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"Schöne neue Welt" von A. Huxley

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    "Schöne neue Welt" von A. Huxley

    „Schöne neue Welt“ / „Brave new world“ von Aldous Huxley, erschien im Jahr 1932. Das Buch hat schon längst einen Kultstatus eingenommen. Es gilt als der Großvater der späteren Dystopien, wie etwa „1984“ oder „Fahrenheit 451“. Ich habe mir das Buch nun auch endlich mal durchgelesen.

    Es ist interessant, was Huxley vorausahnte. Die massiven Eingriffe in die menschliche Entwicklung durch gezielte Züchtung oder auch der Trend zum Einheitsmenschen erscheinen in den Zeiten von DNS-Experimenten und erschwinglichen Schönheitsoperationen näher denn je. Allerdings kommt die Zukunft sonst wenig futuristisch daher. Allerdings hat man eine neue Zeitrechnung eingeführt. Man rechnet nun in Jahren nach Ford (der Roman spielt im Jahr 632). Gemeint ist Henry Ford, der Vater der modernen Massenproduktion. Er wird hier wie ein höheres Wesen verehrt. Staatliche Würdenträger werden sogar mit „Eure Fordschaft“ angesprochen.

    Ich muss sagen, dass ich, trotz der edlen Intention, vom Buch mehr als enttäuscht bin. Es passiert über weite Strecken gar nichts. Immer wieder wird auf die Zucht- und Normungszentralen für die Menschen eingegangen, aber wirklich erschrecken kann das nicht.
    Daneben gibt es noch legalen Drogenkonsum („Soma“ nennt man die Standarddroge) und Promiskuität wohin man blickt. Auch sind alle Frauen darauf genormt wurden, immer zu verhüten. Kinder kommen also nur noch aus den Zuchtzentralen. Weshalb man den gezüchteten Frauen dann überhaupt noch Uteri und Eierstöcke bzw. den Männern funktionierende Hoden „einbaut“, ist eine ganz andere Frage. Das sehe ich aber nicht als Kritikpunkt. Huxleys Buch erschien lange vor der modernen Genetik.

    An alle die das Original kennen: ich berufe mich hier ausschließlich auf die deutsche Ausgabe.

    Es macht sich für das Lesen auch schlecht, dass der Hauptcharakter, Sigmund Marx, ein solcher Waschlappen ist. Permanent suhlt er sich in Selbstmitleid. Dann bekommt er später einen Höhenflug und wird noch später verhaftet. Eigentlich denkt man, dass der Terrorstaat nun seine Fingernägel rauszupfen lassen wird, aber nein. Sogar im finalen Duell mit dem Vertreter der Staatsmacht (Mustafa Mannesmann) bewahrt er nicht einmal etwas Haltung. Ich habe selten eine so unsympathische Figur erleben müssen. Wobei das womöglich sogar bezweckt war. Sein bester Freund Helmholtz Holmes-Watson gefiel mir da schon erheblich besser.

    Lenina Braun, die den Durchschnittsmenschen dieser Zeit mimt, kam hingegen gut rüber. Ungebildet und vollkommen konditioniert. Hier liegt sogar eine der wenigen Stärken des Buchs.

    Zuletzt gab es da noch den „Wilden“ namens Michel. Das er in der zivilisierten Welt nicht so wirklich klarkommt war schon bei der ersten Begegnung mit ihm sicher. Der Mann kennt sich übrigens gut mit Shakespeare aus.

    Am Ende landen Marx, Holmes-Watson und Michel alle vor Mustafa Mannesmann, dem Weltkontrolleur für Westeuropa. Eigentlich denkt man sich, dass nun die Folterei und Umprogrammiererei anfangen wird. Aber weit gefehlt. Am Ende werfen sich Michel und Mannesmann Shakespeare-Zitate an den Kopf und diskutieren über Gott und die Welt. Interessanterweise hat der Weltkontrolleur sogar die besseren Argumente in dieser lahmen Debatte.

    Das fallen Sprüche wie:

    Michel: „Die Menschen brauchen doch Gott.“

    Mannesmann: „Gott ist von gestern, die Menschen brauchen Stabilität.“

    Dabei liegen die immer wieder eingebauten Shakespeare-Zitate trotzdem noch weit über der fruchtlosen Diskussion. Abschließend werden Marx und Holmes-Watson auf Inseln verbannt. Allerdings kommt das nicht so richtig als Strafe rüber.

    Michel lebt dann eine Weile im „Einklang mit der Natur“ in einem Waldstück. Am Ende wird er zum ungewollten Medienstar und begeht Selbstmord. Das ist allerdings ebenfalls weder überraschend noch besonders beeindruckend.

    Fazit: ein wirklich lahmes Buch, mit wenig bis keiner Spannung. Es mag vor 80 Jahren revolutionär gewesen sein, aber heute merkt man ihm sein Alter auf jeder Seite deutlich an.
    Die vorhersehbare Handlung und die unsympathische Hauptfigur tun ihr übriges. Orwells „1984“ fand ich um ganze Welten besser.


    Allerdings ist das nur meine Meinung.

    Wie steht Ihr zu der schönen neuen Welt?
    "All dies könnte bloß eine aufwändige Simulation sein,
    die in einem kleinen Gerät auf jemandes Tisch läuft."
    (Jean-Luc Picard über das Wesen der Wirklichkeit)

    #2
    Ich stimme dir weitgehend zu. Das Buch ist im Vergleich zu Orwells "1984" oder auch zur "Farm der Tiere" wirklich langweilig. Dennoch treffen viele von Huxleys Voraussagungen ins Schwarze.

    Daneben gibt es noch legalen Drogenkonsum
    Habe vor einigen Monaten gelesen, dass Forscher in England an einer "Glückspille" arbeiten, die die Bürger zu "besseren und freudigeren Arbeitern" machen soll. Da musste ich schon an Huxley denken.

    Es macht sich für das Lesen auch schlecht, dass der Hauptcharakter, Sigmund Marx, ein solcher Waschlappen ist. Permanent suhlt er sich in Selbstmitleid. Dann bekommt er später einen Höhenflug und wird noch später verhaftet. Eigentlich denkt man, dass der Terrorstaat nun seine Fingernägel rauszupfen lassen wird, aber nein. Sogar im finalen Duell mit dem Vertreter der Staatsmacht (Mustafa Mannesmann) bewahrt er nicht einmal etwas Haltung. Ich habe selten eine so unsympathische Figur erleben müssen. Wobei das womöglich sogar bezweckt war. Sein bester Freund Helmholtz Holmes-Watson gefiel mir da schon erheblich besser.
    Das erging mir ähnlich. Den großen Widerstandsgeist hat Huxley in seinem Roman nicht beschworen. Allerdings Orwell auch nicht. Die Lage wird in beiden Romanen als recht hoffnungslos beschrieben, wobei bei Letzterem der "Widerstand" zumindest selbst sagt, dass sein Wirken vielleicht erst in Jahrtausenden wirken kann - wenn er denn überhaupt wirklich existiert.
    Bei Beutewelt sollte der Weltstaat der Logenbrüder zwar übermächtig, aber auch nicht vollkommen unbesiegbar sein, denn auch große Weltreiche usw. können Fehler machen.
    Bei Orwell und Huxley schien vor allem der "Schockeffekt" im Vordergrund zu stehen, nach dem Motto: "Oh, Gott! So etwas wird es hoffentlich niemals geben!"
    Das ist besonders Orwell, besser als Huxley, gelungen.
    "Der Überwachungsstaat der Zukunft findet dich!"
    www.alexander-merow.de.tl
    http://www.amazon.de/Beutewelt-B%C3%.../dp/3869018399
    http://www.amazon.de/Das-aureanische...889779&sr=1-11

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      #3
      Zitat von EA-Loyalist Beitrag anzeigen
      Es passiert über weite Strecken gar nichts.
      Eigentlich passiert in "Schöne neue Welt" mehr als in "1984". Dort ist der Höhepunkt der Handlung -überspitzt formuliert- dass ein Angestellter eine heimliche Affäre führt, während man in "Schöne neue Welt" immerhin einen handfesten politischen Skandal zu sehen bekommt. Dass "1984" trotzdem viel interessanter ist als "Schöne neue Welt" führe ich darauf zurück, dass Orwell einfach der 1000 mal bessere Weltenbauer ist als Huxlex.

      Abschließend werden Marx und Holmes-Watson auf Inseln verbannt. Allerdings kommt das nicht so richtig als Strafe rüber.
      Soll auch keine Strafe sein, denn das Ziel des Staates ist es jeden glücklich zu machen. Wer im Staat nicht glücklich wird, muss es eben auf einer Inseln oder dergleichen versuchen.

      Fazit: ein wirklich lahmes Buch, mit wenig bis keiner Spannung. Es mag vor 80 Jahren revolutionär gewesen sein, aber heute merkt man ihm sein Alter auf jeder Seite deutlich an.
      Bei der Spannung sehe ich das genauso. Die Charaktere in "Schöne neue Welt" sind mir völlig egal und dass "der Wilde" irgendeiner durchgeknallter Selbstgeißler ist, führt nur dazu, dass er dem Leser ebenso fremd ist wie den Bewohnern der schönen neuen Welt.

      Vom Prognosewert liegt die "Schöne neue Welt" über "1984". Technisch dürte inzwischen alles aus "1984" machbar sein, aber die politischen Prognosen von den Globus überspannenden, allmächtigen Dikaturen wirken nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem allgemeinen Machtrückgang der Staaten sehr altbacken. Auch die Überwachung ist kein rein staatliches Phänomen mehr. "Schöne neue Welt" beschreibt immerhin einige Aspekte der heutigen Spaßgesellschaft. Es ist nicht schwer, da einige Parallelen zu finden (Fühlkino = 3D-Kino, Soma = Prozac etc.). Was die Biotechnologie der schönen neuen Welt angeht: technisch wie bei Orwell nicht absurd, trotzdem nicht sehr realistisch. Dass Bokanowsky-Verfahren dürfte bereits seit einigen Jahren machbar sein, aber die Vorstellung, ein allmächtiger Staat würde die Fortpflanzung in die Hand nehmen, klingt nicht weniger absurd als die Vorstellung, dass Menschen eine Aufspaltung der Spezies in Herren- und Dienerrassen akzeptieren würden.

      Der schönen neue Welt möchte ich aber noch den Sonderpreis für die raffiniertere Diktatur verleihen. Die Diktatur aus "1984" ist eigentlich nichts revolutionär Neues. Man hat eine kleine Regierungsclique, die den staatlichen Machtapparat dazu einsetzt, die Bevölkerung durch Terror zu kontrollieren. In "Schöne neue Welt" stützt sich das Regime aber nicht auf Terror sondern auf Glück und die Führungspersönlichkeiten sind dem System nicht weniger unterworfen als der simple Arbeiter.
      I reject your reality and substitute my own! (Adam Savage)

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        #4
        Der schönen neue Welt möchte ich aber noch den Sonderpreis für die raffiniertere Diktatur verleihen. Die Diktatur aus "1984" ist eigentlich nichts revolutionär Neues.
        Sie ist nur unvorstellbar total und greift extrem in das Leben der Menschen ein.
        Allerdings ist sie bei Huxley definitiv "gerissener", das sehe ich auch so.
        "Der Überwachungsstaat der Zukunft findet dich!"
        www.alexander-merow.de.tl
        http://www.amazon.de/Beutewelt-B%C3%.../dp/3869018399
        http://www.amazon.de/Das-aureanische...889779&sr=1-11

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          #5
          Zitat von KennerderEpisoden Beitrag anzeigen
          Soll auch keine Strafe sein, denn das Ziel des Staates ist es jeden glücklich zu machen. Wer im Staat nicht glücklich wird, muss es eben auf einer Inseln oder dergleichen versuchen.
          Bist Du Dir sicher?

          Das mit den Inseln wird von den Mächtigen wie eine Drohung gehandhabt. Es ist also schon eine Art Strafe, wenn auch keine besonders heftige.
          "All dies könnte bloß eine aufwändige Simulation sein,
          die in einem kleinen Gerät auf jemandes Tisch läuft."
          (Jean-Luc Picard über das Wesen der Wirklichkeit)

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            #6
            Zitat von EA-Loyalist Beitrag anzeigen
            Bist Du Dir sicher?

            Das mit den Inseln wird von den Mächtigen wie eine Drohung gehandhabt. Es ist also schon eine Art Strafe, wenn auch keine besonders heftige.
            Ich hab das Buch mal wieder gelesen und tatsächlich ist das Exil eine Art Belohnung. Nur der Brutdirektor nutzt sie als Drohung, aber der ist ja auch ein Trottel. Der Weltaufsichtsrat Mustafa sieht es anders. "Er kommt auf eine Insel, das heißt, an einen Ort, wo er die interessantesten Leute der Welt antreffen wird, lauter Menschen, denen aus irgendeinem Grund das Bewusstsein ihrer Individualität so sehr zu Kopf gestiegen ist, dass sie sich nicht mehr ins Gemeinschaftsleben eingliedern ließen. Lauter mit der unorthodoxen Lebensordung Unzufriedene, die unabhängige, eigene Ideen haben. Kurz jeder, der jemand ist. Ich beneide sie fast."
            I reject your reality and substitute my own! (Adam Savage)

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              #7
              Zitat von KennerderEpisoden Beitrag anzeigen
              Ich hab das Buch mal wieder gelesen und tatsächlich ist das Exil eine Art Belohnung. Nur der Brutdirektor nutzt sie als Drohung, aber der ist ja auch ein Trottel. Der Weltaufsichtsrat Mustafa sieht es anders. "Er kommt auf eine Insel, das heißt, an einen Ort, wo er die interessantesten Leute der Welt antreffen wird, lauter Menschen, denen aus irgendeinem Grund das Bewusstsein ihrer Individualität so sehr zu Kopf gestiegen ist, dass sie sich nicht mehr ins Gemeinschaftsleben eingliedern ließen. Lauter mit der unorthodoxen Lebensordung Unzufriedene, die unabhängige, eigene Ideen haben. Kurz jeder, der jemand ist. Ich beneide sie fast."
              Hmm, nun gut, dieser neue Aspekt macht das Werk dann wieder etwas interessanter. Es wäre interessant zu erfahren, ob man diese Inseln als Gefängnisse, psychiatrische Anstalten oder gar als Belohnungen in der Öffentlichkeit ansieht.
              "All dies könnte bloß eine aufwändige Simulation sein,
              die in einem kleinen Gerät auf jemandes Tisch läuft."
              (Jean-Luc Picard über das Wesen der Wirklichkeit)

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