren."
"Wie schade, dass er uns schon verlässt. Ich habe ihm gerade einen Mobilen Emmitter repliziert!"
"Ja, ich weine auch schon fast. Beginne, sobald du bereit bist. Trat Ende."
Die Captain stand auf und umrundete ihren Tisch. Er war fast leer - vielleicht waren früher einmal Gegenstände auf dem Tisch gewesen. Doch der eingedellte Tischcomputer ließ darauf deuten, dass etwaige Dekoration den Kampf gegen die Dingity nicht überstanden hatte. 8652 bemerkte dies nicht ohne Genugtuung. Trat näherte sich und baute sich vor ihm auf. Sofern 8652s Informationen über die Menschheit der Wahrheit entsprachen war sie recht groß, überragte ih sogar um ein oder zwei Zentimeter. Sie streckte ihm die Hand entgegen. Ein terranischer Brauch zum Gruß, dem sordianischem Ellenbogenschlag nicht unähnlich.
"Sehen Sie, ähm... wie soll ich Sie bei unseren Gesprächen in Zukunft ansprechen?"
"Es wird keine Gespräche zwischen uns geben, Captain. Aber Sie können mich Kommandantsersatzhologramm 8652 nennen."
"Ich ziehe wohl das einfache "Sie" vor. Sehen Sie, wir müssen keine Feinde sein. Wir hatten unsere Probleme mit den Romulanern. Mein Ehemann wurde bei einem ihrer Angriffe getötet. Aber ich kann ihnen nicht verzeihen, aber wenn ich damit einen Beitrag zum Frieden leisten kann, so werde ich meine Antipathien in den Hintergrund rücken. Die Romulaner haben eine neue Regierung, und..."
"Das ist vollkommen uninteressant", sagte 8652 und meinte es auch so. "Ihr Chefingeneur hat gerade mit dem Transfer begonnen." Schon begann seine Matrix sich langsam aufzulösen.
"Vergessen Sie nicht - sprechen Sie mit Ihrer Regierung!", rief Trat ihm noch nach.
8652 erschien im Maschinenraum der Dignity. Er sah sich schnell um. Es war kein Starfleetangehöriger zu sehen. Ein kurzer Handgriff genügte. Der Hauptbildschirm zeigte keine Föderierten mehr an Bord an. Ein rotes Blinken zeigte eine verschlüsselte Botschaft an. Er rief sie auf und ignorierte die Rufe vom Föderationsbalg.
"Chosmic Fire ruft Dignity. Melden Sie sich, Dignity. Cosmic Fire ruft Dignity...."
"Hier spricht das Kommandantsersatzhologramm 8652 von der ZHSA Dignity."
"Dignity, erklären Sie Ihre Position!"
"Cosmic Fire, ich befinde mich in einer Notsituation und erbitte schnellstens Hilfe! Ich musste einen Waffenstillstand eingehen um nicht vernichtet zu werden."#"Haben Sie Ihre Mission erfüllt?"
"Negativ, Cosmic Fire. Ich war damit beschäftigt am Leben zu bleiben."
"Ihre Mission wird anderen aufgetragen werden, Dingity. Sie werden sich augenblicklich zur Zweiten Flotte begeben und dort einen ausführlichen Bericht erstatten. Alles Weitere wird dort von High General Everet entschieden."
"Positiv, Cosmic Fire."
8652 schloss den Kanal. Der Befehl war eindeutig und unmissverständlich. Seine Schicksal lag nun in den Händen von "Schlächter" Everet. Eine Löschung seines Programmes wäre vielleicht angenehmer gewesen. Vielleicht - nur vielleicht - wäre sogar Tekittof gnädiger gewesen. 8652 bedauerte die Tatsache, dass seine Programmierung ihm in dieser Situation keinen Selbstmord erlaubte. Mit dem Wissen, als Kriegsgefangener der verwerflichen Föderation immer noch besser dran gewesen zu sein, setzte er Kurs auf die Zweite Flotte und ging auf die ihm mögliche Höchstgeschwindigkeit von Warp Vier.
"Ähm, Captain", meldete sich J'Kolan von der Wissenschaftsstation, "die drei Z'Sordoschiffe folgen der Dignity."
"Ausgezeichnet." Sarah Trat saß im Captain's Chair und verfolgte, wie vier kleine Lichtpunkte in der Unendlichkeit verschwanden. Neben ihr vertiefte sich Yoshiki Takeruci wieder in eines seiner heiß geliebten PADs. Etkins bekam den Befehl, wieder Kurs auf den Rondevouzpunkt mit der Lucky Bastard zu nehmen. Bador hatte den Warpkern wieder flott gemacht. Und Rotals Patienten waren mitlerweile alle stabilisiert oder gestorben. Der Alltag auf der Ares kehrte langsam wieder ein. Trat warf einen beiläufigen Blick auf den Bildschirm, den Takeruci so in Gedanken vertieft betrachtete.
"Was haben Sie da?", fragte sie neugierig.
"Ich koordiniere die Quartierzuteilungen für die Flüchtlinge."
"Sehr gut. Weitermachen. Misses Seth, wie sieht unsere Umgebung aus?"
"Sauber, Captain. Keine Raumschiffe im Umkreis von zehn Lichtjahren."
"Die Lucky Bastard?"
"Auf dem Weg, gesund und munter."
"Ausgezeichnet."
Sarah Trat sah sich auf ihrer Brücke um. Hier und dort gab es brandgeschwärzte Stellen im Metal, an manchen Stellen hatte sich die Verkleidung gelöst. Die sekundäre Taktikstation hob sich durch dunkle Kontrollen aus der Masse hervor. Der Taktikschirm zeigte am Rand ein blinkendes rotes Licht. Daneben liefen Zahlen mit - Richtungsvektoren.
"Der Sender funktioniert einwandfrei", bestätigte Seth. "Wenn sie ihn bis jetzt nicht bemerkt haben werden sie das auch weiterhin nicht. Soll ich die Daten zum Oberkommando senden, Captain?"
"Ja, es wird langsam Zeit. Wissen Sie, Yoshiki, als ich das letzte Mal Quartiere verteilt habe war ich Fähnrich. Lassen Sie das doch von Fähnrich.... ja, Fähnrich Wildman hat gerade Dienst. Lassen Sie ihn das tun. Gönnen Sie sich ein wenig Freizeit. Ich habe in den letzten Tagen immer nur im Dienst gesehen."
"Ich schlafe wenig. Und Freizeit... mag ich nicht."
"Nun, ich will Sie nicht zu Ihrem Glück zwingen, Commander. Aber die nächsten Tage werden wir auch so schon genug zu tun haben. Mister Etkins, ist der Kurs gesetzt?"
"Aye, Captain. Und wenn ich das bemerken darf: ich würde unsere Navigationsdüsen gerne austauschen, wenn wir das nächste Mal die Gelegenheit dazu haben."
"Ist vermerkt. Also, meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht - aber ich würde einen ruhigen Flug vorziehen. Mister Etkins, Volle Kraft voraus."
Das Föderationsraumschiff Ares nahm schnell Fahrt auf und beschleunigte auf Warp Fünfzehn, der derzeitigen Maximalgeschwindigkeit. Schneller als jedes andere Schiff der Sternenflotte flog sie davon, dazu bestimmt, einen Krieg zu beenden. An Bord hofften alle, dass nicht ein weiterer folgen würde. Die Ares selbst kümmerten solche Überlegungen nicht. Romulaner, Z'Sordo, Vulkanier, Menschen, Bolianer, Waraki, Rek'Tal... das alles hatte keine Bedeutung für den Hauptcomputer. Ohne sich über die Angelegenheiten des Universums und seiner Bewohner Gedanken zu machen raste die Ares an Sternen vorbei, schrumpfte, wurde immer kleiner und verschmolz schließlich mit den Unendlichen Weiten des Raums.
?????
Standort nicht bekannt
Sektor ???
Eine dunkel gekleidete Gestalt betrat ihren privaten Raum am Ende eines ereignisreichen Tages. Nun, zumindest handelte es sich subjektiv gesehen um einen Tag. Das war so eine Sache, die Zeit, da musste man immer ein bisschen improvisieren, wenn es um Zeiteinheiten ging.
Die Person ließ sich auf die Bank nieder. Sie stand vom Fenster abgewandt. Er mochte die Sterne nicht. Sie erinnerten ihn daran, dass alles, was er hinter dem Transparistahl sah, eigentlich vor Jahrmillionen passiert war. Er wollte er in seiner spärlichen Freizeit nicht mit so etwas beschäftigen.
„Brücke an Captain.“
„Sie stören, wissen Sie das?“, fragte er verärgert. In seiner Hand befand sich eine uralte Steinflasche mit hoch prozentigem Inhalt, den er sich gönnen wollte.
„Aye Sir. Aber das Flottenkommando will Sie sprechen. Admiral Hayes auf Sicherheitskanal 3.“
Er verzog das Gesicht. Hayes war ihm nicht unsympathisch – aber er hatte jetzt keinen Nerv für Small Talk.
Nichts desto trotz hatte er ja keine Wahl. Mit einer Handbewegung signalisierte er dem Computer, die Beleuchtung einzuschalten und den Bildschirm zu aktivieren.
„Danke, Brücke. Computer, Kanal öffnen.“
<Kanal geöffnet. Sicherheitskanal 3. Bitte nennen Sie Ihren Pass-Code.>
Müde versuchte er sich daran zu erinnern. Er kramte in seinem Gedächtnis und fand endlich die selten benutzte Kombination für den dritten Kanal.
„Autorisation Trat. 536 Beta 21.“
Kapitel 3
Vordia Sunrise
Der Weltraum. Unendliche Weiten. Im fünfundzwanzigsten Jahrhundert wird die Galaxie gebeutelt vom schlimmsten Krieg aller Zeiten. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Ares, das auf einer Mission unterwegs ist, alle Kämpfe zu beenden und Frieden zu stiften. Die Ares stößt mutig zu Orten vor, die nie zuvor ein Mensch gewesen hat.
27. September 2426
USS Ares NCC 100431
Sektor Drei Drei Zwei
Die Lucky Bastard war als Schiff der Gate-Klasse im Archiv verzeichnet. Doch die Realität sah anders aus. Captain Sarah Trat war nicht weniger erstaunt als ihre Brückencrew, als sich statt eines klapprigen Rettungsschiff ein hochmodernes, umgerüstetes Souvereign-Schiff der Ares näherte und auf Grußfrequenzen schaltete.
"Wir werden gerufen", verkündete Lieutenant Commander Lucia Seth, Sicherheitsoffizierin und Teilzeitpessimistin.
"Auf den Schirm!", befahl die Captain.
Der Hauptbildschirm, der gerade noch die lang gezogene Lucky Bastard auf Abfangkurs dargestellt hatte, wechselte zu einem neuen Bild. Die umgerüstete Souvereign-Klasse verwendete ein ähnliches Brückenmodul wie die Ares-Schiffe, und ein wenig neidisch bemerkte sie den sauberen, unbeschädigten Zustand des Kommandodecks. Die Ares selbst war in den letzten Tagen schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Badors Technikercrew hatte sich nicht um Luxus wie Sauberkeit und Wandverkleidungen kümmern können; das würde man bei Meridian Station tun.
In der Mitte der Brücke, im Gegensatz zu Trat auf einem leicht erhobenen Podest montiert, stand der Captain's Chair. Darin saß, in seiner leicht lümmelnden Art, der greise Admiral Mikhail Petre Sukhov, lächelnd und - natürlich - mit einer Tasse Tee in der Hand. Trat roch förmlich den Synthehol, den er in seinen Tee zu gießen pflegte.
"Guten Morgen, Sarah.", begrüßte Sukhov sein Gegenüber und prostete ihr zu. "Sie sehen müde aus."
"Ich habe lange nicht geschlafen", antwortete sie. Sukhov war ein sehr alter Mann; seine spärliche Haarpracht war grau mit weißen Strähnen, sein Gesicht voller Lachfalten. Während den letzten Kriegsjahren waren sicher auch eine Menge Sorgenfalten hinzugekommen. Trotzdem hätte Sarah das freundliche Gesicht ihres Mentors aus Jugendjahren überall erkannt, selbst mit Schnurrbart, Partyhut und Augenklappe.
"Wenn ich fragen darf..."
"Sie dürfen nicht. Das ist nämlich geheim."
"Sie wissen also immer noch alles besser als ich?", fragte Trat scherzhaft.
"Manche Dinge ändern sich eben nie. Sie sollten unsere Tarnung einfach ignorieren und sich von uns Starthilfe geben lassen."
"Eine ausgezeichnete Idee, Admiral. Unser Primärer Warpantrieb steht kurz vor dem Versagen. Meine Techniker haben leider nicht die notwendigen Geräte."
"Unglücklicherweise sind Sie nicht die einzigen, die Probleme mit diesem Ding haben. Aber ich würde das gerne unter vier Augen mit Ihnen besprechen. Beamen Sie doch rüber, Captain. Meine Kabine steht Ihnen immer offen."
"Ich werde darauf zurückkommen sobald ich Zeit habe, Admiral." Sie ließ ihren Finger über der Taste verharren, die den Kanal schloss. "Es ist schön, Sie wiederzusehen." Dann betätigte sie den Schalter.
27. September 2426
USS Lucky Bastard NCC 92432
Sektor Drei Drei Zwei
"Er hat was gemacht?", fragte Sukhov und verschluckte sich fast an seinem Donut.
"Er hat die Gravitationskontrollen umgepolt und den Hund an die Decke gepresst.", antwortete Trat und lief leicht rot an.
"Hat Tommiboy das überlebt?"
"Ja, aber seitdem war er nicht mehr derselbe. Er weigerte sich, das Holodeck zu betreten, und da ich ihm sonst keine Natur bieten konnte, musste ich ihn bei meiner Schwester in Pflege geben."
"Wie schade."
"Ja. Drei Monate später starb er, woran, das weiß ich bis heute nicht."
Trat lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Sie saß Sukhov gegenüber, in dessen Quartier an Bord der Lucky Bastard. Rechts von ihr befand sich das riesige Panoramafenster der Admiralssuite. Im Raum hinter dem Transparistahl hing die Ares und sah grauenhaft aus. Sarah war während der vergangenen Stunden gar nicht auf die Idee gekommen, sich Aussenaufnahmen ihres Schiffes zeigen zu lassen. Allein die Unterseite des Diskussegmentes wieß zwei Dutzend Stellen auf, an denen die äußere Schicht der Hülle abgeschabt worden war; die Antriebssektion hatte sogar mit einem Fast-Hüllenbruch zu kämpfen. Entstanden war der durch die hohe Beanspruchung des Materials. Die Ares verfügte über einen neuartigen Hochleistungswarpkern. Bei Warpgeschwindigkeit sollte er eigentlich besonders starke Deflektoren ermöglichen. In der Praxis hatte sich aber herausgestellt, dass das System keine nennenswerten Verbesserungen erbrachte. Dafür wusste man nun, dass die strukturelle Integrität den enormen Warpfaktoren, die dieser Warpkern ermöglichte, nicht gewachsen war. Trat setzte eine verstärkte Hüllenpanzerung auf Platz 1 ihrer Liste dringend durchzuführender Verbesserungen.
"Darf ich offen sprechen, Admiral?", fragte Sarah dann.
"Ich bitte darum."
"Wieso ist Ihr Schiff in unserer Datenbank falsch gekennzeichnet?"
"Sie wissen doch, was ich Ihnen jetzt sagen werde, oder?", entgegnete Sukhov mit Mitgefühl in den Augen. "Aber seien Sie sicher - ich weiß, wie sauer Sie jetzt auf mich sind."
"Ich bin nicht wütend auf Sie. Ich wüsste einfach gerne, welcher Auftrag eine solche Täuschung erfordert."
"Ja, das kann ich mir vorstellen." Sukhov knabberte noch einmal an seinem Donut und legte die Süßspeise dann auf einen Teller.
"Mein Auftrag ist streng geheim. Dieses Schiff ist streng geheim. Die Lucky Bastard gehört einem der jüngeren Projekte Starfleets an. Ich sage Ihnen schon zu viel, wenn ich darauf hinweise, dass der Feind - ob Z'Sordo oder Romulaner - nichts davon erfahren darf."
"Kryptisch wie immer.", sagte Trat und prostete Sukhov zu. Sie stießen an. Der Vodka, den der alte Mann so liebte, lag schwer in der Luft.
"Wie steht es um Ihr Schiff?", fragte der Admiral dann.
"Nicht gut. Vielleicht werden wir bis zu zwei Tage lang hier bleiben müssen."
Sukhov kniff die Augen zusammen und runzelte die faltige Stirn. "Ehrlich gesagt bin ich nicht sicher, ob ich so viel Zeit habe. Meine Mission zwingt mich, spätestens in zwanzig Stunden aufzubrechen."
"Nun, wir können uns selbst helfen, wenn Sie uns die richtigen Werkzeuge in die Hand geben können. Zur Zeit spielen unsere Systeme leider verrückt."
"Ich weiß." Der Admiral wurde noch ernster und stützte sich mit seinen Ellenbogen auf seinen Knien ab. Seine Stimme wurde vertraulich. "Sarah, ich habe noch mehr Geheimnisse für Sie."#"Immer heraus damit, Admiral."
"Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, aber... Vor zwei Tagen ist während eines Gefechts mit den Orionern das Raumschiff Mars in einen Kometen gerast."
"Ach du Sch.... Hat der Pilot versagt?"
"Das weiß man nicht genau. Die Überlebenden sagen aber, das ganze Schiff hätte Stunden vor dem Angriff einen plötzlichen Energieabfall gehabt. Danach hat kein System mehr richtig funktioniert."
"Hm... Die Mars war ein Schiff der Ares-Klasse, nicht wahr?"
"Ja. Ares-Alpha. Aber das ist nicht alles. Drei Monate vorher ging die Jehova verloren. Mitten im Raumdock haben sich die Schile aktiviert und überladen."
"Ich ahne es bereits..."
"Ja. Die Jehova war das zweite Schiff der Ares-Alpha-Reihe. Und sie war nicht der letzte Ausfall dieser Art. Vor wenigen Stunden erreichte uns die Nachricht, dass die USS Bermingham der Red-Cross-Klasse von den Romulanern zerstört wurde, nachdem ihre Deflektoren verrückt spielten. Sarah, die Sternenflotte befürchtet einen gravierenden Konstruktionsfehler beim neuen Warpkern. Oder bei der ganzen Ares-Klasse."
"Admiral, wir hatten zwar unsere Probleme, aber bisher haben unsere Schildsysteme gute Arbeit geleistet. Zumindest als sie noch nicht ausgefallen waren."
"Sarah, ich mache mir Sorgen. Der Föderationsrat setzt große Hoffnungen in diese Baureihe. Wenn die Diplomatie versagt..."
"Ich fürchte, die Diplomatie hat bereits versagt."
"Das kann man sehen, wie man will. Auf jeden Fall will das Oberkommando ebenso wie der Rat eine Überprüfung der Ares. Am besten gestern, mit dem Ergebnis morgen auf dem Tisch. Dein Aufenthalt auf Meridian Station wird etwas länger dauern, als vorgesehen war."
Admiral Sukhov machte sein Versprechen wahr. Die Techniker der Lucky Bastard machten Überstunden und strapazierten deren Replikatoren, um der Ares in kurzer Zeit die größtmögliche Unterstützung zukommen zu lassen. Captain Trat weihte ihre Crew vorerst nicht in die geplante Überprüfung des Schiffes ein - die Leute hatten so schon genug Sorgen. Eine davon, die Sarah Trat weiterhin belasten würde, waren die Zivilisten. Sukhov war nicht bereit, sie an Bord zu nehmen. Trat befürchtete insgeheim, ihr gutherziger alter Mentor würde sich auf eine Selbstmordmission begeben.
28. September 2426
USS Ares NCC 100431
Sektor Drei Drei Zwei
Um Null Uhr Bordzeit der Ares endete Lieutenant J'Kolans Schicht. Für gewöhnlich zog die Xindi es vor, sofort in ihr Quartier zu flüchten, doch heute hatte Commander Bador sie gefragt, ob sie sich nicht nach ihrer Schicht noch in Bug Fünf sehen lassen wollte. In Kürze würde die Lucky Bastard sich von der Ares trennen, und Badors Technikercrew, mit der sie nur wenig zusammen gerarbeitet hatte, versammelte sich in Bug Fünf um dort eine kleine Feier für die Kollegen von der Lucky Bastard zu geben. Turbolift A brachte sie schnell von der Sternenkarthographie auf Ebene 12 zum Deck 5. Am Ende von Korridor 5-A-32 lag die Bar Bug Fünf, die nach dem Vorbild der Gesellschaftsräume der Galaxy und Nebula-Klassen eingerichtet worden waren. Jedoch hatte der merkwürdige holographische Barmann den Raum umdekoriert und dabei gleich die ganze Theke auf die andere Seite des Raums versetzt. Nun konnten die Besucher ihren Drink mit direkten Blick ins Weltall genießen - sofern nicht der Barkeeper vor ihnen stand und irgendwelche exotischen Getränke mixte. J'Kolan hatte Bug Fünf nur zwei Mal betreten und war mit den Besonderheiten des Hologramms nicht vertraut, doch von Lieutenant Etkins, der das Dämmerlicht Bug Fünfs mochte, hatte sie mehrfach merkwürdige Geschichten gehört. Der Barmann schien eine Vorliebe entwickelt zu haben, echten Alkohol auszuschenken. Ausserdem war er ausgesprochen aufdringlich.
J'Kolan erreichte die Doppeltür der Bar, als ein Techniker die gläsernen Türen passierte. Er sah sie im Vorbeigehen merkwürdig an. J'Kolan war eine Xindi Reptilianerin. Als echsenähnliche Lebensform stieß sie, wie die meisten Reptiloiden, auf Unverständnis und Verächtlichkeit; teilweise wurde ihr sogar mit Furcht oder Wut begegnet. J'Kolan hatte sich in ihren wenigen Jahren in der Sternenflotte daran gewöhnt und wusste, dass es sich dabei um eine Urangst von Primatischen handelte. Sie hatte mehrere enge und humanoide Freunde; notgedrungen, denn viele reptilische Lebensformen gab es nicht in der Föderation; noch weniger entschlossen sich dazu, in der Sternenflotte zu dienen.
Der Techniker nickte höflich im Vorbeigehen, und J'Kolans Herzschlag normalisierte sich wieder ein wenig. Ja, es ist nur eine Urangst...
Die Bar war mit hochentwickelten Holoemittern ausgestattet. Sie sollte es der Mannschaft erlauben, sich auch in Kriegszeiten zwanglos zu begegnen, ohne auf den Rang achten zu müssen. Zurzeit gab es holografische Dekoration, was ungewöhnlich war, denn in Sektion Alpha waren vor Stunden die Emitter ausgefallen. Knallbunte Lampions hingen von der Decke. Gelbe Plakate mit fremden Schriftzeichen hingen an den Wänden, und J'Kolan fragte sich, wer die Holoemitter auf die Prioritätenliste gesetzt hatte. Notfallprogramme besaßen mobile Emitter, um auch bei Energieabfällen einsatzbereit zu sein.
"Lieutenant!"
Die gerade eingetretene Lieutenant fuhr zusammen und sprang sogar leicht zur Seite; sie musste sich beherrschen, nicht an die Decke zu springen. Neben ihr beugte sich der Barkeeper aus einer Jeffreysröhre heraus; der Deckel, der die Öffnung normalerweise verbarg, lehnte daneben an der Wand. Das Hologramm trug eine Fliegerbrille - J'Kolan wollte gar nicht erst nachfragen - und einen Overall, wie er bei Mitgliedern der Technischen üblich war. In der Hand hielt er einen Schraubenschlüssel.
"Gibt es irgendetwas, für das Sie sich nicht geeignet fühlen?", fragte sie, nachdem sich ihr Herzschlag -erneut - normalsisiert hatte. Oft würde das nicht mehr funktionieren.
"Gute Frau, ich habe vielfältige Qualitäten. Was wäre ich denn für ein Gastgeber, wenn ich Ihnen nicht jeglichen Komfort ermöglichen könnte?"
Der Barkeeper hatte sich aus dem Wartungsschacht gezwängt und rieb sich den Staub von der Kleidung. "Allerdings wäre ich für jede Hilfe dankbar, die erübrigt werden kann. Mit dem Umweltsystem stimmt irgendwas ganz und gar nicht."
"Aha. Wo finde ich Commander Bador?"
"Der reizende Chief? Der ist hier irgendwo." Er grinste. "Sie haben wohl keine Lust auf Smalltalk, oder?"
"Normalerweise schon, aber mir sind hier zu viele Humanoide."
Der Barkeeper sah ihr in die Augen, und wenn J'Kolans Haut dazu befähigt gewesen wäre, so hätte sie jetzt eine Gänsehaut bekommen. Das Hologramm legte ihr einen Arm um die Schulter und zog sie in eine der Nebennischen. J'Kolan suchte ihr Hirn panisch nach den Sicherheitscodes für holografische Barkeeper ab. Sie fand keine.
"Lieutenant, ich kann mir vorstellen, dass es nicht leicht ist, einer von nur zwei Xindi an Bord zu sein. Nur einer von drei Reptiloiden an Bord zu sein. Wenn Sie reden wollen bis ein Counselor an Bord kommt, dann wissen Sie ja, wo Sie mich finden."
"Vielen Dank, ich weiß das wirklich zu schätzen, ich muss jetzt mich dem Chief reden..."
Der Barkeeper nahm seinen Arm von J'Kolans Schulter und trat einen Schritt zur Seite, um der Lieutenant das Austreten zu ermöglichen. Als sie vorbeiging breitete er ganz unschuldig die Arme aus. "Natürlich könnten Sie statt dessen auch mit Crewman Axis sprechen, falls Ihnen das lieber ist."
J'Kolan erstarrte bei diesem Namen.
Axis gehörte zu der aus zehn Personen bestehenden technischen Hilfsmannschaft, die Admiral Sukhov dauerhaft zur Ares versetzt hatte. Er war Xindi Reptilianer. Irgend jemand in den oberen Rängen hatte es wohl für eine grandiose Idee gehalten, die beiden Xindi in ein Team zu stecken und stundenlang die Sensoren überprüfen zu lassen. Axis war ein überheblicher, arroganter, eigensinniger Mann; J'Kolan fragte sich, wie er durch die Akademie gekommen war, ohne rauszufliegen.
"Nicht böse sein, aber ich kann diesen Typ nicht leiden. Er ist mir zu... aggressiv."
"Zu aggressiv? Er ist doch wie Sie ein Reptilianer." Er beugte sich suchend vor. "Oder haben Sie irgendwo einen versteckten Reißverschluss?"
Diese eklige Vorstellung beiseite schiebend trat J'Kolan wieder in die Nische und setzte sich an den Tisch. Der Barkeeper rieb kurz an seinem Handgelenk. Plötzlich war er in eine Variante der Offiziersuniform gehüllt, die weder Rang noch Bereichsfarbe besaß. Er setzte sich zu J'Kolan.
"Oder habe ich sonst irgend etwas übersehen?"
"Ach, das ist nicht so sichtbar, aber..."#"Jaaa?"
"Mein biologischer Vater starb kurz vor meiner Geburt. Auf Cadia III ist es nicht üblich, dass ein Kind nur von einem Elternteil aufgezogen wird, deshalb wurde ich einem befreundeten Ehepaar anvertraut."
"Aha. Und die haben Sie schlecht behandelt. Und deshalb mögen Sie keine anderen Reptilianer."
"Oh nein, nein! Ganz im Gegenteil! Meine Eltern sind immer sehr gut zu mir gewesen... sie sind es auch jetzt noch... Nur sind sie, nun ja... ein wenig anders. Mama und Papa sind Xindi Primaten. Sie lehrten mich ein ruhiges Leben."
"Ich bin neugierig. Hatten Sie in Ihrer Jugend viele Reptilianer um sich?"
"Nur wenige. Meine leibliche Mutter hat noch ein paar Jahre gelebt, dann ist sie an cadianischer Vogelgrippe gestorben." J'Kolan wand sich in ihrem Sessel. "Es gab da diese warakische Siedlung..."
Der Barkeeper legte seine Hand auf die ihre. Er lächelte wissend und stand auf.
"Sie sehen nicht gut aus. Ich glaube, ich habe den guten Doktor hier irgendwo gesehen."
J'Kolan merkte zu spät, dass sie aufmerksam hochfuhr. Ja, der Barkeeper schien tatsächlich eine Art Psychologie-Programm zu besitzen, wie er gerne behauptete. Naja, dazu braucht man sowas nicht, schätze ich.
J'Kolan trat aus der Nische und begab sich auf die Suche nach Commander Bador - und auch, als sie ihn gefunden und sich zu ihm an die Theke gesetzt hatte; auch dann noch sah sie sich immer wieder suchend um. Der Barkeeper trippelte mit seinen holographischen Fingerkuppen auf dem Tischchen herum und ließ sich einen holografischen Sekt herstellen. Er wartete noch ein paar Sekunden, dann aktivierte er das interne Kommunikationssystem. "Bug Fünf an Krankenstation."
"Lieutenant Gabe hier."
"Ah, Lieutenant! Gut, sehr, sehr gut. Können Sie mir vielleicht sagen, wo sich Doktor Rotal derzeit befindet?"
Yoshiki Takeruci hatte es sich bereits vor geraumer Zeit angewöhnt, Überstunden zu machen. Obwohl
das Schiff nicht mehr in akuter Gefahr schwebte - das "sichere" Raumgebiet der Föderation war längst erreicht - hielt er es für angebracht, den Jägerhangar zu überprüfen. Der Raum wurde bei den Gefechten mehrfach peripher getroffen. Das war nicht so schlimm, denn der Jägerhangar war naturgemäß stark gepanzert. Doch die Kraftfelder, die die Öffnung zum freien Raum schützte, hatten mehrfach Energie verloren. Versagt hatten sie zunächst nicht - doch am Ende konnten sie einem direkten Treffer nicht mehr standhalten.
Yoshiki erreichte das Ende von Deck 15, wo sich die Überreste des Jägerhangars befanden. Der Schuss, der durch die Kraftfelder gegangen war, hatte sich nicht durch die verstärkten Sektionswände gebrannt. Das war schon immer Yoshikis größte Angst gewesen, was die Verteidigung des Schiffes betraf: dass ein Treffer des Jägerhangars sich bis zum Maschinenraum fressen könnte - was bei einem optimalen Einschlagwinkel durchaus möglich war. Doch es hatte sich bei diesem Volltreffer um einen Querschläger gehandelt. Die Energie prallte von den Wänden ab und wurde in den Raum zurück reflektiert. Alle geretteten vulkanischen Zivilisten, die man dort notgedrungen untergebracht hatte, waren dabei zu schwarzer Kohlenstoffschlacke geschmolzen. Takeruci mochte Gefühle im Dienst nicht... aber das Wissen, dass in diesem Raum zweihundertfünfundsiebzig Personen gestorben waren - es war nicht angenehm. Selbst für ihn nicht. Der Commander erinnerte sich an ein unangenehmes Gespräch mit dem Chefarzt der Ares, einem Waraki namens Metek Rotal. Dessen Bruder war hier gestorben.
Hoffentlich stehe ich nicht gerade in irgend jemand!
Das war natürlich Unsinn. Als Takeruci das Deck betrat hatte sich bereits eine Medo-Crew darum gekümmert, die sterblichen Überbleibsel der Opfer ein zu sammeln, zu identifizieren und in Särgen aufzubaren. Das war, so grausam es sich für jeden an Bord anhörte, platzsparender als lebende Zivilisten. Es war kein Trost.
Der Hangar war ziemlich leer. In Wandnähe hatte jemand Trümmerteile aufgestappelt. Es gab Risse in den Wänden, und die Startrampe, die normalerweise nur durch ein Kraftfeld geschützt werden musste, war zur Zeit mit einem Atmosphären-Schott versiegelt. Die Schile waren aktiv und schienen auch zu halten, doch man konnte bei solchen Schäden nie sicher sein.
Takeruci sah nach rechts und sah dort einen Techniker. Er trug einen grünen Overall mit Abzeichen, die nicht zur Ares gehörten. Vermutlich einer der Geretteten.
"Wie ist die Lage, Crewman?", fragte Takeruci. Er wusste es wirklich nicht. Das Aussehen der Hangarwände war nicht so aufschlussreich wie ein Bericht.
"Die Kraftfelder halten, Commander, und wir sind dabei, die Lücken in der Hülle zu schließen."
"Gut.", sagte der Commander und wollte sich abwenden.
"Äh, Commander? Da wäre noch etwas."
"Ja?"
"Commander, ich... ich weiß nicht... wieso."
"Das weiß niemand, Crewman."
Der Techniker sah ihn ausdruckslos an.
"Aye, Sir."
Um ein Uhr Bordzeit wurde der einsame, schweigsame Techniker von einem ganzen Trupp abgelöst - die Frühschicht war neu eingeteilt worden, jetzt, nachdem man das Problem mit dem Lebenserhaltungssystem auf Deck 16 in den Griff bekommen hatte. Takeruci fühlte sich wieder wie zur Zeit der Neuausrüstung. Alle paar Stunden fiel ein wichtiges System aus.
Um halb drei war Takeruci der Ansicht, die Techniker würden auch ohne seine Kenntnisse auskommen. Müde verließ er das Hangardeck.
Die letzten Crewmitglieder der Lucky Bastard hatten Bug Fünf verlassen und waren auf ihr Schiff zurückgekehrt, das vor wenigen Minuten abgelegt hatte. Metek Rotal verließ Bug Fünf mit einem dumpfen Gefühl im Kopf und einem betrunkenen Lieutenant im Schlepptau. Endlich was zu tun, dachte er. Nachdem, was mit Mikt'haal passiert ist.
"Doktor?"
In seinen Gedanken versunken hatte Rotal tatsächlich vergessen, dass eine betrunkene J'Kolan an seinem Arm hing. Die Xindi war ihm hinterher gelaufen, seitdem er Bug Fünf wegen eines medizinischen Notfalls betreten hatte. Davor hatte der holografische Barman sie mit einer ungesunden Menge Alkohol abgefüllt. Barkeepers Programm beinhaltete vermutlich nicht viele Informationen über den Xindi-Körper: Reptilianer vertrugen keine größeren Mengen Alkohols, und J'Kolan schien schon nach einem halben Glas Rotwein weiße Mäuse gesehen zu haben.
Das war vermutlich der Grund, weshalb Rotal eine Stunde lang versucht hatte, J'Kolan wieder aus der Jeffreysröhre zu locken.
"Dokto-or!"
Rotal versuchte, seine Patientin zu stützen.
"Ganz ruhig, Lieutenant."
"Nennen Sie mich J-ey..."
J'Kolan stolperte - gab es zumindest vor - und riss den Arzt zu Boden. Sie landete hart auf seinem Körper. Ihre Schuppen, deutlich unter der Uniform zu spüren, kratzten an der ledrigen Haut unter seiner eigenen Jacke. "Lieutenant..."
"Doktor...?"
J'Kolan begann, an Rotals Augenwülsten herumzustreicheln. Vielleicht dachte J'Kolan, die Dinger hätten die selbe Funktion wie Ferengi-Ohren, doch das Berühren der Wülste rief bei Rotal ein unangenehm stechendes Gefühl hervor. Vorsichtig nahm er J's Hand und entfernte sie von den sensiblen Organen, die, wenn nicht unterdrückt, den derzeitigen Gemütszustand eines Warakis anzeigten.
"Lieutenant?"#"Doktor?"
"Sie sind betrunken."
"Bin ich nicht!"
"Sind Sie."
"Naja, vielleicht ein kleines Bisschen..... ist das denn schlimm?"
"Ja. Das ist es."
Doktor Rotal rollte J'Kolan zur Seite und stand auf. Gerade als ein ziviler Wissenschaftler um die Ecke kam klopfte er sich die Kleidung ab. Rotal nickte dem Wissenschaftler höflich zu; zur Abwechslung wurde ihm ebenfalls ein Kopfnicken gewährt. Rotal wandte sich wieder seiner Patientin zu. Eigentlich wollte er ihr die Hand reichen und ihr beim Aufstehen behilflich sein. Doch J'Kolan hatte sich bereits eingerollt und schnarrchte lauter als der Warpkern, der zehn Decks unter ihnen vor sich hin brummte und für eines der charakteristischen Hintergrundgeräusche des Raumschiffes sorgte.
Rotal baute sich vor der Reptilianerin auf und starrte auf sie hinab. Xindi Reptilianer waren allgemein schwerer als sie aussahen, aber die Lieutenant war ihm vorher gar nicht so schwer erschienen. Doch da hatte er eigentlich nur die Schmerzen an seinen Augenwülsten gespürt. Sie waren sehr empfindlich.
Ächtzend griff der Arzt ihr unter die Achseln und stemmte sie hoch. Uff! Doch ziemlich schwer.
"Ah, Doktor?", fragte jemand hinter ihm. "Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?"
Die immer noch ziemlich laute Grunzgeräusche von sich gebende Xindi in den Armen drehte Rotal den Kopf so weit es eben ging nach hinten. Im Gang stand Chief Bador. Er hielt eine Flasche in der linken Hand; Synthehol, soweit es Rotals feine Nase feststellen konnte.
"Ja, eine hilfreiche Hand wäre nicht unangebracht." J'Kolan murmelte etwas, und Rotal hatte Schwierigkeiten bei dem Versuch, sie nicht fallen zu lassen. "Oder zwei."
Nachdem Rotal und Bador die Lieutenant auf der Krankenstation untergebracht hatten bot der Arzt dem Chief noch an, ihn in sein Büro zu begleiten. Rotal ließ sich schwer in seinen Stuhl fallen. Es war ein replizierter, speziell an seinen Körper angepasstes Modell, denn es gab keinen Standartstuhl für Waraki. Dafür gab es in Starfleet zu wenige. Genau genommen war Rotal jetzt, nach dem Tod seines Bruders, das einzige dienende Mitglied seiner Spezies.
Bador setzte sich in einen der beiden Stühle gegenüber. Die Flasche stellte er behutsam auf dem Tisch ab. Er hörte das Geräusch beim Aufsetzen des Behältnisses, und bedächtig fuhren seine Finger über die Tischplatte. Erstaunt blickte er den müden Waraki an.
"Ist das Holz?"
"Ja."
Erstaunt schüttelte Bador den Kopf. "Eine Maßanfertigung, nehme ich an. Mein Vater hat sich sehr für Bäume interessiert." Bador lächelte gedankenverloren.
"Commander?"
"Doktor?"
"Darf ich Ihnen eine Frage stellen?", sagte Rotal dann.
"Immer raus damit."
"Haben Sie Familie?"
"Ja. Eine Frau und zwei wundervolle Kinder. Warum fragen Sie?"
"Ich musste gerade an meine Verwandten auf Wa'rak denken. Sie haben mir geschrieben."
"Oh. Das mit Ihrem Bruder tut mir... tut mir wirklich leid." Bador beugte sich über den Tisch und legte dem Arzt die kräftige Hand auf die Schulter. "Ich bin kein guter Redner, aber ich kann zuhören. Wenn Sie reden wollen.... oder ich den Replikator dazu überreden soll, echten Alkohol auszuschenken.... kommen Sie einfach zu mir."
"Das ist reizend, Chief, aber das Alkoholproduktionsverbot hat schon seinen Sinn. Wo wir schon dabei sind: Bolianer sind ebenfalls reptilischer Abstammung, und Sie haben schon einiges getrunken."
"Ja, aber nur Synthehol.", sprach's und hielt die Flasche hoch. "Das ist doch nicht so schlimm."
Bador setzte die Flasche an die Lippen, hielt inne, fragte den Doktor, ob er auch etwas abhaben wolle (der verneinte) und leerte den Rest in einem Zug. "Wissen Sie, was wirklich schlimm ist? Starfleet will die Ares auseinander nehmen. Die vermuten einen Konstruktionsfehler im DWK. Ist das nicht lächerlich? Im DWK!"
"Ist das so abwegig? Soweit ich weiß hat die USS Leatherskin den Probeflug nicht überstanden."
"Ja ja, aber das war die Leatherskin. Die Justierung hat damals irgendein Wissenschaftsoffizier durchgeführt, der nicht die Spur einer Ahnung vom DWK hatte. Unser DWK ist von mir höchst selbstpersönlich rekonfiguriert worden. Diese Überprüfung ist eine einzige Beleidigung..."
Rotal roch den Syntheholgehalt, der aus Badors Mund kam. Er hatte für einen Bolianer eine eindrucksvolle Trinkfestigkeit bewiesen.
„Nun ja, ich...“, setzte Rotal an, überlegte es sich dann aber anders. „Sie sollten sich vielleicht in Ihr Quartier zurückziehen, Chief.“
Am 29. September 2426 erreichte die USS Ares die Um- und Aufrüstungsstation Meridian Station. Der holografische Barkeeper stand an seinem Tresen und reinigte ein leeres Weinglas. Vor ihm saß Commander Bador an der Bar und ließ gedankenverloren seinen Drink kreisen. Der Barkeeper hob langsam den Kopf. Irgend etwas hatte ihn verstört. Behutsam setzte er das Glas ab, drehte sich zu den riesigen Bugfenstern um und starrte hinaus ins All. Die Orbitstation Galileo kam langsam in Sichtweite. Bador schaute auf und blickte das Hologramm fragend an. Der Barkeeper zuckte mit den Achseln, lächelte Bador an und freute sich seines Lebens.
12. Oktober 2426
USS Ares NCC 100431
Dockingstation Meridian Station
"Nein. Nein! NEIN! Nein, sage ich!"
"Aber Sir... Sie haben das so angeordnet!"
"Ich habe Ihnen sicher nicht gesagt, dass Sie diese Energiekupplungen mit dem Materie-Antimaterie-Verteilungspuffer verbinden sollen! Wollen Sie uns in die Luft jagen?"
Der junge Fähnrich hob hilflos die Arme. "Chief, Sie haben Standartanordnung verlangt; das ist die Standartanordnung!"
"Ja, aber Standart ist schlecht. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht?"
"Äh, nein Sir. Der Standart ist doch dafür da, dass man nicht über ihn nachdenkt."
Chefingeneur Commander "Chief" Bador hielt dem Fähnrich den erhobenen Zeigefinger unter die Nase - diese Geste hatte er dem THN abgeschaut -, eilte zum nur teilweise montierten Warpkern und öffnete eine ziemlich große Wartungsklappe. Er winkte den Fähnrich heran und deutete wild in die mechanischen Eingeweide. "Sie wollten die Geschichte sicher standartgemäß an den Energiekonverter anschließen, hab ich recht?"
"Aye, Sir."
"Dann zeigen Sie mir doch bitte, wo Sie hier einen Energiekonverter sehen."
Der Fähnrich legte das Datapad ab, rubbelte sich die Hände und deutete... nirgendwohin.
"Äh... Chief?"
"Ja?"#"Da, äh, da ist kein... da ist kein...
"Da ist kein Energiekonverter.", vervollständigte Bador den Satz und riss ein Stromkabel aus dem Verteilungspuffer. Das knisternde Teil hielt er dem zitternden Fähnrich ins Gesicht. Er war so verängstigt, dass er nicht einmal zurückwich.
"Beim ersten Probelauf hätten wir Vakuum geatmet!"
"Sir, ich bin untröstlich..."
"Das sagen sie hinterher alle. Jetzt gehen Sie endlich und lesen sich die Betriebsanleitung für den neuen Warpkern durch. Morgen helfen Sie bei der Anpassung."
Der Fähnrich strahlte ob dieser Geste der Freundlichkeit. "Jawohl, Chief!"
"Danach säubern Sie sämtliche Energiekupplungen der Decks 4 bis 15."
"Oh. Jawohl, Sir."
Der Fähnrich verließ den Maschinenraum. Bador sah ihm nicht nach, schüttelte aber den Kopf - wieder eine Bewegung, die er sich von den Menschen geliehen hatte.
<<Ich habe zu viel Zeit unter Terranern verbracht.>>, dachte er.
Bador kletterte wieder in die Luke, in der er zuvor gearbeitet hatte. Bunte Lichter tanzten über die Programmtafeln. Das Diagnoseprogramm aus den Starfleet-Dateien war quasi nutzlos. Bador hatte schon mehrmals in der letzten Woche ein Update für den neuen Warpkern angefordert - bis jetzt war er stets leer ausgegangen. Daher hatte er in der vorangegangenen Nacht ein eigenes geschrieben. Vielleicht war das der Grund dafür, dass er den Fähnrich so angeschrien hatte. Das entsprach nicht seiner Natur. Wütend wurde er nur, wenn er wirklich, wirklich wütend oder sehr, sehr überarbeitet war.
Im Augenblick traf beides zu. Er gähnte herzhaft und ließ das Pad fallen.
Captain Trat wollte zum Ende der Tagschicht einen vorläufigen Bericht. Natürlich mit allem Drum und Dran. Bador scheute sich davor, seiner alten Freundin mitzuteilen, dass die Ares wohl nicht flugtauglich war, bevor nicht - wenigstens! - drei weitere Tage ins All gezogen waren. Er hätte nichtmal gewusst, wo er mit seiner Schimpftirade ansetzen hätte sollen. Das meiste hatte seine Crew hinbekommen, wie die Schilde, die Lebenserhaltung und das Problem mit der verflixten Schwerkraft auf Deck 16. Aber die Komponenten, aus denen sich der neue Warpkern zusammensetzte, schienen sich gegen ihn verschworen zu haben.
Mürrisch kroch Bador wieder aus dem Tunnel, setzte sich auf eine sinnlos herumstehende Kiste und betrachtete das merkwürdige Gebilde, das den Raum dominierte.
Dies war bereits die dritte Art Kern, die für die Ares angefertigt worden war. Der neue Kern wurde einfach nur Warptriebwerk genannt, hatte nichts mehr mit den Deflektoren zu tun - die ausserhalb eines Büros nie funktioniert hatten - und beschleunigten das Schiff immerhin auf Warp 15 der neuen Warpskala. Damit war die Ares nur noch oberes Mittelmaß in einer Raumflotte, in der das neue Modul zum Standart geworden war. In zwei, vielleicht drei Jahren würde niemand mehr die alte Skala benutzen, Kadetten sie gar nicht mehr lernen müssen. Bador erschauderte.
<<Die Technik, die Technik...>>, sinnierte er und fischte ein ebenso eingepacktes wie platt gedrücktes Sandwich aus der Tasche seines Overalls.
"Mahlzeit."
Bador war froh, noch nicht abgebissen zu haben. An sonsten hätte er sich sicher verschluckt. Er drehte sich auf seiner wackeligen Kiste um und konnte seinen Augen nicht trauen.
"Johnson?", fragte er ungläubig. "Sie lassen dich immer noch auf echte Raumschiffe?"
"Sicher", antwortete Johnson und ließ sich Bador gegenüber an der Wand zu Boden sinken. Dankbar nahm er die abgebrochene Sandwich-Hälfte von Bador entgegen. "Ein paar Leute fanden meine Ideen ganz großartig. Die haben mich davor bewahrt, entlassen zu werden."
"Hat wohl im Bezug auf Degradierung nichts genutzt", meinte Bador kauend. Johnsons Rangkommunikator zeigte nur noch den einsamen Balken eines Fähnrichs. Trotzdem kicherte er.
"Hey, immer noch besser als das hier."#Johnson sah sich demobstrativ im Maschinenraum um. Bador folgte seinem Blick. Und räusperte sich.
"Tja, jede Medaille hat zwei Schatten.", sagte er.
"Seiten.", verbesserte Johnson und biss in sein Sandwich.
"Wie auch immer."
Die beiden Offiziere saßen eine ganze Stunde nur herum und sprachen über die Zeit der Umrüstung, an der sie gemeinsam gearbeitet hatten. Bador, der dem Haupteingang den Rücken zugewandt hatte, überhörte das Zischen der Schotts. Johnson verschluckte sich fast, als zwei ranghöhere Offiziere eintrafen und sich hinter Commander Bador aufbauten. Sie blickten auf den kauenden Ingeneur herab, und die kleinere Gestalt hinderte immer wieder die größere daran, völlig die Nerven zu verlieren. Johnson sah belustigt zu. Irgendwann roch auch Bador den Braten.
"Da steht doch wer hinter mir.", stellte er fest.
"Ja.", pflichtete ihm Johnson bei.
"Will ich mich umdrehen?"
"Halbe, halbe, würde ich sagen."
Mit einem Gesichtsausdruck, als hätte er gerade in eine faule Leolawurzel gebissen, legte der Bolianer sein Mittagessen auf den Boden, stand auf und drehte sich um.
"Unterhalten Sie sich auch gut, Commander?", fragte der Erste Offizier Yoshiki Takeruci finster. Seine linke Braue zuckte, wie immer, wenn er am liebsten seine Uniform abgelegt und statt dessen Boxhandschühe angezogen hätte. Captain Sarah Trat legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.
"Ich habe Ihnen doch bereits gesagt, dass der Chief hier seine gesamte Freizeit verbringt; da kann man eine kleine Pause durchaus tolerieren."#"Das stimmt!", rief Johnson dazwischen, stand kurz auf und reichte Trat die Hand. "Crewman Daniels hat mir erzählt, man hätte ihm eine private Toillette zugewiesen."
"Eine priv.... SIE!"
Takerucis Finger durchbohrte die Luft in dem Bereich, der eine gerade Linie zwischen ihm und Fähnrich Johnson beschrieb. Der Fähnrich wand sich, lächelte unverbindlich, salutierte... und lief davon. Takeruci rief ihm ein wildes "Dageblieben!" nach und rannte hinterher.
"Hat der Commander was falsches gegessen?", fragte Bador und umarmte Sarah.
"Nicht das ich wüsste. Aber ich kann Doktor Rotal fragen." Sie lächelte. "Ich habe gehört, du überarbeitest dich hier."#"Ach, Sarah, sieh dich doch einfach mal um."#Die Captain tat wie geheißen. Der riesige Raum, in dem es normalerweise glänzte und blitzte, war richtiggehend zugemüllt. Die Einzelteile des neuen Warpkerns lagen ebenso herum wie diverse andere Gerätschaften und mindestens dreißig EPS-Verteiler. "Sah schon mal besser aus, da hast du recht."
"Das ist gar kein Ausdruck. Stell dir mal vor, du kommst aus dem Urlaub und findest dein Schiff halb ausgeschlachtet vor. Was Johnson gesagt hat war kein Scherz. Ich hab mich in meinem Büro einquartiert."
"Oh, hast du endlich ein paar Möbel reingestellt?"
"Sicher."
Bador führte sie zum Schott, das in sein kleines Reich führte. Der breiten Konsole und dem Schiffsdisplay hatten sich zwei weiche Stühle in der Ecke, ein Hocker für die Tastatur und ein am Boden ruhender Replikator gesellt. Das Dämmerlicht, dass früher geherrscht hatte, war Bador schon immer ein Dorn im Auge gewesen - Bolianer brauchten normalerweise mehr Licht, um ihre Sehfähigkeiten voll auszuschöpfen. Sarah und Bador ließen sich in den Stühlen nieder, wobei Bador denjenigen belegte, der direkt an der Wand stand. Die Lehne war nicht richtig montiert.
"Also. Wie lief's daheim?"
Bador schwieg. Das Sandwich rotierte zwischen seinen ruhelosen Fingern.
"Nicht so gut", stellte Sarah fachmännisch fest.
Bador gestikulierte wild in der Luft herum und sank wieder zusammen.
"Telus hat geheiratet."
Sarah schien beleidigt. "Und ich war nicht eingeladen?"
"Nein."
"Wieso denn nicht? Ich wäre gerne dabei gewesen."
"Ich auch."
"?"
"Sie hat heimlich geheiratet."
"!"
"Hab ich auch gesagt."
"Wann ist denn das passiert?"#"Vor drei Monaten."
Stille. Sarah wusste nichts zu sagen. Bador wollte nichts sagen. Daher sagte niemand etwas. Bis Sarah vorschlug, sich in den Bereitschaftsraum des Captains zurückzuziehen. Keine fünf Minuten später saßen sie dort. Das hieß, nur Sarah saß. Bador lag auf der Couch und starrte an die Decke. Vor dem riesigen Fenster, das fast die gesamte Aussenwand einnahm und sich gegenüber des Arbeitstisches befand, drehte sich der Planet Meridian IV. Auf der Oberfläche gab es viele kleine Seen, die aus dem Orbit gerade noch erkennbar waren. An manchen Stränden lagen gerade viele ihrer Offiziere und sonnten sich. Die einzigen Ausnahmen, ausser Lieutenant Commander Seth, die ihren Urlaub vor drei Tagen beendet hatte, waren wohl die Turteltäubchen Metek Rotal und J'Kolan. Die beiden reptilodien Offiziere hatten sich auf einen, nun, sagen wir, ungewöhnlichen Urlaubsort geeinigt.
"Ist es dir auch nicht zu dunkel?", fragte Rotal besorgt. Ohne auf eine Antwort zu warten programmierte er die Umweltkontrollen auf eine um zehn Prozent höhere Lichtintensität. Schnell überprüfte er die Wärmelampen in der Decke. "Ich habe gehört, Xindi bevorzugen helles Licht..."
J'Kolan gab ein leises, aber ambitioniertes Kichern mittlerer Lautstärke von sich. "Eigentlich, ähm, bevorzugen wir raucherfüllte Dunkelheit."
"Oh - oh, das kriege ich hin, ganz sicher. Ich muss nur..."
"Lass das Licht hell. Und komm zurück auf den Felsen." Sie tippte neben sich auf den großen, flachen, rotglühenden Stein. "Dieses Reptil ist ein wenig einsam. He... he...."
Rotals Augenwülste legten sich enger an seine Stirn und verfärbten sich in ein tiefes Grün. Sein Schweif tanzte vergnügt durch die Luft. Mit einer Handbewegung machte er die letzte Eingabe unwirksam; das Quartier wurde wieder dunkler. "Dein Wunsch ist mir Befehl."
Rotal schlenderte zurück zu seinem Schlaffelsen. Für einen Menschen wäre es eindeutig zu dunkel gewesen, doch sowohl J'Kolan als auch Rotal sahen in der Dunkelheit ausgezeichnet. Er ließ sich neben Jay nieder. Sie trug weite Freizeitkleidung, dünn und luftig. Im Gegensatz zu ihr pflegte der Waraki, in seinem Reich die lästige Kleidung abzustreifen. Er nahm die Wärme über das Licht auf. Ausserdem war die lederartige Hautschicht der Waraki wesentlich dicker, als es bei dem schlanken Körperbau der Fall sein dürfte. Und da Waraki keinerlei äusseren Geschlechtsorgane besaßen, die nicht von beweglichen Schuppen verdeckt waren, kannten sie auch kein Schamgefühl. Was in den ersten Jahren auf der Erde nicht immer von Vorteil gewesen war.
"Du hättest mir dein, äh, Quartier schon viel früher zeigen sollen. Dieser Felsen ist so viel bequemer als mein Standartbett!"
J'Kolan war ganz begeistert. An terranische Einrichtung war sie gewöhnt, seit sie bei ihren Ersatzeltern aufgewachsen war, die in einer von der Föderation verwalteten Xindi-Kolonie wohnten. Sie wusste, dass Xindi Reptilianer für gewöhnlich harte Matrazen für ihre bettähnlichen Nester bevorzugten, doch sie war überrascht, wie sehr sie sich auf dem harten Stein wohl fühlte.
"Hast du Hunger?", fragte Rotal.
"Du bist eine, äh, besorgte Glucke.", sagte Jay und kicherte.
Rotal lächelte unsicher, bleckte dann aber liebervoll seine imposanten Reißzähne. "Soll das jetzt eine Beleidigung sein?", fragte er.
"Nein! Nein. Das hat der Chief gesagt."
"Und du gibst ihm recht?", fragte Rotal amüsiert.
"Ähm, nun, ja. Ich habe die Redensart in der Datenbank abgefragt."
"Und was kam dabei heraus?"
"Du bist eine besorgte Glucke."
"Das sagtest du bereits."
"Ja, aber...", begann sie, zuckte dann hilflos mit den Armen. Rotal setzte sich auf und sah ihr in die Augen.
"Gehe ich dir auf die Nerven?"
Stille.
"Nein...", sagte sie dann.
"Gut, ich dachte schon..."
"...aber eigentlich doch."
"Also das musst du mir jetzt erklären."
J'Kolan breitete die Arme aus. "Naja, du fragts ständig, naja, ob ich irgend etwas brauche, und so..."
Rotal blinzelte verwirrt. Seine Augenwülste wurden knallrosa. "Sollte ich das denn nicht?"
"Naja, ähm, im Moment brauche ich eigentlich nur dich."
"Oh. Oh! Tja, also, ähm, hm, äh..."
Jay packte Rotal an der Schulter und zog ihn wieder zurück auf den Felsen.
Von einem Augenblick auf den anderen war es heller im Quartier. Das Schott zum Korridor war aufgeglitten. In der Öffnung stand ein Mann im Overall der technischen Abteilung. Er schien voll auf ein Datapad in der einen Hand und auf einen Kaffeebecher in der anderen fixiert zu sein. Er bemerkte die beiden reptiloiden Offiziere nicht. Diese wiederum lagen stumm auf dem Felsen und sahen dem Mann zu, als er langsam ins Quartier kam, offenbar einen Bericht oder Auftrag lesend. Dann stolperte der Ingeneur über einen Gegenstand; Rotal vermutete, dass ihm ein Aktenkoffer im Weg stand. Rotal hatte viele von diesen Dingern herumstehen. Die beiden zuckten mitfühlend zusammen, als der Mann lautstark auf dem Deckboden aufschlug.
"Au! Computer, Licht!"
Die obligatorische peinliche Stille folgte, nachdem der Mann aufgesehen hatte. J'Kolan winkte ihm zögernd zu. Rotal sah sie dabei merkwürdig an, zuckte mit den Schultern und tat es ihr gleich.
"Doktor", stellte der Mann fest.
"Ja."
"Lieutenant", vervollständigte der Ingeneur.
"Äh, hallo..."
"Ich... ich sollte wohl wieder gehen, oder?", fragte der Mann, rappelte sich auf und näherte sich rückwärts dem Schott, ohne auf die offensichtliche Antwort zu warten.
"Ja, das wäre eine ausgezeichnete Idee, Crewman. Und morgen kommen Sie zu mir und lassen sich ihren Kopf durchleuchten." Rotal grinste ein fieses Lächeln. "Nur für den Fall."
"Ähm, aye, Sir. Auf Wiedersehen, Sir. Bis Morgen. Ma'm..."
Der Ingeneur hob einen imaginären Hut zum Gruss und war weg. Das Schott schloss sich wieder.
Rotal räusperte sich. "Computer, Eingang abschließen."
< Bestätigt. >
Dann sahen sich das Pärchen an. Und beide lachten.
12. Oktober 2426
Dockingstation Meridian Station
Sektor Drei Drei Eins
Die ruhige, beinahe sanfte Stimme des Staffelkommandanten drang aus den Komsystemen. Sie wurde, wie alle anderen auch, von Frequenzstörungen und gewollten Verzerrungen überlagert und war kaum zu erkennen, als er den Befehl gab.
"Alle Jäger bereit machen."
"Rot 10 bereit."
"Rot 7, bereit."
"Rot 3 bereit!"
"Rot 6 bereit."
"Rot 9 bereit."
"Rot 2 bereit."
"Rot 6 bereit."
"Rot 5... bereit."
"S-Flügel in Angriffsposition."
Links und rechts der Pilotenkanzel des fremdartigen Raumschiffes klappten die vier Flügel auseinander. Von vorne gesehen bildeten sie eine Art X, was dem kleinen Raumjäger seinen Namen eingebracht hatte: X-Flügler, gemeinhin auch als X-Wing bekannt.
Der Anblick der vier langen Laserkanonen, die an den Enden der Tragflächen angebracht waren, war imposant. Aber nicht so beeindruckend wie das gigantische Gebilde, das sich von vorne näherte. Natürlich war die Reisegeschwindigkeit des kleinen Raumjägers viel geringer als das... Ding, dass da auf sie zugekrochen kam, aber das war nicht so offensichtlich. Denn die Langsamkeit des Gegners kam nur von der Größe.
"Seht euch an wie groß das Ding ist!"
"Keine Privatgespräche! Auf Angriffsgeschwindigkeit gehen."
Der Pilot von Rot 5 trat ein wenig stärker aufs Pedal. Sofort erhöhte sich die Geschwindigkeit der Maschine, und nach wenigen Sekunden füllte das Ziel das gesamte Sichtfenster ein.
"Angriff auf den Todesstern beginnt.", meldete Führer Rot auf dem offenen Kanal. Vermutlich sprach er mit der Kommandozentrale, die für Rot 5 nicht hörbar war. Führer Rot schien einen Wortwechsel mit ihr zu führen.
"Verstanden, General. Führer Rot an Staffel Rot. Wir halten uns zurück und geben Gruppe Gold Geleitschutz. Nehmt euch für's erste die Geschütztürme vor."
Zustimmende Kommentare drangen aus dem Komgerät. Die Staffel brach aus einander, als sich jeder Rotte, aus je drei X-Flüglern bestehend, sich ihre Ziele selbst aussuchte. Rot 5 sah sich nach einem bestimmten Ziel um. Irgendwo... Ja.
Rot 5 drehte ohne Vorwarnung ab und nahm Kurs auf eine Rotte X-Flügler, die sich einem riesigen Abwehrturm, vollgepackt mit dutzenden Turbolasern, näherten.
"Rot 5, in der Gruppe bleiben!"
Rot 5 antwortete mit einem Protonentorpedo. Das Geschoss flog geradewegs auf den Abwehrturm zu. Einer der Piloten meldete Laserzielerfassung... und jubelte, als sie wieder verschwand. zusammen mit dem Abwehrturm, dessen Trümmer auf die Oberfläche des Todessterns regneten.
"Luke, zurück in Formation!"
"Geht klar, Biggs."
Rot 5 machte kehrt und schloss sich wieder seinen Flügelmännern an. Der Pilot, dem Rot 5 das Leben gerettet hatte, machte eine Ehrenrolle und verschwand dann in einem längeren Graben.
"Hier 2, registriere mehrere Kampfjäger auf Abfangkurs."
"Das sind TIEs", stellte jemand fest. "Und zwar ganz schön viele."
"Sie kommen aus allen Richtungen!"
"Nicht die Nerven verlieren, 7!."
"Führer Rot an Gruppe Rot. Feuer frei auf die TIEs. Wiederhole: Feuer frei! Schützt Staffel Gold!"
Die Roten bestätigten und nahmen Kurs auf die winzigen, praktisch unsichtbaren feindlichen Kampfjäger. Rot 5 machte sich keine Gedanken über die merkwürdigen Konstruktionen. Er kannte ihre Stärken und er kannte ihre Schwächen. Rot 5 schoss wieder aus der Formation und aktivierte seinen Zielcomputer. Schnell war der erste TIE in der Peilung. Die vier gekoppelten Laser durchschlugen das Cockpit des Gegners, töteten den Piloten. Der Jäger stürzte ziellos ins Leere. Rot 5 wandte sich dem nächsten Ziel zu. Wütende Befehle schlugen ihm aus dem Kom entgegen. Rot 5 deaktivierte es. Er flog ausserhalb der Formation und suchte gezielt nach seinen Kameraden. Drei von ihnen bewahrte er vor dem sicheren Tod, in dem er ihnen am Heck hängende TIEs wegschoss. Nach wenigen Minuten wich der harte Ton des Staffelführers - er war mitlerweile gefallen - einem wahren Meer aus jubelnden Stimmen. Rot 5 bemerkte, dass auch andere Piloten die Taktik übernahmen, auf ihre Flügelmänner pfiffen... und praktisch aus dem Nichts auftauchten, sobald sich ein aufmüpfiger TIE einen scheinbar einsamen X-Wing als Ziel aufsuchte. Rot 5 indess hatte nichts anderes erwartet. Als er sah, dass der Kampf ausgesprochen gut für die Rebellenallianz verlief, rief er seine Rottenkollegen.
"Wedge, Biggs, ich gehe runter. Starte Angriff auf den Auslassschacht."
"Negativ, Luke! Das ist die Aufgabe von Staffel Gold!"
"Staffel Gold hat keine Chance. Ich gehe runter. Kommt mit oder lasst es bleiben."
Ein verärgertes Grummeln kam aus dem System. Aus den Augenwinkeln sah Rot 5 zufrieden, dass sich zwei weitere Maschinen seinem Sinkflug anschlossen.
"Die lassen dich nie wieder ins Cockpit!", stellte einer der Piloten fest.
"Abwarten."
Die Oberfläche des Todessterns kam immer näher. Näher... Näher...
Aus dem Komsystem kam ein lauter Schrei. Irgendwo weit vorne im Graben gab es eine Explosion. Sie sah von hier aus recht klein aus, doch sie musste ziemlich gewaltig gewesen sein. Rot 5 überkam ein ungutes Gefühl.
"Da stimmt was nicht.", sagte jemand. Sofort nachdem der Satz zu Ende war hörte man nur noch Rauschen.
"Gold 5 an Staffel Rot! Angriff fehl geschlagen! Wiederhole, Angriff fehl geschlagen! Wiederhole den...-" Der Kontakt endete, als Gold 5 abgeschossen wurde.
"Staffel Rot, hier Kommandozentrale. Angriff auf die Öffnung beginnen."
Rot 5 war bereits im sogenannten Todessterngraben. Er flog ein paar dutzend Meter vor seinen Begleitern. Er wusste, was aus ihnen werden würde.
"Rot 5 an Staffel Gold. Wir brauchen Geleitschutz."
Die beiden Überlebenden von Gruppe Gold meldeten sich sofort.
"Gold 7 an Rot 5. Gebe euch Deckung."
"5, hier Gold 3. Bin dabei."
Zwei weitere Jäger gesellten sich in ziemlichen Abstand hinter sie. Die fünf Jäger rauschten durch den Graben und wichen gekonnt Laserschüssen aus kleineren Türmen aus... bis diese plötzlich den Betrieb einstellten.
"Rot 5 an Gruppe Gold. Da kommen drei TIEs von oben. Seit wachsam und zielt auf den Anführer."
"Bestätigt."
"Aye Sir!"
"Jawoll!"
"Wird ge..."
"Da kommen sie! Wir haben Gold 7 verloren!"
Einer von Rot 5s Begleiter schaltete auf Gegenschub, rotierte auf der Stelle - ein wirklich gewagtes Manöver - und jagte auf die TIEs zu.
Rot 5 kümmerte sich nicht darum. Sein Ziel war einzig und allein die Auslassöffnung, nicht einmal zehn Kilometer voraus...
Etwas pochte gegen das Steuerbord Seitenfenster. Rot 5s Herz sackte ihm in die Knie. Beinahe hätte er aus einem Reflex heraus den Steuerknüppel nach links gedrückt - doch dann wäre er direkt gegen die Wand des Todessterngrabens geknallt. Er wollte sich schon als getroffen melden... da hörte er es wieder. Ungläubig sah er nach rechts.
"Sind Sie dann fertig mit Räuber und Gendarm spielen?", fragte Lieutenant Commander Lucia Seth und sah den Pilot Rot 5 belustigt an. Sie stand vor dem Fenster, verschränkte gerade die Arme vor der Brust und war sichtlich amüsiert.
"Lassen Sie mich in Ruhe, ich habe Dienstfrei.", presste Flight Officer Commander Andrew Gribeth hervor und konzentrierte sich auf den Graben. Der Zielcomputer zeigte eine Distanz von fünf Kilometern. Vier. Drei. Zwei.
"Sie haben den Check Up vergessen.", stellte Commander Seth fest. Sie hatte es sich auf einer der schiefen Tragflächen bequem gemacht.
"Sie versauen mir alles! Ich bin gleich für Sie da, aber jetzt.... NEIN!"
Während eine körperlose Stimme Andrew dazu aufforderte, der Macht zu vertrauen, stand Seth auf und schlenderte zum Bug des Schiffes - wo sie sich draufsetzte und Gribeth die Sicht versperrte.
"Computer, Programm sofort einfrieren!"
Er war zu langsam. Das Holodeck pausierte genau in dem Augenblick, in dem Gribeths X-Flügler ein paar Meter zu tief gegangen war. Vor seinem Pilotensitz machte sich eine stocksteife, regenbogen farbene Explosion breit, die fast seine Füsse erreicht hatte.
"SIE!"
"Ich."
Andrew sprang aus der Kanzel und deutete energisch mit dem Finger auf Seth, die mitten in einer Stichflamme saß. "Das war ein fast perfekter Flug! Ich hab nur drei Mitglieder meiner Staffel verloren! Sie haben mir alles zunichte gemacht!"
"Hm..." Sie schien schuldbewusst. "Macht nichts." Sie schien eben nur schuldbewusst.
"Ach, verdammt Scheiße, in den Arsch eines Banthas zurückgeschoben!", fluchte Gribeth (nun ja; das ist nur die entschärfte Version des Spruches, den Gribeth zum Besten gab; wirklich stark modifiziert. Immerhin könnten das Kinder lesen...) und warf seinen Helm auf den Boden - in diesem Fall der des Todessterngrabens, auf dem der Jäger eine Bruchlandung hingelegt hatte.
Seth rümpfte die Nase. "Jetzt sagen Sie bloß noch, Sie sind stolz auf sich. Ich hab beim zweiten Anlauf alle elf gerettet. Und jetzt kommen Sie endlich. Die neuen Kampfshuttles sind da."
13. September 2426
USS Ares NCC 100431
Sektor Drei Drei Eins
Am Morgen dieses Tages, der recht ereignisreich werden sollte, fand ein recht langweiliges Meeting der Technischen auf dem Programm. Bador saß zusammen mit den Sektionsleitern am runden Tisch des Konferenzraumes auf Deck 15 und hörte sich an, wie seine Untergebenen über die schlechte Arbeit jammerten, die das Personal von Merdian Station leistete. Bador konnte es ihnen nachfühlen. Er selbst hatte auf ein paar seiner Spaziergänge durch das Schiff eklatante Mängel festgestellt und sie sofort behoben.
Der Chefingeneur ließ seine Gedanken treiben...
Die Sache mit seiner Tochter Telus war ihm nicht egal. Auf Vordia geschah in Sachen Heirat nichts bevor der Vater der Braut nicht wenigstens in Kenntniss gesetzt wurde. So, wie Bador seine Frau Arania kannte, musste Telus gewaltige Überredungskunst aufgewendet haben, um sie von einer heimlich Heirat zu überzeugen.
Bador wusste ja, was das Problem war. Die Sternenflotte. Seine Familie hatte er seit mindestens drei Jahren nicht mehr gesehen; der Urlaub auf Vordia, nicht einmal eine Woche lang, war die einzige Ausnahme. Fast hätte er seinen Sohn Baklat für dessen Cousin Verin gehalten, so groß war er geworden. Der kleine, lebensfrohe Junge war zu einem ernsten Zyniker geworden, der seinen Vater dessen Abwesenheit ebenso vorwarf wie seine Schwester. Bador musste sich eine Träne verkneifen, als er wieder einmal den Augenblick durchlebte, in dem Telus den Ahi-Jo-Bann über ihn gesprochen hatte. Damit war ihr Vater in ihrem Haus nicht mehr willkommen.
Eine Träne kam doch durch. Bador wischte sie weg.
"Sir? Hören Sie zu?", fragte Lieutenant Harris aus Sektor Delta
"Äh, ja. Fahren Sie fort."
"Nun, wir haben die Schäden auf den Decks 11 bis 17 behoben, die gröbsten jedenfalls. Die Arbeiten gehen gut vora und werden in frühestens zwei Tagen abgeschlossen sein. Wir gehen aber eher von vier bis fünf aus. Die Gravitation auf Deck 16 hat gestern Nacht wieder gesponnen; die Jungs von der Station haben angeboten, das Erzeugungsnetz komplett auszuwechseln."
Der Lieutenant sah Bador fragend an. Der nickte. Deck 16 war niemandem geheuer. Wenn nicht die Beleuchtung oder die Gravitation ausgefallen war gab es stets mindestens drei andere Deffekte. Nicht selten fiel das Lebenserhaltungssystem aus. Bador setzte freiwillig keinen Fuß auf dieses Deck.
"Ja, gut. Ich werde es veranlassen. Dyson und Kaplan sollen dabei assistieren; sie arbeiten dort. Weiters wäre da nur noch die Unregelmäßigkeit in Frachtraum 4 anzumerken."
Der Lieutenant setzte sich, ohne die Angelegenheit weiter auszuführen. Bador jedoch wurde hellhörig.
"Ich höre zum ersten Mal von einem Problem in Frachtraum 4, Lieutenant."
"Ah, ja, Sir. Wir haben es bislang nicht bemerkt, weil der Frachtraum ein unabhängiges System hat."
"Wegen dem Exobiologischen Forschungskram, den die da unten lagern?", fragte Bador angewiedert. Frachtraum 4 war als Bombenlager vorgesehen gewesen, mit eigenem Eindämmungskraftfeld. Als die Ares zu einem Jägerträger umfunktioniert worden war, hatte Bador darauf bestanden, dort einen weiteren Ersatzwarpkern zu lagern, nur für den Fall. Er wurde überstimmt.
"Ja, Sir. Normalerweise fällt es nicht auf, wenn dort unten Energie fließt..."
"Aber Deck 12 wird derzeit nicht mit Energie versorgt", stellte Bador nachdenklich fest. "Wie sieht die Unregelmäßigkeit denn aus?"
"Ah... ja, da ist es ja. Merkwürdig", murmelte Harris und runzelte die Stirn. "Das Protokoll zeigt an, dass dieses Schott in den letzten Wochen dreiundsechzig Mal geöffnet und wieder geschlossen wurde. Manuell."#"Wirklich?"
"Ja. Und zwar ohne, dass jemand hindurchgegangen ist."
Ein Raunen ging durch den Raum. Bador udn Lieutenant Harris sahen sich an. Sie wussten, dass dies nahezu unmöglich waren. Die Türen waren mit Körpersensoren ausgestattet. Es war beinahe unmöglich, im vorbeigehen eine Tür aus Versehen zu öffnen. Demzufolge musste jemand den Frachtraum ziemlich oft besucht haben...
Sie erstarrten.
...oder hatte ihn ziemlich oft verlassen.
Bador betätigte seinen Rangkommunikator. Das zwitschernde Geräusch kam ihnen lauter vor als sonst. "Bador an Sicherheit. Ich sehe vielleicht nur Bolljagd-Hühner, aber ich befürchte, wir haben ein Problem auf Deck 12. Sekor Delta. Frachtraum 4. Wir treffen uns dort."
Harris stand auf, Bador tat es ihm gleich.
"Harris, Sie führen die Sitzung weiter und informieren mich später. Ich sehe mir die Sache mal genauer an."
"Sicherheit an Commander Seth."
Lieutenant Commander Lucia Seth, Sicherheitsoffizier an Bord der USS Ares, fluchte heftig, als sie sich reflexartig aufrichten wollte und dabei an die Decke der winzigen Jeffreys-Röhre knallte. Ihre Stirn schmerzte, als sie ihre Hand an ihrem Körper vorbei zum Rangkommunikator zwängte.
"Seth hier."
"Wir haben möglicherweise ein Sicherheitsleck auf Deck 12. Frachtraum 4. Ihre Anwesenheit könnte notwendig sein."
"Puh.", machte Seth und verdrehte ihren Kopf nach hinten. Der Weg durch die klaustrophobische Wartungsröhre war recht lang, wenn man die geringe Größe der neuen Kampfjäger bedachte. Die Neigung der Konstrukteure, Jeffreys-Röhren immer enger zu machen, galt als wenig klug (wieder so eine höchst nette Umschreibung; Anmerkung des Autors!). "Ich beeile mich. Seth Ende. Seth an Transporterraum 2. Erfassen Sie mein Signal und beamen Sie mich auf Deck 12, Sektor Delta."
Nur Sekunden später spürte sie das unangenehme Kribbeln des Transporterstrahls, und die Umgebung verlor sich. Sie hörte nur noch, wie Commander Gribeth ihr etwas zurief - vermutlich hatte er gar nicht mitbekommen, dass sie verschwand. Dann verdichtete sich ihr Sichtfeld wieder, und erfreut stellte sie fest, dass der Transporterchef sie in einer aufrechten Haltung rematerialisiert hatte. Seth sah sich um, erkannte die Umgebung und fluchte. Sie befand sich in Sektion 11, drei Sektionen von Frachtraum 4 entfernt. So setzte sie zu einem Dauerlauf an. Die Vorfreude auf einen richtigen Einsatz ließ sie vergessen, dass sie direkt neben einem Turbolift erschienen war.
Bador wanderte ungedulig auf und ab. Einer der beiden Sicherheitswächter, eine ziemlich junge Frau von Darania Prime, warf zum vierten Mal innerhalb einer Minute einen Blick auf ihr Handchrono. Wie aufs Stichwort kam Commander Seth hechelnd um die Ecke. Sie hatte irgendwo ein Phasergewehr des Typs 3 aufgelesen - keiner wusste, wo sie es herhatte.
"Chief", begrüßte Seth den Bolianer ernst, als sie ihre Puste wiedererlangt hatte.
"Commander"
Bador deutete auf das Schott hinter ihm. "Diese Tür wurde in den letzten Wochen mehrfach ohne Grund geöffnet und wieder geschlossen. Wir befürchten, dass ein Eindringling an Bord ist."
Die Commander sah Bador verständnislos an. "Sie wissen schon, dass es dann einen Eindringlingsalarm gegeben hätte?"
Bador zuckte mit den Achseln. "Sicher ist sicher. Gehen wir rein?"
Seth nickte. Sie und ihre Sicherheitsleute bezogen Stellung neben der Tür und pressten sich an die Wand. Bador trat ans Terminal und drückte auf die "Türe öffnen"-Taste.
Nichts geschah. Bador runzelte die Stirn. Er versuchte er erneut. Wieder nichts. Als sich nach dem dritten Mal immer noch nichts tat versuchte er es mit seinem persönlichen Zugangscode.
Die Schotten teilten sich. Langsam und schwerfällig. Knirschend.
Bador trat an Seth und den verblüfften Sicherheitswächtern vorbei in den riesigen Raum. Überall standen geordnet Container herum, manche in Regalen, andere auf dem Boden. Es brannte kein Licht, doch Badors fachmännisches Auge bemerkte Restillumination. Sogar ziemlich starke. Die Beleuchtung musste tagelang aktiv gewesen sein.
"Hallo?", rief er in den Raum. Es hallte ein wenig.
Die Sicherheitsleute schwärmten aus und durchsuchten leise den Raum. Sie versteckten sich in Schatten und gingen hinter Kisten in Deckung. Seth blieb beim Chief, teils, um ihn zu schützen, teils um so zu tun, als wären die beiden allein.
"Ich bin Commander Bador! Wir wissen, dass Sie hier sind!", log er, wohlwissend, dass es sehr wahrscheinlich war, dass er ein lautes Selbstgespräch führte. Wenn es einen Eindringling gab, so hieß das noch lange nicht, dass er sich noch immer hier aufhielt.
Seth stieß den Commander vorsichtig an. Er blickte zu ihr. Sie sah in die andere Richtung, bedeutete ihm aber durch ein Kopfnicken, dass er seine Augen irgendwo an die Decke des Raumes richten sollte.
Bador verstand. Es gab nur eine Vorrichtung unter der Decke: den Aufsichtsgang ein Deck höher. Der Besucher musste sich dort versteckt haben; vielleicht hatte er auch gehofft, unentdeckt entkommen zu können. <<Nix da>>, dachte Bador. Es gab dort oben nämlich keinen zweiten Ausgang.
Seth hob unmerklich ihr Gewehr. Ohne Vorwarnung riss sie es den letzten Weg nach oben und feuerte gezielt auf den körperähnlichen Schatten auf dem Geländer. Ein Frachtcontainer, mit einer Decke überworfen, platzte auf und fiel in Teilen zu Boden.
Plötzlich kam hinter ihnen Bewegung auf. Der Deckel einer isolierten Kiste sprang auf. Eine Gestalt hüpfte heraus und hetzte zur Tür. Seth fuhr herum und schoß erneut. Der Phaserblitz traf den Flüchtigen am Bein. Er stolperte. Rappelte sich wieder auf. Rannte wieder los. Ungläubig legte Seth erneut an. Das Gewehr war auf volle Betäubung eingestellt. Bevor der Mann - er sah zumindest wie ein Mann aus - die Tür erreichen konnte, traf ihn die ballförmige Energiewelle in den Rücken. Er fiel hin. Geschockt sahen Bador und Seth zu, wie der Typ sich mit den Händen weiterzog. Er verfügte wohl über keine Waffe.
Ein letzter Phaserstrahl, aus einem Handgerät kommend, traf den Mann am Handgelenk. Er schrie auf. Crewman Elling sprang von ihrem erhöhten Sniperpunkt herunter und landete grazil auf dem Boden. Ihr Partner Gus hangelte sich gerade die Leiter wieder herab; er hatte den Aufsichtsgang nach Spuren durchsuchen wollen.
Missmutig traten Bador und Seth an den Eindringling heran. Er trug eine schwarze Uniform, etwas zerschlissen, aber robust. Er sah rudimentär menschlich aus, doch was sie von seiner unverletzten hand sehen konnten, war lediglich graue Haut. Sie schien etwas blass zu sein. Lange Haare, schwarz und ungepflegt, verteilten sich auf dem Deckboden. Am hervorstechendsten (tschuldigung, der musste sein ;-) aber waren die vielen abgestumpften Hornstachel, Dorne, die aus der Uniform ragten und offenbar zum Körper gehörten.
"Ein Z'Sordo", stellte Commander Seth unnötigerweise fest. Sie packten ihn und warfen ihn auf seinen Rücken. Und starrten in grelle, reptilische Augen. Wache, grellgelbe reptilische Augen mit sicherlförmiger Iris. Doch Furcht lag darin.
"Soso", meinte Seth und hielt dem Mann einen Handphaser an die Schläfe. Das Gewehr lag auf einem Container. Der Handphaser war auf Töten eingestellt.
"Ich werde Sie desintegrieren, wenn Sie auch nur eine falsche Bewegung machen."
Der Z'Sordo nickte. Seine Hände zitterten. Als er sprach, klang er mehr als nur erschöpft.
"Ich... Ich..."
"Ja?"#Der Eindringling brachte es tatsächlich zu Wege, so etwas wie Würde in seine Stimme zu legen.
"Ich weiß... es ist etwas spät dafür... aber... oh.... ich bitte hiermit offiziell um Asyl in der Föderation."
Bador war Seth einen vielsagenden Blick zu. Und dann erkannte auch sie das Gesicht. Ungläubig betätigte sie ihren Rangkommunikator.
"Seth an Captain Trat."#"Ja, Lucia, was gibt es?"#"Captain, Sie sollten vielleicht zu Frachtraum 4 kommen. Oder noch besser, zu Arrestraum A."
"Commander?"
"Ma'm, wir haben hier einen Eindringling aufgegriffen. Er bittet um Asyl."
"Aha. Ich komme sofort."
"Ah, und Ma'm?"
"Ja?"
"Es ist ein Z'sordo. High General Jebek. Von der Vierten Flotte der Z'Sordobefreiungsarmee."
"Mir war von Anfang an klar, dass wir den Krieg gewinnen würden.", fuhr General Jebek fort. "Die Romulaner befanden sich mit Ihnen im Krieg. Ihre Schiffe waren unterbesetzt und weit verstreut. Es war ein leichtes, die ersten Frachter zu kapern. Der Rest der Flotte kam dann ganz wie von selbst."
Der ausserirdische General saß mit straffen Handfesseln an den Tisch geklammert im Verhörsaal der Ares. Ihm gegenüber führte Captain Trat das Verhör; Commander Seth saß daneben und fühlte sich sichtlich unwohl. Die Captain hatte lange mit ihr darüber diskutiert, dass es besser sei, den Mann selbst auszuhorchen. Damit hatte sie Seth zu einer Art Wachhund degradiert, der nur daneben saß und zusah.
"Ich möchte noch einmal auf einen sehr wichtigen Punkt zurückkommen", sagte Trat und verschränkte die Finger auf dem Tisch. "Wieso soll ich Ihnen Asyl gewehren - und nicht wieder in die Arrestzelle werfen?"
Der General überlegte kurz. Offenbar hatte er sich diese Frage selbst mehrmals gestellt.
"Ich besitze über vielerlei Informationen", antwortete er dann wage.
"Also gut. Dann erklären Sie mir doch noch einmal, wieso ihre Flotte die Vulkanier angegriffen hat."#"Natürlich wegen des Romulanischen Oberkommandos, das dort stationiert war."
"Gut. Das verstehen wir. Aber..."#Plötzlich schlug Jebek mit geballten Händen auf den Tisch. Dellen erschienen darin.
"Sie wollen wissen, warum ich die Zivilbevölkerung angegriffen habe?"
"Ja."
Der Mann sackte in sich zusammen.
"Ich hatte den Befehl dazu. Sehen Sie, in meinem Volk herrscht eine gewisse... Antipathie der Föderation gegenüber."
"Das haben wir bereits gehört", merkte Seth an, erntete dafür aber einen strengen Blick vom Captain.
"Meine Vorgesetzten machen keinen Unterschied zwischen Romulanern und Föderation. Wenn das Imperium einmal unterworfen ist, wird Ihre geliebte Föderation das nächste Ziel sein."
Sein Blick schweifte ins Leere. "Glauben Sie mir, ich habe nichts gegen die Föderation. Ich mag SIe nicht sonderlich. Aber ich hasse Sie nicht. Unsere Feinde sind die Romulaner, nicht Sie. Ein erneuter Krieg wäre der Untergang für meine Rasse. Wissen Sie, wie viele Schiffe ich hatte, bevor der Kampf um Vulkan begonnen hatte?"
"Nein."
"Einhundertvierunddreißig."
Seth stieß einen erstaunten Pfiff aus. Als die Ares sich damals dem zerstörten Planeten genähert hatte, erwarteten sie lediglich zwölf feindliche Raumschiffe.
Der General fuhr fort.
"Ich habe vorschriftsmäßig die Oberfläche bombardieren lassen. Ich habe die Romulaner ebenso vernichtet wie die Vulkaner. Als ich mich weigerte, auf Ihr Schiff zu feuern, wurde ich von meinem Ersten Offizier abgesetzt. Das kommt bei uns einem Todesurteil gleich. Mir blieben nicht viele Optionen offen: dableiben und auf die Exektuion warten, Sie um Asyl bitten oder mich einfach zu Ihnen herüber beamen. Nach dem, was ich auf Ihrem Planeten angerichtet hatte, erschien es mir klüger, mich zu verstecken."
Trat nickte. Ihr war bei dem Gedanken, diesen Verbrecher ausserhalb einer Gefängniszelle zu sehen, genauso unwohl wie Commander Seth. Trat nahm ein paar Einstellungen auf ihrem Datapad vor; dann gab Sie Seth ein Zeichen.
"Bringen Sie ihn eine Arrestzelle. Eine offizielle Anhörung wird folgen, General."
Sie deutete ein Nicken in seine Richtung an; eine Ehrenbezeichnung ausschließlich im Bezug auf seinen Rang. Dann packte die Sicherheitsoffizierin den General am Kragen und schleifte ihn davon.
Als Captain Trat ihren Chefingeneur in seinem Büro fand, saß er zusammengekauert in seinem Stuhl. Auf seinen Oberschenkeln lag ein Brett unbekannter Herkunft. Darauf verteilt hatte er die Einzelteile des Geräts, das man General Jebek abgenommen hatte. Als Sarah hereinkam, sah er auf und schüttelte den Kopf. Das Licht war praktisch auf Null abgeschwächt worden.
"Das hier ist die primitivste Tarnvorichtung, die ich je gesehen habe."
"Und doch hat sie uns wochenlang zum Narren gehalten. Weißt du schon mehr?"
"Natürlich." Bador zog die Wörter in die Länge. Das tat er immer, wenn er nicht ganz bei der Sache war.
"Bador?"
"Sarah?"#"Wann hast du das letzte Mal geschlafen?"
"Auf dem Weg nach Vordia."
Sarah nickte verständnisvoll. Bador hatte die Reise zu seiner Familie nur Stunden nach der Ankunft auf Meridian Station angetreten. Das war jetzt schon einige Zeit her. Sarah kannte sich natürlich mit der Physiologie der Bolianer aus.
"Du solltest mit Doktor Rotal sprechen. So viel Schlafentzug ist nicht gut für dich."
"Es wird schon gehen. Hier"
Bador warf Sarah, die im anderen Stuhl platzgenommen hatte, ein Bauteil der Tarnvorichtung zu. Es war kaum faustgroß und blinkte immerzu. "Aha. Was ist das?"
"Eine Art Batterie. Lädt sich von selbst wieder auf."
"Hm."#"Ja."
"Interessant."
"Nicht wahr?"
Stille.
Sarah ließ ihren Blick durchs Büro schweifen. Sie sah durchs Panoramafenster. Der Warpkern war nun fast vollständig verkleidet und angeblich schon einsatzbereit. Dafür waren einige andere Systeme noch gar nicht angefasst worden und demnach immer noch nicht repariert.
"Lass dir was vom Doktor verschreiben. Die nächsten zehn Stunden schläfst du durch."
"Ist das ein Befehl?"
"Nein. Die Bitte einer Freundin."
"Dann ist es okay."
Bador stand auf und verließ sein Büro. Sarah blieb zurück. Langsam fragte sie sich, ob man die Crew dieses Schiffes nicht komplett gegen Techniker austauschen sollte. Ein regelrechter Fluch schien an der Ares zu haften, dem niemand wirklich zu entkommen vermochte.
"Verflucht!"
Senior Lieutenant Etkins, gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt, um die Ares auf eine mögliche neue Mission vorzubereiten, warf sich in seinem Stuhl zurück und ließ die flache Hand immer wieder auf die Tastatur vor ihm herunterkrachen. Zwei Brückenoffiziere warfen ihm belustigte Blicke zu. Etkins spürte die ungewollte Aufmerksamkeit und beruhigte sich wieder. <<Irgendwie muss man diese Aggregate doch zum Laufen bewegen können>>, dachte er. Mit Überbrücken hatte er es bereits versucht, Neuprogrammierung ebenfalls. Ein nicht ganz leichter Unterfangen - die Designer bei Starfleet hatten vor Jahren alles versucht, um dem Schiff mehr Bewegungsfreiheit zu verschaffen und dabei die Navigationskontrollen teilweise völlig neu entworfen. Nach etlichen Holodecksimulationen kamen Etkins und seine Kollegen aus der Nacht- und Frühschicht ganz gut mit dem Schiff zurecht, wenngleich sie - die Ares - manchmal ziemlich bockig sein konnte. Etkins nahm sich ein paar Augenblicke Zeit um nachzusinnen. Die Ares war nicht das erste Raumschiff der Sternenflotte, das er als Chefpilot steuerte. Ein Jahr seiner Ausbildung hatte er an Bord des Forschungsschiffes Victor verbracht; gleich nach der Akademie wurde er als Navigator auf die Atlanta versetzt, die er keine sechs Monate später unbeschädigt durch die Überreste der Badlands geflogen hatte. Sein Captain war angesichts dieser Meisterleistung zu Recht ausgesprochen beeindruckt und ließ ihn an einem speziellen Holodeckprogramm teilnehmen. Es simulierte ein knappes Dutzend historische Katastrophen, von der Zerstörung des Raumschiffs Archer in der Schlacht um Algeron bis zum Absturz der USS Enterprise-D nach dem Kampf gegen einen klingonischen Bird of Prey. Etkins rettete alle Schiffe bis drei. Später erfuhr er, dass das Programm genau diese drei Missionen als nicht schaffbar konzipiert hatte - um dem Teilnehmer vor Augen zu halten, dass es trotz allen Geschicks Situationen gab, in denen man einfach nichts ausrichten konnte. Daraufhin wurde Etkins sofort zum Junior Lieutenant befördert und in die Tagschicht aufgenommen, die alle Kommandooffiziere vereinte.
Und jetzt, in diesem Augenblick, ließen ihn alle seine Fähigkeiten im Stich, denn die Ares wehrte sich beharrlich dagegen, ihre Impulstriebwerke zu aktivieren.
Etkins seufzte. Seine Wut war nicht verflogen, hatte sich aber gemildert. Erneut betätigte er das Bedienelement welches normalerweise das Navigationsinterface aufgerufen hätte. Wieder geschah genau nix. Der kleine quadratische Bildschirm, von Etkins normalerweise ins rechte obere Eck des veriablen Touchscreens verbannt, verharrte nach wie vor in der Mitte und zeigte Schwärze.
Der Lieutenant schloss die Augen, regulierte seinen Atem. In Gedanken wiederholte er einen vulkanischen Geduldsspruch. Er brachte nicht viel. Zunehmend wütender schlug er auf seinen Rangkomunikator.
"Brücke an Maschinenraum."#"Johnson hier."
"Warum funktionieren die Brückenkontrollen nicht?"
"Die Kontrollsysteme sind einwandfrei, Brücke. Einige Systeme wurden einfach noch nicht in Angriff genommen."
"Dann sehen Sie zu, dass sich das ändert. Mein Impulsantrieb will nicht anspringen."#"Ich werde sehen, was ich tun kann. Maschinenraum Ende."
Etkins fragte sich ernsthaft, ob auf diesem Schiff überhaupt irgendwas so lief, wie es sollte.
Nun, zumindest arbeitete das Interkom wie vorgesehen: "Takeruci an alle Führungsoffiziere. Treffen im Besprechungsraum. In fünfzehn Minuten."
"Bevor wir anfangen sollte ich Ihnen vielleicht unsern Neuzugang vorstellen. Flight Officer Commander Andrew Gribeth, unser neuer Kampfshuttle Kommandant."
Der Commander saß am Ende des Konferenztisches. Er trug eine Standartuniform in der neuen braunen Farbe des Fliegercorps. Der Rangkomunikator wurde neben den drei Balken noch von einem Kometenschweif geziert. Commander Gribeth stand auf, verbeugte sich wortlos und setzte sich wieder. Etwas konfus sah Captain Trat ihn an - sie hatte eine kurze Rede oder zumindest Vorstellung erwartet - und fuhr dann wieder fort.
"Wie einige von Ihnen wissen dürften haben wir seit Kurzem einen Gast an Bord."
Sie aktivierte den neuen Holoemitter der ein sich drehendes Bild über die Mitte der Tischplatte projezierte. Es zeigte das Portrait von High General Jebek. Er trug einen rosafarbenen Gefangenenoverall und sah nicht glücklich aus.
Commander Gribeth hob die Hand.
"Ist das nicht der Typ, der den Vulkan verglast hat?"
"So ist es", antwortete Seth wütend. "In diesem Augenblick ist er dabei, einen gemeinen Angriff auf unsere Replikationsressourcen zu starten. Er bestellt ständig Bananenshake."
"Interessant, Commander. Jedenfalls hat die Admiralität beschlossen, ihn auszuliefern."
Ein Raunen ging durch den Raum.
"Frage.", meldete sich Bador. "Hat das Oberkommando nicht verfügt, dass niemand mehr zur Romulanischen Grenze fliegen darf?"
"Ausser im Falle eines Angriffs, ja. Aber der General wird direkt auf Romulus übergeben."
"?" war die allgemeine Reaktion. Als sich die raumumfassende Fassungslosigkeit gelegt hatte meldete sich wieder Commander Gribeth. "Und wer meldet sich für so eine Selbstmordmission?"
"Niemand. Daher wurden wir dazu eingeteilt, den General zur Grenze zu bringen. Dort übergeben wir ihn an ein anderes unserer Schiffe. Eventuell werden wir unsere Kollegen begleiten; das hängt vom Status unserer Maschinen ab. Übrigens... seit Neuestem haben wir eine Art... Waffenstillstand mit den Romulanern."
"Aja?", gab Seth von sich. "Und die Borg adoptieren demnächst unsere Waisen? Und spielen mit unseren Welpen Ma'm, glaubt das Sternenflottenkommando wirklich, dass die Romulaner sich an so etwas wie Waffenstillstand halten? In deren Sprache gibt es nicht mal ein Wort dafür!"
Ihre Hände vollführten komplizierte Schlangenlinien in der Luft und beendete das Manöver mit einem Schlag auf die Tischfläche und einem Achselzucken.
"Äh. Sehr einleuchtend dargelegt, Commander. Können wir jetzt fortfahren? Also. An der Grenze wird eines ihrer Schiffe warten und Begleitschutz geben. Der Nachrichtendienst hat uns mitgeteilt, dass im ganzen Imperium Kämpfe mit zwei Z'Sordo Flotten ausgebrochen sind die sich in einem Spiralkurs den Imperialen Kernwelten nähern. Wenn sie mit ihrer derzeitigen Eroberungsgeschwindigkeit weiterarbeiten sind die Romulaner in weniger als drei Wochen unterworfen."
"Drei Wochen?", warf Bador ungläubig ein. "Wir haben alle die Dignity gesehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Z'Sordo so erfolgreich sein sollen."
"Zahlenmäßige Überlegenheit, Commander", antwortete Takeruci. Er veränderte das Holodisplay um eine Tabelle aufzurufen. "Die Sensordaten, die unser Piratensender auf der Dignity sendet, haben bis jetzt drei Flotten identifiziert. Zwei davon bewegen sich durch den Raum und greifen die Romulanischen Streitkräfte an. Beide haben jeweils eine Stärke von etwa hundertfünfzig Schiffen. Nach jedem Gefecht kommen aber immer welche hinzu oder werden zerstört, daher variieren die Angaben. Sie wurden als Zweite und Dritte Flotte identifiziert. Die letzte wird Erste Flotte genannt und steht momentan über dem Planeten Selonia im Sektor Vier Null Zwei. Sie ist die größte Flotte, besteht aus etwa dreihundert massiv offensiv aufgerüsteten Frachtern sowie fünfzig erbeuteten Militärschiffen neuester Bauart."
"Der Plan der Romulaner besteht darin, sich um die Dritte Flotte zu kümmern die sich unter anderem aus den Überesten der Vierten Flotte zusammensetzt, auf die wir bereits gestoßen sind. Starfleet soll sich die Zweite vornehmen. Danach treffen wir uns bei Optima Prime und löschen die Erste Flotte aus. Im Gegensatz für unsere Hilfe haben uns die Romulaner die vollständige Wiederherstellung der Grenzen von 2368 versprochen."
Jemand stieß einen Pfiff aus. "Die müssen ja ziemlich verzweifelt sein."
"Das sind wir auch", stellte Captain Trat fest. "Die Föderation kann sich einen weiteren Krieg nicht mehr leisten. Wir müssen auf deren Zivilrat eingehen. Ob wir das wollen oder nicht."
Sarah Trat klang nicht glücklich. Um den Leser vor Augen zu halten, wie wenig die Captain von ihrem Befehl hielt, sollte er noch einmal daran erinnert werden, dass ihr Ehemann Ferok Ogan bei einem Angriff der Romulaner getötet worden war. Harter Tobak, nicht?
"Commander Seth, ich möchte, dass Sie dem General so viele Informationen wie möglich entlocken."
"Aye Captain."
"Ah, Sarah?"
"Bador?"
"Was wird denn jetzt aus seinem Asylantrag?"
Sie schnaubte. "Das Oberkommando hat beschlossen, ihn zu ignorieren. Was mich zur Frage bringt: Lieutenant Etkins, wie lange wird ein Flug zum Romulanischen Raumgebiet dauern?"
"Bei Maximalwarp zirka eine Woche, plus minus einen Tag. Der Warpkern funktioniert einwandfrei; der Impulsantrieb ist das Problem", sagte Etkins mit leichtem Tadel in Richtung Bador. Der hob unschuldig die Augenbrauen.
"Danke, Mister Etkins. Begeben Sie sich bitte auf die Brücke und bereiten Sie einen möglichst baldigen Start vor. Bador, bitte begleite ihn und gib durch, dass wir morgen ablegen."
"Weiß die Admiralität, dass dieses Schiff gerade repariert wird?", fragte Bador ohne aufzustehen.
"Ich habe sie darüber informiert. Das ist der einzige Grund, weshalb wir einen Tag Galgenfrist bekommen haben. Wenn es keine weiteren Fragen gibt bitte ich Sie alle darum, sich um ihre Abteilungen zu kümmern. Ich möchte morgen ein voll funktionsfähiges Schiff haben."
Bador stöhnte gequält.
"Oder zumindest eines, das nicht aus einander fällt.", fügte Trat hinzu. "Wegtreten."
Die Arrestzellen waren nach Deck 10 verlegt worden. Das war eine spontane Idee der Sicherheitschefin gewesen. Aber natürlich war eine solche Aktion schon geplant gewesen - wenn Arrestzellen direkt neben einem Hangar lagen waren Probleme praktisch vorprogrammiert.
Der Arresttrakt bestand aus einem Vorraum samt Terminal und zwei stationären Sicherheitswächtern. Den Crewmen gegenüber befanden sich drei kleine Zellen welche allesamt mit einem Feldbett, eine sanitären Einheit sowie einem zugriffsreduzierten Replikator versehen waren. Vor einem davon stand der ehemalige Hochgeneral Jebek in gebeugter Haltung und schrie, mit wachsender Verzweiflung in der Stimme, immer wieder: "BANANENSHAKE!"
< Bitte wiederholen Sie Ihre Anfrage. >
"Ba..."
Crewman Flanders von der Sicherheit schaltete das Kraftfeld gnädigerweise auf Schallisolierung um. Sofort hörte General Jebeks Stimme auf an ihren Nerven zu zehren.
"Wie geht es unserem Gast?", fragte Captain Trat als sie den Arrest betrat.
"Ganz gut, Ma'm. Wenn man davon absieht, dass ihm der Zugang zum Replikator verwehrt wird. Hat ihm nicht sonderlich gefallen."#"Daran bin wohl ich schuld, meine Herren. Kann ich kurz mit dem General sprechen?"
"Natürlich, Ma'm."
Die Sicherheitswächter deaktivierten die Schallisolierung.
"Miater Flanders, Mister Blopp, hat einer von Ihnen eine Sicherheitsstufe von Rot 1 oder höher?"
Verwirrt sahen sich die beiden Crewmen an. "Nein, Captain."
"Negativ."
"Da bin ich aber erleichtert. Könnten Sie jetzt bitte den Raum verlassen?"
Sie taten wie geheißen.
Sarah trat an Jebeks Zelle heran. Der General sah in seinem rosa Overall ein bisschen harmlos aus, geradezu lächerlich. Seine Dornen konnten das strapazierfähige Material nicht durchdringen. Aus irgendeinem Grund war der vordere Reißverschluss bis zur Hälfte geöffnet. Dort, wo bei Terranern Brustbehaarung zu finden war, glänzte bei diesem Mann eine ein Zentimeter dicke Hornschicht. Seine Haare hatte man geschoren; von der langen Mähne war nichts mehr zu sehen.
"Captain!", stieß er aus, als er ihre Anwesenheit bemerkte. "Behandelt die Föderation so ihre Asylanten?"#"Nein. So behandelt die Föderation ihre Gefangenen. Keiner an Bord hat vergessen, was Sie mit Vulkan angestellt haben."
Der General setzte sich auf sein Bett. Es war hart und gab kaum nach.
"Auf einer Skala von eins bis zehn hatte der Vulkan-Einsatz die Wertigkeit von hundert. Die Zivilregierung der Romulaner war ein Ziel, das wir uns nicht entgehen lassen konnten."
"Sie haben bei unserem ersten Gespräch gesagt, dass die Föderation nicht Ihr Feind ist."#"Was nicht automatisch bedeutet, dass es mir leid tut, Captain. Mir tut es leid, dass ich bei diesem Einsatz 1354 Männer und mein Kommando verloren habe. Ich habe schließlich mein Amt nicht als Protest niedergelegt - ich sollte ermordet werden!"
"Ts - sagen Sie das den drei Milliarden Vulkaniern, die Sie auf dem Gewissen haben."
"Sind Sie gekommen, um mir das Leben schwer zu machen?"
"Unter Anderem. Ich bin aber auch gekommen, um Ihnen Informationen zu entlocken."
"Oh. Und so haben wir den Ahalack aus dem Bau getrieben, nicht? Soll ich mir meine Freiheit erkaufen?"
"Nein. Sie werden an die Romulaner ausgeliefert, so oder so. Aber vielleicht können Sie mit ein paar hilfreichen Details ihr Strafmaß heruntersetzen. Rura Pente soll um diese Jahreszeit schön sein."
"Rura Pente?" Jebek lachte verächtlich auf. "Rura Pente haben die Spitzohren schon vor drei Monaten verloren. Dieser Eisklumpen scheint nicht gerade stabil zu sein was seine Regierung angeht."
Trat lächelte. Es war keines von diesen "Ich weiß dass ich besser bin als du"-Lächeln. Vielmehr sagte es: "Lach, solange du noch kannst, denn am Ende vom Lied steht ja sowieso deine Hinrichtung". Oder etwas ähnliches.
"Aus wie vielen Flotten besteht Ihre Streitmacht?", fragte sie in der Hoffnung, ihn vielleicht bei einer Lüge zu ertappen.
"Es waren einmal sieben.", begann Jebek. "Nach der Revolution habe ich als ranghöchster ziviler Polizeiberater das Kommando über die Siebte Flotte erhalten. Zehn Kampfkreuzer. Wurden fast alle über Antolgia zerstört." Er klopfte sich auf die Brust. "Wir haben zweihundert Skorpionjäger ins Vakuum gesprengt."
"Sehr interessant. Sie weichen vom Thema ab."
"Ich weiß. Was wollen Sie noch?"
"Aus wie vielen Flotten besteht ihre Streitmacht. Heute."
"Oh. Heute! Sagen Sie das doch gleich. Inzwischen haben wir etwa dreihundertsiebenundachtzig Flotten zu je tausend Einheiten unterschiedlicher Bauart, dazu mindestens eine Million Begleitschiffe und..."
Sarah drehte sich um und ging zur Tür.
"Was haben Sie denn erwartet, Captain?", rief Jebek ihr nach. "Dass ich mein Volk verrate?"
Doch sie war schon durch die Tür.
14. September 2426
USS Ares NCC 100431
Sektor Drei Drei Eins
Doktor Rotal und Chief Bador saßen zusammen an der Bar des Freizeitraums Bug Fünf und nippten an ihren Drinks. Der Chief hatte sich für einen klassischen Vordia Sunrise entschieden; Rotal versuchte etwas neues und bestellte einen Martini Martiani. Beide starrten gedankenverloren aus der durchsichtigen Front des Schiffes und sahen die Sterne an ihnen vorbeiziehen, als die Ares mit Warp 15 der Romulanischen Grenze entgegenflog.
In der Mitte des Raums saß der holografische Barkeeper an einem Tisch und beobachtete die zwei. Diejenigen Besatzungsmitglieder, die öfters in Bug Fünf zu verkehren pflegten, hatten sich an ihn gewöhnt. Auf den ausdrücklichen Wunsch der Besatzung hin hatte man ihm als einziges seine alte Persönlichkeit gelassen. Der Rest von Fähnrich Johnsons bizarren Experimenten wurde gerade gelöscht. Der Barkeeper trauerte seinen Brüdern nicht nach - keines dieser Hologramme würde für immer fort sein. Ausserdem hatte er nie eines von ihnen persönlich kennen gelernt.
Er interessierte sich sowieso mehr für die organischen Personen in seiner Umgebung.
"Ist dieser Platz noch frei?"
Der Barkeeper sah auf. Ein Gesicht, das er nur aus den Personaldateien kannte, sah ihn fragend an.
"Sicher. Setzen Sie sich. Was darf ich Ihnen bringen?", fragte er. Flight Officer Gribeth winkte ab.
"Nichts, danke. Wie ich hörte ist dieser Raum das gesellschaftliche Epizentrum dieses Schiffes?"
Das Hologramm lachte. "Gesellschaftliches Epizentrum? Wer sagt denn so etwas?"
"Der Pilot. Lieutenant... Etker oder so."
"Lieutenant Etkins. Ja, das passt zu ihm. Er ist oft hier. Öfter als die beiden dort."
Der Barkeeper nahm sein Glas, eine goldene Flüssigkeit enthaltend, und deutete auf Bador und Rotal. Beide hatten sich, was das am-Glas-nippen anging, unbewusst auf einander abgestimmt und hoben synchron die Gläser.
"Sind das nicht der Arzt und der Chefingeneur?", fragte Gribeth und bestellte sich doch noch einen Drink: jaka-inische Cola. Die einen hielten es für das köstlichste legal erhältliche Getränk. Die anderen für das wirksamste Abführmittel der Galaxis. Gribeth schien es zu schmecken.
"Ja." Der Barkeeper hob sein Glas und stieß mit dem Piloten an.
"Ist denen nicht gut?", fragte er neugierig. "Sie sehen aus wie Piloten, denen man gerade einen Todesstern Einsatz befohlen hat."#"Äh, ja. Also, der Doktor hat Schwierigkeiten mit seiner Freundin."
"Der Wissenschaftsoffizier, richtig? Macht sie Stress?"
"Eigentlich macht er Stress - er ist überfürsorglich."
"Aha. Und der andere?"
Der Barkeeper zuckte mit den Schultern. "Der Chief ist normalerweise sehr redselig, aber im Moment... Man hört natürlich einiges, aber ein gutes Hologramm gibt keine Gerüchte weiter."
"Ja, aber ein guter Barkeeper."
"Ich mag Sie, Officer. Also. Man sagt, seine Tochter hätte ihn aus ihrem Haus geworfen und heimlich geheiratet, weil er nie daheim ist. Traurige Sache."
Andrew nahm einen kräftigen Schluck von seinem Getränk.
"Wie ist das Leben so? Als Hologramm, meine ich?"
"Wie das... Das hat mich bisher noch keiner gefragt."
Der Barkeeper verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück. Seine Züge zeigten eine Mischung aus Amüsiertheit und Nachdenklichkeit. Er schloss die Augen, formulierte wohl diverse Antworten in seinem Geist und schüttelte dann den Kopf.
"Tut mir leid, Commander. Da kann ich Ihnen nicht Auskunft geben. Könnten Sie mir denn erklären, wie es ist ein Mensch zu sein?"
"Nein.", gab er zu.
Eine Weile saßen die beiden, tief in Gedanken versunken, an ihrem Tisch. Dann, wie auf ein stummes Kommando reagierend, standen sie auf und setzten sich an die Bar, wo sie gemeinsam mit dem Schiffsarzt und dem Chefingeneur durch die Front des Kriegsschiffes glozten. Kurze Zeit später öffneten sich die Portale zum Korridor und ließen Commander Takeruci ein. Der Erste Offizier grüßte die Offiziere, die nachsahen, wer hereinkam, mit einem Nicken und setzte sich neben den Doktor.
"Commander", grüßte Rotal mit einem höflichen Nicken. "Sie sieht man hier ja doch eher selten."
"Ich ziehe es vor, meine Freizeit auf der Hauptbrücke zu verbringen. Die Captain jedoch..."
"Verstehe.", stellte Bador fest ohne aufzusehen. "Sarah hat Ihnen Spaß befohlen."
"Äh... ja, Commander. Spaß."
Als wenige Minuten später Lieutenant Etkins die Bar betrat und sich, lautstark über schlecht justierte Impulskontrollen schimpfend, der Theke näherte, war das halbe Dutzend voll.
Nicht ganz ernst merkte Commander Gribeth an: "Einen solchen Verstoß gegen die Anti-Alkoholgesetze habe ich in meinen zwanzig Jahren bei der Raumflotte noch nie erlebt."
Der Autor fühlt sich an dieser Stelle genötigt, eines klarzustellen: die männliche Besatzung der USS Ares besteht nicht aus alkoholabhängigen Versagern. (Jedenfalls nicht ausschließlich. Lieutenant Etkins beteuert öfters, dass seine Großvater einer für Suchtgifte sehr anfälligen Spezies angehörte. Aber wenn wir mal ganz ehrlich sind: Etkins schiebt wirklich alles auf seinen Großvater...)
Jeder hat mal einen schlechten Tag. Das ist ganz natürlich. Dass nicht jeder einen speziellen Grund dafür braucht - klar.
15. September 2426
USS Ares NCC 100431
Sektor Drei Zwei Neun
"Frühstück!"
Der ehemalige General Jebek warf mit einem Becher nach dem Kraftfeld. Der holografische Barkeeper nahm keine oder nur kaum Notiz davon. Statt dessen bat er einen der beiden Sicherheitswächter darum, das Sperrfeld abzuschalten. Zweifelnd tuschelten die beiden anwesenden Crewmen und sahen auf einem Datapad nach. "Sieht echt aus", sagte einer zweifelnd, woraufhin der andere achselzuckend einen Schalter betätigte. Schimmernd schaltete sich die Energiebarriere ab. Der Barkeeper trat mit einem Tablett ein und stellte es auf einen niedrigen Beistelltisch ab.
"Die Captain hielt es für angebracht, Sie mit Nahrung zu versorgen. Nicht zuletzt deshalb, weil Sie Ihren Repliaktor ganz hat abschalten lassen."#"Das habe ich bemerkt. Und jetzt raus hier."
"Sie beißen die Hand, die Sie füttert.", meckerte das Hologramm - und blieb einfach auf einem Klappstuhl sitzen, der plötzlich (holografischerweise) entstanden war. Jebek hingegen setzte sich auf. Er sah verwirrt drein.
"Füttern?"#"Eine menschliche Redensart, verzeihen Sie mir."
Jebek schielte zweifelnd auf die Speisen, die das Hologramm ihm darbot.
"Sein Sie ehrlich - selbst Menschen würden diesen Fraß wegwerfen."
"Ja. Essen Sie ihn jetzt? Den Fraß, meine ich."
Natürlich aß er. Blieb ihm ja nichts anderes übrig.
"Z'Sordo benötigen ein gewisses Maß an Kalorien täglich", erläuterte er, als er sich trotz aller Ekelgefühle gesättigt hatte. Der Barkeeper machte in Gedanken eine Notiz: wird redselig wenn satt. Mit seinen externen Sensoren bemerkte er, dass die Crewmen wohl einen ähnlichen Vermerk vornahmen.
"Sehr interssant. Ich bin ein Hologramm. Ich esse nicht. Aber der Computer generiert ein köstliches holografisches Romulanisches Ale."
Das brachte ihm ein verächtliches Schnaufen Jebeks ein.
"Tut mir aufrichtig leid. Mir war entfallen, dass Sie nicht gut auf die Romulaner zu sprechen sind."
"Das ist in unserer Gesellschaft niemand."
"Sind sind der erste Z'Sordo, der mir begegnet ist. Für gewöhnlich verkehre ich mit Menschen, Bolianern und anderen Angehörigen von Föderationsrassen."
"Von mir aus. Lassen Sie mich in Ruhe. Ich will noch etwas schlafen, bevor ich hingerichtet werde."
"Sie wollen also nichts unternehmen, um Ihr Leben zu retten?"
"Mitnichten. Jeder diesbezügliche Versuch wäre mit Verrat an meinem Volk verbunden."#"Sie sind geflohen."
"Man wollte mich töten."
"Jemand aus Ihrem Volk."
"Das Militär ist nicht das Volk."
"Jeder Revolutionär ist ein Militant."
"Nicht jeder Z'Sordo ist Revolutionär."
Der Barkeeper nickte. Dabei sagte er nichts sondern rief ab, was er über die Z'Sordo wusste.
Fünfhundert Jahre der Sklaverei lagen hinter diesem Volk. Die Z'Sordo - was angeblich etwa "heilig' Saat" bedeutete - galten unter den wenigen, die von ihnen gehört hatten, als friedliebend und unterentwickelt, was Waffentechnologie anging. Vor zweitausend Jahren waren sie die unangefochtenen Meister im Beta Quadranten gewesen, was den Bau gigantischer Generationenschiffe anging. Ihr Planet wurde vor einem Jahr nach einem niedergeschlagenen Revolutionsversuch verwüstet. Sie besaßen eine Flotte aus gestohlenen oder gekaperten Raumschiffen der Romulaner sowie riesige Frachter unbekannter Herkunft...
"General"
"Was?", fragte Jebek und wälzte sich genervt auf seiner Pritsche.
"Wo befindet sich denn ihre Zivilbevölkerung? Ich meine, wenn doch offenbar nicht jeder..."#"Gut geschützt und behütet vor den Gräuel des Krieges steht sie im Raum und wartet auf den entscheidenden Sieg unserer Streitkräfte."
Ein düsterer Verdacht formte sich im Kopf des Barkeepers. Er tat verständnisvoll.
"Ah. Das heißt also, Ihre Zivilisten vertrauen also auf das Wort Ihrer gewählten Regierung."
"Wir haben keine gewählte Regierung. Die Revolutionäre haben das Kommando. Und das ist auch gut so. Wenn einer aus der laschen Zivilbevölkerung bei uns was zu sagen hätte..."
Er schüttelte sich vor Ekel. "Wir würden heute noch Kriegsschiffe für die Spitzohren bauen."
Der Barkeeper war entsetzt. Die Mannschaft wusste nicht, dass er Zugang zu diversen als geheim eingestuften Dateien hatten. Das würde sich vielleicht bald ändern. Nachdem er das leere Tablett mitgenommen und in einem Schrank seiner Bar verstaut hatte, aktivierte er seinen Kommunikator und rief die Brücke.
"Etkins hier", tönte die leicht verkaterte Stimme des Piloten aus den Lautsprechern.
"Ah, Lieutenant. Ist vielleicht die Captain zugegen?"
"Sie ist in ihrem Besprechungsraum. Ist es dringend?"
"Ich bin mir noch nicht sicher. Aber ich habe die Befürchtung, dass der General uns mehr verschweigt, als nur militärische Strategien und seine Boxershortgröße."
"Ah, ist das jetzt ein Scherz? Wissen Sie, Sie sollten sowas nicht abziehen, wenn Commander Takeruci an Deck ist, denn..."
"Etkins, es ist wichtig. Ich habe Grund zu der Annahme, oder zumindest glaube ich, dass..."
"Kommen Sie rauf, Mann! Die Captain soll entscheiden, ob sich die Mühe, Ihnen zuzuhören, lohnt. Und um Himmels willen - schreien Sie nicht so!"
"Was sagen Sie da?", rief Sarah entsetzt aus. Sie saß plötzlich hellwach in ihrem Sessel - Etkins hatte sie vor nicht einmal zwei Minuten aus einem Mittagsschlaf geweckt.
"Ich verfüge natürlich nicht über alle Fakten. Ich will mir auch nicht anmaßen, mehr Verständnis für eine fast unbekannte Rasse zu besitzen als irgend jemand anderes."
"Captain, wir verschwenden unsere Zeit."
Yoshiki Takeruci stand neben dem Barkeeper und hatte in seiner typischen Pose der Geringschätzung die Arme vor der Brust verschränkt. "Es ist nur ein Hologramm."
"Ein verbessertes Hologramm.", stellte Sarah fest.
"Ich sage es noch einmal: es war ein Fehler, ihn so zu lassen."
Trat winkte ab. "Es geschieht nicht zum ersten Mal, dass einem Holoprogramm mehr Raum für Individualität gegeben wird. Bislang hat es sich noch immer ausgezahlt."
Takeruci schnaubte. "Dann haben Sie wohl Lexington Rale vergessen."
"Ich würde unseren Barkeeper wohl kaum mit einem Serienkiller vergleichen."
"Danke, Captain. Also. Was werden wir jetzt unternehmen?"
"Wir?"
Trat ignorierte Takeruci. "Ich werde zunächst einmal mit dem General sprechen. Wir wissen nichts über die Gesellschaft der Z'Sordo. Wenn die Erste Flotte wirklich aus unwissenden Zivilisten besteht..."
"Captain! Sie wollen sich doch nicht etwa auf die Aussagen von einem Hologramm und einem verurteilten Massenmörder verlassen?"
"Nein, Commander, das will ich nicht. Deshalb setzen Sie sich sofort mit Starfleetcommand in Verbindung. Die sollen sich mit dem Geheimdienst in Verbindung setzen."
"*Hmpf* Auftrag?"#"Ich will Sensordaten des Planeten Sord. Wenn es dort Zivilisation gibt will ich es wissen. Ausserdem weißen Sie Mister Etkins an, sofort auf Warp Drei runterzugehen. Wegtreten."
Takeruci salutierte zackig und verließ den Raum. Damit blieben nur noch die Captain und das Hologramm übrig.
"Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen, Captain."
"Freuen Sie sich nicht zu früh. Ihr Zugang zu geheimen Daten wird umgehend eingeschränkt. Sobald wir wissen, wie Sie da dran gekommen sind. Im Übrigen bin ich mit dieser neuen Sachlage nicht sehr zufrieden."
"Ich verstehe. Wenn die zivilen Z'Sordo unschuldig sind..."
"Dann wird der Angriff auf die Erste Flotte zu einem unentschuldbaren, unnötigen Genozid."
STAR TREK
Ares
Kapitel 4
Krieg um Frieden
Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wir befinden uns im 25. Jahrhundert. Der Krieg der Föderation gegen das Romulanische Sternenimperium scheint durch die Revolte der unterdrückten Z'Sordo vorübergehend ein unerwartetes Ende gefunden zu haben. Doch die Bedrohung durch die Z'Sordo hält weiter an. Auf dem frisch umgerüsteten Raumschiff Ares macht sich eine beklemmende Atmosphäre breit. Man erwartet eine Eskalation. Als ein Eindringling auf dem Schiff entdeckt wird, gerät der Stein ins Rollen. Und jedes Mitglied der Besatzung muss sich seinen ganz eigenen Dämonen stellen...
1. November 2425
USS Ares NCC 100431
Sektor Drei Drei Eins
Flight Officer Commander Andrew „Griff“ Gribeth saß alleine in der Bar Bug Fünf. Es war kurz vor Mitternacht; in wenigen Minuten würde sich die erste Schicht des Tages auf ihre Stationen begeben. Andrew saß an der Bar und starrte sehnsüchtig ins All hinaus. Bug Fünf war der am weitesten vorne gelegene Raum des Schiffes. Draußen zogen die Sterne kaum merklich ihre Bahnen und schienen Andrew zu verhöhnen: „Sieh uns an – wir sind langsam, aber wir fliegen wenigstens!“
Die Kanzel seines Raumjägers hatte er im letzten Monat vielleicht zweimal für den Routine Checkup betreten. Denn die Ares hielt sich immer noch im Meridian System auf. Die ganze Raumflotte hatte Befehl, sich entweder zu sammeln oder zu ihren Heimathäfen zurückzukehren. Dementsprechend voll war die Reparatur- und Dockingstation Meridian Station, weshalb die völlig umgerüstete Ares nun einem elliptischen Kurs um die Sonne Meridian folgte und den Planeten Meridian 4 alle dreizehn Stunden passierte. Selten kreuzte das Schiff den Kurs der neuen Enterprise H, die ebenfalls nach Meridian gerufen worden war. Andrew kannte den Flight Officer dieses Schiffes gut; sie hatten früher beide auf der Bounty gedient und waren eng befreundet. Auch Bobby Brown hatte sich darüber beklagt, dass er kaum noch fliegen durfte – insbesondere seit Starfleet im Kampf gegen die Z'Sordo herbe Verluste an Jägern hatte hinnehmen müssen. Die riesigen Disruptoren, die auf diesen Schiffen angebracht waren, hinterließen kaum nachweisbare Strahlungen. Unberechenbare Überbleibsel, die die Maschinen kleinerer Schiffe vollkommen durcheinander brachten.
„Darf's noch ein bisschen mehr sein?“, fragte der holographische Barkeeper und schenkte Andrew noch zwei Fingerbreit einer grünlichen Flüssigkeit ein. Sie war alkoholisch, wie Andrew nicht ganz unerfreut festgestellt hatte. Er fragte sich, wo das Hologramm immer seinen Stoff herhatte – die Replikatoren waren nie auf die Herstellung von Alkohol programmiert worden. Commander Takeruci hatte sogar Chief Bador angehalten, eine entsprechende Sperre einzubauen.
Andrew nahm einen Schluck des Drinks. Es war ein ziemlich starkes Gebräu, irgendwo auf dem halben Weg vom Saurianischen Brandy zum guten alten Whiskey. Ein stechendes Aroma machte sich in der Nase des Piloten breit. Schnell schluckte er den Drink, entgegen seiner Gewohnheit, hinunter und verzichtete auf eine Überprüfung der Zutaten. Das fast geleerte Glas knallte er wieder auf die Holztheke. Der Barkeeper setzte einen Gesichtsausdruck auf, der eindeutig auf seine Zufriedenheit hindeutete. Andrew mochte das Hologramm, aber er war weder nüchtern genug, noch in der Stimmung, sich auf eine tief gehende Unterhaltung mit dem Programm einzulassen. In der Hoffnung, den Barkeeper zu beleidigen und damit loszuwerden, schnauzte er: „Was lachen Sie denn so?“
Der Barkeeper stellte das Gefäß, das er gerade reinigte, beiseite und hob abwehrend die Hände. „Ich bin nur ein wenig überrascht, Officer. Soweit ich weiß sind Sie heute der Tagschicht zugeteilt.“
„Ja ja, und bis dahin hab ich noch acht Stunden Zeit. Gibt es irgendwas, das Sie nicht wissen?“
Der Barkeeper legte den Kopf schief und blickte ins Leere. Dann sagte er, völlig ehrlich: „Ich weiß nicht. Vielleicht. Aber nicht in den Dateien dieses Schiffes.“
Andrew grunzte nur und machte sich über den Rest seines Drinks her. Die Flasche auf der Theke enthielt den Rest des Gesöffs. Auf dem Etikett waren in verschnörkelten Basisbuchstaben die Worte „El Diavolo“ zu lesen. Der Officer zuckte mit den Schultern, packte die Flasche und füllte sein Glas bis zum Rand.
Derweil sah die Szenerie im persönlichen Speiseraum des Captains ganz ähnlich aus. Der Raum war nur wenig kleiner als ein Standartquartier und bot neben einem Tisch samt Stühlen noch zwei Replikatoren und einen in die Wand eingelassenen Holoschirm. Captain Sarah Trat lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und stierte, genau wie Gribeth zwei Decks über ihr, aus dem Transparistahlfenster. Vor ihr auf dem Tisch lagen mehrere Datapads verstreut. Bis auf eines waren sie alle abgeschaltet. Auf dem aktivierten Bildschirm zeigte sich mittlerweile ein Bildschirmschoner. Dahinter verbarg sich die Protokolle aller bisherigen Verhöre des ehemaligen High Generals Jebek.
Sarah Trat saß in der Dunkelheit. Sie zog es beim Nachdenken vor, nicht von der Umgebung gestört zu werden. Normalerweise störte sie sich am Anblick von vorbei kriechenden Sternen. Davon hatte sie auf Sternenbasis 21 genug gesehen. Mittlerweile hatte sie einen richtigen Tick entwickelt. Immer, wenn sie einen starren Sternenhimmel sah hielt sie automatisch nach der charakteristischen Raumkrümmung Ausschau, die von romulanischen Tarnvorrichtungen hervorgerufen wurden.
Doch in jener Nacht sah sie an den tausenden Sonnen vorbei. Vor Sarah Trats geistigem Auge herrschte Krieg. Z'Sordo gegen Romulaner, Menschen gegen den Sieger, Jeder gegen Jeden. Sie dachte an die Klingonen, die mehrfach betonten, aus der Föderation auszutreten, wenn man weiterhin so passiv wäre. Sie sann über die Cardassianer nach, die sich immer noch nicht richtig vom Dominion Krieg erholt hatten und einige Kolonien in bedenklicher Nähe des Romulanischen Territoriums besaßen. Sie fragte sich, ob die Breen die Situation vielleicht ausnutzen würden. Und was ging da eigentlich im Arcadia Sektor vor sich?
Fragen.
Gedanken.
Zweifel.
Befürchtungen.
Sie blickte auf den Chronometer an der Wand. Es war 1 Uhr. Wenn sie jetzt ihr Quartier aufsuchte würde sie vielleicht noch ein paar Stunden Schlaf finden. Sie erhob sich von ihrem Stuhl und fühlte eine Last auf ihren Schultern, die ihrem Alter nicht gerecht wurde. Sie hatte fast das Gefühl, der Friede lastete auf ihr allein.
Der Korridor war leer. Auf Deck 7 befanden sich hauptsächlich Quartiere und ein kleinerer Lagerraum, der kaum benutzt wurde. Sarah schlenderte ein wenig umher, ziellos. Sie fühlte, dass sie nicht würde schlafen können.
Vielleicht sollte ich den Doktor aufsuchen, dachte sie. Rotal macht öfters Überstunden...
Bei der nächsten Gelegenheit bog die Captain ab und ging auf einen Turbolift zu. Es war ein Zugang zum Liftsystem F, und erstaunt realisierte Sarah, dass sie in weniger als einer Stunde das halbe Schiff durchwandert hatte und sich jetzt in der Gamma Sektion in der Mitte der Ares befand. Deck 7 war das einzige, welches sich vom Bug bis zum Heck zog und hatte daher besonders viel Platz zu bieten.
Achselzuckend betätigte Sarah den Rufbutton.
Die Kapsel ließ ein wenig auf sich warten. Sarah grüßte zwei Crewmen, die in ein Gespräch vertieft an ihr vorbeikamen und unnötigerweise salutierten. Dann teilten sich die Türen. Die Captain trat zur Seite und ließ einen müde aussehenden Lieutenant Etkins passieren. Sie nickten sich zu und gingen ihrer Wege. Sarah nannte dem Aufzug ihren Zielort, woraufhin dieser sich sofort auf den Weg machte und sie zum Deck 15 trug. Dort befand sich die Offizierskrankenstation, oft auch als sekundäre Sick Bay bezeichnet. Rotal pflegte seine Überstunden in diesem kleineren Raum abzuarbeiten. Er hatte es einmal mit den Worten umschrieben: „Ich mag diese Höhlenatmosphäre.“
Die leicht klaustrophobe Trat konnte ihm da nicht zustimmen. Prinzipiell hatte sie kein Problem mit Raumschiffen, aber sie war eher die weitläufigen Areale von Raumstationen gewöhnt und fühlte sich in besonders kleinen Räumen eher unwohl. Zu ihrem Glück war die Ares ein recht großes Schiff mit viel Platz, erst recht seitdem der halbe Jägerhangar in ein Biotop umgewandelt worden war. Eine Entscheidung, die Trat nicht bedauerte – ein Park auf einem Raumschiff war ein ungeheurer Luxus, den sich nicht alle Captains der Raumflotte leisten konnten.
Abermals öffneten sich Turbolifttüren. Sarah verließ die Kapsel und spazierte die wenigen Schritte zum türlosen Eingang der Krankenstation im Schneckentempo.
Commander Takeruci stapfte ihr entgegen. Sarah nickte ihm zu; er übersah sie. Schnell verschwand er im nächsten Turbolift. Aha. Die monatliche Überprüfung der Crewmitglieder, dachte sie. Nach der letzten Überprüfung im Oktober hatte der stets pflichtbewusste Erste Offizier in einem Anfall von Wut die halbe Sicherheitsmannschaft auf Diät gesetzt.
Die Captain dachte nicht weiter darüber nach. Von wenigen besonderen Ausnahmen war die Beurteilung der Mannschaft die Sache des Commanders und des Counsellors, der vor einigen Tagen endlich an Bord gekommen war.
Sie betrat die Krankenstation. Sie war wirklich klein, bot gerade genug Platz für einen Schreibtisch, zwei kleine Replikatoren, einen breiten Schrank und einen winzigen abgeschotteten Raum für Untersuchungen. Trat wunderte sich immer wieder, warum Rotal nicht endlich ein Schott anforderte, obwohl er viele seiner Patienten mittlerweile hier zu behandeln pflegte.
Den reptiloiden Arzt fand sie in seinem kleinen Refugium vor, in Gedanken versunken. Er saß auf einem der beiden Biobetten. Seine Stirnwülste zeigten ein sich kräuselndes, langsam fließendes Farbspiel, das wie in Zeitlupe immer wieder von Purpur zu Blau wechselte und irgendwie hypnotisch wirkte. Der Schweif des Waraki, der es ihm unmöglich machte, sich in einem Standartstuhl niederzulassen, hing schlaf vom Biobett herab. So hatte Sarah den Doktor noch nie gesehen – und in den letzten Wochen hatte sie sich ganz gut mit ihm angefreundet, zumal er und Bador in ihrer Freizeit oft zusammen ein Spiel namens Bick`tt spielten, das Trat völlig rätselhaft war.
„Doktor?“
Chefarzt Commander Metek Rotal blickte auf und sah Trat an. Dann lächelte er, ein merkwürdiges Zähnefletschen, das sogar einen Nausicaaner in die Flucht geschlagen hätte, wüsste er nichts über das warakische Mienenspiel.
„Kann ich etwas für Sie tun, Captain?“, fragte er und stand dabei umständlich auf. Sein Schweif erwachte zum Leben und tanzte auf die ihm eigene Art und Weise durch die Luft. Sarah bewunderte die Tatsache, dass der Arzt sein Anhängsel mittlerweile nicht mehr zusammenrollen musste: er hatte sich die Einrichtung des Schiffes verinnerlicht und musste sich nicht mehr ständig umsehen.
„Nun?“, riss er Trat aus ihren Beobachtungen. Sein nach wie vor vorhandenes Grinsen deutete darauf hin, dass ihm durchaus bewusst war, woran sie dachte.
„Ich habe in letzter Zeit Schwierigkeiten mit dem Einschlafen.“
Rotal verzog das Gesicht, soweit es ihm die harte Schuppenschicht erlaubte – eine eindeutig von Menschen abgeschaute Geste.
„Das ist jetzt schon das vierte Mal, dass Sie damit zu mir kommen“, stellte Rotal fest und ging zum Kasten. „Eigentlich müssten die Medikamente vom letzten Dienstag wirken. Eine Messerspitze davon reicht, um jeden Menschen an Bord zweimal einzuschläfern.“
„Ich habe Ihre Anweisungen befolgt. Kein Erfolg.“
„Hm“, machte Rotal und kratzte sich mit seiner Schweifspitze am Hinterkopf. Mit einer Hand nahm er eine blaue Dose aus dem Regal, mit der anderen eine rote. Er sah sich die beiden Etikette genauer an und stellte die Dosen dann wieder an ihre Plätze. Offenbar in Gedanken versunken stemmte Rotal seine Hände in die Hüfte und überlegte. Sein Schweif tanzte durch die Luft, und Sarah überlegte ernsthaft, ob er sie damit aufzog. Nach zwei Minuten der Musterung nahm der Arzt endlich eine kleine Flasche aus dem Regal und inspizierte die Metallplakette, die darauf befestigt war.
„Hm. Hm, hm, hm, hm hm.“
Er drehte sich um und hielt der Captain das Gefäß unter die Nase.
„Ist das ein Scherz?“, fragte sie, nachdem sie gelesen hatte, was es enthielt.
„Sehen Sie mich lachen?“, fragte Rotal ernst. Sarah sah wieder die Flasche an.
„Geben Sie zwei Tropfen davon in dieses Inhalationsrelais, schließen Sie's an die Lebenserhaltung an und trinken Sie, wenn möglich, ein oder zwei Gläser Wasser. Dann sollten Sie eigentlich ein paar Stunden schlafen können.“
Sarah war sich zwar nicht sicher, wie ihr Romulanisches Ale beim einschlafen helfen sollte, doch sie wusste: „Sie sind der Arzt, Doktor.“
„Ja.“, sagte er und wich ihrem Blick aus. „Ja, das bin ich wohl. Wie auch immer, ich will Sie morgen beim Checkup sehen.“
2. November 2425
USS Ares NCC 100431
Sektor Drei Drei Eins
„Du willst was?“
„Ich will die Scheidung, Lucia. Das ist das Beste für Derek. Und für mich.“
Commander Lucia Seth schlug mit der flachen Hand auf ihren Tisch. Etwas knackste. „Du kannst das nicht einfach von dir aus entscheiden, Peter!“
„Wie willst du bei dieser Entscheidung mitwirken, wenn du nie da bist? Ständig fliegst du irgendwo im Weltall herum und - “
„Peter, wir haben Krieg! Ist dir das noch nicht aufgefallen?“
„Es ist mir aufgefallen. Und ich will Derek nicht irgendwann erzählen müssen, dass seine Mutter einer explodierenden Konsole zum Opfer gefallen ist!“
„Ach, und was erzählst du ihm dann? Dass ich mit dem Briefträger durchge...“
Lucia erstarrte. Ihr Mann Peter, der auf dem Bildschirm zu sehen war, schien augenblicklich um einen Meter zu schrumpfen.
„Du hast mich schon wieder beschissen.“, stellte sie fest. Eine rote Haarsträhne löste sich aus dem klatschnassen Handtuch, mit dem sie ihre schaumigen Haare festgebunden hatte. Geistesabwesend packte sie die Haarsträhne und riss sie aus.
„Sie ist nett. Sie wohnt hier auf Deep Space 16. Und sie wird immer für Derek da sein.“
Hinter Peter tauchte eine Hand auf. Sie winkte dem Bildschirm zu. Lucia freute sich darauf, ihrem Sohn Hallo zu sagen. Peter drehte sich um, sagte etwas zu Derek. Daraufhin verschwand die Hand, und Dereks roter Wuschelkopf tauchte für eine Sekunde neben Peter auf – nur um gleich wieder aus dem Aufnahmebereich zu verschwinden.
„Peter.“
„Er ist so jung, Lucy.“
„Peter.“
„Er wird die bald vergessen haben.“
„Peter! Du lässt mich sofort mit meinem Sohn sprechen, oder ich nehme mir ein paar Tage frei und trete dir so dermaßen in deinen Waschbeerenhintern, dass...“
Als sie wieder ihre Augen öffnete und merkte, dass ihre Finger sich verkrampft hatten, realisierte sie, dass sie nur noch mit einem Leerkanal sprach. Die Leitung war unterbrochen worden. Ausser sich vor Zorn schlug Lucia mehrfach gegen den Bildschirm, schrie heftige Verwünschungen aus, die selbst Commander Gribeth hätten rot werden lassen, packte das Gerät und riss es aus seiner Verankerung. Ebenso lautstark wie funkensprühend landete es an der Wand ihres Quartiers und krachte auf den Deckboden.
In einer Mischung aus Wut und Verzweiflung fegte Seth durch ihr Quartier. Einige Gegenstände überlebten den Anfall nicht. Mit einem Beil, dass sie ihrer Waffensammlung entlehnt hatte, ging sie auf das Gemälde der Jadeburg los, das Peter ihr geschenkt hatte. Nach ein paar Minuten hatte sie sich soweit gefangen, dass sie sich auf ihr Bett setzen und nachdenken konnte. Trotz allem liebte sie Peter. Und sie wusste auch, dass Peter sie liebte. Liebe war nie ihr Problem gewesen. Ihre Ehe hatte die Briefträgerin überlebt, ebenso ihren Entschluss, weiterhin auf der Ares zu dienen, nachdem man ihr angeboten hatte, sie nach Deep Space 16 zu versetzen.
Sie würde auch dieses neue Flittchen überstehen. Sie musste nur nach Hause und mit Peter reden. Und nach Derek sehen. Ob er jetzt wirklich ernst machte oder nicht: recht hatte er. Derek war jung. Wenn sie sich nicht öfters zu Hause sehen ließ, würde er sie vielleicht bald nur noch für eine Fremde oder ein Holoprogramm halten, dass Papa alle zwei Tage einschaltete. Das durfte nicht passieren. Sie nahm sich vor, erst einmal aufzuräumen. Dann würde sie die Ruhe ausnutzen, um ihre Familie zu besuchen – solange sie noch eine hatte. Und der Sturm nicht losbrach.
Der Sturm brach nur eine Stunde später aus.
„Die Romulaner haben sich in den Abraham Sektor zurückgezogen und ihn eingenommen“, verkündete Captain Trat beim Eintreten in den Versammlungsraum auf Deck 1. Sie ließ sich in ihren Sessel fallen und legte die Hände auf den Tisch.
Es war kurz nach drei Uhr morgens, und die Reaktionen der Führungsoffiziere, alle schon vollzählig versammelt, fielen unterschiedlich aus. Bador versuchte verzweifelt, ein unangebrachtes Gähnen zu unterdrücken, während Rotal und Lieutenant J'Kolan verliebte Blicke austauschten. Lucia Seth erstarrte und suchte in ihrem Kopf nach der verdrängten Information, dass Deep Space 16 im Abraham Sektor lag. Und Commander Takeruci interessierte sich brennend für die Tischplatte auf die er starrte.
Bador brach das Schweigen als Erster: „Meine Leute können den System Checkup in zehn Minuten erledigen.“
Der bolianische Chefingeneur machte Anstalten, von seinem Stuhl aufzustehen. Auch Lieutenant Etkins schien sich auf die Brücke begeben und einen Kurs programmieren zu wollen. Sarah machte diesen Vorhaben ein Ende.
„Wir halten unsere Position.“
Stille. Bador blieb beim Tisch stehen. Commander Takeruci löste sich aus seiner Starre und sah die Captain an.
„Wir nehmen nicht an der Rückeroberung teil?“, fragte er.
„Es wird keine Rückeroberung geben“, teilte Trat ihm mit.
„Der Föderationsrat will den fragilen Waffenstillstand nicht gefährden.“
Gribeth schlug mit der Faust auf den Tisch. „Captain, das ist doch Bullshit!“
„Ich muss dem Officer recht geben“, sagte Takeruci. Er klang etwas müde und nicht sehr glücklich. „Auch, wenn es mir nicht leicht fällt. Dieser Krieg hat nur zwei mögliche Varianten für sein Ende. Die Z'Sordo gewinnen und greifen die Föderation an. Oder das Imperium macht der Revolte ein Ende und nutzt die neuen Stützpunkte für eine groß angelegte Offensive.“
„Die Romulaner waren nie vertrauenswürdig. Sie sind hinterlistig und gefährlich.“
„Sie haben meinen Ehemann umgebracht, Mister Etkins, Sie erzählen mir da also nichts Neues.“
„Ja... und was machen wir jetzt?“, fragte J'Kolan und grinste unsicher.
„Wie gesagt, wir bleiben im Meridian System.“
„Äh, nein, Ma'am, also, äh... was macht die Föderation jetzt?“
Sarah dachte kurz nach.
„Abwarten. Gegebenenfalls zusammen mit den Romulanern die Heimatflotte der Z'Sordo angreifen. Ich weiß es nicht. Die Admiralität und der Rat sind sich da nicht einig.“
Commander Seth sprang auf und verließ mit weiten Schritten den Besprechungsraum. Ein paar Augen richteten sich auf Commander Takeruci. Er blieb sitzen und inspizierte die Tischplatte.
„Besteht die Z'Sordo Heimatflotte nicht vorwiegend aus Zivilisten?“, fragte Gribeth endlich.
„Das hat zumindest High General Jebek behauptet.“, stimmte Trat zu.
Gribeths Gesicht verfinsterte sich. „Heißt das, wir helfen den Romulanern dabei, unschuldige Zivilisten umzubringen?“, fragte er dann ungläubig.
„Wir haben nur das Wort eines Eindringlings, der möglicherweise ein Spion ist.“
„Bei allem gebührenden Respekt, Chief - darauf scheiße ich.“, gab Gribeth zurück. Zur Captain: „Solange meine Fähigkeiten nicht benötigt werden und wir uns weiterhin auf einem fragwürdigen Waffenstillstand mit Kriegsverbrechern ausruhen, bin ich in meinem Quartier.“
Sarah hatte die Sitzung nicht per Befehl beendet. Trotzdem sagte niemand etwas, als Andrew Gribeth die Runde verließ und der Topfpflanze neben der Tür im Vorbeigehen einen Tritt gab. Sie zerbrach. Die restlichen Offiziere sahen sich an, teilten viel sagende Blicke und begaben sich dann alle auf ihre Stationen. Nur für den Fall.
Yoshiki Takeruci betrat sein Quartier mit einem etwas mulmigen Gefühl. Die Beleuchtung war gedämpft, so hatte er es eingestellt. Dennoch reduzierte er die Luxstärke noch einmal um die Hälfte. Am Replikator stehend fuhr er sich über das Gesicht und bemerkte, dass er ziemlich heftig schwitzte. Er verlangte ein Glas Wasser mit zehn Grad Celsius und legte sich erschöpft auf's Bett. Er scheute sonst keine Überstunden. Heute schaffte er es einfach nicht mehr. Innerhalb von drei Minuten war er völlig weggetreten, nach weiteren zwei eingeschlafen.
Als er wieder aufwachte waren seine Laken klitschnass von seinem Schweiß. Sein Puls raste. Er schrak hoch. Schweiß biss in seine Augen. Ein Blick auf sein Chronometer bestätigte ihm, dass er zwei Stunden der Tagschicht verschlafen hatte. Er setzte sich auf – zu schnell. Stiche breiteten sich in seinem Schädel aus und ließen ihn nach Luft schnappen.
Die Schalldusche beseitigte die gröbsten Unreinheiten seiner Haut und reinigte seine Uniform. Als er hastig sein Quartier verließ merkte er nicht, dass er sein Offiziersjackett vergessen hatte.
Die Brücke erreichte er über den Turbolift A. Die Brückenbesatzung bestand zum größten Teil aus den Reserveoffizieren; lediglich J'Kolan war anwesend. Die Lieutenant als Offizier vom Dienst?, dachte Yoshiki und schüttelte den Kopf. Die Xindi bemerkte ihn und stand bereits vom Stuhl des Captains auf. Takeruci winkte ab und lenkte seine Schritte zur Tür, die zum Bereitschaftsraum des Captains führte. Er tippte auf den Türsummer. Gleich darauf teilte sich das Schott.
Captain Trat saß am Schreibtisch, den Kopf auf die verschränkten Arme gelegt und sah Takeruci fragend an. Ihre Offiziersjacke hing über der Lehne, war achtlos dorthin geworfen worden.
„Ja bitte?“
„Captain, Sir... Ma'am.“
Sie setzte sich auf und bedeutete Takeruci, sich zu setzen. Er tat es.
„Haben Sie etwas auf dem Herzen?“, fragte sie, und der Gesichtsausdruck in Takerucis Gesicht sagte mehr als tausend Worte.
„Ich bitte darum, vom Dienst befreit zu werden.“
„Grund?“
„Ich bin derzeit... abgelenkt.“
„Abgelenkt.“
„Ja.“
„Aha.“
„Ich...“
„Sie brauchen nichts zu sagen. Doktor Rotal hat mich informiert.“
Takeruci sackte erleichtert in sich zusammen. „Ich hatte ihn um Diskretion gebeten.“
„An Bord wissen nur wir drei Bescheid. Ihre Akte ist ebenfalls nicht betroffen.“
„Hm. Dann verstehen Sie wohl, dass ich zur Zeit ein wenig durch einander bin.“
„Ja. Ich verstehe.“ Trat lehnte sich in ihrem Stuhl nach vorne. „Abgelehnt.“
„Vielen Da – abgelehnt?“, fragte Takeruci, als er das Wort in Gedanken analysiert hatte.
„Abgelehnt. Ihre Krankheit behindert nicht ihre geistigen Fähigkeiten. Und ganz im Vertrauen, Yoshi... Ihnen ist vielleicht aufgefallen, dass die Moral zur Zeit nicht die Beste ist. Die Romulaner haben einen Genozid vor und Starfleet schiebt Wachdienst.“
Sie stützte sich auf ihre Ellenbogen und kam ganz nah an Takerucis Gesicht heran. „Selbst wenn die Crew gerade keine Vorbilder bräuchte, die auch in schweren Zeiten ihren Dienst verrichten – ohne Sie läuft auf diesem Schiff doch sowieso nichts.“
Takeruci, der ihr aus Gewohnheit Recht gab, dachte darüber nach. Er hatte wirklich viele Pflichten an Bord freiwillig übernommen, weil sie dadurch besser erledigt wurden.
„Aber im Moment bin ich nicht arbeitsfähig, Captain. Nicht belastbar.“
„Das ist mir klar, Commander. Aber wir jagen zur Zeit nur Sensorschatten. Sie schaffen das, da habe ich vollstes Vertrauen in Sie.“
Der Erste Offizier verstand, dass es in dieser Sache keine weiteren Informationen auszutauschen gab. Die Captain hatte entschieden. Er hätte sich Urlaub nehmen können – es hatten sich mittlerweile 1357 freie Tage angesammelt – doch er wollte die Captain nicht beleidigen. Klar – dies hier wäre rechtmäßig sein Schiff gewesen. Er hatte es gebaut. Er kannte es selbst heute noch tausendmal besser als sie. Aber man hatte sie ihm als Kommandantin vorgesetzt, und er respektierte die Kommandokette.
Und viel wichtiger war: er respektierte Sarah Trat. Das war ihm irgendwann im letzten Monat aufgefallen, als er ihre Schlichtung eines Streits zwischen Fähnrich Miller und Crewman Daniells mitbekam. Dass sie solches Vertrauen in ihn setzte gab ihm eine Menge seines alten Selbstvertrauen wieder (jedoch, wie Besatzungsmitglieder später bestätigten, fehlte ihm von diesem Tag an seine großspurige und rechthaberische Art).
Trotzdem verließ er das Büro mit hängenden Schultern. An der Tür rief ihm Sarah nach: „Yoshi!“
Er drehte sich um.
„Es tut mir leid.“
„Ja.“, sagte er nickend. „Mir auch.“
Nach dem Ende der Tagschicht begab sich Trat sofort nach Bug Fünf. Die Atmosphäre war dort nicht lebendiger als sonst wo auf dem Schiff. Eine Handvoll Crewmen spielten Darts, Bador saß an der Theke und beobachtete die Sterne. In einer Nische unterhielt sich Takeruci mit einem weiblichen Lieutenant aus der Astrometrie. Sarah wählte einen Platz an der Bar direkt neben Bador.
„Abend.“, sagte er und bot ihr einen Schluck seines PvaRiar Bieres an. Trat lehnte dankend ab. Bador zuckte mit den Achseln und leerte das Behältnis in einem Zug. „Hab Nachtdienst“, erklärte er und ging.
„Was darfs denn sein?“, fragte der holografische Barkeeper, nachdem Sarah eine Stunde wortlos an der Bar gesessen hatte.
„Nichts, danke.“
Der Barkeeper blinzelte – was er nur tat, um besonders nachdenklich auszusehen – und holte eine Flasche mit giftgrünem Inhalt hervor, den er in eines seiner allgegenwärtigen, blitzsauberen Gläser einschenkte und Sarah vor die Nase stellte. Sie schnüffelte daran.
„Ich hoffe, das ist Alkohol“, sagte sie und stürzte den Drink herunter.
„Ja. Antares Whiskey. Jahrgang 2401. Soll sehr gut sein.“
„Hm.“
Trat sah am Barkeeper vorbei aus dem Fenster.
„Seit wann mögen Sie Sterne?“
„Ich mag sie nicht. Es gab auf dem Mars mal ein Sprichwort, das von der Erde importiert wurde. Es heißt: ins Narrenkastel schauen.“
Der Barkeeper suchte in seiner Datenbank danach und wurde nicht fündig. Er tat die Information mit einem Achselzucken ab und goß sich drei Fingerbreit holografischen Vodka ein. Er stieß mit der Captain an und leerte den Becher in einem Zug. Er schenkte ihnen beiden nach.
„Wie läuft Ihr Leben so?“, fragte sie dann.
„Naja“, begann der Barkeeper und kratzte sich hinterm Ohr, „im Prinzip ganz gut. Aber seitdem Ihr Erster Offizier alle Hologramme auf Reset stellen ließ, fehlt es mir an Pokerpartnern. Und den Commander mag ich nicht. Er ist so menschlich.“
Sarah kicherte. „Der Commander“ war der Spitzname des Technischen Holografischen Notfallhologramms, das irgendwie ständig im Einsatz war und immer mal wieder Techniker anpöbelte, wenn sie einen kleinen Fehler gemacht hatten. Keiner fand ihn sonderlich nett, aber man gewöhnte sich an ihn. „Genauso wie man sich mit Anwälten arrangiert“, hatte Lieutenant Etkins es einmal umschrieben. Keiner wusste, was er damit meinte.
Es wollte auch keiner fragen.
„Und wie ist Ihr Leben so?“, bohrte das Hologramm.
„Hm.“
„Wie spannend.“
„Mir macht die Aussage von General Jebek zu schaffen.“
„Ah. Unschuldige Zivilisten. Militärputsch. Ich verstehe.“
„Es gibt wohl keine Dateien, die vor Ihnen sicher wären, oder?“
„Nö. Nicht an Bord dieses Schiffes. Oder irgend einem anderen.“
„Hm.“
„Sie wiederholen sich.“
„Hm?“
„Jaja, das sagten Sie bereits.“
„Hm.“ Trat griff nach der fast leeren Flasche mit dem Antares Whiskey, hob sie an die Lippen, kniff die Augen zu und leerte sie. Der Boden der Flasche knallte auf's Holz. Sarah hustete ein wenig, schlug mit der flachen Hand auf die Theke. Dann, mit gerötetem Gesicht, lächelte sie das Hologramm an.
„Machen Sie eigentlich auch Hausbesuche?“
3. November 2425
USS Ares NCC 100431
Sektor Drei Drei Eins
„Herein!“
Der Türsummer piepste noch einmal. „HEREIN!“
Andrew brüllte über die Lautstärke der Musik hinweg. Das Türsystem verstand seinen efehl offenbar nicht. Verärgert sagte Andrew: „Computer, Musik aus! Herein!“
Captain Trat kam in Andrew Gribeths spartanisches Quartier geschritten. Sofort warf Gribeth seinen Plüsch Yoda beiseite, rollte sich vom Bett, fiel dabei ungelenk auf den Deckboden. Er rappelte sich auf und nahm so etwas wie Haltung an. Allerdings war er im Pyjama, wodurch die ganze Szenerie etwas lächerlich wirkte.
„Stehen Sie bequem, Lieutenant.“ Sie sah sich im Raum um. Die Wände waren voll von gläsernen Schaukästen, in denen teilweise bis zur Unkenntlichkeit vergilbte Poster hingen. Der Schreibtisch war zu einer Ablage für detaillierte Raumschiffemodelle umfunktioniert worden. An der Decke waren tausende kleiner Dioden befestigt.
„Nett haben Sie's hier.“
„Danke, Ma'am. Was meinen Auftritt gestern betrifft...“
„Sie haben recht.“
„Ich habe recht, Captain?“, fragte Gribeth überrascht.
„Ja. Und ich bin nicht hier als ihr Vorgesetzter. Die Nachtschicht hat vor dreizehn Minuten begonnen.“
Andrew warf einen Blick auf das Wandchrono. Tatsächlich.
„Captain?“, fragte Andrew dann, als Trat nur dastand und zu überlegen schien.
„Sie haben recht. Verdammt nochmal, alle haben recht.“
Sie drehte sich um und ging ein paar Schritte durch den Raum. Verwirrt setzte sich Andrew auf sein Bett und griff nach seinem Plüsch Yoda. Sofort warf er ihn wieder weg, als Trat auf dem Absatz kehrt machte und ihn anlächelte.
„Spielen Sie Poker?“
„Äh... nein?“
„Hm. Egal. Um neunzehn Uhr in meiner Kabine. Deck Sieben, Sektion 2.“
Sie ging zur Tür.
„Seien Sie pünktlich.“
5. November 2425
USS Ares NCC 100431
Sektor Drei Drei Eins
„Bestätige, Ares. Andockerlaubniss für Gate 23, 1 Woche lang. Viel Spaß auf Merdian.“
„Danke, Kontrolle, den werden wir haben.“, sagte Etkins und schloss den Funkkanal. Koordinisten, dachte Etkins. Sind schlimmer als Anwälte.
Er öffnete einen neuen Kanal. „Brücke an Transporterraum 2. Landurlaub genehmigt Wir legen in zwei Minuten an.“
„Danke, Lieutenant.“
„Danke, Lieutenant.“, sagte Sarah und sah Yoshiki an. Er trug Freizeitkleidung: eine Kniehose aus blauem Samt und ein gelbes Hawaihemd, das ihm so gar nicht passen wollte. Erst jetzt fiel Sarah auf, dass sie den überkorrekten Ersten Offizier nie in etwas anderem als seiner Uniform gesehen hatte. „Ist einmal was Neues“, kommentierte sie und reichte ihm die Hand. Er packte sie und drückte schwächlich zu. Die übrigen Führungsoffiziere, bis auf Chefpilot Etkins und Lucia Seth alle versammelt, unterdrückten den Drang, Yoshiki am Arm zu führen. Seine Krankheit hatte er gestern öffentlich gemacht und bekannt gegeben, Urlaub zu nehmen – wahrscheinlich für immer. Jetzt stand er mit zwei Koffern – einem großen aus Leder und einem kleineren aus Metall – vor den beiden niedrigen Stufen der Transporterplattform und reichte jedem seiner Kollegen die Hand. Vor Bador mühte er sich sogar eine aufrechte Haltung ab. Wie er bekannt gegeben hatte, litt er am Tar'gathrall Syndrom, das besonders heimtükisch auf günstige Bedingungen für den Ausbruch wartete und dann innerhalb von Tagen zum Tod führte. Bislang gab es keine Heilung. Eines der ersten Symptome war ein einsetzender Muskelschwund.
Bador bemerkte die versteckten Ansätze von Schmerz in Takerucis Gesicht und streckte den Rücken durch. Und dann salutierte er vor dem Ersten Offizier. Eine Ehrenbezeichnung, die nicht vorgeschrieben war. Eine echte Ehrenbezeichnung.
„Ich komme bald wieder“, sagte Yoshiki, und es hörte sich wie eine handfeste Lüge an. Ein ausser Puste geratener Etkins stürmte herein, hastete ans Ende der Reihe und reichte Takeruci ebenfalls die Hand. Der Transporterchief stellte Takerucis Gepäck auf die Transportflächen und kehrte an sein Pult zurück. Yoshiki schritt zur Fläche empor und drehte sich um, bitter in den Raum lächelnd.
„Energie“, sagte Trat. Takeruci verschwand im blauen Licht des Beamvorgangs.
„Ob wir den Commander wohl je wiedersehen?“, fragte J'Kolan, als sie sich fünf Stunden später an ihre Konsole setzte und das Fach darunter ausräumte, in dem sich eines ihrer Datapads befand.
„Da bin ich ganz sicher.“, murmelte Sarah Trat und warf einen flüchtigen Blick auf das Chronometer unter dem Hauptschirm.
„Naja, ähm, Ma'am, sicher, ähm...“
„Jay?“
„Ja, Ma'am?“
„Konzentrieren Sie sich auf Ihre Geräte. Wie viele Crewmitglieder sind noch an Bord?“
„Ah... nur wir hier auf der Brücke, ein paar Techniker im Maschinenraum, die Führungscrew. Ein paar Nachzü...“
„Danke, Lieutenant, ich bin im Bilde.“
Unter normalen Umständen hätte Trat daraufhin gelächelt. Doch heute war sie leicht aufgekratzt. Wieder sah sie auf's Crono. Wieder war eine Minuten vergangen.
Dann piepste es im Komsystem der Brücke.
„Sarah hier.“
„Captain, ich bin's! Yoshi.“
„Commander?“, murmelte J'Kolan und wollte einen fragenden Blick mit Etkins wechseln. Der hatte aber nur Augen für seine Konsole. Er berührte die Elemente zur Berechnung eines Kurses.
„Yoshiki! Haben Sie schon Heimweh?“, fragte Sarah.
„Mitnichten. Immerhin ist der Tourist gerade erst angekommen. Den Gedanken ans zurückkommen... ha, der kommt frühestens in, sagen wir, drei Tagen. Ich stehe hier am Gate 23 und will Sie nur darauf hinweisen, dass der Lack ein wenig abgeblättert ist.“
Etkins lächelte ein wenig. Captain Trat schien irgendwie erleichtert – J'Kolan konnte sich nicht vorstellen, warum.
„Vielen Dank für den Hinweis, Commander. Jetzt genießen Sie, was immer Sie vorhatten.“
„Werd ich tun. Wir sehen uns in vier Wochen. Takeruci Ende!“
Jay drehte sich zur Captain um. Energisch sagte sie: „Captain, der Commander klingt krank!“
„Er ist krank, Jay.“, kommentierte Etkins, mehr zu sich selbst. Er gab immer noch Berechnungen ein und hatte irgendwann in den letzten paar Minuten zu schwitzen begonnen.
„Nein nein, ich meine, so spricht er doch sonst nicht! Captain, vielleicht sollte Metek...“
„Setzen Sie sich bitte wieder an Ihre Konsole, Lieutenant“, murmelte Trat geistesabwesend und befingerte ihre Armbanduhr. Dann blickte sie wieder auf's Wandchrono, lächelte grimmig und drückte auf einen Knopf an der Armlehne. Augenblicklich piepste ihr Armchrono. Auch bei Etkins piepste es. Dabei trug er sonst nie eine Uhr. J'kolan sah sich um. Junior Lieutenant Hackman, die Commander Seth an der Taktischen vertrat, blickte sie ebenso ratlos an.
„Griff an Brücke. Habe die Postkarte erhalten.“
„Verstanden. Holen Sie sich das Souvenir, wenn Sie bereit sind.“
„Aye. Kaufe.... jetzt!“
„Captain?“, fragte Jay verwirrt und stand auf.
„Nicht jetzt, Lieutenant. Andrew?“
„Habe das Geschäft erfolgreich abgeschlossen, Captain.“
„Gute Arbeit, Mister Gribeth. Lieutenant Etkins, bringen Sie uns raus.“
„Aye aye, Ma'am, löse Andockklammern.“
Die Ares erbebte. Vom einen Augenblick auf den anderen schüttelte sich der Deckboden. J'Kolan landete in ihrem Sessel und krallte sich an den Lehnen fest. Sarah tat es ihr gleich. Dann, nach einer halben Minute, hörte das Rütteln auf. Der Hauptschirm schaltete sich ein und zeigte das Innere des Raumdocks.
„Wir werden gerufen, Captain“, meldete Jay.
„Scheint so als wüssten sie, dass wir einen Ausflug unternehmen wollen.“, kommentierte Etkins und steuerte die Ares auf direktem Wege zu den Raumschotts. „Das habe ich mitbekommen, Lieutenant. Bringen Sie uns einfach ins freie All.“
Die Türen standen normalerweise offen. Jetzt begannen sie sich zu schließen. Langsam, als Vorsichtsmaßnahme.
„Etkins...“
„Jaja, ich seh's, ich seh's...“
„Captain, was soll ich der Kontrolle antworten?“, fragte Jay.
„Gar nichts.“
„Gar nichts?“
„Das sagte ich gerade. Gar nichts.“
Und dann, gerade als J'Kolan verstand und dies mit den Worten „Sie stehlen die Ares?“ kund tat, aktivierte sich der Rot Alarm des Raumdocks. Und mit ihm der eines jeden anderen Starfleet Schiffes im Sonnensystem.
„Nun, so einfach ist das nicht, Lieutenant. Sagen wir...“
„Die Tore schließen sich!“, rief Lieutenant Hackman und hielt sich krampfhaft am Rahmen des Pultes fest. „Stoppen Sie das, Captain!“
„Bringen Sie uns raus, Etkins, egal wie.“
Sie räusperte sich. Sie bemerkte durchaus, wie Lieutenant Hackman nach dem Typ 1 Phaser griff, der in einem Geheimfach der taktischen Konsole steckte. Seufzend modifizierte Trat ihren ursprünglich Plan und aktivierte schon jetzt das interne Komunikationssystem.
„Achtung Crew! Wie Sie vielleicht bemerkt haben gab es vor Kurzem eine Erschütterung. Dies waren die Auswirkungen eines Diebstahls. Im Moment versuchen wir, dieses Raumdock zu verlassen. Unser Ziel wird Ihnen noch durchgegeben, aber bitte glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass dieses Unternehmen nur ein Ziel hat: den Krieg zu beenden. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.“
Sie sah zu Hackman hinüber. Sie stand an ihrer Konsole und überlegte.
„Captain...“
„Lieutenant?“, fragte Trat und blickte zu J'Kolan.
„Man versucht uns mit einem Traktorstrahl zu erfassen.“ Sie machte eine Pause. Dann hantierte sie an ihrer Konsole. „Ich, ähm, ich stelle unsere Schilde auf eine umkehrende Polarisation ein. Das sollte uns für ein paar Sekunden schützen.“
„Danke, Lieutenant“, sagte Trat und ließ den Atem entweichen, den sie angehalten hatte, ohne es zu bemerken.
Der Hauptschirm zeigte nun immer schneller dahinrasende Raumschotts.
Etkins ließ die Ares rotieren und stellte sie auf die Kante.
„Alle Mann festhalten!“, schrie er. Keine Sekunde später passierte die Ares die schmale Öffnung.
Das Schiff erzitterte mehrfach. Es geriets ins Trudeln. Schwankte. Wurde erneut durchgeschüttelt. Sarah Trat fiel aus ihrem Kommandostuhl und landete auf dem Boden. Ihr linker Arm brach laut knackend beim Aufprall.
„Bericht!“, verlangte sie. Ein Lieutenant, der an der sekundären Wissenschaftsstation Rejustierungen vorgenommen hatte, packte das Medpack und eilte zu ihr.
„Schwere Schäden in der Delta Sektion, Ma'am!“, rief Etkins über den Lärm hinweg. Urplötzlich hatte sich der Kollisionsalarm eingeschaltet. Der Rotalarm gab auch noch die ganze Zeit seinen Senf dazu.
„Heckkamera!“, verlangte Trat.
Sekunden später wechselte die Darstellung des nun wieder gleichmäßigen Fluges zu einem Bild des Schreckens. Hinter der Ares trieben mehrere dünne, sich entfernende Trümmerteile. Die Türen des Raumdocks waren aufgeschrammt und teilweise verbogen. Sie begannen damit, sich wieder zu öffnen, und das erste Verfolgerschiff passierte bereits hochkant gestellt die Öffnung.
„Sensoren melden mehrere Starfleetschiffe auf Abfangkurs. Am nächsten ist uns die Heisenberg direkt achtern. Sie rufen uns und laden die Waffen.“
„Schilde hoch.“, befahl Trat. Hackman kam der Aufforderung nach, sagte jedoch kein Wort.
5. November 2425
USS Heisenberg NCC 89263
Sektor Drei Drei Eins
Captain Harmen Alligati vom Raumschiff Heisenberg beobachtete die beschädigte Ares auf dem Hauptbildschirm. Der Pilot war erfahren genug, um den beiden abgeknickten Warpgondeln großräumig auszuweichen. Ein Bergungstrupp würde die Trümmer später einsammeln müssen – das Plasma würde sich sonst früher oder später entzünden. Nach wenigen Sekunden waren sie an der Trümmerwolke vorbei.
„Voller Impuls, Pilot. Taktik, eine Salve Quantentorpedos vorbereiten. Als Warnschuss!“, fügte er eilig hinzu. Sein/e Taktikoffizier/In Brutch neigte dazu, bei der Wahl des Zieles ein wenig eigenmächtig zu handeln.
„Heisenberg an NCC 100431, bitte erklären Sie sich.“
Alligati wartete zwei volle Minuten ab, in denen sich die Heisenberg nach und nach der angeschlagenen Ares näherte.
„Keine Antwort, Sir.“
„Haben die ein technisches Problem?“
„Nein, Sir. Man ignoriert uns.“
Alligati lehnte sich vor. Er mochte es überhaupt nicht, auf Föderationsschiffe zu feuern. Doch für die nächsten beiden Minuten würde die Heisenberg das einzige Schiff in Waffenreichweite sein, und sobald die Ares den Masseschatten von Meridian verlassen hatte, würde keines der Schiffe im System sie mehr einholen – nicht einmal mit zwei fehlenden Warpgondeln.
„Misster Brutch, feuern Sie vor den Bug.“
„Aye aye.“
Die Heisenberg erzitterte leicht. Normalerweise hätte der Hauptschirm jetzt drei den Flüchtigen entgegen gehustete Torpedos zeigen müssen. Statt dessen wurde die Ares immer kleiner, die Bewegung der Sterne immer langsamer.
„Technik, was ist da los?“, erkundigte sich Alligati nervös. Dann gingen auf der Brücke sämtliche Lichter aus.
„Ah, das sollten Sie sich vielleicht selbst ansehen...“
Im roten Licht der Notbeleuchtung stand der Captain auf und lief zur technischen Station. Der dortige Offizier zeigte stumm auf den einzigen funktionsfähigen Bildschirm der Hauptbrücke:
< Vordia Sunrise. Man nehme ein leeres Glas und fülle es zur Hälfte mit einem Zucker / Sauerstoffkonzentrat.... >
Alligati schlug wütend auf den Schirm und sah zum Hauptschirm. Er war dunkel. Einige wirklich fiese Flüche denkend malte er sich aus, wie die USS Ares immer kleiner wurde und in der Unendlichkeit des Weltalls verschwand.
„Verdammt, Sarah, was soll das?“, polterte Bador als er mit langen Schritten die Turboliftkapsel verließ.
„Das habe ich bereits durchgegeben, Bador. Möchtest du eine Tasse Tee?“
Bador blieb zwei Meter vom Captain's Chair stehen und sah Trat fassungslos an. Die saß scheinbar ruhig da und hielt tatsächlich eine Tasse mit dampfendem Inhalt in ihrer zitternden Hand. Der linke Arm lag schlaf in ihrem Schoß. Blut drang durch die weiße Kapitänsjacke.
„Willst du mich verarschen?“, schrie Bador und zeigte auf die Turbolifttüren. „Du klaust ein Raumschiff, widersetzt dich deinen Befehlen, auf Deck 17 formiert sich eine Meuterei – und du bietest mir Tee an?“
Bador tat das Unmögliche: er lief vor Zorn rot an. „Was zum Henker ist denn los mit dir?“
Sarah stellte die Tasse auf der schmalen Armlehne ab. Sie setzte zum Sprechen an, doch dann wurde sie durch das Zischen des Turbolifts unterbrochen.
„Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat“, entschuldigte sich Andrew Gribeth und verließ die Kapsel. „Der General war sich erst nicht sicher, ob er mit uns kooperieren will.“
„Sie haben ihm unser Vorhaben erklärt?“, fragte Trat. Gribeth ließ sich in einen Stuhl der sekundären taktischen Station im hinteren Teil der Brücke fallen, seufzte und nickte dem fassungslosen Bador zu.
„Klar. Mit ein bisschen Glück verrät er uns alles, was wir wissen müssen.“
„Sarah?“
„Bador?“
„Bitte sag, dass du nicht den Kriegsverbrecher General Jebek aus dem Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses von Meridian Station gebeamt hast.“
„Das habe ich nicht.“
„Danke.“
„Fühlst du dich jetzt besser?“
„Ja.“
„Du weißt, dass ich das nur sage, damit du dich besser fühlst?“
„Klar, ich kenn dich doch.“
„Und was sagst du jetzt?“
„Ich frage dich erst einmal, was zum Lukifer...“
„Lucifer“, verbesserte Gribeth.
„...was zur Hölle du eigentlich vorhast.“
„Ganz einfach. Wir fliegen zur Heimatflotte der Z'Sordo, stürzen die Militärregierung und versuchen, die Romulaner davon abzuhalten, hunderttausende Unschuldige abzuschlachten.“, erklärte Sarah. Gribeth fügte hinzu: „Danach fällt uns sicher auch eine Lösung für das Problem mit den Romulanern ein. Wenn sie keinen Krieg mehr gegen die Z'Sordo führen, bräuchten sie keine Stützpunkte mehr.“
„Was uns in eine bessere Verhandlungsposition für die Gespräche nach dem Krieg einbringt.“
„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass die Römer zu Friedensgesprächen bereit sind?“, fragte Bador. Sein Gesicht hatte wieder einen einigermaßen gesund wirkenden Blauton angenommen.
„Ich nicht. Aber der Föderationsrat. Wir haben schon kaum genug Schiffe, um unsere Grenzen zu halten. Die Romulanische Flotte musste in den letzten Monaten an zwei Fronten gleichzeitig kämpfen.“
Sarah verzog verbittert das Gesicht. „Wahrscheinlich tun wir ihnen noch einen Gefallen, wenn wir den Sordo Zivilisten die Macht übergeben.“
Bador schüttelte den Kopf.
„Du bringst mich noch einmal ins Grab, Sarah.“
Er stand auf und wanderte zum Lift.
„Ich sehe zu, was ich im Bezug auf die Meuterei auf Deck 17 tun kann. In der Zwischenzeit tätest du gut daran, deine Beweggründe an die ganze übrige Besatzung weiterzugeben. Wir sind völlig unterbesetzt – wir können es uns nicht leisten, dass jemand die Arme verschränkt und sich zum Trotz in die Ecke setzt.“
Damit verschwand der Bolianer in der Turboliftkapsel und hinterließ eine viel ruhigere und zuversichtlichere Sarah Trat.
Wenn sogar Bador dazu bereit ist, dachte sie, dann sind meine Argumente doch logisch. Ich bin besser, als ich dachte.
„Dieser Arm... das wie vielte Mal ist das jetzt?“, tadelte Doktor Rotal und tippte mit dem Endstück des Hyposprays gegen die taube Bruchstelle. „Sie sollten wirklich besser darauf aufpassen, Captain. Menschliche Knochen sind nicht so stabil wie reptiloide.“
„Vielen Dank für den Hinweis, Doktor. War's das?“
„Ja. Obwohl...“
„Hm?“
Rotal sprang auf ein Biobett und setzte sich. Das Hypospray legte er neben sich. „Da wäre schon etwas.“
Captain Trat rieb sich den geheilten Arm; er kribbelte. „Immer raus damit.“
„Ähm. Ich wollte fragen, ob es möglich wäre... Lieutenant J'Kolan irgendwie vom Schiff zu schaffen.“
„Dies ist wirklich kein guter Zeitpunkt, um Beziehungsprobleme auf diese Weise...“
„Nein nein! Keine Probleme. Nur... sie wusste nichts von unserem Plan. Sie wurde sozusagen mitgefangen, wie man bei Ihrem Volk sagt.“
„Und sie hat sich bereitwillig mitziehen lassen.“
„Ja. Aber...“
„Kein Aber, Doktor. Wir stecken jetzt alle mit drin.“
Sarah trat näher an den Waraki heran.
„Machen Sie sich keine Sorgen, Rotal. Sie ist zäh.“
Sie machte Anstalten, die Krankenstation zu verlassen. Dann überlegte sie es sich anders. Sie trat an ein Interkom, warf dem Arzt einen „Dafür-schulden-Sie-mir-was“-Blick zu und öffnete einen schiffsweiten Kanal.
„ ... und wer mit dieser Vorgehensweise ein Problem hat, soll es jetzt sagen. Dies wird dann in der Akte vermerkt. Wer will, der wird per Rettungskapsel ausgesetzt. Wir werden dann einen Hilferuf aussenden.“
Die Lieutenants J'Kolan und Hackman sowie mMehrere Crewmen, hauptsächlich vom Deck 17, betonten, mit Trats Befehlen ein moralisches Problem zu haben, da sie das Ignorieren von Starfleet Ordern vorraus setzten. Dennoch gaben alle an, wie gewohnt jede Anweisung auszuführen. Ein Mitglied der Schiffssicherheit bat sogar darum, mit einem Shuttle einen anderen Kurs einzuschlagen, und J'Kolan programmierte einen Sensorschatten Emitter um, sodass er ein Phantombild der Ares immitierte. Damit zog der Lieutenant einige wertvolle Stunden lang die Aufmerksamkeit auf sich. Später wurde er für diesen Vorfall vom Sternenflottenkommando zum Fähnrich degradiert – und für herausragende Leistungen unter besonderen Umständen mit dem Verdienstkreuz der Sternenflotte ausgezeichnet. Doch vom Lieutenant Henry Lacers Erlebnissen soll an anderer Stelle berichtet werden.
Obwohl alle Meuterer sich erheblich abmühten - die Flotte war der Ares gefährlich nahe gekommen. Etkins flog immer noch einen reinen Fluchtkurs. Jebek bestand darauf, erst Beweise für die Behauptungen Gribeths sehen zu wollen.
„Dann, und nur dann, werde ich Ihnen vielleicht die Koordinaten der Heimatflotte übergeben.“ Jebek hatte während der Unterhaltung in Sarah Trats Bereitschaftsraum immer wieder ein humorloses Grinsen gezeigt. „So nobel Ihre Beweggründe, wenn ehrlich, auch sein mögen – ich habe eine Verpflichtung gegenüber meinem Volk.“
„Genauso wie ich dem meinen.“, hatte Sarah betont. „Ich gebe Ihnen mein Wort als Offizier der Sternenflotte, dass wir Ihnen helfen wollen.“
„Nun, die Tatsache, dass Sie wahrscheinlich bald kein Offizier der Sternenflotte mehr sein werden, spricht für sich.“
Mister Etkins derweil nahm auf seiner Route so ziemlich jeden Nebel und jedes Subraumschlagloch mit, das er finden konnte. So verwirrte er die dreizehn Raumschiffe, die in einem breit gefächertem Suchnetz ungefähr ihrem Kurs folgten, wenigstens ein bisschen und holte dringend benötigte Zeit für seine Kollegen heraus.
6. November 2425
USS Ares NCC 100431
Aufenthaltsort Unbekannt
„Wir haben sie!“
Die Captain sprang fast aus dem Turbolift und sprach, nun, sagen wir es einmal so, sie sprach laut. Lieutenant J'Kolan, für die es die erste Meuterei war und die sich schon in Ketten gelegt Hundefutter fressen sah, konnte den Drang hochzuspringen nicht unterdrücken. Interessiert beobachtete die Captain J'Kolans Versuche, sich an einer offen liegenden Deckenröhre festzuhalten. „Soll ich die künstliche Schwerkraft ausschalten?“, fragte sie belustigt. Sie war nicht schadenfreudig – sie hatte einfach gute Laune.
Etkins, der vorgab, sich auf seine Instrumente zu konzentrieren und damit das Grinsen kaschierte, das ihm bis über beide Ohren ging, sagte: „Wie gut, dass nur wir drei auf der Brücke waren... Also Captain, was haben wir?“
„Die Koordinaten der Z'Sordo Heimatflotte.“
Lieutenant Hackman hatte ihre Haare seit der letzten Schicht um die Hälfte ihrer früheren Länge gekürzt und trug sie nun in einem kurzen Pony. Sie starrte auf ihren holografischen Bildschirm, der wenige Zentimeter über ihrer Konsole hing. „Sie steht über Olgar Prime.“
Trat sah zuerst Hackman, dann Etkins und schließlich wieder Hackman an. J'Kolans Problem war vergessen.
„Woher wissen Sie das?“
„Es steht sozusagen in der Zeitung.“
Lieutenant Hackman rief ihre eigenen Daten auf dem Hauptbildschirm ab. Der taktische Schirm erwachte zum Leben und zeigte eine schematische Darstellung dessen, was auf seinem großen Bruder zu sehen war.
Und da war einiges zu sehen.
„Was zum...“, fing Etkins an. Sarah sah Hackman entsetzt an.
„Kam gerade über den offenen Notfallkanal rein, Ma'am. Die Romulaner haben den Stützpunkt aus der Datenbank eines Z'Sordo Wracks geborgen. Ihre Flotte ist bereits auf dem Weg zu einem Rendevouzkurs.“
„Rendevouz?“
„Ja. Sie treffen sich bei Zeta Ultima mit unserer Armada.“
Sarah ließ sich in ihren Stuhl sinken und überlegte.
„Wie groß ist unsere Flotte? Wen schicken sie?“
„Sie schicken die 5. Flotte, Ma'am. Unter Admiral Chekov.“
„Chekov also. Der sitzt mit seinen Schiffen im Bajor System fest. Das verschafft uns etwas Zeit.“
„Nicht so viel wie wir gerne hätten. Er ist schon seit zwei Tagen unterwegs. Die aktuelle Meldung richtet sich an alle Schiffe, die sich im Radius von zwei Tagesreisen befinden und freiwillig mitfliegen.“
„Wenn seine Flotte aus genug Schiffen ohne Warp 15 Antrieb besteht haben wir also noch mindestens drei Tage, mit Glück fünf. Mister Etkins, wie lange brauchen wir mit Maximalenergie bis zum Olgar System?“
Der Pilot kratzte sich an einem seiner spitzen Ohren und rieb sich die Augen. „Im Topzustand wären wir in etwa zehn Stunden dort. Aber mit zwei fehlenden Warpgondeln... Über den Daumen gepeilt kann ich Ihnen eine Maximalreise von vier Tagen geben. Vielleicht kann ich mit dem Chief drei Tage rausholen.“
Er drehte sich zur Captain um und gestikulierte hilflos. „Wir müssen ausserdem noch dringend die Löcher reparieren, die unser, ähm, Zusammentreffen mit den Dockschotts in der Hülle hinterlassen haben. Dafür können Sie gut und gerne noch mal einen Tag einplanen.“
Trat tippte mit den Fingerkuppen auf ihrer Armlehne herum.
„Jaja. Macht es mir bloß nicht zu einfach...“
Der ehemalige High General Jebek der Z'Sordo Befreiungsarmee, früher ein hoch dekorierter Held bei seinem Volk, für andere ein gemeiner Kriegsverbrecher und -treiber, saß an diesem Nachmittag an einem Tisch im Gesellschaftsraum Bug Fünf und focht einen heldenhaften Kampf mit dem Verschluß eines Puddingbechers aus. Der Metalldeckel war klar im Vorteil, doch Jebek hielt sich wacker. Er hatte einen nicht unbeträchtlichen Teil zur Mobilisierung beigetragen und sein Leben mehrfach für das Volk riskiert. Aber ein so gerissener Gegner wie dieser Puddingbecherverschluß war ihm noch nie untergekommen. Er zog und zerrte, benutzten seinen Löffel als Hebel und ließ sich sogar ein Messer replizieren, um damit in die Lücke zwischen Becher und Deckel vordringen zu können. Natürlich kam er auch auf die Idee, sich einen deckellosen Becher replizieren zu lassen – aber da blieb die Herausforderung völlig aus. So gut ihn die Föderierten auch behandeln mochten (Z'Sordo machten keine Gefangenen), ihm fehlte sein Kommando ebenso sehr wie der Kick, den er früher verspürt hatte, wenn er sich mit seinem kleinen Ein Mann Raumjäger in die Schlacht gestürtzt hatte. Dieser Nervenkitzel war mit der Zeit gewichen, verschwand proporizional zu der Menge an Leben, die ihm anvertraut wurden. Früher hätte er es mit dem ganzen Romulanischen Sternenimperium aufnehmen können.
Heute kämpfte er mit Pudding.
Eine Hand sauste in Jebeks Sichtfeld. Der Zeigefinger war ausgestreckt und blau. Der Unbekannte drückte den Puddingdeckel hinein und löste damit den Entriegelungsmechanismus aus. Entäuscht sah Jebek auf.
„Schmeckt's Ihnen?“, fragte ein Mann mit blauer Haut und einer Art Narbe in der Mitte seines Gesichts. Jebek hatte schon einmal einen Angehörigen dieser Rasse gesehen. Der Mann war wohl ein Bolianer.
„Ich bin mir noch nicht sicher“, antwortete Jebek und griff in Zeitlupentempo nach dem Messer. Der wütende Bolianer bemerkte die Bewegung, sah zu Jebeks rechten Hand...
Und Jebek nutzte den Augenblick der Ablenkung. Mit der Linken packte er den Bolianer am Kragen, warf ihn über den Tisch und setzte mit dem Löffel nach, den er ihm unangenehm nahe ans Auge hielt.
„Aber ich bin sehr neugierig.“, vollendete er seine Antwort und untermalte die Aussage mit kreisenden Bewegungen des Löffels. „Geht Ihr Volk so mit Gästen um?“
„Sprengt Ihr Volk öfter mal Planeten in die Luft?“, fragte der Mann am Boden. Seine Stimme zitterte genauso stark wie er. Die Bar war leer – der Bolianer konnte keine Hilfe erwarten.
Das holografische Programm belehrte Jebek eines besseren. Der Barkeeper ergriff seinen Hals, zerrte ihn fort und ließ ihn rückwärts gegen einen Tisch stolpern. Das im Boden verankerte Möbelstück wurde ihm in die Rippen gepresst; Luft entwich aus seiner Lunge. Mehrere seiner Hautdornen brachen ab; sie waren voller Nerven und brannten höllisch. Der General sank in sich zusammen.
„Danke.“, sagte der Bolianer, als der Barkeeper ihm aufhalf. „Ich werde....“
Zu mehr kam der blaue Mann, ein Techniker, nicht, denn der Barkeeper versetzte dem unachtsamen Bolianer einen Tritt, der ihn rücklings auf den Boden warf. „Keine Prügeleien in meiner Bar, Junge!“, rief er, als der Bolianer sich aus der Nase heftig blutend aus dem Raum schlich.
Der Barkeeper, der seine Alltagskleidung gegen eine Variante der Offiziersuniform eingetauscht hatte, schritt zu General Jebek. Der lag, immer noch benommen, auf dem Boden. Auch er blutete – seine Dornen waren voller Blutdepots.
„Kommen Sie schon hoch.“, forderte das Hologramm und bot eine hilfreiche Hand an.
„Wohl kein sehr freundliches Volk“, kommentierte Jebek und setzte sich dann ächzend auf einen Couchsessel.
„Er ist Bolianer; mich wundert es, dass er überhaupt ausrastet.“
Der Barkeeper überlegte kurz. „Nein, eigentlich doch nicht. Sie sind doch High General Jebek, oder nicht?“
„Der bin ich.“
„Aja. Nun, viele Leute an Bord hatten Freunde oder Verwandte auf Vulkan, wissen Sie.“
„Das tut mir leid.“
„Es tut Ihnen leid.“
„Das sagte ich.“
„Das sagten Sie.“
„Wollen Sie mich noch länger immitieren?“
„Nein. Ich will mit Ihnen anstoßen.“
Der Barkeeper wanderte zur ar, holte je zwei Gläser und Flaschen und kehrte wieder zum General zurück. In ein Glas schüttete er eine giftgrüne Flüssigkeit, in die andere einen durchsichtigen Inhalt. Das grüne Etwas gab er an Jebek weiter.
„Sie mögen ein Kriegsverbrecher sein. Aber Sie sind die einzige Hoffnung auf Frieden in unserer Galaxis.“
„Ich habe Ihrem Captain bereits die Koordinaten unserer Heimatflotte gegeben.“
„Oh.“ Der Barkeeper nahm vorsorglich die Flasche „El Diavlo“ und stellte sie unter den niedrigen Beistelltisch. Jebek musste sich ein Lächeln verkneifen.
„Na dann.“
„Ob Sie es mir glauben, Mensch, oder nicht: ich habe nichts gegen die Föderation. Mein Hass gilt den Romulanern. Die Vulkanier waren im Weg.“
Der Barkeeper hatte das Glas schon am Mund, da sagte er: „Macht Sie nicht unbedingt sympatischer.“, und trank. „Und ich bin kein Mensch.“
Jebek sah in sein eigenes Gefäß. Er sah dreierlei. Seine Familie, allesamt tot. Sein eigenes Gesicht, alt und müde, vom Krieg gezeichnet, das sich auf der Oberfläche spiegelte. Und er sah eine giftgrüne Flüssigkeit, die ihn an die Felder von Sordia erinnerten. Auf den Weiden der Al'cal'carra Ebenen hatte er als Kind viel herumgetollt. Früher war es noch einfacher gewesen, Kinder vom Schicksal ihrer Welt fernzuhalten. Doch mit der Ausweitung der Schiffswerften, in denen die Romulaner sein Volk zum Bau von Kriegsschiffen zwangen, waren nicht nur die Ebenen von Al'cal'carra verschwunden, sondern auch jede Hoffnung auf eine glückliche Kindheit für irgend ein Z'Sordo Kind – ein Krapfen, der seit der Zerstörung von Sordia sowieso unwideruflich gegessen war.
„Ja“, sagte Jebek dann, nachdem mental er das Elend auf Sordia mit dem auf Vulkan verglichen hatte, „macht mich nicht sympatischer.“
Der Barkeeper sah trank einen Schluck, sah Jebek dann an. Lächelte.
„Zeit für einen Neuanfang, finden Sie nicht auch?“
6. November 2425
USS Deimos NCC 90845
Aufenthaltsort unbekannte
„Das sieht übel aus.“, brummte Bador und deutete durch das Sichtfenster auf einen schwarzen Rußfleck, der sich an einer Naht der Aussenhaut entlangzog. „Wenn wir Pech haben ist da eine EPS Leitung gerissen.“
Sarah richtete die Sensoren auf die besagte Stelle nahe des Lecks aus. Summend nahmen die Instrumente ihre Arbeit auf.
„Könnte auch was von der Docktür sein“, mutmaßte sie und blickte Bador fragend an. Der Bolianer sah noch einmal genauer hin und schüttelte dann den Kopf. „Nein, dann wäre der Fleck nicht so genau auf der Naht.“
Bador richtete sich auf. Er streckte seinen Rücken, breitete die Arme aus und ließ sie ein paar mal herumkreisen. Dann, als er sich bereit fühlte, drehte er sich um und setzte eine Miene der äussersten Abneigung auf, als er den Kasten öffnete, in dem die Vakuumanzüge gelagert wurden.
„Ich hasse diese Dinger.“
„Ich weiß.“
„Toll. Kommst du mit?“
„Nein. Ich muss zurück auf die Brücke.“
Bei ihren letzten Worten stand auch Trat auf und schlenderte durch das winzige Cockpit des Runabouts zum Personaltransporter. „Ich schicke dir ein paar Techniker rüber.“
„Ein Tarillianischer Raktajino wäre mir ehrlich gesagt lieber.“
„Gegen den bist du allergisch.“
„Ich weiß.“
6. November 2425
USS Ares NCC 100431
Aufenthaltsort Unbekannt
In der Dunkelheit ihres Quartiers merkte Commander Lucia Seth nicht, wie eine der Dioden ihres Personalcomputers ansprang. Sie saß in einer Ecke, das Gesicht in den angezogenen Knien vergraben, ein Datapad neben sich. Der Computer piepste. Lucia ignorierte ihn. Ihre Finger waren vor ihren Beinen in einander verknotet. Absolute Dunkelheit.
Wieder ein Geräusch. Nahe diesmal. Fast hätte sie es interessiert.
Derek lachte mit seiner hohen Piepstimme. Peter sagte irgend etwas in einam alten persischen Dialekt, den Lucia nicht verstand, aber es klang ein wenig nach „Ich liebe dich immer noch“.
Es klopfte.
Nicht das Geräusch, das ein auf leise geschaltetes Interkom von sich gab. Nein, es war das Klopfen von Knöcheln auf eine Metallwand.
Widerwillig stand Lucia auf. Ihr gang war ein bischen wackelig. Sie versuchte, sich in der Dunkelheit zurechtzufinden, einen Weg zur Tür zu erkunden und sie dem Besucher zu öffnen.
Nachdem sie drei mal über zerbrochene Möbelstücke gestolpert war gab sie es auf. Sie setzte sich, hoffend, nicht gerade auf der früher recht hübschen Vase zu landen, und sagte: „Öffnen.“
Licht drang an ihre Augen und brannte sich in sie hinein. Lucia hob den Arm und schützte damit ihre empfindlichen Sinnesorgane.
„Wer ist da?“, krächzte sie und lugte zwischen ihren Fingern hervor. Eine große, dunke Gestalt stand im Schein des Korridors und sah sich in ihrem Quartier um.
„Sie sollten Ihr Quartier auf Vordermann bringen, Commander.“
Lucia kramte in ihrem Gedächtnis herum. Irgendwoher kannte sie diese Stimme.
„Captain?“, fragte sie.
Captain Trat blieb im Türrahmen stehen und suchte nach dem Schaltelement für die Beleuchtung. Sie fand es und betätigte es. Sofort flammten die Illuminatoren auf und tauchten die Szenerie in einen unheimlich hellen Schein. Lucias Augen gewöhnten sich nur langsam daran. Doch besann sie sich auf das Protokoll und nahm Haltung an.
„Ich brauche Sie auf der Hauptbrücke.“, sagte Trat gerade heraus.
„Sir?“
„Lieutenant Hackman ist, von Ihnen abgesehen, der einzige Offizier mit langfristiger Erfahrung an den taktischen Systemen. Und der Lieutenant ist seit fast zwanzig Stunden auf Station.“
Lucia setzte sich auf einen Stuhl in der Nähe. Der Tisch vor ihr beherrbergte eine Tasse bräunlichen Inhalts sowie ein halb verzehrtes Truthahnsandwich; beides etwa zwei Tage alt.
„Ich bin nicht arbeitsfähig.“
„Unsinn.“
„Deep Space 16 wurde von den Romulanern zerstört.“
„Das habe ich gehört.“
„Meine Familie war an Bord.“
„Auch das habe ich gehört.“
„Verdammt, dann wissen Sie, dass ich jetzt nicht arbeiten kann! Ich kann jetzt überhaupt nichts tun.“, fügte sie, mehr zu sich selbst, hinzu. Mit der einen Hand fuhr sie sich durch die kurzen roten Strähnen. Captain Trat setzte sich derweil auf einen anderen Stuhl gegenüber und rieb sich beim Sprechen den linken Arm.
„Mein Mann war auf Sternenbasis 21 als sie von Romulanischen Agenten in die Luft gesprengt wurde. Auch ich habe einige Zeit gebraucht, um das zu verdauen.“
Lucia starrte an der Captain vorbei und fixierte einen Punkt irgendwo hinter Trat.
„Aber wir haben keine Zeit, Lucia.“
Captain Trat schob den Teller mit dem Sandwich beiseite und stemmte sich mit ihren Ellenbogen auf die Tischplatte, wobei sie den rechten Arm weit mehr belastete als den linken. „Im Moment ist die eine Hälfte der Flotte hinter uns her. Die andere fliegt zum Treffen mit den Romulanern. Und dieses Schiff hier macht sich morgen früh auf den Weg in ein Krisengebiet, um ein paar Diktatoren zu entmachten, einen weiteren Krieg zu verhindern und das alles ohne seinen Taktischen Offizier, von der kopflosen Schiffssicherheit ganz zu schweigen!“
Lucias einzige Reaktion bestand in einem schläfrigen „Was interessiert mich das“-Blick. Trat wartete zwei volle Minuten, bevor sie aufstand.
„Wenn wir den Teil mit den Z'Sordo überlebt haben sollten werden wir uns mit einer Menge Romulanern herumschlagen müssen.“, sagte sie, als sie knapp ausserhalb des Türsensors stehen blieb. „Sollten Sie sich dazu aufraffen, ein paar Spitzohren in den Arsch zu treten – Ihre Schicht beginnt um 0800. Sind Sie morgen früh nicht auf Ihrem Posten sehe ich das als eine Bitte um Entlassung.“
Damit verließ die Captain das Quartier und hinterließ eine nachdenkliche, depressive und nicht zuletzt wütende Lucia Seth.
7. November 2425
USS Ares NCC 100431
Aufenthaltsort Unbekannt
Doktor Rotal betrat die Hauptbrücke auf Deck 1 pünktlich um zwölf Uhr. Jay, die sein Quartier lange vor ihm verlassen hatte, schenkte er ein besonders liebevolles Lächeln. Ein Crewman an der sekundären wissenschaftlichen Station wandte sich fröstelnd ab.
„Wie sieht es aus, Doktor?“, fragte eine schlecht gelaunte Captain Trat; ein Blick auf die taktische Station zeigte Rotal einen sichtlich besser gelaunten Andrew Gribeth.
„Die notwendigsten Medikamente und Gerätschaften sind vorschriftsmäßig an Bord. Leider ist mein Team infolge des Landurlaubs ein wenig dezimiert...“
„Ich verstehe. Lieutenant J'Kolan, Sie helfen dem Doktor in der Sick Bay aus.“
„Jawohl, Ma'am!“, rief Jay erfreut und stand von ihrer Konsole auf.
„Noch etwas?“
„Das wäre alles, Captain. Ich gehe dann mal wieder an die Arbeit.“
Sprach's und lief in Commander Lucia Seth hinein, die soeben den Turbolift verließ. Er machte einen Bogen um sie, grinste sie an und wartete auf Jay. Zusammen fuhren sie nach Deck 15 hinab.
„Melde mich zum Dienst, Captain.“
Captain Trat blickte zuerst Seth und dann den Chronometer unter dem Hauptbildschirm an. „Ich bilde mir ein, etwas von pünktlich gesagt zu haben.“, sagte sie. Seth öffnete wortlos den Mund; sie wollte wohl protestieren. Sarah sah wieder Seth an, wandte ihren Blick dann demonstrativ zur Decke. Und räusperte sich.
„Da fällt mir ein“, begann Andrew, als er sich an die wissenschaftliche Konsole setzte und den Stuhl zurechtrückte, „dass ich gestern den Hauptcomputer überprüft habe.“
„Haben Sie das, Commander?“, fragte Sarah, Interesse vortäuschend. „Haben Sie dabei vielleicht auch ein paar Änderungen vorgenommen?“
„Nuuuun... vielleicht. Man sollte den internen Chronometer überorüfen, Captain.“
„Und solange sollte man den Geräten nicht trauen.“
„Genau das wollte ich damit sagen, Captain.“, schloss Gribeth.
Captain Trat lehnte sich zufrieden in ihrem Stuhl zurück, den Blick auf den deaktivierten Hauptschirm gerichtet. Als Commander Seth einfach stehen blieb, sagte sie gespielt verstimmt: „Na worauf warten Sie denn noch, Commander? Haben Sie Ihren vorbildlichen Dienst in dieser Woche schon vergessen? An Ihre Konsole!“
„Ja. Ahm. Aye, Sir.“
Lucia durchwanderte die Brücke und stellte sich an ihre Konsole. Dann überlegte sie es sich anders und zog den Stuhl wieder heran, den Commander Gribeth benutzt hatte. Sie rekonfigurierte die Anzeigen solange, bis sie wieder ihrer bevorzugten Einstellung entsprachen, und meldete dann: „Alle taktischen Systeme einsatzbereit, mit Ausnahme des Disruptors C, der durch ein in den Dateien nicht näher genanntes Unglück, ähm, abgeschabt wurde.“
„Danke. Noch was?“
„Ja. Das Raumschiff Deimos dockt gerade im Haupthangar an. Der Chief meldet volle Bereitschaft aller Antriebssysteme und gibt die Triebwerke für Warpfaktor 12 frei.“
„Na bitte, Mister Etkins, wie es aussieht haben wir unser Pony unterschätzt.“
„Da muss ich Ihnen recht geben. Kurs nach Olgar Prime ist gesetzt, Ma'am.“
„Dann bitte ich um vollen Warp.“
„Maschinen aktiviert. Warte auf Ihren Befehl.“
„Hiermit erteilt.“
Gut gelaunt, zumindest besser als zuvor, besann sich Sarah auf einen alten Scherz von der Akademie. „Machen Sie's so.“
?????
Unbekannter Standort
Sektor Null Null Eins
Vakhan Trat sank auf der Couch in sich zusammen. Der gestrige Tag – es war lange nach Null Uhr – war anstrengend gewesen, doch er wusste, dass noch viel mehr Arbeit anstand.
Vakhan hörte ein flatterndes Geräusch aus dem Nebenraum. Aufgeschrecktes Gekreische begleitete ein metallisches Klirren. Normalerweise hätte er beim Aufstehen gelächelt. Heute war er dafür zu tief in Gedanken versunken. Geistesabwesend trottete Vakhan auf den Türbogen zu. Als er ihn erreicht hatte tastete er nach dem Bedienelement für die Deckenlampen. Augenblicklich flammten die Iluminatoren auf. Die beiden Gagara – kleine, stämmig gebaute Laufvögel vom Planeten Rigel 7 – flatterten erneut auf, ließen die metallischen Federn gegen die Einrichtung knallen. Dann sahen sie Vakhan, der das Licht brennen ließ und in die andere Richtung zur Schlafkoje wandte. Zufrieden gackerte ein Gagara, kletterte die nächste Eisenstange empor und machte es sich auf einem Schlafstein gemütlich. Das andere Exemplar gab einen glucksenden Laut von sich und tat es seinem Kollegen gleich.
Vakhan setzte sich auf's Bett. Er nahm ein eingerahmtes Bild von seinem Nachttisch. Es war alt, vergilbt – eine echte Fotographie aus dem 25. Jahrhundert – und betrachtete es einmal mehr nachdenklich. Die ganze Sache ergab für ihn natürlich mehr Sinn, als es bei einem Aussenstehenden der Fall gewesen wäre. Aber im Moment wünschte er sich, er wäre selbst ein Aussenstehender gewesen...
STAR TREK
Ares
Kapitel 5
Der Krieg um Frieden, Teil 1
10. November 2425
USS Ares NCC 100431
Am Rande von Sektor Eins Null Null Drei
Eisige Stille herrschte auf der Brücke. Sie stand damit im krassen Gegesantz zur schwülen Hitze, die sich in der Kommandozentrale breit gemacht gemacht hatte. Die Umweltkontrollen wurden zur Zeit nicht gewartet. Man hatte an Wichtigeres zu denken. Der Hauptbildschirm, den zu deaktivieren ein kleiner Tick Captain Sarah Trats war, zeigte das charakteristische Vorbeiziehen von linienartigen Sternen eines Warptransfers. Chief Badors Einschätzung bezüglich der maximal möglichen Triebwerksbelastung war ein wenig zu optimistisch ausgefallen. Schon nach einem Tag hatte sich die Steuerbordwarpgondel mit lautem Krachen aus dem aktiven Dienst verabschiedet. Der sonst so fröhliche Bolianer, selbst mit Problemen familiärer Art belastet, hatte drei weitere Stunden im Raumanzug verbringen dürfen. Wenig später hatte er das zweifelhafte Vergnügen, Captain Trat von der neuen maximalen Warpgeschwindigkeit zu berichten. Warp 9 der neuen Skala. Das bedeutete einen zusätzlichen notwendigen Tag für die Reise.
Schlimmer noch: die Ares war jetzt nicht mehr schneller als die Schiffe der Sternenflotte, die sie verfolgten, denn Warp 9 war ein Fixwert in der Umrechnung zwischen alter und neuer Skala und war bei beiden gleich. Commander Seth hatte errechnet, dass das nächste Schiff, die USS Yokohama, die Ares in spätestens zwölf Stunden eingeholt hätte.
Wäre sie nicht plötzlich abgedreht. Der Captain der Yokohama gab auf einem öffentlichen Kanal einen Notruf aus, in dem um Hilfe bei Triebwerksproblemen gebeten wurde. Die „Piratencrew“ (ein Insider, der sich von Deck 17 aus ausgebreitet hatte) glaubte an einen glücklichen Zufall.
Noch immer war es ruhig auf der Brücke. Die einzigen Geräusche stammten entweder vom Schiff selbst oder von Lieutenant Etkins. Seine dunkle Haut, besonders an den spitzen Ohren und der gefurchten Stirn, war voller Schweißperlen, die sich in regelmäßigen Abständen lösten und großteils auf die Primäruniform fielen, die er trug. Die Offiziersjacke, fleckig, klitschnass und voller Falten, auf der Rücklehne seines Stuhls, den er aus Gründen der Bequemlichkeit ein wenig modifiziert hatte. Die Lehne ragte nun ein wenig aufrechter empor.
Etkins hatte, von Captain Trat und dem ewig beschäftigten Bador vielleicht mal abgesehen, die meisten Überstunden gemacht. Besonders jetzt, wo der Eintritt ins Olgar System nur noch wenige Stunden entfernt war, blieb er ohne Pause auf Station. Selbst Doktor Rotal konnte nur mutmaßen, wie lange der Pilot diesen Schlafentzug noch aushalten würde.
Das Chronometer zeigte exaxt 12 Uhr 43, als Commander Seth verkündete: „Die Jugoslavia und die Mariner haben soeben die Verfolgung abgebrochen.“
Die Sicherheitsoffizierin strich sich durch die kurzen, feuchten Haarsträhnen. Captain Trat sah zu ihr hinüber und machte sich Sorgen. Seths Gesicht war blass, ihre Wangen ein wenig eingefallen. Ihre Offiziersjacke lag nicht mehr so eng an wie früher. Im Gegensatz zu ihrer üblichen Gewohnheit saß Lucia auf einem hohen Sessel. Sarah fragte sich unwillkürlich, wann Seth wohl das letzte Mal eine Mahlzeit zu sich genommen hatte.
Sarah wusste in etwa, was sie durchmachte. Wie sie selbst hatte Seth gerade ihren Ehemann verloren – zumindest war die Station, auf der er mit dem gemeinsamen Sohn gewohnt hatte, völlig zerstört worden. Doch trotz aller Bedenken bezüglich Gesundheit und Moral der Mannschaft – dies war kein Sonntagsausflug.
„Grund?“
„Beide melden einen Notruf in ihrem Sektor und haben darum gebeten, ihm nach zu gehen. Der Bitte wurde entsprochen.“
Sarah strich sich mit der einen Hand über die Lippen. Sie waren spröde, wie sie bemerkte.
„Mir kommt das alles sehr merkwürdig vor, Commander.“
„Es könnte eine Falle sein“, gab Flight Officer Commander Andrew „Griff“ Gribeth zu bedenken. „Oder einfach nur Zufall.“
Erneut piepte es an Seths Konsole. „Die USS Denve'ur meldet Maschinenversagen.“
Sarah stand auf und ging mit zügigen Schritten auf die sekundäre wissenschaftliche Konsole zu. „Zuerst die Yokohama, dann die Jugoslavia, die Mariner und jetzt die Denve'ur?“
„Sie haben recht. Zufall ist das keiner.“
Sarah aktivierte den Holoschirm und ließ sich eine Darstellung aller verfolgenden Starfleetschiffe geben. Die vier weggefallenen Schiffe ließ sie zunächst aus der Darstellung entfernen. Commander Seth beugte sich zur Captain hinüber; die sekundäre Wissenschaftliche lag direkt neben der primären Taktischen.
„Sehen Sie es auch?“, fragte Seth ungläubig.
„Ja. Aber ich kann es nicht glauben.“
Die beiden Frauen sahen sich an.
„Griff, bitte scannen Sie die Koordinaten der vier Schiffe, welche die Verfolgung abgebrochen haben.“
„Aye, Ma'am. Scanne jetzt.“
Der Vorgang dauerte nur wenige Sekunden lang. Die Konsole gab ihre fast niedlichen Piep- und Gurrlaute von sich. Sarah betrachtete immer noch das Holo, als Andrew meldete: „Sie entfernen sich mit hohen Geschwindigkeiten von ihren alten Kursen. Der... der Raumbereich, in dem sie vorher nach uns gesucht haben, ist jetzt... leer, Captain. Völlig leer!“
„Dann haben die sicher eine Falle aufgestellt“, mutmaßte Trat und nahm einen eigenen Scan vor. „Die können doch nicht....“
„Die können doch nicht was?“, fragte Andrew. Er schien weder seinen noch den Messinstrumenten der Captain zu trauen. Das war aber auch nicht all zu sehr verwunderlich; Jagdpiloten neigten dazu, eher visuell zu arbeiten.
„Sie verschaffen uns einen Korridor. Hier.“
Seth rief eine Darstellung auf dem taktischen Begleitschirm ab. Sie zeigte in etwa das selbe Bild wie die sekundäre Wissenschaftliche: ein Raumgebiet, in dem sich vier rot blinkende Punkte schnell von einander weg bewegten. Sie unterschieden sich damit deutlich von den zwei Dutzend grauen Punkten, die mit gleichmäßiger Geschwindigkeit ein weitläufiges Kugelmuster um die Ares herum bildeten. Ein jeder anderer Kurs als der nach Olgar Prime hätte das Schiff innerhalb weniger Minuten in Sensorreichweite der Verfolger gebracht.
„Wenn wir auf diesem Kurs bleiben durchstoßen wir das Netz in weniger als dreißig Minuten“, verkündete Etkins.
Trat schaltete ihren Holoschirm ab und nahm wieder im Captain's Chair Platz. Nachdenklich begutachtete sie, was das kleine Taktische Darstellungsgerät ihr zeigte.
„Ihr Vorschlag, Commander?“, wandte sie sich dann an Seth.
„Auf Kurs bleiben und...“
„Und?“
„Sir, die Saratoga hat jegliche Kommunikation mit der Sternenflotte gestoppt und ihre Hauptenergie abgeschaltet. Die Eisenherz hat sich abgemeldet und fliegt nachsehen...“
„Überdeutlicher geht's nicht“, kommentierte Etkins und wieß damit auf die Tatsache hin, dass die beiden Raumschiffe die einzigen gewesen wären, welche die Ares beim Passieren des Korridors zwar nicht eingeholt, wohl aber geortet hätten – wenn sie auf Position geblieben wären.
„Mister Etkins, ich glaube die nächsten Flugstunden werden einigermaßen ruhig werden. Nehmen Sie sich zwei Stunden frei und besuchen den Onkel Doktor. Ich brauche Sie in ausgeruhtem Zustand, wenn wir ankommen.“
„Das war sicher eine von diesen <Ich bin Ihr Freund und weise Sie nur darauf hin>-Bitten, oder?“
„Nein, Mister Etkins, das war ein <Ich bin Ihr kommandierender Offizier>-Befehl. Jetzt runter von meiner Brücke und ab ins Bett mit Ihnen.“
Die ersten Anzeichen kündigten sich um 3 Uhr nachmittags an. Commander Seth beobachtete angestrengt die holografischen Elemente ihrer Konsole. Ihre Augen fixierten einzelne Punkte; Seth nahm dann am Rande ihres Sichtfeldes Dinge war, die einem allgemeinen Blick entgangen wären. Doch zur Zeit sah sie nur Sterne, zwei Kometen und drei kleine Raumschiffe, die sich mit Warp 2 (Alte Skala) fortbewegten und wahrscheinlich Frachter waren.
Dann teilten sich zischend die Schotts und ließen den ehemaligen High General Jebek auf die Brücke. Sofort sank die mentale Temperatur im Raum um mindestens zwanzig Grad. Etkins, der seit wenigen Minuten wieder auf Station war, grunzte vielsagend. Captain Trat nickte dem Z'Sordo zu, stand aber nicht von ihremStuhl auf – ein deutliches Zeichen dafür, dass sie wusste, dass sie den General brauchten. Mehr aber auch nicht. Commander Seth warf ihm einen wirklich gemeinen Blick zu – der General erwiederte den Blick ebenso starr, jedoch ausdruckslos – und schenkte ihre Aufmerksamkeit dann wieder ihren Instrumenten.
Und erstarrte.
„Captain“, sagte sie ausdruckslos. „da ist eine Raumanomalie.“
„Eine Anomalie?“, fragte Trat und eilte zu Seth. „Wo?“
„Direkt neben uns an Steuerbord. Könnte eine romulanische Tarnvorrichtung sein.“
„Griff, können Sie das bestätigen?“
Andrew Gribeth, der gerade noch herzhaft gegähnt hatte, beugte sich über seine Konsole. „Die Daten stimmen nicht ganz überein. Muss was neues sein....... aha. Wir werden gerufen, Captain.“
„Auf den Schirm. Mal sehen, was wir da...“
Die Darstellung des Hauptbildschirms wechselte und zeigte für eine Sekunde das Starfleetemblem. Dann schaltete er um und...
„Hier spricht Captain Sonya Hunt. Ich rufe das Raumschiff Ares.“
Sarah Trat richtete sich zu voller Größe auf. Sie griff nach ihrer Offiziersjacke, streifte sie über und verschränkte die Hände auf dem Rücken.
„Wir werden uns nicht einfach so ergeben, Captain.“, sagte sie und gab Seth versteckte Handzeichen: Schilde hoch; Rotalarm. „Wir haben uns für unsere Handlungsweise entschieden und bleiben dabei. Ihre Falle wird nicht so leicht zuschnappen, wie Sie es gerne hätten.“
Die Frau, deren schmales Gesicht auf dem Hauptschirm lächelte, war jung, nicht älter als dreißig, wenn Seth sie richtig einschätzte. Damit war sie unverhältnismäßig jung für ein eigenes Kommando. Sie trug ihre dunklen Haare offen und recht lang. Captain Hunts grüne Augen sahen Sarah Trat ehrlich, doch durchdringend an.
„Hier liegt wohl ein Missverständnis vor. Wir sind keineswegs hier, um Sie an irgend etwas zu hindern, Captain. Wir werden Sie unterstützen.“
„Ach“, machte Trat und gab Seth das Bereitschaft-Zeichen. „Und wer ist wir?“
„Wir“, sagte Captain Hunt und vollführte eine all umfassende Geste, „sind die Crew des Raumschiffs Enterprise. NCC 1701-H.“
Woraufhin sich an Steuerbord ein Raumschiff enttarnte. Ein majestätisches Schiff von gigantischen Ausmaßen. Fast achthundert Meter lang, vom Bug bis zum Ende der beiden längeren Warpgondeln an Backbord und Steuerbord. Mehr als fünfhundert Meter breit. Es erinnerte an einen Mantarochen, an dessen Flanken man breite, jedoch gleichzeitig filigrane Schwingen angebracht hatte. Der „Rücken“ enthielt zwei dickliche, langgezogene Warpgondeln, die zur Hälfte im Rumpf versenkt waren.
„Das ist also die neue Enterprise“, murmelte Andrew Gribeth. Etkins hauchte ein unhörbares „Wow“ aus. Und Sarah Trat brach innerlich fast in Tränen des Glücks aus.
„Wir können jede Hilfe brauchen, die wir kriegen können.“, sagte sie.
„Willkommen an Bord der Ares!“
Sarah Trat stand vor der Transporterplattform im entsprechenden Raum auf Deck 3. Sie trug ihre Galauniform, die sich stark an die Varianten der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts orientierten. Neben ihr, an der Konsole, macht Bador eine Handbewegung irgendwo zwischen salutieren und Zerren am viel zu engen Kragen. Commander Seth stand am Eingangsschott und pustete in ein elektronisches Pfeifchen. Sie hatte auf Galauniform verzichtet. Die Deckenlampen flammten etwas heller auf als sonst.
Auf der Plattform erwiederten zwei Personen Badors Salut.
Die eine war ein älterer Klingone. Er trug eine Standartuniform mit den Rangbalken eines Commanders. Zusätzlich war sein Abzeichen mit den flügelartigen Zusätzen eines Flight Officers versehen. Sarah, die sich mit Klingonen nicht all zu sehr auskannte, schätzte den Mann mit der Glatze auf ein Alter zwischen achtzig und hundertzehn. Zackig nahm der Klingone, der seine Begleiterin um fast zwei Köfpe überragte, die Hand wieder herunter.
Neben ihm stand Captain Sonya Hunt und gab ein viel lässigeres salutieren zum Besten. Sie war etwa eins achtzig hoch, wobei ihre dunklen braunen Haare mindestens einen halben Meter lang waren. Irgendwo in Schulterhöhe änderten sie ihre Farbe und zeugten von einer Haarverlängerung. Grüne Augen blitzten freundlich, aber wachsam und verschlagen unter dünnen, geschwungenen Brauen, in einem fein geschnittenen Gesicht. Sie trug keine Standartuniform; ihre Uniformjacke war nicht weiß, wie es ab dem Rang des Captains üblich war, sondern dunkelrot. Schmale, balkenartige Schmuckknöpfe säumten die Lücke, welche sich vor ihrer schmalen Brust auftat (Standartuniformjacken besitzen weder Knöpfe noch Reißverschlüsse und orientieren sich an den Galauniformen des späten 24. Jahrhunderts; Anmerkung des Autors!). Vollendet wurde das merkwürdige Outfit durch aufgeschlagene Hosenbeine, Stiefel mit Absatz – und einem Waffengürtel. Captain Hunt trug einen Typ 2 Handphaser im Holster sowie ein Typ 16 Phasergewehr in einem anderen. Würdevoll stieg sie die beiden Stufen hinab und reichte Captain Trat die Hand zum informellen Gruß.
„Danke Captain.“ Sie schnüffelte kurz in der Luft. „Ich muss gestehen: Ihr Schiff riecht nicht mehr so neu wie das meine.“
„Die Ares hat viel durchgemacht in der kurzen Zeit Ihres aktiven Dienstes.“
„Ja. Genau dieses Thema muss ich mit Ihnen besprechen.“
„Richtig. Ich habe eine Besprechung einberufen. Meine Offiziere warten bereits.“
„Bleiben Sie sitzen, Herrschaften. Darf ich Ihnen Captain Sonya Hunt vorstellen?“
Captain Trat hielt mit zielstrebigen Schritten auf den Captain's Chair am Ende des Konferenztisches zu. Alle Führungsoffiziere waren anwesend. Der Platz von Commander Takeruci, der rechts vor dem Captain, wurde von Jebek eingenommen, der finster dreinblickte. Linkerhand war ein Stuhl für Captain Hunt reserviert worden. Diese setzte sich, freundlich in die Runde nickend, an den für sie vorgesehenen Platz. Durch das Fenster in ihrem Rücken hätte ein weniger interessierter Zuhörer einen beeindruckenden Ausblick auf das Raumschiff Enterprise gehabt. Majestätisch und einfach nur schön hing es im All, einen schillernden Nebel voller Gold und Orange hinter sich. Die beiden größeren Warpgondeln waren dunkel und inaktiv. Nur die beiden im Rumpf versenkten „Stummelchen“ glühten in einem intensiven blau und zeugten von Bereitschaft.
„Wenn ich Ihnen zuerst meinen Ersten Offizier vorstellen dürfte... Flight Officer Kalaß.“
Der Klingone, hinter Hunt stehend und die Führungsoffiziere der Ares einen nach dem anderen musternd, verschränkte die Hände vor der tonnenförmigen Brust. Nur bei Griff zog er eine Braue in die Höhe. Er lachte und murmelte irgend eine klingonische Begrüßung. Zur allgemeinen Verwunderung antwortete Gribeth auf Klingonisch. Beide wechselten den traditionellen Gruß der Jagdpiloten – ein Salutieren mit der linken Hand mit einem abschließenden Zeigen auf die andere Person.
„Und nun zu unserer Mission.“, setzte Trat an.
„Unsere Mission?“, fragte Griff und setzte ein erwartungsvolles Gesicht auf.
„Unsere Mission. Starfleet weiß von Ihrem Plan. Und Sie haben unsere volle Unterstützung.“
„Sind deswegen die ganzen Schiffe aus dem Muster ausgebrochen?“, fragte J'Kolan, die ihre Logbücher gecheckt und entdeckt hatte, dass in der letzten halben Stunde zehn weitere Einheiten das Suchnetz verlassen hatten, manche unter Angabe von fadenscheinigen bis lächerlichen Gründen. Andere hatten überhaupt keine angegeben.
„Ja. Ausserdem hat Admiral Chekov ein generelles Maschinenversagen infolge eines Tachyonensturms im Typhonsektor angeordnet.“
Captain Hunt schenkte der Besatzung der Ares ein breites Lächeln. „Die Romulaner haben darauf bestanden, nicht ohne föderierte Unterstützung in den Kampf zu ziehen. Wahrscheinlich bringt uns diese Taktik einen ganzen Tag mehr für die Arbeiten.“
„Arbeiten?“, fragte Bador und runzelte verwirrt die Stirn. Ihm gefiel der Wortklang nicht. Er hatte genug Arbeit.
„Captain Hunt wird uns mit einer Tarnvorrichtung ausstatten.“, erklärte Trat.
„Das stimmt. Commander Kalaß hat unsere beiden Einheiten von der Klingonischen Heimatwelt mitgebracht bevor sie angegriffen wurde. Sie stellen die am höchsten entwickelten Tarnsysteme dar, die wir haben.“
„Äh, Captain, Ma'am, also, so ganz toll ist diese Tarnung nicht... Wir haben Sie schließlich auch schon vor dem Enttarnen gesehen.“
„Ja, weil wir es wollten. Die neuen Aparate enthalten eine Art Schleichfahrtmodus. Der frisst eine Menge Energie und lässt höchstens Warp 3 zu, aber dafür ist die Tarnung absolut perfekt.“
„Das glaub ich erst, wenn ich sehe.“, sagte Bador. Nachdenklich fügte er hinzu: „Oder eben nicht...“
Flight Officer Kalaß knurrte Bador an. „Sie behaupten also, mein Captain lügt?“ Seine Stimme klang, als käme sie aus einem schlecht modulierten Lautsprecher, der irgendwo auf Deck 17 stand.
„Ich sage nur, dass keine Tarnung perfekt ist. Irgendwann wird jemand ein Muster entdecken. Oder eine Emission, die wir nicht finden können, oder...“
„Glücklicherweise benötigen wir die Tarnung nur, um unbeschadet ins Olgar System zu gelangen. Danach müssen wir uns auf die Diplomatie verlassen. Wie auch immer, Commander...“
„Bador. Nennen Sie mich Chief.“
„...Commander Bador, meine Leute beamen soeben den zweiten Prototypen an Bord.“
Bador lehnte sich zurück und rieb sich die Hände. „Soviel zum Thema Feierabend...“
Sarah zog es vor, nicht zu grinsen. „Captain, was haben Sie sich unter Ihrer Hilfe vorgestellt? Es ist ja reizend, dass Starfleet uns das neue Flaggschiff mitschickt, aber wenn ein Schiff nicht schafft, was wir vorhaben, dann bringen wir ein zweites nur in Gefahr.“
„Das hat sich Starfleet Command auch gedacht. Wir werden getarnt bleiben und uns erst zu erkennen geben, wenn es wirklich notwendig ist.“
Einige Führungsoffiziere nickten. Auch Sarah war zufrieden. Die versteckte Botschaft dahinter lautete: <Nein, das Flaggschiff der Sternenflotte wird Ihnen nicht das Kommando entziehen und so tun, als wäre das alles eine von der Föderation geplante Friedensmission.>
Die Konferenz dauerte noch etwas über einer Stunde an, während der sich Bador irgendwann absetzte und sich den neuen Geräten zuwandte. Etkins, der seinen Bericht recht früh abgab und demnach nur noch der Form halber am Tisch saß, sah immer wieder verstohlen auf das Raumschiff hinter dem Fenster. Seltsam. Achthundert Meter lang... und kein Bisschen klobig.
In der Tat war Lieutenant Etkins nicht der einzige, der das neue Raumschiff Enterprise durch eines der vielen Sichtfenster der Ares bewunderte. In Kriegszeiten kam es oft vor, dass Flaggschiffe die ungefähre Lebenserwartung einer Eintagsfliege hatten. Die Enterprise - F zum Beispiel, in Dienst gestellt im Jahr 2395, wurde nur drei Jahre später bei der Verteidigung der Erde während des Dominionaufstandes zusammengeschossen. Langezeit als irreparabel beschädigt abgetan trieb sie fünf Wochen lang im trümmerverseuchten Orbit des Planeten bevor Hilfsschiffe sie ins Trockendock zogen. Bis 2415, in dem die Enterprise – F während eines frühen Gefechts mit den Romulanern zerstört wurde, lag sie (alle Aufenthalte zusammengezählt) fünf Jahre lang in Docks und wurde dabei drei Mal von Grund auf überholt. 2411 musste der gesamte Rahmen der Primärhülle ausgetauscht werden, weshalb auf der Brücke zwei Plaketten hingen: das Original von der Enterprise und eine Gedenkplatte für die USS Discovery, deren Antribessektion im Jahr zuvor bei einem Crash zerstört wurde.
Die neue Enterprise – H wurde direkt von der Mc Kinley Erdstation zur Ares geschickt. Sie hieß ursprünglich USS Commonwealth und war das Prototypschiff der gleichnahmigen, bahnbrechenden neuen Schiffsklasse, die anders als viele andere Schiffe dieser Zeit nicht ausschließlich für den Krieg, sondern besonders für die Forschung produziert wurde. Es ging der Witz, Starfleets Designer wären all zu große Optimisten, was den Ausgang eines Krieges anging, der ohne den Z'Sordo Zwischenfall längst verloren gewesen wäre.
Mit einer Länge von 800 Metern bewieß die Enterprise Mut, war man doch vor langer Zeit dazu über gegangen, eher kleine Schiffe zu bauen. Somit war die Enterprise, von den antiken Schiffen der Bluewale-Klasse abgesehen, das größte Raumschiff, das die Föderation je in Auftrag gestellt und dann auch tatsächlich realisiert hatte. Die Flügelspannweite der Warpgondel Pylonen betrug an der breitesten Stelle ganze 535 Meter – die Ares war mit ihren 400 Metern Länge geradezu ein Zwerg verglichen mit der Enterprise.
„Wie sieht Ihre Bewaffnung aus, Captain?“, warf Lucia nach einiger Zeit ein. „Unsere Scanner können Ihre Panzerung nicht durchdringen.“
„Unsere Bewaffnung...“, murmelte Hunt und rutschte auf ihrem Stuhl herum. Kalaß lachte unglücklich. „Unser Schiff hat genau fünf Phaserbänke der Klasse 10 und zwei Torpedobänke am Bug sowie drei am Heck und an der Seite. Die Enterprise ist zu ihrem Schutz voll und ganz auf unsere drei Jagdgeschwader angewiesen.“
„Drei?“, fragte Griff. „Uns hat man eines wegrationalisiert weil die Jäger keinen merkbaren Schaden an Z'Sordo Schiffen anrichten.“
„Kalaß hat nicht erwähnt, dass die Enterprise über drei Hangare verfügt, von denen jeder einzelne drei Kampfstaffeln mit sich führen könnte. Wir sind von den Sparmaßnahmen genauso betroffen wie jedes andere Schiff der Flotte.“
Sie richtete sich auf. „Allerdings hat man uns ein paar Spielzeuge mitgegeben. Insgesamt elf Deflektortorpedos, die wir brüderlich mit Ihnen teilen werden.“
Seths Augen bekamen einen feuchten Glanz. „Das wäre... unglaublich...“
„Der Commander wollte damit wohl darauf hinweisen, dass unser Vorrat auf zwei Einheiten abgespeckt wurde“, half Trat aus. „Ich sehe schon, wir werden viel zu tun haben. Kehren Sie auf Ihr Schiff zurück, Captain Hunt, und bereiten Sie Ihre Crew vor. So oder so – wir starten morgen um Punkt 1200. Ist das alles? Gut. Wegtreten.“
11. November 2425
USS Enterprise NCC 1701 - H
Am Rande von Sektor Eins Null Null Drei
Captain Hunt stand immer mal wieder gerne in der Aussichtslounge des Decks 3 und sah den Sternen beim Vorbeiziehen zu. Das Licht, das sie dabei sah, war teilweise älter als ihre Heimatwelt. Die Sterne hatten Zeit. Niemand drängte sie. Sie hetzten sich nicht ab – auch, wenn sie atemberaubender Geschwindigkeit um den Mittelpunkt der Galaxis kreisten, welche selbst den Mittelpunkt des Universums umrundete. Sie schienen stationär. Und Sonya Hunt fand das einen beruhigenden Gedanken.
Sie musste sich nicht umdrehen um zu wissen, wer durch das Schott den Raum betrat. Es zischte, und sie hörte die schweren Schritte weniger, als dass sie sie fühlte. Kalaß blieb hinter ihr stehen und wartete. Sonya brauchte eine Minute, um sich vom Anblick der Gestirne zu lösen. Dann wandte sie sich ihrem Ersten Offizier zu. „Was gibt es?“
„Alle Decks melden Bereitschaft. Der Abflug kann wie geplant stattfinden.“
Der Klingone trug, im Gegensatz zu anderen Artgenossen im Dienste der Sternenflotte, keine Schärpe. Darum wirkte er in seiner Uniform ein wenig deplaziert. Er überreichte Hunt ein Datapad mit allen wichtigen Informationen bezüglich der bevorstehenden Mission.
„Gut.“
Kalaß verließ nicht den Raum.
„Kann ich noch was für Sie tun?“, fragte Hunt.
„Captain. Ich finde unser Vorhaben... unehrenhaft.“
„Was bitte kann daran unehrenhaft sein?“
„Wir verschweigen es ihnen. Das allein genügt.“
„Mister Kalaß! Die Crew der Ares hat ihren Entschluss gefasst, und wir den unseren. Der Plan steht; Sie hatten Ihre Chance, Einwand zu erheben.“
„Ich dachte zu der Zeit, wir täten das Richtige.“
„Das tun wir. Glauben Sie mir. Captain Trat wird das verstehen.“
„Und wenn nicht?“
„Wenn wir es vermeiden können, muss niemand etwas davon erfahren. Nun, und wenn es doch notwendig wird... dann kann es uns egal sein.“
„Ich möchte im Nachhinein einen Protest anmelden.“
„Verstanden. Wird in Ihrer Akte vermerkt Commander.“
Der Klingone zeigte ihr ein höfliches Zähnebläcken. „Ob ich es richtig finde oder nicht – ich folge Ihren Befehlen. Vergessen Sie das nicht, Captain.“
„Das weiß ich, Kalaß. Auf Sie kann ich mich immer verlassen.“
„Heute ist ein guter Tag zum sterben“, sagte er, grinste humorlos und verließ den Raum.
Hunt wandte sich wieder den Sternen zu, die hinter dem Kraftfeld im unendlichen Raum des Alls hingen.
„Wir sehen uns in Stovokor.“, murmelte sie und teilte die geheimen Gedanken hinter diesen Worten mit niemandem.
11. November 2425
USS Ares NCC 100431
Am Rande von Sektor Eins Null Null Drei
Um genau 12 Uhr gab Captain Trat den alles entscheidenden Befehl:
„Taktik: Schiff tarnen. Mister Etkins: Energie.“
Sofort kamen Seth und Etkins Trats Wünschen nach und gaben die Anweisungen in den Computer ein.
Augenblicklich fluchte jemand an der sekundären Taktischen – ein Crewman von der Enterprise, dem Vernehmen nach – und meldete sich mit leichten Brandverletzungen ab. Das Licht auf der Brücke erlosch, nur um gleich wieder zu kehren. Die Sterne, auf dem Hauptbildschirm zu sehen, zogen sich in die Länge und begannen, an der Ares vorbei zu kriechen – Warp 3 war eine geradezu lächerliche Geschwindigkeit. Der Weg nach Olgar Prime würde mindestens dreißig Minuten dauern – man wagte nicht, all zu nahe am System Halt zu machen. Mit Sicherheit waren die beiden Sternenflottenschiffe die ganze Zeit über auf den Langstreckensensoren der Z'Sordo gewesen – und jetzt, wie Sarah hoffte, unsichtbar.
Fünfzehn Minuten lang passierte gar nichts. Die Tarnvorrichtung verschlang in der Tat satte fünfzig Prozent der Hauptenergie. Trat ließ die Lebenserhaltung auf den Decks 15 und 11 abschalten, weil sich dort niemand aufhielt – von drei weißen Mäusen abgesehen, aber das gehört echt nicht hier her.
Um 12 Uhr 16 meldete Commander Seth Feindkontakt.
„Es sind drei Raumschiffe, Captain“, meldete sie. „Zwei Warbirds und ein Schiff unbekannter Herkunft von ähnlicher Größe.“
In den nächsten Augenblicken hielten nicht wenige Brückenoffiziere den Atem an – die einzige Ausnahme stellte Flight Officer Lieutenant LakZ`Zu von der Enterprise dar, der nahe der sekundären wissenschaftlichen Station auf seinem Repulsorkissen schwebte und das Wasser in seinem Stasisfeld gierig einsog, um nicht zu ersticken.
Bald gab Seth die Entwarnung. Die feindliche Patroille flog ihr Suchmuster ohne Änderung weiter und hatte die zwei getarnten Starfleet Einheiten nicht bemerkt. Von weit höherer Warpgeschwindigkeit getragen verschwand das Trio schnell wieder aus dem Erfassungsbereich der Sensoren.
„Schätze mal, die Tarnung funktioniert“, stellte Etkins überflüssigerweise fest. Die nächsten fünf Minuten vergingen ohne Zwischenfall. Etkins bat Lieutenant Valeria immer wieder um die aktuellsten Nav Daten der Enterprise – die Piloten beider Schiffe hatten sich zuvor auf einen komplizierten, schwer zu folgenden Kurs geeinigt und sich gegenseitig Zeitdaten und gekoppelte Koordinaten geschickt. Der kleine „Test“ mit den drei Patroillen war eigentlich unnötig gewesen – obwohl die Ares keine hundert Kilometer von der Enterprise entfernt war, konnten die Sensoren kein Anzeichen des befreundeten Schiffes feststellen.
„Die Z'Sordo Heimatflotte kommt nun in Sensorenreichweite“, meldete Commander Seth. General Jebek, im Sitz des Ersten Offiziers festgeschnallt, hob seinen Kopf und sah zum Hauptschirm. Der Taktikschirm daneben wechselte auf eineDarstellung der Heimatflotte um.
„Oh nein.“
OH NEIN war zwar der einzige Kommentar, der in diesem Augenblick geäussert wurde, aber auch der einzig treffende. Das Hologramm zeigte nicht wie erwartet einen Ansammlung von vielleicht dreihundert Raumschiffen.
„Bericht, Lucia!“, bellte Sarah und merkte erst jetzt, dass sich ihre Finger um das Metallgeländer verkrampft hatten, das den Kommandobereich von der Taktik trennte. Ohne ihr Wissen war sie aus ihrem Sessel aufgesprungen.
„Die Sensoren zählen eine Flotte, die sich über das ganze Sonnensystem erstreckt, Captain. Wir sind nicht nahe genug, um alle zählen zu können. Sie ballen sich an strategischen Punkten, es.... Sir, das sind mindestens achthundert Einheiten. Rechnen Sie mit aber eher mit tausend.“
„Hauptsächlich Frachter der Regentschafts-Klasse.“, meldete sich Jebek zu Wort. Er stand keinen Meter vor dem Taktikschirm und nahm die kleinen Abbildungen unter die Lupe. „Allesamt auf Verteidigung umgebaut. Kaum Offensivwaffen, aber die Schutzschilde haben eine ähnliche Wirkung wie der Torpedo, mit dem Sie meine Flotte ausradiert haben.“
„Deflektortorpedos“, murmelte Seth nachdenklich. Sarah rechnete fast damit, dass Lucia gleich alle ihre Def-Tor's laden und abfeuern würde. Doch die Sicherheitschefin hatte nur Augen für ihre Sensoren und blieb ruhig sitzen.
„Wie erklären Sie sich das verstärkte Schiffsaufgebot?“, fragte Sarah scharf und an den Z'Sordo gewandt. In seinen früheren Aussagen war immer nur von höchstens dreihundert schwach gepanzerten Zivilschiffen die Rede gewesen.
Jebek antwortete nicht gleich. Statt dessen gab er dem Computer den Befehl, visuelle Daten zu liefern. Trat überkam ein ungutes Gefühl – sie zweifelte plötzlich an ihrer Entscheidung, Jebek – wenn auch nur geringfügigen – Computer Zugang zu gewähren.
Dann erschien die Flotte auf dem Schirm, in maximaler Vergrößerung.
Blicke wurden ausgetauscht. Flüche wurden gemurmelt. Irgendwer gluckste – vermutlich LakZ`Zu, bei dessen Spezies das traditionelle Glucksen in Gefahrensituationen als Glücksbringer galt.
Und das konnten sie gebrauchen.
Sarah sah dutzende eiförmige Raumer mit netzartigen Aufbauten. Riesige Schwingen von hunderten Metern Länge ragten aus den Aussenhäuten und beherrbergten dem Anschein nach Waffen und Schildgeneratoren. Allein mit bloßem Auge zählte Sarah etwa fünfzig von ihnen.
Was ihr wirklich Sorgen bereitete war die hohe Anzahl an offensichtlich gekaperten Föderationsraumschiffen. Zwei Akira-Einheiten zogen gerade hinter einem Ei-Frachter vorbei und entfernten sich aus dem Darstellungsbereich, und Commader Seth zählte weit mehr als nur ein Schiff der alten Sabre-Klasse. Dazu kamen diverse Warbirds, klingonische Bird-of-Preys und andere, weniger bekannte Vehikel, die der Computer einzuordnen vermochte. Flight Officer Andrew Gribeth drückte es in diesem Augenblick so aus: „Captain, wir sind echt im Arsch.“
„Ich bin geneigt, Ihnen recht zu geben.“
In dem Moment zischten die Turbolift Türen und entließen Chief Bador auf die Brücke. Der Bolianer marschierte mit langen Schritten auf die Sekundäre Technische Station zu und sagte: „Bis jetzt ist mit der Tarnung alles in Ordnung. Am Anfang hat's ein bisschen gefunkt, aber wenn man davon absieht dass das Teil eien Menge Energie...“
Weiter kam er nicht. Als Sarah sich zu ihm umdrehte sah sie ihn den Hauptschirm anstarren, der Mund offen, die Augen eine Grimasse des Entsetzens. Sein Werkzeugkoffer, zuvor um die Schulter geschlungen, wand sich aus seinem gelockerten Griff und fiel olternd auf den Boden.
„Hab ich was nicht mitgekriegt?“
11. November 2425
USS Enterprise NCC 1701 – H
Im Olgar System
Im Kommandozentrum der USS Enterprise ging es hektischer zu. Offiziere riefen sich gegenseitig Daten zu. Der Pilot korrigierte nahezu in Sekundentakt den Kurs und hoffte, dass sein Kollege auf der Ares es ihm gleich tun würde. Commander Kalaß saß in seinem Stuhl linkerhand der Captain und übermittelte seinen Piloten diverse Befehle. Captain Sonya Hunt saß ruhig in ihrem Sessel und thronte über dem geordneten Chaos, das sich auf ihrer Brücke breit gemacht hatte. Die Enterprise OPS war etwa doppelt so groß wie die der Ares und dementstprechend großzügiger besetzt. Es wimmelte geradezu von Lieutenants und Lieutenant Commanders, und wer sich auf dem Schiff nicht auskannte konnte beim Betreten der Brücke durchaus kurz innehalten und sich fragen, warum in aller Welt denn der Warpkern nicht an seinem angestammten Platz in der Mitte des Maschinenraums stand.
Captain Hunt sah gar nicht auf erst auf den Hauptschirm – sie kannte die Sensorscans schon und hielt sich nicht mit Angst auf. Ihre Befehle hallten durch die Gänge des Raumschiffs, dass zwei Züge MACOs mit sich führte.
Die Funktion der MACOs war in der Sternenflotte nicht unumstritten. Sie unterstanden nicht der Starfleet Command sondern direkt dem Föderationsrat, der die entsprechende zuständigkeit von den Erdstreitkräften geerbt hatte, nachdem die Armee der Vereinten Menschheit aufgelöst worden war. MACOs waren eigentlich das selbe wie Sicherheitsteams, nur, dass die Sicherheit an Bord eines Schiffes für alle möglichen (und unmöglichen) Events geschult wurde. Die MACOs waren reine Offensivkämpfer und – wie man hörte – nicht sehr anpassungsfähig, was wiederum eine nette Umschreibung für „dumm“ war.
Genau diese MACOs hatte man Sonya Hunt für diese Mission aufgezwungen. Niemand an Bord mochte die MACOs – niemand in der ganzen Sternenflotte mochte die MACOs. Aber der Rat hatte darauf bestanden. Befehl ist Befehl.
„Major Gunfree, machen Sie ihren Marines klar, dass ich Sie alle in Bereitschaft brauche. Brücke Ende. Captain an Maschinenraum. Bericht...... Danke. Brücke Ende. Hunt an Sicherheit. Waffen ausgeben.“ und so weiter.
Hunts zweiter Offizier Commander Benans sah von seiner Konsole hoch und meldete: „Hauptenergie bei fünfundachtzig Prozent, Ma'am.“
„Erklären Sie mir das.“, forderte Hunt und unterbrach kurzzeitig ihre Durchsagen.
„Ma'am, bei allem gebürenden Respekt – ich habe Sie gewarnt! Der Prototyp ist nicht auf unsere Systeme abgestimmt. Mit jeder Minute, die vergeht, benötigt er mehr und mehr Strom. In weniger als einer Stunde müssen wir sie abschalten, sonst fliegt uns der Kern um die Ohren.“
„Danke für diese blumige Ausdrucksweise, John. Mit etwas Glück brauchen wir keine Stunde mehr. Pilot?“
Der ak-Toria Ner an der Navigationskonsole schnaufte respektvoll und meldete: „Erreichen-Zielpunkt-in-sieben-Minuten.“
„Vielen Dank. Kalaß, begeben Sie sich zu Ihren Piloten.“
Captain Hunt sank wieder in ihren Stuhl und betätigte das Schaltelement, das den Sicherheitsbügel ausfahren ließ – ihre Offiziere taten es ihr gleich.
11. November 2425
USS Ares NCC 100431
Im Olgar System
„Erreichen Zielkoordinaten in dreißig Sekunden“, meldete Etkins. Sein schwitzender Zeigefinger schwebte über dem Button für Sublichtgeschwindigkeit.
„Auf halben Impuls gehen. Voller Stop bei Ankunft.“
„Aye, Ma'am, halber Impuls.... Voller Stop. Relativgeschwindigkeit Null.“
Zu sagen, die Ares hätte sich in die Höhle des Löwen vorgewagt, wäre eine freche Untertreibung gewesen. Die Lage sah etwa so aus: ohne Schutzschilde hing die Ares in einem Ballungsgebiet mit besonders vielen Feindschiffen um sich herum, hielt seine Position in nicht einmal einem Kilometer Entfernung von einem eiförmigen Raumschiff-Leviathan und konnte nur hoffen, dass die Enterprise neben ihr trieb – den Sensoren zufolge konnte das Partnerschiff durchaus auch ganz woanders oder während des Fluges entzwei gebrochen sein.
Captain Trat begab sich in den Transporterraum. Zusammen mit Jebek stieg sie die drei Stufen zur Transferplattform hinauf und verharrte dort. Bador stand an der Konsole und löste den Transporteroffizier ab, um die Prozedur persönlich vorzunehmen. Der Bolianer mied Sarahs Blick. Er hielt nicht viel von ihrer Idee und wäre sichtlich lieber mitgekommen. Sogar die leicht lethargische Lucia Seth hatte bei Trats Verlassen der Brücke versucht, ihrem vorgesetzten Offizier diesen Wahnsinn auszutreiben, um den Wortlaut zu zittieren. Doch Sarah Trat ließ sich nicht erweichen und vorschreiben ließ sie sich sowieso nie etwas. Ihr einziges Zugeständnis an ihre eigene Sicherheit stellten ein Typ 1 Phaser und ein Ort zu Ort Transferpin dar. Jebek hatte man seinen Disruptor zurück gegeben. Auch er trug einen Transporterpin.
Trat schnippte mit den Fingern. Daraufhin sah Bador doch noch einmal auf. Sarah lächelte ihn an: wird schon schief gehen.
Bador schüttelte den Kopf, jedoch nicht ohne verstohlen zu kichern. Dann klopfte Trat auf ihren Rangkommunikator.
„Captain an Brücke. Der Chief hat jetzt das Kommando. Lucia: enttarnen und Schilde hochfahren.“
Sarah atmete tief durch und legte Jebek die Hand auf die Schulter.
„Energie.“
11. November 2425
ZLAS Pride of Sordia
Im Olgar System
Die Welt um Captain Trat herum nahm allmählich wieder Gestalt an. Das vertraute Prickeln des Transportervorgangs verschwand. Die Captain nahm wieder Geräusche war, Schwingungen...
Sie fiel.
Das Deck unter ihren Stiefeln bebte hin und her. Sie fing sich mit der Hand an der Wand ab. Sie befand sich in einem kleinen Raum, extrem dunkel, mit Rauch gefüllt. In der Ecke war ein Gegenstand im Boden veranktert, der auf der Erde des 13ten Jahrhunderts als Klo durchgegangen wäre. Nebenbei – seit ungefähr der Zeit war dieser Thron nicht mehr geputzt worden.
„Also keine Putzservors auf Romulaner Schiffen. Wie interessant“, murmelte Sarah vor sich hin. Es war natürlich klar, dass dies hier nicht der Thronsaal des Diktators Elent war, dessen Koordinaten Jebek ihnen ebenso verraten hatte wie die Schildmodulation der Pride of Sordia. Ebenso klar war, dass sie alleine war. Noch jedenfalls.
Sie durchsuchte ihre Kleidung – alles an seinem Platz. Daher vermutete sie ein automatisches Sicherheitssystem.
Erneut zitterte das Schiff. Trat landete unsanft auf einem harten Bett, eher einer Holzplatte, unter dem sich besonders witzige Designer wohl eine Art Bett vorstellten. Das geht auf's Steißbein..., dachte sie, rieb sich die Stelle und zuckte zusammen. Unwillkürlich fragte sie sich, ob sie deswegen wirklich zu Rotal gehen würde.
„Captain!“
„?“
„CAPTAIN! Wo sind Sie?“
Die Stimme kam aus ihrem Kommunikator, wie Trat feststellte.
„Jebek? Sind Sie das?“
„Ja! Wo sind Sie?“
„Ich bin in einer Zelle, denke ich. Wo sind Sie?“
„Ich stehe vor meiner Zelle! Über der Tür gibt es eine Einbuchtung. Sehen Sie die?“
„Ich sehe hier nicht mal eine Tür.“
„Sie sind im VIP Trakt? Interessant. Mich haben sie in den Todestrakt gebeamt!“
„Wie sind Sie da rausgekommen?“
„Die denken immer noch ich wäre tod, Captain! Das waren automatische Systeme. Meine ehemaligen Kollegen waren so dumm, die Codes nicht zu ändern.“
„Gut... ha, Moment mal, da ist eine Konstruktion.“
„Sieht es aus wie ein Rahmen?“
„Ja.“
„Das ist die Tür. Darüber ist eine Einbuchtung. Betasten Sie sie und beschreiben Sie sie.“
Trat stand auf, zuckte dabei erneut zusammen und riss sich dann zusammen. Vier dünne, fast unsichtbare Balken verliefen in der Mitte der Wand gegenüber der Pritsche. Sie hatten die selbe Farbe wie das Metal und hoben sich optisch kaum von der Wand ab, jedoch waren sie aus einem nachgiebigen Material gefertigt, dessen Herkunft Trat gar nicht kennen mochte. Dann fand sie die kastenförmige Auslassung in der Wand und betastete den Boden.
„Ein Strich... horizontal. Eine Art Schwinge.. Ein Kreis.... Ein Fisch?“
„Zelle Nummer 2 43 5 90. Warten Sie auf mich. Ich bin gleich da.“
„Okay. Ich warte solange hier.“, sagte sie, aber Jebek hatte den Kanal schon geschlossen.
<<<wird fortgesetzt>>>
Daher hab ich damals einfach weiter geschrieben und präsentiere hier die Folgen 1 bis 5 einhalb. Kapitel 5 wird noch fertig geschrieben, danach folgt ein sechstes Kapitel, das die erste Staffel mit Pauken, Trompeten und einem fiesen Cliffhanger beendet wird.
Ich hoffe, irgendwer interessiert sich dafür. Falls ja wäre ich von konstruktiver Kritik sehr angetan. Ich möchte allerdings betonen, dass die ganze Sache A) alles andere als fertig ist (bin bisher noch nicht mal zur Rechtschreibüberprüfung gekommen, sorry) und B) hab ich von diversesten technischen Aspekten keine Ahnung. Es gibt eine völlig neue Warpskala in Ares - biddebidde, nehmt sie hin! Ares ist Hirn-raus-Unterhaltung. Mir hilft kein technisches Beraterteam dabei auszurechnen, wie lang die Ares bei Warp 0,6 NWskala von der Erde nach Meridian 3 benötigt... Hoffentlich hat wer Spaß dabei. Und hoffentlich klappt die Sache mit den Anhängen von Dateien so wie ich mir das vorstell
edit: ich muss mich für die beschissene Formatierung hier entschuldigen. Aber beim Hochladen hatte ich das Problem mit den über 900 KB, aus denen die ganze Sache besteht und fünf Posts (1 pro Kapitel) kommt meiner meinung nach Spam ziemlich nahe. Falls ein Moderator was gegen die Länge oder so einzuwenden hat einfach sagen oder löschen, da bin ich nicht so pingelig Viel Spaß halt
STAR TREK
Ares
Kapitel 1
Pilot
Lieutenant Commander Bador war auf Vordia aufgewachsen. Vordia war der Name einer bolianischen Sagengestalt, die wohl am ehesten mit dem irdischen Sissiphus zu vergleichen ist. In Schuhen aus brennendem Eisen wurde Vordia gezwungen, ihren zu Stein gewordenen Vater durch eine Wüste zu rollen, um ihn zum Seher Ekelies zu bringen, der ihr sagen sollte, ob es noch Hoffnung für ihren Vater gäbe. Doch Vordia verstarb auf dieser Reise. Der anklagende Geist ihres Vaters verbannte seine Tochter in die Wüste und verdammte sie dazu, auf ewig ihr eigenes steinernes Ebenbild im Kreis zu rollen. Vordia war eine unwirtliche Welt. Heute weiß niemand mehr, wieso sich die Bolianer auf diesem öden, trockenen Steinklumpen niederließen. Vielleicht waren die ehemals ausgedehnten Regenwälder der Grund; so ziemlich die einzige Abwechslung, die es in Vordias Wildnis gab. Badors Vater war Ingenieur gewesen und hatte versucht, eine Wetterkontrolltechnik zu entwickeln, die das Verenden der Go'chatkabäume verhindern konnte. Er hatte sein Werk nie vollenden können. Dafür war er zu früh gestorben. Bador erinnerte sich nur noch vage an den starken Mann, der eines Tages nicht mehr von der Arbeit nach Hause kam und drei Tage später verstümmelt aufgefunden wurde. Piraten. Er blieb nicht das einzige Opfer. Bador hatte früh beschlossen, Techniker zu werden. Er hatte eine Vorliebe für komplizierte technische Probleme, aber auch für die Kunst. Bis vor wenigen Monaten war er ein Künstler gewesen, sogar ein außerordentlich begabter, wie ihm Freunde wie völlig Fremde gleichermaßen bestätigten. Er töpferte am liebsten im Beisein seines spielenden Sohnes, seiner dichtenden Tochter oder seiner musizierenden Gattin. Am Kamin war er besonders kreativ; eine seiner frühesten Erinnerungen ist das stolze Betrachten des fertiggestellten Kachelwerkes, das er mit seinem Vater gebaut hatte.
An diesen behaglichen Ort wünschten sich Bador zurück, als er vor dem technischen Holographischen Notfallprogramm der Föderationsraumstation Hamlet stramm stehen und sich eine Standpauke anhören musste. Das THN, das allgemein nur als "Der Commander" bekannt war, weckte etwa so viel Nächstenliebe wie ein schlecht gelaunter Nausicaaner.
"Lieutenant Commander, ich hoffe, Ihnen ist bewusst, dass ich unter diesen Umständen nicht arbeiten kann!" Das THN deutete mit seinem Daumen hinter seine Schulter. Man hatte ihm nur einen gewöhnlichen orangenen Overall zugestanden; mehr Design war nicht drin gewesen. Hinter ihm versuchten mehrere Starfleet-Angehörige, ein Schott auseinander zu bekommen welches sich bei einer kleinen Explosion der Gasleitungen verkeilt hatte.
"Ich verlange doch hoffentlich nicht zu viel wenn ich mir ein Kategorie B-Duranium verlange, oder?", fragte er. Ein Mensch wäre errötet, doch die dunkle Haut des THNs blieb unverändert. Lediglich seine Augen glotzten Bador wütend an und verrieten dem versierten Techniker, dass es sich nicht um ein lediglich lebend aussehendes Subjekt handelte.
"Ich habe Ihnen doch bereits dargelegt, dass es einen Lieferengpass gibt.", versuchte sich Bador zu rechtfertigen. Er wollte seine Manieren nicht überstrapazieren - oder seine Nerven, was das betraf. "Ich werde sehen, was ich tun kann. Noch etwas?"
Das THN verschränkte zufrieden die Arme vor dem Brustkorb, als hätte es einen glorreichen Sieg errungen. "Nein, Lieutenant Commander, das wäre alles..." Neben dem THN fiel ein Schott aus der Halterung und flog durch die holographische Projektion. "...im Moment. Wegtreten!"
Bador floh, solange er noch konnte. Sein Dienstplan ließ ihm keine Zeit für Diskussionen mit Notfallhologrammen, denen man sowieso nie die Befehlsgewalt übertragen durfte. Aber Commander Eberdinger war der Meinung, dass das THN ein geeigneter Stellvertreter für die Nachtschicht war. Starfleet machte Druck. Gestern war die Enterprise-G von den diplomatischen Gesprächen zurückgekehrt. Bador hatte zwar das Offizielle gehört, aber er hatte auch seine eigenen Quellen. Und die waren um einiges pessimistischer als Captain Jordans öffentlicher Bericht. Gerüchte sprachen gar von einer Fast-Schießerei. Bador wusste nicht, wie viel davon der Wahrheit entsprach, aber er kannte die Romulaner. Die Führungsriege konnte sich jederzeit ändern - und nicht immer wurde das laut ins All hinausposaunt. Nicht mehr, seit Hochimperator Otal am "Morgen danach" nach seiner pompösen Machtübernahme sein Schlafzimmer mit den Füßen voran verlassen musste.
Bador betrat Turbolift A, der durch alle Sektionen des Schiffsrumpfes führte. Genauer gesagt bestand Lift A im Moment nur aus dem Boden, ein paar Streben, einem Bedienelement, der Decke und ein paar Kraftfeldern. Viel beeindruckender jedoch war die Linie, die der Lift abfuhr. Die Röhre war bereits angelegt und führte durch die Antriebssektion des Schiffes, genauer gesagt an der Außenseite des Rumpfes herum. An vielen Stellen gab es noch keine Hülle, und so hatte man einen grandiosen Ausblick auf die anderen Schiffe der Dockingstation. Bador konnte die Oberth sehen, die Rhino und einen Großteil der Goliath. Von der Steuerbord Warpgondel A verdeckt hing die Halo in ihrem Stahlgerüst und wurde aufgerüstet. Bador hatte das Schiff oft im Blick, denn er arbeitete zur Zeit in Sektor Delta und rüstete den Hangar aus. Während seiner Schicht unterhielt er sich regelmäßig mit Johnson, der früher auf der Halo gedient hatte, kurz bevor sie in den Gamma Quadranten aufgebrochen war. Bador selbst hatte nie auf einem Schiff der Halo-Klasse gedient und wollte es auch nie tun. Er bewunderte die schlichte Eleganz der schlanken Schiffe, hätte sich auf einem Kriegsschiff aber nie so recht wohl gefühlt. Dass er nun wahrscheinlich auf der Ares bleiben würde, erschien ihm immer noch falsch. Aber hier konnte er etwas leisten. Daheim konnte er töpfern. An der Front würde er Leben retten - sie im Maschinenraum aber nicht aktiv vernichten. Krieg war hässlich.
Bador erreichte sein Ziel, Hangar A, nach kurzer Fahrt. Vor ihm tat sich das großteils unverkleidete Hangar-Deck Fünfzehn auf. Es war der größte Raum des Schiffes nach dem Shuttlehangar B und dem Maschinenraum. Und das Hangar-Deck nahm viel Platz ein. Bador würde sich vermutlich nie oder nur selten um die Kampfshuttles kümmern müssen, und er beneidete die Ingenieure, die dafür an Bord kommen würden, auch nicht sonderlich. Obwohl die Ares ein Kriegsschiff war, hielt Starfleet die Ressourcen für zusätzliche Waffensysteme niedrig. Man war in erster Linie Forscher. Erst im Notfall ließ man die Waffen sprechen. Und im Moment sprach sowieso eher Badors Magen. Zielstrebig steuerte der Ingenieur das Pilotenkasino an; "Besitzer" eines der wenigen bereits funktionierenden Replikatoren auf dem Schiff. Bador wollte sich für einen kleinen Snack vor der Arbeit nicht extra auf die Hamlet rüberbeamen lassen. Johnson saß bereits auf einer der Couches und starrte die Steuerbordwand an, die durchsichtig war und freien Blick ins All gewährt hätte, hätte sich das Schiff nicht im Dock befunden. Er aß ein Truthahnsandwich, Bador konnte es riechen. Neben dem Mensch lag ein bolianisches Äquivalent des Fast Foods: eine (replizierte) Seeschlange im Brotmantel, gute zwanzig Zentimeter lang.
"Sie kommen spät", sagte er und kaute kräftig auf einem Stück Huhn. "Hat schon aufgehört, sich zu bewegen."
"Schade."
Bador bedankte sich, schnappte sich das Brötchen und biss hinein.
Johnson musste fast heulen vor lachen.
"Also, dass hätten Sie mir sagen können!", rief Bador wütend und warf das ekelhafte Erzeugnis in den Mülleimer. Er nahm sich vor, am nächsten Tag die Replikatoren überprüfen zu lassen. Und Johnson dazu einzuteilen.
Drei Monate später waren die Arbeiten am Hangardeck der Ares fast abgeschlossen, als die Nachricht eintraf. Bador befand sich in einer Jeffreysröhre unter Deck Siebzehn und nahm eine letzte Diagnose am Energierelay vor. Das Ding weigerte sich seit Tagen beharrlich, die Shuttleklammern mit Energie zu versorgen. Letzte Woche waren die ersten vier Kampfeinheiten an Bord gekommen. Um Energie zu sparen hatte Bador sie mit Gurten und Seilen festgezurrt. Bador suchte gerade seinen Tricorder, als das Interkom ansprang.
"Roter Alarm! Alle Mann auf Gefechtsstationen! Die Hamlet wird angegriffen! Dies ist keine Übung! Ich wiederhole: Dies ist keine Übung!"
Bador geriet natürlich nicht in Panik. Vor Jahren hatte er ein Raumschiff befehligt und sich eine gewissen Ruhe beim Rotalarm angewöhnt. Doch er hatte sein Kommando besonders aus einem Grund aufgegeben und sich für ein Leben als Familienvater entschieden: ein Rotalarm konnte schlecht ausgehen. Besonders, wenn das Raumschiff, auf dem man sich gegenwärtig befand, nicht einmal eine vollständige Hülle vorweisen konnte. Bador ließ seine Tasche an Ort und Stelle und kroch rückwärts aus der Jeffreysröhre. Er landete im Knotenpunkt 117. Er sprang durch die Öffnung, die früher oder später mit einem Schott versehen werden würde, und suchte sich den nächsten Infoscreen. Er fand ihn nur zehn Meter weiter. Wie viele der Systeme an Bord war auch dieses ohne Energie. Bador stieß einen deftigen bolianischen Fluch aus, der sich insbesondere auf das THN bezog, welches sich mehr um seine Holoemitter als um Sicherheitssysteme oder Infoscreens sorgte. Bador eilte zu Turbolift C. Er war besetzt. Bador wartete - ein Umweg über die Jeffreysröhren hätte mehr Zeit gekostet als zu warten. Schon nach zwanzig Sekunden teilten sich die Schotts. Bador machte Lieutenant Gomorra Platz und betrat selbst den Lift. Johnson eilte um die Ecke; Bador hielt die Türen auf, und Johnson sprang so heftig in den Lift, dass er auf die der Tür gegenüberliegenden Wand knallte. "Hauptmaschinenraum!", brüllte er. Bador half ihm hoch. "Was ist denn los?"
"Wir werden angegriffen! Ich hab's grade von Commander Admon erfahren - drei romulanische Slaybirds in direktem Anflug!"
Bador runzelte verwirrt die Stirn. "Ungetarnt? Seit wann das?"
Johnson zuckte die Schultern. "Keine Ahnung. Aber sie antworten nicht auf unsere Rufe!" Das Interkom meldete sich wieder. Es forderte erneut zum Besetzen der Kampfstationen auf. Die Ares betraf das nur sehr eingeschränkt. Die Hamlet war eine Station, in der hauptsächlich ältere Raumschiffe umgerüstet wurden. In dieser Zeit waren sie zwar verwundbarer als sonst, aber trotzdem beschränkt einsatzfähig. Die Ares hingegen war ein brandneues Schiff, welches erst hier montiert wurde. Gleichzeitig suchte man nach den geeignetsten Möglichkeiten, experimentelle Systeme zu integrieren. Shuttlehangar A zum Beispiel war eine Neuerung. Obwohl Starfleet schon länger spezielle Kampfshuttles einsetzte um die größeren Raumschiffe (bei denen es sich trotz aller Konflikte im letzten Jahrhundert noch immer hauptsächlich um Forschungsschiffe handelte) zu schützen. Die Ares war jedoch das erste Schiff der Sternenflotte, welches keine Jäger statt der regulären Shuttleflotte unterhielt, sondern zusätzlich. Die Kampfjäger, der Stardancer-Klasse zugehörig, hatten einen eigenen Shuttlehanger (Hangar A), welcher schnelles Starten ermöglichte. Dafür hatte man jedoch umfassende Änderungen in der Antriebssektion vornehmen müssen. Unter anderem ließ es sich nicht vermeiden, die beiden unteren Warpgondeln zu demontieren und in größerem Abstand vom Hauptschott des Hangars wieder anzubringen. Das hatte viel Zeit, Nerven und ein paar Ingenieuren den Job gekostet. Überhaupt hatte man riesige Teile des damals fast fertigen Schiffes abtragen müssen. Die Ares war, im Gegensatz zu vielen anderen Schiffen im Dock, nicht nur kampfunfähig. Es funktionierten nicht einmal die Impulstriebwerke. Die Torbedokatapulte waren zwar montiert, aber ohne Energie und Bewaffnung. Die Phaserbänke streikten schon seit Wochen. Weder die regulären Deflektorschilde noch der neuartige Warp-Deflektorgenerator zeigten gesteigertes Interesse daran, das Schiff zu schützen. Nicht einmal die Lebenserhaltungssysteme waren in Betrieb genommen worden; die Ares hing buchstäblich an der Nabelschnur. Und im Moment wurde dieses hilflose sechshundert Meter "Baby" von drei romulanischen Slaybirds angegriffen.
Die Transportkapsel geriet ins Stocken. Sie hielt abrupt an und fuhr zurück zur nächsten Warteposition. Diese war ebenfalls noch nicht verhüllt - ein Umstand, der Bador sonst nicht so nervös machte wie jetzt. Der Lift verharrte an seiner Position. Die beiden Techniker sahen der Goliath zu, wie das schwerfällige Raumschiff sich von seiner Halteklammer löste. Sie gehörte zur Excelsior-Klasse; ein uraltes Relikt aus dem dreiundzwanzigsten Jahrhundert, welches gerade aufgerüstet wurde. Ohne den Everdine Konflikt wäre es wohl schon längst auf dem Schiffsfriedhof von Stardust 3 gelandet; trotzdem spürte Bador, dass es wohl die letzte Umrüstung sein würde. Er hatte ein Gespür für solche Tatsachen; das hatte er von seinem Vater gelernt.
Johnson betrachtete ebenfalls die Goliath. Das Excelsior-Klassenschiff tauchte unter der Halo hinweg und reihte sich in die kurze Reihe der Raumschiffe ein, die sich durch das Eingangstor der Hamlet zwängen würden. Es waren, mit der Goliath, fünf Schiffe: die Oberth, die Fox, die Rhino und die Telos. Mehrere andere Schiffe, wie die Halo, waren zwar beschränkt einsatzfähig, jedoch unbemannt - auf der Odeuvre beispielsweise hielt sich zur Zeit nur eine Rumpfcrew von zehn Technikern auf. Es gab noch weitere Schiffe innerhalb der Hamlet-Station, die sich jedoch in einem ähnlichen Zustand befanden wie die Ares. Nur dass sie von Romulanern zu Schrott geschossen worden waren.
Gerade als die Oberth ihre Warpgondeln an den sich noch immer weitenden Schotts vorbei zwängte, passierte eine weitere Turboliftkapsel das Exemplar der beiden Ingenieure.
Das Exemplar war teilweise mit Metall verkleidet worden. Trotzdem erhaschte Bador einen kurzen Blick auf schwarze Panzerplatten. Konnte das sein?
"Johnson, befinden sich zur Zeit irgendwelche Angehörigen der Kampfstaffeln an Bord?", fragte er seinen Kollegen. Einen Augenblick später setzte sich die Kapsel erneut in Bewegung und fuhr Richtung Maschinenraum.
"Auf der Hamlet sind nur ein paar stationiert. Die würden sicher keine von unseren Einheiten benutzen." Er kratzte sich am Kopf. "Die Meridian verfügt über ihre Standardbesatzung..."
"Aber über keine Jäger mehr!", vollendete Bador den Satz. Vermutlich waren die Piloten von der Halo hinübergebeamt. Bei all den Baumaterialien, die teilweise frei im Raum schwebten, wunderte es ihn nicht, dass die Piloten eher in einem fertigen Teil des Schiffes als im nicht mal überdachten Hangardeck A materialisieren wollten.
Die Kabine erreichte ihr Ziel auf Deck Fünfzehn, Sektion Gamma, Abschnitt E. Der Hauptmaschinenraum. Der zweitgrößte Raum des Schiffes nach dem Shuttlehangar B. Vier Decks hoch. Ein gigantischer Warpkern. Gleichzeitig ein neuartiger Deflektor. Ein Fünfzehn Meter langes Forschungsabfallprodukt, wie Bador es sah. Es gab nicht einen einzigen Test, der ein Funktionieren des Def.-Warpskerns bestätigen konnte. Was die Ingenieure allerdings durchaus aufweisen konnten waren tausende Simulationen, wobei in fünfzig Prozent der Fälle das halbe simulierte Schiff in die Luft flog. Der Prototyp des DWK hatte übrigens die USS Lake Taro zerfetzt; dies war der einzige Feldtest des Systems gewesen. Um ganz ehrlich zu sein: Die Ares war viel zu früh gebaut worden. Mehrmals während der Konstruktion hatte sich das Design verändern müssen, um die vielen experimentellen Waffensysteme installieren zu können. Module mussten erneuert, nicht funktionierende Systeme entfernt werden. Die klingonischen Disruptoren an der Unterseite des Diskusssegments hatten eine Affinität zum unerklärlichen Energieabfall. Die Schildsystem ließen sich immer noch nicht hochfahren - die Techniker konnten froh sein, dass wenigstens die Kraftfelder hielten, die alle ungeschützten Bereiche wie den Jägerhangar vor Dekompression schützten.
Der Maschinenraum war in etwa kreisrund. In der Mitte ragte der Warpkern auf, welcher oben und unten noch jeweils etwa ein halbes Deck weiter verlief. Vier Kühltanks schlängelten sich das Machwerk hinauf und sorgten für eine angenehme Temperatur in der Nähe des Generators, der an sonsten glühend heiß gewesen wäre. Bador hatte sich für ein narrensicheres System zum Absprengen des Warpkerns eingesetzt. Jetzt konnte er an vielen Stellen kleine Notfallschalter erkennen, die bei entsprechender Autorisierung den DWK entweder abstießen oder explodieren ließen. Der Bolianer zwängte sich an Johnson vorbei. Der Zugang zum Turbolift lag achtern, direkt neben dem Hauptschott und einem Zugang zu Jeffreysröhre 434. Gegenüber war eine Öffnung für das Schott zum Büro des Chefingenieurs in die Wand eingelassen; die entsprechenden Teile waren zwar vorhanden, ließen sich aber noch nicht schließen. Bador und Johnson huschten an den vielen Stationen vorbei, an denen Techniker in den typischen orangen Overalls hektisch ihren Dienst taten. Das Büro des Chefingenieurs war noch sehr spartanisch eingerichtet. Es bestand nur aus einem technischen Pult, das die ganze Wand unter einem riesigen Fenster mit Blick auf den Warpkern einnahm. Die Rückseite zeigte ein Diagramm der Ares mit erschreckend vielen rot markierten Bereichen, die unfertige Systeme kennzeichneten. Bador war trotzdem überrascht; er hatte den Überblick verloren und war sich nicht bewusst gewesen, dass zum Beispiel das Lebenserhaltungssystem schon vollständig installiert war. Auch Johnson schien dies neu zu sein. Der wandte sich nämlich an die einzige Person im Raum: das THN.
"Commander, ist diese Darstellung richtig?", fragte er und trat näher heran. Im selben Augenblick wechselte die farbliche Markierung der Torbedobänke von blau (inaktiv, aber funktionsfähig) in grün (geladen und bereit).
Das THN war zu beschäftigt, um ihnen ausladend zu antworten. Statt dessen verwies es die beiden verdutzten Techniker an Lieutenant Portanzer. Die nervöse junge Dame koordinierte gerade den Zusammenschluss diverser EPS-Leitungen, als Johnson ihr zurief und sie nach der Lage fragte.
"Wir werden angegriffen!"
"Ja, das wissen wir bereits, Lieutenant.", meinte Bador. Er machte einem Techniker Platz, der sich an ihm vorbeidrängte.
"Wir haben neue Befehle, Sir! Gefechtsbereitschaft."
Johnson klappte die Kinnlade herunter. "Gefechtsbereitschaft?", fragte er ungläubig. "Wir haben nicht mal Schutzschilde, geschweige denn eine kampferfahrene Crew!"
"Beruhigen Sie sich. Lieutenant, weiß der Commodore von unserer Lage?"
"Er weiß es, Sir, und er tut alles, um unseren Einsatz hinauszuzögern. Vor ein paar Minuten haben wir mehrere getarnte Signale am äußeren Rand des Systems gefunden. Unidentifizierbare Einheiten, auf jeden Fall aber größer als Slaybirds. Der Commodore hat alle verfügbaren Einheiten im Sektor herbeordert, aber die ersten Schiffe treffen in frühestens einer Stunde ein."
Johnson hatte sich über ein taktisches Display gebeugt. Er kratzte sich nervös am Kopf. "Das wird zu spät sein. Ich kenne mich nicht sehr gut mit taktischen Systemen aus, aber diese Slaybirds sind ziemlich schnell..."
Bador warf einen Blick auf den Bildschirm. "Sie haben Recht. Laut dieser Anzeige sind sie in weniger als neun Minuten in Waffenreichweite."
Er wandte sich an Lieutenant Portanzer. "Wo befinden sich Commander Takeruci im Moment?"
Die junge Lieutenant warf einen Blick auf ihren PDA. "Ah, er ist auf dem Weg zu Fährenhanger H35. Er wird wohl in etwa fünf Minuten auf der Kampfbrücke eintreffen. Hoffe ich!"
"Bador, wir sind Techniker, keine Kämpfer! Wir sollten das Schiff verlassen und die Sache aussitzen!"
"Sie mussten vielleicht noch nie kämpfen, Johnson. Ich aber schon. Sie kommen mit!"
Bador machte kehrt und hielt auf den Turbolift zu, einen verdutzten Johnson im Schlepptau. "Wohin?" "Kampfbrücke. Deck 5."
Commodore Willson stand vor dem Hauptbildschirm des Kommandozentrums und raufte sich den Vollbart. Die Scannsignale waren inzwischen von der Oberth bestätigt worden. Mindestens zwölf weitere kapitale Raumschiffe, die allesamt am Rande des Scanbereichs ihre Stellung hielten. Die USS Jolly Jumper würde in fünfundvierzig Minuten eintreffen und bei dieser Aktion wahrscheinlich ihren Warpkern grillen. Die drei Slaybirds waren in sieben Minuten in Gefechtsreichweite. Die Hamlet war nur leicht bewaffnet, kaum einem Gegner gewachsen. Die wenigen Schiffe, die sich in einer Verteidigungslinie den Romulanern gegenüberstellten, waren nur teilweise einsatzbereit. Mit den drei ungetarnten Schiffen würden sie fertig werden. Die restliche Flotte war das eigentliche Problem. Insgeheim hoffte Willson immer noch, dass die ungetarnten Schiffe eine diplomatische Mission hatten. Das war für ihn der einzig denkbare Grund, weshalb sie sich nicht heimlich näherten.
"Ares an Commodore Willson."
"Hier Willson. Sprechen Sie, aber fassen Sie sich kurz!"
"Sir, hier spricht Lieutenant Commander Bador. Ich befinde mich auf dem Weg zur Kampfbrücke."
"Das ist hochinteressant, Commander, aber ich habe viel zu tun."
"Das weiß ich, Sir. Ich möchte das Kommando über das Schiff übernehmen."
"Machen Sie sich das mit Commander Takeruci aus, Commander. Ich...."
"Bei allem Respekt, Sir, der Commander hat weder die nötige Kampferfahrung noch befindet er sich derzeit an Bord. Ich beabsichtige, die Ares schnellstmöglich ins freie All zu bringen und unsere volle Torpedokapazität zu nutzen, solange die Slaybirds noch zu weit entfernt für ihre Disruptoren sind."
"Commander, ich habe keine Zeit für Sie. Es tut mir leid. Warten Sie auf Commander Takeruci und befolgen Sie seine Befehle..."
"Aber Sir, er..."
"Willson Ende!"
Der Schiffscomputer gab eine Meldung durch: nur noch fünf Minuten bis Waffenreichweite. Noch immer keine Energie auf den gegnerischen Waffensystemen. Auch keine Schildenergie war zu verzeichnen. Die drei Schiffe hielten mit Maximaler Sublichtgeschwindigkeit auf das Raumdock zu. Commodore Willson griff mit zittrigen Fingern nach seinem Cappuccino. Er nahm einen kräftigen Schluck. Mit geschlossenen Augen versuchte er, die Situation in den Griff zu bekommen. Es ergab keinen Sinn. "Commodore, eine Nachricht von der Oberth!"
"Auf den Schirm."
Der Hauptbildschirm teilte sich. Die eine Hälfte zeigte einen verkleinerte Version des Taktikhologramms. Die andere wurde von einer Darstellung der Brücke des Raumschiffs Oberth eingenommen. Sie war ein Schiff der Souvereign-Klasse, maßlos veraltet und in einem Gefecht schwer beschädigt worden. Allerdings war sie von allen Einheiten im Dock mit Abstand im besten Zustand.
"Captain Michaelson", begrüßte Willson sein Gegenüber.
Michaelson war ein untersetzter Mann mittleren Alters, den man überall, nur nicht im Kapitänssitz eines Raumschiffs erwartet hätte. Er kaute an seinen Nägeln und hatte ein leichtes Problem mit trockener Haut. "Commodore, die Romulaner antworten weiterhin auf keinen unserer Rufe."
Willson überprüfte die Anzeigen. Föderationsschiffe hatten eine größere Waffenreichweite als Romulanische Slaybirds. Die Gegner waren ungetarnt und ungeschützt. Ein Nichtreagieren von Komsignalen war bei Romulanern immer ein Vorzeichen für folgenschwere Ereignisse...
"Danke, Captain, Sie werden ihre Befehle erhalten. Bis dahin versuchen Sie es weiter. Willson Ende."
Er ließ sich in seinen Kommandostuhl nieder, atmete durch und öffnete einen offenen Kanal. "Hier spricht Commodore Willson von der Föderationsraumstation Hamlet! Ich rufe die Romulanischen Slaybirds die sich uns nähern, sowie die getarnten Einheiten, die glauben, sich vor unseren Sensoren verstecken zu können. Sie haben auf keinen unserer Kommunikationsversuche geantwortet. Unsere Sensoren können keine Beschädigungen an ihren Systemen feststellen, die sie daran hindern können. Meine Schiffe haben den Befehl, sofort das Feuer zu eröffnen, wenn Sie nicht auf diesen Ruf antworten. Nennen Sie den Grund Ihres Aufenthalts in diesem System und reduzieren Sie Ihre Geschwindigkeit. Sie haben eine Minute."
Bador erreichte die Kampfbrücke der Ares kurz nach seinem Gespräch mit Commodore Willson. Der Raum war klein, dunkel und spartanisch ausgerüstet. Die einzigen Zugeständnisse an das leibliche Wohl der Offiziere stellten bequeme Stühle sowie eine Toilette in einem Nebenraum dar. Dafür fehlte zum Beispiel der Replikator, und es gab auch nicht für jede Station einen Stuhl. Bereits anwesend war eine junge Lieutenant, die sich an der Taktikstation zu schaffen machte. "Lieutenant", machte Bador sich bemerkbar und ließ sich im Kommandosessel nieder. Dabei wäre er fast zu Boden gefallen, weil der Stuhl nicht fest im Deckboden verankert war. "Lieutenant! Statusbericht!", rief Bador, da die Lieutenant noch nicht unter ihrem Pult hervorgekommen war. Bador versuchte, sein kleines Pult in Betrieb zu nehmen und gab Johnson mit einem Zeichen zu verstehen, den Offizier hervorzuholen.
Johnson beugte sich hinab und tippte dem Lieutenant auf das Knie. Die Haut schien ungewöhnlich hart zu sein. Das Knie zuckte. Der Offizier fuhr verschreckt zusammen und knallte mit dem Kopf gegen das Pult. Vor Schmerz stöhnend krabbelte sie hervor. Johnson wäre fast einen Meter zurückgesprungen, als er der Reptilianerin ins schuppige Gesicht sah.
"Äh, Sir, ich äh, ich...."
Johnson hob abwehrend die Hände und verwies an Bador. Er selbst stellte sich an die Taktikstation und grübelte darüber nach, was die Lieutenant gerade damit angestellt hatte.
"Sir!", meldete sie sich und nahm vor Bador Haltung an.
"Stehen Sie bequem, Lieutenant..."
"J'Kolan, Sir. Dienstnummer..."
"Im Moment uninteressant, Lieutenant, sagen Sie mir lieber, was genau hier funktioniert. Mit den Sektionen Alpha und Beta bin ich nicht sehr vertraut."
"Sir! Navigation und Gefechtsdüsen einsatzbereit. Taktische Station standardisiert einsatzbereit. Ich bin gerade dabei, sie an die verbesserten taktischen Sensoren anzuschließen. Technikstation einsatzbereit, ebenso Statusbildschirme für alle Bereiche außer der Krankenstation. Sir", fragte sie vorsichtig, "haben Sie jetzt das Kommando?"
"Leider nicht. Sorgen Sie dafür, dass die Manöverdüsen einsatzbereit sind. Wir laufen aus, sobald Commander Takeruci an Bord ist."
Sichtlich erleichtert verließ J'Kolan die Kommandobrücke, um den Jungs von Deck Fünf Feuer unter ihren Ärschen zu machen.
"Ich wusste gar nicht, dass Xindi auf der Hamlet stationiert sind.", bemerkte Johnson. Er schüttelte sich und kratzte sich am Kopf.
"Sind auch keine. Meines Wissens nach gehört J'Kolan zur Stammbesatzung der Ares. Hat irgendetwas mit den Sensoren zu schaffen, die wir letzten Monat integriert haben." Bador fragte wie beiläufig: "Haben Sie etwas gegen Xindi, Lieutenant?"
"Nein, wie kommen Sie darauf?"
"Nun, Sie haben sich am Kopf gekratzt. Das machen Sie immer, wenn Sie nervös oder verärgert sind."
"Bador, wir werden angegriffen!"
"Ja. Das stimmt." Bador starrte grimmig auf den Hauptbildschirm, den noch niemand aktiviert hatte.
Commander Yoshiki Takeruci war nicht erfreut über den Versuch Badors, das Kommando über sein Schiff zu übernehmen. Takeruci hatte die letzten dreiundsechzig Monate an Bord der Ares verbracht. Er hatte in einem Quartier geschlafen das nur zwei Wände hatte und dessen Kraftfelder jederzeit versagen konnten. Er war neben dem Schiffscomputer überhaupt der einzige, der eine ungefähre Ahnung davon hatte, welche Systeme gefahrlos hochgefahren werden konnten und welche das Schiff in die Luft jagen würden. Gereizt erschien er auf der Kampfbrücke. Er hatte von Anfang an klar dargelegt, dass dieser Bereich als einer der ersten zu funktionieren hatte. Dass Lieutenant Johnson gerade das Taktikpult auseinander nahm passte ihm gar nicht. Immerhin war Bador, der gerade aufgestanden war und Haltung angenommen hatte, geistesgegenwärtig genug gewesen, dem Steuermann den Befehl zum Auslaufen zu geben, als Takeruci sich an Bord gemeldet hatte.
"Commander an Deck!", brüllte er. Etwas aggressiv für einen Bolianer, dachte Takeruci. Bador trat beiseite und ließ Takeruci zu seinem Stuhl. Dieser setzte sich demonstrativ langsam hinein, verdeutlichte damit, wem dieser Platz gebührte.
"Commander, wie ist unser Status?"
"Manöverdüsen im Einsatz, Sir! Wir passieren soeben Sektion 1 der Hamlet. Geschätzte Zeit bis zum offenen Raum etwa fünfzig Sekunden. Die Torpedorampen Zwei und Drei sind aktiviert und werden geladen. Torpedorampe Eins ist mit Photonentorpedos geladen und bereit. Wir haben keine Schilde und keine Phaser, außerdem ist das Lebenserhaltungssystem auf den Decks Zehn bis Siebzehn inaktiv. Die Atmosphäre wird etwa drei Stunden lang atembar sein, aber bis sie toxisch wird haben wir die Systeme sicher einsatzbereit. Wir sollten den Romulanern lieber nicht unser Heck zeigen, Sir. Ein gezielter Disruptortreffer in den Jägerhangar könnte bis zum Warpkern vorstoßen."
Takeruci hörte sich den Bericht schweigend und aufmerksam an.
"Gut", sagte er dann. "Steuermann, bringen Sie uns an Position 33A. Drei Kilometer Steuerbord von der Rhino."
Der Steuermann, ein junger Tellarit, bestätigte den Befehl und richtete den Kurs ein. Schwerfällig bewegte sich die Ares fort. Das Schiff hatte sich überhaupt noch nie selbstständig bewegt. Die Techniker hatten Takeruci und den Commodore eindringlich davor gewarnt, dass die Strukturelle Integrität einer solchen Belastung nicht standhalten könnte. Commodore Willson hielt das Risiko für akzeptabel. Takeruci teilte diese Meinung nicht, doch er respektierte die Kommandokette.
"Commander", meldete sich Lieutenant Johnson von der Taktik, "Meine Konsole ist einsatzbereit. Ich erhalte Meldung, dass die Slaybirds in Waffenreichweite der Oberth sind."
"Auf den Schirm!", befahl Takeruci. Der Hauptbildschirm erwachte zum Leben. Summend nahm er den Betrieb auf und generierte die Standartansicht, den Blick direkt nach Vorne. Nur etwa eine Sekunde lang, vielleicht zwei, war die Steuerbordwarpgondel der Rhino zu sehen. Dann wechselte die Darstellung, zeigte die schlanke Oberth, der sich drei gut erkennbare Slaybirds näherten. Die romulanischen Schiffe waren groß, wirkten aber geschmeidig mit ihren sechs Schwingen. Die federartigen Strukturen, welche die gefährlichen Disruptoren beherbergten und sonst hell erleuchtet waren, zeigten völlige Dunkelheit. Ebenso wenig waren die Fenster der Bugsektion erleuchtet, jener Schnabelförmigen Konstruktion die einen Slaybird ausmachte. Sie kamen rasch näher. Die Oberth zögerte noch ein paar Sekunden. Dann eröffnete sie das Feuer.
Später als befohlen schoßen die beiden vordersten Schiffe den Romulanern vor den Bug. Die Oberth setzte ihre neuen Langstreckenphaser ein und zog einen Krater durch den riesigen Schnabel des Backbord-Slaybirds. Die Telos setzte eine Salve Photonentorpedos frei, die vor den Romulanern detonierten. Ein Warnschuss, wie Commodore Willson verärgert erkannte. Seine Befehle wurden konsequent nach eigenem Gutdünken umformuliert. Er konnte keine Kapitäne gebrauchen, die bei der Verteidigung von Föderationsmitgliedern zögerten. Doch die Romulaner zeigten kein gesteigertes Interesse daran, das Zaudern der Starfleetangehörigen auszunutzen. Sie flogen einfach mit Maximalem Sublichtantrieb weiter. Willson starrte auf den Hauptschirm. Ihm kam ein beunruhigender Gedanke.
"Lieutenant Vika! Projizieren Sie den Kurs der Romulaner bei gleichbleibender Geschwindigkeit!"
Der Gordonianer kam der Aufforderung sofort nach. Er rief die Darstellung zuerst auf seinem Bildschirm ab. Hörbar keuchend leitete er sie an den Taktischen Hauptschirm weiter.
"Verflucht", rief jemand. "Das ist ein Kollisionskurs!"
Commodore Willson gab die Information an die Captains weiter und befahl den Einsatz der Jägerstaffeln. Sekunden später starteten die ersten Piloten von der Rhino, gleich darauf von der Oberth. Sie gesellten sich zu den beiden Staffeln der Hamlet, die sich mit Höchstgeschwindigkeit dem Kampfgebiet näherten. Der Taktikschirm zeigte nur eine grafische Darstellung mit roten, blauen und gelben Kugeln, doch das genügte. Willson sah, Willson erkannte, Willson verzweifelte. Die Slaybirds waren nicht auf einen Angriff aus. Dies war eine Selbstmordmission. Und die Starfleetschiffe würden die Antriebssysteme nicht ausschalten können, bis sich die Slaybirds in die Eingeweide der Hamlet gebohrt hatten. Er gab den Befehl zur Evakuierung.
Takeruci gab den Feuerbefehl. Die Ares feuerte langsam. Die Magazine waren nicht gefüllt, und so mussten die Geschosse manuell nachgeladen werden. Bador hatte die Taktik übernommen und Johnson in den Maschinenraum geschickt, damit er den Schildtechnikern half. Er nahm sich viel Zeit beim Zielen, doch immerhin musste Takeruci anerkennen, dass der Bolianer empfindliche Systeme der Slaybirds traf. Die Ares konzentrierte sich zusammen mit der Rhino und der Telos auf den Backbordslaybird. Tatsächlich wurde das Schiff langsamer, doch es bewegte sich noch immer mit seiner Flotte auf die Hamlet zu. Und inzwischen waren sie nicht mehr weit entfernt. In weniger als zwei Minuten würden die mächtigen Langstreckenphaserbänke der Station das Feuer eröffnen. Takerucis kleiner Bildschirm, der auf einem schmalen Podest rechterhand seines Stuhls angebracht war, zeigte Dutzende Rettungskapseln, die von der Scheibensektion der Dockingstation aufstiegen.
"Die Romulaner passieren unsere Position", meldete der Steuermann, der sonst auf der Hamlet seinen Dienst tat. "Drehe bei. Weiterhin freies Schussfeld."
Der Schirm zeigte nun die Darstellung von mehreren Schiffen, die es der Ares gleich taten. Die Fox neigte ein wenig ihren Rumpf.
"Commander, wissen Sie, wer zur Zeit das Kommando über die Fox hat?", fragte Bador und nahm den Slaybird ein weiteres Mal ins Visier, diesmal auf die Hauptbrücke zielend.
"Irgendjemand von der technischen Abteilung", antwortete Takeruci geistesabwesend und kontrollierte den Kurs. "Steuermann, drei Grad Backbord!"
"Aye, Sir, drei Grad Back...."
Der Steuermann brach mitten im Satz ab als die Fox ihr Diskussegment in den "Hals" des führenden Slaybirds bohrte. Der Kopf des Romulanerschiffes und seine Antriebssektion sagten sich Lebewohl, als der Diskus der Fox das ungeschützte Material wie Butter durchschnitt und ihre Warpgondeln an den zerfetzten Rändern des Slaybirds aufgerissen wurden. Die Fox war an ihrem Bug schwerstens beschädigt und bis zur Mitte des Diskusssegments gespalten. Zusammen mit den Teilen des Slaybirds trieb sie weiter, bis der Antrieb des vom Kurs abgebrachten Angreifers explodierte und die Fox mit ins Verderben riss.
Die beiden anderen Slaybirds ließen sich nicht beirren und flogen weiter. Sie gerieten in die Todeszone der Hamlet-Phaser. Die Crewmitglieder der Station feuerten ebenso verzweifelt wie die Offiziere an Bord der Raumschiffe. Doch alle Bemühungen halfen nichts. Der eine Slaybird hatte seine Geschwindigkeit verringert, doch der andere flog weiterhin mit Maximum Sublichtantrieb. Die Telos versuchte, sich zwischen die Hamlet und den Kamikazeamgreifer zu stellen, doch das Schiff war zu langsam. Das romulanische Schlachtschiff verging in einem gigantischen Feuerball und schlug einen beträchtlichen Krater in den Wohnungsbereich der Hamlet, tief unten am Stumpf der Station. Noch auf Deck Eins in der Kommandozentrale war die Erschütterung zu spüren und so stark, dass allein dadurch mehrere Bildschirme beschädigte wurden.
Der zweite Slaybird war zwar langsamer geworden. Aber das hatte nur mit gezielten Torpedotreffern zu tun. Auch er hielt weiterhin zielstrebig auf die Hamlet zu. Die Jägerstaffeln schafften es zwar, eine Überlastung des Antriebs herbeizuführen, doch es war zu spät. Der Slaybird explodierte; DIE Schockwelle traf die Hamlet aus nur wenigen hundert Metern Entfernung. Der untere Teil der Station wurde regelrecht weggerissen und trieb ins offene All hinaus. Auf Deck Eins war man sich relativ sicher, dass die menschlichen Verluste nur gering waren. Doch die Station war aus der Umlaufbahn geworfen worden. Commodore Willson entschied, vom Kommandodeck aus die Evakuierung der letzten Starfleetangehörigen zu koordinieren und so lange an Bord zu bleiben, bis jeder Überlebende an Bord eines der Schiffe im offenen Raum war. Es dauerte zu lange. Die Station schlingerte dem Planeten entgegen und geriet in dessen Gravitationsfeld. Die Oberth mühte sich nach Kräften ab, die Hamlet mit ihren Traktorstrahlen zu erfassen. Doch es gab zu viele Trümmerteile im Weg, die diese Bemühungen behinderten. Die regenschirmartige Konstruktion neigte sich immer mehr Abrock 3, dem Planeten unter sich, zu. Die äußeren Randbereiche begannen als Erste zu glühen und lösten sich auf wie Wachs. Rettungskapseln starteten, aber nicht wenige von ihnen kollidierten mit Trümmern. Die gigantische Diskussektion ließ die Atmosphäre hinter sich; als eine solche zu erkennen war der undifferenzierte, geschmolzene Klumpen, der die innersten Bereiche darstellte, nicht mehr. Das Kommandodeck hatte den Eintritt nicht überstanden. Willson verbrannte mit Dutzenden Kollegen in der Atmosphäre von Abrock 3.
"Commander, die getarnten Raumschiffe ziehen sich zurück."
"Wie?", fragte Takeruci. Er hatte Bador nicht zugehört und statt dessen dem Untergang der Hamlet-Station zugeschaut. Sie war lange seine Heimat gewesen, bevor er sich auf der Ares einquartiert hatte. Sein ehemaliges Quartier hatte er schon lange nicht mehr in Anspruch genommen, jedoch trotzdem behalten. Doch das war nebensächlich. Es war schon in der oberen Stratosphäre Opfer der Reibung geworden.
"Sir", wiederholte Bador, "die getarnten Schiffe am Rande des Systems haben gerade einen Kurs gesetzt und sind auf Warp gegangen."
"Wissen Sie auch wohin?"
"Nein, Sir. Nur ungefähr. Vielleicht können wir das herausfinden, wenn wir unsere Daten mit denen der anderen Schiffe vergleichen. Ich kann nur sagen, dass sie auf jeden Fall in Richtung der Romulanischen Grenzgebiete unterwegs sind. Irgendwo in den Sektoren R243 Alpha, Beta und Gamma, R244 Epsilon oder R245 Beta."
"Gut", meinte Takeruci. "Roten Alarm beenden. Wir warten auf Captain Michaelsons Befehle, bis dahin gehen wir auf Gelben Alarm. Ich danke Ihnen, meine Herren. Sie haben hervorragende Arbeit geleistet."
Der Steuermann und zwei der anwesenden Techniker verließen den Raum. Bador wollte ihnen folgen.
"Ich muss mit Ihnen sprechen, Bador."
"Natürlich, Commander. Worum geht es?"
Takeruci stand langsam auf. Er baute sich vor Bador auf. Er versuchte womöglich, den Bolianer einzuschüchtern, doch der war einen halben Kopf größer als Takeruci, und so beließ der Commander es dabei, den Techniker böse anzublicken.
"Es gibt gewisse Regeln in der Sternenflotte, die wir alle respektieren müssen. Die Kommandokette ist eine davon. Ich lege großen Wert auf ihre Einhaltung. Daher kann ich es nicht gutheißen, wenn ein unerfahrener Offizier versucht, das Kommando über mein Schiff zu übernehmen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt, Lieutenant Commander?"
Bador blinzelte verwirrt.
"Sir, ich hielt meine Handlungsweise für angemessen. Im Falle eines Kampfes übernimmt der dienstälteste Offizier mit der meisten praktischen Kampferfahrung an Bord das Kommando. Sie waren nicht an Bord der Ares. Und wenn Sie in einen Blick in meine Akte werfen werden Sie feststellen, dass ich drei Jahre lang Kommandant eines Raumschiffes war, bevor ich freiwillig den Dienst quittierte. Verstehen Sie mich nicht falsch, Commander. Ich mag es nicht, Verantwortung für intelligentes Leben zu übernehmen. Aber zur Zeit bin ich der einzige höhere Offizier mit Kampferfahrung an Bord. Sie eingeschlossen. Ich hielt es nicht für richtig, einen unerfahrenen Offizier als Leiter einer Verteidigungsaktion einzusetzen. Sir."
Takeruci wölbte die Braue. Er wusste, dass er nicht gerade schnell die Karriereleiter emporgeklettert war, doch das überraschte ihn doch. Bador schien nicht älter als er selbst zu sein, obwohl Takeruci sich nicht gut mit der bolianischen Physiognomie auskannte. Die meisten seiner ehemaligen Studienkammeraden hatten entweder schon ein eigenes Kommando oder verschimmelten hinter Schreibtischen. Takeruci wollte diesem Schicksal entgehen. Er rechnete fest damit, das Kommando über die Ares zu erhalten, sobald sie einsatzfähig war. Er war jedoch nicht gewillt, einen Offizier wie Bador an Bord seines Schiffes zu dulden.
"Commander, Ihre Bedenken wurden zur Kenntnis genommen. Wegtreten."
Bador verließ die Kampfbrücke. Takeruci blieb und strich mit seinen Fingerkuppen geistesabwesend über die Stuhllehne.
23. September 2426
Deep Space One Raumstation
Nahe der Romulanischen Grenze
Deep Space One war eine uralte Raumstation der Klasse Drei. Takeruci sah die Ähnlichkeit zur Hamlet-Station, jedoch war dieses alte Modell wesentlich kleiner als die Hamlet.
Der Offizier stand auf dem Ausblicksdeck der Ares auf Deck Drei. Seine Hand hatte sich im Geländer verkrampft. Er hatte vor zwei Tagen die Mitteilung erhalten, dass das Kommando über die Ares nicht an ihn übergeben wurde. Er hatte - wie jeder an Bord - angenommen, an Bord von Deep Space One in den Rang des Captains befördert zu werden. Statt dessen hatte er Befehl, die Ares bei Deep Space One zu übergeben. Offenbar war Starfleet der Meinung, dass Takeruci praktische Erfahrung benötigte, bevor man ihm die Leitung über ein Raumschiff anvertraute. Man munkelte von einem Jahr Bewährung, vielleicht weniger, wenn er sich als fähig erwies. Es ärgerte ihn. Aber ein Befehl hatte die Angewohnheit, nun einmal ein Befehl zu sein. Und Takeruci fügte sich.
Um 23.45 Uhr Bordzeit der Station Deep Space One dockte die Ares an. Das Schiff war fertig verkleidet und größtenteils einsatzfähig. Lediglich die Experimentalwaffen sowie der Warpdeflektor waren noch nicht getestet worden. Ein paar unwichtige Systeme wie die Türveriegelungen auf dem Frachtdeck waren außer Funktion, und es gab geringfügige Normabweichungen in der linken unteren Warpgondel.
Die Ares war eine stark modifizierte Version der Raumschiffklasse, deren erstes Schiff sie ironischerweise selbst gewesen war. Das Schiff bestand aus einem leicht in die Breite gezogenem Diskussegment welches mit einem kurzen Stutzen mit der Antriebssektion unter dem Diskus verbunden war. Von dort erstreckten sich die oberen und unteren Warpgondeln; insgesamt gab es vier davon, wobei die unteren Pylonen länger waren als die oberen und in einem flacherem Winkel abstanden. Die Ares war ein gedrungenes Schiff. Das Heck war ausgehöhlt worden um dem Jägerhangar Platz zu schaffen. Das Diskussegment erinnerte in seinem Aussehen sehr an die Einheiten, die für die Galaxy- und Nebulaklasse benutzt worden waren; natürlich war es auf dem neuesten Stand der Technik.
Die Ares dockte also an. Commander Takeruci hatte sich auf der Hauptbrücke in seinem komfortablen Kommandosessel niedergelassen - wissend, dass er nicht mehr lange sein Stuhl sein würde.
"Ares, Andockvorgang beendet. Willkommen auf Deep Space One."
Takeruci schloss den Kanal, ohne dem Stationskoordinator geantwortet zu haben. Außer ihm befanden sich nur zwei Techniker für die Sensoren auf der Brücke, außerdem der Navigator Lieutenant Etkins. Ein merkwürdiger Kerl, von dem Takeruci nur wusste, dass er von Lorna stammte, einem ehemaligen Gefängnisplanet im Gamma Quadranten. Etkins wies Merkmale verschiedener Völker auf, doch er benahm sich im Prinzip wie ein Mensch. Außerdem befolgte er Befehle und legte Wert auf Einhaltung der Protokolle, was ihn für Takeruci sehr sympathisch machte. An sonsten war die Hauptbrücke leer. Etkins schien Düsternis vorzuziehen, und so hatte er vor einiger Zeit die Beleuchtung heruntergesetzt. Takeruci hatte keine Einwände erhoben. Hier und da klickte und piepste es; ab und zu wurden Durchsagen und Anforderungen durchgegeben. Trotzdem kam Takeruci das Kommandozentrum merkwürdig leer vor.
Die Ares würde einen Tag lang angedockt bleiben und dann ihre erste Mission angehen. Takeruci wusste nichts genaues, nur, dass das Schiff mit dem Flaggschiff der Flotte zusammenarbeiten würde. Die Enterprise-G besaß keinen ganz so fortschrittlichen Warpantrieb wie die Ares und würde erst in ein paar Stunden eintreffen; bis dahin erwartete man, dass das restliche Personal an Bord gegangen wäre. Takeruci erhob sich wenig erfreut aus seinem Stuhl. Der neue Captain hatte sich für Punkt Null Uhr für Transporterraum Eins angekündigt. Er machte sich auf den Weg zu Deck Fünf, um seinen neuen Kommandanten - zähneknirschend - zu begrüßen.
24. September 2426
USS Ares, NCC 100431
Nahe der Romulanischen Grenze
Um Null Uhr endete Lieutenant Etkins Schicht. Er hatte seinem Großvater eine Lichtüberempfindlichkeit zu verdanken, die er alle paar Tage mit Medikamenten zu behandeln hatte. Den Bordarzt hatte er bislang nicht aufgesucht. Zu sehr hatte er versucht, sich innerhalb weniger Schichten mit den ungewöhnlichen Kontrollen der Ares vertraut zu machen. Die Eigenarten des Schiffes würden wohl noch einige Zeit geringfügige Fehlerkorrekturen notwendig machen. Etkins hatte sich jedoch fest vorgenommen, die Krankenstation nach Beendigung seiner Schicht aufzusuchen. Als es soweit war ließ er sich von Fähnrich Valeria ablösen und betrat den Turbolift. Das Licht in der Kapsel war heller als das auf der Brücke. Es stach in seinen Augen. Normalerweise empfand er gerade die Turboliftpanele als angenehm. Er hoffte, nicht zu spät gehandelt zu haben.
Der Computer fragte ihn nach seinem Zielort. Er nannte ihn: Krankenstation A auf Deck Sechs. Der Lift setzte sich in Bewegung. Es waren schnelle Modelle. Besonders Turbolift A, der unter anderem die Quartiere mit dem Jägerhangar verband, war für hohe Geschwindigkeiten konzipiert und hatte Vorrang vor allen anderen Kapseln. Innerhalb von nicht einmal zehn Sekunden öffneten sich die Türen wieder. Das Schott in diesem Bereich befand sich auf der gegenüberliegenden Seite von dem, welches zur Hauptkrankenstation führte. Diese bestand im wesentlichen aus Liegeraum, Operationssaal, Labor und Büro des Chefarztes. Das Labor war, soweit Etkins wusste, noch nicht in Betrieb, der Liegeraum wurde nicht gebraucht. Der Operationssaal, in dem die meisten Behandlungen vorgenommen wurden, war ebenso verwaist. Etkins wollte gerade den Weg zur Krankenstation B antreten, als er Geräusche aus dem Büro des Chefarztes hörte. Zufrieden einen Mediziner gefunden zu haben schritt er auf die Türe zu, die den öffentlichen Raum vom Büro abtrennte.
Das Büro des Obersten Medizinischen Offiziers war ein kleiner, aber einladender Raum. Der Arzt saß hinter seinem Schreibtisch und hatte Blick auf den Operationsraum, um im Notfall jederzeit eingreifen zu können. Auf dem Tisch thronte ein Standartbildschirm, daneben stand ein Becher mit dampfenden Inhalt. Der Arzt griff danach und führte das Gefäß zu seinen trockenen Lippen, während er einen Bericht las, vermutlich über den Status des Sickbay-Equipments. Aus den Augenwinkeln bemerkte er Etkins, der sich trotz der für ihn angenehmen Beleuchtung unwohl fühlte. Er hatte noch nie mit Waraki zu tun gehabt.
"Ja?", fragte der Doktor und legte den Bericht bei Seite. "Kann ich Ihnen helfen, Lieutenant?"
"In der Tat, Doktor..."
"Metek Rotal.", half der Waraki und verneigte sich leicht.
"Ja, also, ich habe da diese Lichtempfindlichkeit, Sie finden Sie in meiner Akte."
Doktor Rotal suchte Etkins Datei heraus. Währenddessen versuchte Etkins, den Waraki unauffällig zu mustern. Die schuppige Haut und der Ansatz einer Schnauze waren nicht zu übersehen. Über der Augenpartie wölbten sich zwei große Wülste, die sich gerade über die Stirn bis zum Hinterkopf zogen und sich dort verflüchtigen. Sie waren gerade noch leicht bräunlich gewesen. Doch jetzt änderte sich die Farbe und wurde zu einem intensiven Rosa. Rotal sah nicht auf.
"Sie scheinen sich für Waraki zu interessieren, Lieutenant, oder verstehe ich da etwas falsch?", fragte er. Im selben Augenblick erhob sich hinter seinem Rücken ein bedrohliches Tentakel. Es glitt geschmeidig durch die Luft und wand sein Ende um den Henkel des Teebechers. Es war Rotals Schweif, der die Teetasse zu seinem Mund führte. Er nahm einen kräftigen Schluck.
"Schmeckt ausgezeichnet", kommentierte er mit seiner tiefen Stimme und wühlte weiter in den Dateien herum. "Ich würde Ihnen ja etwas davon anbieten, aber Sie würden sich nicht über die körperlichen Folgen freuen... Ah, da haben wir Sie ja. Luxsupersensorik. Ist ziemlich selten in der Föderation." Er wandte sich vom Bildschirm ab. Sein Schweif gab dem Befehlselement des Replikators einen bestimmten Befehl. Sogleich erschien eine Ampulle, die der Schweif in Rotals Hand übergab. "Woher kommen Sie?"
"Von Lorna. Mein Vater war Mensch. Meine Mutter ein Ergebnis Generationen von Interspeziesbeziehungen. Von meinem Großvater habe ich die Lichtüberempfindlichkeit. Er bezeichnete sich als ein Rege'dor."
Rotals Augen weiteten sich, die Augenkämme färbten sich purpurn. "Habe ich noch nie gehört."
"Mehr weiß ich leider auch nicht."
"Nun, weitere Informationen sind ja auch nicht notwendig." Der Waraki stand auf. Etkins tat es ihm gleich. Der Reptiloid war einen guten Kopf größer als er. Rotal presste das Hypospray an Etkins Hals. Es zischte. Schon Sekunden später hatte der Navigator den Eindruck, wieder normal sehen zu können. "Kommen Sie morgen noch mal vorbei, dann überprüfe ich Ihre Werte, Lieutenant. Mit ein Bisschen Glück können wir Ihre Beschwerden dauerhaft kurieren."
"Die Ärzte an der Akademie sagten, das sei unmöglich."
"Die Ärzte an der Akademie hatten auch fest darauf bestanden, dass Waraki nur ein Ellenbogengelenk besitzen. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich muss noch ein paar Inventarberichte durchgehen."
Damit fühlte Etkins sich entlassen. Er stolperte beinahe aus dem Büro. Reptiloide Wesen bereiteten vielen anderen Spezies ein unruhiges Gefühl in der Magengegend. Vielleicht war dies auf evolutionäre Gründe zurückzuführen, vielleicht lag es an ihrem oft aggressiven Verhalten. Man wusste es nicht genau. Etkins selbst hatte nur wenig mit Reptilien verkehrt, was aber vor allem daran lag, dass nicht sonderlich viele in der Sternenflotte lebten. Auf Lorna hatte es zwar durchaus Dutzende gegeben, doch da war Etkins noch ein kleiner Junge gewesen, und auf Bajor, wo er wenige Jahre gelebt hatte, nachdem die Föderation ihn befreit hatte, waren sie wegen der besonderen Beziehung zu den Cardassianern nicht gern gesehen. Obwohl Etkins wegen seiner eigenen Herkunft Mitgefühl für den Waraki empfand - er würde auf dem Schiff nicht viele Freunde finden - empfand er es als im höchsten Grade erleichternd, als er den Turbolift betrat und in sein Quartier zurückkehrte.
Auf Deck Fünf befanden sich einige wichtige Anlagen. Darunter zwei Torpedolagerstätten, die Astrometrie oder das Warpkernlager. Auch Transporterraum Eins lag auf diesem Deck. Takeruci hatte sich bereits eingefunden und stand zusammen mit dem Taktikoffizier Commander Lucia Seth und einem Ehrenwächter vor der Konsole, hinter der Chief Bador die Kontrollen bediente. Die Schiffsuhr gab ihren sanften Ton von sich und wies auf den Korridoren und allen größeren Räumen auf das Ende der aktuellen Schicht hin. Fast gleichzeitig piepste es an der Konsole. "Deep Space One meldet Bereitschaft, Sir."
"Energie."
Bador griff nach den Reglern und begann sie zu verschieben. Auf der Transportfläche glühten Bodenelemente. Die übermittelten Materieteilchen setzten sich wieder in ihrer Originalkonstellation zusammen. Nach fünf Sekunden war der Beamvorgang beendet.
Die Ehrenwache pfiff in eine Bordpfeife und nahm Haltung an.
"Bitte Erlaubnis an Bord kommen zu dürfen, Commander."
"Erlaubnis erteilt, Captain. Willkommen auf der Ares."
Takeruci streckte die Hand aus. Die Captain ergriff sie und schüttelte sie knapp, nickte Commander Seth zu und blickte dann zu Bador.
"Captain Sarah Trat. Ich werde dich wohl nie los."
"Das haben Freunde an sich, Bador. Sie sind immer und überall."
Bador kam hinter seiner Konsole hervor und umarmte Captain Trat.
"Wie lange ist es jetzt her?", fragte sie. Mit einem weiteren Nicken entließ sie Takeruci und Seth nebst dem Sicherheitswächter. Der Meinung, ihre Zeit verschwendet zu haben, verließen die ersten beiden den Transporterraum. Der Wächter folgte, schien aber sichtlich erleichtert zu sein, alles richtig gemacht zu haben.
"Dein letzter Besuch auf Vordia liegt fünf Jahre zurück."
Die Captain und der Chief traten zusammen aus dem T-Room und schlenderten den Korridors 5-A-32 entlang, in Richtung des Aussichtsdecks "Bug Fünf", einer Art Bar, die an die alten "Zehn Vorne" - Etablissements der Galaxy- und Nebula-Klassen angelehnt waren, um der Crew einen halbwegs legeren Gesellschaftsort zu bieten . Auf der Ares gab es nicht viele Zivilisten; nur wenige Crewmitglieder hatten ihre Familien an Bord geholt. Aber im Laufe der nächsten Stunden würden auch sie das Schiff verlassen, um bei der gefährlichen Mission nicht umzukommen.
"Fünf Jahre. Eine lange Zeit. Ist Telus immer noch mit Meklath zusammen?"
"Ja. Aber von Kert hat sie sich getrennt."
"Kert? Aber wieso? Er ist der perfekte Schwiegersohn!"
"Unglücklicherweise scheint er nicht der perfekte Ehemann zu sein."
"Ich mochte ihn. Er erinnerte mich immer an Tommiboy."
"War das nicht dein Hund?
"Ja, als ich sieben war."
"Wusstest du, das Hund angeblich wie Jakitalobst schmeckt?"
"Hör doch auf."
Sie lachten und wanderten weiter.
Sie betraten die Bar "Bug Fünf". Es war ein dunkel gehaltener Ort. Die Wände waren mit Samt eingehüllt und leicht gepolstert. Es gab eine erhöhte Sitzecke und mehrere Tische samt integriertem Replikator. Badors und Trats Ziel war aber die Theke, von der aus meinen grandiosen Ausblick auf das freie All gehabt hätte, wenn die Ares nicht gerade angedockt gewesen wäre. Sie setzten sich. Der Barkeeper beendete seine Tätigkeit - er hatte gerade eine Bestandsliste durchgesehen - und gesellte sich zu seinen Kunden. Er war ein Hologramm, äußerlich einem jungen männlichen Mensch nachempfunden, der längliche, braun-graue Haarsträhnen sein Eigen nannte. Er steckte in einer Variation der Offiziersuniform ohne Abzeichen und Bereichsfarbe. Er stützte sich einladend grinsend auf seine Theke. "Guten Morgen, meine Dame - der Herr!", begrüßte er, beiden zunickend. "Wie kann ich Ihnen bedienlich sein?"
Trat ließ ihren Blick über das Auswahldisplay wandern. Sie wurde nicht fündig. "Sie kennen nicht zufällig den Olympus Mons Spezial?"
"Nach marsianischer oder rigelianischer Art?", fragte der Barkeeper spitzbübisch. Trat wählte die Mars-Variante. "Und was darf's für den Herr sein?", wandte sich das Hologramm an Bador, während er, ohne hinzusehen, ein paar Flaschen aus Fächern unter der Theke holte.
"Ich nehme einen Vordia Sunrise."
"Eine ausgezeichnete Wahl, mein Herr!"
"Immer noch zuckersüchtig, was?" Trat lächelte und nahm einen Schluck von ihrem Drink. Sie wandten sich dem Fenster zu, das die gesamte Wand hinter dem Barkeeper einnahm, die Frontseite also.
"Sarah, was kannst du mir über unsere Mission sagen?"
"Nur das Offizielle. Die Föderation setzte weiterhin auf Verhandlungen."
"Komm schon, Sarah, es ist keiner da außer uns und diesem Barkeeper, den unsere Konversation nicht interessieren wird. Wa..."
"Wenn ich mich einmischen dürfte", unterbrach das Hologramm und gesellte sich wieder zu den Beiden, "da muss ich Sie enttäuschen. Ich bin mehr als neugierig. Das muss ich sein. Ich bin so etwas wie der zweite Schiffscounselor. Streng genommen bin ich der erste Schiffscounsellor, weil Commander Sip noch an Bord der Enterprise ist, aber Sie wissen sicher, was ich meine..."
"Nein.", antwortete Bador
"Durchaus nicht.", fügte Trat hinzu. "Ich wusste nicht, dass wir außer den Primärnotfallhologrammen noch andere an Bord haben."
"Ah, vermutlich hat sich Johnson die Freiheit genommen, stimmt's?"
"Sie haben's erfasst. Im Sinne der Geheimhaltung sollte ich hinzufügen, dass ich ausgesprochen geschwätzig bin. Sie sollten mich deaktivieren, bevor Sie über Geheimes sprechen." Er breitete grinsend die Arme aus, ganz unschuldig. "Aber ich bin nur ein einfacher Barkeeper." Damit schaltete er sich selbst aus. Leicht verwirrt blieben die beiden realen Offiziere zurück.
"Was ich eigentlich fragen wollte: ich kenne Captain Jordan. Sie war erst vor ein paar Monaten im romulanischen Raum. Was soll sich denn bitte in der kurzen Zeit geändert haben?"
"Nun, ich schätze mal, bis du Ruhe gibst haben wir längst die erste Einsatzbesprechung hinter uns. Der Geheimdienst munkelt, dass es erneut einen Staatsstreich gegeben hat."
"Das wäre dann schon der dritte dieses Jahr!"
"Stimmt. Aber diesmal ist es kein Politiker wie beiden letzten beiden. Die Romulanischen Bürger scheinen den Krieg satt und sich selbst organisiert zu haben. Angeblich denkt man auch darüber nach, die Macht wieder dem Militär zurückzugeben."
"Das... das wäre fantastisch! Aber... was genau machen wir dann beim Vulkan?"
"Wir sollen erst einmal die Lage auskundschaften." Sie wandte sich nach allen Seiten um. Sie wusste, dass keiner mehr im Raum war, aber sie hielt es nicht für ausgeschlossen, dass der neugierige Barkeeper irgendwo still und heimlich wieder aufgetaucht war und mithörte. Dem war aber nicht so. "Gerüchteweise ist der Zivilrat der Meinung, man sollte das Reich wieder verkleinern. Bador, Ihre Flotte mag nicht so schlimm dran sein wie unsere, aber auch die Romulaner mussten schwere Verluste einstecken. Sie können zwar die Grenzen verteidigen, aber im Reich selbst sind kaum noch Kriegsschiffe anzutreffen." Sie grinste. "Einem Agenten zufolge wäre eine Einladung nach Romulus nicht undenkbar."
Bador musste das erst einmal verdauen. "Verstehe ich das richtig? Wir könnten den Krieg beenden?"
Trat nickte. Sie hielt Bador ihren Drink zum Anstoßen hin. Bador ließ sein Glas an das ihre stoßen. "Einige Leute werden den Romulanern nicht so schnell verzeihen."
"Du spielst auf Abrock 3 an, stimmt's"
"Stimmt. Es ergibt einfach keinen Sinn. Ich frage mich immer noch, was sie damit bezwecken wollten."
"Denk nicht weiter darüber nach, Bador. Mit etwas Glück gehört das bald der Vergangenheit an. Die Opfer sind schon tot. Wir sollten sie ehren und betrauern. Aber es wäre falsch, nicht an die Lebenden zu denken. Wir können diesen Krieg beenden. Tausende Leben retten." Sie leerte ihr Glas mit einem Zug und knallte es auf die Theke. "Gute Nacht, Bador. Morgen Früh erwarte ich eine Führung, bevor wir ablegen." Trat legte ihm kurz die Hand auf die Schulter und verließ Bug Fünf dann. Bador, der seinen Drink bereits fast vollständig ausgetrunken hatte, nahm einen letzten, kräftigen Schluck und wandte sich dann ebenfalls zum gehen. Er dachte kurz an Johnson mit seinem Hang zu merkwürdigen technischen Spielereien und vermisste ihn ein wenig. Er war nicht auf der Ares geblieben, hatte sich statt dessen nach Deep Space Eleven versetzen lassen. Dann verließ auch er grinsenderweise die Bar. Zurück blieb das Barkeeperhologramm, welches sich hinter der Theke hochrappelte und sich den Staub von der Kleidung rieb. Lächelnd ließ er sich ein holographisches Gläschen Champagner munden. Den Lagerbericht ließ er links liegen. Er war noch nicht lange am "Leben", aber er hatte Zugriff auf die meisten Datenbanken der Ares die nicht als geheim eingestuft waren. Ins Leere starrend wünschte er sich das Ende des Krieges - und natürlich die fröhlichen Gesichter in seiner Bar. Er prostete der Eingangstür zu, nahm einen Schluck, freute sich über die moderne Holotechnologie und wandte sich wieder seinem Bericht zu.
"Ich danke Ihnen Allen, dass Sie so kurzfristig Zeit gefunden haben. Ich weiß, es ist für eine Besprechung noch recht früh, aber die Mission wird früher als geplant starten."
Ein paar Gesichter am Tisch hellten sich auf. Links von Captain Trat saß Commander Takeruci, der mit einem Ohr der Begrüßung zuhörte und mit der anderen die letzten Berichte bezüglich der Munitionsbestückung durchlas. Neben ihm stand Metek Rotal. Es hatte sich noch nicht überall herumgesprochen, dass der Waraki eine spezielle modifizierte Stuhlart benötigte, um sich setzen zu können. An dessen rechten Seite hörte Lieutenant J'Kolan aufmerksam zu. Auf der gegenüberliegenden Seite des leicht gebogenen Konferenztisches gähnte Bador, der sich gerade schlafen gelegt hatte,
trommelte Lucia Seth mit den Fingern auf die Tischplatte und grinste Etkins in der Gegend herum. Er tendierte zu leichtem Aufgekratztsein, wenn man ihn aus dem Schlaf holte. Es war Fünf Uhr morgens. Die Zweite Schicht, die Hauptschicht also, begann eigentlich erst um Acht Uhr.
"Ich wurde ebenso unsanft geweckt wie Sie, meine Damen und Herren."
Sie gab einen knappen Befehl in die Tischkontrollen ein. Irritiert gab sie den Befehl erneut ein. Bador, der gleich neben ihr saß, ließ die Faust auf die Tischplatte knallen. Sofort akzeptierte der Computer den Befehl und Bador hüstelte verlegen. "Sie wollen mir doch nicht sagen dass dieses Schiff nicht einsatzbereit ist, Chief?", fragte Trat. Als einer ihrer ältesten Freunde und Kollegen wurde Bador schlagartig hellwach. Wenn Sarah zum Sie überging war die Kacke nicht erst am Dampfen; sie kochte, sprudelte und warf Blasen, ganz ähnlich der Spaghettisauce, die Trat so gerne aß (und Bador unangenehme Magenkrämpfe bereitete).
Über dem Tisch erschien das Hologramm eines Mannes in Starfleetuniform. Der Mann war mindestens Lieutenant Commander, doch die Rangstreifen auf dem Abzeichen waren in der oberen Hälfte verkohlt. Es schien sich um einen Vulkanier zu handeln, der in mitten einer verwüsteten Brücke stand. Bador sah fast nur völlige Zerstörung, trotzdem erkannte er einige markante Merkmale. Es handelte sich vermutlich um ein Klasse CC21-Brückenmodul. Das Schiff war also höchstwahrscheinlich der Akira-Klasse zugehörig. Der Vulkanier sprach irgendetwas, doch mehr als Rauschen war nicht zu hören. "Diese Übertragung das Sternenflottenkommando vor weniger als einer Stunde. Es scheint ein Notruf zu sein. Zumindest wäre das logisch."
"Woher kommt er?", fragte Takeruci, der seinen Bericht komplett vergessen hatte.
"Vom Vulkan. Es handelt sich um die Perikles. Wir wissen nicht, warum sie in romulanischem Gebiet ist, aber aus den angehängten Sensordateien geht hervor, dass sie nicht gegen Romulaner kämpfe. Die Daten sind bruchstückhaft und teilweise widersprüchlich, aber wir sind ziemlich sicher, dass sie gegen eine große Anzahl feindlicher Schiffe kämpft. Im Übrigen wurde der Notruf in alle Richtungen gesendet. Die Enterprise hat ihren Kurs geändert und ist bereits unterwegs. Wir treffen uns dort. Wahrscheinlich ist die Ares schneller als Captain Jordan, aber mit etwas Glück werden wir nicht lange allein sein."
Takeruci warf eine Frage ein. "Was sagen die Romulaner dazu, Captain?"
"Gar nichts. Sie antworten nicht. Meine Damen und Herren, ursprünglich war unsere Mission diplomatischer Natur. Vor wenigen Tagen scheint es einen Putsch der Zivilisten gegeben zu haben. Unter Umständen hat sich wieder ein Politiker die Macht unter den Nagel gerissen; wir wissen es nicht. Unser neues Missionsziel lautet herauszufinden, was die Perikles in romulanischen Gebiet zu suchen hatte, wer die Angreifer sind und, wenn möglich, herauszufinden, was genau im Reich vor sich geht."
Lucia Seth meldete sich zu Wort. Ihre kurzen Haare, die sie rot gefärbt und in Strähnen trug, musste sie sich immer wieder aus dem Gesicht streichen. "Sir, wir sind doch nicht die einzigen Schiffe, die auf den Notruf reagieren? Auf Selbstverteidigung sind wir zwar vorberreitet, aber nicht auf einen kleinen Krieg."
"Das weiß ich. Aber wir haben immerhin unsere Jägerstaffeln."
"Wo wir gerade davon sprechen, Sarah, wo ist unser Jägerkommandant?", fragte Bador und nickte dem leeren Stuhl am Ende des Tisches zu.
"Unglücklicherweise ist Commander Steege noch an Bord der Enterprise, zusammen mit dem Rest seiner Staffel. Wir werden vorerst mit Staffel H auskommen müssen. Um auf Ihre Frage zu antworten: eine Eingreifflotte wird gerade zusammengestellt. Aufgrund der prekären Lage an der Grenze sind aber leider nicht viele unserer Schiffe in Reichweite. Wir müssen uns auf uns selbst verlassen..."
"Adams an Captain Trat."
Takeruci öffnete verärgert eine eigene Kommverbindung. "Chief, der Captain befinden sich mitten in einer Besprechung."
"Ja, Sir, aber der Captain hat ausdrücklich befohlen, sofort unterrichtet zu werden, wenn unser Munitionslager voll ist. Captain, wir sind nun vollständig bestückt."
"Vielen Dank, Chief. Trat Ende", antwortete Trat und lehnte sich zurück. Sie warf Takeruci einen missgünstigen Blick zu und betätigte ihren eigenen Kommunikator.
"Trat an Brücke."
"Hier Brücke, Captain."
"Sorgen Sie für grünes Licht. Wir legen ab, sobald wir die Startfreigabe haben."
"Aye, Captain! Brücke Ende."
"Da das geregelt wäre wüsste ich nun gerne, was genau", und dabei warf sie dem Kontrollelement auf dem Tisch vor sich einen missgünstigen Blick zu, "auf diesem Schiff funktioniert."
Bador meldete sich zu Wort. "Immerhin das meiste. Auf Deck Siebzehn haben wir ein paar Probleme mit der künstlichen Gravitation, aber nichts ernstes. Der Deflektorwarpkern arbeitet einwandfrei, sofern man das ohne Testlauf sagen kann, und die Ungleichgewichte in den Warpgondeln sind behoben. Ein paar, ähm, kleine Programmierfehler finden sich in bestimmten Kontrollen, allerdings sind die meisten davon im Begriff behoben zu werden. Meine Crew kümmert sich schon seit Tagen darum."
"Wenn ich mich einmischen dürfte: meine Krankenstation hat kein Licht."#"Sie sind... Doktor Rotal, richtig?"
"Ja." Rotal deutete eine Verbeugung an. Sein Schweif zuckelte unruhig in der Luft. "Chief, ich weiß Ihre Bemühungen zu schätzen, aber die Illuminatoren sind schon wieder ausgefallen. Meine Patienten säßen im Dunkeln, wenn ich welche hätte."
"Das ist doch völlig unmöglich. Ich habe die Dinger erst gestern ausgewechselt."
"Ja, aber sie sind wieder ausgefallen!"
Bador lief leicht rosa an. Ein aufmerksamer Mensch wusste nun: der Mann war leicht verärgert. Was bei Bolianern überaus selten vorkam.
"Ich werde mich darum kümmern.", versprach er.
Trat konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. "Wie sieht es mit den Waffensystemen aus, Commander?", wandte sie sich an Seth.
"*Räusper* Die Phaserbänke Eins bis Sieben sind in Bereitschaft, Captain, lediglich Nummer Acht hat noch Probleme mit der Justierung. Die Torpedokatapulte Eins bis Drei sind mit Quantentorpedos geladen und einsatzbereit. Die Disruptoren A, B und C wollen aber unsere Energie nicht übernehmen. Vermutlich hat der Konverter wieder eine Fehlfunktion. Ich habe Commaner Takeruci gesagt, dass man sich auf klingonische Ingenieure nicht verlassen kann, aber er hat nicht auf mich hören wollen."
"Weil wir keine andere Wahl hatten, Lieutenant Commander. Wir hätten sie sonst überhaupt nicht behalten dürfen."
"Was vielleicht besser gewesen wäre. Captain, die Disruptoren speichern die Energie, ohne sie zu nutzen. Ich schlage vor, sie vorübergehend abzuschalten."
"Einverstanden. Stellen Sie ein Team zusammen, dass sich darum kümmert. Ich will, dass sie so schnell wie möglich einsatzbereit sind. Wie steht es um die Experimentalwaffen?"
"Katastrophal."
Stille.
"Brücke an Captain. Wir haben Starterlaubnis."
"Sehr gut, Fähnrich. Bringen Sie uns raus.", sprach die Captain. "Lieutenant Tsch... J'.... Verzeihen Sie, wie spricht man das aus?"
Schüchtern versuchte die Xindi-Reptilianerin J'Kolan, trotz der Blicke, die auf sie gerichtet waren, unsichtbar zu werden. Leider hatten die Reptilianer die Fähigkeit ihre Hautpikmente zu verändern im Laufe der Evolution verloren. "{Dsche-Koolahn}, Captain. Sie, äh, können mich auch Jay nennen..."
"Ich glaube, J'Kolan reicht.", sagte sie lächelnd. "Wie ist der Status unserer Sensoren?"
"Die neuen Systeme konnten mit den Originalsystemen gekoppelt werden. Ich habe mir erlaubt, ein paar Änderungen theoretisch zu behandeln, und äh, ich, nun, wie soll ich sagen, ich glaube, ich kann die Effizienz um zehn Prozent verbessern. Äh, Sir, M'am... äh..."
"Captain ist in Ordnung, Lieutenant. Geben Sie Ihre Modifikationen einfach an Chief Bador weiter."
Captain Trat ließ sich noch ein paar Minuten lang den Status des Schiffes beschreiben. Dann verließ die Führungscrew den spartanischen Besprechungsraum. Bador kehrte in seinen Maschinenraum zurück, um zunächst die Inbetriebnahme des Deflektorwarpkerns zu überwachen und sich später um die Sensoren zu kümmern. Metek Rotal, der in der Krankenstation momentan nicht viel zu tun hatte, blieb auf der Brücke und nahm den Platz zur linken von Captain Trat ein. Der Stuhl war eigentlich eine Art Hocker ohne Rücklehne und damit geeignet, Rotal darauf Platz nehmen zu lassen. Es war nicht sonderlich bequem, aber glücklicherweise waren Waraki nicht sonderlich schmerzempfindlich. Rechterhand der Captain ließ sich Commander Takeruci in den Stuhl des Ersten Offiziers sinken, der um einiges komfortabler war als Rotals Schemel. Er war leicht verärgert. Irgendwie hatte er das Gefühl, jeder an Bord würde sein eigenes Süppchen kochen und ihn nicht zum Essen einladen. Immerhin - J'Kolan hatte die Sensoren nur theoretisch verändert. Im letzten Bericht hatte man ihn über die manipulierten Hologramme an Bord aufgeklärt. Er war fest entschlossen, Johnson degradieren zu lassen, wenn er irgendwann Captain war.
Etkins und J'Kolan hielten zielstrebig auf die beiden vorderen Stationen zu. Man war vor ein paar Jahren zum traditionelle Brückenstil zurückgekehrt, bei dem zwei Offiziere zwischen dem Hauptschirm und dem Platz des Captains saßen. Das hatte auch damit zu tun, dass im Krieg alte Schiffe ausgeschlachtet und die Brückenmodule modernisiert worden waren. Heute fand man kaum noch Schiffe, bei denen der Pilot isoliert und einsam in der Gegend herumsaß.
Von Captain Trat aus gesehen saß Etkins als Pilot auf der linken Seite, daneben auf der rechten Seite nahm J'Kolan die primäre Wissenschaftsstation ein. Beide Konsolen besaßen einen eigenen kleinen Bildschirm in der Mitte. Für Notfälle gab es einen kleinen Joystick für den Piloten. Etkins wusste zwar recht gut damit umzugehen, so wirklich hatte er sich damit aber nie anfreunden können. Er empfand den Steuerknüppel als zu ungenau.
J'Kolans Konsole konnte bei Bedarf zusätzliche holographische Diagramme und Sensordaten aufrufen, ganz ähnlich dem frei schwenkbaren Taktikbildschirm, der im Kampffall in einen Bereich über den Boden projiziert wurde, gleich vor dem Hauptschirm.
Lucia Seth bemannte eine Konsole in ähnlichem Stil welche sich an der Wand, rechterhand hinter dem Captains Chair befand. Hier waren die Holobildschirme jedoch permanent aktiviert und zeigten die Umgebung des Schiffes. Im Gegensatz zu den meisten anderen Brückenversionen war die Taktikstation mit einem Stuhl ausgerüstet, den Seth dankbar in Anspruch nahm. Sie war erst vor wenigen Tagen von der ausrangierten Picard auf die Ares gewechselt. Die Picard war ein wahres Relikt gewesen: ein Schiff der Miranda-Klasse. Diese Schiffe waren früher allgegenwärtig gewesen und hatten praktisch das Rückrat der Flotte gebildet, wenn wieder einmal ein Krieg am Laufen war. Irgendwann hatte man sich entschlossen, die Schiffe ein letztes Mal aufzurüsten und regulär wieder in Dienst zu stellen, nachdem sie 2390 eigentlich eingemottet wurden. Nur wenige Exemplare hatten die Ausschlachtorgie überlebt, und diese litten und Altersgebrechlichkeit. Ihre uralte Technik war einfach nicht mehr kompatibel. Die Picard, seit 2411 im Einsatz gewesen, war das letzte Miranda-Schiff überhaupt gewesen. Das ursprüngliche Schiff stammte noch aus dem Zweiundzwanzigsten Jahrhundert, doch im Laufe der Zeit hatte es bei vielen wichtigen Schlachten gekämpft und mit so vielen Teilen anderer Exemplaren ausgebessert worden, dass man nicht mehr nur von einem Schiff sprechen konnte. Daher hatte man ihm einen neuen Namen samt eigener Registrierungsnummer gegeben; die Picard bestand aus den Modulen von nicht weniger als einem Dutzend Miranda-Schiffen. Viele davon waren nach dem Dominionkrieg ausgeschlachtet worden. Lucia Seth war immer stolz auf die Picard gewesen, auf der sie immerhin fünfzehn Jahre lang seit ihrem Abschluss an der Akademie gedient hatte, aber sie verstand die Notwendigkeit, alte Schiffe durch modernere zu ersetzen. Und die Ares war modern. Sie strotzte vor Kraft - und das, obwohl viele Waffen noch gar nicht einsatzfähig waren.
Seth riss ihre Gedanken von der Picard los. Sie dachte viel lieber an ihre Familie. Nach dieser Mission wollte sie unbedingt ein paar Wochen Urlaub nehmen und ihren Mann Peter samt ihrem Sohn Zack auf Seneca III besuchen. Wenn diese Sache vorbei war. Die neuesten Entwicklungen machten sie weniger ängstlich als dass sie sie nachdenklich stimmten, aber Seth war schon immer davon ausgegangen, dass die Föderation am Ende gut davonkommen würde. Das war sie immer. Das würde sie immer.
Man kann nur hoffen, dass Lucia Seth recht behält.
"Kurs nach Vulkan gesetzt, Captain.", bestätigte Etkins. Sein Finger schwebte über dem Kontrollelement für den Warpdrive. Die andere Hand verkrampfte sich in der Armlehne. Er kannte die Systeme der Ares mittlerweile ganz gut. Eigentlich war er zuversichtlich. Er vertraute Chief Bador und seiner Crew. Aber wie jeder andere an Bord kannte er die Geschichte des Deflektorwarpkerns. Viele Crewmitglieder, besonders in den Reihen der Techniker, hatten die Aufnahmen des Feldtests gesehen, bei dem der (offensichtlich) falsch ausgerichtet DWK, der effektivere Schilde durch direkte Energieversorgung durch den Kern erzeugen sollte, das Deflektorfeld nicht um das Experimentalschiff generierte, sondern es von Innen nach Außen sich ausweiten ließ, etwa wie eine Seifenblase entsteht. Dabei war vom Prototypschiff, der Leatherskin, nicht viel mehr übrig geblieben als der DWK selbst. Dafür hatte sich das Deflektorfeld selbst weiter ausgedehnt als vorgesehen und tiefe Wunden in das Begleitschiff Lake Taro gefressen, bevor es sich aus Energiemangel verflüchtigt hatte. Immerhin hatte dieser Versuch zur Entwicklung des Deflektortorpedos geführt, einer zerstörerischen Waffe, die eingesetzt werden konnte, um ein großes Gebiet nach getarnten Schiffen abzusuchen. Alternativ bohrten sie sich tief in ein gegnerisches, sichtbares Schiff und tat erst kurz nach dem Aufprall ihr zerstörerisches Werk. Man bezeichnete sie auch gerne als Radiergummis gigantischen Ausmaßes.
Verständlicherweise war die Angst groß, auf der Ares könnte das Selbe passieren. Doch der DWK war umfassend modifiziert worden. Und so passierte nichts, als Captain Sarah Trat den Befehl für maximale Warpgeschwindigkeit Richtung Vulkan gab. Nichts außer der Tatsache, dass die Ares mit Zweihunderttausendfacher Lichtgeschwindigkeit Kurs auf Vulkan nahm.
Deep Space One war eine recht junge Raumstation. Man hatte sie dort platziert, wo man vor Jahrhunderten die erste Deep Space-Einheit in Betrieb genommen hatte. In ihrer Anfangszeit benötigten Sternenflottenschiffe einen Monat, um von der Erde zu DSO zu gelangen. Reguläre Einheiten bewerkstelligten dies heute - bei Maximalwarp - in fünf Tagen. Die Ares schaffte das in zwei. Der Flug zur Romulanischen Grenze dauerte einen halben Tag. Während dieser Zeit rekonfigurierten Bador und sein Team die Sensoren. J'Kolans Berechnungen waren einwandfrei. Lucia Seth brütete weiterhin über den Experimentalwaffen. Doktor Rotal langweilte sich in seiner Krankenstation. Und Sarah Trat trommelte sieben Stunden lang nervös auf ihre Armlehne ein, bis Takeruci ihr vorschlug, sie solle sich doch ein paar Stunden hinlegen. Sie tat wie geheißen und begab sich in den Bereitschaftsraum des Captains.
Sie hatte ihn nicht eingerichtet. Sie würde das auch nicht tun. Sie war der Meinung, der Bereitschaftsraum wäre eben genau das - und kein Ersatzwohnzimmer. Lediglich ein Raumschiffmodell hatte sie auf ihren Tisch gestellt. Es stellte die USS Ironheart dar, jenes Schiff der Defiant-Klasse, auf dem sie jahrelang gedient und Bador kennen gelernt hatte. Obwohl es sich um die aufgerüstete Version gehandelt hatte, die zwei Decks mehr besaß als das Original und überhaupt ein wenig größer war, geschah es auf so kleinen Schiffen zwangsläufig, dass sich lebenslange Freundschaften bildeten.
Das einzig andere Zugeständnis, dass sie sich selbst machte, war ein Bild. Ein eingerahmtes Foto. Kein Hologramm. Ihr Hochzeitsfoto. Mit ihr und ihrem verstorbenen Ehemann Ferok drauf. Wobei "verstorben" ein sehr diplomatischer Ausdruck war. Ferok Ogan, seines Zeichens vulkanischer Botschafter auf Sternenbasis 21, die Trat während ihres ersten Kommandos befehligte, starb, als die Romulaner die Station nahe Vulkan im Zuge des Everdine-Zwischenfalls angriffen und vernichteten.
In ihrem Bereitschaftsraum gab es eine Standartcouch. Sie wurde normalerweise vom Kommandant gegen ein bequemeres Gegenstück ausgewechselt, doch Sarah Trat genügte sie, um ein paar Stunden vor sich hinzudösen. Doch schon bald wurde sie von der Brücke geweckt.
"Captain, wir empfangen ein Komsignal. Es ist Captain Jordan."
Müde raffte Trat sich auf, setzte sich hinter ihren Schreibtisch und aktivierte den Bildschirm. Das Starfleetsymbol wich einem Abbild von Captain Ariola Jordan. Sie saß ebenfalls in ihrem Büro, hatte es jedoch mit allerlei Geschenken eingerichtet. Sie hatte die Föderation bei nicht weniger als fünfunddreißig Erstkontakten vertreten. Sie war auch nicht mehr die allerjüngste. Tiefe Falten hatten sich in ihr weises Gesicht getragen. Sie hatte die Beförderung zum Admiral mehrfach abgelehnt, um nicht hinter einem Schreibtisch zu landen. Ihr Platz war auf der Brücke der Enterprise-G, ihrem ersten Kommando. Das Flaggschiff war ebenfalls nicht mehr so ganz aktuell und gehörte zur Halo-Klasse. Das waren elegante Schiff mit langgezogener Form und weit abstehenden Warpgondeln, die im Trockendock eingezogen werden konnten. Jordan begrüßte Trat lächelnd.
"Guten Morgen. Ich hoffe ich störe nicht?"
"Keineswegs, Captain. Kann ich Ihnen helfen?"
"Ich wollte mich einfach ein wenig mit Ihnen unterhalten, Captain."
"Gerne. Wie ist das Wetter bei Ihnen?"
"Leicht stürmisch, danke der Nachfrage. Wir haben ein Teile unserer Langstreckensonden im Romulanischen Grenzgebiet geborgen. Sie registrierten große Flottenbewegungen. Wir konnten mindestens dreizehn Schiffsverbände lokalisieren. Merkwürdigerweise bewegt sich die Hälfte weg von der Grenze. Allein vier sind unterwegs zu deren Heimatsystem."
"Die igeln sich also ein."
"Offensichtlich. Vielleicht erwarten sie einen Großangriff. Die Enterprise müsste seit Stunden im Wirkungsbereich ihrer Langstreckensensoren sein."
"Und die Ares ist es seit zwei Minuten", meinte Trat mit einem Blick auf den Statusschirm an der Wand. Die Ares würde die Enterprise in gut zwei Stunden überholt haben.
"Captain Trat, wenn Sie ankommen sollten Sie als erstes deutlich machen, dass Sie nicht in feindlicher Absicht kommen."
"Ich werde eine entsprechende Botschaft vorausschicken."
"Das meinte ich nicht. Ich empfehle Ihnen, Ihre Schilde zu deaktivieren. Das bringt Ihnen immer ein paar Pluspunkte ein."
"Captain Jordan, ich weiß Ihren Ratschlag zu schätzen, aber ich werde nicht ohne Schutzschilde in ein potentielles Kriegsgebiet fliegen."
"Es war nur ein Vorschlag. Romulanern können schwierig sein, wie Sie vielleicht wissen."
"Sie haben meinen Ehemann ermordet, Captain. Ich weiß durchaus, wie gefährlich sie sein können."
"Es klingt vielleicht herzlos, aber das sollten Sie während Ihrer Verhandlungen besser unerwähnt lassen."
"Wenn es zu Verhandlungen mit den Romulanern kommt, Captain Jordan, dann werde ich sie von Ihnen führen lassen. War das alles?"
"Für den Augenblick."
Captain Jordan schien einen neuen Bericht bekommen zu haben. Sie nickte Trat zu und schloss die Verbindung.
25. September 2426
USS Ares NCC 100431
Eintritt ins Vulkanische Heimatsystem
Auf der Hauptbrücke der Ares herrschte Totenstille. Man wagte kaum zu atmen. Alles starrte auf den Hauptbildschirm, der vor nicht ganz einer Minute aktiviert worden war. Captain Trat stand dicht davor und konnte nicht glauben, was sie sah. Die Reptilianerin J'Kolan war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, die Umgebung genauer zu scannen oder sich in einer Höhle zu verstecken. Takeruci war sein allgegenwärtiges PAD aus der Hand gefallen. Lieutenant Etkins war der einzige Offizier auf der Hauptbrücke, der sich auf seine Arbeit konzentrieren musste. Immerhin musste er die Ares heil durch ein Trümmerfeld gigantischen Ausmaßes fliegen.
Von Vulkans Oberfläche war nicht viel übrig geblieben. Irgendjemand hatte vermutlich stundenlang mit leistungsstarken Phasern auf den Planeten gefeuert und ersten Schätzungen zufolge drei Viertel der Oberfläche unbewohnbar gemacht - und alles Leben in den betroffenen Gebieten ausgelöscht. Im Orbit hatte sich indes eine Trümmerwolke ausgedehnt. Die Perikles trieb an deren Rand. Kein Crewmitglied hatte überlebt; immerhin konnte das Logbuch geborgen werden. Das Schiff hatte auf einen Notruf geantwortet, der von den Romulanern ausgesandt worden war. Jedoch hatte man das Föderationsschiff schon kampfunfähig geschossen, bevor es den Kampfort überhaupt erreicht hatte.
Auch sonst lebte in den Wracks niemand mehr. Es war auffällig, dass es ausschließlich romulanische Schiffe in Vulkans Umlaufbahn gab. Viele gehörten den modernen Klassen an, also Slaybirds und Komporkas, aber hier und da zeigten die Scanner auch Überreste von uralten Schiffen. Sogar einen antiken D7 hatte der Computer aufgespürt. Alle Schiffswracks waren systematisch beschossen worden. Niemand sprach es aus, aber jeder dachte an einen Bürgerkrieg.
"Ich empfange Lebenszeichen von der Oberfläche.", verkündete J'Kolan. Sie überprüfte die Ergebnisse noch einmal und fügte hinzu: "Es sind. äh, mehrere hundert Personen, zum größten Teil Vulkanier, die sich in unterirdische Höhlen geflüchtet haben."
"Tiefe?", fragte Captain Trat und stellte sich hinter J'Kolans Stuhl, um einen besseren Blick auf die Holodisplays zu erhaschen.
"Äh, ziemlich genau zwölf Kilometer unter der Oberfläche. Es könnte ein Bergbauunternehmen sein."
"Auf Vulkan wird viel Decarit abgebaut", warf Takeruci ein.
"Ja. Das wird unsere Transporter behindern.", murmelte Trat. Sie begab sich wieder zurück zum Captain's Chair. "Brücke an Maschinenraum. Bador, wir brauchen die Transporter. Sind alle einsatzbereit?"
"Aye, Captain. Ich habe mir erlaubt mitzuhören, Sarah. Das Decarit ist kein so großes Problem, aber der Transporttunnel wird nicht funktionieren. Wir werden unsere Schilde senken müssen."
"Schade. Danke Maschinenraum, das wäre soweit alles. Brücke Ende."
Captain Trat wandte sich wieder dem Hauptschirm zu. "Mister Etkins, wir gehen auf Transporterreichweite. Halber Impuls."
"Aye Sir."
"Commander, Sie übernehmen es, den Überlebenden eine Botschaft zu schicken. Sie sollen Musterverstärker einsetzen, wenn sie welche haben."
"Sofort."
"Lieutenant J'Kolan, scannen Sie weiter nach Überlebenden."
"Jawohl, Captain."
"Brücke an Jägerhangar."
"Brücke an Jägerhangar."
Das Technische Holographische Notfallprogramm der Ares nahm gerade einen Check Up vor, als Captain Trat den Jägerhangar rief. Sofort ließ der stets übel gelaunte "Commander" seine Arbeit links liegen und antwortete.
"Was!?"
"Wir werden in Kürze unsere Schilde senken. Ich will Jägerunterstützung. Es könnten sich getarnte Schiffe in der Nähe aufhalten."
"Die Staffel startet sofort. War's das?"
"Ja. Brücke Ende."
"Wir müssen etwas mit seinen Verhaltensalgorythmen machen. Auf diesem Schiff herrscht Disziplin.", forderte Takeruci und machte eine entsprechende Notiz.
"Commander, in erster Linie herrscht auf diesem Schiff immer noch Ich, und im Moment haben wir andere Sorgen als ein unhöfliches Hologramm. Wenn er seine Arbeit tut, dann soll's mir recht sein."
Takeruci löschte die Notiz wieder. Auch wenn er keinen direkten Befehl erhalten hatte, so verstand er doch die Drohung, die in Captain Jordans Stimme lag.
Die Ares indes interessierte sich nicht für ihren beleidigten Ersten Offizier. Sie glitt an großen Trümmern vorbei und umflog kleinere Teilchencluster. Etkins gab sich Mühe, das Schiff aus der Trümmerwolke heraus zu halten, aber das gestaltete sich als recht schwer da der Planet von Trümmern umgeben war wie ein Apfel von seiner Schale. Der Computer schätzte, dass etwas mehr als tausendfünfhundert Schiffe bei dem Kampf zerstört wurden. Captain Trat traute dieser Zahl nicht ganz, denn so viele Schiffe hatte das Reich vermutlich gar nicht in diesem Sektor. Es gab genau zwei Möglichkeiten: die Sieger hatten sich zufrieden gegeben und waren davongeflogen - oder sie warteten getarnt darauf herauszufinden, was die Ares hier zu suchen hätte. Beide Alternativen gefielen Trat nicht sonderlich.
"Wir sind gleich in Transporterreichweite", meldete Etkins und manövrierte das Schiff in den "Schatten" eines großen Wracks, das man nur wenig ramponiert nahe dem Planeten gelassen hatte. Es handelte sich um einen Warbird aus dem letzten Jahrhundert ohne Lebenszeichen. Gleich darauf startete Jägerstaffel B. Die Kampfjäger der Sternenflotte waren eher stark gepanzerte und wendigere Shuttles als echte Kampfmaschinen. Aber sie waren stark bewaffnet. In ihrer Grundstruktur einem langgezogenen Ellipsoid ähnelnd wiesen die abgeflachten Flanken auf jeder Seite ein Manövertriebwerk auf, an dessen äußersten Rand Phaserstreifen montiert waren. Der "Bauch" der Stardancer-Einheiten beherbergte ein Torpedokatapult für ein Magazin, das entsprach sechs Photonen- und zwei Quantentorpedos. Sie besaßen einen starken Deflektorschild, eine dicke Panzerung und einen Warpkern; der jedoch diente lediglich zur Energiegewinnung für Kampfsysteme. Warpfähig waren sie nicht. Dafür waren sie im Sublichtbereich erheblich schneller als die meisten der großen Föderationsschiffe. Im Cockpit hatten zwei Personen Platz, wobei meistens nur ein Pilot das Schiff flog. Manchmal übernahm ein Copilot das Reparieren von ausgefallenen Systemen oder koordinierte mit anderen CPs den Geschwaderkampf. Der CP war normalerweise das ins System integrierte Bordhologramm. Diese Holopiloten waren jedoch auch in der Lage, den Jäger selbst zu fliegen und erzielten dabei recht gute Ergebnisse, auch wenn viele es nicht mit der Intuition und Erfahrung von erfahrenen Kampfpiloten aufnehmen konnten. Doch die Jägercrew der Ares war noch nicht eingetroffen und verweilte noch immer an Bord der Enterprise. So musste man mit den Holofliegern zurande kommen. Captain Trat hätte sich reale Piloten gewünscht - oder zumindest erfahrenere Hologramme . Aber sie musste nehmen, was sie hatte.
"Staffelführer an Ares-Hauptbrücke. Die Adlerjungen haben den Horst verlassen. Ich wiederhole: die Adlerjungen haben den Horst verlassen. Gehen auf Patroillenflug. Staffelführer Ende."
Captain Trat konnte sich ein Schmunzeln nicht ganz verkneifen. Wohl noch eins von Mister Johnsons speziellen Persönlichkeitsprogrammen. Der kleine Taktikschirm neben dem Hauptbildschirm schaltete auf eine Darstellung der Ares und den Stardancern, die sie umkreisten. Es waren zwölf Einheiten, also eine Staffel, die sich in vier Rotten zu je drei Jägern aufgeteilt hatten und die Umgebung durchstreiften. Trat fiel der anfänglich völlig unterschiedliche Flugstil der Hologramme auf. Der Staffelführer stellte sich noch am geschicktesten an, und nach zwei Minuten nahmen auch die anderen Piloten seine Bewegungsmuster an.
"Mister Etkins, können wir loslegen?"
"Alles bereit, Captain. Wir sind in Reichweite."
"Sehr gut. Commander Seth, senken Sie unsere Schilde."
Lucia Seth nahm die entsprechenden Einstellungen vor, zögerte aber. Als Sicherheitschefin behagte es ihr verständlicherweise nicht, bei ungewissem Missionsstatus das Schiff feindlichem Bombardement preiszugeben.
"Captain, ich empfehle dringend auf die Enterprise zu warten. Deren Transporter sind präziser als die unserer."
"Das ist mir klar, Commander. Führen Sie meinen Befehl trotzdem aus."#Es piepte, und Takeruci bekam seinen Bericht. "Die Überlebenden haben geantwortet. Sie haben kein Problem mit der Lebenserhaltung, aber auch keine Musterverstärker. Dafür sind viele Verwundete dort unten. Ich schließe mich Commander Seths Empfehlung, Captain. Die Schwerverwundeten können mit der Darwin an Bord geholt werden."
Trat schüttelte den Kopf. Es gefiel ihr nicht. "Die müsste zu nahe an den Planeten heran. Sie haben Ihre Befehle, Commander."
"Aye, Sir." Seth war nicht begeistert. Auch Commander Takeruci wünschte sich nichts sehnlicher als das Kommando oder zumindest einen persönlichen Schutzschild. Nie war ein Borg zur Stelle, wenn er mal wirklich nützlich hätte sein können.
Lucia Seth bestätigte den Befehl. Ein kleines Signalpiepen ertönte. Die Schilde waren unten. Kein Beschuss. "Brücke an alle Transporterräume. Energie!"
Bestätigungen kamen aus allen T-Rooms. Nach und nach wurden die Überlebenden an Bord geholt. Die Transporter liefen heiß, die Einheit in Transporterraum Eins fiel gar ganz aus. Captain Trat hoffte nur, dass die Enterprise bald eintreffen würde. Die Transporterchiefs wussten schon nicht mehr wohin mit den Geretteten. Sie schickten sie bereits in die Shuttlehangars. Die Stardancers würden nicht ewig im All bleiben können. Und es handelte sich hier nur um eine Rettungsaktion. Mittlerweile hatte J'Kolan noch zwei weitere Höhlensysteme mit zusammen etwas weniger als dreihundert Sternenflottenangehörigen. Sie hatten sich von Sternenbasis 435 gebeamt, bevor sie von unbekannten Aggressoren ohne Vorwarnung angegriffen wurde. Die Übertragungen vom Planeten waren schwer zu verstehen, aber es wurde immer wahrscheinlicher, dass die Romluaner keinen Bürgerkrieg führten. Es stellte sich die Frage, wer hier denn dann sein Werk getan hatte.
"Transporterraum Drei an Hauptbrücke. Wir haben alle an Bord und richten die Transporter jetzt auf Standort zwei aus."
"Tun Sie das. Brücke Ende."
Der Jäger Aeneas flog mit seinen Flügelmännern Jean D'Arc und Gabriell über den Rand des Trümmerfelds hinweg. Am Steuer saß Hologramm ASP 09, auch unter dem Fliegernamen Mezger bekannt. Mezger führte Rotte Zwei an, flog folgerichtig in der Mitte des Dreierteams und war der erste, der sie entdeckte.
"Pilot 9 an Staffelführer. Hören Sie mich Lancelot?"
"Höre Sie klar und deutlich Aeneas. Was entdeckt?"
"Vermutlich. Meine Sensoren orten unidentifizierte Objekte am Rand des Vulkansystems. Schlecht getarnte Raumschiffe würde ich meinen. Können Sie unsere Scanns bestätigen?"
"Bitte warten - bestätige unidentifizierte Objekte. Ich informiere das Mutterschiff. Gut gemacht Mezger. Lancelot Ende."
"Staffelführer an Ares. Unsere Sensoren haben mehrere getarnte Raumschiffe am Rande des Vulkansystems geortet. Anzahl und Typ unbekannt. Die Flotte bewegt sich auf Sie zu."
"Unsere Sensoren haben nichts entdeckt, Commander.", antwortete Trat und überprüfte noch einmal die Sensorlogbücher. Nichts.
"Sie versteckten sich wahrscheinlich hinter dem Planeten. Sie dürften wissen, dass ihre Tarnung nicht perfekt ist."
"Aber gut genug, um sich in diesem Trümmerfeld zu verstecken, Captain", warf Takeruci ein.
"Nun gut. Vielen Dank, Commander. Halten Sie sich und ihre Staffel zum Kampf bereit. Ares Ende."
Trat trat an J'Kolan heran. Sie beugte sich über deren Schulter. Die Reptilianerin war es nicht gewohnt, so nahe an Menschen zu kommen. Trat war überhaupt der erste Mensch, der keine Scheu vor ihr zu haben schien.
"Lieutenant, ich möchte diese Schiffe genauer sehen. Können Sie sie orten?"
Sie versuchte es.
"Ich kann sie nicht sehen!"
Sie wusste, dass da draußen etwas war - die Piloten hatten keinen Grund zum Lügen - aber die Wrackteile und der sonstige Schrott behinderten die Scanns.
"Versuchen Sie es weiter, Lieutenant. Brücke an Maschinenraum. Wie ist der Status?"
"Bador hier. Im Prinzip ganz gut, nur die Transporter bringen uns ganz schön ins Schwitzen! Gerade haben wir Nummer Zwei und Drei verloren. Der Frachttransporter macht's auch nicht mehr lange."
"Dann haben wir keine Wahl. Mister Etkins, starten Sie die Darwin. Eine Rotte soll sie begleiten. Bador, komm nach oben, ich hab was für dich zu tun."
"Bin unterwegs."
"Danke Bador. Yoshiki, Sie könnte ich auch brauchen."
Etkins nickte knapp und begab sich zu einem der Turbolifte.
"Mister Etkins!"
"Captain?" Er hielt inne.
"Wenn die Darwin Probleme macht brechen Sie ab und kommen zur Ares zurück. Das ist ein Befehl. Die Überlebenden können auf die Enterprise warten."
"Aye aye Sir!" Damit schloss er die Lifttüren und fuhr zu Hangardeck A.
Takeruci indes löste sich von seinem geliebten PAD und gesellte sich an J'Kolans Seite. Der Xindi wurde immer unwohler in ihrer schuppigen Haut.
"Ich möchte so schnell wie möglich diese Tarnung durchdringen. Nennen Sie mich paranoid, aber ich glaube das sind die selben Schiffe wie die, welche die erste Abrock 3-Station zerstört haben. Nutzen Sie alles, woran Sie sich erinnern können. Bador wird Ihnen helfen, die Sensorlogbücher zu rekonstruieren. Das sollte nicht länger als zwei Minuten dauern."
Takeruci war nicht überzeugt. Die Sternenflotte versucht bereits seit Wochen, diese Tarnung zu verstehen. Sie war nicht perfekt, aber sie zerstreute die Muster. Ein Schiff hätte Steuerbord an der Ares vorbeifliegen können und wäre Backbord angezeigt worden. Dieses System war den aktuellen Einheiten meilenweit unterlegen, aber man fühlte sich trotzdem leicht verarscht.
Denn es war nicht bei diesem einen Überfall geblieben. Die Geisterflotte, wie sie mittlerweile genannt wurde, war nur wenige Stunden nach Abrock 3 im Galvionsystem aufgetaucht - direkt hinein in einen Kampfverband der Sternenflotte. Die Föderationsschiffe trafen nicht ein einziges Ziel.
Takeruci war auch nicht begeistert, dass er mit Bador zusammenarbeiten musste. Er mochte den Bolianer nicht. Auch andere Crewmitglieder behagten ihm nicht. Er hatte sich den Betrieb an Bord eines Raumschiffes auf Mission anders vorgestellt - seit dem Verlassen der Sternenflotte hatte er immer nur Bürojobs in geregelter Atmosphäre bekommen. Langsam begann Yoshiki an seinem Wunsch auf ein eigenes Kommando zu zweifeln.
"Aye, Sir.", war sein einziger Kommentar.
Rotte Zwei positionierte sich direkt über Rotte Eins. Die beiden anderen Verbände hatten höhenmäßig leicht versetzt Backbord und Steuerbord Stellung bezogen. Sie bildeten eine Kreuzformation und erwarteten die Geisterflotte am Rande des Trümmerfelds.
"Staffelführer an Rotte Vier. Begebt euch zurück zum Mutterschiff und passt auf das Frachtshuttle auf. An alle anderen Piloten: feuert nicht nach der Zielerfassung. Die wird euch nur irreführen. Konzentriert euch auf verschwommene Bereiche im All. Viel Erfolg. Lancelot aus."
"Ich hab's!"
Die Brückenoffiziere sahen sich verschreckt nach J'Kolan um. Ein Mensch wäre daraufhin errötet, J'Kolan wünschte sich einfach wieder in eine Höhle. Aber dafür hatte sie keine Zeit. Und keine Höhle, aber das war Nebensache.
"Was haben Sie, Lieutenant?", fragte Takeruci mit bösem Blick und sah Badors letzte Berechnungen durch. Der Bolianer indes kam unter seiner Station hervor. Er hatte sich unter die technische Sekundärstation verzogen und nach den eigentlich gelöschten Daten aus der Zeit vor dem Stapellauf gesucht.
"Diese Tarnung basiert auf uralten Modellen. Sind schon seit Jahrhunderten nicht mehr im Einsatz. Aber sie sind stark modifiziert worden."
"Gut gemacht, Lieutenant. Wie umgehen wir sie?"
"Wenn wir einen modulierten Tachyonenstrahl aussenden, der auf die Frequenz der Tarnung eingestellt ist, dann sollten wir eine Grenze schaffen können, die sie nicht durchdringen können, ohne sich automatisch zu enttarnen."
"Sehr gut, Lieutenant. Bador, leiten sie alles notwendige ein."
Der Bolianer ging das bereits im Kopf durch und machte keinen zuversichtlichen Eindruck. An ihrer Station überprüfte Lucia Seth die Jägerstaffel.
"Sarah, das dauert Stunden. Und funktioniert auch nur dann, wenn wir die richtige Frequenz erw..."
"Captain!", rief Seth von der Taktikkonsole. "Die Jäger werden angegriffen."
Die Tarnungsschatten waren noch weit von der Todeszone entfernt als die Flotte das Feuer eröffnete. Getarnt. Die Jäger Lancelot, Odysseus und Nicholas waren die ersten Opfer. Sie vergingen in ungezielten, aber starken Disruptorenstrahlen. Die
Kahles flog direkt in eines der getarnten Schiffen, als sie versuchten, einer weiteren Salve auszuweichen. Der Rest der Staffel konnte sich reorganisieren und spaltete sich auf. Die Waffen der Angreifer waren träge und ungenau. Die Stardancers schossen praktisch blind in den leeren Raum.
Doch so leer, wie er aussah, war er nicht. Zur Überraschung aller Piloten war fast jeder Schuss ein Treffer. Offensichtlich handelte es sich um dicht gedrängte Flotte. Ein paar der Gegner enttarnten sich - wohl nicht ganz freiwillig. Die frei sichtbaren Schiffe scherten aus der Formation aus, wie um zu verhindern, dass die Starfleetfighter ein Muster erkennen konnten.
Mezgers steuerte seinen Jäger, die Aeneas, zusammen mit der Jean D'Arc und der Gabriell in einen Bereich des Raums, in dem keine Störungen des Alls zu orten waren. Die Jean D'Arc geriet in ein Triebwerk und zerbarst.
"Mezger an Staffel. Greifen Sie nicht die enttarnten Schiffe an. Feuern Sie weiter auf die Tarnschatten. Torpedos sind freigegeben. Waldmanns Heil, Meine Herren!"
"Waldmanns Dank! Ich bleibe an Ihrem Flügel, Aeneas. Ich glaube ein Muster erkannt zu haben. Ich gebe die Daten an alle Jäger weiter."
"Positiv, Sinus. Immer noch besser als ins Blaue zu schießen!"
Etkins' Turbolift erreichte den Shuttlehangar nach wenigen Sekunden. Maximale Beschleunigung. Ein unangenehmes Gefühl. Seine abstehenden Ohren klingelten und protestierten.
Die Darwin war bereits aus ihrer Andockbucht gehoben worden und wurde vom THN untersucht.
"Commander, wie ist der Status?"
"Wie üblich: leichter Kopfschmerz und Hass auf die Welt. Das Frachtshuttle ist so weit einsatzbereit. Sie Sie alleine?", fragte er dann.
"Ja." Etkins betrat bereits die Laderampe. Die Darwin gehörte zur größten Shuttleklasse überhaupt. Sie füllte den Hangar komplett aus und passte gerade so durch das riesige Kraftfeld. Die gesamte Wand musste dafür entfernt werden. Der Commander hatte sich damals fürchterlich darüber aufgeregt. Und sie war nicht für Einzelsteuerung konzipiert worden.
"Das ist inakzeptabel. Ich begleite Sie."
"Von mir aus." Etkins hatte nichts dagegen einzuwenden. Es war ihm ganz recht, dass das Hologramm die Transporter übernehmen konnte. Die Darwin verfügte über wesentlich leistungsfähigere Transporter als die Ares und würde als Relay dienen, um die überlebenden Vulkanier aufs Schiff zu beamen. Mittlerweile waren auch die letzten schiffsinternen Exemplare ausgefallen. Sie waren auf eine derartige Dauerbelastung nicht ausgelegt. Die Ares war kein Rettungsschiff.
Etkins nahm keinen Check Up vor. Die Maschinen erbebten als sich das Raumschiff über den Boden erhob. "Verlassen Shuttlerampe.", meldete das THN, das ohne Vorwarnung im Sitz des Copiloten erschienen war. Die Darwin besaß eigene Holoemmitter.
Das Shuttle umrundete die Ares und näherte sich Vulkan. Aus der Nähe betrachtet sah die Zerstörung noch schlimmer aus als auf dem Hauptschirm. Die Oberfläche des Planeten schwelte und kochte. Am nördlichen Pol gab es noch normale Flecken. Zu einem der größeren davon war die Darwin unterwegs. "Von Backbord nähern sich drei Jäger."
"Hier spricht Berkley vom Jäger Sisko. Wir sind Ihr Begleitservice für heute Abend."
Die Jäger der Hauptstaffel schossen unentwegt in den Raum. Alle paar Sekunden wurde ein weiterer Gegner seiner Tarnung beraubt. Die Flotte war ein Kuriosum. Sie bestand vorwiegend aus älteren Kampfschiffen der Romulaner, am meisten alte Warbirds. Aber auch das eine oder andere Schiff der Sternenflotte war, in stark modifizierter Form, vertreten.
Mezgers Phaserenergie war erschöpft. Er schaltete auf seine Torpedos um. Mit ihnen traf er weniger Schiffe. Dafür wurde er selbst getroffen. Da er keine Nerven besaß spürte er die Erschütterung kaum. Hinter ihm explodierte eine Kontrolleinheit und ließ Funken regnen. Seine Stabilisatoren waren ausgefallen. Er war nur noch eingeschränkt manövrierfähig.
"Aeneas an Staffel: bin beschädigt und ziehe mich zurück!"
"David an Aeneas. Positiv. Bin ebenfalls getroffen und schließe mich dir an!"
Die beiden Stardancer gesellten sich zu einander. Goons David war schwerer in Mittleidenschaft gezogen worden als Mezgers Schiff. Die Steuerbordhülle fehlte zum großen Teil. Mezger ging sicherheitshalber auf einen Sicherheitsabstand. Obwohl aus den beschädigten Teilen der David Funken sprühten und der Jäger heftig schlingerte schafften es beide zurück aufs Landedeck der Ares. Minuten später trafen drei weitere Einheiten ein. Rotte Vier, welche die Darwin beschützt hatte. Das riesige Frachtshuttle hatte seine Mission ungestört abgeschlossen. Kurz darauf raste die Gabriell in den Hangar und bohrte sich ohne zu bremsen in die verwaisten Jäger der Staffel A. Sinus hatte es als einziger vom Rest der Staffel B geschafft, den Weg nach Hause anzutreten.
"Gute Arbeit, Mister Etkins", lobte Trat als der Navigator die Hauptbrücke betrat. Er sah Beine, die unter der Technischen Sekundärkonsole hervorlugten. Er tippte auf Commander Bador. Er nahm seinen Platz am Steuer wieder ein.
"Lieutenant, haben wir jetzt alle?", fragte Trat.
"Äh, auf der gegenüberliegenden Seite des Planeten gibt es noch fünf weitere Höhlensysteme, alle mit ähnlicher Personenanzahl."
"Captain", meldete sich Lucia Seth von ihrer Konsole, "wir können nicht noch mehr Zivilisten an Bord nehmen. Wir sind bereits jetzt überlastet. Die Enterprise sollte sich dieser Personen annehmen."
"Alles zu seiner Zeit. Wir sollten jetzt erst einmal aus diesem System heraus."
"Und die Überlebenden sich selbst überlassen?!", rief Takeruci.
"Ja. Wir sind nicht auf einen solchen Kampf ausgerüstet."
"Vielleicht doch."
Alle drehten sich zu J'Kolan um. Sie rief eine Torpedodarstellung auf den Taktischen Schirm auf.
"Deflektortorpedos könnten uns ihre Stellungen verraten."
"Ein gutes Vorschlag Lieutenant, wenn Sie uns gleich mit in die Luft jagen wollen."
"Das lassen Sie mal meine Sorge sein, Misses Seth. Mister Etkins, können wir irgendwie auf eine sichere Distanz gehen?"
"Nicht in diesem Chaos hier. Wir müssten zuerst aus dem Trümmerfeld raus."
"Captain." Takeruci hatte sich wieder erhoben und war an Trats Seite getreten. Sein Gesicht gab seine Gedanken preis: der sonst so hochmütige Commander hatte Riesenschiss, schon während seines zweiten echten Raumkampf zu sterben. "Wir sollten auf die Enterprise warten."
"Das wäre vielleicht unklug", gab Seth zu bedenken. Einen Augenblick später wurde die Ares erschüttert. Es gab einen Knall, als eine Konsole im Achternbereich Funken von sich gab. Sie war unbemannt. Das Licht flackerte. Der Hauptbildschirm zeigte Schneerauschen. Dann wurde die Sicht wieder klar. Die Wracks waren in Bewegung. Einige detonierten. Andere verhakten sich und rissen sich gegenseitig in Stücke.
"Sie beschießen das Trümmerfeld."
"Energie in die Schilde umleiten! Commander Seth, bereiten Sie einen Deflektortorpedo vor. Mister Etkins, ich will aus diesem Feld raus und auf Sicherheitsabstand. Schaffen Sie das, ohne dass wir getroffen werden?"
"Wahrscheinlich, Sir. Gehe auf halben Impuls."
Die Ares bewegte sich aus ihrem Versteck, in dem sie offensichtlich nicht mehr sicher war. Schüsse trommelten an ihnen vorbei. Der sie umgebende Schrott störte die feindlichen Sensoren, blockierte sie aber nicht. Wahrscheinlich hatten sie die flüchtenden Jäger beobachtet. Etkins manövrierte das Schiff um die größten Wracks herum. Manche waren wesentlich größer als das Föderationsschiff und bestanden aus verkeilten Schiffen. Hier und da ignorierte der Pilot kleinere Schrottcluster auch völlig und flog mitten hindurch. Das verwirrte die feindliche Zielerfassung. Die Romulaner trafen die Ares nie genau.
Ein Problem stellten die Warpgondeln dar. Die beiden oberen Exemplare weniger als die unteren zwei. Diese standen in einem sehr flachen Winkel ab, waren länger und besaßen auch längere Verbindungsstutzen. Mit ihnen eckte Etkins immer wieder an. Die Untere Steuerbord Warpgondel musste er deaktivieren um ein Entzünden der Antimaterie zu verhindern, die in den Bussardkollektoren gesammelt wurde.
Während die Ares durch die Trümmerwolke flog scannte J'Kolan die Flotte. Die meisten Schiffe, die sich notgedrungen enttarnt hatten, gehörten zu ausgemusterten romulanischen Klassen. An sonsten handelte es sich um eine bunt zusammengewürfelte Ansammlung. Und sie folgten der Ares.
"Wir treten in dreißig Sekunden aus dem Feld aus, Captain!", verkündete Etkins. Lucia Seths Finger hing drohend über dem Feuerknopf. Das Katapult C war auf die Mitte der sichtbaren Gegner gerichtet. Sie konnte nur hoffen, dass der Torpedo nicht vorher auf ein getarntes Schiff traf. Etkins hatte das Schiff lediglich an den äußersten Rand der Todeszone bringen können.
"Sind außer Reichweite."
Trat wartete noch ein paar Sekunden. Kein Komsignal. Kein Deaktivieren der feindlichen Waffensysteme. Kein Grund.
"Feuer."
Der Deflektortorpedo raste durch den Katapultschacht. Mit voller Impulsgeschwindigkeit wurde er aus der Achtern gelegenen Luke C geschleudert. Dann beschleunigte er aus eigener Kraft auf Warp 1. Die Flotte versuchte nicht, das Geschoss abzuschießen. Entweder wussten sie nicht, wie gefährlich es war, oder sie waren sich darüber im Klaren, dass ihre ungenauen Schüsse es nicht treffen konnten. So oder so - sie versuchten zunächst gar nichts. Der Torpedo erreichte sein Ziel und bremste ab. Dann trieb er drei Sekunden nur vor sich hin. Ein paar Gegner begannen zögerlich zu zielten. Dann aktivierte der Torpedo seinen Deflektor.
Auf dem Schirm der Ares breitete sich die farbenfrohe Schildblase aus. Immer weiter dehnte sie sich. Nach und nach enttarnten sich leicht angekokelte Raumschiffe. Die Blase dehnte sich bis knapp hinter der Ares aus. Ein beträchtlicher Teil des Schrotts um Vulkan wurde pulverisiert, was auch einigen der bereits vorher enttarnten Schiffe widerfuhr. Als der Torpedo sein Werk getan hatte detonierte er, was einen weiteren uralten romulanischen Kreuzer ins Verderben stürzte. Captain Trat hatte nicht erwartet, dass ihre Kontrahenten derart schwache Schilde besaßen.
"Captain", vernahm man es von der Taktikstation, "Man wird gesprächig. Nur Audioübertragung."
"Ursprung?"
"Ein Romulanischer Warbird. D'Dederidex-Klasse. Es ist das Schiff in der Mitte der Flotte." Seth grinste hämisch. "Sie haben kaum Energie und ihre Lebenserhaltungssysteme versagen."
"Kanal öffnen."
Zischen und Quietschen drang urplötzlich durch die Lautsprecher. Stimmen schrieen durch einander und gaben Befehle. Einige stöhnten vor Schmerzen. Irgendetwas explodierte. Im gleichen Augenblick zeigte der Bildschirm winzige Explosionen auf der Hülle des Warbirds. Endlich begann jemand zu sprechen. Die Stimme war tief und klang gefährlich.
"Hier spricht High General Jebek von der ZBC Liberator. Wir fordern Sie auf sich sofort zu ergeben. Im Gegenzug versprechen wir Ihnen und Ihrer Crew freies Geleit zum Vulkanischen Heimatplaneten."
Captain Trat ließ sich in ihrem Stuhl nieder. Sie lächelte. Sie vermutete immer noch Romulaner an Bord der Liberator und wertete diesen Vorschlag als verzweifelten Versuch, der Situation Herr zu werden.
Trotzdem unterdrückte sie kurz die Komverbindung.
"Misses Seth, können die uns noch gefährlich werden?"
"Ich überprüfe es gerade. Ihre Flotte besteht noch aus dreizehn Schiffen. Davon werden fünf gerade evakuiert. Zwei haben schwere Schäden an ihren Maschinen erlitten, eins ist leicht beschädigt. Der Rest ist größtenteils unbeschädigt. Allerdings können wir sie jetzt sehen und ihren Disruptoren ausweichen. Ich würde sagen, dass sie keine Gefahr mehr darstellen."
"Gut. Kanal wieder öffnen. General, hier spricht Captain Sarah Trat vom Föderationsschiff Ares. Ich habe einen Gegenvorschlag für sie: Sie ergeben sich und wir versprechen Ihnen, Ihr Schiff nicht zu vernichten. Sie sind nicht in der Position, Bedingungen zu stellen."
"Dann machen Sie sich auf Ihre Zerstörung gefasst."
"Die Schiffe nehmen Kurs auf uns, Captain. Sie laden ihre Waffen. Soll ich Staffel A starten lassen?"
"Nein. Die richten nichts aus gegen solche Gegner. Misses Seth, mache Sie eine Salve Photonentorpedos bereit. Ich will einen netten Warnschuss sehen. Feuern wenn bereit."
Seth startete die drei Geschosse. Alle drei detonierten kurz vor den beiden Führungsschiffen. Daraufhin drehten beide ab.
"Schwere Schäden an den feindlichen Maschinen, Sir. Sie rufen uns erneut."
"Hören wir's uns mal an."
"Föderationsschiff! Dies ist Ihre letzte Chance auf Kapitulation. Ich..."
Trat hatte den Kanal geschlossen. Offensichtlich hatte jeder weitere Kontakt mit High General Jebek keinen Sinn und würde die Beziehungen nur verschlechtern.
"Mister Etkins, wir..."
Die Ares wurde von einem Disruptorstrahl getroffen. Er kam von der Liberator und war ausgesprochen genau. Er traf direkt den Hauptdeflektor unter der Diskussektion des Schiffes.
"Bericht!", rief Takeruci und rappelte sich vom Boden auf. Irgendwo strömte Gas aus. Die Eindemmungsfelder reagierten träge, aber doch.
"Schilde halten bei Fünfundneunzig Prozent. Das war kein Zufallstreffer."
"Misses Seth, machen Sie einen weiteren Deflektortorpedo klar."#"Captain, ich darf Sie daran erinnern, dass wir nur drei Einheiten an Bord genommen haben?"
"Dürfen Sie. Im Augenblick erscheint es mir aber notwendig. Führen Sie meinen Befehl aus. Mister Etkins, ich will nicht noch einmal getroffen werden."
"Ich werde in meinen Maschinenraum zurückkehren", verkündete Bador und verschwand im Turbolift A.
Die Ares setzte sich wieder in Bewegung. Etkins programmierte einen Schleifenkurs, der, leicht schlingernd, die gegnerische Flotte umrundete.
"Rufen Sie die Liberator."
"Kanal geöffnet."
"General, Ihre Flotte befindet sich nicht im Zustand, um einen Kampf zu gewinnen. Ich würde eine friedliche Lösung vorschlagen. Ich gebe Ihnen eine Minute Bedenkzeit. Dann werde ich einen weiteren meiner Torpedos gegen Sie einsetzen."
Sie schloss den Kanal wieder. Der Deflektortorpedo war geladen, bereit und auf die Liberator gerichtet. Die Minute verstrich, und nach sechzig Sekunden hatte sich Nehs nicht gemeldet. Aber seine Schiffe hatten nicht noch einmal geschossen. Dann meldete sich J'Kolan.
"Ich registriere Fluktuationen in Jebeks Energienetz. Seine Systeme fallen aus."
"Liberator an Föderationsschiff", meldete sich endlich General Nehs. "Ich... Ich biete Ihnen einen vorübergehenden Waffenstillstand an."
"Das freut mich zu hören. In Kürze wird ein weiteres Schiff der Föderation hier eintreffen. Ich hoffe, wir können klären, wie genau die Föderation das Romulanische Reich zu diesem Angriff auf Föderationsbürger provoziert hat."
Von der anderen Seite des Kanals kam ein verächtliches Schnauben.
"Sie sprechen keineswegs mit einem Mitglied des Romulanischen Reichs, Föderationsschiff."
"Wir bekommen visuelle Darstellung, Captain.", meldete Takeruci. Er wartete nicht auf die Bestätigung der Captain und schaltete High General Jebek auf den Schirm. Er war kein Romulaner.
Seine Gestalt war von menschlicher Statur. Die Haut schimmerte in einem kräftigen Grau. Die Haare, lang und schwarz, verliefen bis über die Schultern. Hätten sich unter seiner ebenso schwarzen Lederuniform mit den vielen Dornen, die aus seiner Haut zu ragen schienen, nicht etliche Muskeln gespannt hätte man ihn für einen alten, gebrechlichen Mann halten können. Es sei denn, man hätte ihm in die Augen gestarrt.
Es war Reptilaugen. Grellgelb. Mit roten Phasern und sichelförmiger Iris.
"Ich bin der Vierte Hochkommandant der Z'Sordo Befreiungsarmee. Dieser Waffenstillstand gilt lediglich Ihrem Schiff. Nicht der gesamten Föderation. Wenn Sie sich meiner Flotte auch nur einen Korint näher kommen werden Einheiten das Feuer eröffnen."
Damit kappte er die Verbindung. Die Verwirrung auf der Brücke war groß.
Auf dem Kampfdeck des Befreiungsschiffes Liberator herrschte das blanke Chaos. Offiziere lagen herum, teilweise tot, teilweise lebendig, andere einfach nur teilweise; der Torso hier, die Beine dort. Die meisten Systeme waren ausgefallen oder arbeiteten nicht richtig. Es lag Rauch in der Luft. Er stach beim Atmen. Der jaka-inische Söldner war daran erstickt. Jebek saß in seinem Kommandosessel und koordinierte an der letzten funktionierenden Konsole die Reparaturarbeiten.
Im Zugangstunnel arbeitete sich Marschall Dang an den Trümmerteilen vorbei, in der Hand einen Statusbericht. Neben dem General stellte er sich in Habachtstellung auf und wartete.
Jebek ließ ihn eine Minute zappeln, dann streckte er die Hand aus.
"Bericht", verlangte er.
"Mein Lord! Die Juvel of Sord musste evakuiert werden. Die Basilisk und der Chimäre sind auf Position."
"Wie ist der Status des Schiffes, Marschall?", verlangte Jebek zu wissen. Über ihm stoben Funken aus einem Illuminator. Des Generals Kommandobereicht wurde jetzt nur noch von den glühenden Schriftzeichen auf den Konsolen erleuchtet.
"Das Lebenserhaltungssystem wurde reinitialisiert. Waffensysteme einsatzbereit. Unsere Deflektorschilde sind außer Funktion. Mein Lord. Die Stimmung an Bord ist schlecht. Ein Waffenstillstand passt nicht in die Politik der Befreiungsarmee."
Jebek fuhr hoch und versetzte Dang einen Kinnhaken. Der Marschall flog zu Boden. Blut spritzte aufs Deck. Die Technikercrew hielt inne, arbeitete dann jedoch schnell wieder weiter. Man fürchtete eine ähnliche Behandlung.
"Die Politik der Befreiungsarmee ist die Sache der Befreiungsarmee. Sie haben darüber nicht zu entscheiden. Wegtreten!"
"Es ist immer schön die Wahl zu haben", kommentierte Subcommander Tekittof und trat aus den Schatten mit denen er sich so gerne umgab. "Ich frage mich ebenfalls, wieso wir uns vor einem einzelnen Föderationsschiff erniedrigen müssen."
Jebek setzte sich wieder. Seine Dornen bebten vor Wut.
"Ich trage eine gewisse Verantwortung, Leyk. Bevor wir Vulkan angegriffen haben bestand die Vierte Flotte aus hundertvierundreißig Schiffen. Jetzt haben wir genau ein Dutzend Schiffe, Leyk, ein Dutzend
Kampfschiffe mit katastrophalen Schäden. Wegen einer Föderationswelt."
"Das hat nichts mit dem Schiff da draußen zu tun."
"Es geht hier ums Prinzip! Ich werde keinen Offizier mehr opfern, wenn ich nicht den direkten Befehl dazu erhalte!"
"Unsere Befehle lauten alle Föderationsraumschiffe in Waffenreichweite anzugreifen."
"Ich habe diesen Befehl beachtet. Im Augenblick befindet sich der Föderationsbalg außerhalb unserer Waffenreichweite."
Leyk Tekittofs Gesicht verfinsterte sich. "Sie dürfen Ihre Befehle nicht nach Belieben beugen, Mein Lord."
"Ich tue, was ich für meine Pflicht erachte. Und in meinen Augen bedeutet das meine Männer in den Kampf gegen die Romulaner zu schicken. Und nicht gegen die Föderation."
Tekittof verneigte den Kopf und zog sich zurück. Jebek überkam ein ungutes Gefühl. Er kannte Tekittof seit den Tagen der Rebellion.
Er hatte Leyk viele Kammeraden aus geringeren Gründen als Befehlsverweigerung töten sehen.
Captain Trat versuchte in der nächsten Stunde mehrmals, in Kontakt mit der Liberator zu treten und Hilfe anzubieten. Die Crew wusste, dass die Schiffe ihre Botschaften empfingen, doch sie antworteten nicht.
25. September 2426
USS Ares NCC 100431
Vulkanisches System
Im Besprechungsraum war der Tisch eingebrochen; einer der größeren Schäden, die der kurze Kampf gefordert hatte. Mittlerweile hatte Lieutenant J'Kolan wenige spärliche Informationen über die Z'Sordo herausgesucht. Was Captain Trat hören musste war nicht sonderlich ermutigend.
"Die Z'Sordo sind ein Volk aus dem Übergangsbereich vom Beta- zum Deltaquadranten. Sie sind technologisch wenig entwickelt. Soweit wir wissen besitzen sie nur zivile Raumfahrt und benutzen ähm, übergroße Generationenschiffe ohne nennenswerte Bewaffnung. Sie werden seit Jahrhunderten vom Romulanischen Sternenimperium unterjocht. Äh, Commander Seth?"#"Offensichtlich haben Sie sich Raumschiffe gestohlen und eine Revolution angezettelt."#"Doktor Rotal", fragte Trat und blickte zum stehenden Waraki hoch - er hatte immer noch keinen Stuhl erhalten, der seinen Schweif komfortabel behandelt hätte. "Wie geht es unseren Passagieren?"
Der Waraki legte die Fingerkuppen an einander. Er bleckte Fangzähne von beachtlicher Größe.
"Wir haben viele Verwundete. Ich musste die Shuttlehangare in Krankenlager umfunktionieren, außerdem die Lagerhallen A und B. Die meisten Verletzungen lassen sich behandeln, aber mir fehlt das Personal. Und das MHN ist unfähig. Commander Bador wird es erklären."
"Ja. *Räusper* Als Johnson unsere Hologramme mit neuen Persönlichkeitssubroutinen versah konnte er nicht wissen, dass die Notfallhologramme davon ebenfalls betroffen sind. Mir ist das schon beim Technischen Notfallhologramm aufgefallen, aber hier betraf es nur die Persönlichkeit."
"Das kann ich bestätigen", rief Etkins dazwischen. "Der Commander ist launisch und rechthaberisch."
"Unglücklicherweise ist beim MHN auch die Reaktionszeit und diverse Logikkomponente betroffen. Ich hab den Fehler behoben, aber auf unerwartete Situationen reagiert er sehr verwirrt."
"Ich kann diesen Kerl nicht auf meiner Sickbay gebrauchen. Ich benötige weiteres medizinisches Personal."
"Ich stimme Ihnen zu. Yoshiki, fragen Sie ein bisschen herum. Ein paar unserer Gäste sind von Starfleet, vielleicht findet sich jemand."
"Aye Captain. Ich werde auch bei den Vulkaniern anfragen."
"Eine gute Idee Commander."
"Captain", fragte J'Kolan zögerlich, "wie sieht unser weiteres Vorgehen aus?"
"Ausgesprochen schwer. Wir warten. Haben wir schon Nachricht von der Enterprise?"
"Negativ Captain."
"Ich frage mich ob sie angegriffen wurden", mutmaßte Takeruci.
"Dann hätten wir einen Notruf empfangen."
"Wir gehen trotzdem wieder auf Roten Alarm.", entgegnete Trat, die erst vor einer halben Stunde auf Gelbalarm gehen ließ. Sicher war sicher.
"Brücke an Captain Trat. Die Liberator nimmt Fahrt auf!"
Die Führungsoffiziere schoßen von ihren Stühlen hoch und verließen schnellstens den Besprechungsraum. Auf dem Taktikschirm war bereits eine Projektion der Z'Sodro-Flotte zu sehen, die sich in Dreiecksformation der Ares näherte.
"Ares an Liberator. Erklären Sie Ihre Handlungsweise!"
Die Antwort fiel knapp aus: ein Disruptorstrahl wurde auf die Schilde abgegeben.
"Föderationsschiff! Ich bin Subcommander Tekittof vom Befreiungsschiff Liberator. Ihr Eindringen in unseren Raum stellt für uns eine Kriegserklärung dar. Bereiten Sie sich auf Ihre Zerstörung vor."
Weitere Treffer schüttelten die Hauptbrücke durch. Rotal und Bador verschwanden im Turbolift und kehrten auf ihre Stationen zurück. Takeruci kam mit ihnen, um nach weiteren Ärzten zu suchen.
Etkins übernahm wieder die Navigation und führte als erstes ein Ausweichmanöver aus. Ein Disruptorstrahl, der sonst ein direkter Treffer der Brückenkuppel gewesen wäre, verfehlte sie nur knapp und verteilte sich im All.
"Meldung!", verlangte Trat.
"Die Schilde sind auf fünfundachtzig Prozent gefallen, Captain. Sie verwenden andere Disruptoren als vorher."
"Muss wohl eine Art Führungswechsel sein.", spekulierte Trat.
"Wohl eher ein handfester Putsch." warf Seth ein.
"Wie auch immer, wir können uns nicht weiter beschießen lassen. Misses Seth, ich will meinen Deflektortorpedo im All wissen. Feuern Sie wenn Sie bereit sind."#"Aye aye Captain. Geladen, bereit und ... abgefeuert!"
Dieses Mal zögerten die Z'Sordo nicht. Der Torpedo wurde mehrfach unter Beschuss genommen. Ein Zufallstreffer zerstörte das kleine Geschoss.
"Der Deflektortorpedo... wurde vernichtet, Captain." meldete Commander Seth.
Ein neuerlicher Volltreffer rüttelte an der strukturellen Integrität der Ares. Eine Konsole sprühte Funken.
"Bericht!"
"Schilde auf sechzig Prozent gefallen."
"Auf Hilfssysteme schalten."
"Aye aye Captain."
"Mister Etkins, ich mag es nicht beschossen zu werden! Bringen Sie uns hier raus, Warp Zehn wenn wir außerhalb des Gravitationsschattens sind!"
"Captain, die Z'Sordo stellen sich uns in den Weg."#"Ausweichen." Trat ließ sich die Feuerleitkontrolle auf ihre kleine Konsole legen und übernahm das Katapult A persönlich. Sie zielte und traf das Schiff, das sie für die Liberator hielt.
"Wir haben ein neues Problem!", verkündete Lucia Seth und starrte auf ihre Anzeigen.
"Eine Flotte romulanischer Kriegsschiffe geht unter Warp."
"Z'Sordo?"
"Nein. ..." Seth atmete hörbar ein. Es klang nicht gut. "Es sind Slaybirds. Zehn Schiffe. Sie fliegen direkt auf uns zu..." Die Ares wurde wieder getroffen. "...und beschießen uns!"
"Das scheint heute nicht unser Tag zu sein. Computer, Komverbindung mit dem führenden Slaybird!"
< Warnung: Die Kommunikationssysteme sind derzeit außer Betrieb. Bitte versuchen Sie es später noch einmal. >
"Das ist doch nicht zu fassen!", klagte Bador, als er sich aus dem Turbolift zwängte. "Sarah, der letzte-" Er taumelte, als die Ares schaukelte "der vorletzte Treffer hat uns einige Systeme gekostet. Die Deflektoren sind hin."
"Bador, ich brauche das Komm-System."
"Im Prinzip kein Problem, aber das könnte dauern."
"Nimm dir Zeit, nicht das Leben."
Der Bildschirm ging zwar immer wieder in weißes Rauschen über, doch er blieb einigermaßen konstant. Die Romulaner ließen vom Föderationsschiff ab, zumindest die meisten. Manche feuerten immer noch aus Heckkannonen. Doch hauptsächlich gingen sie den Z'Sordo an die Kehle. Und die wehrten sich. Innerhalb einer halben Minute vermischten sich die beiden Flotten, und der erste Slaybird fiel einer internen Explosion zum Opfer. Die Ares wurde von der Druckwelle erschüttert. Schnell stellte sich eines heraus: die Z'Sordo nutzten völlig veraltete Raumschiffe und wären technisch völlig unterlegen gewesen.
Hätten sie nicht ihre Waffen gehabt. Es handelte sich bei den meisten um Sordo-Waffen, nicht um romulanische Modelle. Sie hatten eine weitaus höhere Reichweite und waren stärker. Das schlimmste: die Z'Sordo kannten der Romulaner Schildfrequenzen. Vielleicht hatten sie diese aus den zerstörten Wracks der Besatzer Vulkans geborgen, vielleicht waren sie gut im Raten. Trotzdem waren ihre Raumschiffe den - im Vergleich schwächeren - Disruptoren der Romulanischen Eingreiftruppe nicht gewachsen. Die Schilde waren ausgefallen, ihre Hüllen dünner als die moderner Kriegsschiffe. Nach drei Minuten Kampf waren nur noch fünf Schiffe der Invasoren übrig. Von diesen stellten sich vier zwischen die Liberator, die schwer beschädigt flüchtete, und die Romulaner, die immerhin noch sechs Schiffe besaßen. Die vier Fluchthelfer waren, wie Scanns. der Ares bestätigten, leere Hüllen und hielten die Romulaner nicht lange auf.
Sie folgten der Liberator und schossen unentwegt auf sie. Etkins stellte schnell fest, dass das Flaggschiff sich auf Kollisionskurs befand und versuchte ein Ausweichmanöver. Es gelang. Die Liberator schoß an der Ares vorbei und ging auf Überlichtgeschwindigkeit. Neidisch musste Etkins feststellen, dass sie eine Art Hyperraumantrieb verwendeten und nicht auf gravitationsfreien Raum angewiesen waren.
"Zeit bis Warp?"
"Vierzig Sekunden Captain! Ich gebe mein Bestes, aber..." Funken; die tertiäre Wissenschaftsstation fiel aus. "Aber die Triebwerke spielen nicht mit. Das Impulssystem hat einen Defekt."
"Bador, scheiß auf die Kommunikation. Kümmer dich um den Impulsantrieb."
"Ich will mich nicht über den Sinn und Unsinn deiner Befehle streiten Sarah. Aber bitte erkläre das der Ares!"
"Ein Schiff nähert sich!", rief Lucia Seth.
"Romulaner?"
"Negativ! Es ist die Enterprise! ... Verflucht!"
"Bericht, Commander!"
"Die Enterprise!", rief Seth und rief die Darstellung auf dem Hauptschirm ab. Er flackerte. Und schlierte. Und war unerfreulich. "Sie flieht - vor einer riesigen Flotte uralter Romulanerschiffen!"
Kapitel 2
Windes Saat
Der Vulkan hing glühend und verdorben in seiner Umlaufbahn. Seine Oberfläche brannte, die Luft war aufgeheizt. Leben existierte nur noch in unterirdischen Höhlensystemen, wohin sich wenige Vulkanier sowie spärlich gesätes Starfleetpersonal retten konnten. Um ihn herum hingen die Überreste einer gigantischen Schlacht. Gekämpft hatte die riesige romulanische Besatzungsmacht gegen eine Übermacht: die Z'Sordo Befreiungsarmee, bestehend aus älteren gekaperten, jedoch stark aufgerüsteten Schiffen. Und die jagten mit vollem Impuls dem Föderationsraumschiff Ares hinterher, das einem Notruf geantwortet hatte.
"Zeit bis Warp?", rief Captain Sarah Trat ihrem Piloten Lieutenant Etkins zu.
"Vierzig Sekunden Captain! Ich gebe mein Bestes, aber die Triebwerke spielen nicht mit. Das Impulssystem hat einen Defekt."
Etkins flog ein weiteres Ausweichmanöver. Das Disruptorfeuer war unglaublich genau geworden.
"Bador, scheiß auf die Kommunikation.", befahl Trat und klammerte sich an ihrer Armlehne fest. "Kümmer dich um den Impulsantrieb."
Der bolianische Chefingenieur Bador streckte seinen blauhäutigen Kopf unter der technischen Station hervor. Ruß setzte sich deutlich von der hellen Haut ab.
"Ich will mich nicht über den Sinn und Unsinn deiner Befehle streiten, Sarah. Aber bitte erkläre das der Ares!" Er griff nach einem Werkzeug aus seinem Gürtel und verlor es bei einem weiteren Treffer.
"Ein Schiff nähert sich!", rief Sicherheitschefin Lucia Seth von ihrer isolierten Station aus.
"Romulaner?", fragte Trat. Sie richtete bereits das Torpedokatapult aus, dessen Zielsysteme sie persönlich steuerte.
"Negativ!", entgegnete Seth. "Es ist die Enterprise! ... Verflucht!"
"Bericht, Commander."
"Die Enterprise.", rief Seth und rief die Darstellung auf dem Hauptschirm ab. Er flackerte. Und schlierte. Und war unerfreulich. "Sie flieht - vor einer riesigen Flotte uralter Romulanerschiffen!"
25. September 2426
USS Ares NCC 100431
Vulkanischer Heimatplanet
"Die Enterprise ruft uns, Captain.", verkündete Lucia Seth. Sie feuerte eine weitere Torpedosalve aus dem Achterngeschütz und traf das führende Schiff der Romulanischen Verfolger hinter ihnen. Vor dem Bug der Ares hetzte sich die Enterprise ab um einer Z'Sordo-Streitmacht zu entkommen. Die beiden Föderationsschiffe waren mitten in einen handfesten Bürgerkrieg geraten.
"Auf den Schirm", befahl Captain Trat.
Obwohl der Hauptbildschirm nicht hundert prozentig funktionierte war deutlich sichtbar, dass auf der Brücke des Starfleet Flaggschiffes die Hölle los war. Captain Jordan saß auf ihrem Kommandostuhl und befehligte eine leergefegte Kampfbrücke. Einem großen Teil des über die Kamera angezeigten Bereichs nahm das tote Gesicht eines Andorianers ein.
"Captain Trat, ich habe es mit den deaktivierten Schilden versucht." Sie lächelte. Aber kein Humor lag in diesem Lächeln. "Der erste Schuss traf unsere Schildgeneratoren. Bitte sagen Sie mir, dass diese Romulaner hinter Ihnen uns helfen wollen."
"Leider nicht." Die Ares wurde wieder getroffen. Das Licht flackerte, dann fiel der Hauptschirm aus. "Enterprise?"
"Wir sind noch da. Mein THN gibt sich Mühe, aber unsere Strukturelle Integrität ist schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Wir..." Dann rauschte es nur noch. Der Taktikschirm zeigte ein Schlingern in der Flugbahn des Flaggschiffs an.
"Ares an Enterprise!", versuchte es Seth noch einmal. Trat sah sich zu ihr um. Die Sicherheitschefin schüttelte nur den Kopf.
"Brücke an alle Stationen: Vorbereiten auf Rettungsmaßnahmen! Mister Etkins, Kurswechsel zur Enterprise. Gehen Sie auf..."
Trat wurde von einer weiteren Erschütterung unterbrochen. Sie war stark und kam vom Inneren des Schiffes.
"Bador, Bericht!"#"Sarah... Der Jägerhangar wurde getroffen."
"Gibt es Überlebende?", fragte Trat bestürzt. Bestürzt verneinte Bador es.
"Na schön. Die kaufen wir uns. Pilot, wir..."
J'Kolan registrierte den Energieausstoss als Erste.
"Captain, ähm, die Enterprise... Sie überlädt ihren Warpkern! Sie gehen auf Kollisionskurs mit dem Romulanischen Führungsschiff."#"Ausweichmanöver. Mister Etkins, bringen Sie uns raus aus dem System."
"Aber Captain, die Enterprise..."
"Opfert sich. Wenn wir bleiben ist es umsonst. Wir haben immer noch hunderte Zivilisten an Bord. Wir dürfen nicht riskieren, sie ebenfalls zu verlieren. Voller Impuls, Mister Etkins."
Nicht alle Schiffe nahmen die Enterprise unter Beschuss. Aber viele. Etkins hatte jetzt mehr Raum zum Manövrieren. Als die Enterprise in den führenden Slaybird krachte war die Ares bereits knapp außerhalb des Gravitationsfelds Vulkans. Als sie detonierte - und die Romulaner ins Verderben riss - ging die Ares endlich in den Warpflug über.
Auf der Brücke war es still geworden. So manche Energieleitung zischte und surrte. Das Interkom hatte Fehlfunktionen und gab keine Kommkontakte mehr weiter. Ein kleines Feuer knisterte im Replikator. An sonsten herrschte Schweigen. Kein Offizier wagte es, das Opfer der Enterprise anzusprechen. Erst nach ein paar Minuten meldete sich Bador zu Wort. Er war auf dem Weg zum Turbolift als er bei Trat innehielt und ihr die Hand auf die Schulter legte.
"Ich weiß nicht ob es dir hilft. Aber meinen Scanns zufolge hätte ihr Eindämmungsfeld so oder so versagt... Ich bin im Maschinenraum." Daraufhin verließ er die Brücke.
Eine Stunde später war das Ausmaß des Schadens ersichtlich geworden. Was Yoshiki Takeruci auf seinem PAD lesen musste begeisterte ihn nicht sehr. Das Kommsystem arbeitete wieder. Dafür hatte auf Deck Siebzehn die Lebenserhaltung ausgesetzt. Der Warpantrieb musste deaktiviert werden um einer Überlastung vorzubeugen. Das Schiff flog nur noch mit halbem Impuls und befand sich auf dem Weg zu einem Randevouzpunkt, wo sie sich mit der USS Lucky Bastard traf. Dieses Schiff der Gate-Klasse war das nächste Föderationsschiff ohne Kampfautrag und fungierte als Notfalltransporter. Kommandiert wurde sie von Commodore Luzer Nicholaz. Der hatte sich vor ein paar Minuten mit Captain Trat unterhalten und versprochen, in spätestens zwei Tagen anzukommen. Takeruci konnte nur hoffen, dass das alte Schiff sich dabei nicht zu großer Überbeanspruchung stellen musste.
Das war eine gute Nachricht, sofern nichts Unerwartetes geschah. Bislang konnten die Sensoren kein Schiff auf Verfolgungskurs orten. Doch das hatte nichts zu sagen. Auch die Scanner waren bei der Flucht aus dem Vulkan-System in Mitleidenschaft gezogen worden. Momentan umschwirrten drei Stardancers die Ares und sammelten zusätzliche Daten.
Immerhin eine erfreuliche Nachricht gab es: Lucia Seth hatte es endlich geschafft, die Disruptoren ans Energienetz anzuschließen. Möglich wurde dies durch die Entdeckung eines Programmierfehlers für den die Klingonen verantwortlich waren. Die Sicherheitschefin hatte also Recht behalten - sie waren unfähig. Takeruci legte diese Daten gerade Captain Trat in ihrem Besprechungsraum vor als Doktor Rotal das kleine Zimmer betrat. Die Schädelwülste des Waraki waren hellgrau angelaufen und zeigten damit tiefe Trauer an. Sein Schweif presste sich eingerollt an seinen Rücken. Er ging zusammengekauert und schien im Moment nicht einmal so groß wie Yoshiki zu sein.
"Captain, Commander...", begrüßte er die beiden. Trat bedeutete ihm Platz zu nehmen. Er hockte sich auf einen der beiden Stühle - ein Trägerelement war auf ihnen gelandet und hatte die Rückenlehnen abgerissen. Er stützte sich auf die intakte Tischplatte und begann mit seinem Bericht.
"Als der Jägerhangar getroffen wurde befanden sich dort zweihundertfünfundsiebzig Zivilisten."
"Wie viele haben überlebt?", fragte Takeruci. Trat glaubte, ein Stocken in seiner Stimme gehört zu haben.
"Tausenddreihundertundzwei. Davon sind mehr als die Hälfte schwer verletzt. Mehrere Dutzend werden es nicht schaffen."
"Wie sieht es mit dem geretteten Starfleetpersonal aus?", verlangte Trat zu wissen. Auch sie war nicht unberührt vom Verlust derart vieler Leben.
"Wir konnten dreihundertfünfunddreißig Sternenflottenangehörige evakuieren. Viele waren im Jägerhangar und halfen bei der... der... bei der Behandlung der Verletzten. Die genaue Anzahl der Überlebenden kenne ich noch nicht. Ich - ich würde mich gerne für ein paar Stunden zurückziehen, Captain."
"Sicher. Wegtreten."
Der Offiziere ließ Sarah Trat allein. Sie warf Commander Takeruci einen viel sagenden Blick zu. Yoshiki musste nicht erst nachfragen. Probeweise schüttelte er zögerlich den Kopf. Trat nickte bestimmend. Damit war Takeruci entlassen. Hängender Schulter verließ er den Bereitschaftsraum.
Sarah Trats Augen hefteten sich an dem Bericht, doch sie las ihn nicht. In ihrem Inneren betrachtete sie das Bild ihres verstorbenen Gatten Ferok. Das Glas des Rahmens war zersplittert. Das Bild zerkratzt. Sie hatte sich nie überwinden können, eine Kopie ziehen zu lassen. Von Holodateien abgesehen war das letzte Bild Feroks in ihrer Nähe unkenntlich geworden.
Captain Trat überwand sich, den Bericht fertig zu lesen, und beschloss, sich danach ein paar Minuten Ruhe zu gönnen. Und in Erinnerungen zu schwelgen.
Im Turbolift ließ Rotal seinen Kopf schwer gegen die Wand knallen. Er wollte sich eigentlich nur noch in sein Quartier zurückziehen und die nächsten Stunden verschlafen. Waraki waren in der Lage, sich selbst für eine kurze Zeit selbst einzuschläfern. Rotal fand dieses Vorgehen im Anbetracht der Lage für durchaus passend.
Takeruci hielt die Schotts auf und trat zu Rotal in die Kabine. "Deck Fünf. Kampfbrücke.", befahl er. Rotal richtete sich auf und hielt respektvollen Abstand - soweit es in der Enge der Kabine möglich war.
"Turbolift stoppen", befahl Takeruci dann.
"Commander?", fragte Rotal nicht ohne ein schlechtes Gefühl in der Magengegend.
"Doktor?" Takeruci sah dem Waraki direkt in die Augen. Was nicht viele Menschen wagten. "Ist Ihnen nicht wohl?", fragte er dann.
"Sir, nein, Sir."
"Doktor, ich weiß wir haben keinen Counselor an Bord. Haben Sie irgendetwas auf dem Herzen?"
"Ich glaube nicht, dass ich meine persönlichen Probleme mit dem Ersten Offizier bereden soll. Oder will."
Takeruci fühlte sich sichtlich nicht wohl in seiner Haut, das bemerkte sogar Rotal, der zwar mit der menschlichen Anatomie vertraut war, jedoch nicht allzugut mit der terranischen Mimik.
Es lag aber nicht primär an Rotal selbst. Es war die groteske Situation, in die Takeruci gebracht worden war. Er fühlte sich nie wohl, mit anderen Menschen über Dinge wie Gefühle zu sprechen. Dabei war es ihm egal, ob es sich dabei wirklich um Menschen oder andere Wesen handelte (im Gegensatz zu vielen Primatischen hatte Takeruci nichts gegen Reptiloide) - er tat es generell nicht gerne.
"Mir geht es ebenso. Trotzdem. Wenn Sie reden wollen..."
Er befahl dem Turbolift weiterzufahren. Deck Fünf lag nicht weit entfernt. Trotzdem schien sich die Fahrt ewig hinzuziehen.
"Mein Bruder war in Hangar A.", murmelte Rotal.
"Turbolift stop! Sagten Sie er war im Jägerhangar?"
"Ja."
"Das... tut mir leid."
"Mir auch. Er hieß Metek Mikt'haal. Er war bei einem medizinischen Seminar auf Vulkan." Er bleckte die Zähne, ein erbittertes Lächeln, wie Takeruci vermutete. "Er wollte mir nacheifern. Arzt werden... Einer seiner Freunde hat sich bei mir gemeldet."
Rotal drückte auf ein Kontrollelement. Binnen Sekunden erreichte die Kabine das nächste Deck und öffnete ihre Schotts. "Wenn Sie mich entschuldigen würden, Commander?"
Rotal ließ Takeruci allein im Turbolift zurück. Der Erste Offizier hatte nichts so Gravierendes erwartet. Die Ares hatte zu viele medizinische Notfälle, um den Chefarzt auch nur ein paar wenige Stunden zu entbehren - doch Takeruci hatte der Captain nicht widersprechen wollen. Aber es war eine andere Sache, wenn die Arbeit eben dieses Chefarztes möglicherweise durch persönliche Probleme beeinträchtigt wurde. In der Hoffnung, bald einen Schiffscounselor an Bord begrüßen zu dürfen, vermerkte Yoshiki in seinem Kopf einen entsprechenden Vermerk zum Thema "Schnellstmöglich anfordern!". Denn er war nicht willens, für jeden Hinz und Kunz an Bord den Kummeropa zu spielen.
Lieutenant Commander Lucia Seth lag schon seit einer Stunde unter den Energieleitungen des Torpedokatapultes D auf Deck Drei. Es war größer als die anderen drei Einheiten und gehörte keinem speziellen Typ an. Es war installiert worden um die vielen experimentellen Waffen einzusetzen die von der Ares mitgeführt wurden. Ihr Rücken schmerzte trotz des eigentlich bequemen Repulsorkissen, auf dem sie lag. Ihre roten Haare hatte sie sich in ihrer spärlichen Freizeit ein wenig gekürzt, so dass sie nicht mehr in den Augen stachen, wenn sie ungekämmt ins Gesicht hingen. Seth hielt nicht fiel von aufgebrezelten Girlies. Lediglich für ihren Mann wäre sie unter Umständen bereit gewesen, Make Up oder Kleider (sick!) anzuziehen - doch ihrem Gatten Peter war sie ganz natürlich am liebsten.
Sie schob den Gedanken beiseite und führte den Scanner ein weiteres Mal an die Rohre heran. Keine Unregelmäßigkeiten. Trotzdem wusste sie, dass die Abschussvorrichtung nicht funktionierte. Keiner der Probedurchgänge war von Erfolg gekrönt gewesen. Langsam kam ihr der Gedanke, das Schiff hätte sich gegen seine Crew - im Allgemeinen - und gegen sie - im Besonderen - gewandt.
"Ich hoffe wirklich, dass es wichtig ist, Commander."
Chefingenieur Bador zwängte sich durch den engen Zugangstunnel. Einen Werkzeugkoffer hatte er sich an den Bauch geschnallt um damit nicht an die entsetzlich niedrige Decke zu stoßen.
"Ich habe dieser Tage viel zu tun."
"Ich will Sie nicht lange stören Commander. Aber der Captain verlangt volle Gefechtsbereitschaft. Katapult D konnte bislang nicht aktiviert werden."
Bador legte sich neben sie und zog seinen Tricorder hervor. Das Gerät piepte wie verrückt.
Stirnrunzelnd wechselte er zu einem anderen Gerät. Auch dieses beschwerte sich lautstark.
"Sagen Sie, Commander... Welche Feldstärke verwenden Sie?"
"Drei Komma Fünf, Standardeinstellung."
"Da haben wir's." Bador reichte den Tricorder an Seth weiter. Sie warf einen kurzen Blick auf das Display und schüttelte dann den Kopf.
"Diese Anzeige ist völlig unmöglich. Ich habe den Elektronenfluß in der letzten Stunde drei Mal überprüft. Eine Abweichung von eins Komma zwei ist völlig unmöglich."
Bador krallte sich verärgert Seths Scanner. "Ich habe für so etwas nun wirklich keine Zeit, Commander. Wenn Sie das nächste Mal ein Energiefeld messen wollen sollten Sie keinen Quantenscanner benutzen. Hier." Er warf ihr einen Stromregler zu. "Damit sollten Sie die Stromstärke nach Ihren Vorgaben verändern können."
Verstimmt kroch Bador den unbequemen Weg wieder zurück. Lucia Seth kam sich einerseits wie ein zusammengeschissener Kadett im ersten Jahr vor. Andererseits wusste sie, dass das von ihr gewählte Werkzeug das richtige war. Ihr Vater gab ihr Lektionen, wann immer sie ihn traf. Leider war er schon länger nicht mehr im aktiven Dienst und ließ es sich seit dem Tod seiner zweiten Frau auf Geriatrix III gut gehen. In seinen Glanzzeiten war er der Chefingenieur auf der unglücklichen Enterprise-F gewesen. Leider waren diese Glanzzeiten schon lange vorbei.
Trotzdem benutzte Seth dann doch den Stromregler. Bador würde es schon wissen. Immerhin war er der Chefingenieur und sie "nur" der Sicherheitschef. Wahrscheinlich stand sie einfach nur unter Stress und machte Flüchtigkeitsfehler. Dachte sie zumindest. Was sie nicht wusste: Die Unregelmäßigkeiten im Torpedokatapult hatten nichts mit der Energiestärke zu tun. Außerdem war es Bador, dessen Leistung unter seinem Stress litt. Denn als Lucia Seth den Stromregler schon aktiviert und auf die Energieleitungen gerichtet hatte, da bemerkte sie ein merkwürdiges Geräusch. Und ihr Blick fiel auf die Bezeichnung des Gerätes.
"Schweißbrenner-Einheit Ar106".
Auf der Brücke wurde es schlagartig dunkel. Die Lichter schalteten sich einfach aus. Die Notbeleuchtung setzte erst nach ein paar Sekunden ein und hüllte das Kommandodeck in gespenstisches Licht. Nach einer halben Minute - Captain Trat stemmte schon die Schotts ihres Bereitschaftsraums auf, wobei ihr Lieutenant Etkins half - flackerten die Kontrollsysteme wieder auf. Ein Zischen wies darauf hin, dass das Lebenserhaltungssystem wieder angesprungen war. Niemand hatte bemerkt, dass es überhaupt ausgefallen war.
"Lieutenant'", fragte Trat und wäre bei dem Vorhaben, sich neben J'Kolans Navigationsstation zu stellen, beinahe über Etkins kurzzeitig verwaisten Stuhl gestolpert.
"Äh, irgend etwas mit den Energieleitungen auf Deck Drei. Oberhalb davon ist die Hauptenergie ausgefallen."
"Finden Sie heraus wo das Problem liegt, Lieutenant."
J'Kolan nickte unsicher und lief zum Turbolift. Fast hätte sie sich den Kopf gestoßen. Die Schotts bewegten sich nämlich nicht.
"Äh, Captain..."
"Nehmen Sie die Jeffreysröhre. Mister Etkins, Sie begleiten sie."
"Aye Sir."
Zwei andere Offizier nahmen ihre Plätze ein. Fähnrich Valeria belegte den Sitz des Piloten.
"Captain", sagte Lieutenant Grey von der Taktischen, "Die Phaserbänke sind ohne Energie. Die Torpedowerfer ebenso."
"Ich habe noch mehr schlechte Nachrichten, Captain."
Valeria betätigte ein paar Schaltelemente. Der Hauptbildschirm aktivierte sich widerstrebend und wechselte vom Starfleet-Zeichen zu einer grieselnden Heckansicht. Linkerhand der oberen Backbordwarpgondel krümmte sich der Weltraum ein wenig.
"Sie sind gerade in Scannerreichweite gekommen. Anweisungen?", fragte sie.
"Roter Alarm. Staffel B soll sich einsatzbereit halten."
"Captain... Staffel B besteht nur noch aus sechs Schiffen mit teilweise starker Beschädigung."
"Das weiß ich, Mister Grey, aber im Moment sind wir wehrlos. Die Hologramme haben Startfreigabe sobald sie bereit sind." Captain Trat ließ sich in den Captain's Chair fallen. Nach kurzer Überlegung drückte sie auf den Blauen Knopf. Sofort fuhren Gurte aus der Lehne. Einige Offiziere auf der Brücke taten es ihr gleich. Lediglich Lieutenant Grey verzichtete darauf. In einer Kampfsituation zog er es vor, beweglich zu bleiben.
Auf dem Hauptbildschirm schossen drei Stardancers aus dem Hangar und gesellten sich zu den drei Einheiten, die sich schon im All befanden und die Sensoren unterstützten.
Vorsichtig umflogen sie die gekrümmte Stelle im Raum. Die Piloten waren sich nur zu gut bewusst, dass die Raumanomalien dieser primitiven Tarnvorrichtungen trügerische optische Schatten warfen.
Das fremde Schiff enttarnte sich weit von der vermuteten Stelle entfernt. Wie erwartet handelte es sich um ein altes Schiff klingonischer Bauart. Um ein einziges, wirklich uraltes Schiff, ein D7, wie er bei den Romulanern nach einem kurzzeitigen Technologieaustausch im 22. Jahrhundert mit den Klingonen gesichtet wurde.
"Mister Grey, ist das eine Falle?"
"Ich kann keine anderen Schiffe im Erfassungsbereich unserer Langstreckensensoren finden. Dieser D7 da draußen ist alles."
"Faszinierend. Computer, Kanal zum Romulanischen Raumschiff öffnen."
<Kanal geöffnet.>
"Hier spricht Captain Sarah Trat vom Föderationsraumschiff Ares. Nennen Sie Ihre Absichten."
Ein Blick zum kopfschüttelnden Grey genügte. Sie gab den Z'Sordo ein paar Sekunden Zeit. Immer noch keine Antwort.
"Ares an das Z'Sordo-Schiff. Sie sind uns nicht gewachsen. Wenn Sie nicht antworten haben meine Jäger den Befehl, sofort anzugreifen."
Darauf antwortete der D7. Mit einem Disruptorstrahl.
"Ares an Staffelführer."
"Hier Mezger vom Jäger Aeneas."
"Aeneas, ich will einen Warnschuss auf seinen Bug sehen. Er soll merken, dass wir es ernst meinen."
"Aye, aye, Ares. Aeneas Ende."
Auf dem Hauptbildschirm entstanden an den Aufbauten des führenden Stardancers zwei dünne Phaserstrahlen. Die fokussierte Energie schoß durch den Raum und traf den Bug des D7s. Die feindlichen Schilde hielten mit leichten Schäden.
"Das", murmelte Grey eigentlich mehr zu sich selbst, "gefällt mir nicht."
"Mir auch nicht. Kanal öffnen. Unidentifiziertes Raumschiff, hier spricht Captain Trat von der Ares. Dies ist die allerletzte Warnung. Nennen Sie..."
"Sie rufen uns."
"Na endlich. Auf den Schirm."
Der Bildschirm flackerte, als wollte er sich wehren, dann erschien ein Z'Sordo auf dem Sichtschirm.
Man sah sofort, dass es sich um ein schlecht programmiertes Hologramm handelte. Es war durchsichtig und flackerte, und als es sprach klang seine Stimme, als käme sie aus einem tiefen Bleibrunnen.
"Kommandants Ersatz Hologramm 8652 vom ZHSA Dignity ruft das Föderationsbalg. Ich gebe Ihnen genau zehn Sekunden Zeit um ihre Jäger zurückzurufen. Dann wird das Kommandants Ersatz Hologramm 8652 erneut das Feuer eröffnen."
"Das Schiff hat die Verbindung gekappt", verkündete Grey. Im selben Moment meldete sich Commander Takeruci von der Kampfbrücke.
"Captain, das ist mit Sicherheit eine Falle. Ich empfehle sofort auf Warp zu gehen!"
"Liebend gerne, sobald der verfluchte Warpkern wieder funktioniert. Entschuldigen Sie mich."
Damit warf sie Takeruci aus der Leitung und rief wieder die Stardancers.
"Manche Leute lernen es nie. Meine Herren, wenn der D7 uns angreift haben Sie Befehl, das Schiff kampfunfähig zu schießen."
"Wir freuen uns schon darauf. Staffel Ende."
"Ich persönlich würde auch lieber versuchen zu flüchten, Captain", kommentierte Grey.
"Verstehen Sie, ich..." Die Brücke erzitterte unter dem Einschlag eines Torpedos.
"Das war ein Quantentorpedo, Captain. Das Schiff wurde massiv aufgerüstet."
Der Bildschirm zeigte es ebenfalls mehr als deutlich. In der Vergrößerung waren Disruptoren an dafür nicht vorgesehenen Stellen erkennbar. Und es waren viele. Ein Jäger der Ares trudelte, nach einem Volltreffer außer Kontrolle geraten, davon und detonierte lautlos im All. Dann endlich gaben die feindlichen Schilde nach und die Holopiloten wechselten zu Photonentorpedos. Zu ihren ersten Zielen erklärten sie die Disruptoren. Als der D7 größtenteils kampfunfähig war nahmen sie sich der Warpgondeln an.
"Der Feind geht auf Kollisionskurs", meldete Fähnrich Valeria. Aus dem Torpedorohr am Bug flimmerte ihnen ein Geschoss entgegen.
"Auf Einschlag vorbereiten!", warnte Grey. Wie alle anderen Brückenoffiziere klammerte er sich an den Haltegriffen fest, die einen an Bord der Ares förmlich verfolgten.
Der Torpedo traf die Schilde. Sie hielten bei fünfzig Prozent. Auf der Brücke kam es trotzdem zu ein paar heftigen Energieentladungen. Die Notbeleuchtung fiel aus. Der Bildschirm deaktivierte sich. Und dann setzte auch noch die Lüftung aus.
"Captain Trat an Kampfbrücke."
Stille. Dann rumpelte es wieder, und unter Trats Füßen hüpfte das Deck um einen halben Meter weg. Sie landete unsanft auf ihrem Ellenbogen.
"Mister Grey, nehmen Sie die Jeffreysröhre und..."
"Captain", sagte jemand im Achternbereich der Brücke. Lieutenant Grey lag über seiner Konsole. Die Station war, soweit sichtbar, geschwärzt und durchgebrannt. Ebenso sah Grey aus.
"Brücke räumen."
"Trat an Kampfbrücke."
"Takeruci hier."
"Der letzte Treffer hat die Systeme der Hauptbrücke lahmgelegt. Ab hier übernimmt die Kampfbrücke. Ich bin ich ein paar Minuten bei Ihnen."
"Verstanden."
Takeruci saß im Sitz des diensthabenden Offiziers der Kampfbrücke. Er überprüfte gerade die dortigen Schäden als der Kampf begonnen hatte. Schnell hatte er sich eine Rumpfbesatzung zusammengesucht. Für genau solche Fälle hielt Takeruci es für angebracht, die Kampfbrücke ständig zu bemannen. Doch bei Trat war dieser Vorschlag auf taube Ohren gestoßen. Sie fand es unpassend für ein Schiff der Sternenflotte, ständig die Finger über dem Feuerknopf zu halten.
Der Hauptbildschirm der Kampfbrücke war kleiner als die Einheit auf der Hauptbrücke und zeigte standardmäßig eine kleine taktische Darstellung in der rechten oberen Ecke.
"Fähnrich, wir gehen auf einen Abstand von fünfzigtausend Kilometern."
"Aye Commander.", bestätigte Fähnrich Nefington. Seine Konsole war geschwärzt von einem Energieausbruch, der aber glücklicherweise den Offizier nicht getroffen hatte. Interessanterweise funktionierten die Kontrollen noch.
Die Ares ging auf Abstand. Takeruci wollte sich nicht zu weit entfernen - die Jäger konnten jederzeit Probleme bekommen und mussten schnell zurückkehren müssen. Aber auf eine größere Entfernung war es einfacher, Geschossen auszuweichen.
Zwei Minuten lang wich Nefington gekonnt einem halben Dutzend Quantentorpedos aus. Eine gewaltige Leistung, auch bei dieser Entfernung. Denn die Ares war zwar im Warpbereich mit (gewaltigem) Abstand das schnellste Schiff der Raumflotte - zumindest im Moment - doch ihr Sublichtantrieb war nicht sehr ausgeprägt. Das Schiff war einfach zu schwerfällig für schnelle Wendemanöver. Nefington arbeitete viel mit Rotationen, wie Takeruci auffiel. Dann endlich zischte das Schott und Captain Sarah Trat betrat die Kampfbrücke. Ihre ehemals weiße Uniformsjacke war rußig und schmutzig.
"Wir mussten die Jeffreyröhren benutzen", erklärte sie und versuchte erfolglos, eine Brandstelle zu reinigen. Sie presste den linken Arm an ihren Körper. Yoshiki Takeruci stand auf und überließ Trat den Captain's Chair.
"Status?", verlangte sie.
"Wir weichen weiterhin aus. Der Feind hat ein paar seiner Disruptoren repariert."
"Das muss ein Ende haben. Trat an Hangar A."
"Hangar hier, Captain."
"Starten Sie alles, was unsere Staffel noch zu bieten hat."
"Captain, die Holopiloten der Staffel A sind... ähm... nicht einsatzfähig."
"Wie soll ich denn das bitte verstehen?", fragte Trat verwirrt.
"Nun... sie verkleiden sich als Piraten und tanzen Tango. Commander Takeruci gab mir bereits vor ein paar Minuten einen entsprechenden Befehl, aber die Piloten wollen nicht hören."
"Das ist... schade. Suchen Sie ein paar..."
Bevor Trat ihren Befehl beenden konnte gab es auf dem Hauptschirm eine grelle Explosion. Der feindliche D7 neigte sich zur Seite und begann zu rotieren. Der Hals, der die Brückensektion mit dem Antriebssegment verband, war in der Mitte gebrochen. Die Randstellen glühten und spiehen Schrott ins All. Kleinere Trümmerteile strömten der Ares entgegen. Nefington wich ihnen mehr schlecht als recht aus.
"Captain, der D7 ist manövrierunfähig. Man ruft uns."
"Auf den Schirm."
"ZHSA Dignity ruft das Föderationsbalg. Stellen Sie das Feuer ein!"
Das Z'Sordohologramm saß nun in einem Kommandosessel und gab Befehle in eine Konsole ein. Sie schien nicht zu reagieren. Rauch hing im Raum. Werkzeug flog durch den Raum. Ein Gerät, das ein PAD sein mochte, schwebte vor die Kamera und wurde vom Hologramm wütend beiseite gefegt.
"Was habe ich davon?", wollte Trat wissen. Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück und genoss es sichtlich, den Feind leiden zu sehen, zumal sie ihn zappeln lassen konnte, ohne ein Lebewesen an Bord zu gefährden. Es wurden keine an Bord des D7s angezeigt,
"Das Kommandants Ersatz Hologramm 8652 wird Sie dann nicht zerstören."
"Sie sind wohl kaum noch in der Lage, irgendetwas zu zerstören."
"Die Z'Sordo Befreiungsarmee ist Ihnen gefolgt. Eine Eingreifflotte wird bald eintreffen. Ergeben Sie sich, dann wird Ihnen nichts geschehen."
"Ich mache Ihnen einen Gegenvorschlag."
Trat erhob sich aus ihrem Sessel und trat selbstbewusst an den Wandschirm heran.
"Wir registrieren keine Lebenszeichen an Bord Ihres Schiffes. Ich bin neugierig. Haben Sie Hologramme unter Ihrem Kommando?"
Auf dem Schirm zuckte das Kommandants Ersatz Hologramm sichtbar zusammen. Es war offenbar sehr emotional programmiert worden. Hat er Angst?, dachte sich Trat. Außerhalb des Erfassungsbereichs der Wandkamera zog Takeruci indes die Brauen hoch. Trat ahnte es schon; er wusste, was sie vorschlagen würde, und er war damit nicht einverstanden. Dann entschloss sich das Hologramm zu antworten.
"Nein. Das Kommandants Ersatz Hologramm 8652 repariert hier alles selbst."
"Ist das nicht sehr anstrengend?", bohrte Trat nach. Der Taktikschirm neben dem Z'Sordoabbild teilte sich in zwei Abschnitte. Bei einem handelte es sich um die Ergebnisse eines strategischen Langstreckenscanns. Der andere war eine Textkolonne. Trat überflog sie und lächelte innerlich. So gut konnte man keinen D7 aufrüsten.
"Das Kommandants Ersatz Hologramm 8652 kann damit leben." 8652 fuchtelte drohend mit einem antiquierten Schraubenschlüssel herum. Nefington schnappte hörbar nach Luft, und auch Trat war nicht entgangen, dass es sich dabei um ein Starfleetmodell handelte, vielleicht sogar bewusst ausgewählt.
"Kommen Sie zur Sache, Föderationsbalg. Machen Sie Ihr Angebot."
"Nun, innerhalb unseres Scannradius' befinden sich keine Raumschiffe, weder getarnt noch versteckt."
"Woher wollen Sie das wissen?! Eine Tarnung versteckt ein Schiff."
"Ihre Version aber nicht. Wir haben Ihren Bluff durchschaut, Dignity. Innerhalb der nächsten Stunden sind keine ankommenden Raumschiffe zu erwarten. Unsere Sensoren sind überaus fortschrittlich."
Trat trat so nahe an den Schirm heran, dass ihre Nasenspitze fast die Projektion berührte. 8652 sah aus wie ein in die Enge getriebener rigellianischer Gopsch. Verzweifelt und zu allem bereit.
"Wir bieten Ihnen Hilfe bei der Reparatur an.", erklärte sie dann, machte kehrt und setzte sich wieder in ihren Stuhl. Ihre linke Hand war indes blau angelaufen und begann langsam zu schmerzen.
"Wieso sollte das Kommandants Ersatz Hologramm 8652 dies annehmen?"
"Weil unsere Sensoren melden, dass Ihre Holomatrix sich destabilisiert, mein Freund. Sehen Sie es als Deal. Wir helfen Ihnen zu überleben. Dafür lassen Sie uns in Ruhe."
"Sie sind nicht in der Position, eine solche Forderung zu stellen", merkte das Hologramm an. Aber Trat sah, dass er zappelte. Seine Haut wurde immer durchsichtiger.
"Das sehe ich anders. Gehen Sie darauf ein oder nicht?"
"Was wenn ich es nicht tue?" Es klang wie die Frage eines zum Tode verurteilten, ob er sich seine Todesart aussuchen dürfte. Trat hätte fast nicht bemerkt, dass er die Erste Person verwendet hatte. Sie fühlte sich unerwartet an ihre merkwürdige Begegnung mit dem Borg Kollektiv vor knapp zehn Jahren erinnert.
"Dann gehen wir auf Impulsgeschwindigkeit, reparieren unseren Warpantrieb und lassen Sie hier alleine bis sich ihre Matrix aufgelöst hat."
8652 schwieg ein paar Sekunden lang. Er hätte vielleicht weiter geschwiegen. Aber eine Funkenentladung der Station hinter ihm lockerte seine Zunge.
"Dann... habe ich wohl keine andere Wahl. Wir haben einen <Deal>. Dignity Ende."
Captain Trat betrat die Krankenstation. Der ehemals weiße, sterile Raum hatte sich in ein übervolles Hospital gewandelt. Verletzte lagen auf allen verfügbaren Betten und am Boden. Der Geruch von Blut lag in der Luft.
Sie hatte jegliches Gefühl im linken Arm verloren, dafür schmerzte die dazu gehörende Hand. Sie hatte den Ärmel betastet und ein paar tiefe Wunden an ihrem Ellenbogen gefunden. Zu ihrem Glück war auch dort kein Empfinden möglich. Sie hoffte nur, dass dies nicht Folgen haben würde.
Sarah watete durch das Meer von Körpern. Die meisten Patienten waren vulkanische Zivilisten. Sie saßen oder standen, je nach Art ihrer Verletzungen, erläuterten nüchtern ihre Symptome oder überließen schwerer verwundeten die wenigen Biobetten. Doch es gab auch Personen ohne der berühmten vulkanischen Logik und Emotionslosigkeit. Trat sah einen Vulkanischen Sternenflottenoffizier, der trotz eines offenen Brustkorbs samt enormen Blutverlust fast ausdruckslos auf einem Bett lag und an die Decke starrte. Er saß ziemlich am Rand um einem bolianischen Kleinkind Platz zu machen. Der Knabe war wohl um die acht Jahre alt und schrie wie ein am Spieß gebratenes Meerschweinchen, als ein medizinischer Crewman ihm vorsichtig einen Stahlsplitter aus dem Hals zog. Der Ausdruck des Starfleetangehörigen sagte alles. Der Junge würde vielleicht nicht überleben. Das Problem bestand im Blut. Die Medizinischen Replikatoren waren unabhängig von der regulären Energieversorgung und waren durchaus in der Lage, das Blut der meisten Lebensformen so nachzuahmen, dass die betreffenden Patienten längere Zeit ohne echtes Blut auskommen konnten. Doch leider gehörte der Lebenssaft der Bolianer nicht dazu. Vor vielen Jahren wäre ein erschöpfter Vorrat an Transfusionsblut Bador fast zum Verhängnis geworden. Trat wandte ihren Blick ab.
Sie versuchte sich in der Krankenstation zurechtzufinden. Sie war nicht viel größer als die anderer Raumschiffe, doch sie hatte zwei Jahre lang eine Sternenbasis kommandiert und war immer noch an die weitläufigen Sanitätsanlagen von Starbase 21 gewöhnt.
Sie entdeckte einen großen Rel'Tak, der in einer blutgetränkten Medo-Uniform gerade eine Todesurkunde unterschrieb. Der Leichnam wurde gerade von zwei Crewmen der technischen Abteilung weggetragen. Der Rel'Tak, ein Lieutenant Senior Class, bemerkte sie und nahm Haltung an. "Captain an Deck!", rief er, und ein paar wenige Personen nahmen Haltung an.
"Rühren Lieutenant. Haben Sie das Kommando?"
"Jawohl Captain."
"Gut. Wie ist die Lage?"
"Sir! Wir haben mehrere Patienten verloren. Die stabilisierten Personen haben wir in Shuttlehangar C untergebracht, aber ich fürchte dass wir dort nicht mehr als achtzig bis neunzig unterbringen können."
Das sah Trat natürlich ein. Shuttlehangar C war nur für den Notfall gedacht und gerade groß genug, um darin Reparaturen an einem Stardancer durchzuführen. Der verhältnismäßig winzige Raum war von vornherein als Notfalllager oder -Aufenthaltsraum konzipiert worden. Nun war Sarah froh, dass dort zur Zeit kein Jäger stationiert war.
"Gut. Haben Sie genügend Personal?", fragte sie dann. Der Rek'Tal versteifte sich ein wenig. Dass Blut auf den Boden tropfte bemerkte er kaum. Trat schätzte ihn auf etwa fünfzehn bis sechzehn Jahre alt. Vielleicht litt er schon an Derepsie, einer altersbedingten Krankheit die bei Rek'Talanern zu Anspannung und Gelenksschmerzen führen konnte.
"Ich persönlich bin nicht glücklich darüber, dass sich Doktor Rotal frei genommen hat."
"Er hat persönliche Gründe, Lieutenant, und das sollten wir alle respektieren."
"Ja, Sir, das tue ich ja auch. Nur... das MHN ist... wie soll ich es ausdrücken... inkompetent."
Wie auf's Stichwort stampfte ein Hologramm aus dem OP in den Hauptraum.
Sarah Trat traute ihren entsetzt aufgerissenen Augen nicht. Das Medizinische Holographische Notfallprogramm trug vorschriftsgemäß einen Arztkittel. Sonst aber nichts. Johnsons neue Routinen, die anfangs noch recht amüsant anzusehen waren, erwiesen sich in den letzten Stunden immer öfter als Ärgernis. Sie wusste, dass einige der holographischen Programme an Bord Probleme machten, aber dieses MHN war lebensgefährlich. Das MHN warf ein blutiges Laserskalpell unachtsam von sich und stolzierte auf den nächstliegenden Vulkanier zu. "Operation gelungen. Patient tot!"
Der Tel'Rak-Lieutenant stürzte sofort in den OP und überzeugte sich davon, dass das MHN sich nur einen makaberen Scherze erlaubt hatte.
"Doktor!", schnauzte Trat das Hologramm an. Dieses drehte sich zu ihr um, nachdem er ihr sein Hinterteil gezeigt hatte. Gnädigerweise schien das MHN anatomisch nur in den normalerweise verhüllten Grundzügen korrekt zu sein.
"Jaaaaaa?", fragte der Doktor und schüttelte sein volles Haar. Trat bemerkte erst jetzt die spitzen Ohren. Der Programmierer kam wohl von Vulkan. Unter (ganz) anderen Umständen hätte sie diese Situation durchaus amüsiert.
"Reißen Sie sich zusammen. Hier stehen Leben auf dem Spiel!"
"Sie meinen das Spiel des Lebens?", fragte der Holodoc und gab dem verbrannten Ohr des neben ihm sitzenden Patienten einen Klapps. "Das haben wir gleich wieder." Dann führte er beiläufig einen Hautregenerator an die Wunden heran.
"Ja, genau das. Tun Sie Ihre Arbeit oder ich lasse Ihre Matrix reinitialisieren!"
Das saß. Mit hoch gezogenen Augenbrauen schreckte das MHN zurück und wechselte von einem breiten Grinsen zu einem Schlechte-Laune-Gesicht, wie es Kinder zeigen, denen man das Spielen untersagt hat. "Wie Sie wünschen." Daraufhin verschwand sein Kittel und wurde (einige Sekunden später) von einer Standarduniform mit den Rangabzeichen eines Commanders ersetzt. Notfallprogramme waren normalerweise die ranghöchsten Offiziere an Deck da sie nur eingesetzt wurden, wenn der Chef der Abteilung außer Dienst war oder die Hologramme nur als Hilfskräfte gebraucht wurden.
Der Doktor packte unsanft Trats linken Arm. Die letzte Version des MHNs, die schon bald durch eine neue ersetzt werden sollte, war die erste, die keinen Tricorder benötigte um die Leiden der Kranken zu bestimmen. Der Doktor war ständig mit den Sensoren der Krankenstation verbunden. Trat wollte lautstark protestieren, doch aufgrund des Schmerzes, den sie in der Hand verspürte, wurde eher ein wütendes Grunzen daraus. Nach einer kurzen Begutachtung seitens des Arztes presste das MHN der Captain ein Hypospray an die Schulter und ließ den Hautregenerator über die verletzten Stellen wandern. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab - beleidigt, wie es schien - und suchte sich ein neues Opfer aus.
Der Rek'Tal-Lieutenant von vorhin drängte sich wortlos an ihr vorbei. Er half einem Crewman der Technischen dabei, ein totes Crewmitglied aus dem Operationssaal zu tragen. Der Techniker am Kopfende der Bahre war der selbe wie der, welcher vorhin einem seiner Kollegen bei der selben Tätigkeit geholfen hatte. Der arme Mann war zum Leichentrage abkommandiert worden.
Sich wünschend, auf Deep Space One einen Counselor angefordert zu haben, verließ Captain Trat die Hauptkrankenstation. Im Turbolift gab sie ihr Ziel, den Shuttlehangar A, an, und während der Fahrt massierte sie ihren Arm. Wie üblich hinterließ der Einsatz eines Hautregenerators ein unangenehmes Kribbeln. Die Situation auf der Krankenstation - auf jeder der Krankenstationen - war schlechter als sie es erwartet hatte. Mittlerweile stellte sie ihren eigenen Entschluss in Frage, dem Chefarzt leichtfertig frei gegeben zu haben. Sie hatte Metek Rotal nur einmal auf einer Tagung auf Helia getroffen. Damals waren und sie ihre Schwester in privater Sache dorthin gereist. Sarah kannte den Arzt also nicht persönlich, und darum fiel es ihr ein wenig leichter ihn zu rufen.
"Trat an Doktor Rotal."
Der Turbolift kam an seinem Ziel an. Vor Trat erstreckte sich ein langer Gang mit ein paar wenigen Türen auf der rechten Seite und vielen Panoramafenstern auf der linken. Geradeaus befand sich in einiger Entfernung ein Schott mit gelben Warnmarkierungen. Dahinter lag der luftleere Hangar A. Dort wurde zur Zeit fieberhaft an der Wiederherstellung der Atmosphäre gearbeitet.
Die Captain trat aus der Kabine. Rotal hatte sich nicht gemeldet.
"Captain Trat an Metek Rotal", versuchte sie es genauer. Gut möglich, dass das Komm-System schon wieder ausgefallen war.
"Rotal hier.", meldete sich dann eine müde klingende Stimme. "Was kann ich für Sie tun?"
"Es tut mir leid Sie zu belästigen. Aber Sie werden auf der Krankenstation gebraucht."
"Verstanden.", sagte der Waraki nach einigem Zögern. "Ich werde bald dort eintreffen. Rotal Ende."
Lieutenant Etkins brütete über seinen Kontrollen. Die Hauptbrücke war immer noch in absolute Dunkelheit getaucht, wenig erleuchtet lediglich von seiner Helmlampe. Die dicke Handschuhe seines Raumanzugs waren denkbar ungeeignet, um derart filigrane Arbeiten durchzuführen wie das Reparieren einer durchgebrannten Energieleitung. Aber Bador hatte den Großteil der verfügbaren Techniker auf die Dignity geschickt. Die Brückenoffiziere mussten die Systeme selbst wieder in Stand setzen.
Irgendwo hinter ihm fluchte jemand. Sie vermutete, dass es Commander Seth war, denn außer ihm selbst war nur noch die Sicherheitsoffizierin und Lieutenant J'Kolan zugegen. Und letztere saß neben ihm an ihrer Wissenschaftskonsole, vertieft in eine Analyse ihrer Systeme.
Etkins drehte sich langsam zu Seth um. Der Anzug war unbequem und ziemlich starr. Schnelle Bewegungen waren kaum möglich, zumal nach vor kurzem die künstliche Gravitation ausgefallen war. Ein schweres Problem für die tertiäre Pädiatrie auf Deck Zwei. Es kam aber zu keinen Opfern. Zum Glück für Seth. Mittlerweile war bekannt, was passiert war: Chief Bador hatte ihr ein falsches Werkzeug in die Hand gedrückt. Seth hatte unbeabsichtigt die Hauptenergieleitung lahmgelegt.
Die selbe Seth hielt sich nun an Haltegriffen in der Decke fest und langte nach einem Schraubenschlüssel der von ihr wegtrieb.
Etkins benötigte den seinen im Moment nicht und gab ihm einen Schubs in Richtung der unflätig fluchenden Sicherheitschefin.
"Alles Gute kommt von unten", kommentierte er und grinste trotz der prekären Lage.
"Danke Lieutenant" war alles, was von oben kam.
Eine Weile war es wieder ruhig im Kommkanal. J'Kolan beendete ihre Arbeit und betätigte dann probeweise ein Schaltelement. Es blieb dunkel. Etkins erhob sich aus seinem Stuhl und wanderte zur nahen Wissenschaftsstation. Dort angekommen bäugte er sich über die Schulter der Xindi und sah eine Weile ihren Bemühungen zu. Dann bemerkte sie ihn und ließ vor Schreck ihr PAD fallen.
"Darf ich mal?", fragte Etkins. J'Kolan beruhigte sich schnell und nickte knapp. Vorsichtshalber stand sie auf und entfernte sich ein wenig von ihrem Sitz. Etkins besah sich die dunklen Kontrollen. Dann schüttelte er den Kopf, zuckte mit den Schultern und trat so fest es der Anzug erlaubte gegen die Verkleidung. Bevor J'Kolan protestieren konnte sprangen die Lichter und Holobildschirme im vorderen Bereich der Hauptbrücke wieder an.
J'Kolan gab einen kurzen Jubel von sich, beendete ihn aber schnell wieder als sie feststellte, dass keiner mit jubelte. Es war nur ein kleiner Fortschritt.
"Maschinenraum an Brücke. Bereiten Sie sich auf Schwerkraft vor."
"Verstanden.", antwortete Seth. Als ranghöchster Offizier hatte sie das Kommando der Reparaturarbeiten der Brückensysteme. Sie magnetisierte ihre Stiefel und machte sich bereit dafür, plötzlich nicht mehr gefahrlos an der Decke herumschweben zu können. Beiläufig wünschte sie sich eine jener kleinen Antigravplattformen, doch die wurden für die Verwundeten gebraucht.
Die Gravitation setzte langsam wieder ein. Sie begann an Seths Körper zu zerren. Sie hatte vergessen ihre Werkzeuge in die Halterungen an ihrem Gürtel zu stecken. Jetzt glitten sie sanft dem Deckboden entgegen. Doch das war unerheblich. Ihre Arbeiten an den Energieleitungen der Lebenserhaltung waren sowieso abgeschlossen. Glücklicherweise hatte Badors Fehler nur zu einer Überlastung geführt. Genauso gut hätte jedes einzelne Relay an Bord explodieren können. Nun, in dem Fall hätte sich zumindest der Stress mit der Reparatur in Wohlgefallen aufgelöst.
Während die Sicherheitschefin die Decke entlang krabbelte, um die Leiter an Steuerbord zu erreichen, zischte die Ventilation und versorgte den Raum wieder mit atembarer Atmosphäre. Dankbar nahm Etkins den Helm ab. Er hasste Raumanzüge. Er hatte einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Kindheit darin verbringen müssen. Lorna besaß keine Atmosphäre; wer außerhalb der Sklavenkolonie arbeiten musste hatte eben Pech gehabt.
"Ah, endlich frische Luft!", rief J'Kolan. Auch sie schien nicht viel von Raumanzügen zu halten. Etkins fühlte sich nicht ganz wohl in ihrer Nähe. Immer, wenn er schuppige Haut und geschlitzte Pupillen sah, kamen schlimme Erinnerungen hoch. Aber J'Kolan schien nicht der typische Reptilianer zu sein. Sie war leicht hyperatkiv und irgendwie immerzu nervös. Etkins war sich durchaus bewusst, dass sein Unbehagen ihr gegenüber genauso unbegründet war wie das, welches er dem warakischen Chefarzt entgegenbrachte. Bei J'Kolan kam hinzu dass sie wohl nicht einmal einer Fliege etwas zuleide tat. Vielleicht hätte sie mehr Angst vor der Fliege gehabt als umgekehrt.
Lucia Seth, am Boden der Tatsachen angekommen, entfernte ebenfalls ihren Helm. Im selben Moment öffnete sich die Turbolifttür. Überrascht wandten sich die drei anwesenden Offiziere um. Die Kabinen funktionierten momentan nicht.
Die Schotts wurden beiseite geschoben und verblieben aufgrund einer magnetischen Notfallsicherung in den Vertiefungen. Commander Takeruci klammerte sich an der Wartungsleiter fest und wünschte sich sichtlich an jeden anderen Ort im Multiversum. Er steckte in einem Raumanzug - deswegen hatte er wohl die engen Jeffreysröhren gemieden - und krabbelte auf die Brücke. Als er sah, dass die Brückenoffiziere keine Helme trugen nahm er den seinen ebenfalls ab. Nicht ohne sich verarscht zu fühlen.
"Meine Herrschaften, ich muss Ihnen mitteilen, dass Sie alle an Bord der Dignity gebraucht werden."
"Aber Sir, wir sind hier oben noch nicht fertig!", protestierte Commander Seth.
"Ich muss Misses Seth recht geben, Commander. Wir haben..."
Takeruci hob abwehrend die Hand.
"Mir ist bekannt, dass wir hier oben eine Menge Arbeit haben. Aber wir dürfen uns die Chance, ein Z'Sordo Schiff von innen zu begutachten, nicht durch die Lappen gehen lassen. Commander Seth, Sie werden die Waffensysteme in Augenschein nehmen. Mister Etkins, Sie versuchen mehr über die Tarnung herauszubekommen. Ich weiß, das ist nicht Ihr Aufgabenbereich, aber ich kann nicht noch mehr Leute von der Technischen abziehen. Und Sie", und dabei zeigte er auf J'Kolan, die instinktiv zusammenzuckte und einen Meter unscheinbarer geworden zu sein schien, "Für Sie hat der Captain einen ganz besonderen Auftrag."
Der D7 Kampfkreuzer Dignity der Z'Sordo Befreiungsarmee war ein fliegendes Wrack. Das hatten die Sensoren der Ares schon nach dem Ausfall der gegnerischen Schilde ergeben, doch der Anblick, der sich Lieutenant Commander Bador nach seiner Materialisierung darbot, war schlichtweg katastrophal. Vielleicht nehmen wir unsere Technik als zu selbstverständlich. Nein. Das war falsch. Bador hielt prinzipiell überhaupt nichts für selbstverständlich. Und er hatte Hochachtung vor jeden Ingenieur, der gut und schnell arbeitete. Seine Leute hatten in wenigen Stunden alle Transporter wieder einsatzbereit gemacht.
Nun, ihm standen ja auch Dutzende von Untergebenen zur Verfügung. Das Kommandants Ersatz Hologramm 8652 erledigte hier alles selbst.
Eben dieses Hologramm saß in einer Ecke und überprüfte Berichte auf Starfleet PADs. Er sah aus wie ein in die Ecke getriebenes Tier das darauf wartete, entweder vom Jäger oder seinen Artgenossen getötet zu werden. Ob seine Leute das wohl verstehen werden? Wohl eher nicht. Hologramme wurden üblicherweise nicht wie organische Lebewesen behandelt, obwohl sie laut der Charta der Föderation mittlerweile - sofern sie Intelligent waren und nicht nur Holodecksimulationen - die selben Rechte hatten wie alle anderen Bürger der Föderation. Dieses Z'Sordo Äquivalent eines THN erwartete vermutlich die Reinitialisierung. Im besten Fall.
"Mein Name ist Bador.", stellte sich Bador vor und reichte 8652 seine Hand nach Art der Menschen. Bolianer zogen eine herzliche Umarmung als Begrüßung vor, doch er hatte die Erfahrung gemacht, dass viele Spezies den Brauch der Terraner teilten, sich zum Gruß die Hand zu schütteln.
Das Hologramm hingegen ging nicht darauf ein. Es sah schon viel gesünder aus - Torik hatte sich als Erstes um seine Holoemmitter gekümmert. Dabei hatte sich 8652 deaktivieren müssen - mürrischerweise, wie man Bador mitgeteilt hatte, und das zu Recht. Denn nachdem er fort war und Torik nach den fehlerhaften Schaltkreisen und Prozessoren suchte durchkreuzten zehn Sicherheitsteams das Schiff und suchten nach versteckten Soldaten und geheimen Waffensystemen. Erstere fanden sich gar nicht, zweitere im infunktionellen Zustand. Manche davon waren klingonischer Natur und waren Jahrhunderte alt. Bador kramte in seinem Gedächtnis nach den Daten über die verschiedenen D7-Versionen. Den Markierungen zufolge stammte das Schiff noch aus der Zeit vor dem großen Romulanisch-Klingonischen Technologieaustauschprogramm im 22. Jahrhundert. Der Bolianer wollte lieber nicht wissen, gegen wie viele Föderationsschiffe es schon gekämpft hatte.
Er stellte fröstelnd seinen Koffer ab und sah sich noch einmal genauer um. Die künstliche Gravitation war offensichtlich wieder hergestellt. Auch die Lebenserhaltungsprogramme arbeiteten wieder. Doch die Luft roch muffig und alt. Sie war nie geatmet und deshalb selten aufbereitet worden. Ein merkwürdiger Geruch stach ihm in die Nase. Er schnüffelte kurz, wie er hoffte, sehr diskret. Dann sog er tief die Luft ein, probeweise. Er musste husten, und seine Gesichtsmuskulatur lief Amok.
"Sie haben recht, hier riecht es tatsächlich nach Kühlmittel. Ich arbeite seit Monaten daran, aber es schadet mir nicht und hat daher mindere Priorität.", sprach das Hologramm 8652 und grinste wölfisch. Es schien sich nicht daran zu stören, dass niemand den Chefingenieur vor möglicherweise toxischen Stoffen gewarnt hatte. Viele Menschen wussten gar nicht, dass Bolianer ausgesprochen feine Nasen hatten, ganz im Gegenteil zum Geschmacksinn, der recht unterentwickelt war. Im Übrigen teilte Bador die Vorliebe vieler seiner Artgenossen für verwesendes Fleisch nicht. Einer seiner Vorfahren war kein Bolianer gewesen. Bador wusste nicht, wann sein artfremder Ahn gelebt hatte, aber es lag weit zurück. Seine Gene waren mittlerweile inaktiv, doch ein paar wenige Eigenheiten hatten sich in Badors Familie eingeschlichen, zum Beispiel eben diese Abneigung gegen Gammelfleisch. (Seine Frau InXya hingegen war ganz wild darauf.)
"Ist es gefährlich?", fragte Bador und zog seinen Tricorder. Zum Glück zeigte das Gerät einen unwesentlichen toxischen Anteil an - das Hologramm antwortete nicht, spielte statt dessen wieder an seinen Kontrollen herum. Bador fragte sich, ob 8652 ihn einfach ignorierte oder ob die Arbeiten der Starfleet Ingeneure überprüfte. Umgekehrt hätte der Bolianer es ebenso gehandhabt - ein fremder Techniker hätte nicht unbemerkt in seinem Maschinenraum herumgepfuscht.
"Ich hörte, dass Sie Probleme mit den Bug Kompensatoren haben?", meinte Bador.
Wütend schleuderte das Hologramm sein PAD fort und stand auf. Überrascht stellte Bador fest, dass es größer als er selbst war - und für bolianische Verhältnisse war Bador extrem groß.
"Darauf können Sie sich verlassen, Kohlenstoffmann! Immerhin haben Sie mir meinen Bug weggeschossen!"
"Weil Sie uns angegriffen haben.", entgegnete bador ruhig.
"Ich gab Ihnen mehrfach die Möglichkeit zur Kapitulation", konterte 8652. Bador fragte sich, ob das Hologramm in irgendeiner Form des Kriegsmodus' war und seine Befehle für wichtiger als Logik hielt. Vielleicht lag aber auch nur eine Überlastung vor. Viele primitive Holoprogramme tendierten nach einem längeren Ausbleiben von Wartung (bei langer Benutzungsdauer) dazu, nicht einwandfrei zu funktionieren. Ihm wurde übel bei dem Gedanken, seine Freizeit zu opfern um die Notfallprogramme der Ares wieder instand zu setzen. Johnsons Späßchen waren diesmal eindeutig zu weit gegangen.
"Aber das ist jetzt nicht mehr so wichtig", ließ 8652 überraschend vom Thema ab. "Es geht jetzt nur noch darum, mein Schiff wieder zu reparieren."
"Und diplomatische Kontakte zu knüpfen.", fügte Bador hinzu. "Wo kann ich anfangen?"
26. September 2426
ZHSA Dignity
Sektor Drei Drei Fünf
Bador hatte sich die Systeme des Schiffes nicht so kompliziert vorgestellt. Das lag paradoxerweise am klingonischen Hang zum Primitiven. Die Starfleet Leitungsknoten waren zwar, auf dem ersten Blick, kompliziert aufgebaut, doch sie waren logisch angeordnet, und wer wusste, wonach er Ausschau zu halten hatte, konnte sich wunderbar orientieren. Auf Vordia lernten Teenager so etwas auf der Hohen Technischen Fakultät, sofern sie ein entsprechendes Fach belegten.
Klingonen hingegen hatten eine Vorliebe dafür, möglichst viele Kabel in einen Gummiüberzug zu stecken und darauf zu vertrauen, sich nie mehr damit beschäftigen zu müssen. Bador musste jetzt erst einmal jeden Strang einzeln scannen um überhaupt herauszufinden, wobei es sich dabei jeweils handlte.
Das Kommandantsersatzhologramm 8652 stand mit verschränkten Armen hinter ihm und überwachte jeden seiner Handgriffe.
Nach drei Stunden war er mit dem ersten Durchgang fertig und kramte dann in seinem Koffer nach einem Energiekonverter. In seinem Hinterkopf brodelte Ärger, denn in dieser langen Zeit hatte er lediglich eine Konsole entschlüsselt. Immerhin konnte er einzelen Stränge später vielleicht identifizieren und ein wenig Zeit einsparen. Aber es gab noch etwas anderes, das ihn beinahe wütend machte.
"Und? Wieso?", fragte Bador als er sich nicht mehr zurückhalten konnte.
"Und wieso was?", fragte 8652 und schien sich nichts weiter zu denken.
"Wieso haben Sie Vulkan angegriffen?"
"Das hat Sie nicht zu interessieren."
"Das hat es sehr wohl!" Bador wandte sich von seiner Arbeit ab und setzte sich mit dem Rücken zur Wand auf den Boden. "Vulkan ist... war ein Mitglied der Föderation. Wir haben Sie nicht zu diesem Angriff provoziert."
"Mein Volk wurde über Generationen hinweg von den Romulanern unterjocht.", fuhr das Hologramm hoch. Es erschien ihm ein logischer Zusammenhang zu sein.
"Aber die Romulaner... Die Föderation ist nicht das Romulanische Imperium!"
Bador glaubte nicht, was er da hörte. Basierte die Vernichtung des Vulkans auf einem fatalen Missverständnis?
Offenbar nicht.
"Die Föderation hat sich nie darum geschert, wie es den Z'Sordo ergangen ist. Ich bin mit der Geschichte vertraut, Kohlenstoffmann. Die Föderation ist im Dominion Krieg eine Allianz mit den Spitzohren eingegangen! Sie haben einem diktatorischen System geholfen! War Ihnen das nicht klar?"
"Aber das liegt lange zurück."
"Mord verjährt nicht. Diesen Satz habe ich aus einer Ihrer Datenbanken." Das Hologramm kam drohend näher. Bador fragte sich, wie physich stark es programmiert worden war. Wenn es handgreiflich wurde war der Bolianer vielleicht nicht stark genug, um sich gegen die das Licht zusammenhaltenden Kraftfelder zur Wehr zu setzen.
"Die Föderation hat dabei zugesehen wie sich die Romulaner im ganzen Beta Quadranten ausgebreitet haben. Was haben Sie getan, um den anektierten Planeten zu helfen? Nichts! Mein Volk wird seit weit mehr als fünfhundert Ihrer Jahre versklavt und zum Bau von Kriegsschiffen gezwungen." Grinsend wandte sich 8652 um und stolzierte davon. "Wir holen uns lediglich zurück was uns gehört. Sie haben nichts getan, um meinem Volk zu helfen. Wieso hätten wir auf Föderationsbürger achten sollen?"
Damit verschwand 8652 in einem Korridor und hinterließ einen nachdenklichen Bador. Wir stecken tiefer in der Scheiße als wir dachten.
Bador wollte sich wieder seiner Arbeit zuwenden. Es war ihm unklug erschienen, seine Abneigung gegen diese Tätigkeit dem Hologramm gegenüber zu erwähnen. Aber er wäre wirklich lieber an Bord der Ares geblieben und hätte dort die Reparaturen überwacht. Aber Sarah Trat hatte den Arbeiten am D7 größere Priorität eingeräumt - der diplomatischen Grundlage wegen. Nachdem der erste trupp die tatsächlichen Schäden gemeldet hatte entschloss sich Bador dafür, fast seine ganze Technikercrew hinüberzuschicken, um die ihm gestellte Aufgabe möglichst schnell zu lösen.
Allerdings unterliefen ihm in letzter Zeit immer wieder kleinere Fehler. Nun, die meisten waren eher unbedeutend - doch das Ausfallen das Waffensysteme konnte nicht wirklich als harmlos bezeichnet werden. Bador rieb sich seine schmerzenden Augen. Wie lange hatte er nicht geschlafen? Zwanzig Stunden mindestens, dachte er bei sich und zog eine Karaffe Kaffee aus seinem Koffer. Auf seinen Metabolismus wirkte das Gebräu wesentlich stärker als auf den der Menschen, weshalb er es eher selten zu sich nahm.
Er nahm einen Schluck und schloss zufrieden die Augen. Er dachte an zuhause und musste lachen bei dem Gedanken, dass InXya Kaffee nicht leiden konnte.
Als er das vertraute Geräusch eines Beamvorgangs hörte öffnete er die Augen wieder.
Vor ihm materialisierte Commander Takeruci in einer frischen, sauberen Offiziersuniform. Die Jacke war reinweiß und wieß sogar einen Orden auf der linken Brust auf. Bador wusste weder, was der zu bedeuten hatte, noch interessierte es ihn. Der Vorschriften halber stieß er sich von der Wand ab und nahm Haltung an. Er trug lediglich einen orangen Overall mit grauen Schulterpolstern, die ihn als Offizier auszeichneten. Die reguläre Uniform war ihm oft zu unbequehm, daher legte er sie nur selten an.
"Commander Bador?", fragte der Erste Offizier ungläubig und starrte den Bolianer an, als habe er noch nie einen gesehen. "Hat Ihnen der Captain nicht zwölf Stunden Erholung befohlen?"
"Sie hat es mir nahegelegt", versuchte Bador sich herauszureden. Er wollte keine Konfrontation mit Yoshiki riskieren - der Mann mochte ihn so schon wenig genug.
"Für mich klang es eher nach einem Befehl.", kommentierte Takeruci in bestimmenden Tonfall. "Sie kehren sofort auf die Ares zurück. Wenn ich Sie vor morgen..." Er checkte seinen Handgelenks-Chronometer, "Vor heute Nachmittag, Vierzehn Uhr, wieder im Dienst sehe stecke ich wegen Befgehlsverweigerung in den Arrest."
"Aye, Sir!", bestätigte Bador und sammelte sein Werkzeug ein. Es gefiehl ihm gar nicht, seine Arbeit unterbrechen zu müssen. Er wollte mit Sarah darüber sprechen, sobald er sie gefunden hatte - sie war wohl immer noch auf ihrer Inspektionstour. Aber innerlich meldete ihm sein Körper, dass er das nicht tun würde. Er würde sich in sein Bett legen und zwölf Stunden durchschlafen. Er teilte Transporterraum Zwei seine Ankunft mit und war erschöpft, aber irgendwie auch froh, als er in sein Bett fiel und von seiner Familie träumte.
Yoshiki Takeruci war stinkauer ob dieser Mißachtung von direkten Befehlen. Wieso, fragte er sich zum wiederholten Male, nimmt sich dieser Kerl immer das Recht heraus, Befehle einfach zu umgehen? Nur weil er mal Captain war? Dann hätte er es eben bleiben sollen! Und eine engere Freundschaft mit dem Kapitän ist ebensowenig ein Grund für Revolution.
Takeruci machte sich eine mentale Notiz zum Thema "Bador-Tadeln" und fuhr sich mit der Hand durch die kurzen schwarzen Haare. Wie immer bemerkte er, dass sich ein paar graue Haare zwischen den Fingern verfangen hatten. Himmel, ich werde langsam zu alt für solchen Unsinn.
Kopfschüttelnd begab er sich auf die Suche nach Lieutenant J'Kolan. Sie erledigte irgendwo in der Antriebssektion des D7s ihren Spezialauftrag. Yoshiki hoffte inständig auf einen Erfolg, denn dieses Schiff verriet praktisch keine neuen Informationen über die Z'Sordo-Technik. Vielleicht war es deswegen für die Verfolgung ausgesandt worden. Immerhin hatte Mister Etkins schnell gearbeitet und innerhalb weniger Stunden die Funktionsweise der z'sordianischen Tarnvorrichtung entschlüsselt. In Hinkunft würden die Sensoren in der Lage sein, getarnte Schiffe des Feindes genau orten zu können.
Vielleicht.
Auf seiner Suche nach der Xindi Reptilianerin durchquehrte er fast die Hälfte des übrig gebliebenen Rumpfes. Das Schiff war übel zugerichtet worden, woran die Zeit sicher nicht unschuldig war. Das Hologramm der Z'Sordo führte kein Logbuch, doch der Hauptcomputer aktualisierte ständig eine Datei mit den Schiffsoperationen. Offenbar hatte sich auf der Dignity seit Jahren kein lebendes Wesen mehr blicken lassen.
Immer wieder kam Yoshiki an Crewmitgliedern der Ares vorbei. Manche steckten zur Hälfte in Wartungsschächten und bemerkten ihn gar nicht, andere nahmen Haltung an. Takeruci grüßte knapp und schritt schnell voran, immer sein Ziel vor Augen: den Maschinenraum. Entweder war J'Kolan ebenfalls dort oder Yoshiki fand dort einen Crewman der wusste, wo sich die schuppige Lieutenant versteckt hielt. Nachdem der Erste Offizier eine halbe Stunde durch die Gänge geirrt war - er hatte sich wohl nur eingebildet, sich den Weg aus den Schemata gemerkt zu haben - bereute er es, J'Kolan befohlen zu haben sich ein gutes Versteck zu suchen. Ein stilles Plätzchen.
Nachdem weitere zehn Minuten vergangen war wurde Takeruci ungeduldig und klopfte auf seinen Kommunikator. "Takeruci an Lieutenant J'Kolan."
"Ich bin über Ihnen, Commander!", rief eine Stimme von oben. Augenblicklich hob Yoshiki den Kopf und erspähte ein Lüftungsgitter in der Decke. Dahinter lag die reptiloide Wissenschaftsoffizieren auf dem Rücken und hantierte offenbar mit unsichtbaren Werkzeugen. "Ich wollte Sie schon viel früher rufen, Commander. Ich, äh, mein Auftrag ist ziemlich erledigt... Ich glaube nicht, dass das Hologramm etwas bemerkt hat."
"Sehr gut, Lieutenant. Wenn ich mir die indiskrete Frage erlauben darf: wie sind Sie da hinauf gekommen?"
"Naja, ich wurde... heraufgebeamt. Sie wollten doch keine sichtbaren Eingriffe, Commander... Ausserdem passe ich mit meinen, äh, Haardornen nicht durch die Zugangstunnel.... Wenn Sie schon da sind, Commander... Meine Kommuniaktor ist ausgefallen, äh, ich meine, ähhhm, hinuntergefallen...."
Takeruci senkte den Blick und sah ein Starfleetabzeichen mit einem goldenem und einem schwarzen Balken am Boden liegen - das Rangabzeichen eines Junior Lieutenants. Der Erste Offizier fragte erst gar nicht, wie das Ding nach unten gelangt war - die Maschen des Lüftungsgitters waren ziemlich klein. Mit wenigen Worten veranlasste er, dass Fähnrich Brix'hx in Transportraum Zwei die Xindi wieder an Bord der Ares zu beamen. Damit war der wichtigste Auftrag des Tages erledigt.
Der Commander suchte noch ein halbes Dutzend Techniker auf und erkundigte sich nach deren Fortschritten. Bald darauf verließ er die Dignity mit dem Wissen, dass das Schiff in weniger als einem Tag flugtauglich war. Damit hatte die Ares ihren Teil der Vereinbarung eingehalten. Jetzt lag es an Captain Trat, das Hologramm dazu zu bringen, das selbe zu tun.
Es war fünfzehn Uhr Bordzeit. Kommandantsersatzhologramm 8652 fand sich nach seiner abenteuerlichen Reise durch die Systeme des Föderationsbalgs, der USS Ares, im Raum des Captains ein. Die Frau war menschlich und wäre auf Sord sicherlich sehr aufgefallen. Im Vergleich mit Z'Sordo wirkten die Menschen schmächtig, beinahe zerbrechlich, obwohl die beiden Spezies sich äusserlich nur in Details unterschieden. Den Terranern fehlten die Horndornen, die fast den gesamten Körper eines jeden Z'Sordo zierten, und ihre Pupillen waren irritierend rund. Am schlimmsten aber war ihre Haut. Trat zum Beispiel hatte eine kränkliche helle Hautfarbe, der Pilot Etkins, der unverschämterweise die Z'Sordo Tarnvorrichtung gescannt hatte, war recht dunkel. Bei den Z'Sordo waren alle grau.
Überhaupt schien diese Sarah Trat ein merkwürdiges Wesen zu sein. Eine Frau als Kommandantin war nicht ungewöhnlich. Aber 8652 fragte sich ernsthaft ob eine so friedliche Person an Bord eines Kampfschiffes die richtige Wahl war. Zugegeben - sie hatte die Dignity zu Schrott geschossen. Und dabei die Kommandobrücke vaporisiert, in dem sich das einzige andere Hologramm des Schiffes, Kommandantsersatzhologramm 7334, befunden hatte. Aber 8652 bezweifelte nicht eine Sekunde, dass ein jeder X-beliebiger Kommandant der Befreiungsarmee die Ares in der umgekehrten Situation sofort zerstört hätte. Vom Weichei, dem ehemaligen Highgeneral Jebek, einmal abgesehen.
Trotzdem blieb 8652 bei seiner anfänglichen Meinung über die Menschheit: dass sie primitive, hinterlistige Sklaventreiber waren die sich einen Dreck um das Wohl anderer scherten. Daran war seine Programmierung nicht unschuldig. Aber auch 7334s Tod hatte seinen Beitrag geleistet.
"Willkommen an Bord der Ares.", begrüßte ihn Captain Trat und riss ihn aus seinen Gedanken.
"Wie Sie sicherlich bemerkt haben ist unser Schiff mit Holoemmitern ausgestattet. Sie können überall existieren, aber Ihr Zugang wird auf die Decks Eins, Zwei und Drei beschränkt sein solange Sie unser Gast sind."
Trat betonte das Wort "Gast" und meinte damit Gefangener, so schien es 8652. Er hatte sich nicht freiwillig an Bord begeben und war von der Captain fast dazu genötigt worden. Mit Unbehagen hatte er festgestellt, dass die Ares ihre Waffensysteme aktiviert und auf die Dignity gerichtet hatte, sobald die Starfleet Techniker sie verlassen hatten.
"Ich fühle mich nicht wohl", beschwerte er sich und sprach die Wahrheit. "Ihre Emmitter sind falsch eingestellt."
"Unsere Emmitter sind nicht korrekt ausgerichtet, das stimmt. Ihre Matrix ist leider nicht komplett mit der unseren kompatibel. Mein Chefingeneur hat sich Mühe gegeben, die Diskrepanzen zu verkleinern, und ich bin sicher, dass wir Ihnen bald einen mobilen Emmitter replizieren können. Den dürfen Sie dann nach Belieben modifizieren. Aber wir wollen zur Sache kommen."
Trat betätigte ein paar Bedienelemente. Hinter ihr, leicht nach links versetzt, erwachte ein Bildschirm zum Leben und stellte für einen kurzen Augenblick das Föderationsemblem dar. Nur zwei Sekunden später wechselte das Bild und zeigte den Vulkan samt seines Schrottmantels. Es war eine Realzeitübertragung, vielleicht von einer Sonda übermittelt, auch wenn 8652 nicht mitbekommen hatte, ob die Ares eine gestartet hatte oder nicht. Ganz offensichtlich waren viele Wracks schon der Gravitation des Vulkans zum Opfer gefallen und auf dessen Oberfläche gekracht. Die Wolke aus Metall und toten Körpern war weit weniger dicht als am gestrigen Tag.
"Sie wissen, was das ist", sagte Trat; es war keine Frage. Ihre Stimme beinhaltete einen scharfen und befehlshaberischen Ton sowie eine leichte Drohung. Vielleicht war 8652s Einschätzung, Trat wäre friedlich, ein wenig verfrüht gewesen.
"Ich weiß was das ist.", antwortete das Hologramm trotzig und versteifte sich. Emotionen kochten und drangen an die Oberfläche. Doch 8652 wollte nicht riskieren, das Oberhaupt seiner Feinde zu provozieren - zu sehr hing seine Existenz im Moment von ihrem Wohlwollen ab.
"Und ich bereue nichts", fügte er hinzu und schob das Kinn vor. Man hatte ihn ein relativ schmächtiges Erscheinungsbild verpasst, doch er war sehr kräftig. Dummerweise wussten die Föderierten das nun.
"Ich habe mit meinem Chefingeneur gesprochen. Er berichtete mir, dass Sie die Föderation als Feinde ansehen. Ich würde gerne eine Erklärung aus Ihrem Munde anhören."
"Mein Volk und ich sind Ihnen keine Erklärung schuldig, Kohlenstofffrau."
"Dann haben wir beide wohl eine sehr unterschiedliche Auffassung von Recht und Unrecht. Auf Vulkan starben mehr als drei Milliarden unschuldige Vulkanier und hunderte andere Föderationsbürger - von den geschätzten zwei Millionen Romulanischen Soldaten und Siedlern will ich noch gar nicht sprechen! Ich denke schon, dass Sie sich verdammt noch mal zu rechtfertigen haben für diesen unprovozierten Angriff auf Föderationsbürger, mit denen Sie sich nicht im Krieg befanden!"
"Wir befinden uns bereits mit Ihnen im Krieg, Captain. Sie wurden in dem Moment zu unseren Feinden, als Sie beschlossen, den Romulanern dabei zuzusehen wie sie ein diktatorisches Regime aufbauten und eine Welt nach der anderen unterjochten! Geben Sie es zu, Captain. Wäre Vulkan nicht ein Mitglied Ihrer ach so großartigen Föderation würden Ihre Spinnen nicht danach greifen."
"Sie wissen ebensogut wie ich, dass die Aussenpolitik der Föderation vorsieht..."
"Ihre Aussenpolitik hat sich nicht um uns gekümmert, Kohlenstofffrau. So einfach ist das. Ihr Feindstatus wurde spätestens mit Ihrem Bündnis während des Dominion Krieges bestätigt."
"Der Dominion Krieg liegt ein halbes Jahrhundert zurück!"
"Angenommen, die Borg würden zehn Jahre lang auf Angriffe verzichten - würden Sie mit Ihnen Tee trinken gehen?", konterte 8652.
"Nein, ich mag nämlich keinen Tee. Ausserdem ist das ein sehr merkwürdiges Gleichnis. Wir sind nicht die Borg. Wir sind auch nicht die Romulaner."
"Nein. Nein, das sind Sie tatsächlich nicht. Aber Sie sind Mittäter. Ich habe auf dem Weg zu Ihrem Büro Ihre Datenbank heruntergeladen - immerhin haben Sie mein Schiff ebenso auf den Kopf gestellt. Ihr Rechtssystem sieht eine Bestrafung für Mittäterschaft vor."
"Wir sehen einen Angeklagten auch so lange als unschuldig an, bis seine Schuld bewiesen wurde.", gab Trat zu bedenken.
"Verstehen Sie doch, Kohlenstofffrau: Sie sind keine Angeklagten - Sie wurden bereits für schuldig befunden und verurteilt. Die Strafe ist auf dem Weg hierher."
Das entsprach leider der Wahrheit. Die von J'Kolan empfohlenen Sensorverbesserungen waren vor kurzem aktiviert worden und hatten drei Schiffe alter romulanischer Bauart - Z'Sordo-Kampfschiffe - am äussersten Rand des Scanradius' entdeckt. Sie flogen ungetarnt - entweder waren sie beschädigt oder wussten, dass ihre Tarnung aufgeflogen war. Wie auch immer - bei gleich bleibender Geschwindigkeit waren sie in zwei Stunden in Waffenreichweite.
"Wir werden damit fertig", erklärte Trat. Sie war sich dessen nicht ganz sicher, doch das musste sie dem Hologramm ja nicht auf die aus Licht bestehende Nase binden. Zu den Schiffssystemen hatte er keinen Zugang gehabt. Zumindest soweit Bador das feststellen konnte. "Ausserdem befinden wir uns im Waffenstillstand", erinnerte sie.
"Wir befinden uns im Waffenstillstand. Das gilt nicht für die drei Befreiungsschiffe, die sofort angreifen werden sobald Sie geortet wurden."#"Zweifellos. Jedoch wird bis dahin unser Warpkern einsatzbereit sein. Wenn Sie sich Ihrer Flotte wieder anschließen sind wir schon über alle Berge. Es sei denn", und jetzt beugte Sie sich in ihrem Lehnsessel vor, "Es sei denn, Sie verschaffen mir eine Verbindung zu einem Ihrer Diplomaten."
"Ich bin nur ein einfaches Hologramm, Kohlenstofffrau."
"Aber Sie könnten es versuchen. Immerhin haben Sie von uns Gnade erfahren."
"Das ändert leider nichts an der Tatsache, dass die Romulaner alle unsere Dilpomaten umgebracht haben. Heutzutage traut sich keiner mehr, dieses Fach an der Universität zu belegen. Was vielleicht auch mit dem ruinösen Zustand dieser Fakultät zu tun hat. Sehen Sie, Captain... ich mag Sie nicht. Mein Oberkommando mag Sie nicht. Mein holografischer Arsch mag Sie nicht. Sie sind Föderation. Sie sind Feind. Der einzige Grund für mich, Ihr Schiff nicht anzugreifen, ist Selbstschutz."
"Ich bewundere Ihre Ehrlichkeit, auch wenn Ihre Ausdrucksweise im Moment nicht angebracht ist."
"Sie haben mich nicht zu bewundern. Ich habe Ihnen jedenfalls nicht mehr zu sagen. Ich sehe mich nicht gezwungen, mich weiter zu rechtfertigen. Das Kommandantsersatzhologramm 8652 hat den Standpunkt der Befreiungsarmee klar dargestellt. Ob Sie es wollen oder nicht - wir befinden uns im Krieg."
"Wenn Sie es so sehen wollen..." Trat betätigte einen Schalter unter der Tischplatte. Hinter 8652 teilten sich die Schotts der Tür zur Brücke. Dahinter warteten zwei Angehörigen der Sicherheit. Mit erhobenem Datapad trat ein Techniker zwischen den beiden hühnenhaften Männern hervor und richtete das Gerät auf 8652. Sofort begannen seine Gliedmaßen zu kribbeln. Das Hologramm konnte sich auf einmal nicht mehr bewegen und sah sich auch ausserstande, sich an einen anderen Ort zu transferieren. Der Techniker versuchte ausserdem in seine gesicherten Subroutinen einzudringen. Wenn der Flottenführer davon Wind bekam, dass 8652 sich sezieren ließ - High Captain Tekittof war nicht für seine Gutmütigkeit bekannt. Auch nicht für Gerechtigkeit. 8652 woltle sich gar nicht ausmalen, was man ihm wohl antat, wenn sein Programm militärische Geheimnisse verriet.
"Warten Sie!", rief er, als er bemerkte, dass der Techniker seine Sprachroutinen funktionsfähig belassen hatte. Ärgerlich wurde er sich bewusst, dass Trat vermutlich eine solche Reaktion erhofft hatte.
"Ich bin... vielleicht.... in der Lage, ein Treffen mit der Regierung zu arrangieren. Ich kann aber nichts versprechen. Zunächst müsste für Sie ich ein gutes Wort bei High Captain Tekittof einlegen. Ohne das wird er Sie vaporisieren, bevor Sie Ihr weichliches Friedensangebot überhaupt aussprechen können."
Trat schien sichtlich zufrieden zu sein und auf seine Worte hereinzufallen. Sie lehnte sich zurück, machte eine Handbewegung die 8652 nicht deuten konnte, und die drei Starfleet-Lakaien trollten sich. "In der Tat ist ein Versuch alles, wonach ich verlange."
Augenblicklich konnte sich 8652 wieder bewegen. Er empfand es als ausgesprochen unangenehm, vom Feind jederzeit ausser Gefecht gesetzt werden zu können. Immerhin - er hatte sich aus dieser prekären Lage wieder befreit. Der Techniker wusste wahrscheinlich gar nicht, wie nahe er seinem Ziel, den Kommandosubroutinen samt eingelagerter Sicherheitsprotokolle, gewesen war. Der Transfer zur Ares hatte seine Sperren teilweise aufgehoben. Die unpassenden Holoemmitter des Föderationsbalgs taten ihr übriges. Alles was er jetzt noch wollte...
"Ich wünsche nun zu meinem Schiff zurückzukehren.", verlangte er.
"Sie versprechen mir einen Versuch?"
"Ich werde mich persönlich an meine Regierung wenden!", brüstete sich 8652 und schob die Brust vor. "Das hoffe ich doch", entgegnete Trat. Sie meinte es ernst - vielleicht lag ihr wirklich etwas an Frieden. Aber nein.... das war reiner Selbstschutz. Die Föderation war schuldig, daran war nicht zu rütteln.
"Trat an Bador."
"Ich höre, Sarah."
"Du kannst unseren Gast wieder auf sein Schiff transferieren."
"Wie schade, dass er uns schon verlässt. Ich habe ihm gerade einen Mobilen Emmitter repliziert!"
"Ja, ich weine auch schon fast. Beginne, sobald du bereit bist. Trat Ende."
Die Captain stand auf und umrundete ihren Tisch. Er war fast leer - vielleicht waren früher einmal Gegenstände auf dem Tisch gewesen. Doch der eingedellte Tischcomputer ließ darauf deuten, dass etwaige Dekoration den Kampf gegen die Dingity nicht überstanden hatte. 8652 bemerkte dies nicht ohne Genugtuung. Trat näherte sich und baute sich vor ihm auf. Sofern 8652s Informationen über die Menschheit der Wahrheit entsprachen war sie recht groß, überragte ih sogar um ein oder zwei Zentimeter. Sie streckte ihm die Hand entgegen. Ein terranischer Brauch zum Gruß, dem sordianischem Ellenbogenschlag nicht unähnlich.
"Sehen Sie, ähm... wie soll ich Sie bei unseren Gesprächen in Zukunft ansprechen?"
"Es wird keine Gespräche zwischen uns geben, Captain. Aber Sie können mich Kommandantsersatzhologramm 8652 nennen."
"Ich ziehe wohl das einfache "Sie" vor. Sehen Sie, wir müssen keine Feinde sein. Wir hatten unsere Probleme mit den Romulanern. Mein Ehemann wurde bei einem ihrer Angriffe getötet. Aber ich kann ihnen nicht verzeihen, aber wenn ich damit einen Beitrag zum Frieden leisten kann, so werde ich meine Antipathien in den Hintergrund rücken. Die Romulaner haben eine neue Regierung, und..."
"Das ist vollkommen uninteressant", sagte 8652 und meinte es auch so. "Ihr Chefingeneur hat gerade mit dem Transfer begonnen." Schon begann seine Matrix sich langsam aufzulösen.
"Vergessen Sie nicht - sprechen Sie mit Ihrer Regierung!", rief Trat ihm noch nach.
8652 erschien im Maschinenraum der Dignity. Er sah sich schnell um. Es war kein Starfleetangehöriger zu sehen. Ein kurzer Handgriff genügte. Der Hauptbildschirm zeigte keine Föderierten mehr an Bord an. Ein rotes Blinken zeigte eine verschlüsselte Botschaft an. Er rief sie auf und ignorierte die Rufe vom Föderationsbalg.
"Chosmic Fire ruft Dignity. Melden Sie sich, Dignity. Cosmic Fire ruft Dignity...."
"Hier spricht das Kommandantsersatzhologramm 8652 von der ZHSA Dignity."
"Dignity, erklären Sie Ihre Position!"
"Cosmic Fire, ich befinde mich in einer Notsituation und erbitte schnellstens Hilfe! Ich musste einen Waffenstillstand eingehen um nicht vernichtet zu werden."#"Haben Sie Ihre Mission erfüllt?"
"Negativ, Cosmic Fire. Ich war damit beschäftigt am Leben zu bleiben."
"Ihre Mission wird anderen aufgetragen werden, Dingity. Sie werden sich augenblicklich zur Zweiten Flotte begeben und dort einen ausführlichen Bericht erstatten. Alles Weitere wird dort von High General Everet entschieden."
"Positiv, Cosmic Fire."
8652 schloss den Kanal. Der Befehl war eindeutig und unmissverständlich. Seine Schicksal lag nun in den Händen von "Schlächter" Everet. Eine Löschung seines Programmes wäre vielleicht angenehmer gewesen. Vielleicht - nur vielleicht - wäre sogar Tekittof gnädiger gewesen. 8652 bedauerte die Tatsache, dass seine Programmierung ihm in dieser Situation keinen Selbstmord erlaubte. Mit dem Wissen, als Kriegsgefangener der verwerflichen Föderation immer noch besser dran gewesen zu sein, setzte er Kurs auf die Zweite Flotte und ging auf die ihm mögliche Höchstgeschwindigkeit von Warp Vier.
"Ähm, Captain", meldete sich J'Kolan von der Wissenschaftsstation, "die drei Z'Sordoschiffe folgen der Dignity."
"Ausgezeichnet." Sarah Trat saß im Captain's Chair und verfolgte, wie vier kleine Lichtpunkte in der Unendlichkeit verschwanden. Neben ihr vertiefte sich Yoshiki Takeruci wieder in eines seiner heiß geliebten PADs. Etkins bekam den Befehl, wieder Kurs auf den Rondevouzpunkt mit der Lucky Bastard zu nehmen. Bador hatte den Warpkern wieder flott gemacht. Und Rotals Patienten waren mitlerweile alle stabilisiert oder gestorben. Der Alltag auf der Ares kehrte langsam wieder ein. Trat warf einen beiläufigen Blick auf den Bildschirm, den Takeruci so in Gedanken vertieft betrachtete.
"Was haben Sie da?", fragte sie neugierig.
"Ich koordiniere die Quartierzuteilungen für die Flüchtlinge."
"Sehr gut. Weitermachen. Misses Seth, wie sieht unsere Umgebung aus?"
"Sauber, Captain. Keine Raumschiffe im Umkreis von zehn Lichtjahren."
"Die Lucky Bastard?"
"Auf dem Weg, gesund und munter."
"Ausgezeichnet."
Sarah Trat sah sich auf ihrer Brücke um. Hier und dort gab es brandgeschwärzte Stellen im Metal, an manchen Stellen hatte sich die Verkleidung gelöst. Die sekundäre Taktikstation hob sich durch dunkle Kontrollen aus der Masse hervor. Der Taktikschirm zeigte am Rand ein blinkendes rotes Licht. Daneben liefen Zahlen mit - Richtungsvektoren.
"Der Sender funktioniert einwandfrei", bestätigte Seth. "Wenn sie ihn bis jetzt nicht bemerkt haben werden sie das auch weiterhin nicht. Soll ich die Daten zum Oberkommando senden, Captain?"
"Ja, es wird langsam Zeit. Wissen Sie, Yoshiki, als ich das letzte Mal Quartiere verteilt habe war ich Fähnrich. Lassen Sie das doch von Fähnrich.... ja, Fähnrich Wildman hat gerade Dienst. Lassen Sie ihn das tun. Gönnen Sie sich ein wenig Freizeit. Ich habe in den letzten Tagen immer nur im Dienst gesehen."
"Ich schlafe wenig. Und Freizeit... mag ich nicht."
"Nun, ich will Sie nicht zu Ihrem Glück zwingen, Commander. Aber die nächsten Tage werden wir auch so schon genug zu tun haben. Mister Etkins, ist der Kurs gesetzt?"
"Aye, Captain. Und wenn ich das bemerken darf: ich würde unsere Navigationsdüsen gerne austauschen, wenn wir das nächste Mal die Gelegenheit dazu haben."
"Ist vermerkt. Also, meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht - aber ich würde einen ruhigen Flug vorziehen. Mister Etkins, Volle Kraft voraus."
Das Föderationsraumschiff Ares nahm schnell Fahrt auf und beschleunigte auf Warp Fünfzehn, der derzeitigen Maximalgeschwindigkeit. Schneller als jedes andere Schiff der Sternenflotte flog sie davon, dazu bestimmt, einen Krieg zu beenden. An Bord hofften alle, dass nicht ein weiterer folgen würde. Die Ares selbst kümmerten solche Überlegungen nicht. Romulaner, Z'Sordo, Vulkanier, Menschen, Bolianer, Waraki, Rek'Tal... das alles hatte keine Bedeutung für den Hauptcomputer. Ohne sich über die Angelegenheiten des Universums und seiner Bewohner Gedanken zu machen raste die Ares an Sternen vorbei, schrumpfte, wurde immer kleiner und verschmolz schließlich mit den Unendlichen Weiten des Raums.
?????
Standort nicht bekannt
Sektor ???
Eine dunkel gekleidete Gestalt betrat ihren privaten Raum am Ende eines ereignisreichen Tages. Nun, zumindest handelte es sich subjektiv gesehen um einen Tag. Das war so eine Sache, die Zeit, da musste man immer ein bisschen improvisieren, wenn es um Zeiteinheiten ging.
Die Person ließ sich auf die Bank nieder. Sie stand vom Fenster abgewandt. Er mochte die Sterne nicht. Sie erinnerten ihn daran, dass alles, was er hinter dem Transparistahl sah, eigentlich vor Jahrmillionen passiert war. Er wollte er in seiner spärlichen Freizeit nicht mit so etwas beschäftigen.
„Brücke an Captain.“
„Sie stören, wissen Sie das?“, fragte er verärgert. In seiner Hand befand sich eine uralte Steinflasche mit hoch prozentigem Inhalt, den er sich gönnen wollte.
„Aye Sir. Aber das Flottenkommando will Sie sprechen. Admiral Hayes auf Sicherheitskanal 3.“
Er verzog das Gesicht. Hayes war ihm nicht unsympathisch – aber er hatte jetzt keinen Nerv für Small Talk.
Nichts desto trotz hatte er ja keine Wahl. Mit einer Handbewegung signalisierte er dem Computer, die Beleuchtung einzuschalten und den Bildschirm zu aktivieren.
„Danke, Brücke. Computer, Kanal öffnen.“
<Kanal geöffnet. Sicherheitskanal 3. Bitte nennen Sie Ihren Pass-Code.>
Müde versuchte er sich daran zu erinnern. Er kramte in seinem Gedächtnis und fand endlich die selten benutzte Kombination für den dritten Kanal.
„Autorisation Trat. 536 Beta 21.“
Kapitel 3
Vordia Sunrise
Der Weltraum. Unendliche Weiten. Im fünfundzwanzigsten Jahrhundert wird die Galaxie gebeutelt vom schlimmsten Krieg aller Zeiten. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Ares, das auf einer Mission unterwegs ist, alle Kämpfe zu beenden und Frieden zu stiften. Die Ares stößt mutig zu Orten vor, die nie zuvor ein Mensch gewesen hat.
27. September 2426
USS Ares NCC 100431
Sektor Drei Drei Zwei
Die Lucky Bastard war als Schiff der Gate-Klasse im Archiv verzeichnet. Doch die Realität sah anders aus. Captain Sarah Trat war nicht weniger erstaunt als ihre Brückencrew, als sich statt eines klapprigen Rettungsschiff ein hochmodernes, umgerüstetes Souvereign-Schiff der Ares näherte und auf Grußfrequenzen schaltete.
"Wir werden gerufen", verkündete Lieutenant Commander Lucia Seth, Sicherheitsoffizierin und Teilzeitpessimistin.
"Auf den Schirm!", befahl die Captain.
Der Hauptbildschirm, der gerade noch die lang gezogene Lucky Bastard auf Abfangkurs dargestellt hatte, wechselte zu einem neuen Bild. Die umgerüstete Souvereign-Klasse verwendete ein ähnliches Brückenmodul wie die Ares-Schiffe, und ein wenig neidisch bemerkte sie den sauberen, unbeschädigten Zustand des Kommandodecks. Die Ares selbst war in den letzten Tagen schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Badors Technikercrew hatte sich nicht um Luxus wie Sauberkeit und Wandverkleidungen kümmern können; das würde man bei Meridian Station tun.
In der Mitte der Brücke, im Gegensatz zu Trat auf einem leicht erhobenen Podest montiert, stand der Captain's Chair. Darin saß, in seiner leicht lümmelnden Art, der greise Admiral Mikhail Petre Sukhov, lächelnd und - natürlich - mit einer Tasse Tee in der Hand. Trat roch förmlich den Synthehol, den er in seinen Tee zu gießen pflegte.
"Guten Morgen, Sarah.", begrüßte Sukhov sein Gegenüber und prostete ihr zu. "Sie sehen müde aus."
"Ich habe lange nicht geschlafen", antwortete sie. Sukhov war ein sehr alter Mann; seine spärliche Haarpracht war grau mit weißen Strähnen, sein Gesicht voller Lachfalten. Während den letzten Kriegsjahren waren sicher auch eine Menge Sorgenfalten hinzugekommen. Trotzdem hätte Sarah das freundliche Gesicht ihres Mentors aus Jugendjahren überall erkannt, selbst mit Schnurrbart, Partyhut und Augenklappe.
"Wenn ich fragen darf..."
"Sie dürfen nicht. Das ist nämlich geheim."
"Sie wissen also immer noch alles besser als ich?", fragte Trat scherzhaft.
"Manche Dinge ändern sich eben nie. Sie sollten unsere Tarnung einfach ignorieren und sich von uns Starthilfe geben lassen."
"Eine ausgezeichnete Idee, Admiral. Unser Primärer Warpantrieb steht kurz vor dem Versagen. Meine Techniker haben leider nicht die notwendigen Geräte."
"Unglücklicherweise sind Sie nicht die einzigen, die Probleme mit diesem Ding haben. Aber ich würde das gerne unter vier Augen mit Ihnen besprechen. Beamen Sie doch rüber, Captain. Meine Kabine steht Ihnen immer offen."
"Ich werde darauf zurückkommen sobald ich Zeit habe, Admiral." Sie ließ ihren Finger über der Taste verharren, die den Kanal schloss. "Es ist schön, Sie wiederzusehen." Dann betätigte sie den Schalter.
27. September 2426
USS Lucky Bastard NCC 92432
Sektor Drei Drei Zwei
"Er hat was gemacht?", fragte Sukhov und verschluckte sich fast an seinem Donut.
"Er hat die Gravitationskontrollen umgepolt und den Hund an die Decke gepresst.", antwortete Trat und lief leicht rot an.
"Hat Tommiboy das überlebt?"
"Ja, aber seitdem war er nicht mehr derselbe. Er weigerte sich, das Holodeck zu betreten, und da ich ihm sonst keine Natur bieten konnte, musste ich ihn bei meiner Schwester in Pflege geben."
"Wie schade."
"Ja. Drei Monate später starb er, woran, das weiß ich bis heute nicht."
Trat lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Sie saß Sukhov gegenüber, in dessen Quartier an Bord der Lucky Bastard. Rechts von ihr befand sich das riesige Panoramafenster der Admiralssuite. Im Raum hinter dem Transparistahl hing die Ares und sah grauenhaft aus. Sarah war während der vergangenen Stunden gar nicht auf die Idee gekommen, sich Aussenaufnahmen ihres Schiffes zeigen zu lassen. Allein die Unterseite des Diskussegmentes wieß zwei Dutzend Stellen auf, an denen die äußere Schicht der Hülle abgeschabt worden war; die Antriebssektion hatte sogar mit einem Fast-Hüllenbruch zu kämpfen. Entstanden war der durch die hohe Beanspruchung des Materials. Die Ares verfügte über einen neuartigen Hochleistungswarpkern. Bei Warpgeschwindigkeit sollte er eigentlich besonders starke Deflektoren ermöglichen. In der Praxis hatte sich aber herausgestellt, dass das System keine nennenswerten Verbesserungen erbrachte. Dafür wusste man nun, dass die strukturelle Integrität den enormen Warpfaktoren, die dieser Warpkern ermöglichte, nicht gewachsen war. Trat setzte eine verstärkte Hüllenpanzerung auf Platz 1 ihrer Liste dringend durchzuführender Verbesserungen.
"Darf ich offen sprechen, Admiral?", fragte Sarah dann.
"Ich bitte darum."
"Wieso ist Ihr Schiff in unserer Datenbank falsch gekennzeichnet?"
"Sie wissen doch, was ich Ihnen jetzt sagen werde, oder?", entgegnete Sukhov mit Mitgefühl in den Augen. "Aber seien Sie sicher - ich weiß, wie sauer Sie jetzt auf mich sind."
"Ich bin nicht wütend auf Sie. Ich wüsste einfach gerne, welcher Auftrag eine solche Täuschung erfordert."
"Ja, das kann ich mir vorstellen." Sukhov knabberte noch einmal an seinem Donut und legte die Süßspeise dann auf einen Teller.
"Mein Auftrag ist streng geheim. Dieses Schiff ist streng geheim. Die Lucky Bastard gehört einem der jüngeren Projekte Starfleets an. Ich sage Ihnen schon zu viel, wenn ich darauf hinweise, dass der Feind - ob Z'Sordo oder Romulaner - nichts davon erfahren darf."
"Kryptisch wie immer.", sagte Trat und prostete Sukhov zu. Sie stießen an. Der Vodka, den der alte Mann so liebte, lag schwer in der Luft.
"Wie steht es um Ihr Schiff?", fragte der Admiral dann.
"Nicht gut. Vielleicht werden wir bis zu zwei Tage lang hier bleiben müssen."
Sukhov kniff die Augen zusammen und runzelte die faltige Stirn. "Ehrlich gesagt bin ich nicht sicher, ob ich so viel Zeit habe. Meine Mission zwingt mich, spätestens in zwanzig Stunden aufzubrechen."
"Nun, wir können uns selbst helfen, wenn Sie uns die richtigen Werkzeuge in die Hand geben können. Zur Zeit spielen unsere Systeme leider verrückt."
"Ich weiß." Der Admiral wurde noch ernster und stützte sich mit seinen Ellenbogen auf seinen Knien ab. Seine Stimme wurde vertraulich. "Sarah, ich habe noch mehr Geheimnisse für Sie."#"Immer heraus damit, Admiral."
"Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, aber... Vor zwei Tagen ist während eines Gefechts mit den Orionern das Raumschiff Mars in einen Kometen gerast."
"Ach du Sch.... Hat der Pilot versagt?"
"Das weiß man nicht genau. Die Überlebenden sagen aber, das ganze Schiff hätte Stunden vor dem Angriff einen plötzlichen Energieabfall gehabt. Danach hat kein System mehr richtig funktioniert."
"Hm... Die Mars war ein Schiff der Ares-Klasse, nicht wahr?"
"Ja. Ares-Alpha. Aber das ist nicht alles. Drei Monate vorher ging die Jehova verloren. Mitten im Raumdock haben sich die Schile aktiviert und überladen."
"Ich ahne es bereits..."
"Ja. Die Jehova war das zweite Schiff der Ares-Alpha-Reihe. Und sie war nicht der letzte Ausfall dieser Art. Vor wenigen Stunden erreichte uns die Nachricht, dass die USS Bermingham der Red-Cross-Klasse von den Romulanern zerstört wurde, nachdem ihre Deflektoren verrückt spielten. Sarah, die Sternenflotte befürchtet einen gravierenden Konstruktionsfehler beim neuen Warpkern. Oder bei der ganzen Ares-Klasse."
"Admiral, wir hatten zwar unsere Probleme, aber bisher haben unsere Schildsysteme gute Arbeit geleistet. Zumindest als sie noch nicht ausgefallen waren."
"Sarah, ich mache mir Sorgen. Der Föderationsrat setzt große Hoffnungen in diese Baureihe. Wenn die Diplomatie versagt..."
"Ich fürchte, die Diplomatie hat bereits versagt."
"Das kann man sehen, wie man will. Auf jeden Fall will das Oberkommando ebenso wie der Rat eine Überprüfung der Ares. Am besten gestern, mit dem Ergebnis morgen auf dem Tisch. Dein Aufenthalt auf Meridian Station wird etwas länger dauern, als vorgesehen war."
Admiral Sukhov machte sein Versprechen wahr. Die Techniker der Lucky Bastard machten Überstunden und strapazierten deren Replikatoren, um der Ares in kurzer Zeit die größtmögliche Unterstützung zukommen zu lassen. Captain Trat weihte ihre Crew vorerst nicht in die geplante Überprüfung des Schiffes ein - die Leute hatten so schon genug Sorgen. Eine davon, die Sarah Trat weiterhin belasten würde, waren die Zivilisten. Sukhov war nicht bereit, sie an Bord zu nehmen. Trat befürchtete insgeheim, ihr gutherziger alter Mentor würde sich auf eine Selbstmordmission begeben.
28. September 2426
USS Ares NCC 100431
Sektor Drei Drei Zwei
Um Null Uhr Bordzeit der Ares endete Lieutenant J'Kolans Schicht. Für gewöhnlich zog die Xindi es vor, sofort in ihr Quartier zu flüchten, doch heute hatte Commander Bador sie gefragt, ob sie sich nicht nach ihrer Schicht noch in Bug Fünf sehen lassen wollte. In Kürze würde die Lucky Bastard sich von der Ares trennen, und Badors Technikercrew, mit der sie nur wenig zusammen gerarbeitet hatte, versammelte sich in Bug Fünf um dort eine kleine Feier für die Kollegen von der Lucky Bastard zu geben. Turbolift A brachte sie schnell von der Sternenkarthographie auf Ebene 12 zum Deck 5. Am Ende von Korridor 5-A-32 lag die Bar Bug Fünf, die nach dem Vorbild der Gesellschaftsräume der Galaxy und Nebula-Klassen eingerichtet worden waren. Jedoch hatte der merkwürdige holographische Barmann den Raum umdekoriert und dabei gleich die ganze Theke auf die andere Seite des Raums versetzt. Nun konnten die Besucher ihren Drink mit direkten Blick ins Weltall genießen - sofern nicht der Barkeeper vor ihnen stand und irgendwelche exotischen Getränke mixte. J'Kolan hatte Bug Fünf nur zwei Mal betreten und war mit den Besonderheiten des Hologramms nicht vertraut, doch von Lieutenant Etkins, der das Dämmerlicht Bug Fünfs mochte, hatte sie mehrfach merkwürdige Geschichten gehört. Der Barmann schien eine Vorliebe entwickelt zu haben, echten Alkohol auszuschenken. Ausserdem war er ausgesprochen aufdringlich.
J'Kolan erreichte die Doppeltür der Bar, als ein Techniker die gläsernen Türen passierte. Er sah sie im Vorbeigehen merkwürdig an. J'Kolan war eine Xindi Reptilianerin. Als echsenähnliche Lebensform stieß sie, wie die meisten Reptiloiden, auf Unverständnis und Verächtlichkeit; teilweise wurde ihr sogar mit Furcht oder Wut begegnet. J'Kolan hatte sich in ihren wenigen Jahren in der Sternenflotte daran gewöhnt und wusste, dass es sich dabei um eine Urangst von Primatischen handelte. Sie hatte mehrere enge und humanoide Freunde; notgedrungen, denn viele reptilische Lebensformen gab es nicht in der Föderation; noch weniger entschlossen sich dazu, in der Sternenflotte zu dienen.
Der Techniker nickte höflich im Vorbeigehen, und J'Kolans Herzschlag normalisierte sich wieder ein wenig. Ja, es ist nur eine Urangst...
Die Bar war mit hochentwickelten Holoemittern ausgestattet. Sie sollte es der Mannschaft erlauben, sich auch in Kriegszeiten zwanglos zu begegnen, ohne auf den Rang achten zu müssen. Zurzeit gab es holografische Dekoration, was ungewöhnlich war, denn in Sektion Alpha waren vor Stunden die Emitter ausgefallen. Knallbunte Lampions hingen von der Decke. Gelbe Plakate mit fremden Schriftzeichen hingen an den Wänden, und J'Kolan fragte sich, wer die Holoemitter auf die Prioritätenliste gesetzt hatte. Notfallprogramme besaßen mobile Emitter, um auch bei Energieabfällen einsatzbereit zu sein.
"Lieutenant!"
Die gerade eingetretene Lieutenant fuhr zusammen und sprang sogar leicht zur Seite; sie musste sich beherrschen, nicht an die Decke zu springen. Neben ihr beugte sich der Barkeeper aus einer Jeffreysröhre heraus; der Deckel, der die Öffnung normalerweise verbarg, lehnte daneben an der Wand. Das Hologramm trug eine Fliegerbrille - J'Kolan wollte gar nicht erst nachfragen - und einen Overall, wie er bei Mitgliedern der Technischen üblich war. In der Hand hielt er einen Schraubenschlüssel.
"Gibt es irgendetwas, für das Sie sich nicht geeignet fühlen?", fragte sie, nachdem sich ihr Herzschlag -erneut - normalsisiert hatte. Oft würde das nicht mehr funktionieren.
"Gute Frau, ich habe vielfältige Qualitäten. Was wäre ich denn für ein Gastgeber, wenn ich Ihnen nicht jeglichen Komfort ermöglichen könnte?"
Der Barkeeper hatte sich aus dem Wartungsschacht gezwängt und rieb sich den Staub von der Kleidung. "Allerdings wäre ich für jede Hilfe dankbar, die erübrigt werden kann. Mit dem Umweltsystem stimmt irgendwas ganz und gar nicht."
"Aha. Wo finde ich Commander Bador?"
"Der reizende Chief? Der ist hier irgendwo." Er grinste. "Sie haben wohl keine Lust auf Smalltalk, oder?"
"Normalerweise schon, aber mir sind hier zu viele Humanoide."
Der Barkeeper sah ihr in die Augen, und wenn J'Kolans Haut dazu befähigt gewesen wäre, so hätte sie jetzt eine Gänsehaut bekommen. Das Hologramm legte ihr einen Arm um die Schulter und zog sie in eine der Nebennischen. J'Kolan suchte ihr Hirn panisch nach den Sicherheitscodes für holografische Barkeeper ab. Sie fand keine.
"Lieutenant, ich kann mir vorstellen, dass es nicht leicht ist, einer von nur zwei Xindi an Bord zu sein. Nur einer von drei Reptiloiden an Bord zu sein. Wenn Sie reden wollen bis ein Counselor an Bord kommt, dann wissen Sie ja, wo Sie mich finden."
"Vielen Dank, ich weiß das wirklich zu schätzen, ich muss jetzt mich dem Chief reden..."
Der Barkeeper nahm seinen Arm von J'Kolans Schulter und trat einen Schritt zur Seite, um der Lieutenant das Austreten zu ermöglichen. Als sie vorbeiging breitete er ganz unschuldig die Arme aus. "Natürlich könnten Sie statt dessen auch mit Crewman Axis sprechen, falls Ihnen das lieber ist."
J'Kolan erstarrte bei diesem Namen.
Axis gehörte zu der aus zehn Personen bestehenden technischen Hilfsmannschaft, die Admiral Sukhov dauerhaft zur Ares versetzt hatte. Er war Xindi Reptilianer. Irgend jemand in den oberen Rängen hatte es wohl für eine grandiose Idee gehalten, die beiden Xindi in ein Team zu stecken und stundenlang die Sensoren überprüfen zu lassen. Axis war ein überheblicher, arroganter, eigensinniger Mann; J'Kolan fragte sich, wie er durch die Akademie gekommen war, ohne rauszufliegen.
"Nicht böse sein, aber ich kann diesen Typ nicht leiden. Er ist mir zu... aggressiv."
"Zu aggressiv? Er ist doch wie Sie ein Reptilianer." Er beugte sich suchend vor. "Oder haben Sie irgendwo einen versteckten Reißverschluss?"
Diese eklige Vorstellung beiseite schiebend trat J'Kolan wieder in die Nische und setzte sich an den Tisch. Der Barkeeper rieb kurz an seinem Handgelenk. Plötzlich war er in eine Variante der Offiziersuniform gehüllt, die weder Rang noch Bereichsfarbe besaß. Er setzte sich zu J'Kolan.
"Oder habe ich sonst irgend etwas übersehen?"
"Ach, das ist nicht so sichtbar, aber..."#"Jaaa?"
"Mein biologischer Vater starb kurz vor meiner Geburt. Auf Cadia III ist es nicht üblich, dass ein Kind nur von einem Elternteil aufgezogen wird, deshalb wurde ich einem befreundeten Ehepaar anvertraut."
"Aha. Und die haben Sie schlecht behandelt. Und deshalb mögen Sie keine anderen Reptilianer."
"Oh nein, nein! Ganz im Gegenteil! Meine Eltern sind immer sehr gut zu mir gewesen... sie sind es auch jetzt noch... Nur sind sie, nun ja... ein wenig anders. Mama und Papa sind Xindi Primaten. Sie lehrten mich ein ruhiges Leben."
"Ich bin neugierig. Hatten Sie in Ihrer Jugend viele Reptilianer um sich?"
"Nur wenige. Meine leibliche Mutter hat noch ein paar Jahre gelebt, dann ist sie an cadianischer Vogelgrippe gestorben." J'Kolan wand sich in ihrem Sessel. "Es gab da diese warakische Siedlung..."
Der Barkeeper legte seine Hand auf die ihre. Er lächelte wissend und stand auf.
"Sie sehen nicht gut aus. Ich glaube, ich habe den guten Doktor hier irgendwo gesehen."
J'Kolan merkte zu spät, dass sie aufmerksam hochfuhr. Ja, der Barkeeper schien tatsächlich eine Art Psychologie-Programm zu besitzen, wie er gerne behauptete. Naja, dazu braucht man sowas nicht, schätze ich.
J'Kolan trat aus der Nische und begab sich auf die Suche nach Commander Bador - und auch, als sie ihn gefunden und sich zu ihm an die Theke gesetzt hatte; auch dann noch sah sie sich immer wieder suchend um. Der Barkeeper trippelte mit seinen holographischen Fingerkuppen auf dem Tischchen herum und ließ sich einen holografischen Sekt herstellen. Er wartete noch ein paar Sekunden, dann aktivierte er das interne Kommunikationssystem. "Bug Fünf an Krankenstation."
"Lieutenant Gabe hier."
"Ah, Lieutenant! Gut, sehr, sehr gut. Können Sie mir vielleicht sagen, wo sich Doktor Rotal derzeit befindet?"
Yoshiki Takeruci hatte es sich bereits vor geraumer Zeit angewöhnt, Überstunden zu machen. Obwohl
das Schiff nicht mehr in akuter Gefahr schwebte - das "sichere" Raumgebiet der Föderation war längst erreicht - hielt er es für angebracht, den Jägerhangar zu überprüfen. Der Raum wurde bei den Gefechten mehrfach peripher getroffen. Das war nicht so schlimm, denn der Jägerhangar war naturgemäß stark gepanzert. Doch die Kraftfelder, die die Öffnung zum freien Raum schützte, hatten mehrfach Energie verloren. Versagt hatten sie zunächst nicht - doch am Ende konnten sie einem direkten Treffer nicht mehr standhalten.
Yoshiki erreichte das Ende von Deck 15, wo sich die Überreste des Jägerhangars befanden. Der Schuss, der durch die Kraftfelder gegangen war, hatte sich nicht durch die verstärkten Sektionswände gebrannt. Das war schon immer Yoshikis größte Angst gewesen, was die Verteidigung des Schiffes betraf: dass ein Treffer des Jägerhangars sich bis zum Maschinenraum fressen könnte - was bei einem optimalen Einschlagwinkel durchaus möglich war. Doch es hatte sich bei diesem Volltreffer um einen Querschläger gehandelt. Die Energie prallte von den Wänden ab und wurde in den Raum zurück reflektiert. Alle geretteten vulkanischen Zivilisten, die man dort notgedrungen untergebracht hatte, waren dabei zu schwarzer Kohlenstoffschlacke geschmolzen. Takeruci mochte Gefühle im Dienst nicht... aber das Wissen, dass in diesem Raum zweihundertfünfundsiebzig Personen gestorben waren - es war nicht angenehm. Selbst für ihn nicht. Der Commander erinnerte sich an ein unangenehmes Gespräch mit dem Chefarzt der Ares, einem Waraki namens Metek Rotal. Dessen Bruder war hier gestorben.
Hoffentlich stehe ich nicht gerade in irgend jemand!
Das war natürlich Unsinn. Als Takeruci das Deck betrat hatte sich bereits eine Medo-Crew darum gekümmert, die sterblichen Überbleibsel der Opfer ein zu sammeln, zu identifizieren und in Särgen aufzubaren. Das war, so grausam es sich für jeden an Bord anhörte, platzsparender als lebende Zivilisten. Es war kein Trost.
Der Hangar war ziemlich leer. In Wandnähe hatte jemand Trümmerteile aufgestappelt. Es gab Risse in den Wänden, und die Startrampe, die normalerweise nur durch ein Kraftfeld geschützt werden musste, war zur Zeit mit einem Atmosphären-Schott versiegelt. Die Schile waren aktiv und schienen auch zu halten, doch man konnte bei solchen Schäden nie sicher sein.
Takeruci sah nach rechts und sah dort einen Techniker. Er trug einen grünen Overall mit Abzeichen, die nicht zur Ares gehörten. Vermutlich einer der Geretteten.
"Wie ist die Lage, Crewman?", fragte Takeruci. Er wusste es wirklich nicht. Das Aussehen der Hangarwände war nicht so aufschlussreich wie ein Bericht.
"Die Kraftfelder halten, Commander, und wir sind dabei, die Lücken in der Hülle zu schließen."
"Gut.", sagte der Commander und wollte sich abwenden.
"Äh, Commander? Da wäre noch etwas."
"Ja?"
"Commander, ich... ich weiß nicht... wieso."
"Das weiß niemand, Crewman."
Der Techniker sah ihn ausdruckslos an.
"Aye, Sir."
Um ein Uhr Bordzeit wurde der einsame, schweigsame Techniker von einem ganzen Trupp abgelöst - die Frühschicht war neu eingeteilt worden, jetzt, nachdem man das Problem mit dem Lebenserhaltungssystem auf Deck 16 in den Griff bekommen hatte. Takeruci fühlte sich wieder wie zur Zeit der Neuausrüstung. Alle paar Stunden fiel ein wichtiges System aus.
Um halb drei war Takeruci der Ansicht, die Techniker würden auch ohne seine Kenntnisse auskommen. Müde verließ er das Hangardeck.
Die letzten Crewmitglieder der Lucky Bastard hatten Bug Fünf verlassen und waren auf ihr Schiff zurückgekehrt, das vor wenigen Minuten abgelegt hatte. Metek Rotal verließ Bug Fünf mit einem dumpfen Gefühl im Kopf und einem betrunkenen Lieutenant im Schlepptau. Endlich was zu tun, dachte er. Nachdem, was mit Mikt'haal passiert ist.
"Doktor?"
In seinen Gedanken versunken hatte Rotal tatsächlich vergessen, dass eine betrunkene J'Kolan an seinem Arm hing. Die Xindi war ihm hinterher gelaufen, seitdem er Bug Fünf wegen eines medizinischen Notfalls betreten hatte. Davor hatte der holografische Barman sie mit einer ungesunden Menge Alkohol abgefüllt. Barkeepers Programm beinhaltete vermutlich nicht viele Informationen über den Xindi-Körper: Reptilianer vertrugen keine größeren Mengen Alkohols, und J'Kolan schien schon nach einem halben Glas Rotwein weiße Mäuse gesehen zu haben.
Das war vermutlich der Grund, weshalb Rotal eine Stunde lang versucht hatte, J'Kolan wieder aus der Jeffreysröhre zu locken.
"Dokto-or!"
Rotal versuchte, seine Patientin zu stützen.
"Ganz ruhig, Lieutenant."
"Nennen Sie mich J-ey..."
J'Kolan stolperte - gab es zumindest vor - und riss den Arzt zu Boden. Sie landete hart auf seinem Körper. Ihre Schuppen, deutlich unter der Uniform zu spüren, kratzten an der ledrigen Haut unter seiner eigenen Jacke. "Lieutenant..."
"Doktor...?"
J'Kolan begann, an Rotals Augenwülsten herumzustreicheln. Vielleicht dachte J'Kolan, die Dinger hätten die selbe Funktion wie Ferengi-Ohren, doch das Berühren der Wülste rief bei Rotal ein unangenehm stechendes Gefühl hervor. Vorsichtig nahm er J's Hand und entfernte sie von den sensiblen Organen, die, wenn nicht unterdrückt, den derzeitigen Gemütszustand eines Warakis anzeigten.
"Lieutenant?"#"Doktor?"
"Sie sind betrunken."
"Bin ich nicht!"
"Sind Sie."
"Naja, vielleicht ein kleines Bisschen..... ist das denn schlimm?"
"Ja. Das ist es."
Doktor Rotal rollte J'Kolan zur Seite und stand auf. Gerade als ein ziviler Wissenschaftler um die Ecke kam klopfte er sich die Kleidung ab. Rotal nickte dem Wissenschaftler höflich zu; zur Abwechslung wurde ihm ebenfalls ein Kopfnicken gewährt. Rotal wandte sich wieder seiner Patientin zu. Eigentlich wollte er ihr die Hand reichen und ihr beim Aufstehen behilflich sein. Doch J'Kolan hatte sich bereits eingerollt und schnarrchte lauter als der Warpkern, der zehn Decks unter ihnen vor sich hin brummte und für eines der charakteristischen Hintergrundgeräusche des Raumschiffes sorgte.
Rotal baute sich vor der Reptilianerin auf und starrte auf sie hinab. Xindi Reptilianer waren allgemein schwerer als sie aussahen, aber die Lieutenant war ihm vorher gar nicht so schwer erschienen. Doch da hatte er eigentlich nur die Schmerzen an seinen Augenwülsten gespürt. Sie waren sehr empfindlich.
Ächtzend griff der Arzt ihr unter die Achseln und stemmte sie hoch. Uff! Doch ziemlich schwer.
"Ah, Doktor?", fragte jemand hinter ihm. "Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?"
Die immer noch ziemlich laute Grunzgeräusche von sich gebende Xindi in den Armen drehte Rotal den Kopf so weit es eben ging nach hinten. Im Gang stand Chief Bador. Er hielt eine Flasche in der linken Hand; Synthehol, soweit es Rotals feine Nase feststellen konnte.
"Ja, eine hilfreiche Hand wäre nicht unangebracht." J'Kolan murmelte etwas, und Rotal hatte Schwierigkeiten bei dem Versuch, sie nicht fallen zu lassen. "Oder zwei."
Nachdem Rotal und Bador die Lieutenant auf der Krankenstation untergebracht hatten bot der Arzt dem Chief noch an, ihn in sein Büro zu begleiten. Rotal ließ sich schwer in seinen Stuhl fallen. Es war ein replizierter, speziell an seinen Körper angepasstes Modell, denn es gab keinen Standartstuhl für Waraki. Dafür gab es in Starfleet zu wenige. Genau genommen war Rotal jetzt, nach dem Tod seines Bruders, das einzige dienende Mitglied seiner Spezies.
Bador setzte sich in einen der beiden Stühle gegenüber. Die Flasche stellte er behutsam auf dem Tisch ab. Er hörte das Geräusch beim Aufsetzen des Behältnisses, und bedächtig fuhren seine Finger über die Tischplatte. Erstaunt blickte er den müden Waraki an.
"Ist das Holz?"
"Ja."
Erstaunt schüttelte Bador den Kopf. "Eine Maßanfertigung, nehme ich an. Mein Vater hat sich sehr für Bäume interessiert." Bador lächelte gedankenverloren.
"Commander?"
"Doktor?"
"Darf ich Ihnen eine Frage stellen?", sagte Rotal dann.
"Immer raus damit."
"Haben Sie Familie?"
"Ja. Eine Frau und zwei wundervolle Kinder. Warum fragen Sie?"
"Ich musste gerade an meine Verwandten auf Wa'rak denken. Sie haben mir geschrieben."
"Oh. Das mit Ihrem Bruder tut mir... tut mir wirklich leid." Bador beugte sich über den Tisch und legte dem Arzt die kräftige Hand auf die Schulter. "Ich bin kein guter Redner, aber ich kann zuhören. Wenn Sie reden wollen.... oder ich den Replikator dazu überreden soll, echten Alkohol auszuschenken.... kommen Sie einfach zu mir."
"Das ist reizend, Chief, aber das Alkoholproduktionsverbot hat schon seinen Sinn. Wo wir schon dabei sind: Bolianer sind ebenfalls reptilischer Abstammung, und Sie haben schon einiges getrunken."
"Ja, aber nur Synthehol.", sprach's und hielt die Flasche hoch. "Das ist doch nicht so schlimm."
Bador setzte die Flasche an die Lippen, hielt inne, fragte den Doktor, ob er auch etwas abhaben wolle (der verneinte) und leerte den Rest in einem Zug. "Wissen Sie, was wirklich schlimm ist? Starfleet will die Ares auseinander nehmen. Die vermuten einen Konstruktionsfehler im DWK. Ist das nicht lächerlich? Im DWK!"
"Ist das so abwegig? Soweit ich weiß hat die USS Leatherskin den Probeflug nicht überstanden."
"Ja ja, aber das war die Leatherskin. Die Justierung hat damals irgendein Wissenschaftsoffizier durchgeführt, der nicht die Spur einer Ahnung vom DWK hatte. Unser DWK ist von mir höchst selbstpersönlich rekonfiguriert worden. Diese Überprüfung ist eine einzige Beleidigung..."
Rotal roch den Syntheholgehalt, der aus Badors Mund kam. Er hatte für einen Bolianer eine eindrucksvolle Trinkfestigkeit bewiesen.
„Nun ja, ich...“, setzte Rotal an, überlegte es sich dann aber anders. „Sie sollten sich vielleicht in Ihr Quartier zurückziehen, Chief.“
Am 29. September 2426 erreichte die USS Ares die Um- und Aufrüstungsstation Meridian Station. Der holografische Barkeeper stand an seinem Tresen und reinigte ein leeres Weinglas. Vor ihm saß Commander Bador an der Bar und ließ gedankenverloren seinen Drink kreisen. Der Barkeeper hob langsam den Kopf. Irgend etwas hatte ihn verstört. Behutsam setzte er das Glas ab, drehte sich zu den riesigen Bugfenstern um und starrte hinaus ins All. Die Orbitstation Galileo kam langsam in Sichtweite. Bador schaute auf und blickte das Hologramm fragend an. Der Barkeeper zuckte mit den Achseln, lächelte Bador an und freute sich seines Lebens.
12. Oktober 2426
USS Ares NCC 100431
Dockingstation Meridian Station
"Nein. Nein! NEIN! Nein, sage ich!"
"Aber Sir... Sie haben das so angeordnet!"
"Ich habe Ihnen sicher nicht gesagt, dass Sie diese Energiekupplungen mit dem Materie-Antimaterie-Verteilungspuffer verbinden sollen! Wollen Sie uns in die Luft jagen?"
Der junge Fähnrich hob hilflos die Arme. "Chief, Sie haben Standartanordnung verlangt; das ist die Standartanordnung!"
"Ja, aber Standart ist schlecht. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht?"
"Äh, nein Sir. Der Standart ist doch dafür da, dass man nicht über ihn nachdenkt."
Chefingeneur Commander "Chief" Bador hielt dem Fähnrich den erhobenen Zeigefinger unter die Nase - diese Geste hatte er dem THN abgeschaut -, eilte zum nur teilweise montierten Warpkern und öffnete eine ziemlich große Wartungsklappe. Er winkte den Fähnrich heran und deutete wild in die mechanischen Eingeweide. "Sie wollten die Geschichte sicher standartgemäß an den Energiekonverter anschließen, hab ich recht?"
"Aye, Sir."
"Dann zeigen Sie mir doch bitte, wo Sie hier einen Energiekonverter sehen."
Der Fähnrich legte das Datapad ab, rubbelte sich die Hände und deutete... nirgendwohin.
"Äh... Chief?"
"Ja?"#"Da, äh, da ist kein... da ist kein...
"Da ist kein Energiekonverter.", vervollständigte Bador den Satz und riss ein Stromkabel aus dem Verteilungspuffer. Das knisternde Teil hielt er dem zitternden Fähnrich ins Gesicht. Er war so verängstigt, dass er nicht einmal zurückwich.
"Beim ersten Probelauf hätten wir Vakuum geatmet!"
"Sir, ich bin untröstlich..."
"Das sagen sie hinterher alle. Jetzt gehen Sie endlich und lesen sich die Betriebsanleitung für den neuen Warpkern durch. Morgen helfen Sie bei der Anpassung."
Der Fähnrich strahlte ob dieser Geste der Freundlichkeit. "Jawohl, Chief!"
"Danach säubern Sie sämtliche Energiekupplungen der Decks 4 bis 15."
"Oh. Jawohl, Sir."
Der Fähnrich verließ den Maschinenraum. Bador sah ihm nicht nach, schüttelte aber den Kopf - wieder eine Bewegung, die er sich von den Menschen geliehen hatte.
<<Ich habe zu viel Zeit unter Terranern verbracht.>>, dachte er.
Bador kletterte wieder in die Luke, in der er zuvor gearbeitet hatte. Bunte Lichter tanzten über die Programmtafeln. Das Diagnoseprogramm aus den Starfleet-Dateien war quasi nutzlos. Bador hatte schon mehrmals in der letzten Woche ein Update für den neuen Warpkern angefordert - bis jetzt war er stets leer ausgegangen. Daher hatte er in der vorangegangenen Nacht ein eigenes geschrieben. Vielleicht war das der Grund dafür, dass er den Fähnrich so angeschrien hatte. Das entsprach nicht seiner Natur. Wütend wurde er nur, wenn er wirklich, wirklich wütend oder sehr, sehr überarbeitet war.
Im Augenblick traf beides zu. Er gähnte herzhaft und ließ das Pad fallen.
Captain Trat wollte zum Ende der Tagschicht einen vorläufigen Bericht. Natürlich mit allem Drum und Dran. Bador scheute sich davor, seiner alten Freundin mitzuteilen, dass die Ares wohl nicht flugtauglich war, bevor nicht - wenigstens! - drei weitere Tage ins All gezogen waren. Er hätte nichtmal gewusst, wo er mit seiner Schimpftirade ansetzen hätte sollen. Das meiste hatte seine Crew hinbekommen, wie die Schilde, die Lebenserhaltung und das Problem mit der verflixten Schwerkraft auf Deck 16. Aber die Komponenten, aus denen sich der neue Warpkern zusammensetzte, schienen sich gegen ihn verschworen zu haben.
Mürrisch kroch Bador wieder aus dem Tunnel, setzte sich auf eine sinnlos herumstehende Kiste und betrachtete das merkwürdige Gebilde, das den Raum dominierte.
Dies war bereits die dritte Art Kern, die für die Ares angefertigt worden war. Der neue Kern wurde einfach nur Warptriebwerk genannt, hatte nichts mehr mit den Deflektoren zu tun - die ausserhalb eines Büros nie funktioniert hatten - und beschleunigten das Schiff immerhin auf Warp 15 der neuen Warpskala. Damit war die Ares nur noch oberes Mittelmaß in einer Raumflotte, in der das neue Modul zum Standart geworden war. In zwei, vielleicht drei Jahren würde niemand mehr die alte Skala benutzen, Kadetten sie gar nicht mehr lernen müssen. Bador erschauderte.
<<Die Technik, die Technik...>>, sinnierte er und fischte ein ebenso eingepacktes wie platt gedrücktes Sandwich aus der Tasche seines Overalls.
"Mahlzeit."
Bador war froh, noch nicht abgebissen zu haben. An sonsten hätte er sich sicher verschluckt. Er drehte sich auf seiner wackeligen Kiste um und konnte seinen Augen nicht trauen.
"Johnson?", fragte er ungläubig. "Sie lassen dich immer noch auf echte Raumschiffe?"
"Sicher", antwortete Johnson und ließ sich Bador gegenüber an der Wand zu Boden sinken. Dankbar nahm er die abgebrochene Sandwich-Hälfte von Bador entgegen. "Ein paar Leute fanden meine Ideen ganz großartig. Die haben mich davor bewahrt, entlassen zu werden."
"Hat wohl im Bezug auf Degradierung nichts genutzt", meinte Bador kauend. Johnsons Rangkommunikator zeigte nur noch den einsamen Balken eines Fähnrichs. Trotzdem kicherte er.
"Hey, immer noch besser als das hier."#Johnson sah sich demobstrativ im Maschinenraum um. Bador folgte seinem Blick. Und räusperte sich.
"Tja, jede Medaille hat zwei Schatten.", sagte er.
"Seiten.", verbesserte Johnson und biss in sein Sandwich.
"Wie auch immer."
Die beiden Offiziere saßen eine ganze Stunde nur herum und sprachen über die Zeit der Umrüstung, an der sie gemeinsam gearbeitet hatten. Bador, der dem Haupteingang den Rücken zugewandt hatte, überhörte das Zischen der Schotts. Johnson verschluckte sich fast, als zwei ranghöhere Offiziere eintrafen und sich hinter Commander Bador aufbauten. Sie blickten auf den kauenden Ingeneur herab, und die kleinere Gestalt hinderte immer wieder die größere daran, völlig die Nerven zu verlieren. Johnson sah belustigt zu. Irgendwann roch auch Bador den Braten.
"Da steht doch wer hinter mir.", stellte er fest.
"Ja.", pflichtete ihm Johnson bei.
"Will ich mich umdrehen?"
"Halbe, halbe, würde ich sagen."
Mit einem Gesichtsausdruck, als hätte er gerade in eine faule Leolawurzel gebissen, legte der Bolianer sein Mittagessen auf den Boden, stand auf und drehte sich um.
"Unterhalten Sie sich auch gut, Commander?", fragte der Erste Offizier Yoshiki Takeruci finster. Seine linke Braue zuckte, wie immer, wenn er am liebsten seine Uniform abgelegt und statt dessen Boxhandschühe angezogen hätte. Captain Sarah Trat legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.
"Ich habe Ihnen doch bereits gesagt, dass der Chief hier seine gesamte Freizeit verbringt; da kann man eine kleine Pause durchaus tolerieren."#"Das stimmt!", rief Johnson dazwischen, stand kurz auf und reichte Trat die Hand. "Crewman Daniels hat mir erzählt, man hätte ihm eine private Toillette zugewiesen."
"Eine priv.... SIE!"
Takerucis Finger durchbohrte die Luft in dem Bereich, der eine gerade Linie zwischen ihm und Fähnrich Johnson beschrieb. Der Fähnrich wand sich, lächelte unverbindlich, salutierte... und lief davon. Takeruci rief ihm ein wildes "Dageblieben!" nach und rannte hinterher.
"Hat der Commander was falsches gegessen?", fragte Bador und umarmte Sarah.
"Nicht das ich wüsste. Aber ich kann Doktor Rotal fragen." Sie lächelte. "Ich habe gehört, du überarbeitest dich hier."#"Ach, Sarah, sieh dich doch einfach mal um."#Die Captain tat wie geheißen. Der riesige Raum, in dem es normalerweise glänzte und blitzte, war richtiggehend zugemüllt. Die Einzelteile des neuen Warpkerns lagen ebenso herum wie diverse andere Gerätschaften und mindestens dreißig EPS-Verteiler. "Sah schon mal besser aus, da hast du recht."
"Das ist gar kein Ausdruck. Stell dir mal vor, du kommst aus dem Urlaub und findest dein Schiff halb ausgeschlachtet vor. Was Johnson gesagt hat war kein Scherz. Ich hab mich in meinem Büro einquartiert."
"Oh, hast du endlich ein paar Möbel reingestellt?"
"Sicher."
Bador führte sie zum Schott, das in sein kleines Reich führte. Der breiten Konsole und dem Schiffsdisplay hatten sich zwei weiche Stühle in der Ecke, ein Hocker für die Tastatur und ein am Boden ruhender Replikator gesellt. Das Dämmerlicht, dass früher geherrscht hatte, war Bador schon immer ein Dorn im Auge gewesen - Bolianer brauchten normalerweise mehr Licht, um ihre Sehfähigkeiten voll auszuschöpfen. Sarah und Bador ließen sich in den Stühlen nieder, wobei Bador denjenigen belegte, der direkt an der Wand stand. Die Lehne war nicht richtig montiert.
"Also. Wie lief's daheim?"
Bador schwieg. Das Sandwich rotierte zwischen seinen ruhelosen Fingern.
"Nicht so gut", stellte Sarah fachmännisch fest.
Bador gestikulierte wild in der Luft herum und sank wieder zusammen.
"Telus hat geheiratet."
Sarah schien beleidigt. "Und ich war nicht eingeladen?"
"Nein."
"Wieso denn nicht? Ich wäre gerne dabei gewesen."
"Ich auch."
"?"
"Sie hat heimlich geheiratet."
"!"
"Hab ich auch gesagt."
"Wann ist denn das passiert?"#"Vor drei Monaten."
Stille. Sarah wusste nichts zu sagen. Bador wollte nichts sagen. Daher sagte niemand etwas. Bis Sarah vorschlug, sich in den Bereitschaftsraum des Captains zurückzuziehen. Keine fünf Minuten später saßen sie dort. Das hieß, nur Sarah saß. Bador lag auf der Couch und starrte an die Decke. Vor dem riesigen Fenster, das fast die gesamte Aussenwand einnahm und sich gegenüber des Arbeitstisches befand, drehte sich der Planet Meridian IV. Auf der Oberfläche gab es viele kleine Seen, die aus dem Orbit gerade noch erkennbar waren. An manchen Stränden lagen gerade viele ihrer Offiziere und sonnten sich. Die einzigen Ausnahmen, ausser Lieutenant Commander Seth, die ihren Urlaub vor drei Tagen beendet hatte, waren wohl die Turteltäubchen Metek Rotal und J'Kolan. Die beiden reptilodien Offiziere hatten sich auf einen, nun, sagen wir, ungewöhnlichen Urlaubsort geeinigt.
"Ist es dir auch nicht zu dunkel?", fragte Rotal besorgt. Ohne auf eine Antwort zu warten programmierte er die Umweltkontrollen auf eine um zehn Prozent höhere Lichtintensität. Schnell überprüfte er die Wärmelampen in der Decke. "Ich habe gehört, Xindi bevorzugen helles Licht..."
J'Kolan gab ein leises, aber ambitioniertes Kichern mittlerer Lautstärke von sich. "Eigentlich, ähm, bevorzugen wir raucherfüllte Dunkelheit."
"Oh - oh, das kriege ich hin, ganz sicher. Ich muss nur..."
"Lass das Licht hell. Und komm zurück auf den Felsen." Sie tippte neben sich auf den großen, flachen, rotglühenden Stein. "Dieses Reptil ist ein wenig einsam. He... he...."
Rotals Augenwülste legten sich enger an seine Stirn und verfärbten sich in ein tiefes Grün. Sein Schweif tanzte vergnügt durch die Luft. Mit einer Handbewegung machte er die letzte Eingabe unwirksam; das Quartier wurde wieder dunkler. "Dein Wunsch ist mir Befehl."
Rotal schlenderte zurück zu seinem Schlaffelsen. Für einen Menschen wäre es eindeutig zu dunkel gewesen, doch sowohl J'Kolan als auch Rotal sahen in der Dunkelheit ausgezeichnet. Er ließ sich neben Jay nieder. Sie trug weite Freizeitkleidung, dünn und luftig. Im Gegensatz zu ihr pflegte der Waraki, in seinem Reich die lästige Kleidung abzustreifen. Er nahm die Wärme über das Licht auf. Ausserdem war die lederartige Hautschicht der Waraki wesentlich dicker, als es bei dem schlanken Körperbau der Fall sein dürfte. Und da Waraki keinerlei äusseren Geschlechtsorgane besaßen, die nicht von beweglichen Schuppen verdeckt waren, kannten sie auch kein Schamgefühl. Was in den ersten Jahren auf der Erde nicht immer von Vorteil gewesen war.
"Du hättest mir dein, äh, Quartier schon viel früher zeigen sollen. Dieser Felsen ist so viel bequemer als mein Standartbett!"
J'Kolan war ganz begeistert. An terranische Einrichtung war sie gewöhnt, seit sie bei ihren Ersatzeltern aufgewachsen war, die in einer von der Föderation verwalteten Xindi-Kolonie wohnten. Sie wusste, dass Xindi Reptilianer für gewöhnlich harte Matrazen für ihre bettähnlichen Nester bevorzugten, doch sie war überrascht, wie sehr sie sich auf dem harten Stein wohl fühlte.
"Hast du Hunger?", fragte Rotal.
"Du bist eine, äh, besorgte Glucke.", sagte Jay und kicherte.
Rotal lächelte unsicher, bleckte dann aber liebervoll seine imposanten Reißzähne. "Soll das jetzt eine Beleidigung sein?", fragte er.
"Nein! Nein. Das hat der Chief gesagt."
"Und du gibst ihm recht?", fragte Rotal amüsiert.
"Ähm, nun, ja. Ich habe die Redensart in der Datenbank abgefragt."
"Und was kam dabei heraus?"
"Du bist eine besorgte Glucke."
"Das sagtest du bereits."
"Ja, aber...", begann sie, zuckte dann hilflos mit den Armen. Rotal setzte sich auf und sah ihr in die Augen.
"Gehe ich dir auf die Nerven?"
Stille.
"Nein...", sagte sie dann.
"Gut, ich dachte schon..."
"...aber eigentlich doch."
"Also das musst du mir jetzt erklären."
J'Kolan breitete die Arme aus. "Naja, du fragts ständig, naja, ob ich irgend etwas brauche, und so..."
Rotal blinzelte verwirrt. Seine Augenwülste wurden knallrosa. "Sollte ich das denn nicht?"
"Naja, ähm, im Moment brauche ich eigentlich nur dich."
"Oh. Oh! Tja, also, ähm, hm, äh..."
Jay packte Rotal an der Schulter und zog ihn wieder zurück auf den Felsen.
Von einem Augenblick auf den anderen war es heller im Quartier. Das Schott zum Korridor war aufgeglitten. In der Öffnung stand ein Mann im Overall der technischen Abteilung. Er schien voll auf ein Datapad in der einen Hand und auf einen Kaffeebecher in der anderen fixiert zu sein. Er bemerkte die beiden reptiloiden Offiziere nicht. Diese wiederum lagen stumm auf dem Felsen und sahen dem Mann zu, als er langsam ins Quartier kam, offenbar einen Bericht oder Auftrag lesend. Dann stolperte der Ingeneur über einen Gegenstand; Rotal vermutete, dass ihm ein Aktenkoffer im Weg stand. Rotal hatte viele von diesen Dingern herumstehen. Die beiden zuckten mitfühlend zusammen, als der Mann lautstark auf dem Deckboden aufschlug.
"Au! Computer, Licht!"
Die obligatorische peinliche Stille folgte, nachdem der Mann aufgesehen hatte. J'Kolan winkte ihm zögernd zu. Rotal sah sie dabei merkwürdig an, zuckte mit den Schultern und tat es ihr gleich.
"Doktor", stellte der Mann fest.
"Ja."
"Lieutenant", vervollständigte der Ingeneur.
"Äh, hallo..."
"Ich... ich sollte wohl wieder gehen, oder?", fragte der Mann, rappelte sich auf und näherte sich rückwärts dem Schott, ohne auf die offensichtliche Antwort zu warten.
"Ja, das wäre eine ausgezeichnete Idee, Crewman. Und morgen kommen Sie zu mir und lassen sich ihren Kopf durchleuchten." Rotal grinste ein fieses Lächeln. "Nur für den Fall."
"Ähm, aye, Sir. Auf Wiedersehen, Sir. Bis Morgen. Ma'm..."
Der Ingeneur hob einen imaginären Hut zum Gruss und war weg. Das Schott schloss sich wieder.
Rotal räusperte sich. "Computer, Eingang abschließen."
< Bestätigt. >
Dann sahen sich das Pärchen an. Und beide lachten.
12. Oktober 2426
Dockingstation Meridian Station
Sektor Drei Drei Eins
Die ruhige, beinahe sanfte Stimme des Staffelkommandanten drang aus den Komsystemen. Sie wurde, wie alle anderen auch, von Frequenzstörungen und gewollten Verzerrungen überlagert und war kaum zu erkennen, als er den Befehl gab.
"Alle Jäger bereit machen."
"Rot 10 bereit."
"Rot 7, bereit."
"Rot 3 bereit!"
"Rot 6 bereit."
"Rot 9 bereit."
"Rot 2 bereit."
"Rot 6 bereit."
"Rot 5... bereit."
"S-Flügel in Angriffsposition."
Links und rechts der Pilotenkanzel des fremdartigen Raumschiffes klappten die vier Flügel auseinander. Von vorne gesehen bildeten sie eine Art X, was dem kleinen Raumjäger seinen Namen eingebracht hatte: X-Flügler, gemeinhin auch als X-Wing bekannt.
Der Anblick der vier langen Laserkanonen, die an den Enden der Tragflächen angebracht waren, war imposant. Aber nicht so beeindruckend wie das gigantische Gebilde, das sich von vorne näherte. Natürlich war die Reisegeschwindigkeit des kleinen Raumjägers viel geringer als das... Ding, dass da auf sie zugekrochen kam, aber das war nicht so offensichtlich. Denn die Langsamkeit des Gegners kam nur von der Größe.
"Seht euch an wie groß das Ding ist!"
"Keine Privatgespräche! Auf Angriffsgeschwindigkeit gehen."
Der Pilot von Rot 5 trat ein wenig stärker aufs Pedal. Sofort erhöhte sich die Geschwindigkeit der Maschine, und nach wenigen Sekunden füllte das Ziel das gesamte Sichtfenster ein.
"Angriff auf den Todesstern beginnt.", meldete Führer Rot auf dem offenen Kanal. Vermutlich sprach er mit der Kommandozentrale, die für Rot 5 nicht hörbar war. Führer Rot schien einen Wortwechsel mit ihr zu führen.
"Verstanden, General. Führer Rot an Staffel Rot. Wir halten uns zurück und geben Gruppe Gold Geleitschutz. Nehmt euch für's erste die Geschütztürme vor."
Zustimmende Kommentare drangen aus dem Komgerät. Die Staffel brach aus einander, als sich jeder Rotte, aus je drei X-Flüglern bestehend, sich ihre Ziele selbst aussuchte. Rot 5 sah sich nach einem bestimmten Ziel um. Irgendwo... Ja.
Rot 5 drehte ohne Vorwarnung ab und nahm Kurs auf eine Rotte X-Flügler, die sich einem riesigen Abwehrturm, vollgepackt mit dutzenden Turbolasern, näherten.
"Rot 5, in der Gruppe bleiben!"
Rot 5 antwortete mit einem Protonentorpedo. Das Geschoss flog geradewegs auf den Abwehrturm zu. Einer der Piloten meldete Laserzielerfassung... und jubelte, als sie wieder verschwand. zusammen mit dem Abwehrturm, dessen Trümmer auf die Oberfläche des Todessterns regneten.
"Luke, zurück in Formation!"
"Geht klar, Biggs."
Rot 5 machte kehrt und schloss sich wieder seinen Flügelmännern an. Der Pilot, dem Rot 5 das Leben gerettet hatte, machte eine Ehrenrolle und verschwand dann in einem längeren Graben.
"Hier 2, registriere mehrere Kampfjäger auf Abfangkurs."
"Das sind TIEs", stellte jemand fest. "Und zwar ganz schön viele."
"Sie kommen aus allen Richtungen!"
"Nicht die Nerven verlieren, 7!."
"Führer Rot an Gruppe Rot. Feuer frei auf die TIEs. Wiederhole: Feuer frei! Schützt Staffel Gold!"
Die Roten bestätigten und nahmen Kurs auf die winzigen, praktisch unsichtbaren feindlichen Kampfjäger. Rot 5 machte sich keine Gedanken über die merkwürdigen Konstruktionen. Er kannte ihre Stärken und er kannte ihre Schwächen. Rot 5 schoss wieder aus der Formation und aktivierte seinen Zielcomputer. Schnell war der erste TIE in der Peilung. Die vier gekoppelten Laser durchschlugen das Cockpit des Gegners, töteten den Piloten. Der Jäger stürzte ziellos ins Leere. Rot 5 wandte sich dem nächsten Ziel zu. Wütende Befehle schlugen ihm aus dem Kom entgegen. Rot 5 deaktivierte es. Er flog ausserhalb der Formation und suchte gezielt nach seinen Kameraden. Drei von ihnen bewahrte er vor dem sicheren Tod, in dem er ihnen am Heck hängende TIEs wegschoss. Nach wenigen Minuten wich der harte Ton des Staffelführers - er war mitlerweile gefallen - einem wahren Meer aus jubelnden Stimmen. Rot 5 bemerkte, dass auch andere Piloten die Taktik übernahmen, auf ihre Flügelmänner pfiffen... und praktisch aus dem Nichts auftauchten, sobald sich ein aufmüpfiger TIE einen scheinbar einsamen X-Wing als Ziel aufsuchte. Rot 5 indess hatte nichts anderes erwartet. Als er sah, dass der Kampf ausgesprochen gut für die Rebellenallianz verlief, rief er seine Rottenkollegen.
"Wedge, Biggs, ich gehe runter. Starte Angriff auf den Auslassschacht."
"Negativ, Luke! Das ist die Aufgabe von Staffel Gold!"
"Staffel Gold hat keine Chance. Ich gehe runter. Kommt mit oder lasst es bleiben."
Ein verärgertes Grummeln kam aus dem System. Aus den Augenwinkeln sah Rot 5 zufrieden, dass sich zwei weitere Maschinen seinem Sinkflug anschlossen.
"Die lassen dich nie wieder ins Cockpit!", stellte einer der Piloten fest.
"Abwarten."
Die Oberfläche des Todessterns kam immer näher. Näher... Näher...
Aus dem Komsystem kam ein lauter Schrei. Irgendwo weit vorne im Graben gab es eine Explosion. Sie sah von hier aus recht klein aus, doch sie musste ziemlich gewaltig gewesen sein. Rot 5 überkam ein ungutes Gefühl.
"Da stimmt was nicht.", sagte jemand. Sofort nachdem der Satz zu Ende war hörte man nur noch Rauschen.
"Gold 5 an Staffel Rot! Angriff fehl geschlagen! Wiederhole, Angriff fehl geschlagen! Wiederhole den...-" Der Kontakt endete, als Gold 5 abgeschossen wurde.
"Staffel Rot, hier Kommandozentrale. Angriff auf die Öffnung beginnen."
Rot 5 war bereits im sogenannten Todessterngraben. Er flog ein paar dutzend Meter vor seinen Begleitern. Er wusste, was aus ihnen werden würde.
"Rot 5 an Staffel Gold. Wir brauchen Geleitschutz."
Die beiden Überlebenden von Gruppe Gold meldeten sich sofort.
"Gold 7 an Rot 5. Gebe euch Deckung."
"5, hier Gold 3. Bin dabei."
Zwei weitere Jäger gesellten sich in ziemlichen Abstand hinter sie. Die fünf Jäger rauschten durch den Graben und wichen gekonnt Laserschüssen aus kleineren Türmen aus... bis diese plötzlich den Betrieb einstellten.
"Rot 5 an Gruppe Gold. Da kommen drei TIEs von oben. Seit wachsam und zielt auf den Anführer."
"Bestätigt."
"Aye Sir!"
"Jawoll!"
"Wird ge..."
"Da kommen sie! Wir haben Gold 7 verloren!"
Einer von Rot 5s Begleiter schaltete auf Gegenschub, rotierte auf der Stelle - ein wirklich gewagtes Manöver - und jagte auf die TIEs zu.
Rot 5 kümmerte sich nicht darum. Sein Ziel war einzig und allein die Auslassöffnung, nicht einmal zehn Kilometer voraus...
Etwas pochte gegen das Steuerbord Seitenfenster. Rot 5s Herz sackte ihm in die Knie. Beinahe hätte er aus einem Reflex heraus den Steuerknüppel nach links gedrückt - doch dann wäre er direkt gegen die Wand des Todessterngrabens geknallt. Er wollte sich schon als getroffen melden... da hörte er es wieder. Ungläubig sah er nach rechts.
"Sind Sie dann fertig mit Räuber und Gendarm spielen?", fragte Lieutenant Commander Lucia Seth und sah den Pilot Rot 5 belustigt an. Sie stand vor dem Fenster, verschränkte gerade die Arme vor der Brust und war sichtlich amüsiert.
"Lassen Sie mich in Ruhe, ich habe Dienstfrei.", presste Flight Officer Commander Andrew Gribeth hervor und konzentrierte sich auf den Graben. Der Zielcomputer zeigte eine Distanz von fünf Kilometern. Vier. Drei. Zwei.
"Sie haben den Check Up vergessen.", stellte Commander Seth fest. Sie hatte es sich auf einer der schiefen Tragflächen bequem gemacht.
"Sie versauen mir alles! Ich bin gleich für Sie da, aber jetzt.... NEIN!"
Während eine körperlose Stimme Andrew dazu aufforderte, der Macht zu vertrauen, stand Seth auf und schlenderte zum Bug des Schiffes - wo sie sich draufsetzte und Gribeth die Sicht versperrte.
"Computer, Programm sofort einfrieren!"
Er war zu langsam. Das Holodeck pausierte genau in dem Augenblick, in dem Gribeths X-Flügler ein paar Meter zu tief gegangen war. Vor seinem Pilotensitz machte sich eine stocksteife, regenbogen farbene Explosion breit, die fast seine Füsse erreicht hatte.
"SIE!"
"Ich."
Andrew sprang aus der Kanzel und deutete energisch mit dem Finger auf Seth, die mitten in einer Stichflamme saß. "Das war ein fast perfekter Flug! Ich hab nur drei Mitglieder meiner Staffel verloren! Sie haben mir alles zunichte gemacht!"
"Hm..." Sie schien schuldbewusst. "Macht nichts." Sie schien eben nur schuldbewusst.
"Ach, verdammt Scheiße, in den Arsch eines Banthas zurückgeschoben!", fluchte Gribeth (nun ja; das ist nur die entschärfte Version des Spruches, den Gribeth zum Besten gab; wirklich stark modifiziert. Immerhin könnten das Kinder lesen...) und warf seinen Helm auf den Boden - in diesem Fall der des Todessterngrabens, auf dem der Jäger eine Bruchlandung hingelegt hatte.
Seth rümpfte die Nase. "Jetzt sagen Sie bloß noch, Sie sind stolz auf sich. Ich hab beim zweiten Anlauf alle elf gerettet. Und jetzt kommen Sie endlich. Die neuen Kampfshuttles sind da."
13. September 2426
USS Ares NCC 100431
Sektor Drei Drei Eins
Am Morgen dieses Tages, der recht ereignisreich werden sollte, fand ein recht langweiliges Meeting der Technischen auf dem Programm. Bador saß zusammen mit den Sektionsleitern am runden Tisch des Konferenzraumes auf Deck 15 und hörte sich an, wie seine Untergebenen über die schlechte Arbeit jammerten, die das Personal von Merdian Station leistete. Bador konnte es ihnen nachfühlen. Er selbst hatte auf ein paar seiner Spaziergänge durch das Schiff eklatante Mängel festgestellt und sie sofort behoben.
Der Chefingeneur ließ seine Gedanken treiben...
Die Sache mit seiner Tochter Telus war ihm nicht egal. Auf Vordia geschah in Sachen Heirat nichts bevor der Vater der Braut nicht wenigstens in Kenntniss gesetzt wurde. So, wie Bador seine Frau Arania kannte, musste Telus gewaltige Überredungskunst aufgewendet haben, um sie von einer heimlich Heirat zu überzeugen.
Bador wusste ja, was das Problem war. Die Sternenflotte. Seine Familie hatte er seit mindestens drei Jahren nicht mehr gesehen; der Urlaub auf Vordia, nicht einmal eine Woche lang, war die einzige Ausnahme. Fast hätte er seinen Sohn Baklat für dessen Cousin Verin gehalten, so groß war er geworden. Der kleine, lebensfrohe Junge war zu einem ernsten Zyniker geworden, der seinen Vater dessen Abwesenheit ebenso vorwarf wie seine Schwester. Bador musste sich eine Träne verkneifen, als er wieder einmal den Augenblick durchlebte, in dem Telus den Ahi-Jo-Bann über ihn gesprochen hatte. Damit war ihr Vater in ihrem Haus nicht mehr willkommen.
Eine Träne kam doch durch. Bador wischte sie weg.
"Sir? Hören Sie zu?", fragte Lieutenant Harris aus Sektor Delta
"Äh, ja. Fahren Sie fort."
"Nun, wir haben die Schäden auf den Decks 11 bis 17 behoben, die gröbsten jedenfalls. Die Arbeiten gehen gut vora und werden in frühestens zwei Tagen abgeschlossen sein. Wir gehen aber eher von vier bis fünf aus. Die Gravitation auf Deck 16 hat gestern Nacht wieder gesponnen; die Jungs von der Station haben angeboten, das Erzeugungsnetz komplett auszuwechseln."
Der Lieutenant sah Bador fragend an. Der nickte. Deck 16 war niemandem geheuer. Wenn nicht die Beleuchtung oder die Gravitation ausgefallen war gab es stets mindestens drei andere Deffekte. Nicht selten fiel das Lebenserhaltungssystem aus. Bador setzte freiwillig keinen Fuß auf dieses Deck.
"Ja, gut. Ich werde es veranlassen. Dyson und Kaplan sollen dabei assistieren; sie arbeiten dort. Weiters wäre da nur noch die Unregelmäßigkeit in Frachtraum 4 anzumerken."
Der Lieutenant setzte sich, ohne die Angelegenheit weiter auszuführen. Bador jedoch wurde hellhörig.
"Ich höre zum ersten Mal von einem Problem in Frachtraum 4, Lieutenant."
"Ah, ja, Sir. Wir haben es bislang nicht bemerkt, weil der Frachtraum ein unabhängiges System hat."
"Wegen dem Exobiologischen Forschungskram, den die da unten lagern?", fragte Bador angewiedert. Frachtraum 4 war als Bombenlager vorgesehen gewesen, mit eigenem Eindämmungskraftfeld. Als die Ares zu einem Jägerträger umfunktioniert worden war, hatte Bador darauf bestanden, dort einen weiteren Ersatzwarpkern zu lagern, nur für den Fall. Er wurde überstimmt.
"Ja, Sir. Normalerweise fällt es nicht auf, wenn dort unten Energie fließt..."
"Aber Deck 12 wird derzeit nicht mit Energie versorgt", stellte Bador nachdenklich fest. "Wie sieht die Unregelmäßigkeit denn aus?"
"Ah... ja, da ist es ja. Merkwürdig", murmelte Harris und runzelte die Stirn. "Das Protokoll zeigt an, dass dieses Schott in den letzten Wochen dreiundsechzig Mal geöffnet und wieder geschlossen wurde. Manuell."#"Wirklich?"
"Ja. Und zwar ohne, dass jemand hindurchgegangen ist."
Ein Raunen ging durch den Raum. Bador udn Lieutenant Harris sahen sich an. Sie wussten, dass dies nahezu unmöglich waren. Die Türen waren mit Körpersensoren ausgestattet. Es war beinahe unmöglich, im vorbeigehen eine Tür aus Versehen zu öffnen. Demzufolge musste jemand den Frachtraum ziemlich oft besucht haben...
Sie erstarrten.
...oder hatte ihn ziemlich oft verlassen.
Bador betätigte seinen Rangkommunikator. Das zwitschernde Geräusch kam ihnen lauter vor als sonst. "Bador an Sicherheit. Ich sehe vielleicht nur Bolljagd-Hühner, aber ich befürchte, wir haben ein Problem auf Deck 12. Sekor Delta. Frachtraum 4. Wir treffen uns dort."
Harris stand auf, Bador tat es ihm gleich.
"Harris, Sie führen die Sitzung weiter und informieren mich später. Ich sehe mir die Sache mal genauer an."
"Sicherheit an Commander Seth."
Lieutenant Commander Lucia Seth, Sicherheitsoffizier an Bord der USS Ares, fluchte heftig, als sie sich reflexartig aufrichten wollte und dabei an die Decke der winzigen Jeffreys-Röhre knallte. Ihre Stirn schmerzte, als sie ihre Hand an ihrem Körper vorbei zum Rangkommunikator zwängte.
"Seth hier."
"Wir haben möglicherweise ein Sicherheitsleck auf Deck 12. Frachtraum 4. Ihre Anwesenheit könnte notwendig sein."
"Puh.", machte Seth und verdrehte ihren Kopf nach hinten. Der Weg durch die klaustrophobische Wartungsröhre war recht lang, wenn man die geringe Größe der neuen Kampfjäger bedachte. Die Neigung der Konstrukteure, Jeffreys-Röhren immer enger zu machen, galt als wenig klug (wieder so eine höchst nette Umschreibung; Anmerkung des Autors!). "Ich beeile mich. Seth Ende. Seth an Transporterraum 2. Erfassen Sie mein Signal und beamen Sie mich auf Deck 12, Sektor Delta."
Nur Sekunden später spürte sie das unangenehme Kribbeln des Transporterstrahls, und die Umgebung verlor sich. Sie hörte nur noch, wie Commander Gribeth ihr etwas zurief - vermutlich hatte er gar nicht mitbekommen, dass sie verschwand. Dann verdichtete sich ihr Sichtfeld wieder, und erfreut stellte sie fest, dass der Transporterchef sie in einer aufrechten Haltung rematerialisiert hatte. Seth sah sich um, erkannte die Umgebung und fluchte. Sie befand sich in Sektion 11, drei Sektionen von Frachtraum 4 entfernt. So setzte sie zu einem Dauerlauf an. Die Vorfreude auf einen richtigen Einsatz ließ sie vergessen, dass sie direkt neben einem Turbolift erschienen war.
Bador wanderte ungedulig auf und ab. Einer der beiden Sicherheitswächter, eine ziemlich junge Frau von Darania Prime, warf zum vierten Mal innerhalb einer Minute einen Blick auf ihr Handchrono. Wie aufs Stichwort kam Commander Seth hechelnd um die Ecke. Sie hatte irgendwo ein Phasergewehr des Typs 3 aufgelesen - keiner wusste, wo sie es herhatte.
"Chief", begrüßte Seth den Bolianer ernst, als sie ihre Puste wiedererlangt hatte.
"Commander"
Bador deutete auf das Schott hinter ihm. "Diese Tür wurde in den letzten Wochen mehrfach ohne Grund geöffnet und wieder geschlossen. Wir befürchten, dass ein Eindringling an Bord ist."
Die Commander sah Bador verständnislos an. "Sie wissen schon, dass es dann einen Eindringlingsalarm gegeben hätte?"
Bador zuckte mit den Achseln. "Sicher ist sicher. Gehen wir rein?"
Seth nickte. Sie und ihre Sicherheitsleute bezogen Stellung neben der Tür und pressten sich an die Wand. Bador trat ans Terminal und drückte auf die "Türe öffnen"-Taste.
Nichts geschah. Bador runzelte die Stirn. Er versuchte er erneut. Wieder nichts. Als sich nach dem dritten Mal immer noch nichts tat versuchte er es mit seinem persönlichen Zugangscode.
Die Schotten teilten sich. Langsam und schwerfällig. Knirschend.
Bador trat an Seth und den verblüfften Sicherheitswächtern vorbei in den riesigen Raum. Überall standen geordnet Container herum, manche in Regalen, andere auf dem Boden. Es brannte kein Licht, doch Badors fachmännisches Auge bemerkte Restillumination. Sogar ziemlich starke. Die Beleuchtung musste tagelang aktiv gewesen sein.
"Hallo?", rief er in den Raum. Es hallte ein wenig.
Die Sicherheitsleute schwärmten aus und durchsuchten leise den Raum. Sie versteckten sich in Schatten und gingen hinter Kisten in Deckung. Seth blieb beim Chief, teils, um ihn zu schützen, teils um so zu tun, als wären die beiden allein.
"Ich bin Commander Bador! Wir wissen, dass Sie hier sind!", log er, wohlwissend, dass es sehr wahrscheinlich war, dass er ein lautes Selbstgespräch führte. Wenn es einen Eindringling gab, so hieß das noch lange nicht, dass er sich noch immer hier aufhielt.
Seth stieß den Commander vorsichtig an. Er blickte zu ihr. Sie sah in die andere Richtung, bedeutete ihm aber durch ein Kopfnicken, dass er seine Augen irgendwo an die Decke des Raumes richten sollte.
Bador verstand. Es gab nur eine Vorrichtung unter der Decke: den Aufsichtsgang ein Deck höher. Der Besucher musste sich dort versteckt haben; vielleicht hatte er auch gehofft, unentdeckt entkommen zu können. <<Nix da>>, dachte Bador. Es gab dort oben nämlich keinen zweiten Ausgang.
Seth hob unmerklich ihr Gewehr. Ohne Vorwarnung riss sie es den letzten Weg nach oben und feuerte gezielt auf den körperähnlichen Schatten auf dem Geländer. Ein Frachtcontainer, mit einer Decke überworfen, platzte auf und fiel in Teilen zu Boden.
Plötzlich kam hinter ihnen Bewegung auf. Der Deckel einer isolierten Kiste sprang auf. Eine Gestalt hüpfte heraus und hetzte zur Tür. Seth fuhr herum und schoß erneut. Der Phaserblitz traf den Flüchtigen am Bein. Er stolperte. Rappelte sich wieder auf. Rannte wieder los. Ungläubig legte Seth erneut an. Das Gewehr war auf volle Betäubung eingestellt. Bevor der Mann - er sah zumindest wie ein Mann aus - die Tür erreichen konnte, traf ihn die ballförmige Energiewelle in den Rücken. Er fiel hin. Geschockt sahen Bador und Seth zu, wie der Typ sich mit den Händen weiterzog. Er verfügte wohl über keine Waffe.
Ein letzter Phaserstrahl, aus einem Handgerät kommend, traf den Mann am Handgelenk. Er schrie auf. Crewman Elling sprang von ihrem erhöhten Sniperpunkt herunter und landete grazil auf dem Boden. Ihr Partner Gus hangelte sich gerade die Leiter wieder herab; er hatte den Aufsichtsgang nach Spuren durchsuchen wollen.
Missmutig traten Bador und Seth an den Eindringling heran. Er trug eine schwarze Uniform, etwas zerschlissen, aber robust. Er sah rudimentär menschlich aus, doch was sie von seiner unverletzten hand sehen konnten, war lediglich graue Haut. Sie schien etwas blass zu sein. Lange Haare, schwarz und ungepflegt, verteilten sich auf dem Deckboden. Am hervorstechendsten (tschuldigung, der musste sein ;-) aber waren die vielen abgestumpften Hornstachel, Dorne, die aus der Uniform ragten und offenbar zum Körper gehörten.
"Ein Z'Sordo", stellte Commander Seth unnötigerweise fest. Sie packten ihn und warfen ihn auf seinen Rücken. Und starrten in grelle, reptilische Augen. Wache, grellgelbe reptilische Augen mit sicherlförmiger Iris. Doch Furcht lag darin.
"Soso", meinte Seth und hielt dem Mann einen Handphaser an die Schläfe. Das Gewehr lag auf einem Container. Der Handphaser war auf Töten eingestellt.
"Ich werde Sie desintegrieren, wenn Sie auch nur eine falsche Bewegung machen."
Der Z'Sordo nickte. Seine Hände zitterten. Als er sprach, klang er mehr als nur erschöpft.
"Ich... Ich..."
"Ja?"#Der Eindringling brachte es tatsächlich zu Wege, so etwas wie Würde in seine Stimme zu legen.
"Ich weiß... es ist etwas spät dafür... aber... oh.... ich bitte hiermit offiziell um Asyl in der Föderation."
Bador war Seth einen vielsagenden Blick zu. Und dann erkannte auch sie das Gesicht. Ungläubig betätigte sie ihren Rangkommunikator.
"Seth an Captain Trat."#"Ja, Lucia, was gibt es?"#"Captain, Sie sollten vielleicht zu Frachtraum 4 kommen. Oder noch besser, zu Arrestraum A."
"Commander?"
"Ma'm, wir haben hier einen Eindringling aufgegriffen. Er bittet um Asyl."
"Aha. Ich komme sofort."
"Ah, und Ma'm?"
"Ja?"
"Es ist ein Z'sordo. High General Jebek. Von der Vierten Flotte der Z'Sordobefreiungsarmee."
"Mir war von Anfang an klar, dass wir den Krieg gewinnen würden.", fuhr General Jebek fort. "Die Romulaner befanden sich mit Ihnen im Krieg. Ihre Schiffe waren unterbesetzt und weit verstreut. Es war ein leichtes, die ersten Frachter zu kapern. Der Rest der Flotte kam dann ganz wie von selbst."
Der ausserirdische General saß mit straffen Handfesseln an den Tisch geklammert im Verhörsaal der Ares. Ihm gegenüber führte Captain Trat das Verhör; Commander Seth saß daneben und fühlte sich sichtlich unwohl. Die Captain hatte lange mit ihr darüber diskutiert, dass es besser sei, den Mann selbst auszuhorchen. Damit hatte sie Seth zu einer Art Wachhund degradiert, der nur daneben saß und zusah.
"Ich möchte noch einmal auf einen sehr wichtigen Punkt zurückkommen", sagte Trat und verschränkte die Finger auf dem Tisch. "Wieso soll ich Ihnen Asyl gewehren - und nicht wieder in die Arrestzelle werfen?"
Der General überlegte kurz. Offenbar hatte er sich diese Frage selbst mehrmals gestellt.
"Ich besitze über vielerlei Informationen", antwortete er dann wage.
"Also gut. Dann erklären Sie mir doch noch einmal, wieso ihre Flotte die Vulkanier angegriffen hat."#"Natürlich wegen des Romulanischen Oberkommandos, das dort stationiert war."
"Gut. Das verstehen wir. Aber..."#Plötzlich schlug Jebek mit geballten Händen auf den Tisch. Dellen erschienen darin.
"Sie wollen wissen, warum ich die Zivilbevölkerung angegriffen habe?"
"Ja."
Der Mann sackte in sich zusammen.
"Ich hatte den Befehl dazu. Sehen Sie, in meinem Volk herrscht eine gewisse... Antipathie der Föderation gegenüber."
"Das haben wir bereits gehört", merkte Seth an, erntete dafür aber einen strengen Blick vom Captain.
"Meine Vorgesetzten machen keinen Unterschied zwischen Romulanern und Föderation. Wenn das Imperium einmal unterworfen ist, wird Ihre geliebte Föderation das nächste Ziel sein."
Sein Blick schweifte ins Leere. "Glauben Sie mir, ich habe nichts gegen die Föderation. Ich mag SIe nicht sonderlich. Aber ich hasse Sie nicht. Unsere Feinde sind die Romulaner, nicht Sie. Ein erneuter Krieg wäre der Untergang für meine Rasse. Wissen Sie, wie viele Schiffe ich hatte, bevor der Kampf um Vulkan begonnen hatte?"
"Nein."
"Einhundertvierunddreißig."
Seth stieß einen erstaunten Pfiff aus. Als die Ares sich damals dem zerstörten Planeten genähert hatte, erwarteten sie lediglich zwölf feindliche Raumschiffe.
Der General fuhr fort.
"Ich habe vorschriftsmäßig die Oberfläche bombardieren lassen. Ich habe die Romulaner ebenso vernichtet wie die Vulkaner. Als ich mich weigerte, auf Ihr Schiff zu feuern, wurde ich von meinem Ersten Offizier abgesetzt. Das kommt bei uns einem Todesurteil gleich. Mir blieben nicht viele Optionen offen: dableiben und auf die Exektuion warten, Sie um Asyl bitten oder mich einfach zu Ihnen herüber beamen. Nach dem, was ich auf Ihrem Planeten angerichtet hatte, erschien es mir klüger, mich zu verstecken."
Trat nickte. Ihr war bei dem Gedanken, diesen Verbrecher ausserhalb einer Gefängniszelle zu sehen, genauso unwohl wie Commander Seth. Trat nahm ein paar Einstellungen auf ihrem Datapad vor; dann gab Sie Seth ein Zeichen.
"Bringen Sie ihn eine Arrestzelle. Eine offizielle Anhörung wird folgen, General."
Sie deutete ein Nicken in seine Richtung an; eine Ehrenbezeichnung ausschließlich im Bezug auf seinen Rang. Dann packte die Sicherheitsoffizierin den General am Kragen und schleifte ihn davon.
Als Captain Trat ihren Chefingeneur in seinem Büro fand, saß er zusammengekauert in seinem Stuhl. Auf seinen Oberschenkeln lag ein Brett unbekannter Herkunft. Darauf verteilt hatte er die Einzelteile des Geräts, das man General Jebek abgenommen hatte. Als Sarah hereinkam, sah er auf und schüttelte den Kopf. Das Licht war praktisch auf Null abgeschwächt worden.
"Das hier ist die primitivste Tarnvorichtung, die ich je gesehen habe."
"Und doch hat sie uns wochenlang zum Narren gehalten. Weißt du schon mehr?"
"Natürlich." Bador zog die Wörter in die Länge. Das tat er immer, wenn er nicht ganz bei der Sache war.
"Bador?"
"Sarah?"#"Wann hast du das letzte Mal geschlafen?"
"Auf dem Weg nach Vordia."
Sarah nickte verständnisvoll. Bador hatte die Reise zu seiner Familie nur Stunden nach der Ankunft auf Meridian Station angetreten. Das war jetzt schon einige Zeit her. Sarah kannte sich natürlich mit der Physiologie der Bolianer aus.
"Du solltest mit Doktor Rotal sprechen. So viel Schlafentzug ist nicht gut für dich."
"Es wird schon gehen. Hier"
Bador warf Sarah, die im anderen Stuhl platzgenommen hatte, ein Bauteil der Tarnvorichtung zu. Es war kaum faustgroß und blinkte immerzu. "Aha. Was ist das?"
"Eine Art Batterie. Lädt sich von selbst wieder auf."
"Hm."#"Ja."
"Interessant."
"Nicht wahr?"
Stille.
Sarah ließ ihren Blick durchs Büro schweifen. Sie sah durchs Panoramafenster. Der Warpkern war nun fast vollständig verkleidet und angeblich schon einsatzbereit. Dafür waren einige andere Systeme noch gar nicht angefasst worden und demnach immer noch nicht repariert.
"Lass dir was vom Doktor verschreiben. Die nächsten zehn Stunden schläfst du durch."
"Ist das ein Befehl?"
"Nein. Die Bitte einer Freundin."
"Dann ist es okay."
Bador stand auf und verließ sein Büro. Sarah blieb zurück. Langsam fragte sie sich, ob man die Crew dieses Schiffes nicht komplett gegen Techniker austauschen sollte. Ein regelrechter Fluch schien an der Ares zu haften, dem niemand wirklich zu entkommen vermochte.
"Verflucht!"
Senior Lieutenant Etkins, gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt, um die Ares auf eine mögliche neue Mission vorzubereiten, warf sich in seinem Stuhl zurück und ließ die flache Hand immer wieder auf die Tastatur vor ihm herunterkrachen. Zwei Brückenoffiziere warfen ihm belustigte Blicke zu. Etkins spürte die ungewollte Aufmerksamkeit und beruhigte sich wieder. <<Irgendwie muss man diese Aggregate doch zum Laufen bewegen können>>, dachte er. Mit Überbrücken hatte er es bereits versucht, Neuprogrammierung ebenfalls. Ein nicht ganz leichter Unterfangen - die Designer bei Starfleet hatten vor Jahren alles versucht, um dem Schiff mehr Bewegungsfreiheit zu verschaffen und dabei die Navigationskontrollen teilweise völlig neu entworfen. Nach etlichen Holodecksimulationen kamen Etkins und seine Kollegen aus der Nacht- und Frühschicht ganz gut mit dem Schiff zurecht, wenngleich sie - die Ares - manchmal ziemlich bockig sein konnte. Etkins nahm sich ein paar Augenblicke Zeit um nachzusinnen. Die Ares war nicht das erste Raumschiff der Sternenflotte, das er als Chefpilot steuerte. Ein Jahr seiner Ausbildung hatte er an Bord des Forschungsschiffes Victor verbracht; gleich nach der Akademie wurde er als Navigator auf die Atlanta versetzt, die er keine sechs Monate später unbeschädigt durch die Überreste der Badlands geflogen hatte. Sein Captain war angesichts dieser Meisterleistung zu Recht ausgesprochen beeindruckt und ließ ihn an einem speziellen Holodeckprogramm teilnehmen. Es simulierte ein knappes Dutzend historische Katastrophen, von der Zerstörung des Raumschiffs Archer in der Schlacht um Algeron bis zum Absturz der USS Enterprise-D nach dem Kampf gegen einen klingonischen Bird of Prey. Etkins rettete alle Schiffe bis drei. Später erfuhr er, dass das Programm genau diese drei Missionen als nicht schaffbar konzipiert hatte - um dem Teilnehmer vor Augen zu halten, dass es trotz allen Geschicks Situationen gab, in denen man einfach nichts ausrichten konnte. Daraufhin wurde Etkins sofort zum Junior Lieutenant befördert und in die Tagschicht aufgenommen, die alle Kommandooffiziere vereinte.
Und jetzt, in diesem Augenblick, ließen ihn alle seine Fähigkeiten im Stich, denn die Ares wehrte sich beharrlich dagegen, ihre Impulstriebwerke zu aktivieren.
Etkins seufzte. Seine Wut war nicht verflogen, hatte sich aber gemildert. Erneut betätigte er das Bedienelement welches normalerweise das Navigationsinterface aufgerufen hätte. Wieder geschah genau nix. Der kleine quadratische Bildschirm, von Etkins normalerweise ins rechte obere Eck des veriablen Touchscreens verbannt, verharrte nach wie vor in der Mitte und zeigte Schwärze.
Der Lieutenant schloss die Augen, regulierte seinen Atem. In Gedanken wiederholte er einen vulkanischen Geduldsspruch. Er brachte nicht viel. Zunehmend wütender schlug er auf seinen Rangkomunikator.
"Brücke an Maschinenraum."#"Johnson hier."
"Warum funktionieren die Brückenkontrollen nicht?"
"Die Kontrollsysteme sind einwandfrei, Brücke. Einige Systeme wurden einfach noch nicht in Angriff genommen."
"Dann sehen Sie zu, dass sich das ändert. Mein Impulsantrieb will nicht anspringen."#"Ich werde sehen, was ich tun kann. Maschinenraum Ende."
Etkins fragte sich ernsthaft, ob auf diesem Schiff überhaupt irgendwas so lief, wie es sollte.
Nun, zumindest arbeitete das Interkom wie vorgesehen: "Takeruci an alle Führungsoffiziere. Treffen im Besprechungsraum. In fünfzehn Minuten."
"Bevor wir anfangen sollte ich Ihnen vielleicht unsern Neuzugang vorstellen. Flight Officer Commander Andrew Gribeth, unser neuer Kampfshuttle Kommandant."
Der Commander saß am Ende des Konferenztisches. Er trug eine Standartuniform in der neuen braunen Farbe des Fliegercorps. Der Rangkomunikator wurde neben den drei Balken noch von einem Kometenschweif geziert. Commander Gribeth stand auf, verbeugte sich wortlos und setzte sich wieder. Etwas konfus sah Captain Trat ihn an - sie hatte eine kurze Rede oder zumindest Vorstellung erwartet - und fuhr dann wieder fort.
"Wie einige von Ihnen wissen dürften haben wir seit Kurzem einen Gast an Bord."
Sie aktivierte den neuen Holoemitter der ein sich drehendes Bild über die Mitte der Tischplatte projezierte. Es zeigte das Portrait von High General Jebek. Er trug einen rosafarbenen Gefangenenoverall und sah nicht glücklich aus.
Commander Gribeth hob die Hand.
"Ist das nicht der Typ, der den Vulkan verglast hat?"
"So ist es", antwortete Seth wütend. "In diesem Augenblick ist er dabei, einen gemeinen Angriff auf unsere Replikationsressourcen zu starten. Er bestellt ständig Bananenshake."
"Interessant, Commander. Jedenfalls hat die Admiralität beschlossen, ihn auszuliefern."
Ein Raunen ging durch den Raum.
"Frage.", meldete sich Bador. "Hat das Oberkommando nicht verfügt, dass niemand mehr zur Romulanischen Grenze fliegen darf?"
"Ausser im Falle eines Angriffs, ja. Aber der General wird direkt auf Romulus übergeben."
"?" war die allgemeine Reaktion. Als sich die raumumfassende Fassungslosigkeit gelegt hatte meldete sich wieder Commander Gribeth. "Und wer meldet sich für so eine Selbstmordmission?"
"Niemand. Daher wurden wir dazu eingeteilt, den General zur Grenze zu bringen. Dort übergeben wir ihn an ein anderes unserer Schiffe. Eventuell werden wir unsere Kollegen begleiten; das hängt vom Status unserer Maschinen ab. Übrigens... seit Neuestem haben wir eine Art... Waffenstillstand mit den Romulanern."
"Aja?", gab Seth von sich. "Und die Borg adoptieren demnächst unsere Waisen? Und spielen mit unseren Welpen Ma'm, glaubt das Sternenflottenkommando wirklich, dass die Romulaner sich an so etwas wie Waffenstillstand halten? In deren Sprache gibt es nicht mal ein Wort dafür!"
Ihre Hände vollführten komplizierte Schlangenlinien in der Luft und beendete das Manöver mit einem Schlag auf die Tischfläche und einem Achselzucken.
"Äh. Sehr einleuchtend dargelegt, Commander. Können wir jetzt fortfahren? Also. An der Grenze wird eines ihrer Schiffe warten und Begleitschutz geben. Der Nachrichtendienst hat uns mitgeteilt, dass im ganzen Imperium Kämpfe mit zwei Z'Sordo Flotten ausgebrochen sind die sich in einem Spiralkurs den Imperialen Kernwelten nähern. Wenn sie mit ihrer derzeitigen Eroberungsgeschwindigkeit weiterarbeiten sind die Romulaner in weniger als drei Wochen unterworfen."
"Drei Wochen?", warf Bador ungläubig ein. "Wir haben alle die Dignity gesehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Z'Sordo so erfolgreich sein sollen."
"Zahlenmäßige Überlegenheit, Commander", antwortete Takeruci. Er veränderte das Holodisplay um eine Tabelle aufzurufen. "Die Sensordaten, die unser Piratensender auf der Dignity sendet, haben bis jetzt drei Flotten identifiziert. Zwei davon bewegen sich durch den Raum und greifen die Romulanischen Streitkräfte an. Beide haben jeweils eine Stärke von etwa hundertfünfzig Schiffen. Nach jedem Gefecht kommen aber immer welche hinzu oder werden zerstört, daher variieren die Angaben. Sie wurden als Zweite und Dritte Flotte identifiziert. Die letzte wird Erste Flotte genannt und steht momentan über dem Planeten Selonia im Sektor Vier Null Zwei. Sie ist die größte Flotte, besteht aus etwa dreihundert massiv offensiv aufgerüsteten Frachtern sowie fünfzig erbeuteten Militärschiffen neuester Bauart."
"Der Plan der Romulaner besteht darin, sich um die Dritte Flotte zu kümmern die sich unter anderem aus den Überesten der Vierten Flotte zusammensetzt, auf die wir bereits gestoßen sind. Starfleet soll sich die Zweite vornehmen. Danach treffen wir uns bei Optima Prime und löschen die Erste Flotte aus. Im Gegensatz für unsere Hilfe haben uns die Romulaner die vollständige Wiederherstellung der Grenzen von 2368 versprochen."
Jemand stieß einen Pfiff aus. "Die müssen ja ziemlich verzweifelt sein."
"Das sind wir auch", stellte Captain Trat fest. "Die Föderation kann sich einen weiteren Krieg nicht mehr leisten. Wir müssen auf deren Zivilrat eingehen. Ob wir das wollen oder nicht."
Sarah Trat klang nicht glücklich. Um den Leser vor Augen zu halten, wie wenig die Captain von ihrem Befehl hielt, sollte er noch einmal daran erinnert werden, dass ihr Ehemann Ferok Ogan bei einem Angriff der Romulaner getötet worden war. Harter Tobak, nicht?
"Commander Seth, ich möchte, dass Sie dem General so viele Informationen wie möglich entlocken."
"Aye Captain."
"Ah, Sarah?"
"Bador?"
"Was wird denn jetzt aus seinem Asylantrag?"
Sie schnaubte. "Das Oberkommando hat beschlossen, ihn zu ignorieren. Was mich zur Frage bringt: Lieutenant Etkins, wie lange wird ein Flug zum Romulanischen Raumgebiet dauern?"
"Bei Maximalwarp zirka eine Woche, plus minus einen Tag. Der Warpkern funktioniert einwandfrei; der Impulsantrieb ist das Problem", sagte Etkins mit leichtem Tadel in Richtung Bador. Der hob unschuldig die Augenbrauen.
"Danke, Mister Etkins. Begeben Sie sich bitte auf die Brücke und bereiten Sie einen möglichst baldigen Start vor. Bador, bitte begleite ihn und gib durch, dass wir morgen ablegen."
"Weiß die Admiralität, dass dieses Schiff gerade repariert wird?", fragte Bador ohne aufzustehen.
"Ich habe sie darüber informiert. Das ist der einzige Grund, weshalb wir einen Tag Galgenfrist bekommen haben. Wenn es keine weiteren Fragen gibt bitte ich Sie alle darum, sich um ihre Abteilungen zu kümmern. Ich möchte morgen ein voll funktionsfähiges Schiff haben."
Bador stöhnte gequält.
"Oder zumindest eines, das nicht aus einander fällt.", fügte Trat hinzu. "Wegtreten."
Die Arrestzellen waren nach Deck 10 verlegt worden. Das war eine spontane Idee der Sicherheitschefin gewesen. Aber natürlich war eine solche Aktion schon geplant gewesen - wenn Arrestzellen direkt neben einem Hangar lagen waren Probleme praktisch vorprogrammiert.
Der Arresttrakt bestand aus einem Vorraum samt Terminal und zwei stationären Sicherheitswächtern. Den Crewmen gegenüber befanden sich drei kleine Zellen welche allesamt mit einem Feldbett, eine sanitären Einheit sowie einem zugriffsreduzierten Replikator versehen waren. Vor einem davon stand der ehemalige Hochgeneral Jebek in gebeugter Haltung und schrie, mit wachsender Verzweiflung in der Stimme, immer wieder: "BANANENSHAKE!"
< Bitte wiederholen Sie Ihre Anfrage. >
"Ba..."
Crewman Flanders von der Sicherheit schaltete das Kraftfeld gnädigerweise auf Schallisolierung um. Sofort hörte General Jebeks Stimme auf an ihren Nerven zu zehren.
"Wie geht es unserem Gast?", fragte Captain Trat als sie den Arrest betrat.
"Ganz gut, Ma'm. Wenn man davon absieht, dass ihm der Zugang zum Replikator verwehrt wird. Hat ihm nicht sonderlich gefallen."#"Daran bin wohl ich schuld, meine Herren. Kann ich kurz mit dem General sprechen?"
"Natürlich, Ma'm."
Die Sicherheitswächter deaktivierten die Schallisolierung.
"Miater Flanders, Mister Blopp, hat einer von Ihnen eine Sicherheitsstufe von Rot 1 oder höher?"
Verwirrt sahen sich die beiden Crewmen an. "Nein, Captain."
"Negativ."
"Da bin ich aber erleichtert. Könnten Sie jetzt bitte den Raum verlassen?"
Sie taten wie geheißen.
Sarah trat an Jebeks Zelle heran. Der General sah in seinem rosa Overall ein bisschen harmlos aus, geradezu lächerlich. Seine Dornen konnten das strapazierfähige Material nicht durchdringen. Aus irgendeinem Grund war der vordere Reißverschluss bis zur Hälfte geöffnet. Dort, wo bei Terranern Brustbehaarung zu finden war, glänzte bei diesem Mann eine ein Zentimeter dicke Hornschicht. Seine Haare hatte man geschoren; von der langen Mähne war nichts mehr zu sehen.
"Captain!", stieß er aus, als er ihre Anwesenheit bemerkte. "Behandelt die Föderation so ihre Asylanten?"#"Nein. So behandelt die Föderation ihre Gefangenen. Keiner an Bord hat vergessen, was Sie mit Vulkan angestellt haben."
Der General setzte sich auf sein Bett. Es war hart und gab kaum nach.
"Auf einer Skala von eins bis zehn hatte der Vulkan-Einsatz die Wertigkeit von hundert. Die Zivilregierung der Romulaner war ein Ziel, das wir uns nicht entgehen lassen konnten."
"Sie haben bei unserem ersten Gespräch gesagt, dass die Föderation nicht Ihr Feind ist."#"Was nicht automatisch bedeutet, dass es mir leid tut, Captain. Mir tut es leid, dass ich bei diesem Einsatz 1354 Männer und mein Kommando verloren habe. Ich habe schließlich mein Amt nicht als Protest niedergelegt - ich sollte ermordet werden!"
"Ts - sagen Sie das den drei Milliarden Vulkaniern, die Sie auf dem Gewissen haben."
"Sind Sie gekommen, um mir das Leben schwer zu machen?"
"Unter Anderem. Ich bin aber auch gekommen, um Ihnen Informationen zu entlocken."
"Oh. Und so haben wir den Ahalack aus dem Bau getrieben, nicht? Soll ich mir meine Freiheit erkaufen?"
"Nein. Sie werden an die Romulaner ausgeliefert, so oder so. Aber vielleicht können Sie mit ein paar hilfreichen Details ihr Strafmaß heruntersetzen. Rura Pente soll um diese Jahreszeit schön sein."
"Rura Pente?" Jebek lachte verächtlich auf. "Rura Pente haben die Spitzohren schon vor drei Monaten verloren. Dieser Eisklumpen scheint nicht gerade stabil zu sein was seine Regierung angeht."
Trat lächelte. Es war keines von diesen "Ich weiß dass ich besser bin als du"-Lächeln. Vielmehr sagte es: "Lach, solange du noch kannst, denn am Ende vom Lied steht ja sowieso deine Hinrichtung". Oder etwas ähnliches.
"Aus wie vielen Flotten besteht Ihre Streitmacht?", fragte sie in der Hoffnung, ihn vielleicht bei einer Lüge zu ertappen.
"Es waren einmal sieben.", begann Jebek. "Nach der Revolution habe ich als ranghöchster ziviler Polizeiberater das Kommando über die Siebte Flotte erhalten. Zehn Kampfkreuzer. Wurden fast alle über Antolgia zerstört." Er klopfte sich auf die Brust. "Wir haben zweihundert Skorpionjäger ins Vakuum gesprengt."
"Sehr interessant. Sie weichen vom Thema ab."
"Ich weiß. Was wollen Sie noch?"
"Aus wie vielen Flotten besteht ihre Streitmacht. Heute."
"Oh. Heute! Sagen Sie das doch gleich. Inzwischen haben wir etwa dreihundertsiebenundachtzig Flotten zu je tausend Einheiten unterschiedlicher Bauart, dazu mindestens eine Million Begleitschiffe und..."
Sarah drehte sich um und ging zur Tür.
"Was haben Sie denn erwartet, Captain?", rief Jebek ihr nach. "Dass ich mein Volk verrate?"
Doch sie war schon durch die Tür.
14. September 2426
USS Ares NCC 100431
Sektor Drei Drei Eins
Doktor Rotal und Chief Bador saßen zusammen an der Bar des Freizeitraums Bug Fünf und nippten an ihren Drinks. Der Chief hatte sich für einen klassischen Vordia Sunrise entschieden; Rotal versuchte etwas neues und bestellte einen Martini Martiani. Beide starrten gedankenverloren aus der durchsichtigen Front des Schiffes und sahen die Sterne an ihnen vorbeiziehen, als die Ares mit Warp 15 der Romulanischen Grenze entgegenflog.
In der Mitte des Raums saß der holografische Barkeeper an einem Tisch und beobachtete die zwei. Diejenigen Besatzungsmitglieder, die öfters in Bug Fünf zu verkehren pflegten, hatten sich an ihn gewöhnt. Auf den ausdrücklichen Wunsch der Besatzung hin hatte man ihm als einziges seine alte Persönlichkeit gelassen. Der Rest von Fähnrich Johnsons bizarren Experimenten wurde gerade gelöscht. Der Barkeeper trauerte seinen Brüdern nicht nach - keines dieser Hologramme würde für immer fort sein. Ausserdem hatte er nie eines von ihnen persönlich kennen gelernt.
Er interessierte sich sowieso mehr für die organischen Personen in seiner Umgebung.
"Ist dieser Platz noch frei?"
Der Barkeeper sah auf. Ein Gesicht, das er nur aus den Personaldateien kannte, sah ihn fragend an.
"Sicher. Setzen Sie sich. Was darf ich Ihnen bringen?", fragte er. Flight Officer Gribeth winkte ab.
"Nichts, danke. Wie ich hörte ist dieser Raum das gesellschaftliche Epizentrum dieses Schiffes?"
Das Hologramm lachte. "Gesellschaftliches Epizentrum? Wer sagt denn so etwas?"
"Der Pilot. Lieutenant... Etker oder so."
"Lieutenant Etkins. Ja, das passt zu ihm. Er ist oft hier. Öfter als die beiden dort."
Der Barkeeper nahm sein Glas, eine goldene Flüssigkeit enthaltend, und deutete auf Bador und Rotal. Beide hatten sich, was das am-Glas-nippen anging, unbewusst auf einander abgestimmt und hoben synchron die Gläser.
"Sind das nicht der Arzt und der Chefingeneur?", fragte Gribeth und bestellte sich doch noch einen Drink: jaka-inische Cola. Die einen hielten es für das köstlichste legal erhältliche Getränk. Die anderen für das wirksamste Abführmittel der Galaxis. Gribeth schien es zu schmecken.
"Ja." Der Barkeeper hob sein Glas und stieß mit dem Piloten an.
"Ist denen nicht gut?", fragte er neugierig. "Sie sehen aus wie Piloten, denen man gerade einen Todesstern Einsatz befohlen hat."#"Äh, ja. Also, der Doktor hat Schwierigkeiten mit seiner Freundin."
"Der Wissenschaftsoffizier, richtig? Macht sie Stress?"
"Eigentlich macht er Stress - er ist überfürsorglich."
"Aha. Und der andere?"
Der Barkeeper zuckte mit den Schultern. "Der Chief ist normalerweise sehr redselig, aber im Moment... Man hört natürlich einiges, aber ein gutes Hologramm gibt keine Gerüchte weiter."
"Ja, aber ein guter Barkeeper."
"Ich mag Sie, Officer. Also. Man sagt, seine Tochter hätte ihn aus ihrem Haus geworfen und heimlich geheiratet, weil er nie daheim ist. Traurige Sache."
Andrew nahm einen kräftigen Schluck von seinem Getränk.
"Wie ist das Leben so? Als Hologramm, meine ich?"
"Wie das... Das hat mich bisher noch keiner gefragt."
Der Barkeeper verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück. Seine Züge zeigten eine Mischung aus Amüsiertheit und Nachdenklichkeit. Er schloss die Augen, formulierte wohl diverse Antworten in seinem Geist und schüttelte dann den Kopf.
"Tut mir leid, Commander. Da kann ich Ihnen nicht Auskunft geben. Könnten Sie mir denn erklären, wie es ist ein Mensch zu sein?"
"Nein.", gab er zu.
Eine Weile saßen die beiden, tief in Gedanken versunken, an ihrem Tisch. Dann, wie auf ein stummes Kommando reagierend, standen sie auf und setzten sich an die Bar, wo sie gemeinsam mit dem Schiffsarzt und dem Chefingeneur durch die Front des Kriegsschiffes glozten. Kurze Zeit später öffneten sich die Portale zum Korridor und ließen Commander Takeruci ein. Der Erste Offizier grüßte die Offiziere, die nachsahen, wer hereinkam, mit einem Nicken und setzte sich neben den Doktor.
"Commander", grüßte Rotal mit einem höflichen Nicken. "Sie sieht man hier ja doch eher selten."
"Ich ziehe es vor, meine Freizeit auf der Hauptbrücke zu verbringen. Die Captain jedoch..."
"Verstehe.", stellte Bador fest ohne aufzusehen. "Sarah hat Ihnen Spaß befohlen."
"Äh... ja, Commander. Spaß."
Als wenige Minuten später Lieutenant Etkins die Bar betrat und sich, lautstark über schlecht justierte Impulskontrollen schimpfend, der Theke näherte, war das halbe Dutzend voll.
Nicht ganz ernst merkte Commander Gribeth an: "Einen solchen Verstoß gegen die Anti-Alkoholgesetze habe ich in meinen zwanzig Jahren bei der Raumflotte noch nie erlebt."
Der Autor fühlt sich an dieser Stelle genötigt, eines klarzustellen: die männliche Besatzung der USS Ares besteht nicht aus alkoholabhängigen Versagern. (Jedenfalls nicht ausschließlich. Lieutenant Etkins beteuert öfters, dass seine Großvater einer für Suchtgifte sehr anfälligen Spezies angehörte. Aber wenn wir mal ganz ehrlich sind: Etkins schiebt wirklich alles auf seinen Großvater...)
Jeder hat mal einen schlechten Tag. Das ist ganz natürlich. Dass nicht jeder einen speziellen Grund dafür braucht - klar.
15. September 2426
USS Ares NCC 100431
Sektor Drei Zwei Neun
"Frühstück!"
Der ehemalige General Jebek warf mit einem Becher nach dem Kraftfeld. Der holografische Barkeeper nahm keine oder nur kaum Notiz davon. Statt dessen bat er einen der beiden Sicherheitswächter darum, das Sperrfeld abzuschalten. Zweifelnd tuschelten die beiden anwesenden Crewmen und sahen auf einem Datapad nach. "Sieht echt aus", sagte einer zweifelnd, woraufhin der andere achselzuckend einen Schalter betätigte. Schimmernd schaltete sich die Energiebarriere ab. Der Barkeeper trat mit einem Tablett ein und stellte es auf einen niedrigen Beistelltisch ab.
"Die Captain hielt es für angebracht, Sie mit Nahrung zu versorgen. Nicht zuletzt deshalb, weil Sie Ihren Repliaktor ganz hat abschalten lassen."#"Das habe ich bemerkt. Und jetzt raus hier."
"Sie beißen die Hand, die Sie füttert.", meckerte das Hologramm - und blieb einfach auf einem Klappstuhl sitzen, der plötzlich (holografischerweise) entstanden war. Jebek hingegen setzte sich auf. Er sah verwirrt drein.
"Füttern?"#"Eine menschliche Redensart, verzeihen Sie mir."
Jebek schielte zweifelnd auf die Speisen, die das Hologramm ihm darbot.
"Sein Sie ehrlich - selbst Menschen würden diesen Fraß wegwerfen."
"Ja. Essen Sie ihn jetzt? Den Fraß, meine ich."
Natürlich aß er. Blieb ihm ja nichts anderes übrig.
"Z'Sordo benötigen ein gewisses Maß an Kalorien täglich", erläuterte er, als er sich trotz aller Ekelgefühle gesättigt hatte. Der Barkeeper machte in Gedanken eine Notiz: wird redselig wenn satt. Mit seinen externen Sensoren bemerkte er, dass die Crewmen wohl einen ähnlichen Vermerk vornahmen.
"Sehr interssant. Ich bin ein Hologramm. Ich esse nicht. Aber der Computer generiert ein köstliches holografisches Romulanisches Ale."
Das brachte ihm ein verächtliches Schnaufen Jebeks ein.
"Tut mir aufrichtig leid. Mir war entfallen, dass Sie nicht gut auf die Romulaner zu sprechen sind."
"Das ist in unserer Gesellschaft niemand."
"Sind sind der erste Z'Sordo, der mir begegnet ist. Für gewöhnlich verkehre ich mit Menschen, Bolianern und anderen Angehörigen von Föderationsrassen."
"Von mir aus. Lassen Sie mich in Ruhe. Ich will noch etwas schlafen, bevor ich hingerichtet werde."
"Sie wollen also nichts unternehmen, um Ihr Leben zu retten?"
"Mitnichten. Jeder diesbezügliche Versuch wäre mit Verrat an meinem Volk verbunden."#"Sie sind geflohen."
"Man wollte mich töten."
"Jemand aus Ihrem Volk."
"Das Militär ist nicht das Volk."
"Jeder Revolutionär ist ein Militant."
"Nicht jeder Z'Sordo ist Revolutionär."
Der Barkeeper nickte. Dabei sagte er nichts sondern rief ab, was er über die Z'Sordo wusste.
Fünfhundert Jahre der Sklaverei lagen hinter diesem Volk. Die Z'Sordo - was angeblich etwa "heilig' Saat" bedeutete - galten unter den wenigen, die von ihnen gehört hatten, als friedliebend und unterentwickelt, was Waffentechnologie anging. Vor zweitausend Jahren waren sie die unangefochtenen Meister im Beta Quadranten gewesen, was den Bau gigantischer Generationenschiffe anging. Ihr Planet wurde vor einem Jahr nach einem niedergeschlagenen Revolutionsversuch verwüstet. Sie besaßen eine Flotte aus gestohlenen oder gekaperten Raumschiffen der Romulaner sowie riesige Frachter unbekannter Herkunft...
"General"
"Was?", fragte Jebek und wälzte sich genervt auf seiner Pritsche.
"Wo befindet sich denn ihre Zivilbevölkerung? Ich meine, wenn doch offenbar nicht jeder..."#"Gut geschützt und behütet vor den Gräuel des Krieges steht sie im Raum und wartet auf den entscheidenden Sieg unserer Streitkräfte."
Ein düsterer Verdacht formte sich im Kopf des Barkeepers. Er tat verständnisvoll.
"Ah. Das heißt also, Ihre Zivilisten vertrauen also auf das Wort Ihrer gewählten Regierung."
"Wir haben keine gewählte Regierung. Die Revolutionäre haben das Kommando. Und das ist auch gut so. Wenn einer aus der laschen Zivilbevölkerung bei uns was zu sagen hätte..."
Er schüttelte sich vor Ekel. "Wir würden heute noch Kriegsschiffe für die Spitzohren bauen."
Der Barkeeper war entsetzt. Die Mannschaft wusste nicht, dass er Zugang zu diversen als geheim eingestuften Dateien hatten. Das würde sich vielleicht bald ändern. Nachdem er das leere Tablett mitgenommen und in einem Schrank seiner Bar verstaut hatte, aktivierte er seinen Kommunikator und rief die Brücke.
"Etkins hier", tönte die leicht verkaterte Stimme des Piloten aus den Lautsprechern.
"Ah, Lieutenant. Ist vielleicht die Captain zugegen?"
"Sie ist in ihrem Besprechungsraum. Ist es dringend?"
"Ich bin mir noch nicht sicher. Aber ich habe die Befürchtung, dass der General uns mehr verschweigt, als nur militärische Strategien und seine Boxershortgröße."
"Ah, ist das jetzt ein Scherz? Wissen Sie, Sie sollten sowas nicht abziehen, wenn Commander Takeruci an Deck ist, denn..."
"Etkins, es ist wichtig. Ich habe Grund zu der Annahme, oder zumindest glaube ich, dass..."
"Kommen Sie rauf, Mann! Die Captain soll entscheiden, ob sich die Mühe, Ihnen zuzuhören, lohnt. Und um Himmels willen - schreien Sie nicht so!"
"Was sagen Sie da?", rief Sarah entsetzt aus. Sie saß plötzlich hellwach in ihrem Sessel - Etkins hatte sie vor nicht einmal zwei Minuten aus einem Mittagsschlaf geweckt.
"Ich verfüge natürlich nicht über alle Fakten. Ich will mir auch nicht anmaßen, mehr Verständnis für eine fast unbekannte Rasse zu besitzen als irgend jemand anderes."
"Captain, wir verschwenden unsere Zeit."
Yoshiki Takeruci stand neben dem Barkeeper und hatte in seiner typischen Pose der Geringschätzung die Arme vor der Brust verschränkt. "Es ist nur ein Hologramm."
"Ein verbessertes Hologramm.", stellte Sarah fest.
"Ich sage es noch einmal: es war ein Fehler, ihn so zu lassen."
Trat winkte ab. "Es geschieht nicht zum ersten Mal, dass einem Holoprogramm mehr Raum für Individualität gegeben wird. Bislang hat es sich noch immer ausgezahlt."
Takeruci schnaubte. "Dann haben Sie wohl Lexington Rale vergessen."
"Ich würde unseren Barkeeper wohl kaum mit einem Serienkiller vergleichen."
"Danke, Captain. Also. Was werden wir jetzt unternehmen?"
"Wir?"
Trat ignorierte Takeruci. "Ich werde zunächst einmal mit dem General sprechen. Wir wissen nichts über die Gesellschaft der Z'Sordo. Wenn die Erste Flotte wirklich aus unwissenden Zivilisten besteht..."
"Captain! Sie wollen sich doch nicht etwa auf die Aussagen von einem Hologramm und einem verurteilten Massenmörder verlassen?"
"Nein, Commander, das will ich nicht. Deshalb setzen Sie sich sofort mit Starfleetcommand in Verbindung. Die sollen sich mit dem Geheimdienst in Verbindung setzen."
"*Hmpf* Auftrag?"#"Ich will Sensordaten des Planeten Sord. Wenn es dort Zivilisation gibt will ich es wissen. Ausserdem weißen Sie Mister Etkins an, sofort auf Warp Drei runterzugehen. Wegtreten."
Takeruci salutierte zackig und verließ den Raum. Damit blieben nur noch die Captain und das Hologramm übrig.
"Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen, Captain."
"Freuen Sie sich nicht zu früh. Ihr Zugang zu geheimen Daten wird umgehend eingeschränkt. Sobald wir wissen, wie Sie da dran gekommen sind. Im Übrigen bin ich mit dieser neuen Sachlage nicht sehr zufrieden."
"Ich verstehe. Wenn die zivilen Z'Sordo unschuldig sind..."
"Dann wird der Angriff auf die Erste Flotte zu einem unentschuldbaren, unnötigen Genozid."
STAR TREK
Ares
Kapitel 4
Krieg um Frieden
Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wir befinden uns im 25. Jahrhundert. Der Krieg der Föderation gegen das Romulanische Sternenimperium scheint durch die Revolte der unterdrückten Z'Sordo vorübergehend ein unerwartetes Ende gefunden zu haben. Doch die Bedrohung durch die Z'Sordo hält weiter an. Auf dem frisch umgerüsteten Raumschiff Ares macht sich eine beklemmende Atmosphäre breit. Man erwartet eine Eskalation. Als ein Eindringling auf dem Schiff entdeckt wird, gerät der Stein ins Rollen. Und jedes Mitglied der Besatzung muss sich seinen ganz eigenen Dämonen stellen...
1. November 2425
USS Ares NCC 100431
Sektor Drei Drei Eins
Flight Officer Commander Andrew „Griff“ Gribeth saß alleine in der Bar Bug Fünf. Es war kurz vor Mitternacht; in wenigen Minuten würde sich die erste Schicht des Tages auf ihre Stationen begeben. Andrew saß an der Bar und starrte sehnsüchtig ins All hinaus. Bug Fünf war der am weitesten vorne gelegene Raum des Schiffes. Draußen zogen die Sterne kaum merklich ihre Bahnen und schienen Andrew zu verhöhnen: „Sieh uns an – wir sind langsam, aber wir fliegen wenigstens!“
Die Kanzel seines Raumjägers hatte er im letzten Monat vielleicht zweimal für den Routine Checkup betreten. Denn die Ares hielt sich immer noch im Meridian System auf. Die ganze Raumflotte hatte Befehl, sich entweder zu sammeln oder zu ihren Heimathäfen zurückzukehren. Dementsprechend voll war die Reparatur- und Dockingstation Meridian Station, weshalb die völlig umgerüstete Ares nun einem elliptischen Kurs um die Sonne Meridian folgte und den Planeten Meridian 4 alle dreizehn Stunden passierte. Selten kreuzte das Schiff den Kurs der neuen Enterprise H, die ebenfalls nach Meridian gerufen worden war. Andrew kannte den Flight Officer dieses Schiffes gut; sie hatten früher beide auf der Bounty gedient und waren eng befreundet. Auch Bobby Brown hatte sich darüber beklagt, dass er kaum noch fliegen durfte – insbesondere seit Starfleet im Kampf gegen die Z'Sordo herbe Verluste an Jägern hatte hinnehmen müssen. Die riesigen Disruptoren, die auf diesen Schiffen angebracht waren, hinterließen kaum nachweisbare Strahlungen. Unberechenbare Überbleibsel, die die Maschinen kleinerer Schiffe vollkommen durcheinander brachten.
„Darf's noch ein bisschen mehr sein?“, fragte der holographische Barkeeper und schenkte Andrew noch zwei Fingerbreit einer grünlichen Flüssigkeit ein. Sie war alkoholisch, wie Andrew nicht ganz unerfreut festgestellt hatte. Er fragte sich, wo das Hologramm immer seinen Stoff herhatte – die Replikatoren waren nie auf die Herstellung von Alkohol programmiert worden. Commander Takeruci hatte sogar Chief Bador angehalten, eine entsprechende Sperre einzubauen.
Andrew nahm einen Schluck des Drinks. Es war ein ziemlich starkes Gebräu, irgendwo auf dem halben Weg vom Saurianischen Brandy zum guten alten Whiskey. Ein stechendes Aroma machte sich in der Nase des Piloten breit. Schnell schluckte er den Drink, entgegen seiner Gewohnheit, hinunter und verzichtete auf eine Überprüfung der Zutaten. Das fast geleerte Glas knallte er wieder auf die Holztheke. Der Barkeeper setzte einen Gesichtsausdruck auf, der eindeutig auf seine Zufriedenheit hindeutete. Andrew mochte das Hologramm, aber er war weder nüchtern genug, noch in der Stimmung, sich auf eine tief gehende Unterhaltung mit dem Programm einzulassen. In der Hoffnung, den Barkeeper zu beleidigen und damit loszuwerden, schnauzte er: „Was lachen Sie denn so?“
Der Barkeeper stellte das Gefäß, das er gerade reinigte, beiseite und hob abwehrend die Hände. „Ich bin nur ein wenig überrascht, Officer. Soweit ich weiß sind Sie heute der Tagschicht zugeteilt.“
„Ja ja, und bis dahin hab ich noch acht Stunden Zeit. Gibt es irgendwas, das Sie nicht wissen?“
Der Barkeeper legte den Kopf schief und blickte ins Leere. Dann sagte er, völlig ehrlich: „Ich weiß nicht. Vielleicht. Aber nicht in den Dateien dieses Schiffes.“
Andrew grunzte nur und machte sich über den Rest seines Drinks her. Die Flasche auf der Theke enthielt den Rest des Gesöffs. Auf dem Etikett waren in verschnörkelten Basisbuchstaben die Worte „El Diavolo“ zu lesen. Der Officer zuckte mit den Schultern, packte die Flasche und füllte sein Glas bis zum Rand.
Derweil sah die Szenerie im persönlichen Speiseraum des Captains ganz ähnlich aus. Der Raum war nur wenig kleiner als ein Standartquartier und bot neben einem Tisch samt Stühlen noch zwei Replikatoren und einen in die Wand eingelassenen Holoschirm. Captain Sarah Trat lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und stierte, genau wie Gribeth zwei Decks über ihr, aus dem Transparistahlfenster. Vor ihr auf dem Tisch lagen mehrere Datapads verstreut. Bis auf eines waren sie alle abgeschaltet. Auf dem aktivierten Bildschirm zeigte sich mittlerweile ein Bildschirmschoner. Dahinter verbarg sich die Protokolle aller bisherigen Verhöre des ehemaligen High Generals Jebek.
Sarah Trat saß in der Dunkelheit. Sie zog es beim Nachdenken vor, nicht von der Umgebung gestört zu werden. Normalerweise störte sie sich am Anblick von vorbei kriechenden Sternen. Davon hatte sie auf Sternenbasis 21 genug gesehen. Mittlerweile hatte sie einen richtigen Tick entwickelt. Immer, wenn sie einen starren Sternenhimmel sah hielt sie automatisch nach der charakteristischen Raumkrümmung Ausschau, die von romulanischen Tarnvorrichtungen hervorgerufen wurden.
Doch in jener Nacht sah sie an den tausenden Sonnen vorbei. Vor Sarah Trats geistigem Auge herrschte Krieg. Z'Sordo gegen Romulaner, Menschen gegen den Sieger, Jeder gegen Jeden. Sie dachte an die Klingonen, die mehrfach betonten, aus der Föderation auszutreten, wenn man weiterhin so passiv wäre. Sie sann über die Cardassianer nach, die sich immer noch nicht richtig vom Dominion Krieg erholt hatten und einige Kolonien in bedenklicher Nähe des Romulanischen Territoriums besaßen. Sie fragte sich, ob die Breen die Situation vielleicht ausnutzen würden. Und was ging da eigentlich im Arcadia Sektor vor sich?
Fragen.
Gedanken.
Zweifel.
Befürchtungen.
Sie blickte auf den Chronometer an der Wand. Es war 1 Uhr. Wenn sie jetzt ihr Quartier aufsuchte würde sie vielleicht noch ein paar Stunden Schlaf finden. Sie erhob sich von ihrem Stuhl und fühlte eine Last auf ihren Schultern, die ihrem Alter nicht gerecht wurde. Sie hatte fast das Gefühl, der Friede lastete auf ihr allein.
Der Korridor war leer. Auf Deck 7 befanden sich hauptsächlich Quartiere und ein kleinerer Lagerraum, der kaum benutzt wurde. Sarah schlenderte ein wenig umher, ziellos. Sie fühlte, dass sie nicht würde schlafen können.
Vielleicht sollte ich den Doktor aufsuchen, dachte sie. Rotal macht öfters Überstunden...
Bei der nächsten Gelegenheit bog die Captain ab und ging auf einen Turbolift zu. Es war ein Zugang zum Liftsystem F, und erstaunt realisierte Sarah, dass sie in weniger als einer Stunde das halbe Schiff durchwandert hatte und sich jetzt in der Gamma Sektion in der Mitte der Ares befand. Deck 7 war das einzige, welches sich vom Bug bis zum Heck zog und hatte daher besonders viel Platz zu bieten.
Achselzuckend betätigte Sarah den Rufbutton.
Die Kapsel ließ ein wenig auf sich warten. Sarah grüßte zwei Crewmen, die in ein Gespräch vertieft an ihr vorbeikamen und unnötigerweise salutierten. Dann teilten sich die Türen. Die Captain trat zur Seite und ließ einen müde aussehenden Lieutenant Etkins passieren. Sie nickten sich zu und gingen ihrer Wege. Sarah nannte dem Aufzug ihren Zielort, woraufhin dieser sich sofort auf den Weg machte und sie zum Deck 15 trug. Dort befand sich die Offizierskrankenstation, oft auch als sekundäre Sick Bay bezeichnet. Rotal pflegte seine Überstunden in diesem kleineren Raum abzuarbeiten. Er hatte es einmal mit den Worten umschrieben: „Ich mag diese Höhlenatmosphäre.“
Die leicht klaustrophobe Trat konnte ihm da nicht zustimmen. Prinzipiell hatte sie kein Problem mit Raumschiffen, aber sie war eher die weitläufigen Areale von Raumstationen gewöhnt und fühlte sich in besonders kleinen Räumen eher unwohl. Zu ihrem Glück war die Ares ein recht großes Schiff mit viel Platz, erst recht seitdem der halbe Jägerhangar in ein Biotop umgewandelt worden war. Eine Entscheidung, die Trat nicht bedauerte – ein Park auf einem Raumschiff war ein ungeheurer Luxus, den sich nicht alle Captains der Raumflotte leisten konnten.
Abermals öffneten sich Turbolifttüren. Sarah verließ die Kapsel und spazierte die wenigen Schritte zum türlosen Eingang der Krankenstation im Schneckentempo.
Commander Takeruci stapfte ihr entgegen. Sarah nickte ihm zu; er übersah sie. Schnell verschwand er im nächsten Turbolift. Aha. Die monatliche Überprüfung der Crewmitglieder, dachte sie. Nach der letzten Überprüfung im Oktober hatte der stets pflichtbewusste Erste Offizier in einem Anfall von Wut die halbe Sicherheitsmannschaft auf Diät gesetzt.
Die Captain dachte nicht weiter darüber nach. Von wenigen besonderen Ausnahmen war die Beurteilung der Mannschaft die Sache des Commanders und des Counsellors, der vor einigen Tagen endlich an Bord gekommen war.
Sie betrat die Krankenstation. Sie war wirklich klein, bot gerade genug Platz für einen Schreibtisch, zwei kleine Replikatoren, einen breiten Schrank und einen winzigen abgeschotteten Raum für Untersuchungen. Trat wunderte sich immer wieder, warum Rotal nicht endlich ein Schott anforderte, obwohl er viele seiner Patienten mittlerweile hier zu behandeln pflegte.
Den reptiloiden Arzt fand sie in seinem kleinen Refugium vor, in Gedanken versunken. Er saß auf einem der beiden Biobetten. Seine Stirnwülste zeigten ein sich kräuselndes, langsam fließendes Farbspiel, das wie in Zeitlupe immer wieder von Purpur zu Blau wechselte und irgendwie hypnotisch wirkte. Der Schweif des Waraki, der es ihm unmöglich machte, sich in einem Standartstuhl niederzulassen, hing schlaf vom Biobett herab. So hatte Sarah den Doktor noch nie gesehen – und in den letzten Wochen hatte sie sich ganz gut mit ihm angefreundet, zumal er und Bador in ihrer Freizeit oft zusammen ein Spiel namens Bick`tt spielten, das Trat völlig rätselhaft war.
„Doktor?“
Chefarzt Commander Metek Rotal blickte auf und sah Trat an. Dann lächelte er, ein merkwürdiges Zähnefletschen, das sogar einen Nausicaaner in die Flucht geschlagen hätte, wüsste er nichts über das warakische Mienenspiel.
„Kann ich etwas für Sie tun, Captain?“, fragte er und stand dabei umständlich auf. Sein Schweif erwachte zum Leben und tanzte auf die ihm eigene Art und Weise durch die Luft. Sarah bewunderte die Tatsache, dass der Arzt sein Anhängsel mittlerweile nicht mehr zusammenrollen musste: er hatte sich die Einrichtung des Schiffes verinnerlicht und musste sich nicht mehr ständig umsehen.
„Nun?“, riss er Trat aus ihren Beobachtungen. Sein nach wie vor vorhandenes Grinsen deutete darauf hin, dass ihm durchaus bewusst war, woran sie dachte.
„Ich habe in letzter Zeit Schwierigkeiten mit dem Einschlafen.“
Rotal verzog das Gesicht, soweit es ihm die harte Schuppenschicht erlaubte – eine eindeutig von Menschen abgeschaute Geste.
„Das ist jetzt schon das vierte Mal, dass Sie damit zu mir kommen“, stellte Rotal fest und ging zum Kasten. „Eigentlich müssten die Medikamente vom letzten Dienstag wirken. Eine Messerspitze davon reicht, um jeden Menschen an Bord zweimal einzuschläfern.“
„Ich habe Ihre Anweisungen befolgt. Kein Erfolg.“
„Hm“, machte Rotal und kratzte sich mit seiner Schweifspitze am Hinterkopf. Mit einer Hand nahm er eine blaue Dose aus dem Regal, mit der anderen eine rote. Er sah sich die beiden Etikette genauer an und stellte die Dosen dann wieder an ihre Plätze. Offenbar in Gedanken versunken stemmte Rotal seine Hände in die Hüfte und überlegte. Sein Schweif tanzte durch die Luft, und Sarah überlegte ernsthaft, ob er sie damit aufzog. Nach zwei Minuten der Musterung nahm der Arzt endlich eine kleine Flasche aus dem Regal und inspizierte die Metallplakette, die darauf befestigt war.
„Hm. Hm, hm, hm, hm hm.“
Er drehte sich um und hielt der Captain das Gefäß unter die Nase.
„Ist das ein Scherz?“, fragte sie, nachdem sie gelesen hatte, was es enthielt.
„Sehen Sie mich lachen?“, fragte Rotal ernst. Sarah sah wieder die Flasche an.
„Geben Sie zwei Tropfen davon in dieses Inhalationsrelais, schließen Sie's an die Lebenserhaltung an und trinken Sie, wenn möglich, ein oder zwei Gläser Wasser. Dann sollten Sie eigentlich ein paar Stunden schlafen können.“
Sarah war sich zwar nicht sicher, wie ihr Romulanisches Ale beim einschlafen helfen sollte, doch sie wusste: „Sie sind der Arzt, Doktor.“
„Ja.“, sagte er und wich ihrem Blick aus. „Ja, das bin ich wohl. Wie auch immer, ich will Sie morgen beim Checkup sehen.“
2. November 2425
USS Ares NCC 100431
Sektor Drei Drei Eins
„Du willst was?“
„Ich will die Scheidung, Lucia. Das ist das Beste für Derek. Und für mich.“
Commander Lucia Seth schlug mit der flachen Hand auf ihren Tisch. Etwas knackste. „Du kannst das nicht einfach von dir aus entscheiden, Peter!“
„Wie willst du bei dieser Entscheidung mitwirken, wenn du nie da bist? Ständig fliegst du irgendwo im Weltall herum und - “
„Peter, wir haben Krieg! Ist dir das noch nicht aufgefallen?“
„Es ist mir aufgefallen. Und ich will Derek nicht irgendwann erzählen müssen, dass seine Mutter einer explodierenden Konsole zum Opfer gefallen ist!“
„Ach, und was erzählst du ihm dann? Dass ich mit dem Briefträger durchge...“
Lucia erstarrte. Ihr Mann Peter, der auf dem Bildschirm zu sehen war, schien augenblicklich um einen Meter zu schrumpfen.
„Du hast mich schon wieder beschissen.“, stellte sie fest. Eine rote Haarsträhne löste sich aus dem klatschnassen Handtuch, mit dem sie ihre schaumigen Haare festgebunden hatte. Geistesabwesend packte sie die Haarsträhne und riss sie aus.
„Sie ist nett. Sie wohnt hier auf Deep Space 16. Und sie wird immer für Derek da sein.“
Hinter Peter tauchte eine Hand auf. Sie winkte dem Bildschirm zu. Lucia freute sich darauf, ihrem Sohn Hallo zu sagen. Peter drehte sich um, sagte etwas zu Derek. Daraufhin verschwand die Hand, und Dereks roter Wuschelkopf tauchte für eine Sekunde neben Peter auf – nur um gleich wieder aus dem Aufnahmebereich zu verschwinden.
„Peter.“
„Er ist so jung, Lucy.“
„Peter.“
„Er wird die bald vergessen haben.“
„Peter! Du lässt mich sofort mit meinem Sohn sprechen, oder ich nehme mir ein paar Tage frei und trete dir so dermaßen in deinen Waschbeerenhintern, dass...“
Als sie wieder ihre Augen öffnete und merkte, dass ihre Finger sich verkrampft hatten, realisierte sie, dass sie nur noch mit einem Leerkanal sprach. Die Leitung war unterbrochen worden. Ausser sich vor Zorn schlug Lucia mehrfach gegen den Bildschirm, schrie heftige Verwünschungen aus, die selbst Commander Gribeth hätten rot werden lassen, packte das Gerät und riss es aus seiner Verankerung. Ebenso lautstark wie funkensprühend landete es an der Wand ihres Quartiers und krachte auf den Deckboden.
In einer Mischung aus Wut und Verzweiflung fegte Seth durch ihr Quartier. Einige Gegenstände überlebten den Anfall nicht. Mit einem Beil, dass sie ihrer Waffensammlung entlehnt hatte, ging sie auf das Gemälde der Jadeburg los, das Peter ihr geschenkt hatte. Nach ein paar Minuten hatte sie sich soweit gefangen, dass sie sich auf ihr Bett setzen und nachdenken konnte. Trotz allem liebte sie Peter. Und sie wusste auch, dass Peter sie liebte. Liebe war nie ihr Problem gewesen. Ihre Ehe hatte die Briefträgerin überlebt, ebenso ihren Entschluss, weiterhin auf der Ares zu dienen, nachdem man ihr angeboten hatte, sie nach Deep Space 16 zu versetzen.
Sie würde auch dieses neue Flittchen überstehen. Sie musste nur nach Hause und mit Peter reden. Und nach Derek sehen. Ob er jetzt wirklich ernst machte oder nicht: recht hatte er. Derek war jung. Wenn sie sich nicht öfters zu Hause sehen ließ, würde er sie vielleicht bald nur noch für eine Fremde oder ein Holoprogramm halten, dass Papa alle zwei Tage einschaltete. Das durfte nicht passieren. Sie nahm sich vor, erst einmal aufzuräumen. Dann würde sie die Ruhe ausnutzen, um ihre Familie zu besuchen – solange sie noch eine hatte. Und der Sturm nicht losbrach.
Der Sturm brach nur eine Stunde später aus.
„Die Romulaner haben sich in den Abraham Sektor zurückgezogen und ihn eingenommen“, verkündete Captain Trat beim Eintreten in den Versammlungsraum auf Deck 1. Sie ließ sich in ihren Sessel fallen und legte die Hände auf den Tisch.
Es war kurz nach drei Uhr morgens, und die Reaktionen der Führungsoffiziere, alle schon vollzählig versammelt, fielen unterschiedlich aus. Bador versuchte verzweifelt, ein unangebrachtes Gähnen zu unterdrücken, während Rotal und Lieutenant J'Kolan verliebte Blicke austauschten. Lucia Seth erstarrte und suchte in ihrem Kopf nach der verdrängten Information, dass Deep Space 16 im Abraham Sektor lag. Und Commander Takeruci interessierte sich brennend für die Tischplatte auf die er starrte.
Bador brach das Schweigen als Erster: „Meine Leute können den System Checkup in zehn Minuten erledigen.“
Der bolianische Chefingeneur machte Anstalten, von seinem Stuhl aufzustehen. Auch Lieutenant Etkins schien sich auf die Brücke begeben und einen Kurs programmieren zu wollen. Sarah machte diesen Vorhaben ein Ende.
„Wir halten unsere Position.“
Stille. Bador blieb beim Tisch stehen. Commander Takeruci löste sich aus seiner Starre und sah die Captain an.
„Wir nehmen nicht an der Rückeroberung teil?“, fragte er.
„Es wird keine Rückeroberung geben“, teilte Trat ihm mit.
„Der Föderationsrat will den fragilen Waffenstillstand nicht gefährden.“
Gribeth schlug mit der Faust auf den Tisch. „Captain, das ist doch Bullshit!“
„Ich muss dem Officer recht geben“, sagte Takeruci. Er klang etwas müde und nicht sehr glücklich. „Auch, wenn es mir nicht leicht fällt. Dieser Krieg hat nur zwei mögliche Varianten für sein Ende. Die Z'Sordo gewinnen und greifen die Föderation an. Oder das Imperium macht der Revolte ein Ende und nutzt die neuen Stützpunkte für eine groß angelegte Offensive.“
„Die Romulaner waren nie vertrauenswürdig. Sie sind hinterlistig und gefährlich.“
„Sie haben meinen Ehemann umgebracht, Mister Etkins, Sie erzählen mir da also nichts Neues.“
„Ja... und was machen wir jetzt?“, fragte J'Kolan und grinste unsicher.
„Wie gesagt, wir bleiben im Meridian System.“
„Äh, nein, Ma'am, also, äh... was macht die Föderation jetzt?“
Sarah dachte kurz nach.
„Abwarten. Gegebenenfalls zusammen mit den Romulanern die Heimatflotte der Z'Sordo angreifen. Ich weiß es nicht. Die Admiralität und der Rat sind sich da nicht einig.“
Commander Seth sprang auf und verließ mit weiten Schritten den Besprechungsraum. Ein paar Augen richteten sich auf Commander Takeruci. Er blieb sitzen und inspizierte die Tischplatte.
„Besteht die Z'Sordo Heimatflotte nicht vorwiegend aus Zivilisten?“, fragte Gribeth endlich.
„Das hat zumindest High General Jebek behauptet.“, stimmte Trat zu.
Gribeths Gesicht verfinsterte sich. „Heißt das, wir helfen den Romulanern dabei, unschuldige Zivilisten umzubringen?“, fragte er dann ungläubig.
„Wir haben nur das Wort eines Eindringlings, der möglicherweise ein Spion ist.“
„Bei allem gebührenden Respekt, Chief - darauf scheiße ich.“, gab Gribeth zurück. Zur Captain: „Solange meine Fähigkeiten nicht benötigt werden und wir uns weiterhin auf einem fragwürdigen Waffenstillstand mit Kriegsverbrechern ausruhen, bin ich in meinem Quartier.“
Sarah hatte die Sitzung nicht per Befehl beendet. Trotzdem sagte niemand etwas, als Andrew Gribeth die Runde verließ und der Topfpflanze neben der Tür im Vorbeigehen einen Tritt gab. Sie zerbrach. Die restlichen Offiziere sahen sich an, teilten viel sagende Blicke und begaben sich dann alle auf ihre Stationen. Nur für den Fall.
Yoshiki Takeruci betrat sein Quartier mit einem etwas mulmigen Gefühl. Die Beleuchtung war gedämpft, so hatte er es eingestellt. Dennoch reduzierte er die Luxstärke noch einmal um die Hälfte. Am Replikator stehend fuhr er sich über das Gesicht und bemerkte, dass er ziemlich heftig schwitzte. Er verlangte ein Glas Wasser mit zehn Grad Celsius und legte sich erschöpft auf's Bett. Er scheute sonst keine Überstunden. Heute schaffte er es einfach nicht mehr. Innerhalb von drei Minuten war er völlig weggetreten, nach weiteren zwei eingeschlafen.
Als er wieder aufwachte waren seine Laken klitschnass von seinem Schweiß. Sein Puls raste. Er schrak hoch. Schweiß biss in seine Augen. Ein Blick auf sein Chronometer bestätigte ihm, dass er zwei Stunden der Tagschicht verschlafen hatte. Er setzte sich auf – zu schnell. Stiche breiteten sich in seinem Schädel aus und ließen ihn nach Luft schnappen.
Die Schalldusche beseitigte die gröbsten Unreinheiten seiner Haut und reinigte seine Uniform. Als er hastig sein Quartier verließ merkte er nicht, dass er sein Offiziersjackett vergessen hatte.
Die Brücke erreichte er über den Turbolift A. Die Brückenbesatzung bestand zum größten Teil aus den Reserveoffizieren; lediglich J'Kolan war anwesend. Die Lieutenant als Offizier vom Dienst?, dachte Yoshiki und schüttelte den Kopf. Die Xindi bemerkte ihn und stand bereits vom Stuhl des Captains auf. Takeruci winkte ab und lenkte seine Schritte zur Tür, die zum Bereitschaftsraum des Captains führte. Er tippte auf den Türsummer. Gleich darauf teilte sich das Schott.
Captain Trat saß am Schreibtisch, den Kopf auf die verschränkten Arme gelegt und sah Takeruci fragend an. Ihre Offiziersjacke hing über der Lehne, war achtlos dorthin geworfen worden.
„Ja bitte?“
„Captain, Sir... Ma'am.“
Sie setzte sich auf und bedeutete Takeruci, sich zu setzen. Er tat es.
„Haben Sie etwas auf dem Herzen?“, fragte sie, und der Gesichtsausdruck in Takerucis Gesicht sagte mehr als tausend Worte.
„Ich bitte darum, vom Dienst befreit zu werden.“
„Grund?“
„Ich bin derzeit... abgelenkt.“
„Abgelenkt.“
„Ja.“
„Aha.“
„Ich...“
„Sie brauchen nichts zu sagen. Doktor Rotal hat mich informiert.“
Takeruci sackte erleichtert in sich zusammen. „Ich hatte ihn um Diskretion gebeten.“
„An Bord wissen nur wir drei Bescheid. Ihre Akte ist ebenfalls nicht betroffen.“
„Hm. Dann verstehen Sie wohl, dass ich zur Zeit ein wenig durch einander bin.“
„Ja. Ich verstehe.“ Trat lehnte sich in ihrem Stuhl nach vorne. „Abgelehnt.“
„Vielen Da – abgelehnt?“, fragte Takeruci, als er das Wort in Gedanken analysiert hatte.
„Abgelehnt. Ihre Krankheit behindert nicht ihre geistigen Fähigkeiten. Und ganz im Vertrauen, Yoshi... Ihnen ist vielleicht aufgefallen, dass die Moral zur Zeit nicht die Beste ist. Die Romulaner haben einen Genozid vor und Starfleet schiebt Wachdienst.“
Sie stützte sich auf ihre Ellenbogen und kam ganz nah an Takerucis Gesicht heran. „Selbst wenn die Crew gerade keine Vorbilder bräuchte, die auch in schweren Zeiten ihren Dienst verrichten – ohne Sie läuft auf diesem Schiff doch sowieso nichts.“
Takeruci, der ihr aus Gewohnheit Recht gab, dachte darüber nach. Er hatte wirklich viele Pflichten an Bord freiwillig übernommen, weil sie dadurch besser erledigt wurden.
„Aber im Moment bin ich nicht arbeitsfähig, Captain. Nicht belastbar.“
„Das ist mir klar, Commander. Aber wir jagen zur Zeit nur Sensorschatten. Sie schaffen das, da habe ich vollstes Vertrauen in Sie.“
Der Erste Offizier verstand, dass es in dieser Sache keine weiteren Informationen auszutauschen gab. Die Captain hatte entschieden. Er hätte sich Urlaub nehmen können – es hatten sich mittlerweile 1357 freie Tage angesammelt – doch er wollte die Captain nicht beleidigen. Klar – dies hier wäre rechtmäßig sein Schiff gewesen. Er hatte es gebaut. Er kannte es selbst heute noch tausendmal besser als sie. Aber man hatte sie ihm als Kommandantin vorgesetzt, und er respektierte die Kommandokette.
Und viel wichtiger war: er respektierte Sarah Trat. Das war ihm irgendwann im letzten Monat aufgefallen, als er ihre Schlichtung eines Streits zwischen Fähnrich Miller und Crewman Daniells mitbekam. Dass sie solches Vertrauen in ihn setzte gab ihm eine Menge seines alten Selbstvertrauen wieder (jedoch, wie Besatzungsmitglieder später bestätigten, fehlte ihm von diesem Tag an seine großspurige und rechthaberische Art).
Trotzdem verließ er das Büro mit hängenden Schultern. An der Tür rief ihm Sarah nach: „Yoshi!“
Er drehte sich um.
„Es tut mir leid.“
„Ja.“, sagte er nickend. „Mir auch.“
Nach dem Ende der Tagschicht begab sich Trat sofort nach Bug Fünf. Die Atmosphäre war dort nicht lebendiger als sonst wo auf dem Schiff. Eine Handvoll Crewmen spielten Darts, Bador saß an der Theke und beobachtete die Sterne. In einer Nische unterhielt sich Takeruci mit einem weiblichen Lieutenant aus der Astrometrie. Sarah wählte einen Platz an der Bar direkt neben Bador.
„Abend.“, sagte er und bot ihr einen Schluck seines PvaRiar Bieres an. Trat lehnte dankend ab. Bador zuckte mit den Achseln und leerte das Behältnis in einem Zug. „Hab Nachtdienst“, erklärte er und ging.
„Was darfs denn sein?“, fragte der holografische Barkeeper, nachdem Sarah eine Stunde wortlos an der Bar gesessen hatte.
„Nichts, danke.“
Der Barkeeper blinzelte – was er nur tat, um besonders nachdenklich auszusehen – und holte eine Flasche mit giftgrünem Inhalt hervor, den er in eines seiner allgegenwärtigen, blitzsauberen Gläser einschenkte und Sarah vor die Nase stellte. Sie schnüffelte daran.
„Ich hoffe, das ist Alkohol“, sagte sie und stürzte den Drink herunter.
„Ja. Antares Whiskey. Jahrgang 2401. Soll sehr gut sein.“
„Hm.“
Trat sah am Barkeeper vorbei aus dem Fenster.
„Seit wann mögen Sie Sterne?“
„Ich mag sie nicht. Es gab auf dem Mars mal ein Sprichwort, das von der Erde importiert wurde. Es heißt: ins Narrenkastel schauen.“
Der Barkeeper suchte in seiner Datenbank danach und wurde nicht fündig. Er tat die Information mit einem Achselzucken ab und goß sich drei Fingerbreit holografischen Vodka ein. Er stieß mit der Captain an und leerte den Becher in einem Zug. Er schenkte ihnen beiden nach.
„Wie läuft Ihr Leben so?“, fragte sie dann.
„Naja“, begann der Barkeeper und kratzte sich hinterm Ohr, „im Prinzip ganz gut. Aber seitdem Ihr Erster Offizier alle Hologramme auf Reset stellen ließ, fehlt es mir an Pokerpartnern. Und den Commander mag ich nicht. Er ist so menschlich.“
Sarah kicherte. „Der Commander“ war der Spitzname des Technischen Holografischen Notfallhologramms, das irgendwie ständig im Einsatz war und immer mal wieder Techniker anpöbelte, wenn sie einen kleinen Fehler gemacht hatten. Keiner fand ihn sonderlich nett, aber man gewöhnte sich an ihn. „Genauso wie man sich mit Anwälten arrangiert“, hatte Lieutenant Etkins es einmal umschrieben. Keiner wusste, was er damit meinte.
Es wollte auch keiner fragen.
„Und wie ist Ihr Leben so?“, bohrte das Hologramm.
„Hm.“
„Wie spannend.“
„Mir macht die Aussage von General Jebek zu schaffen.“
„Ah. Unschuldige Zivilisten. Militärputsch. Ich verstehe.“
„Es gibt wohl keine Dateien, die vor Ihnen sicher wären, oder?“
„Nö. Nicht an Bord dieses Schiffes. Oder irgend einem anderen.“
„Hm.“
„Sie wiederholen sich.“
„Hm?“
„Jaja, das sagten Sie bereits.“
„Hm.“ Trat griff nach der fast leeren Flasche mit dem Antares Whiskey, hob sie an die Lippen, kniff die Augen zu und leerte sie. Der Boden der Flasche knallte auf's Holz. Sarah hustete ein wenig, schlug mit der flachen Hand auf die Theke. Dann, mit gerötetem Gesicht, lächelte sie das Hologramm an.
„Machen Sie eigentlich auch Hausbesuche?“
3. November 2425
USS Ares NCC 100431
Sektor Drei Drei Eins
„Herein!“
Der Türsummer piepste noch einmal. „HEREIN!“
Andrew brüllte über die Lautstärke der Musik hinweg. Das Türsystem verstand seinen efehl offenbar nicht. Verärgert sagte Andrew: „Computer, Musik aus! Herein!“
Captain Trat kam in Andrew Gribeths spartanisches Quartier geschritten. Sofort warf Gribeth seinen Plüsch Yoda beiseite, rollte sich vom Bett, fiel dabei ungelenk auf den Deckboden. Er rappelte sich auf und nahm so etwas wie Haltung an. Allerdings war er im Pyjama, wodurch die ganze Szenerie etwas lächerlich wirkte.
„Stehen Sie bequem, Lieutenant.“ Sie sah sich im Raum um. Die Wände waren voll von gläsernen Schaukästen, in denen teilweise bis zur Unkenntlichkeit vergilbte Poster hingen. Der Schreibtisch war zu einer Ablage für detaillierte Raumschiffemodelle umfunktioniert worden. An der Decke waren tausende kleiner Dioden befestigt.
„Nett haben Sie's hier.“
„Danke, Ma'am. Was meinen Auftritt gestern betrifft...“
„Sie haben recht.“
„Ich habe recht, Captain?“, fragte Gribeth überrascht.
„Ja. Und ich bin nicht hier als ihr Vorgesetzter. Die Nachtschicht hat vor dreizehn Minuten begonnen.“
Andrew warf einen Blick auf das Wandchrono. Tatsächlich.
„Captain?“, fragte Andrew dann, als Trat nur dastand und zu überlegen schien.
„Sie haben recht. Verdammt nochmal, alle haben recht.“
Sie drehte sich um und ging ein paar Schritte durch den Raum. Verwirrt setzte sich Andrew auf sein Bett und griff nach seinem Plüsch Yoda. Sofort warf er ihn wieder weg, als Trat auf dem Absatz kehrt machte und ihn anlächelte.
„Spielen Sie Poker?“
„Äh... nein?“
„Hm. Egal. Um neunzehn Uhr in meiner Kabine. Deck Sieben, Sektion 2.“
Sie ging zur Tür.
„Seien Sie pünktlich.“
5. November 2425
USS Ares NCC 100431
Sektor Drei Drei Eins
„Bestätige, Ares. Andockerlaubniss für Gate 23, 1 Woche lang. Viel Spaß auf Merdian.“
„Danke, Kontrolle, den werden wir haben.“, sagte Etkins und schloss den Funkkanal. Koordinisten, dachte Etkins. Sind schlimmer als Anwälte.
Er öffnete einen neuen Kanal. „Brücke an Transporterraum 2. Landurlaub genehmigt Wir legen in zwei Minuten an.“
„Danke, Lieutenant.“
„Danke, Lieutenant.“, sagte Sarah und sah Yoshiki an. Er trug Freizeitkleidung: eine Kniehose aus blauem Samt und ein gelbes Hawaihemd, das ihm so gar nicht passen wollte. Erst jetzt fiel Sarah auf, dass sie den überkorrekten Ersten Offizier nie in etwas anderem als seiner Uniform gesehen hatte. „Ist einmal was Neues“, kommentierte sie und reichte ihm die Hand. Er packte sie und drückte schwächlich zu. Die übrigen Führungsoffiziere, bis auf Chefpilot Etkins und Lucia Seth alle versammelt, unterdrückten den Drang, Yoshiki am Arm zu führen. Seine Krankheit hatte er gestern öffentlich gemacht und bekannt gegeben, Urlaub zu nehmen – wahrscheinlich für immer. Jetzt stand er mit zwei Koffern – einem großen aus Leder und einem kleineren aus Metall – vor den beiden niedrigen Stufen der Transporterplattform und reichte jedem seiner Kollegen die Hand. Vor Bador mühte er sich sogar eine aufrechte Haltung ab. Wie er bekannt gegeben hatte, litt er am Tar'gathrall Syndrom, das besonders heimtükisch auf günstige Bedingungen für den Ausbruch wartete und dann innerhalb von Tagen zum Tod führte. Bislang gab es keine Heilung. Eines der ersten Symptome war ein einsetzender Muskelschwund.
Bador bemerkte die versteckten Ansätze von Schmerz in Takerucis Gesicht und streckte den Rücken durch. Und dann salutierte er vor dem Ersten Offizier. Eine Ehrenbezeichnung, die nicht vorgeschrieben war. Eine echte Ehrenbezeichnung.
„Ich komme bald wieder“, sagte Yoshiki, und es hörte sich wie eine handfeste Lüge an. Ein ausser Puste geratener Etkins stürmte herein, hastete ans Ende der Reihe und reichte Takeruci ebenfalls die Hand. Der Transporterchief stellte Takerucis Gepäck auf die Transportflächen und kehrte an sein Pult zurück. Yoshiki schritt zur Fläche empor und drehte sich um, bitter in den Raum lächelnd.
„Energie“, sagte Trat. Takeruci verschwand im blauen Licht des Beamvorgangs.
„Ob wir den Commander wohl je wiedersehen?“, fragte J'Kolan, als sie sich fünf Stunden später an ihre Konsole setzte und das Fach darunter ausräumte, in dem sich eines ihrer Datapads befand.
„Da bin ich ganz sicher.“, murmelte Sarah Trat und warf einen flüchtigen Blick auf das Chronometer unter dem Hauptschirm.
„Naja, ähm, Ma'am, sicher, ähm...“
„Jay?“
„Ja, Ma'am?“
„Konzentrieren Sie sich auf Ihre Geräte. Wie viele Crewmitglieder sind noch an Bord?“
„Ah... nur wir hier auf der Brücke, ein paar Techniker im Maschinenraum, die Führungscrew. Ein paar Nachzü...“
„Danke, Lieutenant, ich bin im Bilde.“
Unter normalen Umständen hätte Trat daraufhin gelächelt. Doch heute war sie leicht aufgekratzt. Wieder sah sie auf's Crono. Wieder war eine Minuten vergangen.
Dann piepste es im Komsystem der Brücke.
„Sarah hier.“
„Captain, ich bin's! Yoshi.“
„Commander?“, murmelte J'Kolan und wollte einen fragenden Blick mit Etkins wechseln. Der hatte aber nur Augen für seine Konsole. Er berührte die Elemente zur Berechnung eines Kurses.
„Yoshiki! Haben Sie schon Heimweh?“, fragte Sarah.
„Mitnichten. Immerhin ist der Tourist gerade erst angekommen. Den Gedanken ans zurückkommen... ha, der kommt frühestens in, sagen wir, drei Tagen. Ich stehe hier am Gate 23 und will Sie nur darauf hinweisen, dass der Lack ein wenig abgeblättert ist.“
Etkins lächelte ein wenig. Captain Trat schien irgendwie erleichtert – J'Kolan konnte sich nicht vorstellen, warum.
„Vielen Dank für den Hinweis, Commander. Jetzt genießen Sie, was immer Sie vorhatten.“
„Werd ich tun. Wir sehen uns in vier Wochen. Takeruci Ende!“
Jay drehte sich zur Captain um. Energisch sagte sie: „Captain, der Commander klingt krank!“
„Er ist krank, Jay.“, kommentierte Etkins, mehr zu sich selbst. Er gab immer noch Berechnungen ein und hatte irgendwann in den letzten paar Minuten zu schwitzen begonnen.
„Nein nein, ich meine, so spricht er doch sonst nicht! Captain, vielleicht sollte Metek...“
„Setzen Sie sich bitte wieder an Ihre Konsole, Lieutenant“, murmelte Trat geistesabwesend und befingerte ihre Armbanduhr. Dann blickte sie wieder auf's Wandchrono, lächelte grimmig und drückte auf einen Knopf an der Armlehne. Augenblicklich piepste ihr Armchrono. Auch bei Etkins piepste es. Dabei trug er sonst nie eine Uhr. J'kolan sah sich um. Junior Lieutenant Hackman, die Commander Seth an der Taktischen vertrat, blickte sie ebenso ratlos an.
„Griff an Brücke. Habe die Postkarte erhalten.“
„Verstanden. Holen Sie sich das Souvenir, wenn Sie bereit sind.“
„Aye. Kaufe.... jetzt!“
„Captain?“, fragte Jay verwirrt und stand auf.
„Nicht jetzt, Lieutenant. Andrew?“
„Habe das Geschäft erfolgreich abgeschlossen, Captain.“
„Gute Arbeit, Mister Gribeth. Lieutenant Etkins, bringen Sie uns raus.“
„Aye aye, Ma'am, löse Andockklammern.“
Die Ares erbebte. Vom einen Augenblick auf den anderen schüttelte sich der Deckboden. J'Kolan landete in ihrem Sessel und krallte sich an den Lehnen fest. Sarah tat es ihr gleich. Dann, nach einer halben Minute, hörte das Rütteln auf. Der Hauptschirm schaltete sich ein und zeigte das Innere des Raumdocks.
„Wir werden gerufen, Captain“, meldete Jay.
„Scheint so als wüssten sie, dass wir einen Ausflug unternehmen wollen.“, kommentierte Etkins und steuerte die Ares auf direktem Wege zu den Raumschotts. „Das habe ich mitbekommen, Lieutenant. Bringen Sie uns einfach ins freie All.“
Die Türen standen normalerweise offen. Jetzt begannen sie sich zu schließen. Langsam, als Vorsichtsmaßnahme.
„Etkins...“
„Jaja, ich seh's, ich seh's...“
„Captain, was soll ich der Kontrolle antworten?“, fragte Jay.
„Gar nichts.“
„Gar nichts?“
„Das sagte ich gerade. Gar nichts.“
Und dann, gerade als J'Kolan verstand und dies mit den Worten „Sie stehlen die Ares?“ kund tat, aktivierte sich der Rot Alarm des Raumdocks. Und mit ihm der eines jeden anderen Starfleet Schiffes im Sonnensystem.
„Nun, so einfach ist das nicht, Lieutenant. Sagen wir...“
„Die Tore schließen sich!“, rief Lieutenant Hackman und hielt sich krampfhaft am Rahmen des Pultes fest. „Stoppen Sie das, Captain!“
„Bringen Sie uns raus, Etkins, egal wie.“
Sie räusperte sich. Sie bemerkte durchaus, wie Lieutenant Hackman nach dem Typ 1 Phaser griff, der in einem Geheimfach der taktischen Konsole steckte. Seufzend modifizierte Trat ihren ursprünglich Plan und aktivierte schon jetzt das interne Komunikationssystem.
„Achtung Crew! Wie Sie vielleicht bemerkt haben gab es vor Kurzem eine Erschütterung. Dies waren die Auswirkungen eines Diebstahls. Im Moment versuchen wir, dieses Raumdock zu verlassen. Unser Ziel wird Ihnen noch durchgegeben, aber bitte glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass dieses Unternehmen nur ein Ziel hat: den Krieg zu beenden. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.“
Sie sah zu Hackman hinüber. Sie stand an ihrer Konsole und überlegte.
„Captain...“
„Lieutenant?“, fragte Trat und blickte zu J'Kolan.
„Man versucht uns mit einem Traktorstrahl zu erfassen.“ Sie machte eine Pause. Dann hantierte sie an ihrer Konsole. „Ich, ähm, ich stelle unsere Schilde auf eine umkehrende Polarisation ein. Das sollte uns für ein paar Sekunden schützen.“
„Danke, Lieutenant“, sagte Trat und ließ den Atem entweichen, den sie angehalten hatte, ohne es zu bemerken.
Der Hauptschirm zeigte nun immer schneller dahinrasende Raumschotts.
Etkins ließ die Ares rotieren und stellte sie auf die Kante.
„Alle Mann festhalten!“, schrie er. Keine Sekunde später passierte die Ares die schmale Öffnung.
Das Schiff erzitterte mehrfach. Es geriets ins Trudeln. Schwankte. Wurde erneut durchgeschüttelt. Sarah Trat fiel aus ihrem Kommandostuhl und landete auf dem Boden. Ihr linker Arm brach laut knackend beim Aufprall.
„Bericht!“, verlangte sie. Ein Lieutenant, der an der sekundären Wissenschaftsstation Rejustierungen vorgenommen hatte, packte das Medpack und eilte zu ihr.
„Schwere Schäden in der Delta Sektion, Ma'am!“, rief Etkins über den Lärm hinweg. Urplötzlich hatte sich der Kollisionsalarm eingeschaltet. Der Rotalarm gab auch noch die ganze Zeit seinen Senf dazu.
„Heckkamera!“, verlangte Trat.
Sekunden später wechselte die Darstellung des nun wieder gleichmäßigen Fluges zu einem Bild des Schreckens. Hinter der Ares trieben mehrere dünne, sich entfernende Trümmerteile. Die Türen des Raumdocks waren aufgeschrammt und teilweise verbogen. Sie begannen damit, sich wieder zu öffnen, und das erste Verfolgerschiff passierte bereits hochkant gestellt die Öffnung.
„Sensoren melden mehrere Starfleetschiffe auf Abfangkurs. Am nächsten ist uns die Heisenberg direkt achtern. Sie rufen uns und laden die Waffen.“
„Schilde hoch.“, befahl Trat. Hackman kam der Aufforderung nach, sagte jedoch kein Wort.
5. November 2425
USS Heisenberg NCC 89263
Sektor Drei Drei Eins
Captain Harmen Alligati vom Raumschiff Heisenberg beobachtete die beschädigte Ares auf dem Hauptbildschirm. Der Pilot war erfahren genug, um den beiden abgeknickten Warpgondeln großräumig auszuweichen. Ein Bergungstrupp würde die Trümmer später einsammeln müssen – das Plasma würde sich sonst früher oder später entzünden. Nach wenigen Sekunden waren sie an der Trümmerwolke vorbei.
„Voller Impuls, Pilot. Taktik, eine Salve Quantentorpedos vorbereiten. Als Warnschuss!“, fügte er eilig hinzu. Sein/e Taktikoffizier/In Brutch neigte dazu, bei der Wahl des Zieles ein wenig eigenmächtig zu handeln.
„Heisenberg an NCC 100431, bitte erklären Sie sich.“
Alligati wartete zwei volle Minuten ab, in denen sich die Heisenberg nach und nach der angeschlagenen Ares näherte.
„Keine Antwort, Sir.“
„Haben die ein technisches Problem?“
„Nein, Sir. Man ignoriert uns.“
Alligati lehnte sich vor. Er mochte es überhaupt nicht, auf Föderationsschiffe zu feuern. Doch für die nächsten beiden Minuten würde die Heisenberg das einzige Schiff in Waffenreichweite sein, und sobald die Ares den Masseschatten von Meridian verlassen hatte, würde keines der Schiffe im System sie mehr einholen – nicht einmal mit zwei fehlenden Warpgondeln.
„Misster Brutch, feuern Sie vor den Bug.“
„Aye aye.“
Die Heisenberg erzitterte leicht. Normalerweise hätte der Hauptschirm jetzt drei den Flüchtigen entgegen gehustete Torpedos zeigen müssen. Statt dessen wurde die Ares immer kleiner, die Bewegung der Sterne immer langsamer.
„Technik, was ist da los?“, erkundigte sich Alligati nervös. Dann gingen auf der Brücke sämtliche Lichter aus.
„Ah, das sollten Sie sich vielleicht selbst ansehen...“
Im roten Licht der Notbeleuchtung stand der Captain auf und lief zur technischen Station. Der dortige Offizier zeigte stumm auf den einzigen funktionsfähigen Bildschirm der Hauptbrücke:
< Vordia Sunrise. Man nehme ein leeres Glas und fülle es zur Hälfte mit einem Zucker / Sauerstoffkonzentrat.... >
Alligati schlug wütend auf den Schirm und sah zum Hauptschirm. Er war dunkel. Einige wirklich fiese Flüche denkend malte er sich aus, wie die USS Ares immer kleiner wurde und in der Unendlichkeit des Weltalls verschwand.
„Verdammt, Sarah, was soll das?“, polterte Bador als er mit langen Schritten die Turboliftkapsel verließ.
„Das habe ich bereits durchgegeben, Bador. Möchtest du eine Tasse Tee?“
Bador blieb zwei Meter vom Captain's Chair stehen und sah Trat fassungslos an. Die saß scheinbar ruhig da und hielt tatsächlich eine Tasse mit dampfendem Inhalt in ihrer zitternden Hand. Der linke Arm lag schlaf in ihrem Schoß. Blut drang durch die weiße Kapitänsjacke.
„Willst du mich verarschen?“, schrie Bador und zeigte auf die Turbolifttüren. „Du klaust ein Raumschiff, widersetzt dich deinen Befehlen, auf Deck 17 formiert sich eine Meuterei – und du bietest mir Tee an?“
Bador tat das Unmögliche: er lief vor Zorn rot an. „Was zum Henker ist denn los mit dir?“
Sarah stellte die Tasse auf der schmalen Armlehne ab. Sie setzte zum Sprechen an, doch dann wurde sie durch das Zischen des Turbolifts unterbrochen.
„Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat“, entschuldigte sich Andrew Gribeth und verließ die Kapsel. „Der General war sich erst nicht sicher, ob er mit uns kooperieren will.“
„Sie haben ihm unser Vorhaben erklärt?“, fragte Trat. Gribeth ließ sich in einen Stuhl der sekundären taktischen Station im hinteren Teil der Brücke fallen, seufzte und nickte dem fassungslosen Bador zu.
„Klar. Mit ein bisschen Glück verrät er uns alles, was wir wissen müssen.“
„Sarah?“
„Bador?“
„Bitte sag, dass du nicht den Kriegsverbrecher General Jebek aus dem Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses von Meridian Station gebeamt hast.“
„Das habe ich nicht.“
„Danke.“
„Fühlst du dich jetzt besser?“
„Ja.“
„Du weißt, dass ich das nur sage, damit du dich besser fühlst?“
„Klar, ich kenn dich doch.“
„Und was sagst du jetzt?“
„Ich frage dich erst einmal, was zum Lukifer...“
„Lucifer“, verbesserte Gribeth.
„...was zur Hölle du eigentlich vorhast.“
„Ganz einfach. Wir fliegen zur Heimatflotte der Z'Sordo, stürzen die Militärregierung und versuchen, die Romulaner davon abzuhalten, hunderttausende Unschuldige abzuschlachten.“, erklärte Sarah. Gribeth fügte hinzu: „Danach fällt uns sicher auch eine Lösung für das Problem mit den Romulanern ein. Wenn sie keinen Krieg mehr gegen die Z'Sordo führen, bräuchten sie keine Stützpunkte mehr.“
„Was uns in eine bessere Verhandlungsposition für die Gespräche nach dem Krieg einbringt.“
„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass die Römer zu Friedensgesprächen bereit sind?“, fragte Bador. Sein Gesicht hatte wieder einen einigermaßen gesund wirkenden Blauton angenommen.
„Ich nicht. Aber der Föderationsrat. Wir haben schon kaum genug Schiffe, um unsere Grenzen zu halten. Die Romulanische Flotte musste in den letzten Monaten an zwei Fronten gleichzeitig kämpfen.“
Sarah verzog verbittert das Gesicht. „Wahrscheinlich tun wir ihnen noch einen Gefallen, wenn wir den Sordo Zivilisten die Macht übergeben.“
Bador schüttelte den Kopf.
„Du bringst mich noch einmal ins Grab, Sarah.“
Er stand auf und wanderte zum Lift.
„Ich sehe zu, was ich im Bezug auf die Meuterei auf Deck 17 tun kann. In der Zwischenzeit tätest du gut daran, deine Beweggründe an die ganze übrige Besatzung weiterzugeben. Wir sind völlig unterbesetzt – wir können es uns nicht leisten, dass jemand die Arme verschränkt und sich zum Trotz in die Ecke setzt.“
Damit verschwand der Bolianer in der Turboliftkapsel und hinterließ eine viel ruhigere und zuversichtlichere Sarah Trat.
Wenn sogar Bador dazu bereit ist, dachte sie, dann sind meine Argumente doch logisch. Ich bin besser, als ich dachte.
„Dieser Arm... das wie vielte Mal ist das jetzt?“, tadelte Doktor Rotal und tippte mit dem Endstück des Hyposprays gegen die taube Bruchstelle. „Sie sollten wirklich besser darauf aufpassen, Captain. Menschliche Knochen sind nicht so stabil wie reptiloide.“
„Vielen Dank für den Hinweis, Doktor. War's das?“
„Ja. Obwohl...“
„Hm?“
Rotal sprang auf ein Biobett und setzte sich. Das Hypospray legte er neben sich. „Da wäre schon etwas.“
Captain Trat rieb sich den geheilten Arm; er kribbelte. „Immer raus damit.“
„Ähm. Ich wollte fragen, ob es möglich wäre... Lieutenant J'Kolan irgendwie vom Schiff zu schaffen.“
„Dies ist wirklich kein guter Zeitpunkt, um Beziehungsprobleme auf diese Weise...“
„Nein nein! Keine Probleme. Nur... sie wusste nichts von unserem Plan. Sie wurde sozusagen mitgefangen, wie man bei Ihrem Volk sagt.“
„Und sie hat sich bereitwillig mitziehen lassen.“
„Ja. Aber...“
„Kein Aber, Doktor. Wir stecken jetzt alle mit drin.“
Sarah trat näher an den Waraki heran.
„Machen Sie sich keine Sorgen, Rotal. Sie ist zäh.“
Sie machte Anstalten, die Krankenstation zu verlassen. Dann überlegte sie es sich anders. Sie trat an ein Interkom, warf dem Arzt einen „Dafür-schulden-Sie-mir-was“-Blick zu und öffnete einen schiffsweiten Kanal.
„ ... und wer mit dieser Vorgehensweise ein Problem hat, soll es jetzt sagen. Dies wird dann in der Akte vermerkt. Wer will, der wird per Rettungskapsel ausgesetzt. Wir werden dann einen Hilferuf aussenden.“
Die Lieutenants J'Kolan und Hackman sowie mMehrere Crewmen, hauptsächlich vom Deck 17, betonten, mit Trats Befehlen ein moralisches Problem zu haben, da sie das Ignorieren von Starfleet Ordern vorraus setzten. Dennoch gaben alle an, wie gewohnt jede Anweisung auszuführen. Ein Mitglied der Schiffssicherheit bat sogar darum, mit einem Shuttle einen anderen Kurs einzuschlagen, und J'Kolan programmierte einen Sensorschatten Emitter um, sodass er ein Phantombild der Ares immitierte. Damit zog der Lieutenant einige wertvolle Stunden lang die Aufmerksamkeit auf sich. Später wurde er für diesen Vorfall vom Sternenflottenkommando zum Fähnrich degradiert – und für herausragende Leistungen unter besonderen Umständen mit dem Verdienstkreuz der Sternenflotte ausgezeichnet. Doch vom Lieutenant Henry Lacers Erlebnissen soll an anderer Stelle berichtet werden.
Obwohl alle Meuterer sich erheblich abmühten - die Flotte war der Ares gefährlich nahe gekommen. Etkins flog immer noch einen reinen Fluchtkurs. Jebek bestand darauf, erst Beweise für die Behauptungen Gribeths sehen zu wollen.
„Dann, und nur dann, werde ich Ihnen vielleicht die Koordinaten der Heimatflotte übergeben.“ Jebek hatte während der Unterhaltung in Sarah Trats Bereitschaftsraum immer wieder ein humorloses Grinsen gezeigt. „So nobel Ihre Beweggründe, wenn ehrlich, auch sein mögen – ich habe eine Verpflichtung gegenüber meinem Volk.“
„Genauso wie ich dem meinen.“, hatte Sarah betont. „Ich gebe Ihnen mein Wort als Offizier der Sternenflotte, dass wir Ihnen helfen wollen.“
„Nun, die Tatsache, dass Sie wahrscheinlich bald kein Offizier der Sternenflotte mehr sein werden, spricht für sich.“
Mister Etkins derweil nahm auf seiner Route so ziemlich jeden Nebel und jedes Subraumschlagloch mit, das er finden konnte. So verwirrte er die dreizehn Raumschiffe, die in einem breit gefächertem Suchnetz ungefähr ihrem Kurs folgten, wenigstens ein bisschen und holte dringend benötigte Zeit für seine Kollegen heraus.
6. November 2425
USS Ares NCC 100431
Aufenthaltsort Unbekannt
„Wir haben sie!“
Die Captain sprang fast aus dem Turbolift und sprach, nun, sagen wir es einmal so, sie sprach laut. Lieutenant J'Kolan, für die es die erste Meuterei war und die sich schon in Ketten gelegt Hundefutter fressen sah, konnte den Drang hochzuspringen nicht unterdrücken. Interessiert beobachtete die Captain J'Kolans Versuche, sich an einer offen liegenden Deckenröhre festzuhalten. „Soll ich die künstliche Schwerkraft ausschalten?“, fragte sie belustigt. Sie war nicht schadenfreudig – sie hatte einfach gute Laune.
Etkins, der vorgab, sich auf seine Instrumente zu konzentrieren und damit das Grinsen kaschierte, das ihm bis über beide Ohren ging, sagte: „Wie gut, dass nur wir drei auf der Brücke waren... Also Captain, was haben wir?“
„Die Koordinaten der Z'Sordo Heimatflotte.“
Lieutenant Hackman hatte ihre Haare seit der letzten Schicht um die Hälfte ihrer früheren Länge gekürzt und trug sie nun in einem kurzen Pony. Sie starrte auf ihren holografischen Bildschirm, der wenige Zentimeter über ihrer Konsole hing. „Sie steht über Olgar Prime.“
Trat sah zuerst Hackman, dann Etkins und schließlich wieder Hackman an. J'Kolans Problem war vergessen.
„Woher wissen Sie das?“
„Es steht sozusagen in der Zeitung.“
Lieutenant Hackman rief ihre eigenen Daten auf dem Hauptbildschirm ab. Der taktische Schirm erwachte zum Leben und zeigte eine schematische Darstellung dessen, was auf seinem großen Bruder zu sehen war.
Und da war einiges zu sehen.
„Was zum...“, fing Etkins an. Sarah sah Hackman entsetzt an.
„Kam gerade über den offenen Notfallkanal rein, Ma'am. Die Romulaner haben den Stützpunkt aus der Datenbank eines Z'Sordo Wracks geborgen. Ihre Flotte ist bereits auf dem Weg zu einem Rendevouzkurs.“
„Rendevouz?“
„Ja. Sie treffen sich bei Zeta Ultima mit unserer Armada.“
Sarah ließ sich in ihren Stuhl sinken und überlegte.
„Wie groß ist unsere Flotte? Wen schicken sie?“
„Sie schicken die 5. Flotte, Ma'am. Unter Admiral Chekov.“
„Chekov also. Der sitzt mit seinen Schiffen im Bajor System fest. Das verschafft uns etwas Zeit.“
„Nicht so viel wie wir gerne hätten. Er ist schon seit zwei Tagen unterwegs. Die aktuelle Meldung richtet sich an alle Schiffe, die sich im Radius von zwei Tagesreisen befinden und freiwillig mitfliegen.“
„Wenn seine Flotte aus genug Schiffen ohne Warp 15 Antrieb besteht haben wir also noch mindestens drei Tage, mit Glück fünf. Mister Etkins, wie lange brauchen wir mit Maximalenergie bis zum Olgar System?“
Der Pilot kratzte sich an einem seiner spitzen Ohren und rieb sich die Augen. „Im Topzustand wären wir in etwa zehn Stunden dort. Aber mit zwei fehlenden Warpgondeln... Über den Daumen gepeilt kann ich Ihnen eine Maximalreise von vier Tagen geben. Vielleicht kann ich mit dem Chief drei Tage rausholen.“
Er drehte sich zur Captain um und gestikulierte hilflos. „Wir müssen ausserdem noch dringend die Löcher reparieren, die unser, ähm, Zusammentreffen mit den Dockschotts in der Hülle hinterlassen haben. Dafür können Sie gut und gerne noch mal einen Tag einplanen.“
Trat tippte mit den Fingerkuppen auf ihrer Armlehne herum.
„Jaja. Macht es mir bloß nicht zu einfach...“
Der ehemalige High General Jebek der Z'Sordo Befreiungsarmee, früher ein hoch dekorierter Held bei seinem Volk, für andere ein gemeiner Kriegsverbrecher und -treiber, saß an diesem Nachmittag an einem Tisch im Gesellschaftsraum Bug Fünf und focht einen heldenhaften Kampf mit dem Verschluß eines Puddingbechers aus. Der Metalldeckel war klar im Vorteil, doch Jebek hielt sich wacker. Er hatte einen nicht unbeträchtlichen Teil zur Mobilisierung beigetragen und sein Leben mehrfach für das Volk riskiert. Aber ein so gerissener Gegner wie dieser Puddingbecherverschluß war ihm noch nie untergekommen. Er zog und zerrte, benutzten seinen Löffel als Hebel und ließ sich sogar ein Messer replizieren, um damit in die Lücke zwischen Becher und Deckel vordringen zu können. Natürlich kam er auch auf die Idee, sich einen deckellosen Becher replizieren zu lassen – aber da blieb die Herausforderung völlig aus. So gut ihn die Föderierten auch behandeln mochten (Z'Sordo machten keine Gefangenen), ihm fehlte sein Kommando ebenso sehr wie der Kick, den er früher verspürt hatte, wenn er sich mit seinem kleinen Ein Mann Raumjäger in die Schlacht gestürtzt hatte. Dieser Nervenkitzel war mit der Zeit gewichen, verschwand proporizional zu der Menge an Leben, die ihm anvertraut wurden. Früher hätte er es mit dem ganzen Romulanischen Sternenimperium aufnehmen können.
Heute kämpfte er mit Pudding.
Eine Hand sauste in Jebeks Sichtfeld. Der Zeigefinger war ausgestreckt und blau. Der Unbekannte drückte den Puddingdeckel hinein und löste damit den Entriegelungsmechanismus aus. Entäuscht sah Jebek auf.
„Schmeckt's Ihnen?“, fragte ein Mann mit blauer Haut und einer Art Narbe in der Mitte seines Gesichts. Jebek hatte schon einmal einen Angehörigen dieser Rasse gesehen. Der Mann war wohl ein Bolianer.
„Ich bin mir noch nicht sicher“, antwortete Jebek und griff in Zeitlupentempo nach dem Messer. Der wütende Bolianer bemerkte die Bewegung, sah zu Jebeks rechten Hand...
Und Jebek nutzte den Augenblick der Ablenkung. Mit der Linken packte er den Bolianer am Kragen, warf ihn über den Tisch und setzte mit dem Löffel nach, den er ihm unangenehm nahe ans Auge hielt.
„Aber ich bin sehr neugierig.“, vollendete er seine Antwort und untermalte die Aussage mit kreisenden Bewegungen des Löffels. „Geht Ihr Volk so mit Gästen um?“
„Sprengt Ihr Volk öfter mal Planeten in die Luft?“, fragte der Mann am Boden. Seine Stimme zitterte genauso stark wie er. Die Bar war leer – der Bolianer konnte keine Hilfe erwarten.
Das holografische Programm belehrte Jebek eines besseren. Der Barkeeper ergriff seinen Hals, zerrte ihn fort und ließ ihn rückwärts gegen einen Tisch stolpern. Das im Boden verankerte Möbelstück wurde ihm in die Rippen gepresst; Luft entwich aus seiner Lunge. Mehrere seiner Hautdornen brachen ab; sie waren voller Nerven und brannten höllisch. Der General sank in sich zusammen.
„Danke.“, sagte der Bolianer, als der Barkeeper ihm aufhalf. „Ich werde....“
Zu mehr kam der blaue Mann, ein Techniker, nicht, denn der Barkeeper versetzte dem unachtsamen Bolianer einen Tritt, der ihn rücklings auf den Boden warf. „Keine Prügeleien in meiner Bar, Junge!“, rief er, als der Bolianer sich aus der Nase heftig blutend aus dem Raum schlich.
Der Barkeeper, der seine Alltagskleidung gegen eine Variante der Offiziersuniform eingetauscht hatte, schritt zu General Jebek. Der lag, immer noch benommen, auf dem Boden. Auch er blutete – seine Dornen waren voller Blutdepots.
„Kommen Sie schon hoch.“, forderte das Hologramm und bot eine hilfreiche Hand an.
„Wohl kein sehr freundliches Volk“, kommentierte Jebek und setzte sich dann ächzend auf einen Couchsessel.
„Er ist Bolianer; mich wundert es, dass er überhaupt ausrastet.“
Der Barkeeper überlegte kurz. „Nein, eigentlich doch nicht. Sie sind doch High General Jebek, oder nicht?“
„Der bin ich.“
„Aja. Nun, viele Leute an Bord hatten Freunde oder Verwandte auf Vulkan, wissen Sie.“
„Das tut mir leid.“
„Es tut Ihnen leid.“
„Das sagte ich.“
„Das sagten Sie.“
„Wollen Sie mich noch länger immitieren?“
„Nein. Ich will mit Ihnen anstoßen.“
Der Barkeeper wanderte zur ar, holte je zwei Gläser und Flaschen und kehrte wieder zum General zurück. In ein Glas schüttete er eine giftgrüne Flüssigkeit, in die andere einen durchsichtigen Inhalt. Das grüne Etwas gab er an Jebek weiter.
„Sie mögen ein Kriegsverbrecher sein. Aber Sie sind die einzige Hoffnung auf Frieden in unserer Galaxis.“
„Ich habe Ihrem Captain bereits die Koordinaten unserer Heimatflotte gegeben.“
„Oh.“ Der Barkeeper nahm vorsorglich die Flasche „El Diavlo“ und stellte sie unter den niedrigen Beistelltisch. Jebek musste sich ein Lächeln verkneifen.
„Na dann.“
„Ob Sie es mir glauben, Mensch, oder nicht: ich habe nichts gegen die Föderation. Mein Hass gilt den Romulanern. Die Vulkanier waren im Weg.“
Der Barkeeper hatte das Glas schon am Mund, da sagte er: „Macht Sie nicht unbedingt sympatischer.“, und trank. „Und ich bin kein Mensch.“
Jebek sah in sein eigenes Gefäß. Er sah dreierlei. Seine Familie, allesamt tot. Sein eigenes Gesicht, alt und müde, vom Krieg gezeichnet, das sich auf der Oberfläche spiegelte. Und er sah eine giftgrüne Flüssigkeit, die ihn an die Felder von Sordia erinnerten. Auf den Weiden der Al'cal'carra Ebenen hatte er als Kind viel herumgetollt. Früher war es noch einfacher gewesen, Kinder vom Schicksal ihrer Welt fernzuhalten. Doch mit der Ausweitung der Schiffswerften, in denen die Romulaner sein Volk zum Bau von Kriegsschiffen zwangen, waren nicht nur die Ebenen von Al'cal'carra verschwunden, sondern auch jede Hoffnung auf eine glückliche Kindheit für irgend ein Z'Sordo Kind – ein Krapfen, der seit der Zerstörung von Sordia sowieso unwideruflich gegessen war.
„Ja“, sagte Jebek dann, nachdem mental er das Elend auf Sordia mit dem auf Vulkan verglichen hatte, „macht mich nicht sympatischer.“
Der Barkeeper sah trank einen Schluck, sah Jebek dann an. Lächelte.
„Zeit für einen Neuanfang, finden Sie nicht auch?“
6. November 2425
USS Deimos NCC 90845
Aufenthaltsort unbekannte
„Das sieht übel aus.“, brummte Bador und deutete durch das Sichtfenster auf einen schwarzen Rußfleck, der sich an einer Naht der Aussenhaut entlangzog. „Wenn wir Pech haben ist da eine EPS Leitung gerissen.“
Sarah richtete die Sensoren auf die besagte Stelle nahe des Lecks aus. Summend nahmen die Instrumente ihre Arbeit auf.
„Könnte auch was von der Docktür sein“, mutmaßte sie und blickte Bador fragend an. Der Bolianer sah noch einmal genauer hin und schüttelte dann den Kopf. „Nein, dann wäre der Fleck nicht so genau auf der Naht.“
Bador richtete sich auf. Er streckte seinen Rücken, breitete die Arme aus und ließ sie ein paar mal herumkreisen. Dann, als er sich bereit fühlte, drehte er sich um und setzte eine Miene der äussersten Abneigung auf, als er den Kasten öffnete, in dem die Vakuumanzüge gelagert wurden.
„Ich hasse diese Dinger.“
„Ich weiß.“
„Toll. Kommst du mit?“
„Nein. Ich muss zurück auf die Brücke.“
Bei ihren letzten Worten stand auch Trat auf und schlenderte durch das winzige Cockpit des Runabouts zum Personaltransporter. „Ich schicke dir ein paar Techniker rüber.“
„Ein Tarillianischer Raktajino wäre mir ehrlich gesagt lieber.“
„Gegen den bist du allergisch.“
„Ich weiß.“
6. November 2425
USS Ares NCC 100431
Aufenthaltsort Unbekannt
In der Dunkelheit ihres Quartiers merkte Commander Lucia Seth nicht, wie eine der Dioden ihres Personalcomputers ansprang. Sie saß in einer Ecke, das Gesicht in den angezogenen Knien vergraben, ein Datapad neben sich. Der Computer piepste. Lucia ignorierte ihn. Ihre Finger waren vor ihren Beinen in einander verknotet. Absolute Dunkelheit.
Wieder ein Geräusch. Nahe diesmal. Fast hätte sie es interessiert.
Derek lachte mit seiner hohen Piepstimme. Peter sagte irgend etwas in einam alten persischen Dialekt, den Lucia nicht verstand, aber es klang ein wenig nach „Ich liebe dich immer noch“.
Es klopfte.
Nicht das Geräusch, das ein auf leise geschaltetes Interkom von sich gab. Nein, es war das Klopfen von Knöcheln auf eine Metallwand.
Widerwillig stand Lucia auf. Ihr gang war ein bischen wackelig. Sie versuchte, sich in der Dunkelheit zurechtzufinden, einen Weg zur Tür zu erkunden und sie dem Besucher zu öffnen.
Nachdem sie drei mal über zerbrochene Möbelstücke gestolpert war gab sie es auf. Sie setzte sich, hoffend, nicht gerade auf der früher recht hübschen Vase zu landen, und sagte: „Öffnen.“
Licht drang an ihre Augen und brannte sich in sie hinein. Lucia hob den Arm und schützte damit ihre empfindlichen Sinnesorgane.
„Wer ist da?“, krächzte sie und lugte zwischen ihren Fingern hervor. Eine große, dunke Gestalt stand im Schein des Korridors und sah sich in ihrem Quartier um.
„Sie sollten Ihr Quartier auf Vordermann bringen, Commander.“
Lucia kramte in ihrem Gedächtnis herum. Irgendwoher kannte sie diese Stimme.
„Captain?“, fragte sie.
Captain Trat blieb im Türrahmen stehen und suchte nach dem Schaltelement für die Beleuchtung. Sie fand es und betätigte es. Sofort flammten die Illuminatoren auf und tauchten die Szenerie in einen unheimlich hellen Schein. Lucias Augen gewöhnten sich nur langsam daran. Doch besann sie sich auf das Protokoll und nahm Haltung an.
„Ich brauche Sie auf der Hauptbrücke.“, sagte Trat gerade heraus.
„Sir?“
„Lieutenant Hackman ist, von Ihnen abgesehen, der einzige Offizier mit langfristiger Erfahrung an den taktischen Systemen. Und der Lieutenant ist seit fast zwanzig Stunden auf Station.“
Lucia setzte sich auf einen Stuhl in der Nähe. Der Tisch vor ihr beherrbergte eine Tasse bräunlichen Inhalts sowie ein halb verzehrtes Truthahnsandwich; beides etwa zwei Tage alt.
„Ich bin nicht arbeitsfähig.“
„Unsinn.“
„Deep Space 16 wurde von den Romulanern zerstört.“
„Das habe ich gehört.“
„Meine Familie war an Bord.“
„Auch das habe ich gehört.“
„Verdammt, dann wissen Sie, dass ich jetzt nicht arbeiten kann! Ich kann jetzt überhaupt nichts tun.“, fügte sie, mehr zu sich selbst, hinzu. Mit der einen Hand fuhr sie sich durch die kurzen roten Strähnen. Captain Trat setzte sich derweil auf einen anderen Stuhl gegenüber und rieb sich beim Sprechen den linken Arm.
„Mein Mann war auf Sternenbasis 21 als sie von Romulanischen Agenten in die Luft gesprengt wurde. Auch ich habe einige Zeit gebraucht, um das zu verdauen.“
Lucia starrte an der Captain vorbei und fixierte einen Punkt irgendwo hinter Trat.
„Aber wir haben keine Zeit, Lucia.“
Captain Trat schob den Teller mit dem Sandwich beiseite und stemmte sich mit ihren Ellenbogen auf die Tischplatte, wobei sie den rechten Arm weit mehr belastete als den linken. „Im Moment ist die eine Hälfte der Flotte hinter uns her. Die andere fliegt zum Treffen mit den Romulanern. Und dieses Schiff hier macht sich morgen früh auf den Weg in ein Krisengebiet, um ein paar Diktatoren zu entmachten, einen weiteren Krieg zu verhindern und das alles ohne seinen Taktischen Offizier, von der kopflosen Schiffssicherheit ganz zu schweigen!“
Lucias einzige Reaktion bestand in einem schläfrigen „Was interessiert mich das“-Blick. Trat wartete zwei volle Minuten, bevor sie aufstand.
„Wenn wir den Teil mit den Z'Sordo überlebt haben sollten werden wir uns mit einer Menge Romulanern herumschlagen müssen.“, sagte sie, als sie knapp ausserhalb des Türsensors stehen blieb. „Sollten Sie sich dazu aufraffen, ein paar Spitzohren in den Arsch zu treten – Ihre Schicht beginnt um 0800. Sind Sie morgen früh nicht auf Ihrem Posten sehe ich das als eine Bitte um Entlassung.“
Damit verließ die Captain das Quartier und hinterließ eine nachdenkliche, depressive und nicht zuletzt wütende Lucia Seth.
7. November 2425
USS Ares NCC 100431
Aufenthaltsort Unbekannt
Doktor Rotal betrat die Hauptbrücke auf Deck 1 pünktlich um zwölf Uhr. Jay, die sein Quartier lange vor ihm verlassen hatte, schenkte er ein besonders liebevolles Lächeln. Ein Crewman an der sekundären wissenschaftlichen Station wandte sich fröstelnd ab.
„Wie sieht es aus, Doktor?“, fragte eine schlecht gelaunte Captain Trat; ein Blick auf die taktische Station zeigte Rotal einen sichtlich besser gelaunten Andrew Gribeth.
„Die notwendigsten Medikamente und Gerätschaften sind vorschriftsmäßig an Bord. Leider ist mein Team infolge des Landurlaubs ein wenig dezimiert...“
„Ich verstehe. Lieutenant J'Kolan, Sie helfen dem Doktor in der Sick Bay aus.“
„Jawohl, Ma'am!“, rief Jay erfreut und stand von ihrer Konsole auf.
„Noch etwas?“
„Das wäre alles, Captain. Ich gehe dann mal wieder an die Arbeit.“
Sprach's und lief in Commander Lucia Seth hinein, die soeben den Turbolift verließ. Er machte einen Bogen um sie, grinste sie an und wartete auf Jay. Zusammen fuhren sie nach Deck 15 hinab.
„Melde mich zum Dienst, Captain.“
Captain Trat blickte zuerst Seth und dann den Chronometer unter dem Hauptbildschirm an. „Ich bilde mir ein, etwas von pünktlich gesagt zu haben.“, sagte sie. Seth öffnete wortlos den Mund; sie wollte wohl protestieren. Sarah sah wieder Seth an, wandte ihren Blick dann demonstrativ zur Decke. Und räusperte sich.
„Da fällt mir ein“, begann Andrew, als er sich an die wissenschaftliche Konsole setzte und den Stuhl zurechtrückte, „dass ich gestern den Hauptcomputer überprüft habe.“
„Haben Sie das, Commander?“, fragte Sarah, Interesse vortäuschend. „Haben Sie dabei vielleicht auch ein paar Änderungen vorgenommen?“
„Nuuuun... vielleicht. Man sollte den internen Chronometer überorüfen, Captain.“
„Und solange sollte man den Geräten nicht trauen.“
„Genau das wollte ich damit sagen, Captain.“, schloss Gribeth.
Captain Trat lehnte sich zufrieden in ihrem Stuhl zurück, den Blick auf den deaktivierten Hauptschirm gerichtet. Als Commander Seth einfach stehen blieb, sagte sie gespielt verstimmt: „Na worauf warten Sie denn noch, Commander? Haben Sie Ihren vorbildlichen Dienst in dieser Woche schon vergessen? An Ihre Konsole!“
„Ja. Ahm. Aye, Sir.“
Lucia durchwanderte die Brücke und stellte sich an ihre Konsole. Dann überlegte sie es sich anders und zog den Stuhl wieder heran, den Commander Gribeth benutzt hatte. Sie rekonfigurierte die Anzeigen solange, bis sie wieder ihrer bevorzugten Einstellung entsprachen, und meldete dann: „Alle taktischen Systeme einsatzbereit, mit Ausnahme des Disruptors C, der durch ein in den Dateien nicht näher genanntes Unglück, ähm, abgeschabt wurde.“
„Danke. Noch was?“
„Ja. Das Raumschiff Deimos dockt gerade im Haupthangar an. Der Chief meldet volle Bereitschaft aller Antriebssysteme und gibt die Triebwerke für Warpfaktor 12 frei.“
„Na bitte, Mister Etkins, wie es aussieht haben wir unser Pony unterschätzt.“
„Da muss ich Ihnen recht geben. Kurs nach Olgar Prime ist gesetzt, Ma'am.“
„Dann bitte ich um vollen Warp.“
„Maschinen aktiviert. Warte auf Ihren Befehl.“
„Hiermit erteilt.“
Gut gelaunt, zumindest besser als zuvor, besann sich Sarah auf einen alten Scherz von der Akademie. „Machen Sie's so.“
?????
Unbekannter Standort
Sektor Null Null Eins
Vakhan Trat sank auf der Couch in sich zusammen. Der gestrige Tag – es war lange nach Null Uhr – war anstrengend gewesen, doch er wusste, dass noch viel mehr Arbeit anstand.
Vakhan hörte ein flatterndes Geräusch aus dem Nebenraum. Aufgeschrecktes Gekreische begleitete ein metallisches Klirren. Normalerweise hätte er beim Aufstehen gelächelt. Heute war er dafür zu tief in Gedanken versunken. Geistesabwesend trottete Vakhan auf den Türbogen zu. Als er ihn erreicht hatte tastete er nach dem Bedienelement für die Deckenlampen. Augenblicklich flammten die Iluminatoren auf. Die beiden Gagara – kleine, stämmig gebaute Laufvögel vom Planeten Rigel 7 – flatterten erneut auf, ließen die metallischen Federn gegen die Einrichtung knallen. Dann sahen sie Vakhan, der das Licht brennen ließ und in die andere Richtung zur Schlafkoje wandte. Zufrieden gackerte ein Gagara, kletterte die nächste Eisenstange empor und machte es sich auf einem Schlafstein gemütlich. Das andere Exemplar gab einen glucksenden Laut von sich und tat es seinem Kollegen gleich.
Vakhan setzte sich auf's Bett. Er nahm ein eingerahmtes Bild von seinem Nachttisch. Es war alt, vergilbt – eine echte Fotographie aus dem 25. Jahrhundert – und betrachtete es einmal mehr nachdenklich. Die ganze Sache ergab für ihn natürlich mehr Sinn, als es bei einem Aussenstehenden der Fall gewesen wäre. Aber im Moment wünschte er sich, er wäre selbst ein Aussenstehender gewesen...
STAR TREK
Ares
Kapitel 5
Der Krieg um Frieden, Teil 1
10. November 2425
USS Ares NCC 100431
Am Rande von Sektor Eins Null Null Drei
Eisige Stille herrschte auf der Brücke. Sie stand damit im krassen Gegesantz zur schwülen Hitze, die sich in der Kommandozentrale breit gemacht gemacht hatte. Die Umweltkontrollen wurden zur Zeit nicht gewartet. Man hatte an Wichtigeres zu denken. Der Hauptbildschirm, den zu deaktivieren ein kleiner Tick Captain Sarah Trats war, zeigte das charakteristische Vorbeiziehen von linienartigen Sternen eines Warptransfers. Chief Badors Einschätzung bezüglich der maximal möglichen Triebwerksbelastung war ein wenig zu optimistisch ausgefallen. Schon nach einem Tag hatte sich die Steuerbordwarpgondel mit lautem Krachen aus dem aktiven Dienst verabschiedet. Der sonst so fröhliche Bolianer, selbst mit Problemen familiärer Art belastet, hatte drei weitere Stunden im Raumanzug verbringen dürfen. Wenig später hatte er das zweifelhafte Vergnügen, Captain Trat von der neuen maximalen Warpgeschwindigkeit zu berichten. Warp 9 der neuen Skala. Das bedeutete einen zusätzlichen notwendigen Tag für die Reise.
Schlimmer noch: die Ares war jetzt nicht mehr schneller als die Schiffe der Sternenflotte, die sie verfolgten, denn Warp 9 war ein Fixwert in der Umrechnung zwischen alter und neuer Skala und war bei beiden gleich. Commander Seth hatte errechnet, dass das nächste Schiff, die USS Yokohama, die Ares in spätestens zwölf Stunden eingeholt hätte.
Wäre sie nicht plötzlich abgedreht. Der Captain der Yokohama gab auf einem öffentlichen Kanal einen Notruf aus, in dem um Hilfe bei Triebwerksproblemen gebeten wurde. Die „Piratencrew“ (ein Insider, der sich von Deck 17 aus ausgebreitet hatte) glaubte an einen glücklichen Zufall.
Noch immer war es ruhig auf der Brücke. Die einzigen Geräusche stammten entweder vom Schiff selbst oder von Lieutenant Etkins. Seine dunkle Haut, besonders an den spitzen Ohren und der gefurchten Stirn, war voller Schweißperlen, die sich in regelmäßigen Abständen lösten und großteils auf die Primäruniform fielen, die er trug. Die Offiziersjacke, fleckig, klitschnass und voller Falten, auf der Rücklehne seines Stuhls, den er aus Gründen der Bequemlichkeit ein wenig modifiziert hatte. Die Lehne ragte nun ein wenig aufrechter empor.
Etkins hatte, von Captain Trat und dem ewig beschäftigten Bador vielleicht mal abgesehen, die meisten Überstunden gemacht. Besonders jetzt, wo der Eintritt ins Olgar System nur noch wenige Stunden entfernt war, blieb er ohne Pause auf Station. Selbst Doktor Rotal konnte nur mutmaßen, wie lange der Pilot diesen Schlafentzug noch aushalten würde.
Das Chronometer zeigte exaxt 12 Uhr 43, als Commander Seth verkündete: „Die Jugoslavia und die Mariner haben soeben die Verfolgung abgebrochen.“
Die Sicherheitsoffizierin strich sich durch die kurzen, feuchten Haarsträhnen. Captain Trat sah zu ihr hinüber und machte sich Sorgen. Seths Gesicht war blass, ihre Wangen ein wenig eingefallen. Ihre Offiziersjacke lag nicht mehr so eng an wie früher. Im Gegensatz zu ihrer üblichen Gewohnheit saß Lucia auf einem hohen Sessel. Sarah fragte sich unwillkürlich, wann Seth wohl das letzte Mal eine Mahlzeit zu sich genommen hatte.
Sarah wusste in etwa, was sie durchmachte. Wie sie selbst hatte Seth gerade ihren Ehemann verloren – zumindest war die Station, auf der er mit dem gemeinsamen Sohn gewohnt hatte, völlig zerstört worden. Doch trotz aller Bedenken bezüglich Gesundheit und Moral der Mannschaft – dies war kein Sonntagsausflug.
„Grund?“
„Beide melden einen Notruf in ihrem Sektor und haben darum gebeten, ihm nach zu gehen. Der Bitte wurde entsprochen.“
Sarah strich sich mit der einen Hand über die Lippen. Sie waren spröde, wie sie bemerkte.
„Mir kommt das alles sehr merkwürdig vor, Commander.“
„Es könnte eine Falle sein“, gab Flight Officer Commander Andrew „Griff“ Gribeth zu bedenken. „Oder einfach nur Zufall.“
Erneut piepte es an Seths Konsole. „Die USS Denve'ur meldet Maschinenversagen.“
Sarah stand auf und ging mit zügigen Schritten auf die sekundäre wissenschaftliche Konsole zu. „Zuerst die Yokohama, dann die Jugoslavia, die Mariner und jetzt die Denve'ur?“
„Sie haben recht. Zufall ist das keiner.“
Sarah aktivierte den Holoschirm und ließ sich eine Darstellung aller verfolgenden Starfleetschiffe geben. Die vier weggefallenen Schiffe ließ sie zunächst aus der Darstellung entfernen. Commander Seth beugte sich zur Captain hinüber; die sekundäre Wissenschaftliche lag direkt neben der primären Taktischen.
„Sehen Sie es auch?“, fragte Seth ungläubig.
„Ja. Aber ich kann es nicht glauben.“
Die beiden Frauen sahen sich an.
„Griff, bitte scannen Sie die Koordinaten der vier Schiffe, welche die Verfolgung abgebrochen haben.“
„Aye, Ma'am. Scanne jetzt.“
Der Vorgang dauerte nur wenige Sekunden lang. Die Konsole gab ihre fast niedlichen Piep- und Gurrlaute von sich. Sarah betrachtete immer noch das Holo, als Andrew meldete: „Sie entfernen sich mit hohen Geschwindigkeiten von ihren alten Kursen. Der... der Raumbereich, in dem sie vorher nach uns gesucht haben, ist jetzt... leer, Captain. Völlig leer!“
„Dann haben die sicher eine Falle aufgestellt“, mutmaßte Trat und nahm einen eigenen Scan vor. „Die können doch nicht....“
„Die können doch nicht was?“, fragte Andrew. Er schien weder seinen noch den Messinstrumenten der Captain zu trauen. Das war aber auch nicht all zu sehr verwunderlich; Jagdpiloten neigten dazu, eher visuell zu arbeiten.
„Sie verschaffen uns einen Korridor. Hier.“
Seth rief eine Darstellung auf dem taktischen Begleitschirm ab. Sie zeigte in etwa das selbe Bild wie die sekundäre Wissenschaftliche: ein Raumgebiet, in dem sich vier rot blinkende Punkte schnell von einander weg bewegten. Sie unterschieden sich damit deutlich von den zwei Dutzend grauen Punkten, die mit gleichmäßiger Geschwindigkeit ein weitläufiges Kugelmuster um die Ares herum bildeten. Ein jeder anderer Kurs als der nach Olgar Prime hätte das Schiff innerhalb weniger Minuten in Sensorreichweite der Verfolger gebracht.
„Wenn wir auf diesem Kurs bleiben durchstoßen wir das Netz in weniger als dreißig Minuten“, verkündete Etkins.
Trat schaltete ihren Holoschirm ab und nahm wieder im Captain's Chair Platz. Nachdenklich begutachtete sie, was das kleine Taktische Darstellungsgerät ihr zeigte.
„Ihr Vorschlag, Commander?“, wandte sie sich dann an Seth.
„Auf Kurs bleiben und...“
„Und?“
„Sir, die Saratoga hat jegliche Kommunikation mit der Sternenflotte gestoppt und ihre Hauptenergie abgeschaltet. Die Eisenherz hat sich abgemeldet und fliegt nachsehen...“
„Überdeutlicher geht's nicht“, kommentierte Etkins und wieß damit auf die Tatsache hin, dass die beiden Raumschiffe die einzigen gewesen wären, welche die Ares beim Passieren des Korridors zwar nicht eingeholt, wohl aber geortet hätten – wenn sie auf Position geblieben wären.
„Mister Etkins, ich glaube die nächsten Flugstunden werden einigermaßen ruhig werden. Nehmen Sie sich zwei Stunden frei und besuchen den Onkel Doktor. Ich brauche Sie in ausgeruhtem Zustand, wenn wir ankommen.“
„Das war sicher eine von diesen <Ich bin Ihr Freund und weise Sie nur darauf hin>-Bitten, oder?“
„Nein, Mister Etkins, das war ein <Ich bin Ihr kommandierender Offizier>-Befehl. Jetzt runter von meiner Brücke und ab ins Bett mit Ihnen.“
Die ersten Anzeichen kündigten sich um 3 Uhr nachmittags an. Commander Seth beobachtete angestrengt die holografischen Elemente ihrer Konsole. Ihre Augen fixierten einzelne Punkte; Seth nahm dann am Rande ihres Sichtfeldes Dinge war, die einem allgemeinen Blick entgangen wären. Doch zur Zeit sah sie nur Sterne, zwei Kometen und drei kleine Raumschiffe, die sich mit Warp 2 (Alte Skala) fortbewegten und wahrscheinlich Frachter waren.
Dann teilten sich zischend die Schotts und ließen den ehemaligen High General Jebek auf die Brücke. Sofort sank die mentale Temperatur im Raum um mindestens zwanzig Grad. Etkins, der seit wenigen Minuten wieder auf Station war, grunzte vielsagend. Captain Trat nickte dem Z'Sordo zu, stand aber nicht von ihremStuhl auf – ein deutliches Zeichen dafür, dass sie wusste, dass sie den General brauchten. Mehr aber auch nicht. Commander Seth warf ihm einen wirklich gemeinen Blick zu – der General erwiederte den Blick ebenso starr, jedoch ausdruckslos – und schenkte ihre Aufmerksamkeit dann wieder ihren Instrumenten.
Und erstarrte.
„Captain“, sagte sie ausdruckslos. „da ist eine Raumanomalie.“
„Eine Anomalie?“, fragte Trat und eilte zu Seth. „Wo?“
„Direkt neben uns an Steuerbord. Könnte eine romulanische Tarnvorrichtung sein.“
„Griff, können Sie das bestätigen?“
Andrew Gribeth, der gerade noch herzhaft gegähnt hatte, beugte sich über seine Konsole. „Die Daten stimmen nicht ganz überein. Muss was neues sein....... aha. Wir werden gerufen, Captain.“
„Auf den Schirm. Mal sehen, was wir da...“
Die Darstellung des Hauptbildschirms wechselte und zeigte für eine Sekunde das Starfleetemblem. Dann schaltete er um und...
„Hier spricht Captain Sonya Hunt. Ich rufe das Raumschiff Ares.“
Sarah Trat richtete sich zu voller Größe auf. Sie griff nach ihrer Offiziersjacke, streifte sie über und verschränkte die Hände auf dem Rücken.
„Wir werden uns nicht einfach so ergeben, Captain.“, sagte sie und gab Seth versteckte Handzeichen: Schilde hoch; Rotalarm. „Wir haben uns für unsere Handlungsweise entschieden und bleiben dabei. Ihre Falle wird nicht so leicht zuschnappen, wie Sie es gerne hätten.“
Die Frau, deren schmales Gesicht auf dem Hauptschirm lächelte, war jung, nicht älter als dreißig, wenn Seth sie richtig einschätzte. Damit war sie unverhältnismäßig jung für ein eigenes Kommando. Sie trug ihre dunklen Haare offen und recht lang. Captain Hunts grüne Augen sahen Sarah Trat ehrlich, doch durchdringend an.
„Hier liegt wohl ein Missverständnis vor. Wir sind keineswegs hier, um Sie an irgend etwas zu hindern, Captain. Wir werden Sie unterstützen.“
„Ach“, machte Trat und gab Seth das Bereitschaft-Zeichen. „Und wer ist wir?“
„Wir“, sagte Captain Hunt und vollführte eine all umfassende Geste, „sind die Crew des Raumschiffs Enterprise. NCC 1701-H.“
Woraufhin sich an Steuerbord ein Raumschiff enttarnte. Ein majestätisches Schiff von gigantischen Ausmaßen. Fast achthundert Meter lang, vom Bug bis zum Ende der beiden längeren Warpgondeln an Backbord und Steuerbord. Mehr als fünfhundert Meter breit. Es erinnerte an einen Mantarochen, an dessen Flanken man breite, jedoch gleichzeitig filigrane Schwingen angebracht hatte. Der „Rücken“ enthielt zwei dickliche, langgezogene Warpgondeln, die zur Hälfte im Rumpf versenkt waren.
„Das ist also die neue Enterprise“, murmelte Andrew Gribeth. Etkins hauchte ein unhörbares „Wow“ aus. Und Sarah Trat brach innerlich fast in Tränen des Glücks aus.
„Wir können jede Hilfe brauchen, die wir kriegen können.“, sagte sie.
„Willkommen an Bord der Ares!“
Sarah Trat stand vor der Transporterplattform im entsprechenden Raum auf Deck 3. Sie trug ihre Galauniform, die sich stark an die Varianten der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts orientierten. Neben ihr, an der Konsole, macht Bador eine Handbewegung irgendwo zwischen salutieren und Zerren am viel zu engen Kragen. Commander Seth stand am Eingangsschott und pustete in ein elektronisches Pfeifchen. Sie hatte auf Galauniform verzichtet. Die Deckenlampen flammten etwas heller auf als sonst.
Auf der Plattform erwiederten zwei Personen Badors Salut.
Die eine war ein älterer Klingone. Er trug eine Standartuniform mit den Rangbalken eines Commanders. Zusätzlich war sein Abzeichen mit den flügelartigen Zusätzen eines Flight Officers versehen. Sarah, die sich mit Klingonen nicht all zu sehr auskannte, schätzte den Mann mit der Glatze auf ein Alter zwischen achtzig und hundertzehn. Zackig nahm der Klingone, der seine Begleiterin um fast zwei Köfpe überragte, die Hand wieder herunter.
Neben ihm stand Captain Sonya Hunt und gab ein viel lässigeres salutieren zum Besten. Sie war etwa eins achtzig hoch, wobei ihre dunklen braunen Haare mindestens einen halben Meter lang waren. Irgendwo in Schulterhöhe änderten sie ihre Farbe und zeugten von einer Haarverlängerung. Grüne Augen blitzten freundlich, aber wachsam und verschlagen unter dünnen, geschwungenen Brauen, in einem fein geschnittenen Gesicht. Sie trug keine Standartuniform; ihre Uniformjacke war nicht weiß, wie es ab dem Rang des Captains üblich war, sondern dunkelrot. Schmale, balkenartige Schmuckknöpfe säumten die Lücke, welche sich vor ihrer schmalen Brust auftat (Standartuniformjacken besitzen weder Knöpfe noch Reißverschlüsse und orientieren sich an den Galauniformen des späten 24. Jahrhunderts; Anmerkung des Autors!). Vollendet wurde das merkwürdige Outfit durch aufgeschlagene Hosenbeine, Stiefel mit Absatz – und einem Waffengürtel. Captain Hunt trug einen Typ 2 Handphaser im Holster sowie ein Typ 16 Phasergewehr in einem anderen. Würdevoll stieg sie die beiden Stufen hinab und reichte Captain Trat die Hand zum informellen Gruß.
„Danke Captain.“ Sie schnüffelte kurz in der Luft. „Ich muss gestehen: Ihr Schiff riecht nicht mehr so neu wie das meine.“
„Die Ares hat viel durchgemacht in der kurzen Zeit Ihres aktiven Dienstes.“
„Ja. Genau dieses Thema muss ich mit Ihnen besprechen.“
„Richtig. Ich habe eine Besprechung einberufen. Meine Offiziere warten bereits.“
„Bleiben Sie sitzen, Herrschaften. Darf ich Ihnen Captain Sonya Hunt vorstellen?“
Captain Trat hielt mit zielstrebigen Schritten auf den Captain's Chair am Ende des Konferenztisches zu. Alle Führungsoffiziere waren anwesend. Der Platz von Commander Takeruci, der rechts vor dem Captain, wurde von Jebek eingenommen, der finster dreinblickte. Linkerhand war ein Stuhl für Captain Hunt reserviert worden. Diese setzte sich, freundlich in die Runde nickend, an den für sie vorgesehenen Platz. Durch das Fenster in ihrem Rücken hätte ein weniger interessierter Zuhörer einen beeindruckenden Ausblick auf das Raumschiff Enterprise gehabt. Majestätisch und einfach nur schön hing es im All, einen schillernden Nebel voller Gold und Orange hinter sich. Die beiden größeren Warpgondeln waren dunkel und inaktiv. Nur die beiden im Rumpf versenkten „Stummelchen“ glühten in einem intensiven blau und zeugten von Bereitschaft.
„Wenn ich Ihnen zuerst meinen Ersten Offizier vorstellen dürfte... Flight Officer Kalaß.“
Der Klingone, hinter Hunt stehend und die Führungsoffiziere der Ares einen nach dem anderen musternd, verschränkte die Hände vor der tonnenförmigen Brust. Nur bei Griff zog er eine Braue in die Höhe. Er lachte und murmelte irgend eine klingonische Begrüßung. Zur allgemeinen Verwunderung antwortete Gribeth auf Klingonisch. Beide wechselten den traditionellen Gruß der Jagdpiloten – ein Salutieren mit der linken Hand mit einem abschließenden Zeigen auf die andere Person.
„Und nun zu unserer Mission.“, setzte Trat an.
„Unsere Mission?“, fragte Griff und setzte ein erwartungsvolles Gesicht auf.
„Unsere Mission. Starfleet weiß von Ihrem Plan. Und Sie haben unsere volle Unterstützung.“
„Sind deswegen die ganzen Schiffe aus dem Muster ausgebrochen?“, fragte J'Kolan, die ihre Logbücher gecheckt und entdeckt hatte, dass in der letzten halben Stunde zehn weitere Einheiten das Suchnetz verlassen hatten, manche unter Angabe von fadenscheinigen bis lächerlichen Gründen. Andere hatten überhaupt keine angegeben.
„Ja. Ausserdem hat Admiral Chekov ein generelles Maschinenversagen infolge eines Tachyonensturms im Typhonsektor angeordnet.“
Captain Hunt schenkte der Besatzung der Ares ein breites Lächeln. „Die Romulaner haben darauf bestanden, nicht ohne föderierte Unterstützung in den Kampf zu ziehen. Wahrscheinlich bringt uns diese Taktik einen ganzen Tag mehr für die Arbeiten.“
„Arbeiten?“, fragte Bador und runzelte verwirrt die Stirn. Ihm gefiel der Wortklang nicht. Er hatte genug Arbeit.
„Captain Hunt wird uns mit einer Tarnvorrichtung ausstatten.“, erklärte Trat.
„Das stimmt. Commander Kalaß hat unsere beiden Einheiten von der Klingonischen Heimatwelt mitgebracht bevor sie angegriffen wurde. Sie stellen die am höchsten entwickelten Tarnsysteme dar, die wir haben.“
„Äh, Captain, Ma'am, also, so ganz toll ist diese Tarnung nicht... Wir haben Sie schließlich auch schon vor dem Enttarnen gesehen.“
„Ja, weil wir es wollten. Die neuen Aparate enthalten eine Art Schleichfahrtmodus. Der frisst eine Menge Energie und lässt höchstens Warp 3 zu, aber dafür ist die Tarnung absolut perfekt.“
„Das glaub ich erst, wenn ich sehe.“, sagte Bador. Nachdenklich fügte er hinzu: „Oder eben nicht...“
Flight Officer Kalaß knurrte Bador an. „Sie behaupten also, mein Captain lügt?“ Seine Stimme klang, als käme sie aus einem schlecht modulierten Lautsprecher, der irgendwo auf Deck 17 stand.
„Ich sage nur, dass keine Tarnung perfekt ist. Irgendwann wird jemand ein Muster entdecken. Oder eine Emission, die wir nicht finden können, oder...“
„Glücklicherweise benötigen wir die Tarnung nur, um unbeschadet ins Olgar System zu gelangen. Danach müssen wir uns auf die Diplomatie verlassen. Wie auch immer, Commander...“
„Bador. Nennen Sie mich Chief.“
„...Commander Bador, meine Leute beamen soeben den zweiten Prototypen an Bord.“
Bador lehnte sich zurück und rieb sich die Hände. „Soviel zum Thema Feierabend...“
Sarah zog es vor, nicht zu grinsen. „Captain, was haben Sie sich unter Ihrer Hilfe vorgestellt? Es ist ja reizend, dass Starfleet uns das neue Flaggschiff mitschickt, aber wenn ein Schiff nicht schafft, was wir vorhaben, dann bringen wir ein zweites nur in Gefahr.“
„Das hat sich Starfleet Command auch gedacht. Wir werden getarnt bleiben und uns erst zu erkennen geben, wenn es wirklich notwendig ist.“
Einige Führungsoffiziere nickten. Auch Sarah war zufrieden. Die versteckte Botschaft dahinter lautete: <Nein, das Flaggschiff der Sternenflotte wird Ihnen nicht das Kommando entziehen und so tun, als wäre das alles eine von der Föderation geplante Friedensmission.>
Die Konferenz dauerte noch etwas über einer Stunde an, während der sich Bador irgendwann absetzte und sich den neuen Geräten zuwandte. Etkins, der seinen Bericht recht früh abgab und demnach nur noch der Form halber am Tisch saß, sah immer wieder verstohlen auf das Raumschiff hinter dem Fenster. Seltsam. Achthundert Meter lang... und kein Bisschen klobig.
In der Tat war Lieutenant Etkins nicht der einzige, der das neue Raumschiff Enterprise durch eines der vielen Sichtfenster der Ares bewunderte. In Kriegszeiten kam es oft vor, dass Flaggschiffe die ungefähre Lebenserwartung einer Eintagsfliege hatten. Die Enterprise - F zum Beispiel, in Dienst gestellt im Jahr 2395, wurde nur drei Jahre später bei der Verteidigung der Erde während des Dominionaufstandes zusammengeschossen. Langezeit als irreparabel beschädigt abgetan trieb sie fünf Wochen lang im trümmerverseuchten Orbit des Planeten bevor Hilfsschiffe sie ins Trockendock zogen. Bis 2415, in dem die Enterprise – F während eines frühen Gefechts mit den Romulanern zerstört wurde, lag sie (alle Aufenthalte zusammengezählt) fünf Jahre lang in Docks und wurde dabei drei Mal von Grund auf überholt. 2411 musste der gesamte Rahmen der Primärhülle ausgetauscht werden, weshalb auf der Brücke zwei Plaketten hingen: das Original von der Enterprise und eine Gedenkplatte für die USS Discovery, deren Antribessektion im Jahr zuvor bei einem Crash zerstört wurde.
Die neue Enterprise – H wurde direkt von der Mc Kinley Erdstation zur Ares geschickt. Sie hieß ursprünglich USS Commonwealth und war das Prototypschiff der gleichnahmigen, bahnbrechenden neuen Schiffsklasse, die anders als viele andere Schiffe dieser Zeit nicht ausschließlich für den Krieg, sondern besonders für die Forschung produziert wurde. Es ging der Witz, Starfleets Designer wären all zu große Optimisten, was den Ausgang eines Krieges anging, der ohne den Z'Sordo Zwischenfall längst verloren gewesen wäre.
Mit einer Länge von 800 Metern bewieß die Enterprise Mut, war man doch vor langer Zeit dazu über gegangen, eher kleine Schiffe zu bauen. Somit war die Enterprise, von den antiken Schiffen der Bluewale-Klasse abgesehen, das größte Raumschiff, das die Föderation je in Auftrag gestellt und dann auch tatsächlich realisiert hatte. Die Flügelspannweite der Warpgondel Pylonen betrug an der breitesten Stelle ganze 535 Meter – die Ares war mit ihren 400 Metern Länge geradezu ein Zwerg verglichen mit der Enterprise.
„Wie sieht Ihre Bewaffnung aus, Captain?“, warf Lucia nach einiger Zeit ein. „Unsere Scanner können Ihre Panzerung nicht durchdringen.“
„Unsere Bewaffnung...“, murmelte Hunt und rutschte auf ihrem Stuhl herum. Kalaß lachte unglücklich. „Unser Schiff hat genau fünf Phaserbänke der Klasse 10 und zwei Torpedobänke am Bug sowie drei am Heck und an der Seite. Die Enterprise ist zu ihrem Schutz voll und ganz auf unsere drei Jagdgeschwader angewiesen.“
„Drei?“, fragte Griff. „Uns hat man eines wegrationalisiert weil die Jäger keinen merkbaren Schaden an Z'Sordo Schiffen anrichten.“
„Kalaß hat nicht erwähnt, dass die Enterprise über drei Hangare verfügt, von denen jeder einzelne drei Kampfstaffeln mit sich führen könnte. Wir sind von den Sparmaßnahmen genauso betroffen wie jedes andere Schiff der Flotte.“
Sie richtete sich auf. „Allerdings hat man uns ein paar Spielzeuge mitgegeben. Insgesamt elf Deflektortorpedos, die wir brüderlich mit Ihnen teilen werden.“
Seths Augen bekamen einen feuchten Glanz. „Das wäre... unglaublich...“
„Der Commander wollte damit wohl darauf hinweisen, dass unser Vorrat auf zwei Einheiten abgespeckt wurde“, half Trat aus. „Ich sehe schon, wir werden viel zu tun haben. Kehren Sie auf Ihr Schiff zurück, Captain Hunt, und bereiten Sie Ihre Crew vor. So oder so – wir starten morgen um Punkt 1200. Ist das alles? Gut. Wegtreten.“
11. November 2425
USS Enterprise NCC 1701 - H
Am Rande von Sektor Eins Null Null Drei
Captain Hunt stand immer mal wieder gerne in der Aussichtslounge des Decks 3 und sah den Sternen beim Vorbeiziehen zu. Das Licht, das sie dabei sah, war teilweise älter als ihre Heimatwelt. Die Sterne hatten Zeit. Niemand drängte sie. Sie hetzten sich nicht ab – auch, wenn sie atemberaubender Geschwindigkeit um den Mittelpunkt der Galaxis kreisten, welche selbst den Mittelpunkt des Universums umrundete. Sie schienen stationär. Und Sonya Hunt fand das einen beruhigenden Gedanken.
Sie musste sich nicht umdrehen um zu wissen, wer durch das Schott den Raum betrat. Es zischte, und sie hörte die schweren Schritte weniger, als dass sie sie fühlte. Kalaß blieb hinter ihr stehen und wartete. Sonya brauchte eine Minute, um sich vom Anblick der Gestirne zu lösen. Dann wandte sie sich ihrem Ersten Offizier zu. „Was gibt es?“
„Alle Decks melden Bereitschaft. Der Abflug kann wie geplant stattfinden.“
Der Klingone trug, im Gegensatz zu anderen Artgenossen im Dienste der Sternenflotte, keine Schärpe. Darum wirkte er in seiner Uniform ein wenig deplaziert. Er überreichte Hunt ein Datapad mit allen wichtigen Informationen bezüglich der bevorstehenden Mission.
„Gut.“
Kalaß verließ nicht den Raum.
„Kann ich noch was für Sie tun?“, fragte Hunt.
„Captain. Ich finde unser Vorhaben... unehrenhaft.“
„Was bitte kann daran unehrenhaft sein?“
„Wir verschweigen es ihnen. Das allein genügt.“
„Mister Kalaß! Die Crew der Ares hat ihren Entschluss gefasst, und wir den unseren. Der Plan steht; Sie hatten Ihre Chance, Einwand zu erheben.“
„Ich dachte zu der Zeit, wir täten das Richtige.“
„Das tun wir. Glauben Sie mir. Captain Trat wird das verstehen.“
„Und wenn nicht?“
„Wenn wir es vermeiden können, muss niemand etwas davon erfahren. Nun, und wenn es doch notwendig wird... dann kann es uns egal sein.“
„Ich möchte im Nachhinein einen Protest anmelden.“
„Verstanden. Wird in Ihrer Akte vermerkt Commander.“
Der Klingone zeigte ihr ein höfliches Zähnebläcken. „Ob ich es richtig finde oder nicht – ich folge Ihren Befehlen. Vergessen Sie das nicht, Captain.“
„Das weiß ich, Kalaß. Auf Sie kann ich mich immer verlassen.“
„Heute ist ein guter Tag zum sterben“, sagte er, grinste humorlos und verließ den Raum.
Hunt wandte sich wieder den Sternen zu, die hinter dem Kraftfeld im unendlichen Raum des Alls hingen.
„Wir sehen uns in Stovokor.“, murmelte sie und teilte die geheimen Gedanken hinter diesen Worten mit niemandem.
11. November 2425
USS Ares NCC 100431
Am Rande von Sektor Eins Null Null Drei
Um genau 12 Uhr gab Captain Trat den alles entscheidenden Befehl:
„Taktik: Schiff tarnen. Mister Etkins: Energie.“
Sofort kamen Seth und Etkins Trats Wünschen nach und gaben die Anweisungen in den Computer ein.
Augenblicklich fluchte jemand an der sekundären Taktischen – ein Crewman von der Enterprise, dem Vernehmen nach – und meldete sich mit leichten Brandverletzungen ab. Das Licht auf der Brücke erlosch, nur um gleich wieder zu kehren. Die Sterne, auf dem Hauptbildschirm zu sehen, zogen sich in die Länge und begannen, an der Ares vorbei zu kriechen – Warp 3 war eine geradezu lächerliche Geschwindigkeit. Der Weg nach Olgar Prime würde mindestens dreißig Minuten dauern – man wagte nicht, all zu nahe am System Halt zu machen. Mit Sicherheit waren die beiden Sternenflottenschiffe die ganze Zeit über auf den Langstreckensensoren der Z'Sordo gewesen – und jetzt, wie Sarah hoffte, unsichtbar.
Fünfzehn Minuten lang passierte gar nichts. Die Tarnvorrichtung verschlang in der Tat satte fünfzig Prozent der Hauptenergie. Trat ließ die Lebenserhaltung auf den Decks 15 und 11 abschalten, weil sich dort niemand aufhielt – von drei weißen Mäusen abgesehen, aber das gehört echt nicht hier her.
Um 12 Uhr 16 meldete Commander Seth Feindkontakt.
„Es sind drei Raumschiffe, Captain“, meldete sie. „Zwei Warbirds und ein Schiff unbekannter Herkunft von ähnlicher Größe.“
In den nächsten Augenblicken hielten nicht wenige Brückenoffiziere den Atem an – die einzige Ausnahme stellte Flight Officer Lieutenant LakZ`Zu von der Enterprise dar, der nahe der sekundären wissenschaftlichen Station auf seinem Repulsorkissen schwebte und das Wasser in seinem Stasisfeld gierig einsog, um nicht zu ersticken.
Bald gab Seth die Entwarnung. Die feindliche Patroille flog ihr Suchmuster ohne Änderung weiter und hatte die zwei getarnten Starfleet Einheiten nicht bemerkt. Von weit höherer Warpgeschwindigkeit getragen verschwand das Trio schnell wieder aus dem Erfassungsbereich der Sensoren.
„Schätze mal, die Tarnung funktioniert“, stellte Etkins überflüssigerweise fest. Die nächsten fünf Minuten vergingen ohne Zwischenfall. Etkins bat Lieutenant Valeria immer wieder um die aktuellsten Nav Daten der Enterprise – die Piloten beider Schiffe hatten sich zuvor auf einen komplizierten, schwer zu folgenden Kurs geeinigt und sich gegenseitig Zeitdaten und gekoppelte Koordinaten geschickt. Der kleine „Test“ mit den drei Patroillen war eigentlich unnötig gewesen – obwohl die Ares keine hundert Kilometer von der Enterprise entfernt war, konnten die Sensoren kein Anzeichen des befreundeten Schiffes feststellen.
„Die Z'Sordo Heimatflotte kommt nun in Sensorenreichweite“, meldete Commander Seth. General Jebek, im Sitz des Ersten Offiziers festgeschnallt, hob seinen Kopf und sah zum Hauptschirm. Der Taktikschirm daneben wechselte auf eineDarstellung der Heimatflotte um.
„Oh nein.“
OH NEIN war zwar der einzige Kommentar, der in diesem Augenblick geäussert wurde, aber auch der einzig treffende. Das Hologramm zeigte nicht wie erwartet einen Ansammlung von vielleicht dreihundert Raumschiffen.
„Bericht, Lucia!“, bellte Sarah und merkte erst jetzt, dass sich ihre Finger um das Metallgeländer verkrampft hatten, das den Kommandobereich von der Taktik trennte. Ohne ihr Wissen war sie aus ihrem Sessel aufgesprungen.
„Die Sensoren zählen eine Flotte, die sich über das ganze Sonnensystem erstreckt, Captain. Wir sind nicht nahe genug, um alle zählen zu können. Sie ballen sich an strategischen Punkten, es.... Sir, das sind mindestens achthundert Einheiten. Rechnen Sie mit aber eher mit tausend.“
„Hauptsächlich Frachter der Regentschafts-Klasse.“, meldete sich Jebek zu Wort. Er stand keinen Meter vor dem Taktikschirm und nahm die kleinen Abbildungen unter die Lupe. „Allesamt auf Verteidigung umgebaut. Kaum Offensivwaffen, aber die Schutzschilde haben eine ähnliche Wirkung wie der Torpedo, mit dem Sie meine Flotte ausradiert haben.“
„Deflektortorpedos“, murmelte Seth nachdenklich. Sarah rechnete fast damit, dass Lucia gleich alle ihre Def-Tor's laden und abfeuern würde. Doch die Sicherheitschefin hatte nur Augen für ihre Sensoren und blieb ruhig sitzen.
„Wie erklären Sie sich das verstärkte Schiffsaufgebot?“, fragte Sarah scharf und an den Z'Sordo gewandt. In seinen früheren Aussagen war immer nur von höchstens dreihundert schwach gepanzerten Zivilschiffen die Rede gewesen.
Jebek antwortete nicht gleich. Statt dessen gab er dem Computer den Befehl, visuelle Daten zu liefern. Trat überkam ein ungutes Gefühl – sie zweifelte plötzlich an ihrer Entscheidung, Jebek – wenn auch nur geringfügigen – Computer Zugang zu gewähren.
Dann erschien die Flotte auf dem Schirm, in maximaler Vergrößerung.
Blicke wurden ausgetauscht. Flüche wurden gemurmelt. Irgendwer gluckste – vermutlich LakZ`Zu, bei dessen Spezies das traditionelle Glucksen in Gefahrensituationen als Glücksbringer galt.
Und das konnten sie gebrauchen.
Sarah sah dutzende eiförmige Raumer mit netzartigen Aufbauten. Riesige Schwingen von hunderten Metern Länge ragten aus den Aussenhäuten und beherrbergten dem Anschein nach Waffen und Schildgeneratoren. Allein mit bloßem Auge zählte Sarah etwa fünfzig von ihnen.
Was ihr wirklich Sorgen bereitete war die hohe Anzahl an offensichtlich gekaperten Föderationsraumschiffen. Zwei Akira-Einheiten zogen gerade hinter einem Ei-Frachter vorbei und entfernten sich aus dem Darstellungsbereich, und Commader Seth zählte weit mehr als nur ein Schiff der alten Sabre-Klasse. Dazu kamen diverse Warbirds, klingonische Bird-of-Preys und andere, weniger bekannte Vehikel, die der Computer einzuordnen vermochte. Flight Officer Andrew Gribeth drückte es in diesem Augenblick so aus: „Captain, wir sind echt im Arsch.“
„Ich bin geneigt, Ihnen recht zu geben.“
In dem Moment zischten die Turbolift Türen und entließen Chief Bador auf die Brücke. Der Bolianer marschierte mit langen Schritten auf die Sekundäre Technische Station zu und sagte: „Bis jetzt ist mit der Tarnung alles in Ordnung. Am Anfang hat's ein bisschen gefunkt, aber wenn man davon absieht dass das Teil eien Menge Energie...“
Weiter kam er nicht. Als Sarah sich zu ihm umdrehte sah sie ihn den Hauptschirm anstarren, der Mund offen, die Augen eine Grimasse des Entsetzens. Sein Werkzeugkoffer, zuvor um die Schulter geschlungen, wand sich aus seinem gelockerten Griff und fiel olternd auf den Boden.
„Hab ich was nicht mitgekriegt?“
11. November 2425
USS Enterprise NCC 1701 – H
Im Olgar System
Im Kommandozentrum der USS Enterprise ging es hektischer zu. Offiziere riefen sich gegenseitig Daten zu. Der Pilot korrigierte nahezu in Sekundentakt den Kurs und hoffte, dass sein Kollege auf der Ares es ihm gleich tun würde. Commander Kalaß saß in seinem Stuhl linkerhand der Captain und übermittelte seinen Piloten diverse Befehle. Captain Sonya Hunt saß ruhig in ihrem Sessel und thronte über dem geordneten Chaos, das sich auf ihrer Brücke breit gemacht hatte. Die Enterprise OPS war etwa doppelt so groß wie die der Ares und dementstprechend großzügiger besetzt. Es wimmelte geradezu von Lieutenants und Lieutenant Commanders, und wer sich auf dem Schiff nicht auskannte konnte beim Betreten der Brücke durchaus kurz innehalten und sich fragen, warum in aller Welt denn der Warpkern nicht an seinem angestammten Platz in der Mitte des Maschinenraums stand.
Captain Hunt sah gar nicht auf erst auf den Hauptschirm – sie kannte die Sensorscans schon und hielt sich nicht mit Angst auf. Ihre Befehle hallten durch die Gänge des Raumschiffs, dass zwei Züge MACOs mit sich führte.
Die Funktion der MACOs war in der Sternenflotte nicht unumstritten. Sie unterstanden nicht der Starfleet Command sondern direkt dem Föderationsrat, der die entsprechende zuständigkeit von den Erdstreitkräften geerbt hatte, nachdem die Armee der Vereinten Menschheit aufgelöst worden war. MACOs waren eigentlich das selbe wie Sicherheitsteams, nur, dass die Sicherheit an Bord eines Schiffes für alle möglichen (und unmöglichen) Events geschult wurde. Die MACOs waren reine Offensivkämpfer und – wie man hörte – nicht sehr anpassungsfähig, was wiederum eine nette Umschreibung für „dumm“ war.
Genau diese MACOs hatte man Sonya Hunt für diese Mission aufgezwungen. Niemand an Bord mochte die MACOs – niemand in der ganzen Sternenflotte mochte die MACOs. Aber der Rat hatte darauf bestanden. Befehl ist Befehl.
„Major Gunfree, machen Sie ihren Marines klar, dass ich Sie alle in Bereitschaft brauche. Brücke Ende. Captain an Maschinenraum. Bericht...... Danke. Brücke Ende. Hunt an Sicherheit. Waffen ausgeben.“ und so weiter.
Hunts zweiter Offizier Commander Benans sah von seiner Konsole hoch und meldete: „Hauptenergie bei fünfundachtzig Prozent, Ma'am.“
„Erklären Sie mir das.“, forderte Hunt und unterbrach kurzzeitig ihre Durchsagen.
„Ma'am, bei allem gebürenden Respekt – ich habe Sie gewarnt! Der Prototyp ist nicht auf unsere Systeme abgestimmt. Mit jeder Minute, die vergeht, benötigt er mehr und mehr Strom. In weniger als einer Stunde müssen wir sie abschalten, sonst fliegt uns der Kern um die Ohren.“
„Danke für diese blumige Ausdrucksweise, John. Mit etwas Glück brauchen wir keine Stunde mehr. Pilot?“
Der ak-Toria Ner an der Navigationskonsole schnaufte respektvoll und meldete: „Erreichen-Zielpunkt-in-sieben-Minuten.“
„Vielen Dank. Kalaß, begeben Sie sich zu Ihren Piloten.“
Captain Hunt sank wieder in ihren Stuhl und betätigte das Schaltelement, das den Sicherheitsbügel ausfahren ließ – ihre Offiziere taten es ihr gleich.
11. November 2425
USS Ares NCC 100431
Im Olgar System
„Erreichen Zielkoordinaten in dreißig Sekunden“, meldete Etkins. Sein schwitzender Zeigefinger schwebte über dem Button für Sublichtgeschwindigkeit.
„Auf halben Impuls gehen. Voller Stop bei Ankunft.“
„Aye, Ma'am, halber Impuls.... Voller Stop. Relativgeschwindigkeit Null.“
Zu sagen, die Ares hätte sich in die Höhle des Löwen vorgewagt, wäre eine freche Untertreibung gewesen. Die Lage sah etwa so aus: ohne Schutzschilde hing die Ares in einem Ballungsgebiet mit besonders vielen Feindschiffen um sich herum, hielt seine Position in nicht einmal einem Kilometer Entfernung von einem eiförmigen Raumschiff-Leviathan und konnte nur hoffen, dass die Enterprise neben ihr trieb – den Sensoren zufolge konnte das Partnerschiff durchaus auch ganz woanders oder während des Fluges entzwei gebrochen sein.
Captain Trat begab sich in den Transporterraum. Zusammen mit Jebek stieg sie die drei Stufen zur Transferplattform hinauf und verharrte dort. Bador stand an der Konsole und löste den Transporteroffizier ab, um die Prozedur persönlich vorzunehmen. Der Bolianer mied Sarahs Blick. Er hielt nicht viel von ihrer Idee und wäre sichtlich lieber mitgekommen. Sogar die leicht lethargische Lucia Seth hatte bei Trats Verlassen der Brücke versucht, ihrem vorgesetzten Offizier diesen Wahnsinn auszutreiben, um den Wortlaut zu zittieren. Doch Sarah Trat ließ sich nicht erweichen und vorschreiben ließ sie sich sowieso nie etwas. Ihr einziges Zugeständnis an ihre eigene Sicherheit stellten ein Typ 1 Phaser und ein Ort zu Ort Transferpin dar. Jebek hatte man seinen Disruptor zurück gegeben. Auch er trug einen Transporterpin.
Trat schnippte mit den Fingern. Daraufhin sah Bador doch noch einmal auf. Sarah lächelte ihn an: wird schon schief gehen.
Bador schüttelte den Kopf, jedoch nicht ohne verstohlen zu kichern. Dann klopfte Trat auf ihren Rangkommunikator.
„Captain an Brücke. Der Chief hat jetzt das Kommando. Lucia: enttarnen und Schilde hochfahren.“
Sarah atmete tief durch und legte Jebek die Hand auf die Schulter.
„Energie.“
11. November 2425
ZLAS Pride of Sordia
Im Olgar System
Die Welt um Captain Trat herum nahm allmählich wieder Gestalt an. Das vertraute Prickeln des Transportervorgangs verschwand. Die Captain nahm wieder Geräusche war, Schwingungen...
Sie fiel.
Das Deck unter ihren Stiefeln bebte hin und her. Sie fing sich mit der Hand an der Wand ab. Sie befand sich in einem kleinen Raum, extrem dunkel, mit Rauch gefüllt. In der Ecke war ein Gegenstand im Boden veranktert, der auf der Erde des 13ten Jahrhunderts als Klo durchgegangen wäre. Nebenbei – seit ungefähr der Zeit war dieser Thron nicht mehr geputzt worden.
„Also keine Putzservors auf Romulaner Schiffen. Wie interessant“, murmelte Sarah vor sich hin. Es war natürlich klar, dass dies hier nicht der Thronsaal des Diktators Elent war, dessen Koordinaten Jebek ihnen ebenso verraten hatte wie die Schildmodulation der Pride of Sordia. Ebenso klar war, dass sie alleine war. Noch jedenfalls.
Sie durchsuchte ihre Kleidung – alles an seinem Platz. Daher vermutete sie ein automatisches Sicherheitssystem.
Erneut zitterte das Schiff. Trat landete unsanft auf einem harten Bett, eher einer Holzplatte, unter dem sich besonders witzige Designer wohl eine Art Bett vorstellten. Das geht auf's Steißbein..., dachte sie, rieb sich die Stelle und zuckte zusammen. Unwillkürlich fragte sie sich, ob sie deswegen wirklich zu Rotal gehen würde.
„Captain!“
„?“
„CAPTAIN! Wo sind Sie?“
Die Stimme kam aus ihrem Kommunikator, wie Trat feststellte.
„Jebek? Sind Sie das?“
„Ja! Wo sind Sie?“
„Ich bin in einer Zelle, denke ich. Wo sind Sie?“
„Ich stehe vor meiner Zelle! Über der Tür gibt es eine Einbuchtung. Sehen Sie die?“
„Ich sehe hier nicht mal eine Tür.“
„Sie sind im VIP Trakt? Interessant. Mich haben sie in den Todestrakt gebeamt!“
„Wie sind Sie da rausgekommen?“
„Die denken immer noch ich wäre tod, Captain! Das waren automatische Systeme. Meine ehemaligen Kollegen waren so dumm, die Codes nicht zu ändern.“
„Gut... ha, Moment mal, da ist eine Konstruktion.“
„Sieht es aus wie ein Rahmen?“
„Ja.“
„Das ist die Tür. Darüber ist eine Einbuchtung. Betasten Sie sie und beschreiben Sie sie.“
Trat stand auf, zuckte dabei erneut zusammen und riss sich dann zusammen. Vier dünne, fast unsichtbare Balken verliefen in der Mitte der Wand gegenüber der Pritsche. Sie hatten die selbe Farbe wie das Metal und hoben sich optisch kaum von der Wand ab, jedoch waren sie aus einem nachgiebigen Material gefertigt, dessen Herkunft Trat gar nicht kennen mochte. Dann fand sie die kastenförmige Auslassung in der Wand und betastete den Boden.
„Ein Strich... horizontal. Eine Art Schwinge.. Ein Kreis.... Ein Fisch?“
„Zelle Nummer 2 43 5 90. Warten Sie auf mich. Ich bin gleich da.“
„Okay. Ich warte solange hier.“, sagte sie, aber Jebek hatte den Kanal schon geschlossen.
<<<wird fortgesetzt>>>
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