Rezension:
Mark Watney ist sowas von im Arsch. Ich würde mich ja nie so dermaßen rüde ausdrücken, aber genau mit dieser Wortwahl umschreibt der auf dem Mars gestrandete Astronaut die Situation, in die er geraten ist, mit eigenen Worten in seinem Logbuch. Und das durchaus berechtigt. Dabei hatte die dritte bemannte Marsmission – Ares 3 – noch gut begonnen. Die 124tägige Reise von der Erde zum Mars war gut verlaufen, eine funktionsfähige Wohnkuppel, Rover, Ausrüstung, Proviant, Rückkehrmodul etc. hatten bereits auf die 6 Mitglieder von Ares 3 gewartet und genau 5 Tage lang sah alles so aus, als würde auch diese Mission ein großer Erfolg für die NASA werden. Doch dann zog ein Sturm auf – und zwar wortwörtlich, nicht sinnbildlich.
Drohende Windgeschwindigkeiten von 175 Kilometern pro Stunde gefährdeten die Wohnkuppel und die NASA musste den Abbruchbefehl übermitteln. Zusammen mit seinen Kollegen machte ich Mark Watney auf dem Weg zum Rückkehrmodul, das sie zurück zu ihrem im Orbit wartenden Raumschiff bringen sollte. Trotz des Sturms ein eigentlich kurzer und einfacher Spaziergang, doch Mark Watney sollte nie sein Ziel erreichen. Denn auf halbem Weg zum Rückkehrmodul, löste sich angesichts der Windböen die Funkanlage auf, lange Antennen schossen wie Speere durch die Luft und eine davon durchstieß Watneys Raumanzug. Aufgespießt und mit vollen Wucht getroffen torkelte er über einen steilen Abhang und nur reinem Zufall war es zu verdanken, dass er dabei nicht starb, sondern lediglich das Bewusstsein verlor. Als er wieder erwachte, musste er zwei Dinge feststellen: Erstens war der Sturm war abgeflaut und die Wohnkuppel trotz Bedenken der NASA intakt geblieben. Juchhu! (Zitat Mark Watney). Zweitens war das Rückkehrmodul weg, seine Kameraden hatten ihn für Tod gehalten, waren gestartet und inzwischen auf dem Rückweg zur Erde. Mist! (Ebenfalls Zitat Mark Watney).
Ohne funktionierende Funkanlage, mit Ausrüstung und Lebenserhaltungssysteme, die nur für eine einmonatige Mission gedacht waren und Proviant, der für eine Person nur 300 Tagen reichen kann, muss Mark Watney auf dem Roten Planeten überleben. Vielleicht volle vier Jahre, wenn Watney keine Funkverbindung zur Erde herstellen kann. Denn erst in vier Jahren soll die nächste reguläre Marsmission – Ares 4 – im 3.200 Kilometer entfernten Schiaparelli-Krater landen. Aber auch diesen Krater muss er erst noch erreichen.
Fazit: Autor Andy Weir wirft seinen einsamen Helden in eine ziemlich hoffnungslose Situation, an die er Mark Watney jedoch nicht verzweifeln lässt. Die Ausgangssituation hätte auch gut zu einer melancholisch-depressiv erzählten Geschichte gepasst, doch das ist „Der Marsianer“ keinesfalls, denn Mark Watney ist der “MacGyver des Weltalls”. Ein Alleskönner, der sich im Ingenieurswesen genauso zurechtfindet wie in der Botanik und dabei immer einen markigen Spruch für die Leser seines Logbuchs übrig hat. Diese Sprüche sind aber zur Auflockerung wirklich notwendig, denn Watney erläutert dem Leser so ziemlich jede Berechnung und jeden wissenschaftlichen Fakt ziemlich ausführlich. Diese sind mal mehr und mal weniger interessant, das wird wohl jeder Leser recht unterschiedlich empfinden. Mir persönlich gefielen technische Details, während mich Watneys improvisierter Kartoffelacker ziemlich angeödet hat – so wie der Geschmack der Kartoffeln Watney angeödet hat, als ihm der vorrätige Proviant ausgegangen ist.
Während Watney seine Handlungen im Logbuch sehr detailliert wiedergibt, lässt Andy Weir ihn aber seltsamerweise nur selten erläutern, wie grundlegende Dinge aussehen. Man rätselt ziemlich lange, wie die offenbar wirklich kreisrunde Wohnkuppel in Räume unterteilt wird, wie groß die sogenannten „Rover“ überhaupt sind, welche Form sie haben, wie Lande- und das Rückkehrmodul aussehen, etc. Diese fehlenden oder sehr vagen Beschreibungen kritisiere ich jetzt nicht, weil mich wie erwähnt mehr die technischen Aspekte von Watneys Überlebenskampf interessierten, sondern einfach weil solche Beschreibungen bei der Orientierung hilfreich sind. Immerhin gibt es ja doch so einige Konzepte für Marsmissionen, verschiedenste Ideen, wie die Unterkünfte und die Fortbewegungsmittel aussehen könnten. Da man sich mitunter ein falsches Bild macht, wenn der Autor keine derartigen Informationen liefert, kann so manche Passage etwas seltsam – sogar fehlerhaft – wirken, obwohl sie eigentlich ganz anders gedacht war, was eventuell erst sehr viel später im Roman eine Klarstellung erfährt. So eine Marsmission ist in der Hinsicht schon interessant: Niemand von uns hat je eine gesehen oder gar durchgeführt, aber jeder, der ein bisschen an der Raumfahrt interessiert ist, hat zumindest eine grobe Vorstellung davon, die mit der in der Zukunft liegenden Realität aber vielleicht kaum etwas gemeinsam hat. Insofern gibt es hier viel gestalterischen Spielraum, den Andy Weir nicht wirklich ausnützt.
Das waren aber im Grunde auch schon alle nennenswerten Kritikpunkte. Diese von mir ausgemachten Schwächen sind im Grunde zwar ein konstanter Begleiter der Geschichte, tauchen aber nur immer wieder einmal zwischendurch auf, während die Passagen dazwischen jedoch sehr gut unterhalten können. Mark Watneys humorvolle Logbucheinträge peppen die Geschichte jedoch nicht alleine auf, das wäre auch zu viel verlangt von ein paar heiteren Sprüchen. Nach einer gewissen Zeit kommen auch weitere Schauplätze hinzu und man bekommt Einblick, wie die NASA auf der Erde und die evakuierte Crew auf der Ares 3-Mission mit der (anscheinend) tragisch gescheiterten Marsmission umgeht. Diese Schauplatzwechsel ist sicher auch mitverantwortlich dafür, dass lange Zeiträume, in denen Watney auf den Mars einfach nur „wartet“, flott überbrückt werden und dadurch keine Langeweile aufkommt.
Bewertung: Für alle Raumfahrtinteressierten ist „Der Marsianer“ sicher eine Empfehlung – auch wenn wahrscheinlich nicht jedem alles gefallen wird, dafür ist Mark Watney ein Spezialist auf sehr unterschiedlichen Gebieten, wenngleich das alleine schon wieder für die eine oder andere witzige Anekdote sorgt. Ich gebe dem Roman knappe 5 von 6 Sterne, da das Thema an sich mich sehr interessiert, Watneys Schlussfazit eine hervorragende Zusammenfassung der Gründe für die Raumfahrt ist und die literarische Umsetzung der Geschichte abgesehen von den erwähnten Schwächen durchaus gelungen war. Für eine bessere Benotung steckt einfach der Teufel im Detail – manchmal zu viel von ihm, manchmal zu wenig.
Anmerkungen:
Auf der folgenden Karte sieht man den Landeplatz der Ares-3-Mission oben links sowie den Landeplatz der vier Jahre später angesetzten Ares-4-Mission unten rechts.
„Der Marsianer“ (Originaltitel “The Martian”) wird im Moment von Regisseur Ridley Scott (u.a. „Alien“, „Blade Runner“) mit Matt Damon (u.a. „Die Bourne Identität“, „Interstellar“) in der Hauptrolle verfilmt und soll Ende November 2015 in die Kinos kommen. Es wird interessant zu sehen, welche Stimmung der Film vermitteln wird. Könnte eine Mischung aus „Gravity“, „Cast Away“ und „Red Planet“ werden. (Letztgenanntem ähnelt „Der Marsianer“ inhaltlich phasenweise sogar recht stark, mal abgesehen von den klar erkennbaren SciFi-Elementen des Films.)
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Diese und weitere Rezensionen sowie meine eigenen Star Trek-Romane zum Gratis-Download findet ihr auch auf meinem Blog:
Mark Watney ist sowas von im Arsch. Ich würde mich ja nie so dermaßen rüde ausdrücken, aber genau mit dieser Wortwahl umschreibt der auf dem Mars gestrandete Astronaut die Situation, in die er geraten ist, mit eigenen Worten in seinem Logbuch. Und das durchaus berechtigt. Dabei hatte die dritte bemannte Marsmission – Ares 3 – noch gut begonnen. Die 124tägige Reise von der Erde zum Mars war gut verlaufen, eine funktionsfähige Wohnkuppel, Rover, Ausrüstung, Proviant, Rückkehrmodul etc. hatten bereits auf die 6 Mitglieder von Ares 3 gewartet und genau 5 Tage lang sah alles so aus, als würde auch diese Mission ein großer Erfolg für die NASA werden. Doch dann zog ein Sturm auf – und zwar wortwörtlich, nicht sinnbildlich.
Drohende Windgeschwindigkeiten von 175 Kilometern pro Stunde gefährdeten die Wohnkuppel und die NASA musste den Abbruchbefehl übermitteln. Zusammen mit seinen Kollegen machte ich Mark Watney auf dem Weg zum Rückkehrmodul, das sie zurück zu ihrem im Orbit wartenden Raumschiff bringen sollte. Trotz des Sturms ein eigentlich kurzer und einfacher Spaziergang, doch Mark Watney sollte nie sein Ziel erreichen. Denn auf halbem Weg zum Rückkehrmodul, löste sich angesichts der Windböen die Funkanlage auf, lange Antennen schossen wie Speere durch die Luft und eine davon durchstieß Watneys Raumanzug. Aufgespießt und mit vollen Wucht getroffen torkelte er über einen steilen Abhang und nur reinem Zufall war es zu verdanken, dass er dabei nicht starb, sondern lediglich das Bewusstsein verlor. Als er wieder erwachte, musste er zwei Dinge feststellen: Erstens war der Sturm war abgeflaut und die Wohnkuppel trotz Bedenken der NASA intakt geblieben. Juchhu! (Zitat Mark Watney). Zweitens war das Rückkehrmodul weg, seine Kameraden hatten ihn für Tod gehalten, waren gestartet und inzwischen auf dem Rückweg zur Erde. Mist! (Ebenfalls Zitat Mark Watney).
Ohne funktionierende Funkanlage, mit Ausrüstung und Lebenserhaltungssysteme, die nur für eine einmonatige Mission gedacht waren und Proviant, der für eine Person nur 300 Tagen reichen kann, muss Mark Watney auf dem Roten Planeten überleben. Vielleicht volle vier Jahre, wenn Watney keine Funkverbindung zur Erde herstellen kann. Denn erst in vier Jahren soll die nächste reguläre Marsmission – Ares 4 – im 3.200 Kilometer entfernten Schiaparelli-Krater landen. Aber auch diesen Krater muss er erst noch erreichen.
Fazit: Autor Andy Weir wirft seinen einsamen Helden in eine ziemlich hoffnungslose Situation, an die er Mark Watney jedoch nicht verzweifeln lässt. Die Ausgangssituation hätte auch gut zu einer melancholisch-depressiv erzählten Geschichte gepasst, doch das ist „Der Marsianer“ keinesfalls, denn Mark Watney ist der “MacGyver des Weltalls”. Ein Alleskönner, der sich im Ingenieurswesen genauso zurechtfindet wie in der Botanik und dabei immer einen markigen Spruch für die Leser seines Logbuchs übrig hat. Diese Sprüche sind aber zur Auflockerung wirklich notwendig, denn Watney erläutert dem Leser so ziemlich jede Berechnung und jeden wissenschaftlichen Fakt ziemlich ausführlich. Diese sind mal mehr und mal weniger interessant, das wird wohl jeder Leser recht unterschiedlich empfinden. Mir persönlich gefielen technische Details, während mich Watneys improvisierter Kartoffelacker ziemlich angeödet hat – so wie der Geschmack der Kartoffeln Watney angeödet hat, als ihm der vorrätige Proviant ausgegangen ist.
Während Watney seine Handlungen im Logbuch sehr detailliert wiedergibt, lässt Andy Weir ihn aber seltsamerweise nur selten erläutern, wie grundlegende Dinge aussehen. Man rätselt ziemlich lange, wie die offenbar wirklich kreisrunde Wohnkuppel in Räume unterteilt wird, wie groß die sogenannten „Rover“ überhaupt sind, welche Form sie haben, wie Lande- und das Rückkehrmodul aussehen, etc. Diese fehlenden oder sehr vagen Beschreibungen kritisiere ich jetzt nicht, weil mich wie erwähnt mehr die technischen Aspekte von Watneys Überlebenskampf interessierten, sondern einfach weil solche Beschreibungen bei der Orientierung hilfreich sind. Immerhin gibt es ja doch so einige Konzepte für Marsmissionen, verschiedenste Ideen, wie die Unterkünfte und die Fortbewegungsmittel aussehen könnten. Da man sich mitunter ein falsches Bild macht, wenn der Autor keine derartigen Informationen liefert, kann so manche Passage etwas seltsam – sogar fehlerhaft – wirken, obwohl sie eigentlich ganz anders gedacht war, was eventuell erst sehr viel später im Roman eine Klarstellung erfährt. So eine Marsmission ist in der Hinsicht schon interessant: Niemand von uns hat je eine gesehen oder gar durchgeführt, aber jeder, der ein bisschen an der Raumfahrt interessiert ist, hat zumindest eine grobe Vorstellung davon, die mit der in der Zukunft liegenden Realität aber vielleicht kaum etwas gemeinsam hat. Insofern gibt es hier viel gestalterischen Spielraum, den Andy Weir nicht wirklich ausnützt.
Das waren aber im Grunde auch schon alle nennenswerten Kritikpunkte. Diese von mir ausgemachten Schwächen sind im Grunde zwar ein konstanter Begleiter der Geschichte, tauchen aber nur immer wieder einmal zwischendurch auf, während die Passagen dazwischen jedoch sehr gut unterhalten können. Mark Watneys humorvolle Logbucheinträge peppen die Geschichte jedoch nicht alleine auf, das wäre auch zu viel verlangt von ein paar heiteren Sprüchen. Nach einer gewissen Zeit kommen auch weitere Schauplätze hinzu und man bekommt Einblick, wie die NASA auf der Erde und die evakuierte Crew auf der Ares 3-Mission mit der (anscheinend) tragisch gescheiterten Marsmission umgeht. Diese Schauplatzwechsel ist sicher auch mitverantwortlich dafür, dass lange Zeiträume, in denen Watney auf den Mars einfach nur „wartet“, flott überbrückt werden und dadurch keine Langeweile aufkommt.
Bewertung: Für alle Raumfahrtinteressierten ist „Der Marsianer“ sicher eine Empfehlung – auch wenn wahrscheinlich nicht jedem alles gefallen wird, dafür ist Mark Watney ein Spezialist auf sehr unterschiedlichen Gebieten, wenngleich das alleine schon wieder für die eine oder andere witzige Anekdote sorgt. Ich gebe dem Roman knappe 5 von 6 Sterne, da das Thema an sich mich sehr interessiert, Watneys Schlussfazit eine hervorragende Zusammenfassung der Gründe für die Raumfahrt ist und die literarische Umsetzung der Geschichte abgesehen von den erwähnten Schwächen durchaus gelungen war. Für eine bessere Benotung steckt einfach der Teufel im Detail – manchmal zu viel von ihm, manchmal zu wenig.
Anmerkungen:
Auf der folgenden Karte sieht man den Landeplatz der Ares-3-Mission oben links sowie den Landeplatz der vier Jahre später angesetzten Ares-4-Mission unten rechts.
„Der Marsianer“ (Originaltitel “The Martian”) wird im Moment von Regisseur Ridley Scott (u.a. „Alien“, „Blade Runner“) mit Matt Damon (u.a. „Die Bourne Identität“, „Interstellar“) in der Hauptrolle verfilmt und soll Ende November 2015 in die Kinos kommen. Es wird interessant zu sehen, welche Stimmung der Film vermitteln wird. Könnte eine Mischung aus „Gravity“, „Cast Away“ und „Red Planet“ werden. (Letztgenanntem ähnelt „Der Marsianer“ inhaltlich phasenweise sogar recht stark, mal abgesehen von den klar erkennbaren SciFi-Elementen des Films.)
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