Thomas Zaun
Wie klein die Welt doch ist ....
Wie klein die Welt doch ist ....
Langsam schritt er durch das frisch gemähte Gras. Es war noch sehr früh am Morgen und er war ganz alleine, seine einzige Begleitung war der angenehmen Geruch des Heus.
Allmählich wechselte die Farbe des Sonnenaufgangs von Dunkelrot ins Orange und hüllte die Bäume und Felder der Umgebung in ein angenehmes Licht.
Fast jeden Tag wanderte er über die Felder auf welchen sowohl Roggen als auch Weizen und Mais angepflanzt waren. In der Ferne zog ein Adler einsam seine Runden um dann nach erfolgreicher Jagt zu seinem Horst zurückzukehren.
Gemütlich führte ihn heute Morgen sein Weg, vorbei an den vielen Feldern, durch einen kleinen Wald zu einem Städtchen, welches dahinter lag.
Einige Bewohner gingen schon ihrer täglichen Arbeit nach oder waren mit ihren Automobilen unterwegs zu ihrem Arbeitsplatz. Die jüngeren Bewohner hatten sich an einem Warteplatz versammelt, um dort von einem Schulbus zum Unterricht gebracht zu werden.
Auch die Bäckerei hatte bereits geöffnet und der Geruch von frischer Backware drang durch die Luft.
„Es wäre wirklich sehr bedauerlich, wenn dies hier alles wirklich enden sollte“, erklang überraschend eine Stimme neben ihm.
„Bedauerlich ?!“, entgegnete er entrüstet seinem Kollegen aus dem Versuchslaboratorium, der sich unbemerkt genähert hatte. „Hazit, das wäre eine Katastrophe !“ Mit einer bedeutsamen Geste unterstrich er seine nächsten Worte. „All diese Lebewesen, all das Wissen, welches sie sich in so kurzer Zeit angeeignet haben – Sie erforschen ihre Nachbarplaneten und beobachten mit Teleskopen all die Wunder und die Schönheit ihrer Galaxie, ohne zu wissen, dass ihr Sonnensystem das einzige ist, welches wirklich existiert, so klein, dass es bequem in unserem Hauptlaboratorium Platz hat; alles was sie durch ihre Teleskope sehen, ist nur eine Simulation. Haben wir denn wirklich das Recht, dieses Leben zu erschaffen und dann einfach emotionslos den Stecker zu ziehen ... ?“
Einen tiefen Atemzug der simulierten Luft und einen weiteren umherschweifenden Blick hinüber zu den im Wind spielenden Baumwipfeln des Waldes später, wandte sich Hazit verständnisvoll an seinen Kollegen. „Merit, ich kann dich gut verstehen. Auch ich fände es gut, wenn die Entscheidung der Kommission so ausfällt, dass diese Zivilisation die Möglichkeit hat, ihr natürliches Ende zu finden. Immerhin vergeht hier in einer unsere Minuten ein ganzer Tag. Wenn man uns doch nur noch ein paar Monate genehmigen würde......, dann wäre das Problem von ganz alleine aus der Welt. Aber die Mitglieder der Kommission sehen dieses Experiment nicht auf die selbe Art und Weise wie wir, für sie sind diese Lebewesen nichts weiter als Bakterien oder Viren. Und ihrer Meinung nach ist der Energieaufwand, diese Anlage in Betrieb zu halten, einfach zu hoch, und bei der derzeitigen Knappheit unserer natürlichen Energieressourcen bezweifele ich, dass eine Entscheidung zu unseren Gunsten ausfällt.“ Hazit schloss gedankenverloren die Augen. „Und zu Gunsten der Lebewesen, die diese Welt ihr Zuhause nennen“, fügte er schließlich noch hinzu.
Merit nickte zustimmend und beobachtete ein kleines Mädchen, welches zügig rannte, um den Schulbus noch zu erreichen. Als sie die Position der beiden Wissenschaftler erreichte, lief sie mitten durch Merit hindurch, ohne von ihm Notiz zu nehmen. Keuchend erreichte sie so eben noch den Bus.
„Schade, dass wir diesen Ort nicht wirklich besuchen können und uns nur ermöglich wird virtuell aufgezeichnete Geschehnisse zu beobachten“, bemerkte Merit kummervoll und deaktivierte mit seinem Haupttentakel das an der Stirn befestigte neurale Interface.
Sein Kollege tat es ihm gleich, und so standen sie kurze Zeit später wieder beide in der Realität ihres Labors vor einer gewaltigen Apparatur, welche rhythmisch summte und so vielen Wesen damit Leben spendete.
„Noch ist nichts entschieden, vielleicht ......“, begann Hazit, wusste aber nur zu genau, dass es aussichtslos war auf eine positive Entscheidung der Kommission zu hoffen.
„Ich werde noch heute einige private Investoren kontakten, eventuell bekommen wir so genug finanzielle Mittel zusammen, um den Betrieb der Anlage zu sichern“, sagte Merit mit leichter Hoffnung in der Stimme und ging in Richtung Ausgang um sich in sein Privatbüro zurückzuziehen, wo er die Kontakte herstellen wollte. Jedes kleinste Detail konnte helfen, und so wollte Merit nicht um finanzielle Hilfe für eine namenlose Welt bitten. Aus diesen Grund hielt er auf der Türschwelle kurz inne und wandte sich noch einmal an seinen Kollegen. „Hazit, wie nennen diese Lebewesen ihre Welt noch mal ?“
Hazit kramte kurz in seinen Gedanken, dann fiel ihm der Name wieder ein. „Erde, sie nennen ihre Welt Erde.“
Mit dieser Information machte Merit sich auf in sein Büro und begann damit, die zahlreichen Anfragen zu verfassen.
Als er gerade den letzten Brief über das Datennetzwerk abschickte ging auf dem Planeten Madenus die zweite Sonne unter.
THE END