Hallo zusammen,
für einen Hochglanzflyer, der auf der internationalen Buchmesse in Wien (November) verteilt wird, habe ich eine A5-Seite gebucht. Dort habe ich die Möglichkeit, eine Leseprobe aus meinen zwei Hanseapolis-Romanen drucken zu lassen. Nun ist ein A5-Format nicht viel, zieht man noch den Titel und die Cover mit in Betracht. Ich habe vier Leseproben herausgesucht, kann mich aber - vor allem zwischen zwei - nicht entscheiden. Es ist sehr schwer, weil ich halt nicht viel Platz zur Verfügung habe und die zufälligen Leser sofort fesseln muss. Abgesehen davon bin ich nun wirklich nicht sehr objektiv. Am liebsten würde ich die PDFs der Seiten hier publizieren, aber da geht halt technisch nicht, deshalb binde ich die vier Leseproben in unterschiedlichen Farben hier ein. Ist etwas unsexy - zum Glück sind die Texte ja nicht lang -, dennoch würde ich mich über euer Feedback freuen!
Vielen Dank!
Miriam
A)
„Officer Nolte?“, flüsterte Elias in sein InterCom. „Alles in Ordnung?“
Keine Antwort.
Vorsichtig schlich er den Gang hinunter. Gleich wissen wir, wer unser Mister X ist, dachte er, während seine Augen aufmerksam die Umgebung absuchten. Am Ende des Ganges blieb er unschlüssig vor einer Tür stehen. Container-Deck 45 Süd. Er lauschte. Kein Geräusch, auch keine Container-Roboter. Tiefes Durchatmen. Er öffnete die Tür, blieb aber seitlich im Gang stehen. Als er um die Ecke schielte, machte er einen Schatten aus, der vor einem Terminal an einem geöffneten Frachttor stand.
„Officer Nolte? Sind Sie das?“
Elias ging vorwärts, den Blaster im Anschlag. Hinter ihm schloss sich die Tür automatisch. „Identifizieren Sie sich!“ Mit diesen Worten betrat er die lange Halle und schaute sich um. Auf den markierten Flächen rechts und links von ihm standen ein paar Container in Reih und Glied und warteten offenbar auf Abholung. Die gesamte Außenwand der Etage bestand aus einzelnen Frachttoren mit großen zentrierten Fenstern. Das Tor hinter der unbekannten Gestalt stand weit offen. Von der gleißenden Sonne geblendet, konnte Elias lediglich Schemen erkennen. Die Außen-Antennen für die Robotersteuerung sahen im Gegenlicht wie kleine Lanzen aus.
„Wer sind Sie?“, brüllte Elias gegen den Wind an, der durch die offene Halle peitschte. „Wo ist Officer Nolte?“ Ein mulmiges Gefühl stieg in ihm hoch.
„Detective Kosloff!“, hob der Schatten plötzlich die Stimme und trat ein Stück zur Seite. Die Sonne traf Elias nun ganz und er hob instinktiv seine Hand gegen die Blendung. „Es gibt Dinge, in die man sich nicht einmischt, selbst wenn man ein solch dämlicher sturer Hund ist wie Sie.“
Hatte Elias bislang schon ein mulmiges Gefühl, so war das nun die Bestätigung. Eine Falle.
„Ich bin bewaffnet und Sie vermutlich auch. Eine Patt-Situation also. Was jetzt?“, versuchte er Zeit zu gewinnen.
„Bulle, für wie dumm hältst du mich? In diesem Moment sieht ein äußerst wachsames Augenpaar auf dich und zwar durch eine sündhaft teure Zieloptik.“ Der Schattenmann genoss die Sprechpause sichtlich. „Du solltest also deine berühmten letzten Worte sorgfältig wählen“, belehrte er ihn und zeigte mit dem Daumen hinter sich ins flirrende Nichts, wo sein Scharfschütze Elias aufs Korn nahm.
Wie in einem Tunnel stand der Cop zwischen den Containern, ohne Möglichkeit zur Deckung, geschweige denn zur Flucht. Wut stieg in ihm auf.
„Nun, Kosloff? Doch kein lustiger Macho-Bullen-Spruch?“
Be)
„Diese Scheißkälte hier unten geht mir echt auf den Sack!“, raunzte die vermummte Gestalt in die gekachelte Weite des U6-Tunnels hinein. Sie trat auf der Stelle, denn trotz der Thermopads in ihrer Jacke kroch die unterirdische Kälte langsam aber sicher durch jede Lücke in ihrer Kleidung.
„Nimm doch das nächste Mal einfach ein paar Handwärmer mehr mit oder lass dir von Lena mal ein paar schöne Wollsocken stricken, du Weichei! Oder kann deine Alte das auch nicht?“, antwortete Yari mit gedehnter Stimme.
„Außer Ficken braucht sie nix zu können!“
Die beiden Männer schauten sich kurz ins Gesicht und brachen dann in schalltendes Gelächter aus. Beide hatten nicht viel übrig für tiefsinniges Miteinander, aber deshalb waren sie auch nicht eingestellt worden. Eher wegen ihrer subtil brutalen Art, Frauen und andere Ware davon zu überzeugen, hier unten tief in den Schächten ihren Job zu verrichten.
Yari zog ein letztes Mal genüsslich an seinem Tabacco-Stick und wollte gerade das alte Austrete-Ritual vollziehen, als ihm eine Ratte über den massiven Stiefel rannte.
„Scheiße!“, entfuhr es ihm. Schon hatte Will die Waffe in der Hand und suchte einen imaginären Gegner auf dem Boden ab.
„Was is?“
„So ’ne Scheißratte! Da war so ne dreckscheißverdammte Ratte!“
„Ja und? Willst du mich verarschen? Hätte dich fast weggeblasen!“
„Du mich wegblasen?“ Yari gackerte. „Du triffst doch nicht mal einen ausgewachsenen Yak, wenn er dir auf den Eiern steht!“
„Ja! Aber du bist fetter und stinkst mehr! Deswegen würde ich dich ja auch blind treffen.“
Wieder grinsten sich die beiden dämlich an.
„Keine Ahnung, wo das Mistviech herkam“, sprach Yari und sah sich um. Da erhaschte er auf der gegenüberliegenden Seite eine Bewegung. Im schummrigen Licht der Notstrahler huschten kleine fließende Schatten mit hohen Fiep-Geräuschen über die verdreckten, Müll übersäten Kacheln der Station und verschwanden in der dunklen Röhre.
„Hey! Da sind Ratten, jede Menge Ratten!“, rief Yari. „Wo rennen die hin?“
„Fuck!“ bemerkte Will trocken und richtete seinen Xenon-Handstrahler auf die wimmelnde Rattenautobahn. Einige der Tiere blieben einen kurzen Moment stehen und rannten dann weiter, andere wichen dem Leuchtkegel aus.
„Jetzt geb’ ich euch kleinen Seuchenvögeln was zu fressen!“, grunzte Yari und zielte mit seinem Laser-Blaster in die Mitte des kleinen grauen Rinnsals. Plötzlich wechselten die Ratten ihre Richtung und rannten auf Yari und Will zu. Verstört schauten sich die beiden Männer an. Will hörte ein kurzes summendes Geräusch. Dieses Summen kenn ich doch …
C)
„Achtung! Extraktions-Start in fünf Sekunden.“
Brüsk zog Elias seine Partnerin ein Stück zurück, ohne seinen Blick von der Raummitte abzuwenden. Verständnislos schaute Louann zuerst auf Elias, der sie immer noch festhielt, und versuchte dann, seinem Blick ins Nichts zu folgen. Dort, etwa drei Meter vor ihnen, trat eine graue, glänzende Kugel aus dem gleichfarbigen Boden heraus. Wo Louann noch Sekunden vorher gestanden hatte, wirkte der Boden auf einmal flüssig. Wie Wachs, durch das sich die Kugel von unten nach oben schob und das einem Seidentuch gleich langsam von den Wänden der Kugel glitt. Als die Kugel zu fast zwei Dritteln herausgetreten war, stoppte sie. Nahezu geräuschlos bildete sich ein Eingang. Der Effekt hätte nicht filmreifer sein können! Neugierig beugte sich Louann vor – und stand dem seltsamsten Wesen gegenüber, das sie bis dato in Hanseapolis, nein, das sie bislang jemals getroffen hatte.
„Sie suchen jemanden?“, hauchte das Wesen, eine spindeldürre Gestalt mit einem grotesk aussehenden, überdimensionalen Kopf, die Louann aus fahlen Augen anstarrte. Bevor diese sich von ihrem Schrecken erholen konnte, sprach das Wesen weiter. „Ah, ich verstehe … Sie haben die Kleine verloren …“ Das schadenfrohe Gekicher verursachte Louann eine Gänsehaut. Wer oder was zum Teufel ist das?
Da vernahm sie hinter sich Elias‘ spöttische Stimme: „Marino, darf ich vorstellen? Das ist Alfred, ein überaus talentierter Suggestor!“ Er schnaubte. „Halt bloß deine sieben Sinne zusammen! Er könnte dich zwingen, etwas zu denken oder zu tun, was du hinterher bereust.“
„Also wirklich, Detective Kosloff“, wisperte Alfred. „Sie machen Ihrer Freundin Angst … Sie wissen genau wie ich, dass ich ohne gerichtliche Genehmigung nicht in fremde Köpfe schauen darf.“ Dabei fixierte er Louann, die fasziniert zurückstarrte. „Ich interessiere mich eben für meine Mitmenschen. Eine Berufskrankheit, Sie verstehen ...“ Dann drehte er plötzlich seinen hässlichen Schädel und stierte Elias an.
„Lass das!“, schnauzte der den Suggestoren an und zog Louann beinahe gewaltsam aus dem Raum. Beide rannten zurück zum Expressaufzug.
„Der Typ ist ja gruselig! Was genau macht er da unten?“, fragte Louann etwas atemlos, als sie nach oben fuhren.
„Alfred ist unser Suggestor. Er versetzt Zeugen in Trance und bringt sie dazu, die gesehene Tat noch einmal zu durchleben. Dabei werden ihre Gehirnströme gemessen und in holografische Bilder umgesetzt. So erhalten wir detaillierte Tatortbilder und Täteraufnahmen. Eigentlich eine gute Sache.“ Elias knurrte. „Aber irgendwie trau ich dem Kerl nicht …“
D)
„Wie sind Sie herein gekommen?“
Zufrieden stellte Aidan fest, dass die verängstigte Stimme in seinem Rücken um eine Oktave nach oben gerutscht war und die Frage mit einem leichten Quieken endete. Langsam drehte er sich um und fixierte seinen Gastgeber wider Willen.
„Dein Killerkommando hat versagt und jetzt sollen wir für dich Elias Kosloff aus dem Verkehr ziehen.“ Es war eine Feststellung, keine Frage.
Paul van Laak blieb nichts anderes übrig als zu nicken, während sein rasendes Herz schmerzhaft in der Brust trommelte.
„Einige von uns haben … sagen wir mal … moralische Bedenken, ein ehemaliges Mitglied der Bruderschaft zu beseitigen.“ Aidan machte eine kurze, aber sehr wirkungsvolle Pause und Paul van Laak spürte, wie ihm trotz der Minustemperaturen der Schweiß ausbrach. „Ich jedoch nicht.“ Demonstrativ blickte sich der schwarz gekleidete Mann um. „Ein schöner Raum.“
„Äh, danke“, keuchte van Laak, der versuchte, die Fassung zu bewahren. „Es ist alles in Ordnung, hoffe ich. Ich habe die Summe an das Konto überwiesen, das mir genannt wurde, wie vereinbart.“
„Ja, damit ist alles in Ordnung“, sprach Aidan und erlaubte sich den Hauch eines Lächelns. In seinen Augen jedoch herrschte Finsternis.
„Aber … aber warum sind Sie dann hier? Hören Sie, wenn Sie wissen wollen, warum Kosloff sterben muss, muss ich Sie enttäuschen.“ Van Laaks Herzschlag hatte sich wieder etwas beruhigt. Er war ein geschickter Verhandlungsführer. „Ich kann es Ihnen nicht sagen.“
Aidans herzhaftes Lachen traf ihn bis ins Mark. „Du Schwachkopf! Ich weiß von eurer kleinen Verschwörung, wenn auch nicht alles.“ Er lehnte sich gegen die Frauen-Skulptur und streichelte sanft über eine ihrer Eisbrüste. Dabei fixierte er van Laak wie die Schlange das Kaninchen. Der Politiker, der leichenblass geworden war, versuchte sich unauffällig rückwärts in Richtung Flügeltür zu bewegen. „Was wollen Sie?“ Sein Versuch, die Haltung zu bewahren, misslang kläglich.
„Was ich will? Dich zuerst mit dem Messer kitzeln und dann …“ Aidan verstummte und lächelte.
„Wa…as?“ Van Laak spürte, wie er keine Luft bekam.
„… dein verdorbenes, nutzloses Leben auslöschen.“
„Aber …“ Van Laak wurde schwarz vor Augen. Er hatte keinen Grund, auch nur eine Sekunde an Aidans finsteren Absichten zu zweifeln. „Das können Sie nicht! Wir … wir zahlen gut!“
„Oh ja, das tut ihr. Aber du hast mein Gesicht gesehen.“ Aidans Augen in dem beulenübersäten Gesicht glitzerten bösartig. „Und es ist, wie ich bescheiden zugeben muss, unverwechselbar.“
für einen Hochglanzflyer, der auf der internationalen Buchmesse in Wien (November) verteilt wird, habe ich eine A5-Seite gebucht. Dort habe ich die Möglichkeit, eine Leseprobe aus meinen zwei Hanseapolis-Romanen drucken zu lassen. Nun ist ein A5-Format nicht viel, zieht man noch den Titel und die Cover mit in Betracht. Ich habe vier Leseproben herausgesucht, kann mich aber - vor allem zwischen zwei - nicht entscheiden. Es ist sehr schwer, weil ich halt nicht viel Platz zur Verfügung habe und die zufälligen Leser sofort fesseln muss. Abgesehen davon bin ich nun wirklich nicht sehr objektiv. Am liebsten würde ich die PDFs der Seiten hier publizieren, aber da geht halt technisch nicht, deshalb binde ich die vier Leseproben in unterschiedlichen Farben hier ein. Ist etwas unsexy - zum Glück sind die Texte ja nicht lang -, dennoch würde ich mich über euer Feedback freuen!
Vielen Dank!
Miriam
A)
„Officer Nolte?“, flüsterte Elias in sein InterCom. „Alles in Ordnung?“
Keine Antwort.
Vorsichtig schlich er den Gang hinunter. Gleich wissen wir, wer unser Mister X ist, dachte er, während seine Augen aufmerksam die Umgebung absuchten. Am Ende des Ganges blieb er unschlüssig vor einer Tür stehen. Container-Deck 45 Süd. Er lauschte. Kein Geräusch, auch keine Container-Roboter. Tiefes Durchatmen. Er öffnete die Tür, blieb aber seitlich im Gang stehen. Als er um die Ecke schielte, machte er einen Schatten aus, der vor einem Terminal an einem geöffneten Frachttor stand.
„Officer Nolte? Sind Sie das?“
Elias ging vorwärts, den Blaster im Anschlag. Hinter ihm schloss sich die Tür automatisch. „Identifizieren Sie sich!“ Mit diesen Worten betrat er die lange Halle und schaute sich um. Auf den markierten Flächen rechts und links von ihm standen ein paar Container in Reih und Glied und warteten offenbar auf Abholung. Die gesamte Außenwand der Etage bestand aus einzelnen Frachttoren mit großen zentrierten Fenstern. Das Tor hinter der unbekannten Gestalt stand weit offen. Von der gleißenden Sonne geblendet, konnte Elias lediglich Schemen erkennen. Die Außen-Antennen für die Robotersteuerung sahen im Gegenlicht wie kleine Lanzen aus.
„Wer sind Sie?“, brüllte Elias gegen den Wind an, der durch die offene Halle peitschte. „Wo ist Officer Nolte?“ Ein mulmiges Gefühl stieg in ihm hoch.
„Detective Kosloff!“, hob der Schatten plötzlich die Stimme und trat ein Stück zur Seite. Die Sonne traf Elias nun ganz und er hob instinktiv seine Hand gegen die Blendung. „Es gibt Dinge, in die man sich nicht einmischt, selbst wenn man ein solch dämlicher sturer Hund ist wie Sie.“
Hatte Elias bislang schon ein mulmiges Gefühl, so war das nun die Bestätigung. Eine Falle.
„Ich bin bewaffnet und Sie vermutlich auch. Eine Patt-Situation also. Was jetzt?“, versuchte er Zeit zu gewinnen.
„Bulle, für wie dumm hältst du mich? In diesem Moment sieht ein äußerst wachsames Augenpaar auf dich und zwar durch eine sündhaft teure Zieloptik.“ Der Schattenmann genoss die Sprechpause sichtlich. „Du solltest also deine berühmten letzten Worte sorgfältig wählen“, belehrte er ihn und zeigte mit dem Daumen hinter sich ins flirrende Nichts, wo sein Scharfschütze Elias aufs Korn nahm.
Wie in einem Tunnel stand der Cop zwischen den Containern, ohne Möglichkeit zur Deckung, geschweige denn zur Flucht. Wut stieg in ihm auf.
„Nun, Kosloff? Doch kein lustiger Macho-Bullen-Spruch?“
Be)
„Diese Scheißkälte hier unten geht mir echt auf den Sack!“, raunzte die vermummte Gestalt in die gekachelte Weite des U6-Tunnels hinein. Sie trat auf der Stelle, denn trotz der Thermopads in ihrer Jacke kroch die unterirdische Kälte langsam aber sicher durch jede Lücke in ihrer Kleidung.
„Nimm doch das nächste Mal einfach ein paar Handwärmer mehr mit oder lass dir von Lena mal ein paar schöne Wollsocken stricken, du Weichei! Oder kann deine Alte das auch nicht?“, antwortete Yari mit gedehnter Stimme.
„Außer Ficken braucht sie nix zu können!“
Die beiden Männer schauten sich kurz ins Gesicht und brachen dann in schalltendes Gelächter aus. Beide hatten nicht viel übrig für tiefsinniges Miteinander, aber deshalb waren sie auch nicht eingestellt worden. Eher wegen ihrer subtil brutalen Art, Frauen und andere Ware davon zu überzeugen, hier unten tief in den Schächten ihren Job zu verrichten.
Yari zog ein letztes Mal genüsslich an seinem Tabacco-Stick und wollte gerade das alte Austrete-Ritual vollziehen, als ihm eine Ratte über den massiven Stiefel rannte.
„Scheiße!“, entfuhr es ihm. Schon hatte Will die Waffe in der Hand und suchte einen imaginären Gegner auf dem Boden ab.
„Was is?“
„So ’ne Scheißratte! Da war so ne dreckscheißverdammte Ratte!“
„Ja und? Willst du mich verarschen? Hätte dich fast weggeblasen!“
„Du mich wegblasen?“ Yari gackerte. „Du triffst doch nicht mal einen ausgewachsenen Yak, wenn er dir auf den Eiern steht!“
„Ja! Aber du bist fetter und stinkst mehr! Deswegen würde ich dich ja auch blind treffen.“
Wieder grinsten sich die beiden dämlich an.
„Keine Ahnung, wo das Mistviech herkam“, sprach Yari und sah sich um. Da erhaschte er auf der gegenüberliegenden Seite eine Bewegung. Im schummrigen Licht der Notstrahler huschten kleine fließende Schatten mit hohen Fiep-Geräuschen über die verdreckten, Müll übersäten Kacheln der Station und verschwanden in der dunklen Röhre.
„Hey! Da sind Ratten, jede Menge Ratten!“, rief Yari. „Wo rennen die hin?“
„Fuck!“ bemerkte Will trocken und richtete seinen Xenon-Handstrahler auf die wimmelnde Rattenautobahn. Einige der Tiere blieben einen kurzen Moment stehen und rannten dann weiter, andere wichen dem Leuchtkegel aus.
„Jetzt geb’ ich euch kleinen Seuchenvögeln was zu fressen!“, grunzte Yari und zielte mit seinem Laser-Blaster in die Mitte des kleinen grauen Rinnsals. Plötzlich wechselten die Ratten ihre Richtung und rannten auf Yari und Will zu. Verstört schauten sich die beiden Männer an. Will hörte ein kurzes summendes Geräusch. Dieses Summen kenn ich doch …
C)
„Achtung! Extraktions-Start in fünf Sekunden.“
Brüsk zog Elias seine Partnerin ein Stück zurück, ohne seinen Blick von der Raummitte abzuwenden. Verständnislos schaute Louann zuerst auf Elias, der sie immer noch festhielt, und versuchte dann, seinem Blick ins Nichts zu folgen. Dort, etwa drei Meter vor ihnen, trat eine graue, glänzende Kugel aus dem gleichfarbigen Boden heraus. Wo Louann noch Sekunden vorher gestanden hatte, wirkte der Boden auf einmal flüssig. Wie Wachs, durch das sich die Kugel von unten nach oben schob und das einem Seidentuch gleich langsam von den Wänden der Kugel glitt. Als die Kugel zu fast zwei Dritteln herausgetreten war, stoppte sie. Nahezu geräuschlos bildete sich ein Eingang. Der Effekt hätte nicht filmreifer sein können! Neugierig beugte sich Louann vor – und stand dem seltsamsten Wesen gegenüber, das sie bis dato in Hanseapolis, nein, das sie bislang jemals getroffen hatte.
„Sie suchen jemanden?“, hauchte das Wesen, eine spindeldürre Gestalt mit einem grotesk aussehenden, überdimensionalen Kopf, die Louann aus fahlen Augen anstarrte. Bevor diese sich von ihrem Schrecken erholen konnte, sprach das Wesen weiter. „Ah, ich verstehe … Sie haben die Kleine verloren …“ Das schadenfrohe Gekicher verursachte Louann eine Gänsehaut. Wer oder was zum Teufel ist das?
Da vernahm sie hinter sich Elias‘ spöttische Stimme: „Marino, darf ich vorstellen? Das ist Alfred, ein überaus talentierter Suggestor!“ Er schnaubte. „Halt bloß deine sieben Sinne zusammen! Er könnte dich zwingen, etwas zu denken oder zu tun, was du hinterher bereust.“
„Also wirklich, Detective Kosloff“, wisperte Alfred. „Sie machen Ihrer Freundin Angst … Sie wissen genau wie ich, dass ich ohne gerichtliche Genehmigung nicht in fremde Köpfe schauen darf.“ Dabei fixierte er Louann, die fasziniert zurückstarrte. „Ich interessiere mich eben für meine Mitmenschen. Eine Berufskrankheit, Sie verstehen ...“ Dann drehte er plötzlich seinen hässlichen Schädel und stierte Elias an.
„Lass das!“, schnauzte der den Suggestoren an und zog Louann beinahe gewaltsam aus dem Raum. Beide rannten zurück zum Expressaufzug.
„Der Typ ist ja gruselig! Was genau macht er da unten?“, fragte Louann etwas atemlos, als sie nach oben fuhren.
„Alfred ist unser Suggestor. Er versetzt Zeugen in Trance und bringt sie dazu, die gesehene Tat noch einmal zu durchleben. Dabei werden ihre Gehirnströme gemessen und in holografische Bilder umgesetzt. So erhalten wir detaillierte Tatortbilder und Täteraufnahmen. Eigentlich eine gute Sache.“ Elias knurrte. „Aber irgendwie trau ich dem Kerl nicht …“
D)
„Wie sind Sie herein gekommen?“
Zufrieden stellte Aidan fest, dass die verängstigte Stimme in seinem Rücken um eine Oktave nach oben gerutscht war und die Frage mit einem leichten Quieken endete. Langsam drehte er sich um und fixierte seinen Gastgeber wider Willen.
„Dein Killerkommando hat versagt und jetzt sollen wir für dich Elias Kosloff aus dem Verkehr ziehen.“ Es war eine Feststellung, keine Frage.
Paul van Laak blieb nichts anderes übrig als zu nicken, während sein rasendes Herz schmerzhaft in der Brust trommelte.
„Einige von uns haben … sagen wir mal … moralische Bedenken, ein ehemaliges Mitglied der Bruderschaft zu beseitigen.“ Aidan machte eine kurze, aber sehr wirkungsvolle Pause und Paul van Laak spürte, wie ihm trotz der Minustemperaturen der Schweiß ausbrach. „Ich jedoch nicht.“ Demonstrativ blickte sich der schwarz gekleidete Mann um. „Ein schöner Raum.“
„Äh, danke“, keuchte van Laak, der versuchte, die Fassung zu bewahren. „Es ist alles in Ordnung, hoffe ich. Ich habe die Summe an das Konto überwiesen, das mir genannt wurde, wie vereinbart.“
„Ja, damit ist alles in Ordnung“, sprach Aidan und erlaubte sich den Hauch eines Lächelns. In seinen Augen jedoch herrschte Finsternis.
„Aber … aber warum sind Sie dann hier? Hören Sie, wenn Sie wissen wollen, warum Kosloff sterben muss, muss ich Sie enttäuschen.“ Van Laaks Herzschlag hatte sich wieder etwas beruhigt. Er war ein geschickter Verhandlungsführer. „Ich kann es Ihnen nicht sagen.“
Aidans herzhaftes Lachen traf ihn bis ins Mark. „Du Schwachkopf! Ich weiß von eurer kleinen Verschwörung, wenn auch nicht alles.“ Er lehnte sich gegen die Frauen-Skulptur und streichelte sanft über eine ihrer Eisbrüste. Dabei fixierte er van Laak wie die Schlange das Kaninchen. Der Politiker, der leichenblass geworden war, versuchte sich unauffällig rückwärts in Richtung Flügeltür zu bewegen. „Was wollen Sie?“ Sein Versuch, die Haltung zu bewahren, misslang kläglich.
„Was ich will? Dich zuerst mit dem Messer kitzeln und dann …“ Aidan verstummte und lächelte.
„Wa…as?“ Van Laak spürte, wie er keine Luft bekam.
„… dein verdorbenes, nutzloses Leben auslöschen.“
„Aber …“ Van Laak wurde schwarz vor Augen. Er hatte keinen Grund, auch nur eine Sekunde an Aidans finsteren Absichten zu zweifeln. „Das können Sie nicht! Wir … wir zahlen gut!“
„Oh ja, das tut ihr. Aber du hast mein Gesicht gesehen.“ Aidans Augen in dem beulenübersäten Gesicht glitzerten bösartig. „Und es ist, wie ich bescheiden zugeben muss, unverwechselbar.“
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