Trotz Suchfunktion und stöbern im Serienübersichtsthread konnte ich, zu meinem Erschrecken, noch keinen Beitrag zu dieser großartigen Serie finden. So will ich hier mal versuchen, euch an meiner Begeisterung für diesen gesellschaftskritischen Epos teilhaben zu lassen.
Um was geht es denn überhaupt in "The Wire". Wiki sagt Folgendes:
„The Wire“ erzählt die Geschichten unter anderem von Polizisten, Kriminellen, Drogensüchtigen, Politikern und Journalisten in Baltimore. Fixpunkt aller Handlungen ist der Drogenhandel in der Stadt
Vordergründig also eine Krimi Serie. Und davon gibts mittlerweile doch eigentlich mehr als genug allen voran CSI. Doch "The Wire" verhält sich zu "CSI" etwa wie "Der schmale Grat" zu "Der Soldat James Ryan".
Das Eine ist halt nur auf Unterhaltung mit einer leicht verdaulichen Botschaft aus, während das Andere sich darum bemüht, neue Perspektiven zu eröffnen, Probleme nicht einfach zu benennen, sondern sie, werteneutral, darzustellen, und ein Thema in seiner Komplexität möglichst verlustfrei wiederzugeben.
David Simon, Schöpfer der Serie, verbrachte 12 Jahre in den Baltimore Ghettos als Polizeireporter. Wenn ihr noch nie etwas von Baltmore Ghettos gehört habt, dann geht es euch so wie mir, bevor ich auf diese Serie aufmerksam wurde. Baltimore, eine amerikanische Großstadt, die nicht vom Finanz- und Technologieboom profitierte, und eine ebenso hohe Mordrate hat, wie New York, bei gerade einmal 1/12 der Einwohner. Doch steht die Stadt Baltimore nicht als ein Extrembeispiel der Kehrseite des amerikanischen Traums da. Sie ist Repräsentant des westlichen Lebensstils, Zeuge der Unveränderbarkeit der Dinge und ein durchschnittliches Beispiel einer Gesellschaft, die durch unfreiwillige Abhängigkeiten in ein System geraten ist, dessen Daseinszweck einzig und allein der Selbsterhalt ist, und paradoxerweise gerade deswegen am eigenen Ast sägt, ohne, dass man dabei einen eindeutig Schuldigen erkennen kann.
David Simon sagt dazu Folgendes in einem Interview von "Time": „Die Show handelt vom Niedergang eines Imperiums. In unserem System sinkt an jedem Tag der Wert eines jeden Individuums - egal ob Dealer, Staatsanwalt, Journalist. Dies ist das Amerika, für das wir bezahlt haben. Nicht mehr und nicht weniger.“
The Wire ist keine leichte Kost. Sowohl psychologisch, als auch moralisch und vor allem aufgrund seiner Komplexität. Teilweise gibt es mehr als 30 gleichberechtigte Hauptcharaktere, an bis zu 7 verschiedenen Schauplätzen, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, jedoch die Anatomie einer dekadenten Gesellschaft, in all seiner Vielschichtigkeit zeigen. David Simon hat verstanden, dass gesellschaftliche Probleme zu allererst einmal eines sind: komplex.
Deshalb rate ich jedem, die Serie nur bei ausreichernder Konzentration und am Stück zu sehen. Zusätzlich braucht man, wie bei jeder Serie, die sich das prädikat realistisch und anspruchsvoll verdienen will, ein paar Folgen, bis man in dieses Geflecht eintauchen kann. Dabei offenbart sich die traurige Schönheit der Serie erst am Ende zur Gänze.
Die Handlung baut sich langsam auf, der Zuseher muss sich dabei alle Informationshäppchen verdienen. Hier trifft man nie auf einen Charakter, der die Dinge kameragerecht zusammenfasst. Wichtige Details fallen oft nur in unbedeutenden Nebensätzen. Die Verbindungen der Handlungsschauplätze zueinander sind nicht immer offensichtlich. Die Serie hat keinen klassischen Spannungsbogen, ist nicht künstlich überdramatisiert und doch in seiner augenöffnenden Funktion höchst unterhaltsam.
Das Erschreckenste ist für mich aber, dass die Serie an sich nicht tatsächlich pessimistisch sondern realistisch ist. Einige Reporter, die auf "The Wire" gestoßen sind und danach die genauen Umstände der Serie und Baltimore untersucht haben stellen ihr ein ähnliches Zeugnis aus. Das was wir hier sehen, ist keine düstere Version unserer Welt, in der wir leben lieben lachen und weinen. Es IST unsere Welt.
Für mich war der einzige Grund, beim Sehen nicht eine tiefe Depression zu fallen, die sehr sympatischen Figuren. Figuren aus dem Alltag, kein Jack Bauer, kein Gilbert Grissom. Aber auf der anderen Seite auch kein Vito Corleone. Hier wird nichts romantisiert, verherrlicht oder überzeichnet. Trotzdem besitzen alle Figuren Ecken und Kanten, an denen man sich reiben kann, die sie nachvollziehbar und einzigartig machen. Man merkt erst, wie dumm plakativ und pseudodrimensional Charaktere anderer vermeintlich realistische Serien sind, wenn man das hier konsumiert hat.
Nicht jedem ist The Wire zu empfehlen. Es gibt viele Menschen, für die Fernsehen fast reine Unterhaltung ist, und überhaupt keinen Bildungszweck besitzt. Oder jene, die nach der schnellen Action, dem kurzweiligen Vergnügen oder den flotten Effekten Ausschau halten. An diese richte ich mich hier aber auch nicht. Jene, die HBO kennen, die wissen, welchen Anspruch der Sender an sich selbst erhebt, die das Konzept des "Neo-Realismus" ebenso lieben wie ich - all jenen sei "The Wire" ans Herz gelegt. Und auch unter diesen Zusehern gibt es viele, die, die die Serie gut, und andere die sie wiederum(ebenso wie ich) großartig finden. Es hängt einfach stark damit zusammen, inwiefern man dazu bereit ist, Energie in ein in Veruf geratenes Medium, genannt Fernsehen zu investieren.
Zum Anbschluss noch ein paar kurze Auszüge aus diversen Kritiken:
„Beste Serie seit Jahrzehnten“ („New York Times“); „beste Show in der Geschichte des amerikanischen TV“ („Philadelphia Inquirer“); „wird als das beste Drama, seit es Fernsehen gibt, erinnert werden“ („San Francisco Chronicle“); „HBOs Meisterwerk - eine TV-Revolution“ („Entertainment Weekly“).
LG
Um was geht es denn überhaupt in "The Wire". Wiki sagt Folgendes:
„The Wire“ erzählt die Geschichten unter anderem von Polizisten, Kriminellen, Drogensüchtigen, Politikern und Journalisten in Baltimore. Fixpunkt aller Handlungen ist der Drogenhandel in der Stadt
Vordergründig also eine Krimi Serie. Und davon gibts mittlerweile doch eigentlich mehr als genug allen voran CSI. Doch "The Wire" verhält sich zu "CSI" etwa wie "Der schmale Grat" zu "Der Soldat James Ryan".
Das Eine ist halt nur auf Unterhaltung mit einer leicht verdaulichen Botschaft aus, während das Andere sich darum bemüht, neue Perspektiven zu eröffnen, Probleme nicht einfach zu benennen, sondern sie, werteneutral, darzustellen, und ein Thema in seiner Komplexität möglichst verlustfrei wiederzugeben.
David Simon, Schöpfer der Serie, verbrachte 12 Jahre in den Baltimore Ghettos als Polizeireporter. Wenn ihr noch nie etwas von Baltmore Ghettos gehört habt, dann geht es euch so wie mir, bevor ich auf diese Serie aufmerksam wurde. Baltimore, eine amerikanische Großstadt, die nicht vom Finanz- und Technologieboom profitierte, und eine ebenso hohe Mordrate hat, wie New York, bei gerade einmal 1/12 der Einwohner. Doch steht die Stadt Baltimore nicht als ein Extrembeispiel der Kehrseite des amerikanischen Traums da. Sie ist Repräsentant des westlichen Lebensstils, Zeuge der Unveränderbarkeit der Dinge und ein durchschnittliches Beispiel einer Gesellschaft, die durch unfreiwillige Abhängigkeiten in ein System geraten ist, dessen Daseinszweck einzig und allein der Selbsterhalt ist, und paradoxerweise gerade deswegen am eigenen Ast sägt, ohne, dass man dabei einen eindeutig Schuldigen erkennen kann.
David Simon sagt dazu Folgendes in einem Interview von "Time": „Die Show handelt vom Niedergang eines Imperiums. In unserem System sinkt an jedem Tag der Wert eines jeden Individuums - egal ob Dealer, Staatsanwalt, Journalist. Dies ist das Amerika, für das wir bezahlt haben. Nicht mehr und nicht weniger.“
The Wire ist keine leichte Kost. Sowohl psychologisch, als auch moralisch und vor allem aufgrund seiner Komplexität. Teilweise gibt es mehr als 30 gleichberechtigte Hauptcharaktere, an bis zu 7 verschiedenen Schauplätzen, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, jedoch die Anatomie einer dekadenten Gesellschaft, in all seiner Vielschichtigkeit zeigen. David Simon hat verstanden, dass gesellschaftliche Probleme zu allererst einmal eines sind: komplex.
Deshalb rate ich jedem, die Serie nur bei ausreichernder Konzentration und am Stück zu sehen. Zusätzlich braucht man, wie bei jeder Serie, die sich das prädikat realistisch und anspruchsvoll verdienen will, ein paar Folgen, bis man in dieses Geflecht eintauchen kann. Dabei offenbart sich die traurige Schönheit der Serie erst am Ende zur Gänze.
Die Handlung baut sich langsam auf, der Zuseher muss sich dabei alle Informationshäppchen verdienen. Hier trifft man nie auf einen Charakter, der die Dinge kameragerecht zusammenfasst. Wichtige Details fallen oft nur in unbedeutenden Nebensätzen. Die Verbindungen der Handlungsschauplätze zueinander sind nicht immer offensichtlich. Die Serie hat keinen klassischen Spannungsbogen, ist nicht künstlich überdramatisiert und doch in seiner augenöffnenden Funktion höchst unterhaltsam.
Das Erschreckenste ist für mich aber, dass die Serie an sich nicht tatsächlich pessimistisch sondern realistisch ist. Einige Reporter, die auf "The Wire" gestoßen sind und danach die genauen Umstände der Serie und Baltimore untersucht haben stellen ihr ein ähnliches Zeugnis aus. Das was wir hier sehen, ist keine düstere Version unserer Welt, in der wir leben lieben lachen und weinen. Es IST unsere Welt.
Für mich war der einzige Grund, beim Sehen nicht eine tiefe Depression zu fallen, die sehr sympatischen Figuren. Figuren aus dem Alltag, kein Jack Bauer, kein Gilbert Grissom. Aber auf der anderen Seite auch kein Vito Corleone. Hier wird nichts romantisiert, verherrlicht oder überzeichnet. Trotzdem besitzen alle Figuren Ecken und Kanten, an denen man sich reiben kann, die sie nachvollziehbar und einzigartig machen. Man merkt erst, wie dumm plakativ und pseudodrimensional Charaktere anderer vermeintlich realistische Serien sind, wenn man das hier konsumiert hat.
Nicht jedem ist The Wire zu empfehlen. Es gibt viele Menschen, für die Fernsehen fast reine Unterhaltung ist, und überhaupt keinen Bildungszweck besitzt. Oder jene, die nach der schnellen Action, dem kurzweiligen Vergnügen oder den flotten Effekten Ausschau halten. An diese richte ich mich hier aber auch nicht. Jene, die HBO kennen, die wissen, welchen Anspruch der Sender an sich selbst erhebt, die das Konzept des "Neo-Realismus" ebenso lieben wie ich - all jenen sei "The Wire" ans Herz gelegt. Und auch unter diesen Zusehern gibt es viele, die, die die Serie gut, und andere die sie wiederum(ebenso wie ich) großartig finden. Es hängt einfach stark damit zusammen, inwiefern man dazu bereit ist, Energie in ein in Veruf geratenes Medium, genannt Fernsehen zu investieren.
Zum Anbschluss noch ein paar kurze Auszüge aus diversen Kritiken:
„Beste Serie seit Jahrzehnten“ („New York Times“); „beste Show in der Geschichte des amerikanischen TV“ („Philadelphia Inquirer“); „wird als das beste Drama, seit es Fernsehen gibt, erinnert werden“ („San Francisco Chronicle“); „HBOs Meisterwerk - eine TV-Revolution“ („Entertainment Weekly“).
LG
Kommentar