The Handmaid’s Tale – Der Report der Magd
Die ersten beiden Staffeln der Serie haben mich so sehr begeistert, dass ich doch gerne etwas Zeit und Mühe für einen neuen Thread investiere.
Hier ein paar Eckdaten:
Start der Serie: 2017, bisher drei Staffeln (36 Folgen à 45-60 min), vierte Staffel bereits angekündigt.
Es handelt sich um eine Verfilmung eines Romans von Margaret Atwood aus dem Jahr 1985.
Showrunner ist Bruce Miller ("Eureka", "The 100").
Die Prämisse der Serie lässt sich wie folgt beschreiben:
In einer Parallel-Welt, die große Ähnlichkeiten mit unserer Welt aufweist, ist es zu massiven ökologischen Problemen gekommen, die dazu führen, dass in einem Zeitraum von mehreren Jahrzehnten die Anzahl der Geburten drastisch zurückgegangen ist. Wenige Jahre vor Beginn der Haupthandlung der Serie hat sich in den USA ein christlich-fundamentalistisches Regime etabliert, die Republik Gilead. Es handelt sich um eine Diktatur, welche den Fortbestand der Gesellschaft dadurch sichern möchte, indem die verbliebenen fruchtbaren Frauen entmündigt und gezwungen werden, sich von den Machthabern schwängern zu lassen. Die gezeugten Kindern gehen in den Besitz der Familie des Mannes über. Davon abgesehen sind auch die unfruchtbaren Frauen in ihrer Freiheit eingeschränkt: sie dürfen keinen Besitz haben, nicht lesen, keinem Beruf nachgehen usw. Von besonderer Bedeutung innerhalb der Serie ist dabei das Klassensystem der Gesellschaft von Gilead. Neben Mägden gibt es Herrinnen (die Frauen der Kommandanten), Tanten (Aufseherinnen), Marthas (Hausfrauen) und Unfrauen. Bzgl. der gesellschaftlichen Differenzierung der Männer gibt es in der Serie nur wenig Hinweise.
Im Zentrum der Serie steht die Figur June Osborne, die in einem Haushalt als Magd Desfred (im englischen Original: Offred) gehalten wird. Die Serie handelt davon, wie sich die Frauen in dieser Welt einrichten und zum Widerstand übergehen.
Was ist das besondere an dieser Serie?
"Der Report der Magd" hat ein langsames Erzähltempo und ist gleichzeitig hochspannend. Mit einfachen Mitteln wird eine große Wirkung erzielt.
Der Großteil der Handlung spielt sich im Haus der Waterfords ab. Trotzdem wird eine sehr komplexe und düstere Welt etabliert. Dies ist möglich, da der zentrale Konflikt der Serie durch die Figuren, die im Haus der Waterfords leben bzw. mit June/Desfred verkehren, repräsentiert wird. Die Zeit vor und während dem gesellschaftlichen Umbruch wird in Form von Flashbacks gezeigt. Eine kleine Parallelhandlung in Kanada thematisiert zudem die Außensicht auf Gilead.
Die Welt und ihre Spielregeln werden dem Zuschauer nicht einfach nur verbal erklärt, sondern dem Zuschauer nach und nach gezeigt. Bei einem Staatsbesuch der Waterfords in Kanada erhält Serena beispielsweise von den kanadischen Gastgebern ganz selbstverständlich eine Tagesordnung in bebilderter Form. Es gibt keine verbale Erläuterung im Sinne von "Ähm, wir wissen, dass Frauen aus Gilead nicht lesen dürfen." In diesem Zusammenhang gibt es auch eine Begegnung zwischen Serena und einem Vertreter der USA. Er bietet ihr Asyl auf Hawaii an. Ganz nebenbei erfahren wir, dass sich die verbliebene USA auf Hawaii und Alaska mit der Hauptstadt Anchorage erstreckt. Heute nennt man so etwas "Worldbuilding". In dieser konkreten Umsetzung ist das aber wirklich sehr elegant gemacht.
Es gibt in der Serie viele Momente, in denen wenige oder keine Worte gewechselt werden. Dafür erschließt sich die Gefühlswelt der Figuren durch Mimik, innere Monologe usw. Durch die großartige Bildsprache wird die Handlung über weite Teile allein durch die Bilder entwickelt. Vieles muss nicht erklärt werden – es passiert einfach … oder aber es passiert eben nicht. Es gibt einige sehr grausame Momente, aber ein Großteil der Gewalt und Brutalität spielt sich nur im Kopf des Zuschauers ab. Beispielsweise werden in Dialogszenen manchmal spitze oder stumpfe Haushaltsgegenstände eingeblendet. Auch wenn es dabei letztlich nicht zu Gewaltausbrüchen kommt, ist die Gewalt immer gegenwärtig.
Ich beschwere mich manchmal darüber, dass Frauen häufig langweilige und/oder stereotype Figuren/Rollen spielen. In "Der Report der Magd" sind die weiblichen Figuren und die Schauspielerinnen jedoch in jeder Hinsicht überragend.
Meine Lieblingsfigur ist überraschenderweise Tante Lydia. Eigentlich müsste man sich als Zuschauer von diese Figur aufgrund ihrer Grausamkeiten entsolidarisieren. Tatsächlich aber ist sie nicht einfach nur sadistisch, sondern ernsthaft um die Mägde und deren (ungeborene) Kinder besorgt. Mütterliche Fürsorge und harte Bestrafung sind für sie nur unterschiedliche Seiten einer Medaille. Symptomatisch hierfür ist eine Szene in der ersten Staffel, als Mägde anlässlich des Besuchs einer mexikanischen Delegation zu einem Festessen eingeladen werden. Tante Lydia weigert sich dabei, die verstümmelten und entstellten Frauen von der Feier auszuschließen und nimmt dabei in Kauf, in Konflikt mit dem Regime zu geraten. Völlig zurecht wurde die Schauspielerin Ann Dowd für ihre Verkörperung von Tante Lydia ausgezeichnet.
Ebenfalls herausragend finde ich die beiden Figuren Emily und Janine. Wie bei June handelt es sich um Mägde, denen übel mitgespielt wurde, aber daraus unterschiedliche Konsequenzen ziehen. Emily ist eine abgestumpfte Frau, die zu eiskalter Gewalt fähig ist. Janine dagegen ist zwar ebenfalls psychisch gestört, zieht aber viele positive Energie daraus, dass sie immer noch am Leben ist.
Elisabeth Moss liefert als June/Desfred ebenfalls eine hervorragende Performance. Wenn ich vielleicht etwas zu kritisieren hätte, dann das, dass sie im Gegensatz zu anderen Mägden, die sich viel weniger herausgenommen haben und dafür ein Auge oder die Zunge verloren haben, bisher weitestgehend ungeschoren davonkommt. Interessant finde ich, dass Elisabeth Moss trotz ihrer Mitgliedschaft bei Scientology ihre Rolle als Widersacherin eines totalitär-religiösen Gesellschaftssystems glaubhaft vermittelt.
Die Serie bietet auch einigen Stoff für kontroverse Diskussionen. In einer Folge gibt es beispielsweise ein Selbstmordattentat auf führende Politiker von Gilead. Dabei habe ich mir tatsächlich vor Freude die Hände gerieben, obwohl ich für gewöhnlich gegen solche Methoden bin. Habe ich mich vielleicht nur gefreut, weil es Fiktion ist, oder finde ich Sprengstoffattentate legitim, wenn die moralisch Guten sie anwenden?
Meine positiven Eindrücke beziehen sich auf die ersten beiden Staffeln, die man zur Zeit bei Amazon Prime sehen kann. Die dritte Staffel ist 2019 erschienen und mindestens eine weitere wird noch produziert werden. Ich hoffe, dass es die Autoren nicht verkacken.
Die ersten beiden Staffeln der Serie haben mich so sehr begeistert, dass ich doch gerne etwas Zeit und Mühe für einen neuen Thread investiere.
Hier ein paar Eckdaten:
Start der Serie: 2017, bisher drei Staffeln (36 Folgen à 45-60 min), vierte Staffel bereits angekündigt.
Es handelt sich um eine Verfilmung eines Romans von Margaret Atwood aus dem Jahr 1985.
Showrunner ist Bruce Miller ("Eureka", "The 100").
Die Prämisse der Serie lässt sich wie folgt beschreiben:
In einer Parallel-Welt, die große Ähnlichkeiten mit unserer Welt aufweist, ist es zu massiven ökologischen Problemen gekommen, die dazu führen, dass in einem Zeitraum von mehreren Jahrzehnten die Anzahl der Geburten drastisch zurückgegangen ist. Wenige Jahre vor Beginn der Haupthandlung der Serie hat sich in den USA ein christlich-fundamentalistisches Regime etabliert, die Republik Gilead. Es handelt sich um eine Diktatur, welche den Fortbestand der Gesellschaft dadurch sichern möchte, indem die verbliebenen fruchtbaren Frauen entmündigt und gezwungen werden, sich von den Machthabern schwängern zu lassen. Die gezeugten Kindern gehen in den Besitz der Familie des Mannes über. Davon abgesehen sind auch die unfruchtbaren Frauen in ihrer Freiheit eingeschränkt: sie dürfen keinen Besitz haben, nicht lesen, keinem Beruf nachgehen usw. Von besonderer Bedeutung innerhalb der Serie ist dabei das Klassensystem der Gesellschaft von Gilead. Neben Mägden gibt es Herrinnen (die Frauen der Kommandanten), Tanten (Aufseherinnen), Marthas (Hausfrauen) und Unfrauen. Bzgl. der gesellschaftlichen Differenzierung der Männer gibt es in der Serie nur wenig Hinweise.
Im Zentrum der Serie steht die Figur June Osborne, die in einem Haushalt als Magd Desfred (im englischen Original: Offred) gehalten wird. Die Serie handelt davon, wie sich die Frauen in dieser Welt einrichten und zum Widerstand übergehen.
Was ist das besondere an dieser Serie?
"Der Report der Magd" hat ein langsames Erzähltempo und ist gleichzeitig hochspannend. Mit einfachen Mitteln wird eine große Wirkung erzielt.
Der Großteil der Handlung spielt sich im Haus der Waterfords ab. Trotzdem wird eine sehr komplexe und düstere Welt etabliert. Dies ist möglich, da der zentrale Konflikt der Serie durch die Figuren, die im Haus der Waterfords leben bzw. mit June/Desfred verkehren, repräsentiert wird. Die Zeit vor und während dem gesellschaftlichen Umbruch wird in Form von Flashbacks gezeigt. Eine kleine Parallelhandlung in Kanada thematisiert zudem die Außensicht auf Gilead.
Die Welt und ihre Spielregeln werden dem Zuschauer nicht einfach nur verbal erklärt, sondern dem Zuschauer nach und nach gezeigt. Bei einem Staatsbesuch der Waterfords in Kanada erhält Serena beispielsweise von den kanadischen Gastgebern ganz selbstverständlich eine Tagesordnung in bebilderter Form. Es gibt keine verbale Erläuterung im Sinne von "Ähm, wir wissen, dass Frauen aus Gilead nicht lesen dürfen." In diesem Zusammenhang gibt es auch eine Begegnung zwischen Serena und einem Vertreter der USA. Er bietet ihr Asyl auf Hawaii an. Ganz nebenbei erfahren wir, dass sich die verbliebene USA auf Hawaii und Alaska mit der Hauptstadt Anchorage erstreckt. Heute nennt man so etwas "Worldbuilding". In dieser konkreten Umsetzung ist das aber wirklich sehr elegant gemacht.
Es gibt in der Serie viele Momente, in denen wenige oder keine Worte gewechselt werden. Dafür erschließt sich die Gefühlswelt der Figuren durch Mimik, innere Monologe usw. Durch die großartige Bildsprache wird die Handlung über weite Teile allein durch die Bilder entwickelt. Vieles muss nicht erklärt werden – es passiert einfach … oder aber es passiert eben nicht. Es gibt einige sehr grausame Momente, aber ein Großteil der Gewalt und Brutalität spielt sich nur im Kopf des Zuschauers ab. Beispielsweise werden in Dialogszenen manchmal spitze oder stumpfe Haushaltsgegenstände eingeblendet. Auch wenn es dabei letztlich nicht zu Gewaltausbrüchen kommt, ist die Gewalt immer gegenwärtig.
Ich beschwere mich manchmal darüber, dass Frauen häufig langweilige und/oder stereotype Figuren/Rollen spielen. In "Der Report der Magd" sind die weiblichen Figuren und die Schauspielerinnen jedoch in jeder Hinsicht überragend.
Meine Lieblingsfigur ist überraschenderweise Tante Lydia. Eigentlich müsste man sich als Zuschauer von diese Figur aufgrund ihrer Grausamkeiten entsolidarisieren. Tatsächlich aber ist sie nicht einfach nur sadistisch, sondern ernsthaft um die Mägde und deren (ungeborene) Kinder besorgt. Mütterliche Fürsorge und harte Bestrafung sind für sie nur unterschiedliche Seiten einer Medaille. Symptomatisch hierfür ist eine Szene in der ersten Staffel, als Mägde anlässlich des Besuchs einer mexikanischen Delegation zu einem Festessen eingeladen werden. Tante Lydia weigert sich dabei, die verstümmelten und entstellten Frauen von der Feier auszuschließen und nimmt dabei in Kauf, in Konflikt mit dem Regime zu geraten. Völlig zurecht wurde die Schauspielerin Ann Dowd für ihre Verkörperung von Tante Lydia ausgezeichnet.
Ebenfalls herausragend finde ich die beiden Figuren Emily und Janine. Wie bei June handelt es sich um Mägde, denen übel mitgespielt wurde, aber daraus unterschiedliche Konsequenzen ziehen. Emily ist eine abgestumpfte Frau, die zu eiskalter Gewalt fähig ist. Janine dagegen ist zwar ebenfalls psychisch gestört, zieht aber viele positive Energie daraus, dass sie immer noch am Leben ist.
Elisabeth Moss liefert als June/Desfred ebenfalls eine hervorragende Performance. Wenn ich vielleicht etwas zu kritisieren hätte, dann das, dass sie im Gegensatz zu anderen Mägden, die sich viel weniger herausgenommen haben und dafür ein Auge oder die Zunge verloren haben, bisher weitestgehend ungeschoren davonkommt. Interessant finde ich, dass Elisabeth Moss trotz ihrer Mitgliedschaft bei Scientology ihre Rolle als Widersacherin eines totalitär-religiösen Gesellschaftssystems glaubhaft vermittelt.
Die Serie bietet auch einigen Stoff für kontroverse Diskussionen. In einer Folge gibt es beispielsweise ein Selbstmordattentat auf führende Politiker von Gilead. Dabei habe ich mir tatsächlich vor Freude die Hände gerieben, obwohl ich für gewöhnlich gegen solche Methoden bin. Habe ich mich vielleicht nur gefreut, weil es Fiktion ist, oder finde ich Sprengstoffattentate legitim, wenn die moralisch Guten sie anwenden?
Meine positiven Eindrücke beziehen sich auf die ersten beiden Staffeln, die man zur Zeit bei Amazon Prime sehen kann. Die dritte Staffel ist 2019 erschienen und mindestens eine weitere wird noch produziert werden. Ich hoffe, dass es die Autoren nicht verkacken.
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