[24.9.2380, 21:38 Uhr]
„Hast du einen Augenblick für mich?“
Robert hob seinen Blick und sah Malee Adulyadej an. Die leitende Krankenpflegerin dieses Schiffes strich sich eine Strähne ihres pechschwarzen Haares aus dem Gesicht. Sie sah müde aus, strahlte aber dennoch die gewohnte innerliche Ruhe aus, die Robert so zu schätzen wusste. Malee war beinah 10 Jahre älter als Robert; vor zwei Wochen hatte sie ihren 35. Geburtstag gefeiert. Sie verstand es wie keine andere mit den Patienten umzugehen, das war es, was Robert am meisten an ihr bewunderte. Er selbst war sich nie sicher, wie er sich anderen Leuten gegenüber verhalten sollte. Ihm war sehr wichtig, was andere Leute über ihn dachten und so probierte er es immer allen Recht zu machen, funktioniert hatte es jedoch nur selten. Malee wusste wie sie sich zu verhalten hatte und alle mochten sie… Robert brauchte ein paar Sekunden um seinen Gedanken zu ordnen und schließlich zu antworten:
„Ja klar. Was ist los?“
Bereits wenige Tage nachdem Robert auf die Independence versetzt wurde hatten sie begonnen sich zu duzen, ein paar Wochen später zählte Malee schon zu Roberts Freunden.
Der junge Arzt rieb sich das Auge – sein linkes Augenlid zuckte in unregelmäßigen Abständen. Es beeinflusste ihn weder bei seiner Arbeit noch brachte es irgendwelche Schmerzen mit sich, doch es störte.
„Faszikulationen…“, sagte Malee.
„Was?“
„… blitzartige Kontraktionen von Muskelbündeln.“
„Stell dir vor, ich habe auch Medizin studiert“, entgegnete Robert und noch im Sprechen bereute er, was er sagte. Er merkte sofort, dass er sich im Tonfall vergriffen hatte - wieder einmal.
„Das Zucken... ich habe es schon vor einigen Stunden bemerkt. Die unwillkürliche Kontraktion von Muskeln im Bereich des Auges kommt meistens von einer Überanstrengung oder einfach zu viel Stress. Die solltest dir eine Pause gönnen.“
„Ja, später vielleicht.“
„Robert, es ist ruhig. Wir kommen hier auch mal ein paar Stunden ohne dich zurecht. Geh!“
Der leitende medizinische Offizier wusste, dass Malee Recht hatte: vermutlich sollte er eine Pause machen, sich ein bisschen entspannen. Obwohl er noch immer nicht erfahren hatte, was die Ursache für den Energieausfall war sollte er die Arbeit erst einmal ruhen lassen. Natürlich konnte er in einer solchen Situation nicht einfach seinen Posten verlassen und sich für eine Mütze Schlaf in sein Quartier begeben, aber er konnte die Berichte beiseite Legen und sich etwas entspannen. Ein paar Minuten.
Robert war gewillt der Schwester zuzustimmen, doch bevor er etwas sagen konnte materialisierte eine Person auf einem der freien Biobetten. Aus seinem Büro heraus konnte Robert nicht feststellen um wem es sich handelte oder welcher Art von Verletzungen diese Person hatte, doch eines stand fest: die Pause würde warten müssen.
Schlagartige sprang Robert auf, sein Puls schoss in die Höhe und für einen kurzen Moment wurde im schwarz vor Augen. Malee bemerkte von dem jedoch nichts, sie war längst am Biobett des Patienten angekommen.
Doktor Mai verließ sein Büro und stürmte auf den Patienten zu. Sofort drang im der beißende Geruch von verbrannten Fleisch entgegen. Die Person war völlig schwarz und bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.
Gerade als Robert nach der Identität der Person fragen wollte erkannte er sie – Josephine.
„Oh mein Gott“, stotterte Robert.
Er schupste die Pfleger beiseite, schnappte sich einen medizinsichen Tricoder und begann zu scannen. Seine Hände zitterten. Um sich herum begann alles zu verschwimmen, er konnte die Stimmen der Leute um ihn herum nicht mehr wahrnehmen. Schweißperlen bildeten sich auf der Stirn des jungen Mannes und er begann laut zu atmen.
„Sauerstoffsättigung 82“, meldete Malee.
„Wir müssen intubieren! Ich brauche ein Laryngoskop und einen Tubus… sofort!“
Die linke Gesichtshälfte war bis zur Unkenntlichkeit verbrannt: Robert konnte weder das linke Auge noch das linke Ohr erkennen, stattdessen sah er schwarzes, verbranntes Fleisch.
Er probierte den Tubus, der zur Beatmung nötig war, über den Mund in die Luftröhre zu führen, doch dabei stieß er auf Widerstand. Behutsam streckte er den Kopf seiner Patientin immer weiter nach hinten, doch der Tubus kam nicht weiter.
„Blutdruck sinkt weiter!“
Seine Hände hatten aufgehört zu zittern, Adrenalin überschwemmte nun seinen Körper. Der junge Arzt arbeitete so konzentriert wie lange nicht mehr. Er vergaß alles um sich herum, alles erschien in diesem Moment so vollkommen unwichtig und nichtig.
„Sie wird bradykard. Herzfrequenz nur noch 50!“
Weitere Sekunden vergingen, doch der Tubus steckte weiter fest. Durch das Einatmen der mehrere hundert Grad heißen Gase, war die Luftröhre nicht mehr zugänglich. Der gesamte Bereich des Rachens war verbrannt.
Ein Pfleger verabreichte Medikamente, Doktor Mai konnte nicht erkennen um was für Medikamente es sich handelte, doch ihm blieb keinen Zeit nachzufragen. Ihm blieb nichts anderes übrig als dem Pfleger zu vertrauen.
„Wir sind bei 40…“
„Eine Ampulle Atropin.“
Malee verabreichte das Atropin, doch die Situation blieb unverändert. Robert drückte den Tubus weiter, drehte ihn erst mit und dann gegen den Uhrzeigersinn…
„Skalpell, ich machen einen Luftröhrenschnitt!“
Bevor Robert zum Schnitt ansetzen konnte setzte ein durchdringender Alarmton ein. Robert begann zu taumeln und zog das Skalpell zurück. Der Ton brannte sich in sein Gehör. Herzstillstand. Sofort begann das medizinische Team mit der Reanimation. Minuten vergingen. Erfolglos. Tod.
Es wurde still auf der Krankenstation, niemand sagte etwas. Jegliche Spannung wich aus dem Körper des jungen Arztes, binnen Sekundenbruchteilen sackte er in sich zusammen und kauerte am Boden, neben dem Biobett mit Josephine. Er zitterte noch immer. Eine Träne rann einsam über die weichen Gesichtszüge des jungen Mannes. Weitere folgten. Sie sammelten sich an seinem Kinn und verbanden sich zu einem großen Tropfen, der nach einiger Zeit der Schwerkraft nicht mehr trotzen konnte.
Robert nahm die Stimmen der Personen um sich herum nicht mehr wahr. Sie hockten sich neben ihn und sprachen mit ihm, doch er wollte sie nicht hören, kein Wort. In seinem Kopf herrschte leere, eine unheimliche Stille. Der Geruch des verbrannten Fleisches war verschwunden, stattdessen glaube er Josephines dezentes Parfum ausmachen zu können. Er klammerte sich an diesen Geruch, probierten ihn zu halten, doch er verschwand. Er würde nie wieder kommen - für immer weg.
Die Erschöpfung kehrte zurück, sein Kopf pochte, er bekam kaum Luft... die Tränen rannen nur in Strömen über sein Gesicht, während er kauernd in einer Ecke auf dem Boden saß…
„Hast du einen Augenblick für mich?“
Robert hob seinen Blick und sah Malee Adulyadej an. Die leitende Krankenpflegerin dieses Schiffes strich sich eine Strähne ihres pechschwarzen Haares aus dem Gesicht. Sie sah müde aus, strahlte aber dennoch die gewohnte innerliche Ruhe aus, die Robert so zu schätzen wusste. Malee war beinah 10 Jahre älter als Robert; vor zwei Wochen hatte sie ihren 35. Geburtstag gefeiert. Sie verstand es wie keine andere mit den Patienten umzugehen, das war es, was Robert am meisten an ihr bewunderte. Er selbst war sich nie sicher, wie er sich anderen Leuten gegenüber verhalten sollte. Ihm war sehr wichtig, was andere Leute über ihn dachten und so probierte er es immer allen Recht zu machen, funktioniert hatte es jedoch nur selten. Malee wusste wie sie sich zu verhalten hatte und alle mochten sie… Robert brauchte ein paar Sekunden um seinen Gedanken zu ordnen und schließlich zu antworten:
„Ja klar. Was ist los?“
Bereits wenige Tage nachdem Robert auf die Independence versetzt wurde hatten sie begonnen sich zu duzen, ein paar Wochen später zählte Malee schon zu Roberts Freunden.
Der junge Arzt rieb sich das Auge – sein linkes Augenlid zuckte in unregelmäßigen Abständen. Es beeinflusste ihn weder bei seiner Arbeit noch brachte es irgendwelche Schmerzen mit sich, doch es störte.
„Faszikulationen…“, sagte Malee.
„Was?“
„… blitzartige Kontraktionen von Muskelbündeln.“
„Stell dir vor, ich habe auch Medizin studiert“, entgegnete Robert und noch im Sprechen bereute er, was er sagte. Er merkte sofort, dass er sich im Tonfall vergriffen hatte - wieder einmal.
„Das Zucken... ich habe es schon vor einigen Stunden bemerkt. Die unwillkürliche Kontraktion von Muskeln im Bereich des Auges kommt meistens von einer Überanstrengung oder einfach zu viel Stress. Die solltest dir eine Pause gönnen.“
„Ja, später vielleicht.“
„Robert, es ist ruhig. Wir kommen hier auch mal ein paar Stunden ohne dich zurecht. Geh!“
Der leitende medizinische Offizier wusste, dass Malee Recht hatte: vermutlich sollte er eine Pause machen, sich ein bisschen entspannen. Obwohl er noch immer nicht erfahren hatte, was die Ursache für den Energieausfall war sollte er die Arbeit erst einmal ruhen lassen. Natürlich konnte er in einer solchen Situation nicht einfach seinen Posten verlassen und sich für eine Mütze Schlaf in sein Quartier begeben, aber er konnte die Berichte beiseite Legen und sich etwas entspannen. Ein paar Minuten.
Robert war gewillt der Schwester zuzustimmen, doch bevor er etwas sagen konnte materialisierte eine Person auf einem der freien Biobetten. Aus seinem Büro heraus konnte Robert nicht feststellen um wem es sich handelte oder welcher Art von Verletzungen diese Person hatte, doch eines stand fest: die Pause würde warten müssen.
Schlagartige sprang Robert auf, sein Puls schoss in die Höhe und für einen kurzen Moment wurde im schwarz vor Augen. Malee bemerkte von dem jedoch nichts, sie war längst am Biobett des Patienten angekommen.
Doktor Mai verließ sein Büro und stürmte auf den Patienten zu. Sofort drang im der beißende Geruch von verbrannten Fleisch entgegen. Die Person war völlig schwarz und bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.
Gerade als Robert nach der Identität der Person fragen wollte erkannte er sie – Josephine.
„Oh mein Gott“, stotterte Robert.
Er schupste die Pfleger beiseite, schnappte sich einen medizinsichen Tricoder und begann zu scannen. Seine Hände zitterten. Um sich herum begann alles zu verschwimmen, er konnte die Stimmen der Leute um ihn herum nicht mehr wahrnehmen. Schweißperlen bildeten sich auf der Stirn des jungen Mannes und er begann laut zu atmen.
„Sauerstoffsättigung 82“, meldete Malee.
„Wir müssen intubieren! Ich brauche ein Laryngoskop und einen Tubus… sofort!“
Die linke Gesichtshälfte war bis zur Unkenntlichkeit verbrannt: Robert konnte weder das linke Auge noch das linke Ohr erkennen, stattdessen sah er schwarzes, verbranntes Fleisch.
Er probierte den Tubus, der zur Beatmung nötig war, über den Mund in die Luftröhre zu führen, doch dabei stieß er auf Widerstand. Behutsam streckte er den Kopf seiner Patientin immer weiter nach hinten, doch der Tubus kam nicht weiter.
„Blutdruck sinkt weiter!“
Seine Hände hatten aufgehört zu zittern, Adrenalin überschwemmte nun seinen Körper. Der junge Arzt arbeitete so konzentriert wie lange nicht mehr. Er vergaß alles um sich herum, alles erschien in diesem Moment so vollkommen unwichtig und nichtig.
„Sie wird bradykard. Herzfrequenz nur noch 50!“
Weitere Sekunden vergingen, doch der Tubus steckte weiter fest. Durch das Einatmen der mehrere hundert Grad heißen Gase, war die Luftröhre nicht mehr zugänglich. Der gesamte Bereich des Rachens war verbrannt.
Ein Pfleger verabreichte Medikamente, Doktor Mai konnte nicht erkennen um was für Medikamente es sich handelte, doch ihm blieb keinen Zeit nachzufragen. Ihm blieb nichts anderes übrig als dem Pfleger zu vertrauen.
„Wir sind bei 40…“
„Eine Ampulle Atropin.“
Malee verabreichte das Atropin, doch die Situation blieb unverändert. Robert drückte den Tubus weiter, drehte ihn erst mit und dann gegen den Uhrzeigersinn…
„Skalpell, ich machen einen Luftröhrenschnitt!“
Bevor Robert zum Schnitt ansetzen konnte setzte ein durchdringender Alarmton ein. Robert begann zu taumeln und zog das Skalpell zurück. Der Ton brannte sich in sein Gehör. Herzstillstand. Sofort begann das medizinische Team mit der Reanimation. Minuten vergingen. Erfolglos. Tod.
Es wurde still auf der Krankenstation, niemand sagte etwas. Jegliche Spannung wich aus dem Körper des jungen Arztes, binnen Sekundenbruchteilen sackte er in sich zusammen und kauerte am Boden, neben dem Biobett mit Josephine. Er zitterte noch immer. Eine Träne rann einsam über die weichen Gesichtszüge des jungen Mannes. Weitere folgten. Sie sammelten sich an seinem Kinn und verbanden sich zu einem großen Tropfen, der nach einiger Zeit der Schwerkraft nicht mehr trotzen konnte.
Robert nahm die Stimmen der Personen um sich herum nicht mehr wahr. Sie hockten sich neben ihn und sprachen mit ihm, doch er wollte sie nicht hören, kein Wort. In seinem Kopf herrschte leere, eine unheimliche Stille. Der Geruch des verbrannten Fleisches war verschwunden, stattdessen glaube er Josephines dezentes Parfum ausmachen zu können. Er klammerte sich an diesen Geruch, probierten ihn zu halten, doch er verschwand. Er würde nie wieder kommen - für immer weg.
Die Erschöpfung kehrte zurück, sein Kopf pochte, er bekam kaum Luft... die Tränen rannen nur in Strömen über sein Gesicht, während er kauernd in einer Ecke auf dem Boden saß…
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