Nachdem ich dieses Teil nun seit ein paar Jahrhunderten auf meiner Festplatte gehortet habe, habe ich mich jetzt doch mal entschlossen, es in irgendeiner Weise zu veröffentlichen. *g* Jedenfalls ist das der Auftakt zu einer Serie, zu der ich schon seit Jahren die Idee in meinem Kopf habe, deren Ausführung ich jedoch immer weiter von mir weg geschoben habe. Und ich gebe hauptsächlich Dingen wie den eigenen Internet-Anschluß (insbesondere der Flatrate *grumpf*) die Schuld. *hust* Wie dem auch sei... Ich habe mir das was ich bis jetzt hatte, neulich ein wenig durchgesehen und noch ein, zwei Seiten angehängt.
Nun war endlich der Moment gekommen. Der Moment in dem er endgültig aufgab.
Dennis Reed liess den Kopf auf das Lenkrad seines Autos fallen und wollte der Verzweiflung seiner Seele freien Lauf lassen. Als er jedoch aus Versehen mit seiner Stirn die Hupe traf, richtete er ihn muffig wieder auf. Noch nicht mal in einem der traurigsten Momente seines Lebens war ihm volle Ruhe gegönnt.
Er blickte wieder durch die Frontscheibe seines Wagens und seufzte noch einmal.
Er war in den Graben gefahren, schön.
Kann ja jedem mal passieren. Wenn man die englischen Landstrassen Richtung Birmingham fährt, muß man schon damit rechnen, daß von irgendwoher aus dem Nichts plötzlich so ein dämliches Reh auftauchen kann, und meint in genau dem Moment über die Strasse laufen zu müssen, in dem ein Auto eben diese im höchsten Tempo zu benutzen gedenkt. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit zugegebenerweise doch recht niedrig war.
Natürlich war er ausgewichen! Als Greenpeace-Sympathisant war es seine absolute Pflicht es zu tun! Auch wenn er es als nicht solcher wohl ebenso getan hätte.
Weniger schön an der ganzen Sache war jedoch, daß er direkt in den Graben gefahren war.
Aus dem kam man nur schwer wieder heraus.
An den Schaden, der möglicherweise an seinem Wagen entstanden war, mochte er gar nicht erst denken.
Aber dem Reh ging es gut.
Wenigstens das.
Blödes Vieh.
Dennis' ausdruckslose Miene hatte sich nicht verändert.
Irgendwie war ihm nun alles egal.
Die ganzen letzten Tage war alles schief gegangen. Und mit dem Wörtchen "alles" war auch wirklich alles gemeint.
Zuerst hatte es mächtig Krach mit seiner Freundin gegeben, weil er nicht mit ihr auf die grosse Familienfeier ihrer Eltern gehen wollte. Schon die letzten beiden Male hatte er es dort als furchtbar empfunden. Mit ihrer Famlilie konnte er nicht so richtig und die Familie nicht mit ihm - erst recht nicht mit den Eltern. Daß er beim nächsten Mal nicht dabei sein wollte, hatte er Zoe zwar schon lange vorher angekündigt, aber jetzt wo die neue Feier kurz bevorstand, schien sie es offenbar völlig vergessen zu haben.
Sie hatten sich daraufhin so laut gezofft, daß die alte Frau von nebenan damit drohte die Polizei zu rufen.
Also waren sie leiser geworden.
Und Dennis vernünftig.
Auch wenn er sich ein paar Minuten später deswegen selbst verflucht hatte.
Halbherzig hatte er mit ihr den Koffer gepackt, um das gemeinsame Geschenk hatte Zoe sich selbst kümmern müssen. Der Haussegen hing nun irreparabel schief. Das war zwar schon vorher der Fall, aber nun halt noch ein kleines bisschen mehr.
Auf der Autofahrt hatten sie dann kein Wort miteinander gesprochen. Die einzigen Sätze die fielen, waren: "Ich mache mal das Radio an.", "Halte mal bei der nächsten Tankstelle, ich muß auf Toilette.", "Wie spät ist es jetzt?" und "Viertel nach drei."
Als sie schließlich bei ihren Eltern angekommen waren, hatten sie versucht ihren Groll aufeinander so gut es ging zu verbergen.
Natürlich klappte das nicht.
Zoes Eltern und ein paar andere bereits eingetroffene Familienmitglieder reagierten daraufhin etwas irritiert, also versuchten die beiden sich aus dem Weg zu gehen.
Natürlich klappte auch das nicht.
Also stritten sie sich.
Natürlich nicht an einem Ort, an dem sie unbeobachtet waren, sondern draussen am Gartentisch, als gerade der Salat zu den gegrillten Rippchen verteilt wurde.
Zoe war weinend nach oben ins Haus gerannt und Dennis bekam lauter böse Blicke zu spüren.
Seine Freundin hatte zwar ganz eindeutig mit dem Streit angefangen, aber da Familienmitglieder so ziemlich grundsätzlich auf der Seite ihrer eigenen Sippschaft stehen, hatte er nicht viel Beistand zu erwarten.
Ohne seine Augen vom Teller zu heben, aß er Salat und Rippchen auf, wartete noch ein bisschen, stand auf und ging dann die Strassen auf und ab, um einen klaren Kopf zu bekommen. Er hätte noch gerne gesagt, wie gut die Rippchen und der Salat geschmeckt hätten (beides war wirklich extrem lecker gewesen), aber das wäre in dem Moment wohl unangebracht gewesen.
Blöderweise hatte er sich dann im Ort verlaufen, und als es dunkel wurde, wäre er beinahe in den Wald gelaufen und hätte sich dann dort verirrt.
Er fand erst sehr spät nach Mitternacht zurück, jedoch schliefen schon alle und er musste das ganze Haus wachklingeln, damit sie ihn reinliessen.
Spätestens jetzt hatte er bei Zoes Familie bis in alle Zeiten verschissen.
Am nächsten Morgen, also heute, hatte sie sich von ihm getrennt, und zwar im Beisein ihres Bruders und ihrer Mutter.
Also hatte Dennis seine Koffer ins Auto geschleppt und war losgefahren.
Sollte Zoe doch mit dem Zug fahren.
Blöderweise sollte es ihm erst später einfallen, daß Zoe den Weg nach Hause besser kannte als er. Also verfuhr er sich erstmal tüchtig.
Wenige Stunden später hatte er schließlich den Unfall.
Er war sich nicht ganz sicher, aber durfte man Rehe einfach so erschiessen, auch ohne Jagdschein?
Dennis seufzte und kam zu den Schluss, daß er endlich etwas tun musste, wenn er keine nassen Füsse bekommen wollte.
Er öffnete die Autotür und kraxelte hinaus. Zu seiner eigenen Verwunderung schaffte er dies ohne in den Graben zu fallen.
Er stellte sich auf die Strasse und überlegte was er nun tun sollte.
Er schaute nach links und nach rechts. Es war kein Wagen zu sehen, kein Mensch der ihm helfen konnte.
Wenn er überlegte, war ihm die ganze Zeit, die er die Strasse langgefahren war, kein Auto entgegengekommen. Noch nicht mal Fahrradfahrer oder ein Fussgänger.
Naja. Das musste ja noch nichts heissen.
Er konnte ja erstmal etwas abwarten.
Er setzte sich auf einen Kilometerstein, der nicht weit von dem Auto entfernt war und fand sich mit der Situation ab.
Das Handy hätte jetzt vielleicht geholfen. Dumm nur, daß es sich in der Reisetasche von Zoe befand. Aber wahrscheinlich hätte es hier in der Wallachei sowieso keinen Empfang gehabt.
Dennis trommelte gelangweilt mit seinen Handflächen auf den Seiten den Kilometersteines. Nach einer Minute wurde ihm das zu langweilig und er hörte damit auf.
Der Stein wurde schnell zu kalt und unbequem, also setzte er sich ins Gras und lehnte sich an ihn an. Er stützte seine Arme auf den Knien ab und schaute in den Himmel.
'Wenigstens sieht es nicht nach Regen aus.' dachte er, bemerkte aber, daß der Abend nicht mehr allzu lange auf sich warten liess.
Ganz im Gegensatz zu einem Menschen, der ihm aus der Patsche helfen konnte. Es liess sich einfach keiner blicken.
Also beschloß Dennis es selbst in die Hand zu nehmen. Wenn der Retter nicht zum Propheten kommt, dann muß der Prophet halt zum Retter gehen.
Er stand auf, klopfte sich die Erde von der Hose ab und ging einfach los. Ob oder wann er auf einen Ort treffen würde wusste er nicht, aber das war ihm egal. So wie er es im Gefühl hatte, konnte er hier noch mehrere Stunden verbringen, ohne daß etwas geschehen würde. Und er hatte keine grosse Lust, im Dunkeln noch beim Wagen zu sitzen. Naja, Lust war falsch formuliert, es wäre ihm einfach zu unheimlich.
Während er die Landstrasse entlang ging, blickte er zu den Feldern, die sich links und recht von ihm befanden. Felder, Felder, nicht als Felder... Die mussten doch irgendjemandem gehören? Aber er konnte kein Haus ausmachen, das an ihnen angrenzen würde. Wahrscheinlich gehörten sie einem Bauer, dessen Landsitz sich über mehrere Kilometer erstreckte. Gut möglich, daß er erst in einer Stunde auf das Haus traf. 'Hoffentlich ist dann auch jemand zuhause.' ging es Dennis durch den Kopf, verdrängte den Gedanken aber schnell wieder. Sein Pech wollte er jetzt nicht auch noch herausfordern.
Er ging immer weiter, ohne daß sich etwas an dem Zustand ändern wollte. Einfach kein Haus, weit und breit.
Dennis musste unwillkürlich an die uralte Tankstellenwerbung denken, in der jemand, auf der Suche nach Benzin, eine ebenso langweilige Landstrasse entlangging und über den Bildern „I´m walking“ von Fats Domino lief. Kaum hatte er das Lied in seinem Kopf, hatte er auch schon einen Ohrwurm.
Die Strasse machte eine Biegung und wurde zunehmend von Bäumen eingerahmt.
Der Ohrwurm fing an zu nerven.
Die Baumdichte nahm wieder ab und legte ein weiteres Feld frei, das er zuvor kaum hatte sehen können.
Doch was war das? An ihm grenzte ein paar Kilometer entfernt ein Haus. Nein, es war nicht nur ein Haus, es waren mehrere Häuser. Ein ganzes Dorf.
„Endlich!“ seufzte er erleichtert. „Ich bin gerettet.“
Sein Gang wurde etwas eiliger, wenn auch nicht zu schnell. Das Dorf kam immer näher auf ihn zu.
Als es nur noch wenige Meter entfernt war, bemerkte er über dem Eingang eines Hauses, welches sich direkt an der Strasse befand, ein kleines Schild. Die Schrift und die Farben sahen irgendwie nach Werbetafel aus und als er dort ankam, stellte er mit Freuden fest, daß er recht hatte. 'Bailey´s' nannte sich der Schuppen. Es schien nicht nur eine Tankstelle, sondern auch ein kleiner Supermarkt zu sein. Obwohl 'Supermarkt' wohl etwas übertrieben wäre. Ein Tante Emma Laden traf es eher.
Dennis sah durch das Fenster, konnte aber nichts erkennen. Es war zwar mittlerweile schon recht dämmerig geworden, aber damit hatte es nichts zu tun. In dem Laden wurde nicht mehr gearbeitet, die Lichter waren aus. Aber es schien so, als wäre den ganzen Tag niemand hier gewesen. Es war schließlich Wochenende.
'Und morgen muß ich wieder zur Arbeit...' erinnerte er sich seufzend. 'Ob ich das wohl noch schaffe?'
Dennis ging ein paar Schritte zurück und sah sich um. Direkt neben dem Haus befand sich eine kleine Strasse, die wohl weiter in den Ort ging.
'Wenn ich da langgehe, finde ich bestimmt noch irgendwas anderes.' dachte er und war bereits dabei dem Gedanken Folge zu leisten, als plötzlich ein Mann aus dem Laden kam, in dem sich vorhin noch niemand befunden hatte. Er war äusserst groß, vielleicht um die zwei Meter, war mindestens 50 Jahre alt, hatte einen buschigen Oberlippenbart und trug einen unschönen Wollpullover.
Dennis bekam einen kurzen Schreck, war aber froh endlich jemanden gefunden zu haben.
„Oh, hallo!“ begrüsste er den Mann. „Ich habe schon gedacht, hier wäre keiner mehr.“
Der Mann musterte ihn misstrauisch. „Hier ist auch keiner mehr.“ sagte er.
Was sollte das jetzt heissen? Egal, Dennis ging einfach darüber hinweg. „Wissen Sie, ich habe da einen Autounfall gehabt, und...“
„Was machen Sie hier?“ fragte der Ladenbesitzer unwirsch dazwischen.
'Unfreundliche Art.' dachte Dennis. 'Typisch englische Dorfbewohner, die jeden, der nicht zu ihrem Ort gehört, aus reinem Zwang rüde behandeln müssen.' „Das wollte ich gerade sagen.“ verteidigte sich Dennis. „Ein paar Kilometer von hier habe ich ein Reh...“
„Wie haben Sie hierher gefunden?“ brummte der Mann.
„Ich...“ sagte Dennis verunsichert. „Ich bin einfach die Landstrasse entlang gegangen, das ist alles.“
Der Ladenbesitzer sah ihn nur noch genauer an. „Hm.“
Stille.
„Ähm...“ machte Dennis vorsichtig. „Vielleicht bin ich nur etwas geschafft und kaputt, oder ich verstehe die ganze Situation einfach nur falsch, aber irgendwie habe ich das Gefühl, daß ich mich entschuldigen müsste, ohne zu wissen warum.“
Der Mann sagte immer noch nichts.
„Ich... ähm... Also, wenn ich irgendetwas falsch gemacht haben sollte, sagen Sie mir ruhig was es ist.“
Der Ladenbesitzer fing an, sich wieder zu regen. Er hob seinen Zeigefinger und kratze sich an der Nase. „Um diese Zeit kommt hier normalerweise keiner vorbei.“
„Naja, ich habe auch gehofft, ich wäre zu dieser Uhrzeit längst wieder zuhause, aber...“
„Eigentlich kommt hier nie jemand vorbei.“
Dennis wusste nicht, was er darauf sagen sollte. „...so?“ Er machte ein entschuldigendes Grinsen. „Kommt wohl nicht so oft vor, daß hier jemand einem Reh ausweicht und deswegen in den Graben fährt, so wie ich?“ Wenn er ihm sein Problem auf diese Weise unter die Nase rieb, würde er dann vielleicht reagieren?
Der Ladenbesitzer zögerte mit einer Antwort. „Nein, das passiert in der Tat nicht sehr oft.“
Das war alles was er dazu zu sagen hatte?
„Das Reh ist übrigens tot.“ sagte Dennis herausfordernd.
Sobald jemand das Wort 'tot' in den Mund nahm, schellten bei allen Menschen im Normalfall sämtliche Alarmglocken. Warum also nicht einfach ganz dreist lügen?
„Hm.“ machte der Mann. „Kann man nichts machen.“
Dennis konnte es kaum fassen. „Tja, dann, hm... Also, eigentlich bin ich auf der Suche nach Hilfe.“ sagte er. „Damit ich den Wagen wieder aus dem Graben bekomme. Er macht sich in ihm nämlich nicht gerade schön.“ lächelte er.
Der Mann sah ihn nur weiter abschätzend an.
„Ein Handy habe ich nicht bei mir, sonst hätte ich ja jemanden gerufen. Feuerwehr, Polizei oder so, aber naja.“
„Hier hat keiner ein Handy.“ sagte der Mann.
„Tja.“
„Die funktionieren hier auch gar nicht.“ setzte er hinzu.
„Das ist ja auch nicht so schlimm.“ sagte Dennis. „Ich will Sie ja eigentlich auch nur fragen, ob Sie mir weiterhelfen können. Ob es hier jemanden gibt, der sich mit sowas auskennt, oder sonst irgendwie weiter weiß. Ich bin dann ja auch sofort wieder verschwunden.“ Er unterlegte seinen letzten Satz mit beteuernden Gesten. Er würde wirklich sofort wieder verschwunden sein. Wenn alle Leute hier im Dorf so wie dieser gastfreundschaftliche Mann waren, dann würde er es hier eh nicht lange aushalten wollen.
Der Mann blickte zur Seite und verzog nachdenklich seine Lippen.
„Nun,“ sprach Dennis weiter. „Wenn es hier niemanden gibt der mir weiterhelfen kann, darf ich dann zumindest einen Telefonanruf machen? Dann kann ich wenigstens jemanden von ausserhalb holen lassen.“
Der Mann dachte kurz nach und sah dann wieder Dennis an. „Die Telefone funktionieren zur Zeit nicht.“ sagte er feststellend.
„Oh, äh, was?“
„Ja.“ sagte der Mann. „Die Leitungen sind kaputt.“
Dennis zuckte überrascht mit seinen Augenbrauen. „So? Ja... Warum denn das?“
Der Mann zuckte mit seinen Achseln.
„Und... wann werden sie repariert?“
Der Mann zuckte wieder mit den Achseln.
„Aber... ich muß hier doch irgendwie wieder weg.“ sagte Dennis, mittlerweile nun schon fast verzweifelt. „Ich muß schon morgen wieder zur Arbeit, wissen Sie?“
„Ich denke, daß die Telefone morgen auch wieder funktionieren.“
„Also, werden sie doch wieder repariert?“
„Ja.“
„Aber eben haben Sie doch gesagt, Sie wüssten es nicht.“
Der Mann zuckte mit den Achseln.
So langsam kam Dennis das alles sehr merkwürdig vor. Entweder war dieser Mann extrem beschränkt oder hier stimmte generell etwas nicht.
„Naja... aber... Was soll ich denn jetzt machen?“ sagte Dennis. „Wenn ich bis morgen keine Hilfe holen kann... wo bleibe ich dann so lange?“
Der Mann sah Dennis wieder abschätzend an. „Warten Sie einen Augenblick. Ich komme gleich wieder.“ Er drehte sich um und ging ins Haus zurück.
Dennis sah ihm hinterher. Seltsam. Wirklich seltsam. Er wusste zwar, daß in manchen Orten die Leute auf Fremde sehr abweisend reagierten, aber daß dies gleich so extrem war, hätte er sich niemals vorstellen können. Wenn er gleich gewusst hätte, daß er in so einem Kaff hängen blieben würde, hätte er sich gleich die Reise sparen und sich die gespannte Atmosphäre im Haus von Zoes Eltern geben können.
Er ging auf das Haus zu und schaute nochmals durch die Fenster. Vielleicht konnte er ja erkennen, was der Mann dort drin machte? Aber es befand sich weiterhin kein Licht in dem Raum und bis auf die Umrisse von ein paar Möbelstücken konnte er kaum etwas ausmachen. Er sah auch nichts was sich bewegt hätte. Der Mann war nicht aufzufinden; wusste der Teufel, was er trieb.
Auch wenn er wusste, daß es kaum etwas bringen würde, drückte er sein Gesicht noch stärker an die Scheibe. Naja, es brachte nicht nur kaum etwas, es brachte überhaupt nichts. Er sah nur nicht mehr wie sich sein Gesicht auf dem Glas spiegelte.
„Wonach suchen Sie denn?“ fragte ihn plötzlich von der Seite die vorwurfsvolle Stimme des Mannes.
Dennis' Herz schlug einen Purzelbaum und ließ sofort von der Glasscheibe ab.
„Ich... ich habe Sie nur gesucht, was Sie so machen, äh...“ stammelte er herum.
„Der Bürgermeister wird Ihnen helfen können.“ sagte der Mann unvermittelt.
Dennis ließ sich von seiner Antwort bereitwillig ablenken. „Oh ja? Was kann er denn machen?“
„Sie können die Nacht über bei ihm bleiben.“
Er verstand nicht ganz. „Wie, bleiben?“
„Bis die Leitungen wieder funktionieren.“
„Ähm, Telefon? Ach so, ja.“ sagte Dennis. „Dann kann ich bei ihm übernachten?“
„Das sagte ich doch.“
Innerlich stellte sich Dennis nun darauf ein, daß er morgen nicht mehr rechtzeitig an seinem Arbeitsplatz sitzen würde.
„Und... wie... haben Sie ihn gefragt? Ich meine, das Telefon ist doch...“
„Er ist gerade bei mir.“ sagte der Mann.
„Oh, das ist ja gut!“ sagte Dennis erfreut. „Dann kann ich ihn ja gleich...“
„Das geht nicht.“ blockte er sofort ab.
„Ah, äh, nein?“
„Wir haben gerade eine Besprechung.“
Der Bürgermeister hat eine Besprechung mit dem Besitzer der Tankstelle. Warum nicht?
„Und ich darf ihn... euch jetzt nicht stören, nicht wahr?“
Der Mann schloß seine Augen und schüttelte mit dem Kopf.
„Und, mh, was mache ich jetzt?“ fragte Dennis. „Kann ich so lange zu Ihnen rein und auf ihn warten?“
„Sie können in den Pub gehen und auf ihn warten.“
Ein freundliches 'Nein' wäre Dennis lieber gewesen.
„Er holt mich dort ab? Aber da kann ich doch gleich hier...“
„Nein, sie werden im Pub warten.“
„Und dann gehe ich mit dem Bürgermeister zu ihm nach Hause?“
„Nein. Sie werden zu seinem Haus gebracht.“
'Mein Güte, ist das umständlich.' dachte Dennis, hütete sich aber, das laut auszusprechen.
„Ich kann aber auch ein Zimmer in einer Gaststätte nehmen. Ich will dem Bürgermeister wirklich nicht so viele Umstände machen.“
„Wir haben keine Gaststätte.“
'Wer will bei dieser Gastfreundschaft hier auch schon Urlaub machen?' dachte Dennis.
„Na gut, dann... machen wir es halt so.“ sagte er.
Eine kurze Pause entstand, Dennis wartete darauf, daß der Mann etwas darauf sagte, doch das tat er nicht. Er sah ihn immer noch kritisch an.
„Tja.“ räusperte sich Dennis. „Dann werden wir es so machen.“ Etwas nervös spielte er mit seinen Fingern herum. „Also... wo ist denn diese Gaststätte?“
„Wir haben keine Gaststätte.“
„Äh, den Pub meine ich.“
„Sehen Sie die kleine Strasse, neben meinem Haus?“ sagte der Ladenbesitzer und zeigte in die Richtung.
Dennis folgte seinem Finger und nickte.
„Gehen Sie die einfach lang. Etwas weiter geradeaus finden Sie ihn.“
Als sei dies schon Erklärung genug gewesen, drehte er sich einfach um, und wollte wieder zurück ins Haus gehen.
„Halt!“ rief Dennis. „Wie sieht er denn aus?“
Der Mann drehte seinen Kopf zu ihm. „Sie werden es erkennen.“
„Naja, und wenn nicht?“
Es sah aus, als würde der Mann kurz überlegen, bevor wieder die selbe Antwort gab. „Sie werden es schon erkennen.“
„Aber...“
Doch bevor Dennis weitersprechen konnte, hatte der Mann schon hinter sich die Tür geschlossen.
So richtig willkommen fühlte er sich hier nicht. Wenn die anderen Dorfbewohner genauso waren wie dieser Tankstellenbesitzer, dann stellte er sich den Abend ganz nett vor. Ein herrlicher Ausklang des Tages, er hätte ihn sich nicht besser ausmalen können.
Aber vielleicht war der Mann ja nur der einzige komische Kauz in diesem Örtchen. Es war ja nicht gesagt, daß die anderen genauso sein mussten. Vielleicht waren die restlichen Leute ja sogar alle ganz nett und freundlich? Möglicherweise lachten sie sogar über den Tankstellenmann, kannten sich mit seinen Macken aus. Ja, so musste es sein. Irgendwie musste Dennis sich ja Mut zusprechen.
Er ging die Hauswand entlang und gelangte auf die Strasse, die allerdings mehr wie ein mit Kies überschütteter Feldweg aussah. Naja, die Gemeinde hatte bestimmt nicht viel Geld.
Er konnte bereits die nächsten Häuser sehen. Alles typische, englische Landhäuser, wie man sie immer auf Postkarten oder im Fernsehen sieht, und man sich nie vorstellen kann, daß wirklich in ihnen jemand wohnt. Als Stadtkind konnte Dennis sich das jedenfalls nicht.
Bei einigen Häusern war bereits das Licht angegangen. Das ließ ihn erst bewusst werden, wie spät es bereits wirklich war.
Nicht weit von ihm entfernt konnte er ein kleines Haus sehen, das ein etwas anderes Erscheinen als die anderen hatte. Es wirkte etwas zweckmässiger und es gab keinen Vorgarten. Zudem waren ein paar Fahrräder an der Wand angelehnt. Das konnte nur der Pub sein. Er ging nicht davon aus, daß es eine Familie gab, bei der jedes Mitglied mindestens drei Fahrräder besass.
Er ging auf das Haus zu, fühlte sich dabei aber auf eine unerklärliche Art und Weise unwohl. Irgendwie hatte er das Gefühl beobachtet zu werden.
Er sah um sich, konnte aber nichts direkt Auffälliges entdecken.
Wahrscheinlich waren es die Blicke der Dorfbewohner, die garantiert durch die Gardinen aus den Fenstern starrten. Dennis konnte sich gut vorstellen, daß sie alle neugierig waren, wer bloß dieser komische Kerl sein konnte, der bei ihnen unangemeldet durch den Ort spaziert.
Er gab den Gedanken auf, daß der Mann von der Tankstelle der einzig abweisende Typ im Ort war.
Schließlich kam er bei der Tür des Pubs an. Er räusperte sich ausgiebig und machte sie vorsichtig auf.
Richtig, genau wie er erwartet hatte. In dem Moment, in dem er sie öffnete, konnte er für eine halbe Sekunde noch ein belebtes Durcheinander von Stimmen hören. Vielleicht sogar noch ein herzhaftes Lachen. Doch kaum als Dennis gesamtes Antlitz zu erkennen war, war alles sofort verstummt.
Ungefähr dreizehn Gesichter starrten ihn durchdringend an. Der Ausdruck war genau der selbe wie der des Tankstellenbesitzers.
'Hui.' dachte Dennis. 'Also los!'
„Guten Abend!“ Er hob seine Hand und winkte den Männern unbeholfen zu.
Es kam keine Antwort.
Dennis war die Situation mehr als nur unangenehm. Er fing an zu schwitzen und sah sich unsicher um.
„Ich... ich... wollte hier nur auf... den Bürgermeister warten, weil... ähm... ich hatte nämlich einen Autounfall und das Reh...“ Er versuchte seine stammelnde Rede mit einem Lächeln aufzulockern. „Tja, das ist jetzt halt tot, nicht wahr?“
Ein älterer Mann mit einem gefährlich langem und buschigen Bart nahm einen Schlug aus seinem Bierkrug, stellte diesen dann ab und fragte: „Was für ein Reh?“
„Äh... Da draussen!“ zeigte Dennis. „Dumme Sache. Es tut mir ein bisschen leid, das Tier.“
Wieder sagte keiner was.
Dennis wartete darauf, daß er endlich im Boden versank, doch auch das wollte einfach nicht passieren.
„Ich... brauche deswegen erstmal ein Bier!“ sagte er schließlich laut und entschlossen und ging ebenso laut und entschlossen auf den Tresen zu. Die Leute folgten ihm mit ihren Blicken. Dennis setzte sich auf den einzigen Barhocker der noch frei war und rief dem Barkeeper zu: „Gib mir ein Ale! So ein richtig kaltes!“
Der Barkeeper, der gerade einen Krug abtrocknete und auf irgendetwas herumzukauen schien das wie ein überdimensionaler Zahnstocher aussah, musterte ihn erst misstrauisch, füllte dann zögernd den Krug auf und stellte ihn Dennis vor die Nase.
„Dankeähmm...“ machte Dennis. „Wieviel... kostet das denn hier bei euch?“
Der Riesenzahnstocher im Mund des Barkeepers rutschte von der einen Mundecke zur anderen.
„Das geht aufs Haus.“ sagte er ebenso wortkarg und auf das nötigste reduziert wie sich auch schon der Mann an der Tankstelle äusserte.
„Oh!“ sagte Dennis. „Wirklich?“ Er schaute um sich und versuchte den ganzen Leuten ein Lächeln zuzuwerfen. Dies machte er allerdings so eilig und flüchtig, daß er niemanden genau ansah, was auch durchaus seine Absicht war. „Das ist... sehr gastfreundlich!“ Er nahm einen Schluck, um zu beweisen, daß ihm das mit dem Bier auch wirklich ernst war. Doch kaum als der erste Tropfen an seine Zunge kam, verspürte er auch schon ein Würgegefühl. Die Reize die ihm übermittelt wurden, sagten ihm, daß das, was er nun in seinen Mund kippen würde, das ekelhafteste Gebräu sein würde, das er je zu sich genommen hatte. Und wie er sehr schnell darauf feststellen musste, hatten seine Reize recht gehabt. Aus reiner Nettigkeit versuchte er den Schluck etwas grösser zu machen, um einen Gefallen an dieser Säure vorzutäuschen. Er wollte ihnen damit sagen: 'Hey, schaut! Ich bin einer von euch!' Doch daß ihn die Augen dabei verrieten, war wohl nur schwer zu verbergen.
Leicht benommen stellte er den Krug wieder ab. „Aaaah, ist das gut!“ krächzte er. Jetzt wo er keine Nässe mehr auf seiner Zunge verspürte, fühlte sie sich an, als wäre sie mit äusserster Kraft ausgewrungen worden. „Ichäch... das ist wirklich hervorragend!“ Er versuchte verzweifelt im Mund Speichel zu sammeln, der die Zunge mit etwas Flüssigkeit versorgen sollte. Doch dieser war so dick, daß er seinen Zweck nicht ernsthaft erfüllen konnte.
Die Dorfbewohner sahen ihm dabei zu, wie er etwas nervös auf dem Hocker hin und herrutschte und sich immer wieder den Hals hielt. Dennis nahm wieder einen Schluck.
„Lecker, verdammt lecker!“
„Finden Sie?“ sagte der Barkeeper. „Nicht jeder mag es.“
„Doch, doch, sehr gut.“ sagte Dennis und stellte den Krug rasch wieder ab. „An dem Geschmack findet man zwar nicht sofort Gefallen...“ versuchte er sich vorsichtig zu äussern. „Aber das ist halt wie mit Oliven oder Peperoni, nicht wahr? Bei denen muß man auch erst ein paar gegessen haben, bis man sie mag.“
„Ich mag keine Oliven.“ sagte der Barkeeper.
„Oh, ähm, müssen Sie mal probieren! Sehr gut! Aber nicht so gut wie das Bier!“
„Und Sie warten auf den Bürgermeister?“ fragte er. Allerdings klang es mehr wie eine Feststellung denn wie eine Frage.
„Ja.“ sagte Dennis. „Oder zumindest auf einen, der mich zu ihm bringen soll.“
„Aha.“ sagte er und wand sich von ihm ab. Er ging wieder auf dem Stapel von Krügen zu, die er noch alle abtrocknen musste.
„Der kommt wohl später... irgendwann.“ sagte Dennis, der verzweifelt versuchte, irgendwie im Gespräch zu bleiben. Er würde es nicht ertragen können, hier weiter rumzusitzen während die Gäste ihm beim Schweigen zugucken. Doch der Barkeeper reagierte einfach nicht mehr. „Ich denke mal... in einer halben Stunde ist er wieder da.“
Weil der Barkeeper weiterhin nichts sagte, wand Dennis sich seinem Nebenmann zu, der an einer Pfeife paffte.
„Das dauert bestimmt nicht lange.“ sagte Dennis zu ihm.
Der Mann drehte seinen Kopf zur Seite.
Dennis wand sich sich seinem anderen Nachbarn zu, der etwas jünger als der Durchschnitt in diesem Raum war. „Oder was denken Sie?“
„Er kommt garantiert sehr bald.“ antwortete er.
„Na, das klingt ja schon mal ganz gut.“ sagte Dennis und legte ein Lächeln auf, das von dem Mann allerdings nicht erwidert wurde, was Dennis dazu veranlasste eben dieses sehr schnell ersterben zu lassen. „Naja... dachte ich jedenfalls.“
Ohne ein Wort von sich zu geben, stand der Mann einfach auf und ging in eine andere Ecke des Pubs.
„Jaaa...“ machte Dennis und blickte ihm hinterher. „Ich wollte sowieso gerade gehen... auf Toilette, meine ich.“
Dennis rutsche von seinem Barhocker und flüchtete in Richtung WC-Tür. Er riss sie geradezu auf, stolperte hinein, und warf sie wieder hinter sich zu. Mit einem verzweifelten „Uff.“ lehnte er sich an sie und fuhr mit der Hand durch seine Haare.
„Verdammt, wo bin ich hier nur gelandet?“ ächzte er.
So verweilte er einen kleinen Moment bis er sich schließlich wieder fasste und auf das Waschbecken zuging. Er drehte den Hahn für das kalte Wasser auf, hielt seine Hände unter den Strahl und fuhr dann mit ihnen durch sein Gesicht. Diese Abkühlung hatte er wirklich bitter nötig.
Er seufzte und betrachtete sich selbst im Spiegel.
Oh ja, diese Falte unter dem rechten Auge hatte er vorher garantiert nicht gehabt, daran hätte er sich erinnert. Die hatte sich garantiert im Laufe der letzten paar Stunden entwickelt, da war er sich ziemlich sicher.
Dennis bewegte sein Gesicht näher in Richtung Spiel, um sich die besagte Stelle genauer ansehen zu können. Mit dem Zeigefinger zog er sorgfältig die Linien seines Auges nach und überprüfte sie ganz genau. Plötzlich erstarrte er in der Bewegung.
„Was mache ich hier eigentlich?“ fragte er sich fassungslos.
Er lehnte sich kopfschüttelnd über sich selbst wieder zurück, allerdings nicht ohne dabei den Blick von dem Spiegel zu verlieren. Nun wo er ein besseres Sichtfeld auf das Reflektiergerät hatte, fiel ihm ein rotfarbenes Gekrakel auf, welches sich direkt hinter ihm befand. Er drehte sich neugierig um, um zu gucken, mit welchem Beinahe-Kunstwerk die Wand verziert worden war.
Ein großer Judenstern? Was hatte das denn zu bedeuten?
Er runzelte die Stirn.
Nein, das war ein Pentagramm.
Ein Pentagramm in einer Bartoilette eines kleinen Kaffs, irgendwo auf dem Lande.
Bis jetzt war ihm am gesamten Dorf noch keine Kleinigkeit aufgefallen, die nicht exzentrisch war, aber das toppte alles.
Ohne sich was dabei zu denken, kratzte er mit dem Fingernagel an der Farbe herum.
Wenn das wirklich Farbe war.
Denn nachdem er dies für etwa zwei Sekunden getan hatte, kam ihm diese für seine Begriffe ungewöhnlich bröckelig vor.
Weil es vielleicht keine Farbe war?
Langsam zog er seinen Finger zurück und sah sich mit einem belustigten 'Ach nein, das kann einfach nicht sein.'-Gesichtsausdruck seine Fingerkuppe an.
Nachdem er dies etwa 5 Sekunden lang getan hatte, verschwand sein Lächeln jedoch endlich.
Also gut. Wenn das Zeug mit dem das Pentagramm an die Wand geschmiert war, wirklich das war was er vermutete, und es mit der Tatsache verband, daß dieses Gebilde sich hier ganz selbstverständlich und für jedermann sichtbar in diesem Raum befand (was eindeutig hieß, daß jeder im Dorf davon Bescheid wusste), dann wurde ihm diese kleine Gemeinde nur noch unheimlicher als sie es ohnehin schon war.
Was sollte er nun tun? Flüchten?
Das wäre eine wahnsinnig saudumme Idee. Er hatte ja selbst gesehen, daß dieser Ort über mehrere Kilometer hinweg der einzige in dieser Einöde war. Wo hätte er hin sollen? Und wenn er flüchten würde, dann bliebe das von den misstrauischen Dorfbewohnern nicht unbemerkt. Gut möglich, daß sie sich sofort auf die Suche nach ihn machen würden. Und Gott wusste was sie dann mit ihm machen würden.
Selbst wenn die Flucht eine gute Idee gewesen wäre, die einzige Möglichkeit hätte sich ihm wohl nur jetzt geboten. Dies war der einzige Ort an dem er unbeobachtet war. Sobald er den Toilettenraum wieder verliess, war er unter permanenter Aufsicht der beunruhigenden Satanisten-Bevölkerung. Wenn er also hätte abhauen wollen, so hätte er dies durch das Fenster direkt über dem Pentagramm machen müssen, aber eben dieses war dummerweise mit recht stämmigen Eisenstangen vergittert.
Was sollte er nun tun?
Das konnte er nur schwer sagen. Das Einzige dem er sich sicher war, war, daß er wohl nur noch mehr Misstrauen erregen würde, wenn er sich noch länger in der Toilette aufhielt. Wenn er hier nicht bald wieder verschwand, um sich auf seinen alten Platz zu setzen, würde garantiert einer vorbeikommen, um nachzusehen was er hier trieb.
Dennis schluckte. Er wand sich wieder dem Waschbecken zu, wusch seine Hände, um sie von der Beinahe-Farbe zu befreien, trocknete sie ab und stellte sich vor die Tür, die zurück in den Pub führte.
Er nahm all seinen Mut zusammen und machte die Tür auf.
Aus irgendeinem Grund schien sich die Atmosphäre während seiner Abwesenheit etwas gelockert zu haben. Zwar waren die Gespräche der Leute weiterhin nicht so angeregt wie in dem Moment als er den Pub betreten hatte, aber immerhin schien die Stimmung nicht mehr so gespannt zu sein.
'Dann schwebe ich offenbar doch nicht ganz so akut in Lebensgefahr wie angenommen.' dachte Dennis, wenn auch nur mit einer ¼-Überzeugung.
Er wollte sich wieder auf seinen Platz setzen, um dort weiterhin auf das Ende des Horrorszenarios zu warten, als er bemerkte, daß sich auf dem Platz, von dem er vorhin noch jemanden vertrieben hatte, ein neuer Gast platziert hatte. Ein Gast, der so ganz und gar nicht in diese Umgebung passen wollte, sei es dieser elende Pub oder das noch elendere Dorf.
Eine etwas nachdenklich ins Leere blickende junge Frau mit schulterlangen blonden Haaren nippte an ihrem Krug und schien alles was um sie herum geschah nicht wahrzunehmen.
'Na, das ist doch eine weitaus angenehmere Gesellschaft als das was ich hier bisher angetroffen habe.' dachte Dennis erleichtert. Zumindest war sie ansatzweise in seinem Alter.
Er bewegte sich auf seinen Hocker zu, auf den er sich sogleich schwungvoll setzte.
„Hallo.“ lächelte er die Frau an. „Sie warten nicht zufällig hier auch auf jemanden?“
Die Frau wurde von seiner Stimme aus den Gedanken gerissen. Mit einem überraschten „Hm?“ stellte sie ihren Krug auf den Tresen ab und blinzelte ihn verwirrt an.
„Ich habe sie nur gefragt, ob sie auf jemanden warten.“ lächelte Dennis weiter.
Die junge Frau musterte ihn kurz. „Ach... Sie sind der Kerl mit dem kaputten Wagen, nicht wahr?“
Dennis ließ seinen Kopf in ein zögerliches Nicken fallen. „Ja, der bin ich. Aber woher wissen Sie, daß...“
„Naja, was erwarten Sie denn?“ sagte sie gleichgültig und wand sich wieder ihrem Bier zu. „Glauben Sie etwa tatsächlich, daß so eine Information länger als 10 Minuten braucht, um sich in so einem kleinen Dorf zu verbreiten? Natürlich weiß ich wer Sie sind.“
„Heh.“ gab Dennis gezwungen von sich. „Aber Sie wissen bestimmt nicht wie ich heisse, oder?“
Sie warf ihm aus den Augenwinkeln einen genervten Blick zu.
„Dennis Reed ist mein Name.“ sprach er einfach weiter.
Sie hob ihre Augenbrauen an und nahm einen Schluck.
„Und.... Ihr Name ist?“ fragte er unsicher an.
Ohne so richtig darauf reagieren zu wollen, wischte sie einfach nur ihren Mund mit dem Handrücken ab. „Was soll das werden? Ein Flirt?“
Dennis blinzelte erschrocken und brauchte eine Sekunde, um sich zu fangen. „Ein Flirt?“ fragte er irritiert. „Nein! Ich will wirklich nur...“
„Und ich will für den Moment einfach nur in Ruhe gelassen werden, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“ unterbrach sie ihn und sah ihm unterschwellig gereizt in die Augen.
Dennis schluckte und nickte verständnisvoll mit dem Kopf.
„Dann vielen Dank.“ sagte sie und setzte wieder zu einem Schluck an. „Ich habe nämlich nicht vorgehabt mich an dem letzten Abend nerven zu lassen, bevor...“ Sie blieb mitten im Satz hängen, erstarrte für einen Moment in der Bewegung... und kippte sich schließlich doch noch das Gebräu in den Mund.
Dennis sah sie erwartungsvoll an. „Bevor... bevor was?“
Langsam wurde sie richtig ärgerlich. „Ich glaube nicht, daß Sie das irgendetwas angeht, Mr Reed.“
Dieser wich sofort zurück. „Tut mir leid, ich wollte doch nur...“
„Mir egal was sie wollen, aber offenbar können Sie Ihre Klappe tatsächlich nicht halten.“
„Entschuldigung.“ sagte Dennis und hob seine Arme „Aber es kann doch nicht verboten sein, zu...“
Sie stand unvermittelt auf und griff nach der Jacke, die auf dem Tresen lag. „Jajaja... blabla... Ich gehe jetzt.“
Der Barkeeper, der sich mit einem anderen Gast unterhielt, sah überrascht auf. „Katrina, du willst schon gehen? Du bist doch gerade erst gekommen.“
„Ja, es tut mir leid.“ entschuldigte sie sich halbherzig. „Aber hier finde ich noch weniger Ruhe als bei mir zuhause. Ob ich nun dort nervös die Räume auf und ab gehe oder ob ich mich hier von der Seite dumm anquatschen lasse, macht für mich auch keinen Unterschied mehr.“
„Na gut.“ sagte der Barkeeper enttäuscht und warf Dennis ein kurzen, aber giftigen Blick zu. „Dann spanne dich noch ein bisschen aus. Das Bier brauchst du auch nicht zu bezahlen.“
„Das ist nett, danke.“ sagte sie, während sie den Reissverschluß ihrer Jacke schloß.
„Aufgeregt, wegen später, hm?“ fragte er sie besorgt.
„Ja, das kann man wohl sagen.“ seufzte sie. „Ein bisschen mulmig ist mir schon.“
„Du brauchst keine Angst zu haben, wir sind ja alle da.“
Sie lächelte ihm zu. „Danke.“
„Bis später.“ zwinkerte er väterlich.
„Bis später.“ gab Katrina zurück und verließ relativ eilig den Pub.
Dennis, der dem Schauspiel verwirrt beigewohnt hatte, sah den Barkeeper fragend an. „Was ist denn mit ihr und weswegen ist sie so aufgeregt?“
Der Blick des Mannes verfinsterte sich sofort. „Halten Sie Ihren Mund. Sie haben für heute schon genug dumme Fragen gestellt.“
Dennis rollte mit den Augen. „Entschuldigung, daß ich mir Sorgen gemacht habe. Kommt sicherlich nicht wieder vor.“ brummte er leise und spielte lustlos mit seinem Krug herum.
Der Barkeeper tat langsam zwei Schritte nach vorne, sein Blick wurde zunehmend düsterer. Dennis wich mit seinem Barhocker ein paar Zentimeter zurück und sah den Mann verängstigt an.
'Verdammt.' dachte er schwitzend. 'Jetzt habe ich es geschafft einen dieser satanistischen Hinterwäldler zu reizen.'
Der Barkeeper ballte beide Hände zu Fäusten und stützte sich mit ihnen auf dem Tresen ab, sah Dennis dabei bedrohlich in die Augen. „Nun hören Sie mir mal zu, mein Lieber. Ich weiß nicht genau was Sie für ein Problem haben und warum Sie wirklich hier sind, aber ich schlage vor, daß sie von nun an ganz ruhig auf ihrem Platz sitzen bleiben und keinen Pieps mehr von sich geben.“
Dennis schluckte und fing an zu schwitzen. „A... a... aber ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich draussen einen Unfall...“
Der Barkeeper beugte seinen Oberkörper weiter nach vorne. Es waren nur wenige Zentimeter die die Gesichter der beiden voneinander trennten.
„Erzählen Sie ruhig was Sie wollen, mir ist das komplett egal. Ich will einfach nur, daß Sie ihre Klappe halten bis Sie endlich abgeholt werden. Haben wir uns vestanden?“
Dennis nickte zaghaft, die Hand mit dem Krug zitterte vor Aufregung.
„Dann ist ja alles geklärt.“ Der Mann liess von ihm ab und wand sich wieder den anderen Leuten die am Tresen saßen zu.
Dennis zog am Kragen seines Shirts herum, sein Herz fing an sich zu beruhigen. Von der Seite konnte er leise vernehmen wie sich der Barkeeper mit ein Gästen über ihn unterhielt. Ein paar Wortfetzen kamen ihm dabei zu Ohren. 'Störenfried'... 'merkwürdig'... Richtig Sorgen machte ihm jedoch 'Spion'.
'Spion'? Hielten sie ihn etwa tatsächlich für einen Spion? Was sollte er denn hier spionieren? Was ging in diesem Dorf wirklich vor sich?
Die Sorge um sein Leben, die er vorhin bei der Unterhaltung mit der blonden Frau für kurze Zeit vergessen hatte, kehrte nun langsam wieder zurück.
'Danke.' dachte er wütend. 'Danke, du dämliches Reh. Auf welchem Feld du nun auch immer rumhüpfen magst, ich hoffe, du verreckst noch an einem vergammelten Kleeblatt.'
Er machte sich auf seinem Hocker so klein wie möglich, blickte starr auf seinen Bier und wagte es gar nicht mehr sich zu bewegen.
Hinter dem Tresen, direkt über der Kasse, hing eine Uhr, welche er erst jetzt aus den Augenwinkeln bemerkte. Verstohlen wagte er einen Blick, um die Zeit zu überprüfen. Es war bereits 7:00 Uhr.
Seufzend legte er seinen Blick wieder auf den Krug, und beschloß die Zeit einfach abzuwarten.
Doch sie kroch nur so dahin.
Immer und immer wieder sah er zur Uhr, die Minuten schienen kein Ende zu nehmen.
Halb lustlos, halb aufgeregt spielte er mit dem Krug herum, drehte ihn hin und her, sah dabei zu wie der Inhalt von der einen zur anderen Seite schwabbte.
Er dachte über Zoe nach, versuchte zu ergründen, ob der ganze Streit nicht irgendwie hätte vermieden wären können. Inwiefern war es ihre Schuld, daß es zu diesem Superkrach kam? Hatte er nicht auch genügend dazu beigetragen?
Je mehr er darüber sein Hirn zermarterte, hatten sie beide sowieso nie wirklich zueinander gepasst. Wirklich schön waren nur die ersten paar Monate gewesen. Das ganze letzte Jahr bestand dagegen nur aus Streitereien, die mal mehr, mal weniger schlimm waren. Aber angenehm oder gar romantisch war an ihrer Beziehung schon lange nichts mehr gewesen. Eigentlich war er insgeheim sogar froh, daß es nun endlich zu dieser Trennung kam, auch wenn die Umstände nicht gerade optimal waren. Wahrscheinlich konnte er diese neue Freiheit noch nicht einmal mehr lange geniessen, da in diesem Dorf jederzeit die Gefahr bestand, daß ihm jemand die Kehle durchschneiden konnte.
Plötzlich spürte er wie jemand von hinten mit einer kräftigen Hand auf seine Schulter tippte.
Vor Schreck gab er einen kleinen Schrei von sich und kippte dabei beinahe den Bierkrug um.
Er drehte sich um, erwartete dabei einen stämmigen Mann, blickte dann jedoch in das strenge Gesicht einer älteren Frau.
„Sie sind also der mit der Autopanne?“ fragte diese mit feststellender Stimme.
Dennis nickte großäugig.
„Dann kommen Sie mit mir mit. Ich bin diejenige auf die sie den ganzen Abend gewartet haben.“
Wenn jemand hier Lust dazu haben sollte, kann er sich das ja mal durchlesen und mir eventuell ein paar Zeilen zu dem "work in progress" schreiben. Mein Gefühl ist jedenfalls, daß sich der Dialog mit dem Tankstellenbesitzer ein bisschen im Kreis dreht und sich ein paar Beschreibungen etwas wiederholen, aber vielleicht sehen andere das ja ganz anders. *g*
* * * * * * *
Nun war endlich der Moment gekommen. Der Moment in dem er endgültig aufgab.
Dennis Reed liess den Kopf auf das Lenkrad seines Autos fallen und wollte der Verzweiflung seiner Seele freien Lauf lassen. Als er jedoch aus Versehen mit seiner Stirn die Hupe traf, richtete er ihn muffig wieder auf. Noch nicht mal in einem der traurigsten Momente seines Lebens war ihm volle Ruhe gegönnt.
Er blickte wieder durch die Frontscheibe seines Wagens und seufzte noch einmal.
Er war in den Graben gefahren, schön.
Kann ja jedem mal passieren. Wenn man die englischen Landstrassen Richtung Birmingham fährt, muß man schon damit rechnen, daß von irgendwoher aus dem Nichts plötzlich so ein dämliches Reh auftauchen kann, und meint in genau dem Moment über die Strasse laufen zu müssen, in dem ein Auto eben diese im höchsten Tempo zu benutzen gedenkt. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit zugegebenerweise doch recht niedrig war.
Natürlich war er ausgewichen! Als Greenpeace-Sympathisant war es seine absolute Pflicht es zu tun! Auch wenn er es als nicht solcher wohl ebenso getan hätte.
Weniger schön an der ganzen Sache war jedoch, daß er direkt in den Graben gefahren war.
Aus dem kam man nur schwer wieder heraus.
An den Schaden, der möglicherweise an seinem Wagen entstanden war, mochte er gar nicht erst denken.
Aber dem Reh ging es gut.
Wenigstens das.
Blödes Vieh.
Dennis' ausdruckslose Miene hatte sich nicht verändert.
Irgendwie war ihm nun alles egal.
Die ganzen letzten Tage war alles schief gegangen. Und mit dem Wörtchen "alles" war auch wirklich alles gemeint.
Zuerst hatte es mächtig Krach mit seiner Freundin gegeben, weil er nicht mit ihr auf die grosse Familienfeier ihrer Eltern gehen wollte. Schon die letzten beiden Male hatte er es dort als furchtbar empfunden. Mit ihrer Famlilie konnte er nicht so richtig und die Familie nicht mit ihm - erst recht nicht mit den Eltern. Daß er beim nächsten Mal nicht dabei sein wollte, hatte er Zoe zwar schon lange vorher angekündigt, aber jetzt wo die neue Feier kurz bevorstand, schien sie es offenbar völlig vergessen zu haben.
Sie hatten sich daraufhin so laut gezofft, daß die alte Frau von nebenan damit drohte die Polizei zu rufen.
Also waren sie leiser geworden.
Und Dennis vernünftig.
Auch wenn er sich ein paar Minuten später deswegen selbst verflucht hatte.
Halbherzig hatte er mit ihr den Koffer gepackt, um das gemeinsame Geschenk hatte Zoe sich selbst kümmern müssen. Der Haussegen hing nun irreparabel schief. Das war zwar schon vorher der Fall, aber nun halt noch ein kleines bisschen mehr.
Auf der Autofahrt hatten sie dann kein Wort miteinander gesprochen. Die einzigen Sätze die fielen, waren: "Ich mache mal das Radio an.", "Halte mal bei der nächsten Tankstelle, ich muß auf Toilette.", "Wie spät ist es jetzt?" und "Viertel nach drei."
Als sie schließlich bei ihren Eltern angekommen waren, hatten sie versucht ihren Groll aufeinander so gut es ging zu verbergen.
Natürlich klappte das nicht.
Zoes Eltern und ein paar andere bereits eingetroffene Familienmitglieder reagierten daraufhin etwas irritiert, also versuchten die beiden sich aus dem Weg zu gehen.
Natürlich klappte auch das nicht.
Also stritten sie sich.
Natürlich nicht an einem Ort, an dem sie unbeobachtet waren, sondern draussen am Gartentisch, als gerade der Salat zu den gegrillten Rippchen verteilt wurde.
Zoe war weinend nach oben ins Haus gerannt und Dennis bekam lauter böse Blicke zu spüren.
Seine Freundin hatte zwar ganz eindeutig mit dem Streit angefangen, aber da Familienmitglieder so ziemlich grundsätzlich auf der Seite ihrer eigenen Sippschaft stehen, hatte er nicht viel Beistand zu erwarten.
Ohne seine Augen vom Teller zu heben, aß er Salat und Rippchen auf, wartete noch ein bisschen, stand auf und ging dann die Strassen auf und ab, um einen klaren Kopf zu bekommen. Er hätte noch gerne gesagt, wie gut die Rippchen und der Salat geschmeckt hätten (beides war wirklich extrem lecker gewesen), aber das wäre in dem Moment wohl unangebracht gewesen.
Blöderweise hatte er sich dann im Ort verlaufen, und als es dunkel wurde, wäre er beinahe in den Wald gelaufen und hätte sich dann dort verirrt.
Er fand erst sehr spät nach Mitternacht zurück, jedoch schliefen schon alle und er musste das ganze Haus wachklingeln, damit sie ihn reinliessen.
Spätestens jetzt hatte er bei Zoes Familie bis in alle Zeiten verschissen.
Am nächsten Morgen, also heute, hatte sie sich von ihm getrennt, und zwar im Beisein ihres Bruders und ihrer Mutter.
Also hatte Dennis seine Koffer ins Auto geschleppt und war losgefahren.
Sollte Zoe doch mit dem Zug fahren.
Blöderweise sollte es ihm erst später einfallen, daß Zoe den Weg nach Hause besser kannte als er. Also verfuhr er sich erstmal tüchtig.
Wenige Stunden später hatte er schließlich den Unfall.
Er war sich nicht ganz sicher, aber durfte man Rehe einfach so erschiessen, auch ohne Jagdschein?
Dennis seufzte und kam zu den Schluss, daß er endlich etwas tun musste, wenn er keine nassen Füsse bekommen wollte.
Er öffnete die Autotür und kraxelte hinaus. Zu seiner eigenen Verwunderung schaffte er dies ohne in den Graben zu fallen.
Er stellte sich auf die Strasse und überlegte was er nun tun sollte.
Er schaute nach links und nach rechts. Es war kein Wagen zu sehen, kein Mensch der ihm helfen konnte.
Wenn er überlegte, war ihm die ganze Zeit, die er die Strasse langgefahren war, kein Auto entgegengekommen. Noch nicht mal Fahrradfahrer oder ein Fussgänger.
Naja. Das musste ja noch nichts heissen.
Er konnte ja erstmal etwas abwarten.
Er setzte sich auf einen Kilometerstein, der nicht weit von dem Auto entfernt war und fand sich mit der Situation ab.
Das Handy hätte jetzt vielleicht geholfen. Dumm nur, daß es sich in der Reisetasche von Zoe befand. Aber wahrscheinlich hätte es hier in der Wallachei sowieso keinen Empfang gehabt.
Dennis trommelte gelangweilt mit seinen Handflächen auf den Seiten den Kilometersteines. Nach einer Minute wurde ihm das zu langweilig und er hörte damit auf.
Der Stein wurde schnell zu kalt und unbequem, also setzte er sich ins Gras und lehnte sich an ihn an. Er stützte seine Arme auf den Knien ab und schaute in den Himmel.
'Wenigstens sieht es nicht nach Regen aus.' dachte er, bemerkte aber, daß der Abend nicht mehr allzu lange auf sich warten liess.
Ganz im Gegensatz zu einem Menschen, der ihm aus der Patsche helfen konnte. Es liess sich einfach keiner blicken.
Also beschloß Dennis es selbst in die Hand zu nehmen. Wenn der Retter nicht zum Propheten kommt, dann muß der Prophet halt zum Retter gehen.
Er stand auf, klopfte sich die Erde von der Hose ab und ging einfach los. Ob oder wann er auf einen Ort treffen würde wusste er nicht, aber das war ihm egal. So wie er es im Gefühl hatte, konnte er hier noch mehrere Stunden verbringen, ohne daß etwas geschehen würde. Und er hatte keine grosse Lust, im Dunkeln noch beim Wagen zu sitzen. Naja, Lust war falsch formuliert, es wäre ihm einfach zu unheimlich.
Während er die Landstrasse entlang ging, blickte er zu den Feldern, die sich links und recht von ihm befanden. Felder, Felder, nicht als Felder... Die mussten doch irgendjemandem gehören? Aber er konnte kein Haus ausmachen, das an ihnen angrenzen würde. Wahrscheinlich gehörten sie einem Bauer, dessen Landsitz sich über mehrere Kilometer erstreckte. Gut möglich, daß er erst in einer Stunde auf das Haus traf. 'Hoffentlich ist dann auch jemand zuhause.' ging es Dennis durch den Kopf, verdrängte den Gedanken aber schnell wieder. Sein Pech wollte er jetzt nicht auch noch herausfordern.
Er ging immer weiter, ohne daß sich etwas an dem Zustand ändern wollte. Einfach kein Haus, weit und breit.
Dennis musste unwillkürlich an die uralte Tankstellenwerbung denken, in der jemand, auf der Suche nach Benzin, eine ebenso langweilige Landstrasse entlangging und über den Bildern „I´m walking“ von Fats Domino lief. Kaum hatte er das Lied in seinem Kopf, hatte er auch schon einen Ohrwurm.
Die Strasse machte eine Biegung und wurde zunehmend von Bäumen eingerahmt.
Der Ohrwurm fing an zu nerven.
Die Baumdichte nahm wieder ab und legte ein weiteres Feld frei, das er zuvor kaum hatte sehen können.
Doch was war das? An ihm grenzte ein paar Kilometer entfernt ein Haus. Nein, es war nicht nur ein Haus, es waren mehrere Häuser. Ein ganzes Dorf.
„Endlich!“ seufzte er erleichtert. „Ich bin gerettet.“
Sein Gang wurde etwas eiliger, wenn auch nicht zu schnell. Das Dorf kam immer näher auf ihn zu.
Als es nur noch wenige Meter entfernt war, bemerkte er über dem Eingang eines Hauses, welches sich direkt an der Strasse befand, ein kleines Schild. Die Schrift und die Farben sahen irgendwie nach Werbetafel aus und als er dort ankam, stellte er mit Freuden fest, daß er recht hatte. 'Bailey´s' nannte sich der Schuppen. Es schien nicht nur eine Tankstelle, sondern auch ein kleiner Supermarkt zu sein. Obwohl 'Supermarkt' wohl etwas übertrieben wäre. Ein Tante Emma Laden traf es eher.
Dennis sah durch das Fenster, konnte aber nichts erkennen. Es war zwar mittlerweile schon recht dämmerig geworden, aber damit hatte es nichts zu tun. In dem Laden wurde nicht mehr gearbeitet, die Lichter waren aus. Aber es schien so, als wäre den ganzen Tag niemand hier gewesen. Es war schließlich Wochenende.
'Und morgen muß ich wieder zur Arbeit...' erinnerte er sich seufzend. 'Ob ich das wohl noch schaffe?'
Dennis ging ein paar Schritte zurück und sah sich um. Direkt neben dem Haus befand sich eine kleine Strasse, die wohl weiter in den Ort ging.
'Wenn ich da langgehe, finde ich bestimmt noch irgendwas anderes.' dachte er und war bereits dabei dem Gedanken Folge zu leisten, als plötzlich ein Mann aus dem Laden kam, in dem sich vorhin noch niemand befunden hatte. Er war äusserst groß, vielleicht um die zwei Meter, war mindestens 50 Jahre alt, hatte einen buschigen Oberlippenbart und trug einen unschönen Wollpullover.
Dennis bekam einen kurzen Schreck, war aber froh endlich jemanden gefunden zu haben.
„Oh, hallo!“ begrüsste er den Mann. „Ich habe schon gedacht, hier wäre keiner mehr.“
Der Mann musterte ihn misstrauisch. „Hier ist auch keiner mehr.“ sagte er.
Was sollte das jetzt heissen? Egal, Dennis ging einfach darüber hinweg. „Wissen Sie, ich habe da einen Autounfall gehabt, und...“
„Was machen Sie hier?“ fragte der Ladenbesitzer unwirsch dazwischen.
'Unfreundliche Art.' dachte Dennis. 'Typisch englische Dorfbewohner, die jeden, der nicht zu ihrem Ort gehört, aus reinem Zwang rüde behandeln müssen.' „Das wollte ich gerade sagen.“ verteidigte sich Dennis. „Ein paar Kilometer von hier habe ich ein Reh...“
„Wie haben Sie hierher gefunden?“ brummte der Mann.
„Ich...“ sagte Dennis verunsichert. „Ich bin einfach die Landstrasse entlang gegangen, das ist alles.“
Der Ladenbesitzer sah ihn nur noch genauer an. „Hm.“
Stille.
„Ähm...“ machte Dennis vorsichtig. „Vielleicht bin ich nur etwas geschafft und kaputt, oder ich verstehe die ganze Situation einfach nur falsch, aber irgendwie habe ich das Gefühl, daß ich mich entschuldigen müsste, ohne zu wissen warum.“
Der Mann sagte immer noch nichts.
„Ich... ähm... Also, wenn ich irgendetwas falsch gemacht haben sollte, sagen Sie mir ruhig was es ist.“
Der Ladenbesitzer fing an, sich wieder zu regen. Er hob seinen Zeigefinger und kratze sich an der Nase. „Um diese Zeit kommt hier normalerweise keiner vorbei.“
„Naja, ich habe auch gehofft, ich wäre zu dieser Uhrzeit längst wieder zuhause, aber...“
„Eigentlich kommt hier nie jemand vorbei.“
Dennis wusste nicht, was er darauf sagen sollte. „...so?“ Er machte ein entschuldigendes Grinsen. „Kommt wohl nicht so oft vor, daß hier jemand einem Reh ausweicht und deswegen in den Graben fährt, so wie ich?“ Wenn er ihm sein Problem auf diese Weise unter die Nase rieb, würde er dann vielleicht reagieren?
Der Ladenbesitzer zögerte mit einer Antwort. „Nein, das passiert in der Tat nicht sehr oft.“
Das war alles was er dazu zu sagen hatte?
„Das Reh ist übrigens tot.“ sagte Dennis herausfordernd.
Sobald jemand das Wort 'tot' in den Mund nahm, schellten bei allen Menschen im Normalfall sämtliche Alarmglocken. Warum also nicht einfach ganz dreist lügen?
„Hm.“ machte der Mann. „Kann man nichts machen.“
Dennis konnte es kaum fassen. „Tja, dann, hm... Also, eigentlich bin ich auf der Suche nach Hilfe.“ sagte er. „Damit ich den Wagen wieder aus dem Graben bekomme. Er macht sich in ihm nämlich nicht gerade schön.“ lächelte er.
Der Mann sah ihn nur weiter abschätzend an.
„Ein Handy habe ich nicht bei mir, sonst hätte ich ja jemanden gerufen. Feuerwehr, Polizei oder so, aber naja.“
„Hier hat keiner ein Handy.“ sagte der Mann.
„Tja.“
„Die funktionieren hier auch gar nicht.“ setzte er hinzu.
„Das ist ja auch nicht so schlimm.“ sagte Dennis. „Ich will Sie ja eigentlich auch nur fragen, ob Sie mir weiterhelfen können. Ob es hier jemanden gibt, der sich mit sowas auskennt, oder sonst irgendwie weiter weiß. Ich bin dann ja auch sofort wieder verschwunden.“ Er unterlegte seinen letzten Satz mit beteuernden Gesten. Er würde wirklich sofort wieder verschwunden sein. Wenn alle Leute hier im Dorf so wie dieser gastfreundschaftliche Mann waren, dann würde er es hier eh nicht lange aushalten wollen.
Der Mann blickte zur Seite und verzog nachdenklich seine Lippen.
„Nun,“ sprach Dennis weiter. „Wenn es hier niemanden gibt der mir weiterhelfen kann, darf ich dann zumindest einen Telefonanruf machen? Dann kann ich wenigstens jemanden von ausserhalb holen lassen.“
Der Mann dachte kurz nach und sah dann wieder Dennis an. „Die Telefone funktionieren zur Zeit nicht.“ sagte er feststellend.
„Oh, äh, was?“
„Ja.“ sagte der Mann. „Die Leitungen sind kaputt.“
Dennis zuckte überrascht mit seinen Augenbrauen. „So? Ja... Warum denn das?“
Der Mann zuckte mit seinen Achseln.
„Und... wann werden sie repariert?“
Der Mann zuckte wieder mit den Achseln.
„Aber... ich muß hier doch irgendwie wieder weg.“ sagte Dennis, mittlerweile nun schon fast verzweifelt. „Ich muß schon morgen wieder zur Arbeit, wissen Sie?“
„Ich denke, daß die Telefone morgen auch wieder funktionieren.“
„Also, werden sie doch wieder repariert?“
„Ja.“
„Aber eben haben Sie doch gesagt, Sie wüssten es nicht.“
Der Mann zuckte mit den Achseln.
So langsam kam Dennis das alles sehr merkwürdig vor. Entweder war dieser Mann extrem beschränkt oder hier stimmte generell etwas nicht.
„Naja... aber... Was soll ich denn jetzt machen?“ sagte Dennis. „Wenn ich bis morgen keine Hilfe holen kann... wo bleibe ich dann so lange?“
Der Mann sah Dennis wieder abschätzend an. „Warten Sie einen Augenblick. Ich komme gleich wieder.“ Er drehte sich um und ging ins Haus zurück.
Dennis sah ihm hinterher. Seltsam. Wirklich seltsam. Er wusste zwar, daß in manchen Orten die Leute auf Fremde sehr abweisend reagierten, aber daß dies gleich so extrem war, hätte er sich niemals vorstellen können. Wenn er gleich gewusst hätte, daß er in so einem Kaff hängen blieben würde, hätte er sich gleich die Reise sparen und sich die gespannte Atmosphäre im Haus von Zoes Eltern geben können.
Er ging auf das Haus zu und schaute nochmals durch die Fenster. Vielleicht konnte er ja erkennen, was der Mann dort drin machte? Aber es befand sich weiterhin kein Licht in dem Raum und bis auf die Umrisse von ein paar Möbelstücken konnte er kaum etwas ausmachen. Er sah auch nichts was sich bewegt hätte. Der Mann war nicht aufzufinden; wusste der Teufel, was er trieb.
Auch wenn er wusste, daß es kaum etwas bringen würde, drückte er sein Gesicht noch stärker an die Scheibe. Naja, es brachte nicht nur kaum etwas, es brachte überhaupt nichts. Er sah nur nicht mehr wie sich sein Gesicht auf dem Glas spiegelte.
„Wonach suchen Sie denn?“ fragte ihn plötzlich von der Seite die vorwurfsvolle Stimme des Mannes.
Dennis' Herz schlug einen Purzelbaum und ließ sofort von der Glasscheibe ab.
„Ich... ich habe Sie nur gesucht, was Sie so machen, äh...“ stammelte er herum.
„Der Bürgermeister wird Ihnen helfen können.“ sagte der Mann unvermittelt.
Dennis ließ sich von seiner Antwort bereitwillig ablenken. „Oh ja? Was kann er denn machen?“
„Sie können die Nacht über bei ihm bleiben.“
Er verstand nicht ganz. „Wie, bleiben?“
„Bis die Leitungen wieder funktionieren.“
„Ähm, Telefon? Ach so, ja.“ sagte Dennis. „Dann kann ich bei ihm übernachten?“
„Das sagte ich doch.“
Innerlich stellte sich Dennis nun darauf ein, daß er morgen nicht mehr rechtzeitig an seinem Arbeitsplatz sitzen würde.
„Und... wie... haben Sie ihn gefragt? Ich meine, das Telefon ist doch...“
„Er ist gerade bei mir.“ sagte der Mann.
„Oh, das ist ja gut!“ sagte Dennis erfreut. „Dann kann ich ihn ja gleich...“
„Das geht nicht.“ blockte er sofort ab.
„Ah, äh, nein?“
„Wir haben gerade eine Besprechung.“
Der Bürgermeister hat eine Besprechung mit dem Besitzer der Tankstelle. Warum nicht?
„Und ich darf ihn... euch jetzt nicht stören, nicht wahr?“
Der Mann schloß seine Augen und schüttelte mit dem Kopf.
„Und, mh, was mache ich jetzt?“ fragte Dennis. „Kann ich so lange zu Ihnen rein und auf ihn warten?“
„Sie können in den Pub gehen und auf ihn warten.“
Ein freundliches 'Nein' wäre Dennis lieber gewesen.
„Er holt mich dort ab? Aber da kann ich doch gleich hier...“
„Nein, sie werden im Pub warten.“
„Und dann gehe ich mit dem Bürgermeister zu ihm nach Hause?“
„Nein. Sie werden zu seinem Haus gebracht.“
'Mein Güte, ist das umständlich.' dachte Dennis, hütete sich aber, das laut auszusprechen.
„Ich kann aber auch ein Zimmer in einer Gaststätte nehmen. Ich will dem Bürgermeister wirklich nicht so viele Umstände machen.“
„Wir haben keine Gaststätte.“
'Wer will bei dieser Gastfreundschaft hier auch schon Urlaub machen?' dachte Dennis.
„Na gut, dann... machen wir es halt so.“ sagte er.
Eine kurze Pause entstand, Dennis wartete darauf, daß der Mann etwas darauf sagte, doch das tat er nicht. Er sah ihn immer noch kritisch an.
„Tja.“ räusperte sich Dennis. „Dann werden wir es so machen.“ Etwas nervös spielte er mit seinen Fingern herum. „Also... wo ist denn diese Gaststätte?“
„Wir haben keine Gaststätte.“
„Äh, den Pub meine ich.“
„Sehen Sie die kleine Strasse, neben meinem Haus?“ sagte der Ladenbesitzer und zeigte in die Richtung.
Dennis folgte seinem Finger und nickte.
„Gehen Sie die einfach lang. Etwas weiter geradeaus finden Sie ihn.“
Als sei dies schon Erklärung genug gewesen, drehte er sich einfach um, und wollte wieder zurück ins Haus gehen.
„Halt!“ rief Dennis. „Wie sieht er denn aus?“
Der Mann drehte seinen Kopf zu ihm. „Sie werden es erkennen.“
„Naja, und wenn nicht?“
Es sah aus, als würde der Mann kurz überlegen, bevor wieder die selbe Antwort gab. „Sie werden es schon erkennen.“
„Aber...“
Doch bevor Dennis weitersprechen konnte, hatte der Mann schon hinter sich die Tür geschlossen.
So richtig willkommen fühlte er sich hier nicht. Wenn die anderen Dorfbewohner genauso waren wie dieser Tankstellenbesitzer, dann stellte er sich den Abend ganz nett vor. Ein herrlicher Ausklang des Tages, er hätte ihn sich nicht besser ausmalen können.
Aber vielleicht war der Mann ja nur der einzige komische Kauz in diesem Örtchen. Es war ja nicht gesagt, daß die anderen genauso sein mussten. Vielleicht waren die restlichen Leute ja sogar alle ganz nett und freundlich? Möglicherweise lachten sie sogar über den Tankstellenmann, kannten sich mit seinen Macken aus. Ja, so musste es sein. Irgendwie musste Dennis sich ja Mut zusprechen.
Er ging die Hauswand entlang und gelangte auf die Strasse, die allerdings mehr wie ein mit Kies überschütteter Feldweg aussah. Naja, die Gemeinde hatte bestimmt nicht viel Geld.
Er konnte bereits die nächsten Häuser sehen. Alles typische, englische Landhäuser, wie man sie immer auf Postkarten oder im Fernsehen sieht, und man sich nie vorstellen kann, daß wirklich in ihnen jemand wohnt. Als Stadtkind konnte Dennis sich das jedenfalls nicht.
Bei einigen Häusern war bereits das Licht angegangen. Das ließ ihn erst bewusst werden, wie spät es bereits wirklich war.
Nicht weit von ihm entfernt konnte er ein kleines Haus sehen, das ein etwas anderes Erscheinen als die anderen hatte. Es wirkte etwas zweckmässiger und es gab keinen Vorgarten. Zudem waren ein paar Fahrräder an der Wand angelehnt. Das konnte nur der Pub sein. Er ging nicht davon aus, daß es eine Familie gab, bei der jedes Mitglied mindestens drei Fahrräder besass.
Er ging auf das Haus zu, fühlte sich dabei aber auf eine unerklärliche Art und Weise unwohl. Irgendwie hatte er das Gefühl beobachtet zu werden.
Er sah um sich, konnte aber nichts direkt Auffälliges entdecken.
Wahrscheinlich waren es die Blicke der Dorfbewohner, die garantiert durch die Gardinen aus den Fenstern starrten. Dennis konnte sich gut vorstellen, daß sie alle neugierig waren, wer bloß dieser komische Kerl sein konnte, der bei ihnen unangemeldet durch den Ort spaziert.
Er gab den Gedanken auf, daß der Mann von der Tankstelle der einzig abweisende Typ im Ort war.
Schließlich kam er bei der Tür des Pubs an. Er räusperte sich ausgiebig und machte sie vorsichtig auf.
Richtig, genau wie er erwartet hatte. In dem Moment, in dem er sie öffnete, konnte er für eine halbe Sekunde noch ein belebtes Durcheinander von Stimmen hören. Vielleicht sogar noch ein herzhaftes Lachen. Doch kaum als Dennis gesamtes Antlitz zu erkennen war, war alles sofort verstummt.
Ungefähr dreizehn Gesichter starrten ihn durchdringend an. Der Ausdruck war genau der selbe wie der des Tankstellenbesitzers.
'Hui.' dachte Dennis. 'Also los!'
„Guten Abend!“ Er hob seine Hand und winkte den Männern unbeholfen zu.
Es kam keine Antwort.
Dennis war die Situation mehr als nur unangenehm. Er fing an zu schwitzen und sah sich unsicher um.
„Ich... ich... wollte hier nur auf... den Bürgermeister warten, weil... ähm... ich hatte nämlich einen Autounfall und das Reh...“ Er versuchte seine stammelnde Rede mit einem Lächeln aufzulockern. „Tja, das ist jetzt halt tot, nicht wahr?“
Ein älterer Mann mit einem gefährlich langem und buschigen Bart nahm einen Schlug aus seinem Bierkrug, stellte diesen dann ab und fragte: „Was für ein Reh?“
„Äh... Da draussen!“ zeigte Dennis. „Dumme Sache. Es tut mir ein bisschen leid, das Tier.“
Wieder sagte keiner was.
Dennis wartete darauf, daß er endlich im Boden versank, doch auch das wollte einfach nicht passieren.
„Ich... brauche deswegen erstmal ein Bier!“ sagte er schließlich laut und entschlossen und ging ebenso laut und entschlossen auf den Tresen zu. Die Leute folgten ihm mit ihren Blicken. Dennis setzte sich auf den einzigen Barhocker der noch frei war und rief dem Barkeeper zu: „Gib mir ein Ale! So ein richtig kaltes!“
Der Barkeeper, der gerade einen Krug abtrocknete und auf irgendetwas herumzukauen schien das wie ein überdimensionaler Zahnstocher aussah, musterte ihn erst misstrauisch, füllte dann zögernd den Krug auf und stellte ihn Dennis vor die Nase.
„Dankeähmm...“ machte Dennis. „Wieviel... kostet das denn hier bei euch?“
Der Riesenzahnstocher im Mund des Barkeepers rutschte von der einen Mundecke zur anderen.
„Das geht aufs Haus.“ sagte er ebenso wortkarg und auf das nötigste reduziert wie sich auch schon der Mann an der Tankstelle äusserte.
„Oh!“ sagte Dennis. „Wirklich?“ Er schaute um sich und versuchte den ganzen Leuten ein Lächeln zuzuwerfen. Dies machte er allerdings so eilig und flüchtig, daß er niemanden genau ansah, was auch durchaus seine Absicht war. „Das ist... sehr gastfreundlich!“ Er nahm einen Schluck, um zu beweisen, daß ihm das mit dem Bier auch wirklich ernst war. Doch kaum als der erste Tropfen an seine Zunge kam, verspürte er auch schon ein Würgegefühl. Die Reize die ihm übermittelt wurden, sagten ihm, daß das, was er nun in seinen Mund kippen würde, das ekelhafteste Gebräu sein würde, das er je zu sich genommen hatte. Und wie er sehr schnell darauf feststellen musste, hatten seine Reize recht gehabt. Aus reiner Nettigkeit versuchte er den Schluck etwas grösser zu machen, um einen Gefallen an dieser Säure vorzutäuschen. Er wollte ihnen damit sagen: 'Hey, schaut! Ich bin einer von euch!' Doch daß ihn die Augen dabei verrieten, war wohl nur schwer zu verbergen.
Leicht benommen stellte er den Krug wieder ab. „Aaaah, ist das gut!“ krächzte er. Jetzt wo er keine Nässe mehr auf seiner Zunge verspürte, fühlte sie sich an, als wäre sie mit äusserster Kraft ausgewrungen worden. „Ichäch... das ist wirklich hervorragend!“ Er versuchte verzweifelt im Mund Speichel zu sammeln, der die Zunge mit etwas Flüssigkeit versorgen sollte. Doch dieser war so dick, daß er seinen Zweck nicht ernsthaft erfüllen konnte.
Die Dorfbewohner sahen ihm dabei zu, wie er etwas nervös auf dem Hocker hin und herrutschte und sich immer wieder den Hals hielt. Dennis nahm wieder einen Schluck.
„Lecker, verdammt lecker!“
„Finden Sie?“ sagte der Barkeeper. „Nicht jeder mag es.“
„Doch, doch, sehr gut.“ sagte Dennis und stellte den Krug rasch wieder ab. „An dem Geschmack findet man zwar nicht sofort Gefallen...“ versuchte er sich vorsichtig zu äussern. „Aber das ist halt wie mit Oliven oder Peperoni, nicht wahr? Bei denen muß man auch erst ein paar gegessen haben, bis man sie mag.“
„Ich mag keine Oliven.“ sagte der Barkeeper.
„Oh, ähm, müssen Sie mal probieren! Sehr gut! Aber nicht so gut wie das Bier!“
„Und Sie warten auf den Bürgermeister?“ fragte er. Allerdings klang es mehr wie eine Feststellung denn wie eine Frage.
„Ja.“ sagte Dennis. „Oder zumindest auf einen, der mich zu ihm bringen soll.“
„Aha.“ sagte er und wand sich von ihm ab. Er ging wieder auf dem Stapel von Krügen zu, die er noch alle abtrocknen musste.
„Der kommt wohl später... irgendwann.“ sagte Dennis, der verzweifelt versuchte, irgendwie im Gespräch zu bleiben. Er würde es nicht ertragen können, hier weiter rumzusitzen während die Gäste ihm beim Schweigen zugucken. Doch der Barkeeper reagierte einfach nicht mehr. „Ich denke mal... in einer halben Stunde ist er wieder da.“
Weil der Barkeeper weiterhin nichts sagte, wand Dennis sich seinem Nebenmann zu, der an einer Pfeife paffte.
„Das dauert bestimmt nicht lange.“ sagte Dennis zu ihm.
Der Mann drehte seinen Kopf zur Seite.
Dennis wand sich sich seinem anderen Nachbarn zu, der etwas jünger als der Durchschnitt in diesem Raum war. „Oder was denken Sie?“
„Er kommt garantiert sehr bald.“ antwortete er.
„Na, das klingt ja schon mal ganz gut.“ sagte Dennis und legte ein Lächeln auf, das von dem Mann allerdings nicht erwidert wurde, was Dennis dazu veranlasste eben dieses sehr schnell ersterben zu lassen. „Naja... dachte ich jedenfalls.“
Ohne ein Wort von sich zu geben, stand der Mann einfach auf und ging in eine andere Ecke des Pubs.
„Jaaa...“ machte Dennis und blickte ihm hinterher. „Ich wollte sowieso gerade gehen... auf Toilette, meine ich.“
Dennis rutsche von seinem Barhocker und flüchtete in Richtung WC-Tür. Er riss sie geradezu auf, stolperte hinein, und warf sie wieder hinter sich zu. Mit einem verzweifelten „Uff.“ lehnte er sich an sie und fuhr mit der Hand durch seine Haare.
„Verdammt, wo bin ich hier nur gelandet?“ ächzte er.
So verweilte er einen kleinen Moment bis er sich schließlich wieder fasste und auf das Waschbecken zuging. Er drehte den Hahn für das kalte Wasser auf, hielt seine Hände unter den Strahl und fuhr dann mit ihnen durch sein Gesicht. Diese Abkühlung hatte er wirklich bitter nötig.
Er seufzte und betrachtete sich selbst im Spiegel.
Oh ja, diese Falte unter dem rechten Auge hatte er vorher garantiert nicht gehabt, daran hätte er sich erinnert. Die hatte sich garantiert im Laufe der letzten paar Stunden entwickelt, da war er sich ziemlich sicher.
Dennis bewegte sein Gesicht näher in Richtung Spiel, um sich die besagte Stelle genauer ansehen zu können. Mit dem Zeigefinger zog er sorgfältig die Linien seines Auges nach und überprüfte sie ganz genau. Plötzlich erstarrte er in der Bewegung.
„Was mache ich hier eigentlich?“ fragte er sich fassungslos.
Er lehnte sich kopfschüttelnd über sich selbst wieder zurück, allerdings nicht ohne dabei den Blick von dem Spiegel zu verlieren. Nun wo er ein besseres Sichtfeld auf das Reflektiergerät hatte, fiel ihm ein rotfarbenes Gekrakel auf, welches sich direkt hinter ihm befand. Er drehte sich neugierig um, um zu gucken, mit welchem Beinahe-Kunstwerk die Wand verziert worden war.
Ein großer Judenstern? Was hatte das denn zu bedeuten?
Er runzelte die Stirn.
Nein, das war ein Pentagramm.
Ein Pentagramm in einer Bartoilette eines kleinen Kaffs, irgendwo auf dem Lande.
Bis jetzt war ihm am gesamten Dorf noch keine Kleinigkeit aufgefallen, die nicht exzentrisch war, aber das toppte alles.
Ohne sich was dabei zu denken, kratzte er mit dem Fingernagel an der Farbe herum.
Wenn das wirklich Farbe war.
Denn nachdem er dies für etwa zwei Sekunden getan hatte, kam ihm diese für seine Begriffe ungewöhnlich bröckelig vor.
Weil es vielleicht keine Farbe war?
Langsam zog er seinen Finger zurück und sah sich mit einem belustigten 'Ach nein, das kann einfach nicht sein.'-Gesichtsausdruck seine Fingerkuppe an.
Nachdem er dies etwa 5 Sekunden lang getan hatte, verschwand sein Lächeln jedoch endlich.
Also gut. Wenn das Zeug mit dem das Pentagramm an die Wand geschmiert war, wirklich das war was er vermutete, und es mit der Tatsache verband, daß dieses Gebilde sich hier ganz selbstverständlich und für jedermann sichtbar in diesem Raum befand (was eindeutig hieß, daß jeder im Dorf davon Bescheid wusste), dann wurde ihm diese kleine Gemeinde nur noch unheimlicher als sie es ohnehin schon war.
Was sollte er nun tun? Flüchten?
Das wäre eine wahnsinnig saudumme Idee. Er hatte ja selbst gesehen, daß dieser Ort über mehrere Kilometer hinweg der einzige in dieser Einöde war. Wo hätte er hin sollen? Und wenn er flüchten würde, dann bliebe das von den misstrauischen Dorfbewohnern nicht unbemerkt. Gut möglich, daß sie sich sofort auf die Suche nach ihn machen würden. Und Gott wusste was sie dann mit ihm machen würden.
Selbst wenn die Flucht eine gute Idee gewesen wäre, die einzige Möglichkeit hätte sich ihm wohl nur jetzt geboten. Dies war der einzige Ort an dem er unbeobachtet war. Sobald er den Toilettenraum wieder verliess, war er unter permanenter Aufsicht der beunruhigenden Satanisten-Bevölkerung. Wenn er also hätte abhauen wollen, so hätte er dies durch das Fenster direkt über dem Pentagramm machen müssen, aber eben dieses war dummerweise mit recht stämmigen Eisenstangen vergittert.
Was sollte er nun tun?
Das konnte er nur schwer sagen. Das Einzige dem er sich sicher war, war, daß er wohl nur noch mehr Misstrauen erregen würde, wenn er sich noch länger in der Toilette aufhielt. Wenn er hier nicht bald wieder verschwand, um sich auf seinen alten Platz zu setzen, würde garantiert einer vorbeikommen, um nachzusehen was er hier trieb.
Dennis schluckte. Er wand sich wieder dem Waschbecken zu, wusch seine Hände, um sie von der Beinahe-Farbe zu befreien, trocknete sie ab und stellte sich vor die Tür, die zurück in den Pub führte.
Er nahm all seinen Mut zusammen und machte die Tür auf.
Aus irgendeinem Grund schien sich die Atmosphäre während seiner Abwesenheit etwas gelockert zu haben. Zwar waren die Gespräche der Leute weiterhin nicht so angeregt wie in dem Moment als er den Pub betreten hatte, aber immerhin schien die Stimmung nicht mehr so gespannt zu sein.
'Dann schwebe ich offenbar doch nicht ganz so akut in Lebensgefahr wie angenommen.' dachte Dennis, wenn auch nur mit einer ¼-Überzeugung.
Er wollte sich wieder auf seinen Platz setzen, um dort weiterhin auf das Ende des Horrorszenarios zu warten, als er bemerkte, daß sich auf dem Platz, von dem er vorhin noch jemanden vertrieben hatte, ein neuer Gast platziert hatte. Ein Gast, der so ganz und gar nicht in diese Umgebung passen wollte, sei es dieser elende Pub oder das noch elendere Dorf.
Eine etwas nachdenklich ins Leere blickende junge Frau mit schulterlangen blonden Haaren nippte an ihrem Krug und schien alles was um sie herum geschah nicht wahrzunehmen.
'Na, das ist doch eine weitaus angenehmere Gesellschaft als das was ich hier bisher angetroffen habe.' dachte Dennis erleichtert. Zumindest war sie ansatzweise in seinem Alter.
Er bewegte sich auf seinen Hocker zu, auf den er sich sogleich schwungvoll setzte.
„Hallo.“ lächelte er die Frau an. „Sie warten nicht zufällig hier auch auf jemanden?“
Die Frau wurde von seiner Stimme aus den Gedanken gerissen. Mit einem überraschten „Hm?“ stellte sie ihren Krug auf den Tresen ab und blinzelte ihn verwirrt an.
„Ich habe sie nur gefragt, ob sie auf jemanden warten.“ lächelte Dennis weiter.
Die junge Frau musterte ihn kurz. „Ach... Sie sind der Kerl mit dem kaputten Wagen, nicht wahr?“
Dennis ließ seinen Kopf in ein zögerliches Nicken fallen. „Ja, der bin ich. Aber woher wissen Sie, daß...“
„Naja, was erwarten Sie denn?“ sagte sie gleichgültig und wand sich wieder ihrem Bier zu. „Glauben Sie etwa tatsächlich, daß so eine Information länger als 10 Minuten braucht, um sich in so einem kleinen Dorf zu verbreiten? Natürlich weiß ich wer Sie sind.“
„Heh.“ gab Dennis gezwungen von sich. „Aber Sie wissen bestimmt nicht wie ich heisse, oder?“
Sie warf ihm aus den Augenwinkeln einen genervten Blick zu.
„Dennis Reed ist mein Name.“ sprach er einfach weiter.
Sie hob ihre Augenbrauen an und nahm einen Schluck.
„Und.... Ihr Name ist?“ fragte er unsicher an.
Ohne so richtig darauf reagieren zu wollen, wischte sie einfach nur ihren Mund mit dem Handrücken ab. „Was soll das werden? Ein Flirt?“
Dennis blinzelte erschrocken und brauchte eine Sekunde, um sich zu fangen. „Ein Flirt?“ fragte er irritiert. „Nein! Ich will wirklich nur...“
„Und ich will für den Moment einfach nur in Ruhe gelassen werden, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“ unterbrach sie ihn und sah ihm unterschwellig gereizt in die Augen.
Dennis schluckte und nickte verständnisvoll mit dem Kopf.
„Dann vielen Dank.“ sagte sie und setzte wieder zu einem Schluck an. „Ich habe nämlich nicht vorgehabt mich an dem letzten Abend nerven zu lassen, bevor...“ Sie blieb mitten im Satz hängen, erstarrte für einen Moment in der Bewegung... und kippte sich schließlich doch noch das Gebräu in den Mund.
Dennis sah sie erwartungsvoll an. „Bevor... bevor was?“
Langsam wurde sie richtig ärgerlich. „Ich glaube nicht, daß Sie das irgendetwas angeht, Mr Reed.“
Dieser wich sofort zurück. „Tut mir leid, ich wollte doch nur...“
„Mir egal was sie wollen, aber offenbar können Sie Ihre Klappe tatsächlich nicht halten.“
„Entschuldigung.“ sagte Dennis und hob seine Arme „Aber es kann doch nicht verboten sein, zu...“
Sie stand unvermittelt auf und griff nach der Jacke, die auf dem Tresen lag. „Jajaja... blabla... Ich gehe jetzt.“
Der Barkeeper, der sich mit einem anderen Gast unterhielt, sah überrascht auf. „Katrina, du willst schon gehen? Du bist doch gerade erst gekommen.“
„Ja, es tut mir leid.“ entschuldigte sie sich halbherzig. „Aber hier finde ich noch weniger Ruhe als bei mir zuhause. Ob ich nun dort nervös die Räume auf und ab gehe oder ob ich mich hier von der Seite dumm anquatschen lasse, macht für mich auch keinen Unterschied mehr.“
„Na gut.“ sagte der Barkeeper enttäuscht und warf Dennis ein kurzen, aber giftigen Blick zu. „Dann spanne dich noch ein bisschen aus. Das Bier brauchst du auch nicht zu bezahlen.“
„Das ist nett, danke.“ sagte sie, während sie den Reissverschluß ihrer Jacke schloß.
„Aufgeregt, wegen später, hm?“ fragte er sie besorgt.
„Ja, das kann man wohl sagen.“ seufzte sie. „Ein bisschen mulmig ist mir schon.“
„Du brauchst keine Angst zu haben, wir sind ja alle da.“
Sie lächelte ihm zu. „Danke.“
„Bis später.“ zwinkerte er väterlich.
„Bis später.“ gab Katrina zurück und verließ relativ eilig den Pub.
Dennis, der dem Schauspiel verwirrt beigewohnt hatte, sah den Barkeeper fragend an. „Was ist denn mit ihr und weswegen ist sie so aufgeregt?“
Der Blick des Mannes verfinsterte sich sofort. „Halten Sie Ihren Mund. Sie haben für heute schon genug dumme Fragen gestellt.“
Dennis rollte mit den Augen. „Entschuldigung, daß ich mir Sorgen gemacht habe. Kommt sicherlich nicht wieder vor.“ brummte er leise und spielte lustlos mit seinem Krug herum.
Der Barkeeper tat langsam zwei Schritte nach vorne, sein Blick wurde zunehmend düsterer. Dennis wich mit seinem Barhocker ein paar Zentimeter zurück und sah den Mann verängstigt an.
'Verdammt.' dachte er schwitzend. 'Jetzt habe ich es geschafft einen dieser satanistischen Hinterwäldler zu reizen.'
Der Barkeeper ballte beide Hände zu Fäusten und stützte sich mit ihnen auf dem Tresen ab, sah Dennis dabei bedrohlich in die Augen. „Nun hören Sie mir mal zu, mein Lieber. Ich weiß nicht genau was Sie für ein Problem haben und warum Sie wirklich hier sind, aber ich schlage vor, daß sie von nun an ganz ruhig auf ihrem Platz sitzen bleiben und keinen Pieps mehr von sich geben.“
Dennis schluckte und fing an zu schwitzen. „A... a... aber ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich draussen einen Unfall...“
Der Barkeeper beugte seinen Oberkörper weiter nach vorne. Es waren nur wenige Zentimeter die die Gesichter der beiden voneinander trennten.
„Erzählen Sie ruhig was Sie wollen, mir ist das komplett egal. Ich will einfach nur, daß Sie ihre Klappe halten bis Sie endlich abgeholt werden. Haben wir uns vestanden?“
Dennis nickte zaghaft, die Hand mit dem Krug zitterte vor Aufregung.
„Dann ist ja alles geklärt.“ Der Mann liess von ihm ab und wand sich wieder den anderen Leuten die am Tresen saßen zu.
Dennis zog am Kragen seines Shirts herum, sein Herz fing an sich zu beruhigen. Von der Seite konnte er leise vernehmen wie sich der Barkeeper mit ein Gästen über ihn unterhielt. Ein paar Wortfetzen kamen ihm dabei zu Ohren. 'Störenfried'... 'merkwürdig'... Richtig Sorgen machte ihm jedoch 'Spion'.
'Spion'? Hielten sie ihn etwa tatsächlich für einen Spion? Was sollte er denn hier spionieren? Was ging in diesem Dorf wirklich vor sich?
Die Sorge um sein Leben, die er vorhin bei der Unterhaltung mit der blonden Frau für kurze Zeit vergessen hatte, kehrte nun langsam wieder zurück.
'Danke.' dachte er wütend. 'Danke, du dämliches Reh. Auf welchem Feld du nun auch immer rumhüpfen magst, ich hoffe, du verreckst noch an einem vergammelten Kleeblatt.'
Er machte sich auf seinem Hocker so klein wie möglich, blickte starr auf seinen Bier und wagte es gar nicht mehr sich zu bewegen.
Hinter dem Tresen, direkt über der Kasse, hing eine Uhr, welche er erst jetzt aus den Augenwinkeln bemerkte. Verstohlen wagte er einen Blick, um die Zeit zu überprüfen. Es war bereits 7:00 Uhr.
Seufzend legte er seinen Blick wieder auf den Krug, und beschloß die Zeit einfach abzuwarten.
Doch sie kroch nur so dahin.
Immer und immer wieder sah er zur Uhr, die Minuten schienen kein Ende zu nehmen.
Halb lustlos, halb aufgeregt spielte er mit dem Krug herum, drehte ihn hin und her, sah dabei zu wie der Inhalt von der einen zur anderen Seite schwabbte.
Er dachte über Zoe nach, versuchte zu ergründen, ob der ganze Streit nicht irgendwie hätte vermieden wären können. Inwiefern war es ihre Schuld, daß es zu diesem Superkrach kam? Hatte er nicht auch genügend dazu beigetragen?
Je mehr er darüber sein Hirn zermarterte, hatten sie beide sowieso nie wirklich zueinander gepasst. Wirklich schön waren nur die ersten paar Monate gewesen. Das ganze letzte Jahr bestand dagegen nur aus Streitereien, die mal mehr, mal weniger schlimm waren. Aber angenehm oder gar romantisch war an ihrer Beziehung schon lange nichts mehr gewesen. Eigentlich war er insgeheim sogar froh, daß es nun endlich zu dieser Trennung kam, auch wenn die Umstände nicht gerade optimal waren. Wahrscheinlich konnte er diese neue Freiheit noch nicht einmal mehr lange geniessen, da in diesem Dorf jederzeit die Gefahr bestand, daß ihm jemand die Kehle durchschneiden konnte.
Plötzlich spürte er wie jemand von hinten mit einer kräftigen Hand auf seine Schulter tippte.
Vor Schreck gab er einen kleinen Schrei von sich und kippte dabei beinahe den Bierkrug um.
Er drehte sich um, erwartete dabei einen stämmigen Mann, blickte dann jedoch in das strenge Gesicht einer älteren Frau.
„Sie sind also der mit der Autopanne?“ fragte diese mit feststellender Stimme.
Dennis nickte großäugig.
„Dann kommen Sie mit mir mit. Ich bin diejenige auf die sie den ganzen Abend gewartet haben.“
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Wenn jemand hier Lust dazu haben sollte, kann er sich das ja mal durchlesen und mir eventuell ein paar Zeilen zu dem "work in progress" schreiben. Mein Gefühl ist jedenfalls, daß sich der Dialog mit dem Tankstellenbesitzer ein bisschen im Kreis dreht und sich ein paar Beschreibungen etwas wiederholen, aber vielleicht sehen andere das ja ganz anders. *g*
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