Metatropolis (= Stadt, die über die Stadt hinausgeht) ist eine bei uns im Jahr 2010 erschienene Anthologie, welche sich mit unserer urbanen Zukunft befasst.
5 Autoren haben sich zusammengetan und entwerfen in jeweils einer Kurzgeschichte ein Puzzleteil der nahen Zukunft. Die Geschichten hängen nicht zusammen, aber sie spielen alle in der gleichen Welt. Es werden im Buch keine Zeitangaben gemacht, aber vom Gefühl her würde ich sagen, dass sich das alles etwa 50 – 100 Jahre in der Zukunft zuträgt. Die staatliche Macht der USA ist fast völlig zerfallen. Es wird ab und an eine Regierung erwähnt, aber deren Einfluss scheint beständig zu schwinden. Die USA der Zukunft werden eher mit dem antiken Griechenland verglichen, wo es zahllose unabhängige Stadtstaaten gab. Die neuen Wirtschaftszentren liegen eher in der EU, Hong Kong oder den islamischen Staaten. Diese Zukunftsvision erscheint in Anbetracht der aktuellen US-Finanzkrise sogar erschreckend glaubhaft. Es gibt in den Stadtstaaten auch keine Polizei als solche mehr. Private Sicherheitsfirmen, wie die im Buch immer wieder mal auftauchende Firma „Edgewater“, sorgen für eine relative öffentliche Sicherheit.
Nun aber zu den Storys:
In den Wäldern der Nacht – Jay Lake
In der ersten Story beobachtet man eine Agentin bei der Infiltration der Superstadt „Cascadia“. Diese Stadt wird von „Grünfreaks“ regiert. „Grünfreaks“ sind autonom und nachhaltig lebende Menschen, die vage an die alten Hippie-Kommunen erinnern. Eine feindlich gesonnene Stadt entsendet eine Agentin, um nähere Information über die Stadt und ihre Bewohner zu bekommen. Diese Story liest sich sehr schnell weg und ist angenehm geschrieben. Es wird einem zudem ein Überblick über die USA der Zukunft geboten. Ich würde empfehlen „Metatropolis“ mit dieser Story zu beginnen. Bei den anderen Geschichten ist die Reihenfolge ohne Bedeutung.
Raumschiff Detroit – Tobias S. Buckell
Ein Türsteher wird in eine sonderbare Verschwörung verwickelt. Anfangs scheinen radikale Ökos nur Autos zerstören zu wollen. Im Laufe der Handlung wird man aber Zeuge eines einzigartigen Großprojektes. Diese Geschichte bietet zudem einen kleinen Einblick in das Wirtschaftssystem des Stadtstaates Detroit. „Raumschiff Detroit“ gefiel mir wegen der interessanten Auflösung ausnehmend gut. Der Hauptcharakter erinnerte mich ein wenig an Bruce Willis in „Die Hard“ – ein Normalo, der in eine Kette aus Ereignissen hineingezogen wird, die eigentlich zu groß für ihn sind.
Das Rot am Himmel ist unser Blut – Elizabeth Bear
Eine junge Mutter, die einer finsteren Vergangenheit entkommen ist (sie war einstmals die Geliebte eines Gangsterbosses), wird mit dieser wieder konfrontiert. Eine Gruppe aus Aktivisten möchte sie für ihre Zwecke rekrutieren. Leider endet die Story als das öde Vorgeplänkel endlich endet. Bear’s Geschichte ist meiner Meinung nach die Schwächste in dieser Anthologie. Die Handlung plätschert vor sich hin, aber wie gesagt, das Ende kommt als die Geschichte endlich an Fahrt aufzunehmen beginnt.
Utere nihil non extra quiritationem suis – John Scalzi
Keine Panik, der lateinische Titel wird in der Handlung erklärt. Scalzi hat sich hier mächtig in das Zeug gelegt und liefert eine Story der Extraklasse ab. Wir werden Zeuge vom Arbeitsalltag eines futuristischen Schweinewirtes. Ja, wirklich. Genetisch veränderte Schweine spielen in der Stadt New St. Louis eine große Rolle. Diese Stadt hat sich eine „Footprint-neutrale“ Philosophie zugelegt und verwertet und nutzt alles so gut und oft wie möglich. Scalzi zeigt uns hier eine Stadt aus der Zukunft, an deren Existenz man tatsächlich glauben mag. Leider gibt es auch Schattenseiten: diejenigen Personen, welche die oben erwähnte Philosophie ablehnen oder arbeitsscheu sind, werden aus der Stadt verbannt. Vor New St. Louis befindet sich ein großer Gürtel aus Elendsvierteln. Die Leute dort planen jedoch für etwas Chancengleichheit zu sorgen. Diese Geschichte ist ein kleines Juwel. Liebe, Schweine, Slums und Gülleduschen – alles das ist enthalten und macht trotzdem Sinn. „Utere nihil non extra quiritationem suis“ ist auf jeden Fall mein persönlicher Favorit.
Ins ferne Cilenia – Karl Schroeder
Hier bekommt man einen waschechten Cybertriller serviert. Die Handlung findet übrigens nicht in den USA sondern größtenteils in Stockholm statt – aber nur in der physischen Welt. Ein Agent der Atomaufsichtsbehörde soll verschwundenes Plutonium wiederfinden. Die Spur führt in das ferne Cilenia – eine virtuelle Stadt, die aber sehr reale Aspekte aufweist. Schroeder weiß was er tut. Das Internet, als Medium der Zukunft, kommt in den anderen Geschichten ziemlich zu kurz. Hier kann man aber einer sonderbaren Reise durch verschiedene Ebenen des Netzes folgen. Das alles funktioniert mit Cyberbrillen, die eine zeitgleiche Bewegung in der realen und der virtuellen Welt erlauben. Was es mit Cilenia auf sich hat, wird erst ganz am Ende geklärt. Es handelt sich hier um den würdigen Abschluss einer sehr gelungenen Anthologie. Ich hatte bei der Suche nach Cilenia viel Vergnügen gehabt.
Jede Kurzgeschichte wird durch ein Vorwort von Scalzi eingeleitet, der auch als Herausgeber fungierte. Man erfährt also auch etwas über den Entstehungsprozess des Gesamtwerkes. In der Danksagung berichtet Scalzi davon, dass kaum ein anderes Projekt in seiner Karriere ihm so viel Spaß bereitet hätte wie „Metatropolis“. Der Funke springt auch sofort über. Ich bin der Meinung, dass diese Anthologie für jeden Geschmack etwas dabei hat. Für knapp 9 € bekommt man viel SF in einer (unangenehm) nahen Zukunft präsentiert.
Was haltet Ihr von diesem Werk?
5 Autoren haben sich zusammengetan und entwerfen in jeweils einer Kurzgeschichte ein Puzzleteil der nahen Zukunft. Die Geschichten hängen nicht zusammen, aber sie spielen alle in der gleichen Welt. Es werden im Buch keine Zeitangaben gemacht, aber vom Gefühl her würde ich sagen, dass sich das alles etwa 50 – 100 Jahre in der Zukunft zuträgt. Die staatliche Macht der USA ist fast völlig zerfallen. Es wird ab und an eine Regierung erwähnt, aber deren Einfluss scheint beständig zu schwinden. Die USA der Zukunft werden eher mit dem antiken Griechenland verglichen, wo es zahllose unabhängige Stadtstaaten gab. Die neuen Wirtschaftszentren liegen eher in der EU, Hong Kong oder den islamischen Staaten. Diese Zukunftsvision erscheint in Anbetracht der aktuellen US-Finanzkrise sogar erschreckend glaubhaft. Es gibt in den Stadtstaaten auch keine Polizei als solche mehr. Private Sicherheitsfirmen, wie die im Buch immer wieder mal auftauchende Firma „Edgewater“, sorgen für eine relative öffentliche Sicherheit.
Nun aber zu den Storys:
In den Wäldern der Nacht – Jay Lake
In der ersten Story beobachtet man eine Agentin bei der Infiltration der Superstadt „Cascadia“. Diese Stadt wird von „Grünfreaks“ regiert. „Grünfreaks“ sind autonom und nachhaltig lebende Menschen, die vage an die alten Hippie-Kommunen erinnern. Eine feindlich gesonnene Stadt entsendet eine Agentin, um nähere Information über die Stadt und ihre Bewohner zu bekommen. Diese Story liest sich sehr schnell weg und ist angenehm geschrieben. Es wird einem zudem ein Überblick über die USA der Zukunft geboten. Ich würde empfehlen „Metatropolis“ mit dieser Story zu beginnen. Bei den anderen Geschichten ist die Reihenfolge ohne Bedeutung.
Raumschiff Detroit – Tobias S. Buckell
Ein Türsteher wird in eine sonderbare Verschwörung verwickelt. Anfangs scheinen radikale Ökos nur Autos zerstören zu wollen. Im Laufe der Handlung wird man aber Zeuge eines einzigartigen Großprojektes. Diese Geschichte bietet zudem einen kleinen Einblick in das Wirtschaftssystem des Stadtstaates Detroit. „Raumschiff Detroit“ gefiel mir wegen der interessanten Auflösung ausnehmend gut. Der Hauptcharakter erinnerte mich ein wenig an Bruce Willis in „Die Hard“ – ein Normalo, der in eine Kette aus Ereignissen hineingezogen wird, die eigentlich zu groß für ihn sind.
Das Rot am Himmel ist unser Blut – Elizabeth Bear
Eine junge Mutter, die einer finsteren Vergangenheit entkommen ist (sie war einstmals die Geliebte eines Gangsterbosses), wird mit dieser wieder konfrontiert. Eine Gruppe aus Aktivisten möchte sie für ihre Zwecke rekrutieren. Leider endet die Story als das öde Vorgeplänkel endlich endet. Bear’s Geschichte ist meiner Meinung nach die Schwächste in dieser Anthologie. Die Handlung plätschert vor sich hin, aber wie gesagt, das Ende kommt als die Geschichte endlich an Fahrt aufzunehmen beginnt.
Utere nihil non extra quiritationem suis – John Scalzi
Keine Panik, der lateinische Titel wird in der Handlung erklärt. Scalzi hat sich hier mächtig in das Zeug gelegt und liefert eine Story der Extraklasse ab. Wir werden Zeuge vom Arbeitsalltag eines futuristischen Schweinewirtes. Ja, wirklich. Genetisch veränderte Schweine spielen in der Stadt New St. Louis eine große Rolle. Diese Stadt hat sich eine „Footprint-neutrale“ Philosophie zugelegt und verwertet und nutzt alles so gut und oft wie möglich. Scalzi zeigt uns hier eine Stadt aus der Zukunft, an deren Existenz man tatsächlich glauben mag. Leider gibt es auch Schattenseiten: diejenigen Personen, welche die oben erwähnte Philosophie ablehnen oder arbeitsscheu sind, werden aus der Stadt verbannt. Vor New St. Louis befindet sich ein großer Gürtel aus Elendsvierteln. Die Leute dort planen jedoch für etwas Chancengleichheit zu sorgen. Diese Geschichte ist ein kleines Juwel. Liebe, Schweine, Slums und Gülleduschen – alles das ist enthalten und macht trotzdem Sinn. „Utere nihil non extra quiritationem suis“ ist auf jeden Fall mein persönlicher Favorit.
Ins ferne Cilenia – Karl Schroeder
Hier bekommt man einen waschechten Cybertriller serviert. Die Handlung findet übrigens nicht in den USA sondern größtenteils in Stockholm statt – aber nur in der physischen Welt. Ein Agent der Atomaufsichtsbehörde soll verschwundenes Plutonium wiederfinden. Die Spur führt in das ferne Cilenia – eine virtuelle Stadt, die aber sehr reale Aspekte aufweist. Schroeder weiß was er tut. Das Internet, als Medium der Zukunft, kommt in den anderen Geschichten ziemlich zu kurz. Hier kann man aber einer sonderbaren Reise durch verschiedene Ebenen des Netzes folgen. Das alles funktioniert mit Cyberbrillen, die eine zeitgleiche Bewegung in der realen und der virtuellen Welt erlauben. Was es mit Cilenia auf sich hat, wird erst ganz am Ende geklärt. Es handelt sich hier um den würdigen Abschluss einer sehr gelungenen Anthologie. Ich hatte bei der Suche nach Cilenia viel Vergnügen gehabt.
Jede Kurzgeschichte wird durch ein Vorwort von Scalzi eingeleitet, der auch als Herausgeber fungierte. Man erfährt also auch etwas über den Entstehungsprozess des Gesamtwerkes. In der Danksagung berichtet Scalzi davon, dass kaum ein anderes Projekt in seiner Karriere ihm so viel Spaß bereitet hätte wie „Metatropolis“. Der Funke springt auch sofort über. Ich bin der Meinung, dass diese Anthologie für jeden Geschmack etwas dabei hat. Für knapp 9 € bekommt man viel SF in einer (unangenehm) nahen Zukunft präsentiert.
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