Obwohl viele Science-Fiction-Fans auch dem Genre Fantasy sehr zugetan sind, lese ich doch eher selten Romane dieses Genres. Auf Empfehlung eines Freundes habe ich aber kürzlich begonnen, die "Broken Empire"-Trilogie von Mark Lawrence zu lesen und war vom ersten Buch "Prince of Thorns" (auf Deutsch unter "Prinz der Dunkelheit" beim Heyne-Verlag erschienen) äußerst positiv überrascht.
Das der Trilogie titelgebende "Broken Empire" besteht aus vielen kleinen Königreichen und Grafschaften in einer mittelalterlichen Version Europas, die miteinander konkurrieren und deren Führer das Ziel haben, zum neuen Imperator aufzusteigen und das einstige Imperium wiederzuvereinigen – bevorzugt mittels massiven militärischen Gewalteinsatz. Durch einen Teil dieser düsteren Welt zieht eine selbsternannte Bruderschaft aus Wegelagerern, Söldnern, Räubern, Mördern, Vergewaltigern und, Brandschatzern durch die Lande und stiftet vor allen rund um das Hochland von Renar Unruhe. Dass die Bruderschaft auch im Kampf mit ausgebildeten Soldaten erfolgreich bleibt, verdankt sie ihrem ungewöhnlichem Anführer, dem erst 14jährigen Jorg, der ziemlich clever ist, aber eine äußerst finstere Seele besitzt. Man hat den Eindruck, er hätte sich der Bruderschaft angeschlossen, um dort seine Gewaltfantasien auszuleben, aber der junge Mann hat noch weitaus mehr zu bieten, womit er selbst seine Weggefährten überrascht: Nach einer unvorhergesehenen Begegnung mit seiner Vergangenheit offenbart er, Prinz Jorg von Ancrath zu sein, Sohn und legitimer Thronerbe von König Olidan. Um dieses Erbe anzutreten, macht sich Jorg vier Jahre nach seiner Flucht aus der Burg seines Vaters auf den Weg zurück in seine Heimat, um dort zu erfahren, dass sich die Machtverhältnisse am Hofe bedeutend verändert haben und er alles andere als willkommen ist.
Fazit: Nach den ersten paar Seiten war ich doch etwas skeptisch. Am Beginn wirkt "Prince of Thorns", als könnte es leicht zu einer Aneinanderreihung von rustikal-brutalen Gewaltspitzen werden. Aber glücklicherweise recht früh klärt der Roman auf, dass im Protagonisten Jorg von Ancrath weit mehr steckt, als man am Beginn glaubt. Dabei spielt nicht nur sein adeliger Status eine Rolle, sondern vor allem das schreckliche Trauma, das er als Kind – verheddert in einem Dornbusch und zur Tatenlosigkeit verdammt, als Mutter und Bruder vor seinen Augen ermordet wurden – erlitt. Jorg ist sicher ein schwieriger Charakter. Rüde, rücksichtslos, brutal. Aber was er durchgemacht hat, steht dem in nichts nach und so bringt man dem Wegelagerer auch überraschend viel Sympathie entgegen, was angesichts seiner blutigen Tätigkeiten doch erstaunt. Seine Verwegenheit und sein Mut imponieren und angesichts dessen, wie sich ihm die Situation in Ancrath bei seiner Rückkehr darbietet, bleibt einem als Leser fast keine Wahl, als für den jungen Prinzen Sympathie aufzubringen. Und wie er mit fast aussichtslos erscheinenden Situationen umgeht, erinnert fast ein wenig an einen anderen populären fiktiven Charakter, dessen Abenteuer ich in diesem Thread schon häufig rezensiert habe. (Dazu mehr dann in meiner Rezension zum 2. Buch von "Broken Empire".)
Abgesehen von der interessanten Charakterzeichnung Jorgs und einer vom finsteren Mittelalter inspirierten aber klar fiktiven Welt, in der Jorg und seine Gefährten unterwegs sind, sorgt auch Mark Lawrence‘ Schreibstil für großen Unterhaltungswert. Angesichts der Brutalität dieser Geschichte ist es doch bemerkenswert, wie viel Humor Lawrence einfließen lässt. Natürlich ist der Humor schwarzgefärbt und oftmals staubtrocken dargeboten, aber mir persönlich gefällt dieser Stil.
Zur fiktiven Welt, in der sich die Geschichte abspielt, will ich hier nicht allzu viel verraten. Sie weiß auf jeden Fall zu überraschen, weißt einige klassische Fantasy-Elemente auf und früher oder später wird dem Leser auffallen, dass in dieser Welt nicht alles so rückständig ist, wie es am Beginn den Anschein hat. Lawrence hat sich hier einen interessanten Kniff einfallen lassen.
"Prince of Thorns" ist der Beginn einer Trilogie, funktioniert aber auch für sich alleinstehend, es gibt einen durchaus zufriedenstellenden Abschluss, aber es bleiben auch Handlungsstränge offen, an die die Fortsetzung „King of Thorns“ anschließen kann.
Bewertung: Der Roman benötigt ein wenig Anlaufzeit, aber die geht dann doch relativ schnell vorüber und man findet sich früher als anfangs gedacht in der Welt von „Broken Empire“ zurecht. Es gibt reichlich Action und Humor, aber vor allem beeindruckt mich die zwiespältige Charakterzeichnung von Prinz Jorg sowie die überraschende Erkenntnisse, von denen einige seine Person betreffen, andere die Vergangenheit des zerbrochenen Imperiums. In diesem Roman gibt es viel zu entdecken, der Stil ist unterhaltsam und ich will auf jeden Fall wissen, wie es mit Jorg nun weitergeht. Ich gebe dem ersten Roman der Trilogie starke 5 von 6 Sterne!
Anmerkung: Jeder Roman der "Broken Empire"-Trilogie enthält auch eine Landkarte. Hier die Karte zum ersten Roman, wobei sich der Großteil der Handlung in den Gebieten Ancrath, Gelleth und dem Renar-Hochland abspielt:
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